1882 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

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allerdings feind geworden. Nun aber, wo derselbe sich als ein entschiedener Feind der Examina gezeigt habe, glaube er (Redner), daß man alle Angriffe gegen den Abg. Reichensperger einsiellen werde, wenigstens von Seiten der Bauführer, die vor dem Examen fsländen.

Die Debatte wurde geschlossen, der Titel 11 sowie der Rest des Kapitels wurden genehmigt.

Hierauf vertagte sich das Haus um 4 Uhr auf Sonn- abend 11 Uhr.

Zufolge Beschlusses des Staats-Ministeriums vom 13. d. M. fand am W. v. M., Nachmittags 2 Uhr, die erste Sißung des Volkswirthscchaftsraths statt, zu welcher an sämmtliche Mitglieder Einladung ergangen war. Seitens der Staatsregierung waren erschienen: der Staats:Minister von Boetticher als Vorsißender, der Geheime Ober-Regierungs-Rath Beyer aus dem Ministerium für Landwirthschaft, Domänen Und Forsten, sowie der Geheime Ober-Regierungs-Rath Lohmann und der Geheime Regierungs-Rath Bödiker aus dem Reichs3- amt des Jnnern.

Außerdem werden der Begutachtung der Sektion für Land- und Forstwirthschaft unterbreitet werden: 8) Vorlage wegen Einführung einer Kontrole der zum Verkauf gelangen- den Milch, sowie 9) Vorlage wegen Abänderung des §. 38 des Gesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, vom 23. Juni 1880.

Soweit die bezeichneten Vorlagen den Mitgliedern nicht bereits zugegangen sind, werden sie densellen im Laufe der nächsten Tage zugestellt werden. des Vorsitzenden erklärt sich die Versammlung, und insbeson- dere die Sektion für Gewerbe damit einverstanden, daß das neu eintretende Mitglied im permanenten Auss{huß in die durch von Gebhardi's Tod erledigte Stelle eines zweiten Stell- vertreters für den Eisenformer Kamien eintritt.

Demnächsi macht der Vorsitzende einige geschäftliche Mit- theilungen. Mehrere Mitglieder haben angezeigt, daß fie an der Theilnahme an den Berathungen des Bolkswirthschafts- raths zeitweise behindert sind, nämlih: der Rittergutsbesißer von Nathusius, der Geheime Kommerzien-Rath Jaffé und der Gutsbesißer Krüger für den heutigen Tag, der Ritterguts- besißer Albreht und der Kaufmann und Stadtrath Kosmack bis zum 1. März einschließlich, der Rittergutsbesißer Lösewitß bis zum 3. März einshließlih, der Ritterguts- besißer Graf Frankenberg - Ludwigsdorf bis Ende März, der Geheime Kommerzien-Rath de Neufville, der Stadtrath und Kaufmann Hagen und der Gutsbesitzer Wegmann auf unbestimmte Zeit, sowie endlih der Gutsbesißer Freiherr von Hammerstein, der Tischlermeisier Biltmann. und der Kom- merzien-Rath Frenßzel-Beyme für die ganze Dauer der gegen- wärtigen Session.

Der Vorsitzende richtet an die betreffenden Stellvertreter das Ersuchen, an Stelle der behinderten Mitglieder, soweit es erforderlih werden sollte, an den bevorstehenden Sißungen des permanenten Ausschusses sih zu betheiligen.

Für die Berathungen des Volkswirthschastsraths sind bisher folgende Vorlagen eingegangen A angemeldet :

1) Entwurf eines Geseßes über das Reichstabaksmonopol ; 2) Entwurf eines Gesetzes, betreffend Abänderung der Gewerbe- ordnung bezüglih des Gewerbebetriebs im Umherziehen und einiger in Beziehung dazu stehender Bestimmungen; 3) Vor- lage wegen einiger wirthschaftliher Fragen, betreffend den Entwurf eines Geseßes über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen; 4) Entwurf eines Gesetzes über die Ausstellung von Staatsschuldvershreibungen auf Naunen; 5) Grundzüge für ein Unfallversiherungsgeseß; 6) Grundzüge für ein Hülfskassengeseß; 7) Entwurf eines Geseßes, betreffend die Anfertigung von Zündhölzern unter Verwendung von weißem Phosphor.

Der Vor\ißende eröffnet die Sißung mit einer kurzen Be- grüßung der Versammlung, wobei er namentlich hervorhebt, daß die Staatsregierung nach den in der ersten Session ge- machten Erfahrungen großen Werth darauf lege, auch fernerhin über wichtigere wirthschaftliche Fragen das Gutachten des Volkêwirthschastsraths zu hören. Sodann macht derselbe von dem inzwischen erfolgten Ableven des Mitgliedes Schriftseßers von Gebhardi zu Cassel Mittheilung, worauf sich die Ver- fammlung, um das Andenken des Verstorbenen zu ehren, von den Sitßen erhebt.

An Stelle des Genannten ist von Sr. Majestät den Könige der Werkmeister Breithaupt zu Cassel in den Volks- wirths{haftsrath berufen und Seitens der zuständigen Minister der Sektion für Gewerbe überwiesen worden. Auf Vorschlag

Als Kommissarien der Staatsregierung sind zur Theil- nahme an den Berathungen des Volkswirthschaftsraths an- gemeldet: für die Vorlage zu Nr. 1 der Unter-Staatssekretär Dr. von Mayr, der Geheime Regierungs-Rath Boccius und der Regierungs-Nath Dr. Roller; für die Vorlage zu Nr. 2 der Direktor im Reichsamt des Jnnern Bosse und der Geheime Regierungs-Rath Bödiker ; für die Vorlage zu Nr. 3 der Ge- heime Ober-Justiz-Rath Kurlbaum 11,; für die Vorlagen zu Nr. 5 und 6 der Direktor im Reichsamt des Jnnern Bosse und der Geheime Ober-Regierungs-Rath Lohmann; für die Vorlage zu Nr. 7 der Geheime Ober-Regierungs-Rath Loh- mann; für die Vorlage zu Nr. 8 der Geheime Ober- Regierungs-Nath Beyer und der Geheime Regierungs- Nath Dr. Thiel, und für die Vorlage zu Nr. 9 der Geheime Ober- Regierungs-Rath Beyer.

Bezüglich der geschäftlihen Behandlung der Vorlagen schlägt der Vorsißende vor, über jeden einzelnen Gegenstand zunächst eine Generalbesprehung im Plenum und sodann im Anschluß daran die spezielle Berathung im permanenten Aus- {uß eintreten zu lassen. Ueber die Ergebnisse dieser lehteren Berathung werde demnächst eine abermalige Verhandlung im Plenum stattzufinden haben. Die Ernennung von Referenten werde erst für die Ausshußberathungen erforderlich sein. Für die Vorlage zu Nr. 7 (Geseßentwurf, betreffend die Anuferti- gung von Zündhölzern 2c.) sei nur die Berathung durch den permanenten Ausschuß in Aussiht genommen.

Die Versammlung war mit diesen Vorschlägen einver- standen. 5

Zur Uebernahme des Referats in den zur Berathung der Sektion für Land- und Forstwirthschaft gelangenden Vorlagen erklärten sich auf Ersuchen des Vorsitzenden die Herren Kiepert und Freiherr von Landsberg-Steinfurt, als erster bezw. zweiter Referent über die Vorlage zu Nr. 8 (Einsührung einer Kon- trole über die zum Verkauf gelangende Milch), sowie die Herren Dietze und von Rath, als erster bezw, zweiter Referent über die Vorlage zu Nr. 9 (Abänderung des Viehseuchen- geseßes) bereit.

Endlich bringt der Vorsißende noch zur Kenntniß der

Versammlung, daß an den Bolkewirthshafisrath eine Eingabe von Otto Hockenholz, betreffend die Forderungen des Gewerbe- standes, d. d. Wien, den 18. Oktober 1881, eingegangen sei, welche zur Einsicht der Mitglieder aufliege.

Die nächste Sißzung wird auf Mittwoch, den 1. März, Vormittags 11 Uhr, anberaumt und die Tagesordnung die Generalbesprehung 1) des Geseßentwurfs, betreffend Ab- änderung der Gewerbeordnung, und 2) der Vorlage, bezüglich des Gesegentrwourfs über die Zwangsvol!lstrekung in das un- bewegliche Vermögen geseßt.

(Wir haben über diese 2. Sißung bereits gestern be- rihtet.)

Außerdem wird für die Sektion für Land- und Forst- wirthschaft eine Sißung auf Donnerstag, den 2. März, Vor- miitags 10 Uhr, bestimmt, in welcher die Vorlagen wegen Einführung einer Kontrole über die zum Verkauf gelangende Milch und wegen Abänderung des §. 38 des Viehseuchen- geseßes zur Berathung kommen follen.

Die dritte Sitzung des Volkswirthschaft s- raths, am 2. d. M., wurde um 121/4 Uhr von dem Vor- sißenden, Staats-Minister von Boetticher eröffnet.

Als Kommissarien der Staatsregierung waren anwesend: der Direktor im Reichsamt des Jnnern Bosse, der Geheime Ober-Regierungs-Nath Lohmann und der Geheime Regierungs- Rath Bödiker aus dem Reichsamt des Jnnern, sowie der Geheime Ober-Finanz-Rath Rüdorf und der Geheime Finanz- Rath Schmid aus dem Finanz-Ministerium.

; Das Protokoll der 2. Sizung wax zur Einsicht auf- gelegt.

Vor Eintritt in die Tagesordnung theilt der Vorsißende mit, daß der Kommerzien-Rath Schöplenberg fich für diese Sitzung entschuldigt hat.

Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildet die Vor- lage wegen Ausflellung von Staatsschuldverschreibungen auf

. den Namen tes Gläubigers. Zu derselben erhält zunächst das

Wort Hr. Mevissen, welcher hervorhebt, daß das in Aussicht genommene Gesetz einem dringenden Bedürfnisse entspreche und eine empfindliche Lücke in dem System unserer Staats- shuldenverwaltung ausfülle. Preußen sei einer der wenigen Staaten, in welchem eine derartige Maßregel noch niht durch- geführt sei. Es komme darauf an, den ch«taatspapieren die möglichste Berbreitung zu verschaffen und der Heranziehung des privaten Kapitals eine thunlihst breite Grundlage zu geben. Dies lasse fich am leichtesten erreihen, wenn nan

Papiere auf den Jnhaber und Papiere auf Namen neben einander zulasse. Für die Börse würden

erstere stets die Hauptsache bleiben. Für den kleinen Rentner aber seien dieselben zur Kapitalanlage wenig geeignet, da dieser nicht im Stande sei, die Inhaberpapiere sicher aufzubewahren und sich vor dem Verluste zu {ügen. Die Frage anlangend, wie es mit der Zinëzahlung, beziehungs- weise der Ausfertigung von Coupons zu halten sei, so könne man leßtere entweder au pofteur auf eine beshränkte Neihe von Jahren, oder auch auf den Namen ausstellen, derart, daß derjenige, auf dessen Namen das Papier lautet, sie mit seiner Unterschrist zu versehen habe. Es hänge dies übrigens un- trennbar mii der Frage zusamnen, welchen Kassen die Ein- lösung der Coupons übertragen werde. Jm Ganzen erscheine die von dem Finan;-Ministér vorges{hlagene Umgestaltung des Staatsschuldenwesens als eine dringende Nothwendigkeit, namentlich um auch für den Fall eines Krieges die Auf- ae von Anleihen im Jnlande zu ermöglichen und zu fichern.

Der Regierungskommissar, Geheime Finanz-Rath Schmidt, giebt hierauf eine nähere Darlegung der wesentlichen Grund- lagen, auf welchen die Regelung der Sache erfolgen solle. Die wichtigste Frage sci die, ob die Begründung der Staats- \{chuld durch Eintrag in ein Buch erfolgen solle mit der Wir- kung, daß nur derjenige Gläubiger ist, welcher in dem Buche eingetragen ist, oder ob Papiere auf den Namen des Gläu- bigers ausgestellt werden sollen in der Weise, daß dieselben ebenso wie bei den lettres au portenr Träger des Forderungs- rechtes seien. Bei dem seiner Zeit im Landtag gestellten An- trag sei vor Allem der Gesichtspunkt leitend gewesen, daß man dem Gläubiger die größtmöglihe Sicherheit geben müsse. Dies werde in der vollkommensten Weise unzweifelhast durch die Einrichtung cines Buches erreicht, in das der Name des Gläubigers eingetragen werde.

Die Zinszahlung sei in der Weise gedacht, daß in erster Linie die Zahlung an den Gläubiger selbst oder dessen Be- vollmächtigten zu erfolgen habe, eventuell durch Vermitte- lung der Post. Um den Gewohnheiten und der Bequemlich- keit des Publikums möglichst entgegenzukommen, sei aber nicht ausgeschlossen, daß Zinsscheine ausgestellt werden, Jn diesem Falle aber müsse auch für diese Zinsscheine eine möglichst große Sicherheit gewährt werden, und es werte in dieser Hin- sicht namentlih die Frage entstehen, auf welchen Zeitraum die Scheine gegeben werden sollen. Dabei dürfe nicht außer Acht gelassen werden, daß bezüglich dieses Zeitraums Uebereinstim- mung herzustellen sei mit den Coupons der auf den JFnhaber lautenden Staats\schuldverschreibungen, weil andernfalls für die Staatsschuldenverwaltung die größten Weiterungen ent: stehen würden. Von den gegenwärtig bestehenden Staats\chul- den eigene sih für die beabsichtigte Neugestaltung nur die Aprozentige konsfolidirte Staatsanleihe vom Jahre 1876. Die älteren amortisirbaren Schulden seien dazu nicht geeignet ; ebensowenig aber könne die 4!/zprozentige konsolidirte Anleihe in Betracht kommen, weil dieselbe mit dem Jahre 1885 künd- bar werde.

Hr. Rosenbaum führt aus, der Hauptvortheil der beabsih- tigten Einrichtung sei darin zu erblicken, daß die Schuld- verschreibungen fo fest auf den Namen gestellt seien, daß eine kaufmännische Cession der Schuldtitres {le{chthin ausgeschlossen sei und nur eine notarielle Cession stattfinden könne. Für den Staat werde sich der Vortheil ergeben, daß er seinen Kredit nicht mehr bei den Bankiers suchen müsse, sondern \ih direkt an das Privatkapital wenden könne. Viel wichtiger aber sei die von der Maßregel zu erwartende Anregung des Sparsinns der Bevölkerung, sowie vor Allem der Unstand, daß dadur der kleine Mann vor der Versuhung bewahrt bleibe, mit seinen mühevoll erworbenen Ersparnissen sich in gewagte Spekulationen einzulassen und dieselben dabei aufs Spiel zu seßen. Jn welcher Weise die Zinsen gezahlt werden sollen, sei zweifelhaft. Das Beste sei, an der Ausgabe von Coupons festzuhalten. Alle anderen Modalitäten der Zahlung seien zu komplizirt, namentlih auch diejenige durch Vermitte- lung der Post, Auch würde dadurch die Möglichkeit der Vor- auserhebung der Zinsen, die für viele Leute und namentlich für die kleinen Kapitalisten häufig erwünscht sei, abgeschnitten

werden. Rücksißtlißh der Frage wegen Beseitigung des Jn- stituts der Außercoursfezung empfehle es sih, zunächst die Er- fahrungen abzuwarten.

Hr. Kalle hebt hervor, daß der leitende Gedarke der sein müsse, Werthe zu schaffen, welhe dem Jnhabver absoluke Sicherheit gewähren. Dadurch erreihe man zuglei) den wei- teren Vortheil, daß der Staat größere Summen unterbringen könne, ohne seinen Kredit zu ershüttern, und daß die Fluk- tuationen des Courfes mehr als bisher vermieden werden. Bei dem fortdauernden raschen Steigen der Staatsschuld sei daher die FFnstitution von großer Bedeutung. Vom Gesichts- punkte der Sicherheit sei dem System der Begründung der Schuld durch Eintragung in ein Buch unbedingt der Vorzug zu geben. Dadurch werde absolute Sicherheit ge?oten. Amorti- sirbare Staatsschulden seien hierfür nicht geeignet. Bei der Zinszahlung gewähre die perfönlihe Empfangnahme durch den Gläubiger, eventuell durch Vermittelung der Post, die aréßte Sicherheit. Die Ausgabe von Coupons bringe für den Gläubiger wieder die Gefahr des Verlustes mit sich. Die Möglichkeit früherer Nealisirung habe nicht einen fo großen Werth, um ihr diesem Bedenken gegenüber eine durhschlagende Bedeutung beizumessen. Die Außercoursseßzung endlich sei E Einführung der beabsichtigten Jnstitution niht mehr nöthig.

Hr. Kochhann weist auf die große Bedeutung hin, welche der Vorschlag der Staatsregierung in sozialer Beziehung habe. Derselbe stelle eine Fortseßung des Sparkassensystems dar, verbunden mit dem Vortheil höherer Berzinsung. Das französische System der Eintragung in ein Buch sei das beste. Daneben könne man zwar auch Namenpapiere zulassen ; indeß sei ein dringendes Bedürfniß hierfür niht anzuerkennen. Eine wesentliche Schwierigkeit dieses Systems liege in der Legiti- mationsfrage, namentlih im Falle der Vererbung. Gleich- wohl sei demselben der Vorzug zu geben, weil eine genügende Sicherheit, namentlich für die kleinen Leute, nur auf diesem Wege erreiht werdew könne. Eine weitere Schwierigkeit biete unser gegenwärtiges Steuersystem Wolle man der Jnstitution allgemein Eingang verschaffen, so sei es unerläßlich, daß eine Kautel dafür geschaffen werde, daß die Eintragungen des Schuldbuchs nicht seitens der Einshäßzungs- kfommissionen bei den Steuerveranlagungen benußt werden können. Wolle man Coupons zulassen, so liege kein Grund vor, sie auf länger als vier Jahre auszugeben. Besser sei es indeß, jedem Einzelnen zu überlassen, wie und wo er die Zinsen erheben wolle. Jn Verbindung mit der Reichsbank und mit den musterhaften Einrichtungen der Post, werde sich hierfür leiht ein Modus der Rusführung finden lassen. Ein großer Vortheil der Jnstitution sei darin zu finden, daß fie die Außerkursseßung entbehrliÞh mache, welche jeßt häufig zu großen Schwierigkeiten und Verwickelungen führe. Endlich werde dieselbe wesentlich dazu beitragen, die Bedenken zu zer- streuen, welhe vielfah gegen das stetige Anwachsen der Staats\{uld, namentli für den Fall eines Krieges, gchegt wude

Der Regierungskommissar, Geheime Finanz-Rath Schmidt, macht gegenüber den Ausführungen der Vorredner geltend, daß die Legitimationsfrage unleugbare Schwierigkeiten biete, und daß das Bestreben darauf gerichtet sei, die Legitimations- prüfung möglichst der Staatsshuldenverwaltung abzunehmen und auf andere Behörden zu legen, wie bei)pielsweise im Falle der Erbeslegitimation auf die Gerichte, indem man die Vorlegung gerichtlicher Erblegitimationsatteste verlange. Die Ausgabe von Namenpapieren neben der Eintragung in ein Buch sei nit zu empfehlen, weil eine solche Duplizität zu Verwielungen führe. Die Frage, ob Jedermann, und ins- besondere die Behörden, Einsicht des Schuldbuhs verlangen könne, sei von größter Wichtigkeit; die nähere Besprehung derselben dürfe indeß wohl der Spezialberathung vorzubehalten sein. Die Außerkurs\seßung ganz zu beseitigen, werde nicht möglich sein; nur soweit das neue Jnstitut Lat greife, felle dieselbe hinweg, während sie im Uebrigen bestehen bleibe.

Hr. Kade erklärt die Beibehaltung der Coupons mit Nücksicht auf die Schwierigkeiten der Legitimationsfrage sür unerläßlich, während Hr. Leyendecker dem Wunsche Ausdruck giebt, daß die neue Institution in nicht zu ferner Zukunft durch eine allaemeine geseßlihe Bestimmung auch auf die Kommunalbezirke ausgedehnt werden möge.

Hr. Wolff bemerkt gegen die Ausführungen des Hrn. Rosenbaum, daß die Möglichkeit vorzeitiger Realisirung der Coupons keineswegs erwünscht sei und den Kleinverkehr ungemein belästige und \chädige. Der Geheimhaltung der Eintragungen werde das Publikum - voraussichtlich kein großes Vertrauen entgegenbringen. Die bezüglichen Bedenken seien nur dadurch zu heben, daß man die direkten Steuern falen lasse und möglichst zu den indirekten Steuern übergehe.

Hr. Mevissen macht gegen die auësc{hließlize Annahme des Eintragungssystems geltend, daß es nicht leiht sein werde, die neue Einrichtung rasch beim großen Puktlikum einzubür- gern. Deshalb sei es, um der Heranziehung des Kapitals eine möglichst breite Grundlage zu sichern, sür empfchlens- werth zu erachten, neben der Eintragung auch die Ausstellung von Namenpapieren zuzulassen.

Hr. Neubauer went auf die Vortheile hin, welche die Fnstitution sür den kleinen Mann durch Belebung des Spar- sinnes mit sih bringen werde, da mit der Zeit Jeder seine Ehre darin finden werde, seine kleinen Ersparnisse durch Ein- tragung in das Staatsschuldbuch anzulegen. Hr. von Rath begrüßt die Vorlage vom landwirthschaftlihen Standpunkt, namentlich im T7Fnteresse der Erhaltung und Hebung des seß- haften Bauernstandes, und Hr. Hessel betont- die großen Ge- fahren, welche das Couponsystem infofern in sich trage, als die Coupons bereits amortisirter Papiere fortgeseßt eingelöst werden. Nachdem sodann Hr. Kalle dem Wunsche Ausdruck gegeben, der Volkswirthschastsrath möge sich dahin aussprechen, day zunächst mit Einrichtung des großen Buches vorgegangen und daß es den weiteren Erfahrungen vorbehalten werde, ob auch Papiere auf den Namen des Gläubigers zu schaffen seien, wird die Diskussion geschlossen.

Die Vorlage wird dem permanenten Auss{huß zur Be- rathung überwiesen. Zur Uebernahme des Referats erklären sich auf Vorschlag des Vorsißenden die Herren Leyendecker als erster und Mevissen als zweiter Referent bereit.

Als zweiter Gegenstand der Tagesordnung folgt der Ent- wurf eines Geseßes, betreffend die Anfertigung von Zünd- hölzern unter Verwendung von weißem Phosphor. Zu dem- selben führt zunächst Hr. Hofendaum aus, der Gegenstand sei

niht ohne allgemeines Jnteresse. Es handele sih um eine große Jndustrie, welhe allein in Schlesien 8000 bis 10 000 Menschen, meist dem ärmsten Proletariat angehörend, be- shäftige. Jn neuerer Zeit habe die Phosphornekrose, welche

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die hauptsêch{liste Gefahr dieser Jndusirie bilde, fehr nach- gelassen und komme gegenwärtig in den größeren, gut gelei- teten Anlagen nur sehr selten vor. Die überwiegende Masse der Zündhölzer werde au jeßt noch nicht mit dem ganz unge- fährlihen amorphen Phosphor, sondern mit dem äußerst ge- fundheitsschädlihen weißen Phosphor angefertigt. Der Export in diesen Zündhölzern sei fo bedeutend, daß die Verwendung des weißen Phos3phors nicht ganz verboten werden könne. Der Preisunterschied der beiden Phosphorarten, und dem- entsprehend auch der Fabrikate sei so erheblich, daß ein solches Verbot den Export vollständig lahm legen würde. Die Haus- industrie, welche früher überwogen habe, sei ganz zurüdck- gedrängt, und beschäftige sich nur noch mit der Anfertigung des Spans und der Schahteln. Demnächst geht der Redner auf die einzelnen Bestimmungen des Entwurfes, insbesondere die 88. 2 und 3 ein, und führt zu §. 22 aus, im Laufe des legten Jahrzehnis haben viele Fabrikanten ihre Anlagen voll- ständig erneuert und zum Theil unter großem Kostenaufwand vorzüglich eingerichtet. Es sei daher nicht erforderli, daß für die gegenwärtig bestehenden Anlagen zu Ausnahmen von den Vorschriften des Entwurfs die Genehmigung des Reichs- kanzlers erfordert werde, vielmehr fei es ausreichend, wenn folhe Ausnahmen von der Zustimmung der Ortspolizeibehörde und des zuständigen Fabrikaufssihtsbeamten abhängig gemacht würden. Hierdurch werde vollkommene Sicherheit erreicht.

Hr. Kochhann bemerkt, die Vorschriften des Entwurfs seien zwar sehr streng, gegenüber der großen Gesfährlichkeit des Betriebes aber gerechtfertigt. Die Strenge sei auch inso- fern von Vortheil, als sie voraussichtlich dazu beitragen werde, die Verwendung des weiten Phosphors mehr und mehr zu verdrängen. » L

Hr. Kalle führt aus, es sei niht nur auf den Schuß der Arbeiter, fondern auch auf den Schuß des Publikums Bedacht zu nehmen, da durch die Verwendung der mit weißem Pphos- phor hergestellten Zündhölzer vielfah Unglücksfälle, wie Brände und Vergistungen herbeigeführt würden. Diese Frage fei bei der Vorbereitung des Entwurfs und in den Motiven gar nit berührt, während sie doch auch der Erwägung be- dürfe. Gehe man von diesem Standpunkt aus, so müsse man dazu gelangen, das Verbot der Verwendung des weißen Phos- phors auszusprehen. Die jeßige Vorlage scLädige die Fn- dustrie mehr als ein solhes Verbot. Fn den Motiven sei ausdrüdcklich anerkannt, daß das Geseßz ein Todbesstoß für die Klein- und Hausindustrie sei. Auch stehe es mit dem übrigen Junhalt der Motive nicht im Einklang, wenn auf Seite 8 gesagt werde, daß auf dem in dem Ent- wurf eingeschlagenen Wege die Schädigung des Exports vermieden werde, Das Richtige sei, die Verwentung des weißen Phosphors im Jnteresse der Arbeiter und des Publikums innerhalb einer bestimmten Frist ganz zu verbieten. Den Fabrikanten sei eine angemessene Entschädigung zu ge- währen, welche überdies nit sehr hoh ausfallen werde. End- lih sei ein Schußzoll für Streichzündhölzex einzuführen, um auf diese Weise die Ueberleitung der Jndustrie auf die Fabri- kation ungefährliher Zündhölzer zu erleichtern,

RNegierungskommissar Geheimer Over-Regierungs-Nalh Lohmann tritt den Bemerkungen des Vorredners über die Motive des Entwurfs entgegen und betont, daß der Schuß des Publikums doch erst an zweiter Stelle in Betracht komme.

Hr. Kauffmann spricht fih im Juteresse der ausgedehnten Zündholzindustirie gegen das gänzliche Verbot der Verwendung des weißen Phosphors aus.

Hr. Rosenbaum erwidert auf die Ausführungen des Hrn. Kalle, daß bie Zündholzfabriken sich meist da ansiedeln, wo billiges Holz zu haben sei, und daß sie nieist eine Wohlthat für die betreffende Gegend seien, da fie der armen Bevölke: rung Gelegenheit zum Verdienste geben. Nehme man ihnen den Export der gewöhnlichen Zündhölzer, so mae man au den Export der Zündhölzer mit ungefährlichem Phosphor un- möglich. Hr. Kalle entgegnet hierauf, daß die Konkurrenz- fähigkeit hon durch die Borschristen des Entwurss s{chwinde, und daß daher das radikale Mittel des Verbots vorzuziehen sei.

Der Regierungskommifsar bemerkt hierzu, die Furcht vor der Verlheuerung der Produktion für die Exportindustrie sei nicht begründet. Der Export, namentlih nah den überseeischen Ländern, liege ausfcließlich in der Hand der größeren An- lagen. Diese seien aber meist {on jetzt derartig eingerichtet, daß sie den Anforderungen des Entwurfs genügen.

Hr. Leyendeler bemerkt, man stche vor der Frage, ob die vorhandenen Gefahren so groß seien, daß eine so scharfe Maßregel, wie das absolute Verbot der Verwendung von weißein Phosphor, gerechtfertigt erscheine. Diese Frage sei zu verneinen, Der im Entwurf eingeshlagene Weg sei der rich- tige und werde allmählih dahin führen, die Verwendung von weißem Phosphor zu beseitigen, ohne daß man einen wichtigen Jndustriezweig mit einem Schlage zu Grunde richte.

Hiermit war die Diskussion ges{losfsen. Die Vorlage wird dem permanenten Aueshuß überwiesen. Zu Neferenten s{lägt der Vorsißende die Herren Rosenbaum und Kalle vor. Ersterer erklärt sich zur Uebernahme des RNeferats bereit. Letterer hatte sih entfernt und wird mit entsprehender Be- nachrihtigung versehen werden.

Die nächste Sißung des Plenums wird auf Freitag, den 3. März, Vormittags 10 Uhr, anberaumt und auf die Tages- ordnung die Generalbesprechung 1) des Entwurfs eines Ge- feßes über das RNReichetabakmonopol und 2) eventuell der Grund- züge für das Unfallversiherungsgeseß geseßt.

Vor Schluß der Sitzung beantragt Graf Henckel von Donnersmarck die für heute anberaumte Sizung des perma- neten Ausschusses zu vertagen, da die Zeit zur Vorbereitung zu kurz gewesen sei. Die Versammlung erklärt sih damit einverstanden. Die Bestimmung des Zeitpunktes der nächsten Sigunz des permanenten Ausschusses bleibt vorbehalten.

Verhandelt zu Berlin am 2. März 1882.

I, Sigung der landwirthshaftlihen Sektion des Volkswirthschaftsraths. Anwesend die Herren: 1) Cramer-Wiesbaden, 2) Diete-Barby, 3) Kiepert-Marien- felde, 4) von Nathusius-Althaldensleben, 5) Krüger-Ellerwalde, 6) Vaupel-Niederhohne, 7) Albret-Suzemin, 8) von Rath- Lauersfort, 9) von Rifselmann - Krussow, 10) Kennemann- Klenka, 11) Freiherr von Landsberg:Steinfurt, 12) von Tiele- Winlkler-Berlin, 13) Claudiß-Meppen.

Die erste Sißung der land wirthschaftlihen Scktion des Volkswirthschaftsraths wird von dem Vorsitzenden, Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. Lucius um 10 Uhr eröffnet. i

Anwesend sind die oben genannten Mitglieder der Sektion.

Zur Verhandlung stehen: 1) die Vorlage wegen Ein-

führung einer allgeineinen Kontrole der zum Veckauf gelan- genden Milch, 2) die Vorlage wegen Abänderung des §8. 38 des Gesetzes, betreffend die Abwehr und UnterdrüŒung von Viehseuchen, vom 23. Juni 18830.

Als Negierungskommissare sind anwesend die vortragen- den Räthe im Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Geheimer Regierungs-Rath Dr. Thiel für die Vorlage zu 1 und Geheimer Ober-Regierungs-Rath Beyer für die Vorlage zu 2.

I, Fn der von dem Vorfißenden zunächst eröffneten Dis- kussion über die Vorlage wegen Einführung einer Kontrole über die zum Verkauf gelangende Milh wird im allseitigen Einversiänöniß konstatirt, daß die Vorlage unter der Bezeichnung „Milch“ süße Milch verstanden wissen wolle und daß der Vorschlag zu 1 der Denkschrift auf . das Feiihalten unvertmis{hter Bieslmilch sih beziehen solle.

Der Referent Hr. Kiepert-:Marienfelde hebt becvor, daß die landwirthschastlihen Vereine, insbesondere diejenigen, deren Mitglieder die Milch nah großen Städten abzuseßzen pflegten, mit der zur Diskussion stehenden Frage schon seit langer Zeit sih beschäftigt hätten. Die Mißstände der bestehenden

Milchkontrole seien hauptsählich darin zu suchen, daß . biéselbe bisher ne lo O Zolizeiver- ordnungen, nicht aber geseßlih geregelt sei. Einer generellen Regelung habe bisher besonders der Um-

stand entgegengestanden, daß ein zuverlässiges Jnstrument zur Prüfung des spezifishen Gewichts- der Milch noch nicht hergestellt worden fei. Er sei mit dem Grundgedanken der Vorlage vollkommen einverstanden: was die einzelnen Vor- schläge der Vorlage anlange, so sei zu 1) das Verbot des Feilhaltens von Biestemilh den Fnteressen der Landwirthschaft entsprechend; zu 2) werde den Vorschlägen beigetrcten werden können, wenn als feststehend anzunehmen sei, daß das empfohlene Jnstrument Angaben von folcher Genauigkeit mit Zuverlüssigkeit zeige; zu 3) sei das Berbot von Zusäßen zur Milch nicht gegen das Jnteresse der Milchproduzenten.

Der Vorsitzende konstatirt, daß nach den Jntenttionen der maßgebenden Stelle die Frage der Mil@kontrole niht dur Gese, sondern durch Kaiserlihe Verordnung geregelt werden solle.

Der Korreferent Hr. Frhr. von Landsberg-Steinfurt hebt zu dem zweiten Vorschlage hervor, daß das Instrument,

rittels dessen die Prüfung der Milch erfolgen solle, jedenfalls

fo einfach kTonstruirt und leiht zu handhaben sein müfse, daß seine Anwendung einem Jeden ohne Weiteres möglich sei. Dies vorausgeseßt, seien gegen den Vorschlag 2 Bedenken nicht zu erheben. Auch der Vorschlag 1 gebe zu crheblichen Bedenken keinen Anlaß. Den Vorschlag 3 anlangend, so sei hervorzuheben, daß es auch Zusäße gebe, deren Verwendung unshädlih und für die längere Konservirung von Milch bei- nahe uncntbehrlich sei; indeß empfehle sich doch die Annahme des Vorsclages im Anschluß an die Motive des Geseßes wegeit Verfälschung der Lebensmittel.

Da im weiteren Verlauf der Diskussion noch von mehreren Seiten hervorgehoben wird, daß das zur Prüfung des fpezifischen Gewichts dcr Milch herzustellende Jnstrument möglichst einfach konstruirt und für Jeden zu handhaben fein müsse, so konstatirt der Borsißende das auf diese Erfordernisse gerichtete allseitige Einverständniß der Versammlung.

Hr. von Nathusius-Althaldensleben hat nihts dagegen, daß das Feilhalten der Biestn.ilh verboten werde, falls ein Bedürfniß bazu vorliege, hebt übrigens zu Vorschlag 3 hervor, daß das absolute Verbot von Zusäßen zwar niht ohne Be- denken, andererseits aber auch nicht zu vexkennen fei, wie mit solhen Zusäßzen erhebliher Mißbrauch getrieben werde, so A sih der Wunsch nah einem Verbot derselben wohl recht- ertige.

Zu Vorschlag 2 sei es mit Rücksicht auf die Kleinheit der Differenzen, welche zwischen ganzer, halber und Mager- milch sih ergeben, zweckmäßiger, nux zu bestimmen, daß eine Zweitheilung vorgeschrieben werde in der Art, daß die zur menschlihen Nahrung bestimmte Milch nur feilgeboien werden dürfe, entweder a. als volle, d. h. durch Zusaß fremder oder Abnahme eigener Bestandtheile unveränderte Milch, oder b, als magere, d. h. solhe Milch, bei welcher der Verkäufer den Zusaß fremder oder die Wegnahme eigener Bestandtheike als stattgehabt cingestehe.

__ Er beantrage demgemäß, den Vorschlag 2 anderweit zu assen. Ey Hr. Kennemann-:Klenka hebt zu Vorschlag 1 hervor, daß die Biestmilh nah Ablauf von 4 Tagen regelmäßig ihre \häd- lichen Eigenschaften verloren habe und beantragt deshalb, in Vorschlag 1 die Worte „bis 8“ zu streihen. Zu Vorschlag 2 stimmt ex der vorgeschlagenen Zweitheilung zu, da eine Drei- theilung wegen der Unterschiede in der Qualität der Milch, die durch die Verschiedenheit der Naçe und der Fütterung be- dingt wlirden, sih niht empfehle.

Hr. von Nisselmann-Krussow {ließt ih gleichfalls dem Vorschlage wegen Annahme der Zweitheilung nah dem An- trage von Nathusius an und hebt zu Vorschlag 3 hervor, daß es vielfah üblich sei, in der heißen Jahreszeit der Milch zur besseren Konservirung Natrum zuzuseßzen. Solle dies au verboten werden ?

Hr. Dietze-Barby verlangt zu Vorschlag 1 gleidfalls eine Herabfezung der Verbotsfrist auf 4 Tage. Fa größeren Städten, auch in Berlin bei den Milchhändlern, sei es viel- fah üblih geworden, die verschiedenen Sorten von Milch aus verschieden gefärbten, mit Aufschrift versehenen Kannen zu verkaufen. Dies habe sich bewährt. Die cinzig wirksame Kontrole für den Milchverkauf werde übrigens dadurch ein- geführt werden, daß alle Händler, die nicht selbstgewonnene ‘Milch verkausten, in ähnlicher Weise konzessionépflichtig gemacht würden, wie die Kleinverkäufer geistiger Getränke.

Hr. von Tiele-Winkler fspriht sich für möglichst strenge Maßregeln wegen Verhinderung der Milchverfälshung aus und empfiehlt in diesem Sinne die Anuahme des Vor- ihlages 3.

Hiermit ist die Diskussion ers{öpft.

Jn seinem Schlußworte empfiehlt der Referent zu Vor- {lag 1 die Annahme des Kennemannschen Antrags, wegen Herabseßung der Verbotsfrist auf 4 Tage, spricht sich für Gut- heißung des Vorschlages 3 aus, da durch die neu erfundenen Kühlmethoden die Möglichkeit geboten sei, die Milch auch ohne Zuseßung fremder Substanzen lange frisch zu erhalten, und bittet zu Vorschlag 2 der Dreitheilung zuzustimmen, da seit Anwendung der Centrifugen faktisch drei Sorten Mil in den Handel gebracht würden.

Um die Kontrole über die Milchhändler zu erleichtern, sei denselben außerdem der Gebrauch verschiedenfarbiger, mit Aufschrist versehener Kannen zur Pflicht zu machen.

Für t=cn leßteren Vorsch&lag ergiebt fich das allsciti2ze Eine verständniß der Versammlung.

Der Korreferent glaubt die Frage, ob überhaupt ein Be- dürfniß zur Einführung einer Milchkontrole vorhanden sei, bejahen zu sollen. Die von einer Seite angeregte Kon- zesjsionirung der Milchhändler sei nab Lage der Gesetzgebung unausführbar. Jm Einzelnen seien Vorschlag 1 und auch 3 anzunehmen, da die Unannehmlichkeiten, welhe Einzelnen dur das Verbot der Zusäße erwachsen könnten, durch die zu erwartenden Vortheile bei Weitem überwogen würden. Den Vorschlag 2 anlangend, sei es richtig, daß von centrifugirter Milch eigentlich 3 Sorten in den Han”el kämen, eventuell sei indeß auh gegen die beantragte Zweitheilung nihts Erheb- liches einzuwenden.

__ Auf Anregung des Vorsißenden wird zu Vorschlag 1 zu- nächst darüber abgestimmt, ob das SFeilhalten unverutischter Biestmilch überhaupt zu verbieten sei?

Diese Frage wird mit allen gegen 2 Stimmen bejakbt.

Die fernere Frage, ob für ven Verkauf dieser Milch eine Verbotsfrist von 8 Tagen festzuseßen, wird einstimmig ver- neint und darauf von dem Vorsißenden konstatirt, daß die Versammlung für die Normirung der Verbotsfrist auf 4 Tage sich ausspreche.

Zu Vorschlag 3 \priht sich Versammlung einstim mig für das Verbot von Zusäßen aus.

Zu Vorschlag 2 wird die in der Vorlage vorgeschlagene Dreitheilung abgelehnt, dagegen die von dem Mitgliede von Nathusius beantragte- Zweitheilung mit allen gegen eine Stimme angenommen.

Das Mitglied von Rath hat sich der Abstimmung über die Vorlage enthalten.

L, Es wird darauf in die Diskussion des zweiten Gegen- standes der Tagesordnung eingetreten, zu deren Einleitung der Vorsizende bemerkt, daß der Anstoß zu der Vorlage dur mehrere von Thierschubtvereinen, insbesondere ven: n zu Dresden und Hannover, an den Reichstag gelanate Petitionen gegeben worden sei, welche Milderung der bcstehenden Gescßgebung im Sinne der Vorlage verlangt hätten.

Der Referent Hr. Dietze: BVarty hölt eine Abänderung des 8. 38 des Reichsgeseßes vom 23. Juni 1880 im Sinne der Vorlage für wünschenswerth. Wenn dieser Paragraph sich nur auf wuthkranke Hunde bezöge, so würde er cher für die obligatorishe Fassung derselben sich erklären können; da derselbe aber die Festlegung der Hunde auch für den Fall zwingend anordne, wenn „ein der Seuche verdächtiger Hund“ frei umhergelaufen sei, so {heine eine Abänderung zweck- mäßig, weil die Polizeibehörden, insbesondere diejenigen auf dem Lande, nur allzu geneigt seien, die Sperre zu verhängen, sobald nur felbst aus weiter Entfernung die NaHricht von dem Erscheinen eines irgendwie verdächtigen Hundes ihnen bekannt werde.

Der Korreserent Hr. von Rath-Lauersfort hält glcifalls die Abänderung des in Nede stehenden 8. 38 für wünschens- werth und bezieht sih hierfür insbesondere auf die Verhältnisse seiner Heimath, in der es üblich sei, daß jede der vielen auf ihren im Lande zerstreut liegenden kleinen Besißungen wohn- haften Familien einen Hund halte, Die große Zahl dieser Hunde gebe vielfa zu unrichtigen Nachrichten vom Auftreten der Tollwuth Anlaß, durch welche die Polizeibehörden zur Verhängung der Sperre sich nöthigen ließen. Die Erseßung der obligatorischen Fassung des Paragraphen durch die fakuk- tative werde die Polizeibehörden zur Aufwendung größerer Sorgsamkeit und Vorsicht nöthigen. Das beste Korrektiv sei übrigens die geseglihe Einführung der Hundejteuer.

Der Geheime Ober-Negierungs-Ralth Beyer macht gegaen- über den Ausführungen des Herrn Referenten auf die Be- stimmungen im §. 1 des Rcichsgeseß2s voin 23. Juni 1880 aufmerksam, nach denen, als der Seuche verdächtig, nuc solche Thiere gelten, «an welche sih Erscheinungen zeigen, welche den Ausbruch einer Seuche befürchten lassen. Die Fenstellung des Seuchenverdahts erfolge aber nach 8. 12 1, c. durch den bes amteten Thierarzt und nicht dur die Polizcibehörde.

Hr. von Tiele-Winkler macht auf die große Gefahr auf- merktsam, welche den Menschen durch die Verbreitung der Tollwuth unter den Hunden erwachse. Diescr Gefahc müsse mit den strengsten Maßregeln entgegengetreten werden, wes- yalb er sih für Beibehaltung der jeßigen Fassung des 8. 38 ertläre.

Jm Verlaufe der Debatte wurden- von mehreren Seiten Klagen über die das Maß übersteigende Gewohnheit der Hundehaltung Seitens der Landbewohner laut, zu deren Ab- stelung nah der Meinung mehrerer Mitglieder die bevor- stehende geseßlihe Einführung der Hundesteuer sich wirksam erweisen werde.

Hr. von Landsberg-Steinfurt kann ein Bedürfniß zur Abänderung des §. 38 nicht anerkennen und befürchtet laxe Handhabung derselben dur die Polizeibehörden für den Fall, daß dem Paragraphen eine fakultative Fassung gegeben wer- den sollte. Er stelle anheim, statt der Festlegung andere Maß- regeln, z. B. das Maulkorbtragen und die Führung der Hunde an der Leine einzuführen.

Hr. von RNisselmann-Krussow hält eine Abänderung des 8. 38 namentlih für den Falt zweckmäßig, daß der jeßt dem Landtage vorliegende Geseßeniwvuürf wegen der Hundesteuer Annahme finden sollte. Jn seinem engeren Heimathsvezirke sei seit 12 Fahren ahtmal Hundesperre angeordnet gewesen.

Hr. Claudiß-Meppen is gegen die Abänderung, da erfahrung8mäßig die Anordnung der Hundesperre immer eine heilsame Neduktion des Hundcbestandes zur Folge habe. Wenn in gewissen Bezirken Sperren häufig verhängt werden müßten, so habe dies darin seinen Grund, daß die Sperre zuerst für ein zu kleines Gebiet eingeführt gewesen sei.

Hr. Kiepert-Marienfelde {ließt sich den Ansichten des Hrn. von Nisselmann an und erwähnt, daß die Einführung der Hundesteuer in Marienfelde mit 6 A zu Gunsten der Kom- munalkasse eine große Verminderung der Anzahl der frei um- herlaufenden Hunde zur Folge gehabt. Fm FJnteresse der Landwirthe fei die Milderung des Geseßes nothwendig.

Hr. von Nathusius-Althaldensleben kann nicht anerkennen, daß die Fassung des 8§. 38 für die Landwirthe drücend sei und wird deshalb gegen die vorgeshlagene Abänderung stimmen. ;

Hiermit ist die Diskussion erschöpft.

Bei der Absimmung erklären sih sieben Stimmen für, ses gegen die in der Vorlage besprochene Abänderung des 8. 38 Gesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 23, Juni 1880. i