1882 / 60 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

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“er mET Er U S R ra:

einer türkischen Dame. Von Darja Omer Pascha. 1]. Die Unter- irdishen. -— Hiddensoe, ein Schauplaß germanisher Sage. Von Franz Sternbald. Mit Jllustration. Winke für Hausfrauen. 1. Strandrecht. Von Alfr. Friedmann. Zum gleichnamigen Bilde. Kaiser Friedrich der Zweite. Von C. Ferd. Meyer. Zum gleih- namigen Bilde. Ferner eine reichhaltige Plauderecke. Kleine Mittheilungen. Sprech{saal. Briefkasten. Schach. Räâthsel. Anzeigen. Kunstblätter in Holzschnitt: Koranvorlesung. Von W. Gent. Die Kaffe-es{western. Von Paula Monjé. Hof- bräuhaustypen. Von A. Scherer. Komm, mein liebes Täuben! Von K. Hertel. Kaiser D der Zweite. Von Alexander Zik. Die Johanneskirche in Dresden. Von B. Mannfeld. Gefähr- liche Freundschaft. Von O. Becker. Die Kannegießer. Von Hugo Kauffmann. Man abonnirt in allen Buchandlungen und Post- anstalten auf die Wochenausgabe für 1,60 Æ vierteljährlich. Die Nummern vom 1. Januar ab werden nachgeliefert. Die Heftausgabe, jährli 14 Hefte zu 50 S, kann durch die Post nicht bezogen werden.

Land- und Forstwirthschaft.

Aus dem mittleren Elsaß,5. März. (Schw. M.) DieSaat der Sommerfrüchte, welbe mit der 2. Hälfte des Monats Februar begann, kann fast durhweg als vollendet betrahtet werden und die Saaten sind nun am Auflaufen. Der regen- und \chneelose Winter dieses Jahres hatte in Verbindung mit dem Auf- und Zufrieren des Bodens bewirkt, daß dieser a tempo mit dem Aufhören des Frostes in bester Verfassung für die Bearbeitung war, und es wird da, wo es zahlreiche Kiesböden giebt, wie in dem Landstrich zwischen JU und Rhein, mit der Einsaat durchaus nicht gezögert. Der Roggen wächst recht üppig heran und auch der Weizen zeigt cine gute Farbe. Die dur den Mäusefraß ruinirten Kleefelder werden wohl anderweitig eingebaut werden müssen und damit fällt auch die Nothwendigkeit weg, die in dem leßten, unglaublih futterarmen Jahre bedeutend ge- lihteten Viehstände rasch zu rekrutiren. /

Vom Mittelr hein, 7. März, wird der „Dtsch. Rchs.-Post“ gemeldet: Der Stand der Wintersaaten is bis jeßt ganz zu- friedenstellend. Der Roggen treibt {on kleine Halme und prangt im lieblihsten Grün; der Weizen ist zwar roch weit zurü, steht aber ret gleichmäßig und gut bestockt. Die Weinberge haben einen befriedigenden Stand. Möchte endlich cin guter Jahrgang die auf die Weinberge verwandte Mühe und Arbeiten, sowie den verur- fachenden Kostenaufwand der Winzer entschädigen. Im W inzer- ge\chäft herrscht reges Leben. Die Preise sind hoh und fest.

Zum Kartoffelexport nach England schreibt Oeko- nomie-Rath Petersen-Eutin in der „Deutsch. Landw. Pr.“ : „Be- kanntlich hat sich seit einer Reihe von Jahren ein nicht unerheblicher Erport von Kartoffeln aus Deutschland nah England entwickelt, und so viel ich weiß und überhaupt allgemein bekannt geworden ist, mit wesentlichem Nutzen für die Produktion, Das englische Blatt „The Farmer and the Chamber Agriculture Journal“ vom 27. Februar d. J, wie auch bercits frühere Nummern dieses und anderer englisher Blätter, enthalten neue Mittheilungen über einen sich immer mehr entwickelnden Crport von Kartoffeln aus England nach Amerika und zwar hauptsächlich nah New-York. Nah Erwähnung von Frachtsäßen, Verschiffungsorten u. \. w. heißt es: „Es ist konstatirt, daß in Amerika für Kartoffeln ein doppelt so hoher Preis gezahlt wird wie hier, so daß nah Abzug der Fraht nah dort u. \. w. noch ein s{öner Gewinn für den Export übrig bleibt. Es ift zu er- warten, daß der Absaß nach Amerika zunehmen wird, und daß größere Schiffsladungen von Fleetword nach New-York und anderen amerikanishen Häfen versandt werden. Unter fsolchen Umständen, mögen die nach England von hier erportirten Kartoffeln dort ver- zehrt werden oder nicht, spielt England den Zwischenhändler zwischen Deutschland und Amerika und, wie sih aus jenen Mittheilungen er- giebt, mit nicht geringem Nußen. Es bedarf aber keiner weiteren Erörterung, daß wir, wenn die Sache nur richtig angefaßt wird, die Engländer als Zwischenhändler niht gebrauchen, sondern wir uns den Nußen felbst aneignen können. In denjenigen Gegenden Deutschlands, wo man Kartoffeln exportirt, sollte man sich deshalb mit Bremen oder Hamburg in Verbindung seßen und einen direkten Export nach Amerika anregen.“

Gewerbe und Handel.

Gothenburg, 6. März. Nah dem Verwaltungsbericht der hiesigen Branntwein-Ausschank-Aktiengesellshaft für 1881 standen derselben 61 Ausschankgerectigkeiten zur Verfügung, wovon 23 im eigentlihen Wirthshaus- und Ausschankgeschäft, 1 in einem hauptsächlich zur Verabreihung von Speisen bestimmten Wirthschaft und 16 in Vereinen und Restaurationen benußt wurden, während die übrigen 21 Gerechtigkeiten ruhten. Von den der Gesell- {chaft überlassenen 25 Branntwein-Detailhandelsgerechtigkeiten benutzte fie 7 felbst, 17 waren Weinhändlerfirmen zum Detailhandel mit besseren Spirituosen überlassen, und eine Gerechtigkeit blieb un- benutzt. Jn dem Verkaufsjahre wurden abgeseßt: 487233 Kannen Branntwein (daron 246606 Kannen im Detaihandel), 36 303 Kannen bessere Spirituosen und 1893 Kannen diverse Weine; gegen das Vorjahr is dies resp. 4492, 556 und 309 Kannen weniger. Der Bruttoverdienst betrug 803 408,14 Kronen. Nach Abzug der Verwaltungskosten, Steuern, Reparaturkosten der Lokale 2c. im Betrage von 255 723,96 Kronen, verbleibt ein Netto- gewinn von 547 684,18 Kronen; nach Hinzurechnung der Abgabe der Weinhändlerfirmen für die denselben Üüberlafsenen Gerechtigkeiten im Betrage von 43 750 Kronen und 1914,70 Kronen Zinsen stellt sich die Gesammtnettocinnahme auf 593 348,88 Kronen. Von dieser Summe sind 242 059,56 Krone als festgeseßte Abgabe an die Stadt- fasse zu zahlen, während der Rest von 351289,32 Kronen zwischen der Stadt und der Haushaltungsgeselishaft des Länes getheilt wird. Nach einer Anordnung des Vorstandes der Aktiengesellschaft foll in Zukunft in keinem Aus\chanklokal Branntwein allein, sondern nur in Verbindung mit Speisen (apetitzup) verabreicht werden. :

London, 8. März. (Allg. Corr.) Dem Ausweise des briti- schen Handelsamts für den Monat Februar zufolge betrng der Ausfuhrwerth 18935 000 Pfd. Sterl., gegenüber 16 835 000 Pfd. Sterl. im Februar 1881 und 16 505 000 Pfd. Sterl. im Februar 1880, was einer Zunahme von 127%. gegen das vergangene Jahr, und von 143 °/o gegen 1880 gleihkommt. Der Einfuhrwerth für den noten Monat bezifferte si auf 33 002 000 Pfd. Sterl., d. i. eine Abnahme von 3 643 000 Pfd. Sterl. oder 92% im Vergleich mit Februar 1881 und eine Abnahme von 243 009 Pfd. Sterl. oder 2 0/9 gegen 1880. Diese Abnahme hat ihren Grund in der vermin- derten Einfuhr von Nohmaterial, hauptsächlich von Baumwolle und Wolle, An Edelmetallen wurden im Februar 2957 148 Pfd.

* Sterl. importirt und 1 379232 Pfd. Sterl. exportirt.

London, 9, März. (W. T. B.) In der gestrigen Woll- auktion waren Preise unverändert. :

Verkehrs-Anstalten.

Triest, 9, März. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Ceres“ i heute Mittag aus Konstantinopel hier an- gekommen.

Berlin, 10. März 1882,

(Berl. Fr.-Bl.) Zu der heraldishen Ausstellung, deren Vorarbeiten im provisorischen Kunstausstellungsgebäude soeben begonnen haben, sind bis jeßt gegen 2600 Anmeldungen erfolgt. Unter den- selben befinden sih mehrere kleine Kollektiv- oder andere selbständige Ausstellungen, die innerhalb des großen Rahmens eigenartige Ganze bilden. Mil besonderem Interesse . werden sich die Blicke der Besucher auf die Insignien des neuen deutschen Reiches lenken,

die ebenfalls zur Aufstellung gelangen, und von denen der Königlihe Kron-Tresor das Reichs\shwert, das Reichssiegel, den Marschallstab und das Reichspanier der Ausstellung überweisen wird. Eine werthvolle Kollektion japanisher Gegenstände, bestehend in Rüstungen und. Helmen mit heraldischen Cmblemen und Verzierungen, ferner in ag mit geftidten Wappen japanischer Fürsten, wird der Ausftellung durch die Firma Rer (Jägerstraße) zugeführt werden. Von sonstigen dex Aufmerksamkeit aller Freunde vaterländisher Ge- schihte- und Kunstverständiger besonders zu empfehlenden Nummern des Kataloges seien hier erwähnt: eine Tabaks- dose mit dem Portrait und Wappen Friedrichs des Großen sowie cin Medaillon-Porträt des damaligen Prinzen Wilhelm von Preußen mit einer Haarlocke. Ferner ein kannellirter Visirhelm, aus dem Jahre 1500 \tammend, ein Stammbuch des Magister Werner aus dem Jahre 1584 mit Wappen und Inschriften berühmter Personen des 16. Jahrhunderts, unter Anderen Luthers und Melanchthons.. Aus neuerer Zeit die großen Staatssiegel der Königin Victoria, des Prinzen und der Prinzessin von Wales, der Hera von Edinburgh und vieler Mitglieder der hohen englischen Aristokratie und ausländischer Fürsten.

Dem einundfünfzigsten Jahresbericht über die Hufelandschen Stiftungen für nothleidende Aerzte und Arztwittwen sowie über die bei denselben mitverwaltete Dr. Ignatz Braun- sche Stiftung entnehmen wir folgende Daten: I. Auszug aus der Rechnung der Stiftungskasse zur Unterstüßung von Aerzten: A. Einnahme: Bestand aus dem Jahre 1880 268 320 46 99 (Hypotheken 255300 #Æ, Werthpapiere 5900 4, Baar 7120 M. 99 4); Beiträge von 2241 Mitgliedern (Aerzten)“7709 6. 60 ,, Zinsen an Hypotheken und Werthpapieren in Summa 287 776 46.9 -. B. Ausgabe: Pensionen und Unterstüßungen an Aerzte: (45 Aerzte wurden unterstüßt) mit 8250 ; Verwaltungskoften, als Bureau- kosten, Kosten der Einsammlung der Beiträge, Porto, Druckosten u. f. w. 1715 Æ 75 §; Zuschuß an die Wittwen-Unterstützungs- affe 7693 M 50 S, in Summa 17659 A. 25 -§; mithin blieb ult. 1881 Bestand 270116 4 84 : i

17. Auszug aus der Nechnung über die Dr. Jgnaß Braunfsche Stiftung. A. Einnahme: Bestand aus dem Jahre 1880 10 123 M. 598 Z (Hypotheken 9900 4, baar 223 A 58 ,„), Zinsen an Hypotheken 445 M 50 4 Summa 10 569 4 8 -Z. B. Aus- gabe: Unterstüßung an zwei Aerzte 400 4; mithin ult. 1881 Be- stand 10169 M. 8 S. : : /

11]. Auszug aus der Rechnung der Stiftungskasse zur Unter- stüßung bedürftiger Arztwittwen. A. Einnahme: Bestand aus dem Jahre 1880 111 800 4. (Hypotheken 93 000 4, Werthpayiere 18 800 46); Beiträge von 1929 Mitgliedern (Aerzten) 6567 4; Zinsen von Hypotheken und «Werthpapieren 4937 4; Zuschuß aus der ärztlichen Kasse 7693 4 50 §, Summa 130997 M 50 s. B. Ausgabe: Pensionen und Unterstützungen an 229 Arztwittwen mit 19 197 M. 50 §. Mithin ult. 1881 Bestand 111 800 M

Ueber die norwegische Robbenfängerflotte theilt der „Hamb, Corr.“ Folgendes mit: Während der Fang von Wal- fishen und Robben von den deutschen Häfen aus, seiner von Jahr zu Jahr zunehmenden Unergiebigkeit wegen, jeßt ganz eingestellt ist, troßdem er noch zu Anfang dieses Jahrhunderts auch in Deutschland lebhaft blühte, haben die Norweger diesen Erwerbszweig in den leßten Jahren bei sih wieder derart in Schwung gebracht, daß sich ihre in dieser Fahrt verwendete Flotte stetig vermehrt hat und jeßt ein sehr zahlreiches, Achtung gebietendes Geschwader bildet, dessen größter Theil aus ziemlich kostspieligen, mit einer Hülfs\{raube versehenen Dampf- \chiffen besteht. Schon Anfang Februar werden diese Schiffe, nachdem sie, im Mai oder Îuni des vorhergehenden Jahres vom Fang zurüctgekehrt, im ganzen Sommer, Herbst und Winter {till gelegen haben, für die bevorstehende neue Saison ausgerüstet, die Mannschaften, welche den größten Theil des Jahres als Werftarbeiter, Bauernknechte, Tagelöhner 2c. leben, selten aber auf anderen Schiffen in der Zwischenzeit zur See fahren, finden fih wieder an und sobald der Monat Februar si seinem Ende naht, geht es hinaus, dem eisfigen Norden zu, denn im März und April muß man droben im hohen Norden sein, weil dann mit dem aus dem- Polarmeere kommenden Treibeise die Nobben herunter kommen, auf deren Fang die Schiffe aus\chließlich angewiesen sind, während Wale nur noch äußerst selten in dieser Jahreszeit im nörd- lihen Eismeere gefangen werden. In diesem Jahre hat sich die norw. Eismeerflotte, Dank der überaus milden Witterung, besonders zeitig auf den Weg gemacht und sind von Tönsberg im Christiania Fijord, dem hauptsächlichsten Robbenfängerhafen, die folgenden Schiffe ausgelaufen: die Dampfer „Morgenen“, Kapt. Evensen, mit 57 Mann Besaßung, worunter 9 Schüßen (um die auf den Eisschollen lagernden Robben vermittelst Büchsenschüssen zu erlegen), „Isbjornen“, Kapt. Bang, mit 51 Mann, darunter 6 Shüßen, „Magdalena“, Kapt. Stökken, mit 60 Mann Besatung, 10 Schüßen, „Nordlyset“, Kapt. Frederiksen, 46 Mann, 10 Schüßen, „Albert“, Kapt. Jversen, 67 Mann, 10 Schützen, „Geiser“, Kapt. Jversen, 55 Mann, 8 Schüßen, „Cap Nor“, Kapt. Iversen, 58 Mann, 10 Schüßen und „Hekla“, Kapt. Hansen, 55 Mann, 10 Schüßen. Außerdem ist noch eine Brigg, „Ishavet“, Kapt. Olsen, 41 Mann, 7 Schützen von Tönsberg ausgelaufen, so daß die Robbenfängerflotte dieses Hafens in diesem Jahre 8 Dampfer und ein Segelschiff zählt, von einer Gesammtgröße von etwa 2500 t und 490 Mann Besaßung, worunter sih 76 Schützen befinden. Von Sandefjord, von wo aus der Robben- fang ebenfalls \{wunghaft betrieben wird, sind ausgegangen: die Dampfer „Jason“, Kapt. Jacobsen, 58 Mann, 6 Schüten;z „Mjölner“, Kapt. Bryde, 58 Mann, 7 Schützen; „Haardrade“, Kapt. Castberg, 60 Mann, 7 Schützen; „Harald Haarfager“, Kapt. Gronvold, 59 Mann, 7 Schützen; „Capella“, Kapt. Bryde, 57 Mann, 6 Schützen, und „Vega“, Kapt. Marcussen, 56 Mann, 7 Schügen. Von Arendel ging ein Dampfer, der „Viking“, Kapt. Krefting, mit 88 Mann, darunter 13 Schüben, als das größte norwegische Robbenfängerschiff (700 t) in See, so daß die beiden leßtgenannten Häfen zusammen 8 stattlihe Dampfschiffe von über 3000 t Größe und 486 Mann Besaßung, wovon 60 Schüßen sind, ausgeschickt haben. Die monatliche Gage der Mannschaften dieser Schiffe ist sehr unbe- deutend, da sie an dem Gewinn zu einer gewissen Rate theilnehmen. Fällt der Fang günstig aus, so verdient ein sogenannter „Gronlander“ wie die Robbenfänger-Matrosen von den Matrosen anderer Schiffe oft spottweise ‘genannt werden, in 1 bis 3 Monaten oft 100 bis 150 Thaler oder mehr, doch kann es auch, und dies ist nicht selten, vorkommen, daß er nah 3 bis 4 Monaten unsägliher Strapazen, das Schiff wieder mit nur wenigen Thalern in der Tasche verlassen muß. Ein etwaiges Defizit trifft ihn indeß niht mit, fondern ist allein vom Rheder zu tragen. Das Leben auf diesen Schiffen ist ein äußerst beshwerliches und aufreibendes; wenige Tage reichen hin, um von den heimatlihen Gestaden in die Eisregion zu gelangen und von dem ersten Erblicken des Eises an bis zur Heimkehr hat der Matrose buchstäblich keine Stunde mehr, welche er sein eigen nennen könnte. Jeden Augenblick muß er bereit stehen, Sonntag und Alltag ; faum hat er sih, {wer ermüdet, irgend ein Ruheplätchen gesucht, so schallt von der Spige des großen Mastes, wo \tets in einer Art großem Korb ein Schiffsoffizier auf dem Ausguck sich befindet, der Ruf „Fall, Fall“ herunter, und in wenigen Minuten muß jeder in feinem Boote, an seinem bestimmten Play fein, um oft erst nach 24 Stunden unsägliher Anstrengung wieder an Bord zu kommen. Aber da hilft kein Besinnen, die Gewinnsucht ist hier die mächtige Triebfeder: Einer treibt und jagt den Anderen, und wehe dem, der Gs saumselig oder gar faul zeigen wollte. Sind die Böte an einer Cisfholle, deren es manche von mehreren Wegstunden Um- fang giebt, angekommen und halten die von dem Offizier im Mast gesehenen Robben Stand, d. h. sind sie vorher noch nit gejagt

worden, so geht das „Morden“ los. In der kurzen Zeit von ein paar Stunden bedeckten oft Tausende der werthvollen Thranthiere die Wahl- statt, und so ist es {on vorgekommen, daß ein Nobben\chiff in einem einzigen Tage eine volle Reise mate, d. h. so viele Robben erlegte, als es einzunehmen vermochte. Die erlegten Thiere werden ihrer Haut und der darunter befindlichen Fettlage beraubt, die Kadaver läßt man einfach liegen; Haut und Fett werden am Bord in Fässern leicht eingesalzen, um später am Lande getrennt und ausgebraten resp. leicht gegerbt in den Handel gebracht zu werden ; von jungen Robben wird wohl die Leber von den Matrosen gegessen. Eine ausgewachsene Robbe hat einen ziemlich beträchtlichen Werth, welcher indeß mit dem Preise des Thranes variirt, do is der Preis von 20 X für einen tüchtigen Burschen wohl als Mittel anzunehmen. Geht der Fang ut, so herrs{ht am Bord eines solchen Schiffes ein fröhliches Leben, fällt aber der Fang \{lecht aus oder gestaltet sich die Reise sogar zu einer sogenannten „tauben“, d. h. mehr oder weniger beutelosen, dann sieht man üherall nur verdrießliche Gesichter, und traurig hängt die A vom Mast herunter, wenn das Schif wieder in den Hafen einläuft.

Das Königliche Schauspielhaus brachte gestern als No- vität: „Das Dokument“, Schauspiel in 3 Akten von Wilhelmine Gräfin Wickenburg-Almasy. Die Handlung verseßt uns ungefähr acht- hundert Jahre zurück in das alte Byzanz. Eudocia, Wittwe Constan- tins X., wird von der unerschrockenen Wahrheitsliebe und dem edlen Sinn des Rebellen Diogenes Romanus so ergriffen, daß sie den zum Tode Verurtheilten begnadigt und später zu ihrem Gatten wählt. Ein Dokument, welches der Erfüllung ihrer Wünshe im Wege steht, weil sie sich darin zum ewigen Wittwenstande verpflichtete, bringt sie dur Lift in ihre Hand und vernichtet es. Die Anlage des Stückes ist, wenn man von jenem sonderbaren Hinderniß in der Gestalt des Dokuments absicht, eine gelungene ; das Dokument näm- lih scheint doch niht wichtig und mächtig genug, den Wünschen der Kaiserin dauernd in den Weg zu treten, welche bereits zu der Einsicht gelangt ist, daß der Buchstabe tödtet und der Geist lebendig mat. Es befindet sih auch niht das Gewissen der Königin im Kampfe mit ihrem Versprechen und ihrer Liebe, wodurch allein ein wahrer und packender Konflikt erzeugt werden könnte. Deshalb regt denn auch dieser scheinbare Konflikt die Hörer nicht ausreichend an. In der Behandlung der Sprache zeigt sich die Verfasserin recht ge\cickt, und die Ausarbeitung der Charaktere läßt wenig zu wünschen übrig. Das Stück fand denn auch beim Publikum cine günstige Aufnahme. Srl. Schwarz, welcher die Hauptrolle (Eudocia) zugetheilt war, trug dur ihre edle Auffassung und maßvolle Darstellung viel zum Erfolge bei. Diogenes Nomanus wurde von Hrn. Juegelt dargestellt ; derselbe führte den Doppelcharakter, der ihn erst als beglückenden Helden und dann als Liebhaber zeigt, sehr glücklich durch. Die feineren Rollen wurden durch die Hrrn. Berndal und Müller und durch Frl. Meyer, welche die lieblihe Marzia schr anmuthig spielte, mit Auszeihnung gegeben, Dem „Dokument“ folgten: „Kleine Mißverständnisse", ein Schwank in 1 Akt na dem Englischen von Alexander Berger, welcher ebenfalls gestern seine erste Aufführung im Stauspielhause erlebte. Die Verwechselung eines Botscbaftersekretärs mit einem Koh giebt Anlaß zu manwen komischen Scenen, die vom Publikum reichlih belaht wurden. Hr. Vollmer in der Rolle des Salzmann, den er mit vielen drastischen Nuancen ausftattete, war der Hauptträger des Stückes; ihm galt denn au in erster Reihe der Beifall, den das Publikum zum Schluß reichlich spendete.

Wetterbericht vom 10, März 1882. 8 Uhr Morgens. Tot auf 0 Gr. u. d. j ¿ E aus d Wind. Millimeter,

Temperatur | Wetter. |in 9 Celsins | [5° C.=4- B.

Mullaghmore | G0 H bedeckt Aberdeen . . | 756 | wolkig Christiansund/ 749 | 9 [wolkig Kopenhagen, | C3 Nebel Stockholm, . 752 | bedeckt Haparanda ,| T45 Schnee Moskau ..,| TOT | wolkenlos

Cork, Queens-|

TOWN. 766 Bre; (0D Helder. . .. 768 Sylt i 765 Hamburg .. 768 Swinemünde, | 767 Neufahrwasa. | 766 Memel, ..,| 761

¡ | 774

Münster. ,, T Karlsruhe . , 774 Wiesbaden . 773 München ,. 774 [wolkenlos Leipzig ... 771 wolkig Do, 769 2 [wolkig WIeN 774 still heiter Breslau .,. 772 2 \bedeckt *) | M0 dAIS 774 ] 2 |bedeckt I 774 1 [wolkenlos

1) Seegang mässig. 2} Grobe See. 3) grobe See, Staubregen. 4) Nebel. 5) Nebelig.

Anmerkung: Die Stationen sind in 4 Gruppen geordnet : 1) Nordeuropa, 2) Küstenzone von Irland bis Ostpreussen, 3) Mittel- europa südlich dieser Zone, 4) Siideuropa. Innerhalb jeder Grupp+t izt die Richtung von West nach Ost eingehalten.

Skala für die Windstärke: 1= leiser Zng, 2 = leicht, 3 = schwach, 4 = mässig, 5 = tfrisch, 6 = stark, 7 = sgteif 8 = stürmisch, 9 = Sturm, 19 = starker Sturm, il = heftiger Sturm, 12 = Orkan.

Uebersicht der Witterung.

Die Depression, welche gestern nordwestlich von den bri- tischen Inseln lag, schreitet nordostwärts fort, während an der nordnorwegischen Küste die südwestlichen Winde bis zum Sturm aufgefrischt sind. Ueber dem südlichen Nord- und Ostseegebiete herrscht bei meist frischer südwestlicher Luftströmung warmes, trübes, stellenweise nebliges Wetter, jedoh ohne erhebliche Nieder- schläge. Dagegen ist über Frankreich und der Südhälfte Central- europas unter Finfluss des hohen und gleichmässig vertheilten Luftdrucks das Wetter still, meist heiter und trocken, Ueber dem westdeutschen Binnenlande ist meist ziemlich erhebliche Abkühlung eingetreten, s0 dass für dieses Gebiet Nachtfröste zu erwarten sein dürften,

Stationen.

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Deutsche Seewarte,

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

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: Erfte Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

„V 60.

Berlin, Freitag, den 10. März

__ 1882.

Nichßkamtliches.

Preußen. Berlin, 10. März. Jm weiteren Ver- [aufe der gestrigen (30.) Sißung seßte das Haus der Abgeordneten die zweite Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betr. den weiteren Erwerb von Privat- eisenbahnen für den Staat (8. 1 Nr. 5 Märk.-Posener- Eisenbahn) fort. Zum Ankauf der Märkish-Posener Eisen- bahn bemerkte der Abg. von Dziembowski, daß die Verstaat- lihung auch dieser Bahn durchaus nothwendig sei. Nament- lih in militärischer Hinsicht sei der Erwerb höchst wichtig, da diese Bahn den kürzesten Weg zwischen dem Östen und Westen des preußishen Vaterlandes vermittele; auch sichere die günstige geographische Lage der Bahn eine stetig steigende Rentabilität. Die Verstaatlihung der Bahn sei auch in gewisser Hinsicht eine Lebensfrage für die Provinz Posen, da der Ausbau der Bahn durch den Staat ein Gebiet von mindestens 120 Quadratmeilen für Handel und Verkehr aufschließen würde, welches hon lange der Segnun- gen harre, deren der Westen sih durchweg erfreue. Er würde es mit Genugthuung begrüßen, wenn der Minister die Zusage geben würde, daß die Staatsregierung die Absicht habe, im Falle der Genehmigung des Ankaufs in der Provinz Posen Sekundärbahnen zu bauen, welche sih an die Märkish-Posener Bahn anschließen würden. Der Kaufpreis sei sogar ein ver- hältnißmäßig niedriger. Die Ueberleitung des Durchgangs- verkehrs auf die Märkish-Posener Bahn allein {hon werde für die künftige Rentabilität des Unternehmens in höchst be- deutendem Maße fördernd wirken.

Hierauf ergriff der Minister der öffentlihen Arbeiten May bach das Wort:

Nach dem ausführlichen Vortrag des Herrn Vorredners, nach der ausführlichen Erörterung, die Sie in dem Bericht finden, welcher in den Händen der geehrten Herren ist, glaube ih für jeßt, wenn es nicht weiter nöthig sein sollte, darauf verzihten zu können, die Bedeu- tung der Märkisch-Posener Bahn für das Staatseisenbahnnetz in verkehrs- R und auch militärischer Beziehung besonders hervorzuheben.

ach meiner Auffassung hätte die Märkish-Posener Bahn vermöge ihrer großen Bedeutung eigentlich von vornherein als Staatsbahn zur Ausführung gebracht werden sollen. Es ist das nicht geschehen; holen wir es nach!

Einer der Gesichtspunkte, der auch bei der Märkisch-Posener Bahn ganz besonders in Betracht kommt und welcher auch bei den anderen Bahnen, über die heute debattirt worden ift, bei den Bahnen insbesondere von geringerem Werth sehr ins Gewicht fällt, ist der, daß bei der Durchführung des Staatseisenbahnsystems insbesondere die Verkehrsinteressen des Landes gefördert werden sollen, daß, wie so oft von der Staatsregierung betont worden, die Staatseisenbahnen der öffentlichen Wohlfahrt dienen sollen. Unter diesen Gesichtspunkt fällt auch, daß die Durchführung des Staatseisenbahnsystems uns die Möglichkeit bieten wird, zu den vorhandenen Bahnen die nöthigen Seitenlinien, deren Herstellung und Förderung jene Bahnen si nicht unterziehen konnten oder wollten, Seitens des Staats zur Dur{h- führung zu bringen, sei dieses direkt, sei es durch angemessene Unter- stüßung oder sonstwie.

Was speziell die Provinz Posen angeht, die der Herr Vorredner erwähnt hat, so erkennt die Staatsregierung das Bedürfniß, für die Provinz nah mancher Richtung zu sorgen, in vollem Umfange an. Schon vor der Einleitung der Verhandlungen bezüglih der Märkisch- Posener Bahn habe ich Anlaß genommen, die Frage einer näheren Prüfung zu unterwerfen, wie die großen Landestheile, welche fi zwischen den verschiedenen Eisenbahnlinien der Provinz noch befinden, in zweckmäßiger Weise aufgeshlossen werden könnten. Es ist das ge- schehen auch betreffs desjenigen Landestheils, der speziell von der Märkisch- Posener Bahn berührt wird; es sind indeß auch noch andere Theile der Provinz Posen zu erwähnen, ih will an den Regierungsbezirk Brom- berg erinnern und auch an diejenigen Theile, welche südli von der Stadt Posen liegen.

Die Aufgabe, auf diesem Gebiete das, was uns am Herzen liegt, zu thun, Versäumtes nachzuholen, wird uns wesentlich erleichtert da- durch, wenn das hohe Haus die Zustimmung giebt zum Erwerb der Märkisch-Posener Bahn. Die Vortheile, die wir anderen Provinzen zuwenden, aus dem Gesichtspunkt, den ih oben angeführt habe, auch der Provinz Posen in vollem Maße zu Gute kommen zu lassen, ift unser lebhafter Wunsch, und ich bitte Sie, uns dazu mit in den Stand zu seten. i

Der Abg. Dr. Roeckerath erklärte, in der Stärkung der Wehrkraft des preußischen Vaterlandes nah außen hin seien alle Parteien stets einig gewesen. Liege denn aber hier irgend eine Veranlassung vor, den militärishen Gesichtspunkt derart in den Vordergrund zu kehren? Jm Falle der Noth hätten auch die Privatbahnen bisher Alles aufgeboten, was im Interesse der Erleichterung der militärishen Bewegungen er- forderlich gewesen sei. Der exceptionelle Standpunkt, den seiner Zeit einmal die Aktionäre der Rhein-Nahebahn eingenommen hätten, sei sicherlich von keinem Patrioten getheilt worden. Dur den militärishen Gesichtspunkt könne er sich demnach bei Aa des Preises, der ihm zu hoh erscheine, nicht eiten lassen.

__ Das Haus genehmigte hierauf den Ankauf der Berlin- Görlißer Bahn (Nr. 3), der Cottbus-Großenhainer Bahn (Nr. 4) und der Märkisch-Posener Bahn (Nr. 5).

Den Ankauf der Rhein-Nahebahn (Nr. 6) hatte die Kommission mit 11 gegen 10 Stimmen genehmigt. Der Preis der Bahn soll 30 Millionen Mark betragen, berechnet nach einem Aktiencours von 19 Prozent.

Der Abg. Knebel führte aus, daß der Preis dieser Bahn mit Rücksicht auf die Fnteressen der alten Aktionäre, gegen die sih der Staat arg versündigt habe, durhaus angemessen sei. So lange über dieser Bahn das Schicksal der Verstaat- lihung shwebe, würden jene Gegenden vergebens auf eine Aufschließung warten. Alle die tkleinen Sekundärbahnen nah Geisenheim u. st. w. seien niht möglich, wenn die Rhein-Nah-ebahn nicht verstaatlicht würde; der Ver- trag biete den. Aktionären keine großen Vortheile, sondern gerade nur das, was denselben zukomme. Er bitte deshalb, den Vertrag anzunehmen. Í

Das Haus beschloß demgemäß und genehmigte mit großer Majorität den Vertraz mit der Rhein-Nahebahn, sowie den Rest des §8. 1 und den §, 1 im Ganzen.

_Nach §. 2 der Regierungsvorlage, welcher von der Kom- mission unverändert genehmigt war, werden an Staatsschuld- verschreibungen ausgegeben werden müssen: Für die Aktien der Bergisch-Märkischen Bahn 2621/4 Millionen Mark, für die

Thüringishe Bahn 119 271 295 M, für die Berlin-Görlißer Bahn 22 687 500 M, für Cottbus-Großenhain 152/, Millionen Marl, für die Märkisch-Posener Bahn 34 528 125 U, für die Rhein-Nahebahn 4 341 500 M, mit denjenigen Beträgen, welche nah Maßgabe des im §. 1 sub 2a. bis c, und h bis k gedachten Verträge zu gewähren sind, in Summa e E 550 s R as ohne evalle genehmigt, jowie 8. 3, welcher nach der Fassung der Kommission lautet : Ns Die Staatsregierung wird ermächtigt, T. in Gemäßheit der im §. 1 sub 2a. bis c. und h. bis E! sowie 5 und 6 gedachten Verträge zur Deckung 1) der den Aktionären der Thüringischen Eisenbahngesellschaft zu gewährenden baaren Zuzahlungen und zwar: bei der Abstempelung der Stammaktien bb A von C. bei dem Umtausche der Stammaktien Lab, B, Cer. O, bei dem Umtausche der Stammaktien C n. 2) der dem Sachsen-Weimar-Eisenachischen resp. dem Sachsen-Coburg- und Gothaischen Staate zurückzuzahlenden Darlehne von . . 1135 380 h, / bezw. 273 720 M,

3) der den Städten Mühlhausen und Langensalza, sowie dem Kreise Langensalza zu gewährenden Baarzahlung von 275, bezw. 225, bezw. 250 M, zusammen n .;, 750 M,

4) der den Inhabern von Stamm - Prio- ritätsaktien der Märkisch-Posener-Eifenbahn- Gesellschaft bei dem Umtausche der leßteren zu gewährenden baaren Zuzahlung von .

9) der den Inhabern von Stammdktien der Nhein-Nahe-Eisenbahn-Gesellschaft bei dem Umtausche der leßteren zu gewährenden

a, baaren Zuzahlung von 434 150 M.

b. Zinsen der Staats\chuldver- \chreibungen (8. 2, 1, 1.) vom 1. April 1881 bis dahin 1882 ‘von 173 660 M

zusammen .

626 870 115 927 M 50 149 850

217 509 M,

A 607 810 M sowie

IT, zur Deckung der Kosten zum Bau der am Schlusse des §. 1 erwähnten Eisenbahn von Eichicht über Probstzella nach der Bayerisch- Meiningenschen Landesgrenze von . 5 000000 M

\ also insgesammt von . . 8127 807 M. 50 die von dem Sachsen - Meiningenschen Staate nach Art. IIT. des im§. 1 sub 2 d. erwähn- ten Vertrages zu zahlende Entschädigung von 700 000 4

sowie die von dem Schwarzburg-Rudol- städtischen Staate nah Art. ITT. des im 8. 1 sub 2e. erwähnten Vertrages zu zahlende Ent- schädigung von e e 4: 128.000 M4

zu verwenden, und den hierdurch nicht ge-

Detlen Net von. C 7999807 «6 50 p aus den Reserve- und Selbstversicherungsfonds bezw. aus den Er- neuerungsfonds der im S§. 1 bezeihnetèn Eisenbahngesellschaften, O diese Fonds dem Staate zugefallen sein werden, zu ent- nehmen.

Der Minister der öffentlihen Arbeiten und der Finanz- Minister werden ermähtigt, bei dem Umtausch von Aktien in Staats\chuldverschreibungen, sofern die Anzahl der einge- reihten Stücke den nach den abgeschlossenen Verträgen für den Umtausch maßgebenden Verhältnißzahlen nicht entspricht, die Ausgleichung des in Schuldverschreibungen nicht darstellbaren Ueber- \hußbetrages durch Baarzahlung zu bewirken, wobei der zu zahlende Betrag nah dem um ein Prozent verminderten Course, welcher für Schuldverschreibungen der vierprozentigen fonsolidirten Staats- anleihe vor dem Tage des Umtausches zuleßt an der Berliner Börse bezahlt worden ist, berechnet wird.

Die Staatsregierung wird zugleih ermächtigt, in der vorstehend angegebenen Weise auch bei dem Umtausche der Aktien derjenigen Cisenbahngesellschaften zu verfahren, deren Unternehmung auf Grund der Gefeße vom 20. Dezember 1879, betreffend den Erwerb meh- rerer Privateifenbahnen für den Staat (Gesez-Samml. S. 635), und vom 14. Februar 1880, betreffend den Erwerb des Rheinischen und des Berlin-Potsdam-Magdeburger Eisenbahnunternehmens für den Staat (Geseß-Samml. S. 20), auf den Staat Üüber- gegangen sind.

Die §8. 4—9 der Regierungsvorlage, welche von der Kommission unverändert genehmigt waren, wurden vom Hause ohne Debatte angenommen; ebenso §, 10, welher nach der Fassung der Kommission lautet :

Bis zu einer anderweiten geseßlichen Regelung der Kommunal- besteuerung der Eisenbahnen finden die Blberiaen geseßlihen Be- stimmungen über die Verpflichtung der Privateisenbahnen zur Zahlung von Gemeinde-, Kreis- und Provinzialsteuern auf die im S. 1 bezeichneten Eisenbahnen auch nah dem Uebergange derselben in die Verwaltung für Rechnung des Staates oder in das Eigen- thum des Staates in gleiher Weise, wie bis zu diesem Zeitpunkte Anwendung. :

Die vorstehende Bestimmung findet vom Steuerjahre 1882/83

ab_auch Anwendung auf die durch die Gesetze vom 20. Dezember 1879 (Geseßsamml. S. 635) und 14. Februar 1880 (Geseßsamml. S. 20) auf den Staat übergegangenen Privateisenbahnen. ___ Sofern nach dem Uebergang in das Eigenthum oder in die Verwaltung für Rehnung des Staates einer der in diesem Geseße oder in den Geseßen vom 20. Dezember 1879 und 14. Februar 1880 bezeichneten Eisenbahnen oder Theilstrecken derselben mit einer anderen dieser Bahnen oder Theilstrecken derselben oder mit Staatsbahnstrecken zu einem Eisen- bahn-Direktionsbezirk vereinigt sind oder noch vereinigt werden und in Folge dessen für eine Station des neugebildeten Eisenbahn- Direktionsbezirkes sich eine Verminderung des steuerpflictigen Nein- ertrages ergeben sollte, so ist der Besteuerung der Betrag des steuerpflichtigen Reineinkommens der betreffenden Stationen nah dem Durchschnitte der dem 1. April 1880 vorangegangenen drei Steuerjahre zu Grunde zu legen.

Endlich wurde 8. 11, welcher bestimmt, daß das Geseh am Tage seiner Verkündigung in Kraft treten solle, ohne Debatte angenommen; womit die zweite Lesung dieses Geseh- entwurfs beendigt war, Hierauf vertagte si das Haus um 2 Uhr auf Freitag 11 Uhr.

Protokoll der siebenten Sißung des Volkswirthschaftsraths.

Verhandelt Berlin, den 7. März 1882.

Die Sißung wird von dem Staats-Minister von Boetticher

um 101/4 Uhr eröffnet. Als Regierungskommissarien sind anwesend: 1) der Direktor im Reichsamt des Jnnern Hr. Bosse, 2) der Geheime Ober- Regierungs-Rath Hr. Lohmann, 3) der Geheime Regierungs- Rath. Hr. Bödicker.

Das Protokoll der sechsten Sizung is ausgelegt.

Entschuldigt sind die Herren: von Born, Ecnst und Leuschner.

Eingegangen find ein Antrag auf Einrichtung eines Reichs-Ober-Arzneiamts und eine Broschüre über das Tabaks- monopol: von der leßteren wird den für die betreffende Vor- lage bestellten Referenten je ein Exemplar, der Rest den Mit- gliedern der Versammlung zur Verfügung gestellt.

__ Auf der Tagesordnung steht die Generalbesprehung über die Grundzüge für die geblie Regelung der Unfallversiche- rung der Arbeiter. Das Wort erhält zunächst der Regierungs- kommissar Hr. Lohmann zu einigen einleitenden Bemerkungen, in welchen derselbe im Wesentlichen Folgendes ausführt:

Die gegenwärtige Vorlage halte die der vorjährigen Vorlage zu Grunde liegenden Prinzipien der Ersezung der Haftpflicht dur obligatorische, auf direktem Zwang beruhende Unfallversicherung, der Ausführung der Versiherung dur eine staatliche Organisation im Gegensaß zur Privatspekulation und der Gewährung eines Beitrags dur das Reih aufrecht. Ueber die Abweichungen sei Folgendes zu erwähnen:

An die Stelle der Reichsversicherungsanstalt seien Zwangs- genossenshaften getreten. Man habe sich davon überzeugt, daß es zweckmäßig sei, die Vorlage mehr auf die Grundlagen der Genossenschaftsbildung zu stellen, da man die wünschens- werthe Mitwirkung der Betheiligten nur erlangen könne, wenn man den Schwerpunkt in kleinere Bezirke verlege, da fecner die Reichsanstalt zu \{hwerfällig und ihr Geschästsumfang zu groß geworden scin würde, da die für eine Centralstelle er- forderlihe Einheit niht aufrecht zu erhalten gewesen wäre und der Wunsch bestanden habe, die Unfallversiherung thun- list mit der Krankenversicherung in Verbindung zu bringen. Man wolle die großen Vortheile einer Centralanstalt nicht verkennen ; da indessen eine nähere Betrachtung der einschla- genden Verhältnisse ergeben habe, daß in der Mehrzahl der großen Industriezweige kein fo großes Risiko zu tragen sei, als daß dasselbe nicht auch von kleineren Verbänden übernom- men werden könnte, und da eine Zusammenlegung solcher Jn- dustriezweige, welche ein besonders großes Risiko zu tragen hätten, oder in welchen Massenunfälle vorkommen könnten, zu größe- ren Verbänden ohne Rücksicht auf die Bezirks- oder Landes- grenzen nicht ausgeschlossen zu sein brauche, so empfehle es sich, den großen Vortheilen, welhe dur kleine Verbände mit Selbstverwaltung geboten würden, Rehnung zu tragen und die Neichsanstalt fallen zu lassen.

Die Einrichtung der Organisation erfolgt auf Grund der Unfallstatistik durh den Staat, vorbehaltlih von Abänderun- gen, die sih demnächst in der Zusammenseßung der Genossen- schaften als zweckmäßig herausstellen sollten, und bei denen der Selbstbestimmung der Betheiligten die weitgehendsten Zu- geständnisse zu machen seien. Die Zuweisung der Arbeiter in die Genossenschaften habe nur die Bedeutung einer Feststellung ; an und für sih gehörten die Arbeiter von selbst zu denjenigen Genossenschaften, in welche sie demnächst eingereiht würden.

__ Was den Gegenstand der Versicherung anbelange, so sei eine dur die Krankenkassen auszufüllende Karenzzeit von 13 Wochen, die Begrenzung des der Berehnung der Ent- schädigung zu Grunde zu legenden Arbeitsverdienstes auf 1200 a jährlich, die Uebernahme nicht von Prämien, sondern eines Dritttheils der Entschädigungen durch das Reich, und die Freilassung der Arbeiter von Beiträgen in Aussicht ge- nommen. Bei der 13wöchentlichen Karenzzeit müsse allerdings die Frage entstehen, ob die durch dieselbe hervorgerufene Be- astung der Krankenkassen niht zu groß sei. Die Staats- regierung verhalte sich daher zu Abänderungen dieses Punk- tes keineswegs ablehnend : man könnte etwa den Krankenkassen die Entschädigung für eine kürzere Zeit (4 Wochen) ganz auf- legen, für länger dauernde Aufwendungen aber die Erstattung dur die Unfallversiherungs- Genossenschaften vorschreiben. Dies entsprehe auch dem Jnteresse der leßteren ; denselben müsse nämlich daran liegen, daß die Krankenkassen die ihnen zufallenden Unfälle recht sorgsam behandelten, damit der Prozentsaß derjenigen Unfälle, welhe eine länger dauernde Entschädigung zur Folge hätten und deshalb den Unfall- versiherungs-Genossenschaften zufielen, ein ret geringer werde, ZU demZweck würde es imJnteresse der leßteren liegen, dur Unter- stüßung und Einwirkung die von den ersteren O Maßnah- men thunlichst erfolgreih zu machen. Was die Freilassung der Arbeiter anbetreffe, so habe man die früher in Aussicht ge- nommene Heranziehung nah der Höhe des Arbeitsverdienstes fallen lassen, weil dieselbe shwierig und unsicher gewesen fein würde ; die Verschiedenheit des Verdienstes für mehrere gleich- artige Zeitabschnitte und die oft wechselnde Höhe innerhalb eines und desselben Zeitabschnittes würden Ungleichheiten des Beitrags zwischen sonst gleihgestellten Arbeitern, und dadur Unzufriedenheit unter den leßteren zur Folge gehabt haben. Dann aber habe man nur die Wahl gehabt zwischen einer gleihmäßigen Heranziehung aller Arbeiter und der gänzlichen Freilassung derselben. Man habe sich für die letztere ent- schieden ; eine Kompensation liege in der Belastung der Kranken- kassen, sür die ja eine Beitrittsverpflihtung der Arbeiter und Beiträge derselben in Aussicht genommen feien, mit der Ent- shädigung für kleinere Unfälle, sowie in der Beschränkung des zu berücfsihtigenden Arbeitslohues auf 1200 Es empfehle sih, für die Generalbesprehung die Vorlage in folgende Abschnitte zu zerlegen: 1) Die Grundzüge der Orga- nisation; 2) die Bemessung der Entschädigung und das Verhältniß der Genossenschaften zu den Krankenkassen einerseits und zum Reih andererseits; 3) das dem Haushalt der Genossenschaften zu Grunde zu legende System; 4) die erstmalige Bildung der Genossenschaften und