1882 / 70 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Seitens des Regierungskommissars, Hrn. Geheimen Ober- Regierungs-Rath Lohmann, durch den Hinweis darauf erledigt, daß die hier niht speziell aufgeführten Gehülfen und Lehr- linge von der Bestimmung sub kl. A. 3 getroffen würden. * _Hr. Kochhann hält die Beschränkung der Versicherungs- pflicht auf die ständigen Arbeiter (nach dem Antrage Graf Hendel) jür undurchführbar, zumal bei der engen Begrenzung, die der Begriff der ständigen Arbeiter nach der Bemerkung des Hrn. Dietze stellenweise zu finden scheine. Für derartige dauernd an derselven Stelle im Dienste stehende Personen werde schon freiwillig Seitens der Arbeitgeber gesorgt werden. Gerade für die Arbeiter, die häufig die Arbeitstelle wechselten, liege ein besonderes Bedürfniß vor, dur) Zwangsbestimmungen Vorsorge zu treffen. Hr. Kalle giebt anheim, ob es richtig sei, die Sorge sür die ad I. B. 3 aufgeführten Personen, welche von den Ge-, werbetreibenden außerhalb ihrer Betriebéstätten beschäftigt werden, der Regelung dur Ortsstatut zu überlassen. Unter diese Kategorie würden z. B. Monteure fallen, welche von den Unternehmern regelmäßig zur Ausführung von Aufträgen versendet würden und Unfällen ganz besonders ausgeseßt seien. Für diese Personen werde wohl zweckmäßiger durch entsprechende Bestimmungen sub T. A. gesorgt werden. :

Dem gegenüber maht der Regierungskommissar, Hr. Geheimer Ober - Regierungs - Rath Lohmann darauf auf- mertsam, daß Personen, wie sie der Vorredner speziell bezeichnet, durch die Versendung in andere Etablissements niht ohne Weiteres aus der Fabrikkrankenkasse des Unter- néhmens, in dem sie angestellt seien, aus\heiden würden.

Sodann werden die Bestimmungen sub I. B. 1 bis 4 ange- nommen, desgleichen wird der Unterantrag Graf Henckel zum Antrag Janßen (S. 182) und demnächst der so modifizirte Antrag Janßen (S. 181) angenommen.

Zu 11. Formen der Krankenversicherung. Eingang

beantragt Hr. Heimendahl, ad B, hinter „Gewerbe“ die Worte einzuschalten „in E Land- und Forstwirthschaft oder auch als Tage- ner“, den er als eine nothwendige Konsequenz des so eben ange- nommenen Antrages Janßen betrachtet.

Nachdem der Regierungskommissar, Hr. Geheimer Ober- Regierungs-Nath Lohmann, die vorgeschlagene Bestimmung als an dieser Stelle entbehrlih bezeihnet hat, wird der An- trag abgelehnt.

Ferner beantragt Hr. Kalle:

a. hinter „Hülfskassen“ einzuschalten :

„Doppelversicherung ist unzulässig“;

b, dahinter einzuschalten:

„die Vorstände der sub B, bis E. genannten Kassen haben jeden Austritt eines Mitgliedes innerhalb 3 Tagen anzuzeigen“.

Der Antragsteller hält sich, namentlih auch nach Er- kundigung in Arbeiter- und Handwerkerkreisen, von der Nothwendigkeit des Verbots der Doppelversicherung für über- zeugt. Durch den Antrag b. bezwedckt derselbe, daß die Ge- meinden von dem Austritt der Arbeiter aus den ad B. bis E. erwähnten Spezialkassen rechtzeitig Kenntniß erhalten, um die Arbeiter nöthigenfalls zur Gemeindekrankenkasse heranzuziehen und so zu verhüten, daß dieselben außerhalb jeder Krankèn- versicherung bleiben und in Folge dessen demnächst der Armen- pflege zur Last fallen.

Hr. Kamien erklärt sih mit dem Verbot der Doppelver- sicherung unter der Vorausseßung, daß in den nah der Vor- lage zu bildenden Krankenkassen eine ausreichende Krankenver- sicherung erfolge, einverstanden. Was die befürwortete Abmelde- pflicht anlangt, so hält Redner diesen Punkt dur die Bestimmungen des bestehenden Hülfskassengeseßes für ange- messen geordnet und befürwortet die Beibehaltung der be- treffenden Vorschriften.

Hr. Wolff hält die hinsihtlich der Anmeldepflicht vorge- \{lagene Bestimmung für praftisch undurchführbar und würde es vorziehen, den Arbeiter selbst unter Androhung einer Strafe für ven Fall der Unterlassung zur Anzeige zu ver- pflichten.

Hr. Baare hält die Bestimmung des Kalle’ [hen Antrages sub b, den Bestimmungen der Vorlage sub IV, A, gegenüber für entbehrlih. Jedenfalls sei auch die Frist von 3 Tagen, wie {hon in der Plenarberathung hervorgehoben, zu kurz.

Dem gegenüber weist Hr. Kalle darauf hin, daß scin An- trag gerade jolhe Fälle im Auge habe, wo der Arbeiter aus einer der ad B, bis E. gedachten Kassen austrete, ohne wieder in Arbeit zu treten, wo also ein zur Anmeldung bei der Ge- meindebehörde verpflihteter Arbeitgeber niht vorhanden sei,

„Hr. Kochhann hält den Antrag Kalle, betrcffend die Pflicht der Abmeldung bei der Gemeindebehörde, mit Rü- sicht darauf nit für zweckmäßig, weil die Krankenkassen den aus der Arveit ausscheidenden Arbeitern die Beiträge oft Wochen lang stundeten, die Arbeiter also Mitglieder der Kassen blieben. Die Einführung der vorgeschlagenen Abmelde- pflicht werde den Erfolg haben, daß derartige Stundungen unter Offenhaltung der Mitgliedschaft niht mehr vorkommen würden. Auch dem beantragten Verbot der Doppelversiche- rung könne er nicht zustimmen. Diese sei unter Umständen berechtigt, ja sogar nothwendig. Redner führt zur Begrün- dung einen speziellen Fall an, in welhem Mißhelligkeiten über die Verwaltung einer großen Krankenkasse entstanden seien, welche die betheiligten Arbeitgeber veranlaßt hätten, aus der- selben auszutreten. Diese Arbeitgeber hätten eine neue Kasse gebildet und die in ihrem Dienste stehenden Arbeiter ge- zwungen, dicser neuen Kasse beizutreten. Da leßtere Kasse aber geringere Benefizien gewährt habe als die alte, nament- lih ein Sterbegeld sei in der neuen Kasse nicht gewährt, so seien die Mitglieder in der Lage gewesen, auch Mitglieder der alten Kasse bleiben zu müssen, wenn sie die zu denselben gezahlten Beiträge nicht hätten aufgeben wollen. Auch scheine es im Allgemeinen unbedbenklich zu sein, dem einzelnen vorsorg- lihen Arbeiter die Gelegenheit zu lassen, durch Doppel versicherung sih ein reihliheres Kranfkengeld zu verschaffen, vorausgeseßt, daß die zweite Versicherung in einer Kasse erfolge, zu welchen Zuschüsse Seitens der Arbeitgeber nicht gezahlt werden. Der Gefahr der Simulation werde durch die gegenseitige Kontrole

der Arbeiter wohl ausreichend Beg!

Hr. Kalle glaubt S n Berülsichtigung der von den anwesenden Vertretern der Arbeiter und Handwerker ein- stimmig vertretenen Auffassungen die Gefahren der Simulation nicht für so gering halten zu sollen, Gegen den weiteren Einwand des Vorredners in Bezug des Antrages auf Ein- führung einer Abmeldepflicht gegenüber der Gemeinde, bemerkt

stunde, diese natürlich verpflihtet bleibe, und in solchen Fällen die Bedenken, die ihn zur Einbringung seines Antrages ver- anlaßt hätten, nicht vorlägen.

Der Regierungskommissar, Hr. Geheimer Ober-Regierungs- Rath Lohmann, ‘erklärt es zwar für wünschenswerth, einen Schuß gegen mißbräuchliche Doppelversiherung zu schaffen, bezweifelt aber, ob das Verbot jeder Doppelversicherung für angezeigt zu erachten sei. Wenn die Doppelversicherung in den Grenzen bleibe, daß das gesammte aus beiden Kassen zu zahlende Krankengeld hinter dem Arbeitslohn zurückbleibe, dürfte ein Anlaß nicht vorliegen, die zweifache Versicherungs- nahme zu verschränken. Vielleiht empfehle sih der Weg, die Krankenkasse zu ermächtigen, ihre Unterstüßungen eventuell soweit einzuschränken, daß das gesammte Krankengeld eine ge- wisse Quote des Lohnes, etwa 3/%, niht übersteige. Hin- sichtlih der Anmelvepflicht glaubt auch dieser Redner die Be- S der Vorlage sub IV. A. für ausreichend halten zu

ollen.

Hr. Wolff weist zum Beweise für die Unzulässigkeit einer Doppelversicherung darauf hin, daß solche, wenigstens so viel e As von allen Versicherungsgesellshaften ausgeschlossen

rde.

Hr. Baare spricht sich mit Entschiedenheit für ein Verbot

der Doppelversicherung aus. Die Gefahren der Simulation würden in den Kreisen der ihm näher bekannten Arbeitsgeber für so groß gehalten, daß man in Rücksicht auf dieselben die sogenannten Krankenlöhne in ganz bestimmten Grenzen halte. Eine Steigerung des Krankengeldes über 2/z des Tagelohnes hinaus sei schon bedenklich. ___ Hr. Kalle bemerkt, daß jeder Grund für eine Doppelver- sicherung fortfalle, wenn die Krankenunterstüzung ausreichend bemessen werde. Eventuell werde man hier etwas höher zu greifen haben. Nochmals auf seinen Antrag b. eingehend, hebt Redner hervor, daß er die Gemeindebchörden in den Stand seßen wolle, im Falle nicht festgestellt werde, daß der von einem Arbeitgeber abgemeldete Arbeiter einer anderen Kasse beige- A sei, den Betreffenden zur Gemeindekrankenka}se heran- zuziehen,

Hr. Kamien bezeihnet das in der Vorlage vorgesehene Krankengeld als nit ausreichend. Jn allen Fällen, wo dies nicht der Fall, müsse aber durch Doppelversicherung vorgesorgt werden. Die Gefahren der Simulation seien deshalb nicht so erheblich, weil die Arbeiter selbst einander kontrolirten. Die Simulation werde deshalb nie sehr lange dauern. Die vorgeschlagene Abmeldefrist von 3 Tagen sei zu kurz, jeden- falls für die über ganz Deutschland verzweigten Hülfskassen.

__ Hr. Vorderbrügge weist darauf hin, daß viele Vereine, wie z. B. die Kampfgenossenvereine, ihre Mitglieder zum Ein- tritt in Krankenkassen verpflichteten; ohne derartige Verpflich- tung würden sie kaum bestehen können. Sollte das Verbot der Doppelversicherung so weit gehen, daß auch die Zugehörig- ici zu E ne en der in der Vorlage pro- ellirlen Ka}jen unter)agt werde, so müsse auch er si das Verbot audspteda a ï O

Hrn. Herz erscheint ebenfalls ein gänzliches Verbot der Doppelversicherung nicht angängig. Mißbräuchen würde nah seiner Ansicht dadurh vorgebeugt werden können, daß die Arbeiter verpflichtet würden, anzuzeigen, wenn sie an anderer Stelle versichert seien; die doppelte Kontrole der beiden inter- essirten Kassen werde Simulationen jedenfalls sehr ershweren. Das Verbot der Doppelversicherung würde Redner für sebr hart halten für aüe æFâlle, ‘in denen der Arbeitslohn kaum zur Unterhaltung des Arbeiters und seiner Familie ausreiche. Mehr als 2/3 des Arbeitslohnes werde aber kaum cine Kasse an Krankengeld zahlen können. Er befürworte, eine Doppel- versicherung bis zur Höhe des Arbeitslohnes zu gestatten.

Hr. Spengler spricht sich auf Grund langjähriger Erfahrung als Mitglied des Vorstandes einer Krankenkasse sür das Verbot der Doppelversicherung aus, Viele Arbeiter seien sehr leicht geneigt, an Stelle des Arbeitslohnes mit dem Krankengelde vorlieb zu nehmen, wenn leßteres nit allzusehr hinter ersterem zurückbleibe. Namentlich geschehe dies von Fabrikarbeitern, die auf dem Lande wohnten und eine kleine Landwirthschast betreiben, zumal in Zeiten, wo die Löhne zurü gingen, jo daß das Krankengeld die Höhe des Lohnes erreiche.

Hr. Kochhann weist noch darauf hin, daß bei der geringen Geneigtheit der Arbeiter, Versicherungen einzugehen, freiwillige Doppelversicherungen kaum zu befürchten seien. Hrn. Wolff entgegnet er, daß ein unbedingter Aus\{hluß der Doppelver- sicherung Seitens der Versicherungsgesellshaften nur bei der O und Transportversicherung für nothwendig erachtet

e. __ Hr. Diete theilt mit, daß in seiner Heimath für die Ar- beiter in den Zuckerfabriken die Möglichkeit Lines Si bdilvecbe, rung unbedingt nothwendig sei. Diese Leute arbeiteten in den Zuckerfabriken etwa nur 6 Monate. Während der übrigen Zeit des Jahres seien sie als Maurer, Zimmerer oder in irgend einer anderen Weise thätig. Es könne do nicht erwartet werden, daß sie während der Beschäftigung in den Zuckerfabriken aus den Krankenkassen, denen sie während der Zeit ihrer regelmäßigen Thätigkeit angehörten, austräten.

Nach Schluß der Debatte erhält das Wort der Referent Hr. Baare, welcher nohmals für das Verbot der Doppelver- sicherung eintritt und si für die Nothwendigkeit desselben auf die Erfahrungen der großen industriellen Unternehmungen der westlihen Provinzen und die ausdrülichen Erklärungen der Vertreter derselben beruft. Zum Beweise dafür, wie groß die Neigung zur Simulation sei, führt Redner das Beispiel eines bestimmten Unternehmens an, in welhem nah Beseitigung der bis dahin vorgeschriebenen 4tägigen Karenzzeit die Aus- gaben der Krankenkasse im Laufe eines Jahres um 50 Proz. P s Abs n der immung wird sodann der Eingang der Nr. 11. sowie der Antrag Kalle a. (S. 183) und desg Nu es An: trag b, (S. 183), nachdem derselbe dahin modifizirt, daß die Frist von 3 Tagen auf 8 Tage zu verlängern sei, angenommen,

Zu A. Gemeindekrankenversiherung

gelangt Nr. 1 ohne E qur Annahme. Ju Nr. 2 be- antragt Hr. Vorderbrügge die Worte

„seit mindestens einer Woche“

zu streichen, um zu verhüten, daß anziehende Arbeiter, welche mit einer ansteckenden Krankheit behaftet sind, um die Bedin- gung des Entwurfs zu erfüllen, die Krankheit aht Tage lang verheimlichen und so die Verschleppung derselben herbeiführen, Der Antrag findet jedoch nit die Majorität, vielmehr wird Nr. 2 in der Fassung des Entwurfs angenommen.

Auch Nr. 3 und 4 gelangen unverändert zur Annahme,

i Zu B. Ortskrankenkassen erhebt sich gegen Nr. 1 kein Widerspru und der Vorsitzende

Redner, daß in Fällen, in denen eine Kasse die Beiträge

Zu Nr. 2 bemerkt Hr. Baare, daß wohl empfehlen möchte, den Eintritt in

damit niht Arbeiter die Mitgliedschaft erlangen, welhe be- reits mit Krankheiten behaftet sid. Nach einer kurzen Er- widerung des Regierungskommissars, Hrn. Geheimen Ober- Regierungs-Raths Lohmann, läßt Hr. Baare seine Bedenken fallen, und Nr. 2 gelangt in allen drei Absäßen unverändert zur Annahme ; ebenso Nr. 3, 4 und 5.

Auch der Anni

: : . aFnnungskrankenkafen, wird ohne Widerspruch éemtiat: ï

; Zu D. Fabrikkrankenkafsen, wird Nr. 1 unverändert angenommen ; ebenso* Nr. 2, naG- dem Hr. Kalle bemerkt, es werde bei der Redaktion des Ge- seßes im ersten Absay von „Arbeiter“ einzuschalten sein :

__ micht bei anderen Kassen versicherte,“ damit die Verpflichtung zur Errichtung einer Fabrikkranken- kasse nicht auch in Fâllen eintrete, wo beitrittspflihtige Arbeiter nicht vorhanden seten.

Auch Nr, 3 gelangt zur Annahme.

Zu Nr. 4 eradtet es Hr. Spengler für bedenklich, daß jeder Arbeiter ohne Unterschied des Alters und des Gesund- O mit seinem Eintritt in die Beschäftigung von elbst Mitglied der Kasse werden solle. Das werde zur Folge: haben, daß jeder Arveitgeber sih scheuen werde, ältere und gebrechlihe Arbeiter anzunehmen. Auch sei es sehr fraglich, ob unter dieser Vorausseßung die Kassen die aus der Auf- nahme s{wächliher Arbeiter ihnen erwachsenden Lasten wür= den tragen können. -

Nachdem der Regierungskommissar hierauf erwidert, daß: bei allgemeiner Anwendung dieses Grundsates auf alle Kranken- kassen eine Ausgleihung eintreten werde, wird Nr. 4 an- genommen.

“_QU Nr 5 weist Hr. Baare auf die Shwierigkeiten hin, mit denen es in größeren, Tausende von Arbeitern beschäfti- genden Etablissements verbunden sein würde, über das Kassen- statut alle zur Zeit in dem Betriebe beschäftigten Versicherungs- pflichtigen zu hören, und beantragt daher, im 2. Absaßz hinter „Versicherungspflichtigen“ die Worte „oder deren Delegirten“ einzuschalten. Dieser Antrag wird angenommen und dem- nächst auch die Nr. 5 in der hicraus si ergebenden Fassung.

Nr. 6 findet unverändert Annahme.

Zu Nr. 7 bemerkt Hr. Baare, es sei bereits in der- Generaldiskussion hervorgehoben worden, daß die Ausführung dieser Bestimmung für folhe Bauherren, welche Arbeiter an vielen Orten beschäftigen, sehr shwierig sein werde. Nichtiger sei es, dem Bauunternehmer, in dessen Diensten der Regel. nach die Arbeiter stehen, die Verpflihtung zur Errichtung der Krankenkasse aufzulegen, oder die Sace in der Weise zu regeln, daß man Denjenigen zur Errichtung der Kasse ver- pflihte, in dessen Lohn die Arbeiter stehen, also den Bau- herrn, wenn er direkt den Lohn an die Arbeiter zahle, sonst den Unternehmer.

Der NRegierungskommissar tritt für die Vorlage ein, indem er namentlih ausführt, der zu Grunde liegende Gedanke sei der, daß die freien Krankenkassen alle diejenigen Arbeiter umfassen sollen, welGe bei einem be- stimmten Bau beschäftigt seien. Sollten auch dabei im ein- zelnen Falle Schwierigkeiten entstehen, so würde dies doc in viel größerem Umfange der Fall sein, wenn man dem Unter- nehmer diè Verpflichtung auferlegen wollte. Vor Allem aber spreche biergegen der Umstand, daß die Unternehmer in den meisten Fällen keine Garantie für die Erfüllung der übers nommenen Verbindlichkeiten bieten würden.

Nachdem die Herren Kohhann und Heimendahl \ich für R evn des Entwurfs ausgesprochen, wird Nr. 7 an- genommen, }owie demnächst auch Nr. 8, 9 und 10.

Abschnitt L. Eingeschriebene Hülfskassen, nachdem auf eine Bemerkung des Hrn. Koch- in olge dieser Vorschrift würden die eingeschrie- benen ülfsfassen verschwinden, der Regierungkommissar, Ge- heimer ber-Regierungs-Rath Lohmann, erwidert hatte, daß allerdings voraussihtlich nur die aus der Jnitiative der Ar- beiter hervorgegangenen Hülfskafsen bestehen bleiben würden, ohne weitere Debatte acmiot,

IIT, Gegenstand der Versicherung und Versicherungsbeiträge. A. Für die Gemeindekrankenversicherung.

E Nr. 1 beantragt Hr. Graf Henckel von Donners-

1) die Litt, b,, wie folgt, zu fassen:

„oder zwei Drittel des ortsüblihen Tagelohns der be-

treffenden _Arbeiterklasse, insofern der betreffende

E 3 6 täglih nicht übersteigt“,

owie 2) folgenden Zusaß zu machen:

„Krankengeld wird überhaupt gewährt erst na drei

Tagen seit Beginn der Krankheit.“

_Hr. Dr. Janßen beantragt, unter Litt. a, die Worte „zwei Dritteln“ zu streichen.

Gegen den ersten Theil des Graf Henelschen Antrages wendet der Regierungskommissar, Geheime Ober-Regierungs=- Nath Lohmann, ein, zur Vereinfahung der Geschäftsführung sei es erforderlih, einen einheitlihen Lohnsay für alle ver- sicherungspflibtigen Arbeiter festzusegen und die Ermittelung verschiedener Lohnsäße für die einzelnen Arbeikerkategorien zu vermeiden. Für den Antrag treten außer dem Antragsteller die Herren Baare, von Nathusius und Kalle ein, indem Er- sterer namentlich hervorhebt, daß den Gemeinden keineswegs damit gedient sei, wenn man allgemeine Durcl, schnittslöhne annehme; denn es müßten in diesem Falle auch die Fabrik- Le Tien E Me, pin da diese in der Regel Oer Jetlen, 0 müsse auch der Durcschni

viel höher stellen. \ A U 19 Nachdem Hr. Kochhann sich für die Regierungsvorlage ausgesprochen, und nahdem der Regierungskommissar wieder- holt auf die Weiterungen hingewiesen hatte, welche der Graf Henckelshe Antrag für die Gemeindeverwaltungen zur Folge haben würde, zieht Hr. Graf Henckel von Donnersmarck seinen Antrag zurück, indem er sih vorbehält, denselben bei B. Nr. 1 zu erneuern.

Bezüglih der im zweiten Theil des Graf Henckelschen Antrages vorgesehenen dreitägigen Karenzzeit E Hr. Baare aus, daß nah dem übereinstimmenden Urtheil der von ihm befragten Leiter größerer industrieller Etablissements eine solche Frist zur Verhütung der Simulation unbedingt erforderli sei. Dieselbe bestehe thatsählih in einer großen Anzahl von Fabriken und habe sih überall vorzüglih bewährt. Jm Falle wirklihen Bedürfnisses könnten außergewöhnlihe Untere

wird, hann,

konstatirt daher die Annahme.

stügungen gewährt werden, wie dies auch jeßt vielfach geschehe.

i es si emz : C die Kasse von- der Beibringung eines ärztlichen Attestes abhängig zu machen,

Jm nämlichen Sinne äußert sich Hr. Spengler, welcher darauf hinweist, daß die Krankenunterstüßung, wie er als Jelbstverständlih betrachte, nur gewährt werden könne auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung, deren Beschaffung immer mit Weiterungen verknüpft sei, welche bei unbedeutenden, eine bestimmte Minimalzeit nicht übersteigenden Erkrankungen besser vermieden würden. Auch Hr. von Born erklärt \ich für Einführung einer Karenzzeit und stützt sih dabei auf das übereinstimmende Urtheil der Hüttenärzte, welches dahin gehe, daß ohne eine solhe Fristbestimmung der Simulation Thür und Thor geöffnet fei.

Hr. Herz wirft die Frage auf, ob die dreitägige Karenz- zeit als genügend zu betrachten sei. Dieselbe sei seyx kurz ord i und in keinem Falle dürfe man dahinter zurück-

eiben.

Der Regierungskommissar hält diesen Ausführungen ent- gegen, daß für die Gemeindekrankenversiherung die Festsetzung einer solchen Minimalzeit nicht von großer Bedeutung sei. Für die übrigen Krankenkassen wolle der Entwurf eine der- artige Bestimmung nicht verhindern. Die Regelung dieser Frage habe nur mit Nücksicht auf die Verschiedenheit der ein- en Verhältnisse den Kassenstatuten überlassen bleiben

ollen.

Hr. Dr. Janßen führt zur Begründung seines die Ueber- nahme sämmtliher Arzneikosten auf die Krankenkassen be- zweckenden Antrags aus, daß dieser Punkt sür die Kassen nur von untergeordneter Bedeulung sei, während cs für den Arbeiter sehr fühlbar werden könne, wenn er einen Beitrag zu den Arzneikosten zahlen solle, zumal der Apotheker meist nit stunde, sondern baare Zahlung verlange.

Diesen Ausführungen schließen sih die Herren Herz, von Nathusius und Baare im Wesentlichen an, während der Regierungskommissar und Hr. Graf Henkel sür den Entwurf

eltend machen, daß derselbe dazu beitragen werde, Ver- chwendung und Mißbrauch mit der Arznei zu verhüten.

Bei der nunmehr erfolgenden Abstimmung wird dex An- trag Janßen (S. 188), sowie demnächst die Nr. 1 mit der hieraus sih ergebenden Modifikation angenommen. Der Zusaß antrag des Hrn. Grafen Henckel, bezüglih der dreitägigen Karenzzeit (S. 188), findet einstimmige Annahme.

Nachdem sodann Nr. 2 ebenfalls angenommen, beantragt Hr. Kalle in Nr. 3, hinter dem zweiten Absaß hinzuzufügen :

„Für Lehrlinge gelten die Skiße der jugendlichen Arbeiter.“

Dieser Antrag wird einstimmig angenommen und dem- nächst die Nr. 3 in der hiernah sihch ergebenden Fassung, sowie endlih Nr. 4 genehmigt.

Zu B. Für Ortskrankenkassen nimmt bei Nr. 1 Hr. Graf Hendel den vorher zurückgezogenen Antrag in dem Sinne wieder auf, daß der Grundsaß aus- gesprochen werde : „Bei Berechnung der Krankenunterstüßung unter Litt. a, ist der ortsüblihe Tagelohn der betreffenden Arbeiter- klasse zu Grunde zu legen, insofern der betreffende Arbeitsverdienst 3 /6 täglich nicht übersteigt.“ und bemerkt auf eine Anfrage des Hrn. Kalle erläuternd, daß der festzustellende Maximalbetraq des Arbeitsverdienstes in Uebereinstimmung zu bringen sein werde mit der Beschluß- fassung über die entsprechende Bestimmung der Grundzüge zu dem Unfallversiherungsgeseß, so daß és sich jeyt nur um eine vorläufige Feh:stellung des Betrages handele.

Zu Litt, b. beantragt Hr. Kochhann, statt „zwanzigfachen“ zu sagen : „dreißigfahen Betrag des Krankengeldes“, indem er auf die Unzulänglichkeit des im Entwurf vorgesehenen Sterbegeldes hinweist.

Nachdem sich die Herren Baare, Diete, von Born, Hessel und Graf Henckel für diesen Antrag ausgesprochen, werden die beiden obigen Anträge Graf Henckel und Kohhann und demnäcst die Nummer 1 in der danach sihch ergebenden Fassung an- genommen.

Zu der Bestimmung unter Nr. 2 Litt, a,, wonach die Dauer der Krankenunterstüßung bis zu zwei Fahren ver- längert werden kann, bemerkt Hr. Kochhann, daß eine solche Verlängerung nicht möglich sein werde, ohne die Beiträge er- heblich in die Höhe zu schrauben. Es sei daher besser, die Verlängerung nur bis zu einem Jahre zuzulassen.

Hr. Baare {ließt sich dieser Auffassung an und spricht fich dahin aus, daß die Verlängerung der Krankenunterstüßung bis zu zwei Jahren viel zu weit gehe und die Gefahr nahe lege, daß die Arbeiter Mißbrauch damit treiben würden, um sich der Arbeit zu entziehen. Auch eröffne der Wortlaut des Entwurfs die Möglichkeit, daß einzelnen Arbeitern nah Will- kür Vergünstigungen bewilligt werden könnten, und es sei da- her hinzuzufügen: „in dringenden Fällen“. T

Der Regierungskommijsar, Geheime Ober-Negierungs- Nath Lohmann, führt aus, daß man durch die fragliche Be- stimmung des Entwurss den bestehenden Verhältnissen habe Rechnung tragen' wollen; da bei einzelnen Krankenkassen die Unterstüßungen bis zu zwei Fahren gewährt würden und es unbedenklich erscheine, dies auch sür die Zukunft fortbestehen zu lassen. Die Möglichkeit der Begünstigung einzelner Arbeiter werde dadurch nicht geschaffen, da eine folcbe Bestimmung, wenn sie einmal in Kraft getreten sei, auf alle Mitglieder der Kasse ohne Unterschied Anwendung finde.

Hr. Herz und Hr. Wolff machen dem gegenüber geltend, daß iu der Negel die Maximalzeit für die Bewilligung des Krankengeldes sechs Monate betrage und daß ihnen keine Krankenkassen bekannt seien, welche darin so weit gingen, wie der Entwurf. Hr. Spengler führt hingegen ein Beispiel einer folhen Kasse an. : |

Nachdem sodann der Vorsißende die Tragweite der frag- lichen Bestimmung des Entwurfs näher dargelegt und nament- lich betont hatte, daß dadurch den Kränkenkassen keine Ver- pflihtung auferlegt, sondern nur eine Fakultät eingeräumt werde, wird ein Antrag des Hrn. Kochhann,

L „bis zu zwei Jahren“ zu fagen „bis zu einem

ahre“ angenommen, und mit dieser Modifikation die Litt. a. ge- nehmigt. : :

Damit {ließt die Sißung.

Die nächste Sißung wird auf Donnerstag, den 16. März, Vormittags 11 Uhr, anberaumt und auf die Tagesordnung

die Gorticzung der Spezialberathung der Grundzüge für die geseßliche Regelung der Krankenversicherung der Arbeiter geseßt.

Protokoll der achten Sitzung des permanenten Ausschusses des Volkswirthschaftsraths.

Berlin, den 16. März 1882.

Der Vorsißende Staats-Minister von Boetticher eröffnet die Zizung um 111/, Uhr.

Als Regierungskommifssarien sind anwesend:

der Direktor im Reichsamt des Jnnern Hr. Bosse,

der Geheime Ober-Regierungs-Rath Hr. Lohmann. Hr. Dietze hat sein Ausbleiben entschuldigt, Hr. Rust ift in die Versammlung eingetreten. Ein Antrag der Handels- kammer in Thorn um Ablehnung des Geschentwurfs, betreffend das Reichstabackmonopol, ist eingegangen und wird den Refe- renten für jene Vorlage überwiesen. Demnächst wird in die Tagesordnung, Fortseßung der Spezialberathung über die Grundzüge für die geseßliche Regelung der Krankenversicherung der Arbeiter, eingetreten. 11I, B. 2 Nr. b. fällt in Konsequenz der früher gefaßten Beschlüsse fort. Zu Nr. c. hält Hr. von Tiele-Winckler es für bedenklich, den vollen Betrag des ortsüblichen Tagelohnes naczulassen, da dies zur Simulation reize, auch um deswillen nicht ange- messen erscheine, weil der Kranke seinen Körper nicht, wie bei der Arbeit, anstrenge. Hr. Kochhann hält dagegen die Bestimmung der Vorlage für zwelentsprechend, da ein kranker Arbeiter das volle Tage- lohn haben müsse, um seine Familie zu ernähren, das orts- übliche Tagelohn, auch regelmäßig niedriger sein werde, wie das von dem Erkrankten wirklih bezogene Tagelohn, welches bei den erforderlichen Vorkenntnissen und der durch Uebung erlangten Geschicklichkeit ein höheres zu sein pflege. Hr. Kalle pflichtet unter Hinweis darauf, was unter dem ortsüblihen Tagelohn zu verstehen sei, dem Vorredner von Tiele bei, und ist der Meinung, daß die sämmtlichen nah der Vorlage in das Belieben der Kassen gestellten Erweiterungen ihrer Leistungen zu weit gingen, so daß der Staatsregierung für die demnächstige Feststellung des Gesetzestextes große Vor- sicht angerathen werden müsse. Nachdem Hr. Heimendahl si in demselben Sinn ausgesprochen, führt der Regierungs- Tommissar Hr. Lohmann aus, daß die Vorlage nur das eigent- lihe Krankengeld, neben welchem freie Arznei 2c. nicht zu ge- währen sei, bis auf den ‘ganzen Betrag des ortsüblichen Tagelohns zulassen wolle, äber der Fälle nicht gedenke, wenn neben dem Krankengeld noh freie Arznei 2c. gewährt werde. Die Befürchtungen, daß die den Kassen gestattete Erweiterung ihrer Leistungen bedenklich sei, vermöge er nicht, zu theilen : es handele sih um Erweiterungen, die durch das Statut für alle Mitglieder eingeführt werden, niht um Leistungen, welche Einzelnen zu Theil werden könnten. Solchen Kassen, die bdurch Zuwendungen oder gute Verwaltung in die Läge ge- frommen seien, größere Leistungen zu gewähren, könne man die Möglichkeit hierzu niht nehmen.

Hr. Baare erachtet diese Bestimmungen dennoch für be- denklich, da die Kassenmitgliedec glauben würden, sie hätten ein Necht zu beanspruchen, daß die Leistungen der Kasse auf das geseglih zulässige Maximum normirl würden. Er empfehle daher, ein höheres als das normalmäßige Kranken- geld nit nachzulassen, aber für den Bedürfnißfall Unter- stüßungen in Aussicht zu ftellen; thatsächlich werde dies oft auf dasselbe hinauskommen, sei aber doch begrifflih von jenem verschieden und praktischer. Eventuell solle man über ?/, des ortsüblihen Tagelohns nit hinausgehen. :

Hr. Hessel spricht sih in demselben Sinne aus wie der Vorredner, und fügt hinzu, daß es allerdings Leute gäbe, die es so einzurichten wüßten, daß sie in jedem Jahre von den- ee Kassen, denen sie angehörten, Krankengeid beziehen önnten.

Ein nunmehr von Hrn. Baare gistellter Antrag :

in I. B, 2 Nr. c. statt „bis zum vollen Betrage des crtsüblihen Tagelohns“ zu seßen: „bis zu 3/4 des orts- üblichen Tagelohns“ wird angenommen, ebenso demnächst der ganze Saß mit dieser Modifikation. Zu U1I, B. 2 d. beantragt Hr. von Tiele-Winkler : a. 0 Wort „hundertfachen“ zu grseßzen durch „fünfzig- fachen“, b. die Worte „jedo“ bis „Tagelohns“ zu streichen.

Nachdem der Antragsteller diesen Antrag kurz motivirt, tritt Hr. Hessel für die Vorlage ein, da es nicht zweckmäßig sei, gut situiiten Kassen die Möglichkeit, ein recht hohes Sterbegeld zu gewähren, zu vershränken. Das leßtere solle, wenn möglih, nicht nur die Kosten der Beerdigung decken, sondern auch noch für die ersten Bedürfnisse der Hinter- bliebenen ausreichen.

Hr. Kochhann will es gleihfalls bei der Vorlage belassen, weil schon jeßt manche Kassen 150 6 Sterbegeld gewähren, und es nicht angezeigt sei, diesen Betrag herunterzudrücken.

Herr Dr. Jansen empfiehlt dagegen die Annahme des Antrags von Tiele, weil sonst jeder das zulässig höchste Sterbe- geld beanspruchen und das Bedürfniß hierzu nachzuweisen juchen werde, woraus Mißstände entstehen müßten. Nachdem der Vorsißende darauf hingewiesen hatte, daß es sich auch hier nicht um individuelle Vergünstigungen, sondern um generelle, im Statut für alle Betheiligten auszusprechende Ueber- shreitungen des Minimalsaßzes handele, erkiärt Hr. von Tiele- Winkler, daß er keineswegs beabsichtige, den Wittwen das Sterbegeld zu hmälern, sondern nur wünsche, die Kassen vor Uebernahme relativ übertriebener, ihre Mittel übersteigender Verpflichtungen zu wahren ; er habe ein abschreckendes Beispiel vor Augen, da eine ihm bekannte, gut fundirte Knappschasts- kasse durch übertriebene Leistungen an ihre Mitglieder dem Bankerott nahe gekommen sei.

Der Regierungskommissar Hr. Lohmann führt aus, daß ein hohes Sterbegeld unbedenklih nahgegeben werden könne, da durch den leßten Absay der Nr. 2 und durch Nr. 4 die erforderlihen Kautelen gegeben seien. Mißbräuche würde kein Gesey verhüten können, sondern nur eine sorgfältig geführte Aufsicht. Das Sterbegeld hoh zu be- messen, sei im Jnteresse der Wittwen erforderli, da nah dem Jnkrafsltreten dieses Geseßes von Krankenkassen nicht mehr, wie jeßt zum Theil geschehe, auch Unterstüßungen an Witt- wen 2c. würden gezahlt werden dürfen, lehtere vielmehr auf die Ueberschüsse der Sterbegelder angewiesen wären.

Hr. von Ruffer glaubt, daß von dem geseblihen Maximal- betrag des Sterbegeldes sehr häufig werde Gebrauh gemacht werden, weil die Arbeiter aus einer gewissen Eitelkeit ein be- sonderes Gewicht auf ein shönes Begräbniß zu legen pflegten und sih große Opfer auferlegten, um ein solches zu ermög- lihen. Er halte das in der Vorlage nachgelassene Sterbegeld

gen im Bedarssfalle plaidirt und erklärt hatte, in seinen Augen würde die in der Nr. 4 der Vorlage enthaltene Be- stimmung die Gefahr, welher er durch Herabseßung des Maximalbetrages des Sterbegeldes begegnen wolle, noch ge- steigert, und nachdem der Vorsißende nochmals klargestellt hatte, daß innerhalb der statutarishen Bestimmungen alle Mitglieder der Kasse gleih behandelt werden müßten, und nur in den Statuten der verschiedenen Kassen eine Verschiedenheit innerhalb der zulässigen Grenzen stattfinden werde, tritt Hr. Frhr. von Landsberg für die Regierungsvorlage mit der Aus- führung - ein, daß sich bei der Feststellung des Statuts ja berausstellen werde, ob die von der Kasse eingegangenen Ver- pflihtungen nach Lage der Verhältnisse übertrieben feien, und da den Behörden die erforderliche Einwirkung auf Abänderung zustehe; auch würden hohe Beiträge, die zur Erfüllung statu- tarischer Verbindlichkeiten umgelegt werden sollten, sehr bald eine Verminderung der Verpflihtungen herbeiführen.

Hr. Wolff hat um deswillen Bedenken gegen einen weiten Spielraum bei Bestimmung des Sterbegeldes, weil dann eine leistungsfähige Fabrik dadurch, daß sie in ihrer Krankenkasse ein hohes Sterbegeld in Aussicht stelle, anderen Fabriken, die nicht so gut gestellt seien, Konkurrenz machen und sie dadurh nöthigen würde, das Sterbegeld in der gleichen Höhe zu be- willigen, wenn dies auch ihre Verhältnisse übersteigen möchte. Redner empfiehlt deshalb die Annahme dcs Antrags von Tiele, welcher auch für die Ortskrankentassen zweckämäßig sei.

Hr. Kochhann besorgt, daß der Antrag von Tiele besondere Buwendungen an Krankenkassen beeinträchtigen wird, indem für solche keine Verwendung mehr möglich sein werde. Die Erfahrung in Berlin, woselbst die Frauen der Versicherten den Beitrag zahlten, nur um die Versicherung nicht verfallen zu lassen, lehre, daß der Arbeiter gerade auf das Sterbegeld den größten Werth lege. Er erinnere an die Aufregung, welche in Berlin in den fünziger Fahren dieses Jahrhunderts geherrscht habe, als alte Sterbekassen insolvent geworden seien. Die Jntervention der Aufsichtsbehörden lasse erwarten, daß die e:nzelnen Kassen über ihre Verhältnisse niht hinausgehen würden. Den Gesichtspunkt der Konkurrenz weise er voll- ständig zurüd.

Hr. Kamien empfiehlt die Regierungsvorlage, da das Sterbegeld nicht nur die Begräbnißkosten decken, fondern für kurze Zeit auch den Unterhalt der Hinterbliebenen ermöglichen müsse. Die angebliche Eitelkeit der Arbeiter, welche sie nah einem \{önen Begräbniß streben lassen solle, bestehe niht und set jedenfalls für die Höhe der demnächst für das Begräbniß wirklich gemahten ÄAufwendung niht maß- gebend. Die von dem Vorredner Baare in Vorschlag getrach- ten Unterstüßungen würden, weil sie individuell verschieden bemessen werden würden, zu Mißbräuchen führen und Miß- stimmungen veranlassen.

Hr. von Risselmann wünscht, daß das Sterbegeld thun- lichst hoh bemessen werde, während sonst die Kassen so spar- sam wie mögli wirthshaften müßten. Unter Bezugnahme auf eine im Unfallversiherungsgeseß enthaltene Analogie em- pfiehlt Redner als Maximalbetrag das Doppelte des Minimal- betra„es und stellt den Antrag:

in 11.'B. 2 d. ftatt „100 fahen“ zu sagen „G60 fachen“ und die Worte „jedoh“ bis „Tagelohns“ zu streichen.

Hr. Graf Henckel von Donnersmarck empfiehlt die An- nahme des Antrags von Tiele, eventuell des Antrags von Risselmann. Es handle \sih hier um das von Ortskranken- kassen zu gewährende Sterbegeld, niht um Unterstüßungen, die man in Nothfällen gewähre. Die Höhe des Sterbegeldes bedürfe nüchterner Erwägung, und man solle dabei ver- meiden, an. das Herz der Arbeitgeber zu appelliren. Die Leßteren hätten durch die That längst bewiesen, daß ihnen das Wohl ihrer Arbeiter am Herzen liege, und dieser Auffassung würden sie auch bei Todes- fällen unter ihren Arbeitern treu bleiben. Nachdem Hr. Baare ausgeführt, daß nicht alle Versicherten in gleih hülfs- bedürftiger Lage seien, weshalb die Statuten einen Spielraum für die Abmessung des Sterbegeldes nah Maßgabe des Be- dürfnisses gewähren müßten, treten Hr. Kade unter Hinweis auf den leßten Absaß der Nr. 2 und auf Nr. 4 dieses Ab- schnitts und Hr. Hessel unter Anerkennung dessen, was auf aroßen Werken für das Wohl der Arbeiter geschehe, für die Regierungsvorlage ein, welche gut situirten Kassen die Mög- lihkeit zu größerer Liberalität biete. Denselben Standpunkt nimmt Hr. Kiepert ein. Derselbe führt aus, daß die Wolffsche Auffassung dazu führen müsse, den Kassen die Möglichkeit, die geseßlihen Minimalbestimmungen zu erhöhen, gänzlich zu nehmen, so daß dann Nr. 2 des gegenwärtig behandelten Ah- schnitts ganz entbehrlih werde. Er denke fih die Sache so, daß Kassen der Regel nah mit den Minimalleistungen an- fangen, uod wenn fie in bessere Verhältnisse gekommen, ihre Leistungen durch Abänderung der Statuten allmählih erhöhen würden. Er, glaube niht, daß die Mitglieder einer Kasse von vornherein auf die Maximalleistungen hindrängen würden, denn es stehe ja niht im Statut, wie weit die Kasse geseßlich befugt sei zu gehen, die Mitglieder würden also die Maximal- leistung regelmäßig nicht kennen.

Hr. Wolff betont, daß er nur von Erfahrungen, nicht von Prinzipien sih leiten lasse, und daß die ersteren, wie er sie selbst gemacht, für die von thm vertretene Auffassung, die er aufrecht halte, sprächen. :

Hr. Herz würde die Einführung eines Normalarbeits- lohnes einem Normalsterbegeld vorziehen, wenn es sih darum handeln sollte, der Konkurrenz unter den Arbeitgebern ent- gegenzutreten. Redner vermag nicht abzusehen, weshalb man den wenig bevorzugten Kassen, welhe das Hundertfache des Krankengeldes als Sterbegeld zu zahlen vermöchten, die Be- fugniß hierzu vershränken wolle, und empfiehlt die Negie- rungsvorlage, würde sich aber auch mit einer mäßigen Herab- sezung der Quo:e einverstanden erklären.

Nachdem Hr. von Tiele-Winkler seinen Antrag zu Gunsten des Antrags von Risselmann zurückgezogen, wird der leßtere angenommen, ebenso die ganze Litt. d. mit der hieraus sich ergebenden Abänderung, sowie die Ab- schnitte e. und f. ohne Diskussion in der Fassung der Vorlage.

Zu Nr. 3 wird ein Antrag des Hrn. Grafen Henckel von Donnerémarck: 2 statt „5 Jahren“ zu seßen „10 Jahren einstimmig angenommen, nachdem der Herr Antragsteller den- selben dahin begründet hatte, daß man die Gegenwart ‘nicht zu Gunsten der Zukunft überlasten solle, und nachdem Hr. Hers erklärt hatte, man bringe nirgend jährlih 20 Proz. des eservefonds auf, sowie Hr. Baare, daß die Vorlage selbst die

für zu hoh, Nachdem Hr. Baare auch hier für Unterstütun-

Zahl 5, welhe in Klammern geseßt sei, niht durhaus

a

8 A7 n E N R D G T a A S G 4A ME Ra S T N

r B A bar ir Ei L R;