1882 / 73 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 25 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

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Nichtamtliches.

Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 25. März. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen heute den zu der Botschaft in Wien kommandirten Flügel-Adjutanten Oberst-Lieutenant Grafen von Wedel und hörten die Vorträge des Kriegs- Ministers von Kameke sowie des General-Lieutenants von Albedyll. Ferner nahmen Se. Majestät die Meldung des zum Commandeur des Regiments der Gardes du Corps er- nannten Obersten Grafen von Schlieffen entgegen.

Gestern fand bei den Kaiserlichen Majestäten ein kleineres Familiendiner statt.

Jhre Majestät die Kaiserin und Königin er- schien mit ihren Königlichen Hoheiten den Großherzoginnen von Baden und Sachsen sowie Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Albrecht in der Delegirtenversammlung des Vater- ländishen Frauen-Vereins und der Landes-Vereine.

Jhre Königlichen Hoheiten der Landgraf, die Landgräfin von Hessen und Prinzessin Tochter Elisabeth sind mit dem Gefolge am Freitag Abend von hier nah Schloß Philippsruhe abgereist.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für das Landheer und die Festungen, für Zoll- und Steuerwesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Zoll- und Steuerwesen hielten heute Sizungen.

Der SóHl ußberiht über die gestrige Sizung des Hauses der Abgeordneten und das Protokoll der neunten Sißung des Volkswirthschaftsraths befinden sich in der Zweiten bezw. Dritten Beilage.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 23. d. M. eine öffentlihe Sißung zur Feier des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers und Königs. Der an diesem Tage vorsißende Sekretar, Herr du Bois-Reymond, hielt die Festrede, in welche er die neuer- lih oft vernommenen pessimistishen Ansichten über Cegen- wart und nähere Zukunst der Wissenschaft zurücckwies und von den neuen Einrichtungen einige Nachricht gab, welche bei der Akademie getroffen wurden, um den Forderungen der Gegen- wart gerecht zu werden. Alsdann folgte eine Reihe von Berichten Über die Thätigkeit der der Akademie verbundenen Jnstitute und die von ihr geleiteten wissenschaftlihen Unternehmungen. Hr. Curtius berichtete über den Fortschritt der lateinischen und griechishen Jnschrifstensammlungen, Hr. Zeller über die Her- ausgabe der Aristoteles-Commentatoren , Hr. Dunker über die der politishen Correspondenz König Friedrichs 1l., Hr. Wait über den Fortgang der Monumenta Germaniae historica, und endlih Hr. Conze über die Thätigkeit des Kaiserlich deutschen archäologischen JFnstituts während des zu Ende gehenden Rechnungsjahres. Der Minister der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, Hr. von Goßler wohnte mit den Spiyen seines Ministeriums der Feier bei.

Die Bestimmungen unter Nr. 11. der allgemeinen Verfügung des Justiz-Meinisters vom 16. Juli 1879, dur welche die Gebühren und Reisekosten der Gerichts- vollzieher für die Ausführung vereinfahter Zustellungen abweichend von den Vorschristen der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher geregelt sind, {werden durch eine Verfügung desselben Ministers vom 18. d. M. vom 1. April d. F. ab ausgehoben. ;

Nach einem Urtheil des Reichsgerichts, Ill, Straf- senats, vom 4. Januar d. J., begründen Vortheile, welche behufs Wiedererlangung einer auf Rückauf verkauften Sache gewährt werden, ohne daß bei dem Abschluß des Rückaufs- geschäfts darüber eine Vereinbarung getroffen worden, keinen Wucher. „Zum Thatbestand des Wuchers gehört nach 8. 302 a. des Strafgeseßbuchs das Sich-Versprechen- oder -Ge- währenlassen unverhältnißmäßiger Vermögensvortheile für ein Darlehn, odcr im Falle der Stundung einer Geldforderung unter Ausbeutung der Nothlage 2c. Die Anwendung des Ge- setzes seßt hiernach, wie das Reichsgericht bereits in einem ähnlichen Falle anerkannt hat, voraus, daß es sich um Erlangung des Darlehns dder der Stundung handelt, und der Nachsuchende, um es zu erhalten, durch vorhandene Nothlage 2c. sich zur Gewährung der unverhältnißmäßigen Vermögensvortheile be- stimmen läßt. Handelt es sich um Rückzahlung des empfan- genen Darlehns Seitens des hierzu bereiten Schuldners, so Tann eine Nothlage im Sinne des Gesehes niht angenommen werden. Nicht die Erlangung des Darlehns oder der Stun- dung ist der Erfolg der dur die Aufwendung erreiht werden soll, sondern die Befreiung von der Darlehns\s{huld und der Rüdckempfang des Pfandes. Das nachträgliche Verlangen und Annehmen einer vorher nicht versprohenen übermäßig hohen Vergütung für die bereits stattgefundene Benußung des Dar- en enthält nicht immer Wucher“äm Sinne des Ge- eßes.“

Se, Durchlaucht Heinrich X1II. Prinz Reuß, General-Major, General à la suito Sr. Majestät des Kaisers und Königs und. Commandeur der 11. Kavallerie-Brigade, hat heute Berlin wieder verlassen.

Bayern. München, 23. März. (Allg. Ztg.) Die Kammer der Abgeordneten nahm heute den Etat der Zölle und indirekten Steuern nach unwesentliher Debatte un- verändert nach den Ausschußanträgen an. Die Reineinnahme wurde auf 38 542 520 # um 650000 # mehr, als der Regierungsentwurf veranschlagte festgeseßt. Bei Fort- sezung der Debatte über die Petitionen, betreffend die Behandlung der Schulversäumnisse, erklärte der Kultus- Minister, daß er aus Anlaß der vorgebrachten Be- {werden eine Untersuhung der ganzen Angelegenheit und eine Revision der betreffenden Vorschriften herbeiführen werde. Der hierauf abzielende Antrag des Ausschusses wurde sodann angenommen , desgleihen der weitere auf Erseßung der weltlichen Schulin/spektoren des Regierungsbezirks Schwaben und Neuburg durch Geistliche gerichtete Antrag, welchem gegen- über der Abg. von Hörmann die Einführung der weltlichen Inspektoren eingehend vertheidigt hatte.

Die „Allg. Ztg.“ \{hreibt: Die lange Dauer des Se hat abermals einen in das Gebiet der bra - geseßgebung eingreifenden Antrag zur Reife gebracht ; es hat Hr. Abg. Biehl mit 30 Genossen aus der vereinigten Reckten beantragt, die Kammer wolle beschließen: „An Se.

Majestät den König sei die Allerehrfurhtevollste Bitte zu stellen, Allerhöchstdieselben wollen die Bevollmächtigten Bayerns zum Bundesrathe anweisen, auf eine baldige Revision der Reichs-Gewerbeordnung in der Richtung hinzuwirken, daß obligatorische Jnnungen auf korporativen Grundlagen ein- geführt werden, welche die gebührende Selbständigkeit besißen und mit allen zur Kräftigung des Gewerbes, zur Aufrecht- haltung und Stärkung der gewerblihen Standesehre und zur Heranbildung tüchtiger Lehrlinge, Gesellen und Meister er- forderlihen Befugnissen ausgerüstet find.“

Baden. Karlsruhe, 24. März. (W. T. B.) Die Eisenbahnkommission der Zweiten Kammer beschloß mit 13 gegen 2 Stimmen, der Kammer die Ablehnung des Geseßentwurfs über den Bau der Höllenthalbahn anzu- empfehlen.

Bei der heutigen Berathung des Eisenbahnetats durch die Zweite Kammer wurde von dem Abg. Edelmann (ultramontan) und Genossen zu dem Etatstitel „Remune- rationen“ beantragt, daß die Remunerationen, mit Auss{luß der höheren Beamten, nur an die Beamten mit einem Gehalt unter 2900 6, vertheilt werden follen. Der Finanz-Minister Elstätter bezeihnete die etwaige Annahme dieses Antrags als ein Mißtrauensvotum ; gleichwohl wurde der Antrag von der Kammer angenommen.

Mecklenburg-Schwerin. Schwerin, 24. März. Die Kaiserfeier ist am 22. März aufs Festlihste in ganz Medcklenburg begangen worden. Bei der vom Obersten von Giese kommandirten Parade auf dem Alten Garten in Schwerin richtete der Divisions-Commandeur, General-Lieute- nant Graf von Wartensleben eine kernige Ansprache an die Truppen und brachte bei dem Offiziersdiner das Hoch auf Se. Majestät den Kaiser aus.

Der Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin beging am 19. d. M. in Palermo auf der Villa des Fürsten Pandolfini seinen 31. Geburtstag. Dem Diner A S der Großfürst Constantin Constanktinowitsch von Ruß- and bei.

Desterreich-Ungarn. Wien, 24, März. (W. T. B.) Nach dem „Fremdenblatt“ wird in Abgeordnetenkreisen ange- nonimen, daß der Zusammentriit der Delegationen in der Zeit zwischen dem 15. und 17. k. M. erfolgen werde. Aus militärischen Kreisen verlaute, daß zur Aufrechterhaltung des Kriegsslandes bis zum Monat August, von wo an die Ab- rüstung zu erhoffen sei, höchstens 6 Millionen, und bis zum Jahress{lusse weitere 3 Millionen erforderlih sein würden. Eine gleihe Summe werde für die Erhöhung der Okkupations- kosten in der nächsten Zeit angenommen. Die Befestigungen in der Herzegowina dürften etwa 500 000 Fl., welche in das Budget für Bosnien einzustellen sein würden, und die Ka- sernenbauten und Befestigungen in Süddalmatien etwa 1 Mill. in Anspruch nehmen.

Der Zollaus\{uß hörte heute die Sachverständigen über die Tarifirung der Wollwaaren und nahm nach längerer Debatte, in welcher der Handelsminister erklärt hatte, wegen der Vereinbarung mit, Ungarn auf dem Entwurfe der Regierung beharren zu ‘nüffen, die Positionen 152 bis 158 des Zolltarifs unverändert nah dem Antrage der Regierung an. Chlumeßky kündigte Abänderungsanträge als Anträge der Minorität an.

__— Die „Politishe Correspondenz“ meldet : Die im Reichs-Finanz-Ministerium tagende Justizkommission wird in den nächsten Tagen ihre Berathungen über die Civilprozeßordnung für Bosnien und die Herzego- wina abschließen. Die neue dur eine Jnstrukltion ergänzte Civilprozeßordnung wird ein auf Mündlichkeit und ziemlich weitgehende Jnappellabilität basirtes, von Formalitäten thun- list freies, möglichst rashes und kostenloses Verfahren ein- führen. An den Kommissionsberathungen nehmen außer her- vorragenden Nechtsgelehrten beider Reichshälsten auch mchrere Beamte und Richter aus Bosnien, darunter der Kadi des Gerichtshofes zu Serajewo, Theil. Wegen Schneever- wehung und Lawinensturzes is der Eisenbahnverkehr am Brenner auf der Strecke Steinah-Sterzing eingestellt worden. Die Unterbrehung dürfte einige Tage dauern.

Aus Ragusa, 19. März, wird der „Pol. Corr.“ gemeldet :

Seit zehn Tagen is die Bewältigung der Krivoscie eine voll- endete Thatsache. In Süd - Dalmatien sind daher die militärischen Operationen als abgeschlossen zu betrahten, und es erübrigt jeßt lediglih die dauernde Sicherung des Errungenen. Dieselbe *wurde unmittelbar nah der Vertreibung der Krivoëcianer aus ihren Stel- lungen am 9, d. M. praktis in Angriff genommen, indem nur die zur Division Kober (Trebinje) gehörigen Truppentheile über Castel- nuovo in die südlihe Herzegowina zurückbeordert wurden, die sieben Bataillone und zwei Gebirgsbatterien der Di- vision Winterhalder aber, welhe an den Kämpfen in der Krivoscie Theil genommen hatten, oben blieben. Alle beherrschenden Punkte, von welchen aus die Zugänge von der Seeküste in das Jn- nere der Krivoscie bis an die montenegrinishe Grenze militäris{ gesichert werden können, sind beseßt. Im Augenblick handelt es sich in erster Linie darum, für die die Krivoscie beseßt haltenden Trup- pen, welche wegen Mangels an Unterkünften zumeist bivouakiren müssen, so rasch wie möglich Nothunterkünfte zu hafen. Glüklicher Weise hält das milde Frühlingswetter bis jeßt dauernd an, so daß die nachtheiligen Folgen des längeren Bivouak sich bisher keines- wegs sehr fühlbar machten. Dazu tritt noch der weitere beruhigende Umstand, daß \{chon in wenigen Tagen die ersten Nothunterkünste hergestellt sein werden. Man muß fsich dabei vergegenwärtigen, daß jedes Stück Holz, jeder Nagel und jeder Ziegel auf Schiffen in die Bocca gebraht und dann durch Menschen oder Tragthiere über gewaltige Felsengebirge geschaft werden müssen, bis sie nur den erst durch vielfahe Sprengungen zu ebnenden Bauplaßz erreichen, Die Insurgenten befinden sich noch immer auf den nördlichen Randhöhen der Hochebene von Dversno (des Dragaler Kessels), unmittelbar an der montenegrinischen Grenze, ohne dieselbe überschritten zu haben. Nur ihre Familien wurden nach dem Beginne der Vorrücung der Kaiserlich Königlichen Truppen am 8. zumeist nach den kleinen Ort- schaften auf der Hochebene von Grahovo gebracht. Was die auf den nördlichen Randhöhen von Dragal zurückgebliebenen Krivoscianer be- trifft, so ift dercn längeres Verweilen daselbst {on aus dem Grunde unthunlich, weil die Macia-Planina weder Unterkünfte, noch Wasser in genügender Menge zu bieten vermag. Die in Folge dessen unter den Insurgenten sih vermuthlih {on fühlbar machende Noth mag wohl die Triebfeder kleiner Unternehmungen sein, welche von einzelnen Insurgentenhaufen in ziemlich waghalsiger Weise versucht wurden. Gruppen von 15 bis 20 Mann versuchen, begünstigt dur die Ortskenntniß in der eigenen Heimath und durch die außerordentliche Zerrissenheit des Terrains, zwischen den K. K. Posten und Patrouillen unbemerkt durchzus{leihen und bei sich darbietender Gelegenheit im Rücken der Truppen einen Raub oder Anschlag auszuführen.

Großbritannien und Jrlaund. London, 24. März (W. T. B.) Jn der heutigen Unterhaussißung erklärte der Unterstaatssekretär Dilke auf eine Anfrage Leany's: die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika sej dahin vorstellig geworden, daß die nordamerikanischen Bürger, die auf Grund der irishen Zwangsakte ge- fangen geseßt worden seien, entweder vor Gericht gestellt oder freigelassen würden; die Regierung sei mit der Erwägung dieser Vorstellung gegenwärtig beschäftigt. Von dem De- putirten Ritchee wurde die Ernennung eines Ausschusses beantragt, der den Einfluß der fremden Zolltarife auf den britishen Handel und die Möglichkeit, die Hindernisse für die Entwickelung der britishen QJn- dustrie durch Geseßze zu- beseitigen, untersuhen soll, Northcote unterstüßte diesen Antrag. Der Premier Gladstone bedauerte den Frontwechsel Northcote's, der ihm vielleicht dur seine Position aufgezwungen sei, weil die Annahme des Antrages die Ansicht hervorrufen würde, daß der Freihandels- kampf wieder beginnen solle; er verlange deshalb entschieden die Verwerfung des Antrages. Derselbe wurde \{ließlich mit 140 gegen 89 Stimmen abgelehnt. Die Minorität bestand aus Konservativen und Anhängern Parnells.

Frankreih. Paris, 23. März. (Fr. Corr.) Man liest im „Temps: Ein Blatt hat gemcldet, daß der Minister- Präsident unseren Geschäftsträger in Konstantinopel angewie- sen hätte, die in der Türkei weilenden tunesishenUnter- thanen niht mehr als Schüßlinge der französishen Regie- rung anzusehen. Eine solche FJnstruktion ist nicht ertheilt worden. Die Wahrheit ist, daß der Minister dem Comité für internationale Streitsachen eine kürzlich aufgeworfene völker- rehtlihe Frage vorgelegt hatte, deren Lösung vor einigen Tagen erfolgte und den Vertretern Frankreihs im Auslande mitgetheilt worden ist. Es handele sih darum, ob die tunesishen Unterthanen im Anslande ihr persön- liches Statut verlieren und die Rechtswohlthat gewisser von Frankreich geschlossener Verträge anrufen können. Um den Fall genauer zu präzisiren, so hatte ein in der Türkei an- sässiger Tunese in einem gegen ihn angestrengten Prozesse verlangt, von dem französischen Konsul nah den Kapitulationen gerichtet zu werden. Das Comité sür internationale Streitig- keiten hatte entschieden, daß die Tunesen ihr persönliches Statut im Auslande nicht verlören und mithin auch die Nechtswohlthat der Kapitulationen niht anrufen könnten, Dadurch geschieht aber den Bestimmungen des Vertrages vom Bardo kein Eintrag, nah welchem die Jnteressen der Tunesen unter den Schuß der Vertreter Frankreihs im Auslande gestellt sind.

Serbien. Belgrad, 24. März. (W. T. B.) Die Präfekten und Unterpräfekten der radikalen Kreisstädte Uschißza, Czaczak, Kruschewac, Ciupria und Jagodina sind durch andere Beamte erseßt worden.

Nußland und Polen. St. Petersbucg, 22. März, (St. Pet. Ztg.) Dem Geburtstage des Kaisers Wilhelm widmet der „Golos“ heute einen pictätvollen Artikel.

Der greise, nunmehr 85jährige Kaiser könne mit vollster Genugthuung auf sein Leben und seine 21jährige Regierungs- zeit zurüdckbliden. Aus dem Deutschland, das damals nur ein geographischer Terminus gewesen, sei jeßt die stärkste Macht in Europa, und die Deutschen seien eine der ersten politischen Nationen geworden. Nach einem Rükblick auf diese Periode, deren Abschluß dem Begründer des Deutschen Reiches sür immer in der Erinnerung der kommenden Generationen eine Aureole verliehen habe, und nahdem der „Golos“ die allge- meine Liebe und Achtung betont: hat, die der Kaiser beim ganzen deutschen Volke genießt, fährt er fort:

„Auch unter uns Russen erfreut sich Kaiser Wilhelm folher Achtung. Mit seinem Namen verbindet sih in unseren Gesühlen und Begriffen auch sofort die Vorstellung der engen und aufrichtigen Freundschaft, die zwischen ihm und unserem unvergeßlichen Czar-Befreier bestand. Sie, die in früher Ju- gend entstand, wuchs und befestigte sich immer mehr. Wir haben kein Recht, an das Geheimniß der persönlichen Bezie- hungen zwischen- den beiden Kaisern zu rühren, aber wir kön- nen niht umhin, die Vorausseßung auszusprechen, —=- und eine durch Thatsachen begründete, wie uns scheint, daß diese unver- änderliche Freundschaft nicht blos auf persönlihen Gefühlen basirte und nicht allein durch Verwandtschastsbande begründet war, sondern vorzüglich auch durch das beiderseitige tiefe und rit- tige Verständniß sür den Umstand, daß eine solche Freund- schast Rußland und Deutschland in gleiher Weise Nuyen bringt und durch gegenseitige politishe Jnteressen bedingt ist.

Das Bewußtsein dieser in gewissem Sinne bestehenden Solidarität der politischen Jnteressen Rußlands und Deutsch- lands trat bei beiden Kaisern in gleiher Weise klar zu Tage. Kaiser Wilhelm hat es mehr als einmal ausgesprochen, daß die russishenTruppen und die deutsche Armee zusammen nur neben ein- ander kämpfen können gegen einen aemeinsamen Feind, nie- mals aber in einem tôdtlichen Kampf sich gegenüber stehen werden, Er war von der festen Ueberzeugung Seines erhabenen Neffen durchdrungen, daß es keinerlei vernünftige Gründe gebe, die zwei Völker mit einander in einen Kampf verwickeln könnten, welche im Laufe eines Fahrhunderts friedlih neben einander gelebt haben und für die weder historishe Traditionen, noh nationaler Antagonismus, noch religiöse Feindschaft Veran- lassung zum Haß gaben. Als am 7. Februar 1871 Kaiser Wilgelm Seinem Freunde, dem Hochseligen Kaiser, die Be- dingungen des Friedens mit Frankreich mittheilte, da kamen in der Antwort Alexanders 11. folgende unvergeßlihe Worte vor: „Möge die uns verbindende Freundschaft unseren Staaten zum Glüde und Ruhme gereichen.“

Es isst anzunehmen, daß Kaiser Wilhelm diese Freund- schastsgefühle auch auf den Sohn und Nachfolger des Czar- Befreiers übertragen hat. Die Entrevue zu Danzig bildet den Boden für die feste Zuversicht, daß auch jeßt Kaiser Wilhelm im russishen Kaiser einen Freund besißt.

Unter solchen gegenseitigen Beziehungen der Herrscher der beiden Kaiserreihe zu einander, in Anbetracht einer gewissen Fdentität der ökonomischen FJnteressen und politislen Ziele heider Nachbarländer erscheinen die Allarmrufe, die von der Möglichkeit eines Krieges mit Deutschland sprehen, als ganz sinnlos. Ein Krieg zwishen Rußland und Deutschland zu Lebzeiten Kaiser Wilhelms, wobei von Deutschland die Herausforderung aus- gehen sollte, erscheint undenkbar aus dem Grunde, weil das in direktem, allzu scharfem und prinzipiellen Gegensayze stehen würde zur ganzen Welt der sittlihen und politishen Ueber- zeugungen und Anschauungen des greisen Deutschen Kaisers.

Aufrichtigen Herzens vereinigen wir unsere Stimme mi den Millionen, die Kaiser Wilhelm noch eine lange und ruhige Regierungszeit wünschen.“ : : :

24. März. (W. T. B.) Der gestrigen Festlichkeit bei dem deutshen Botschafter wohnten der Staats- sekretär Giers mit seiner Gemahlin sowie alle Chefs der hie- sigen Botschaften und Gesandtschaften mit ihren Gemahlinnen und die Mitglieder der deutschen Botschaft im Ganzen gegen 40 Personen bei. Der Botschafter von Schweiniß brahte den ersten Toast auf den Kaiser Alexander 1Il, aus, welchen Staatssekretär Giers mit einem Toast auf den Kaiser Wilhelm erwiderte. Der Botschafter von Schweiniß trant sodann auf das Wohl der Souveräne und Staatsober- häupter, deren Vertreter die festliche Feier mit ihrer Gegenwart beehrten. Der italienishe Botschaster Ritter Nigra {loß mit einem Toast auf den Doyen des hiesigen diplomatischen Corps, Botschafter von Schweiniß und dessen Gemahlin. Die Festgäste blieben bis zur späten Abendstunde in der deutschen Botschaft vereint. Wie verlautet, wurde vom Kaiser schon am Morgen des Geburtstages des Kaisers Wilhelm, als die Offiziere der in Gatschina zur Besichtigung cingerückten Garde- Negimenter zum Frühstück im Palais versammelt waren, in sehr warmen Worten ein Hoch auf den Kaiser Wilhelm aus- bebrc cht. Das Hoch wurde von den Offizieren mit enthusiasti- hem Hurrahrufe aufgenommen.

25. März. (W. T. B.) Der Großfürst und die Großfürstin Wladimir sind gesiern nah dem Auslande abgereist. Der „Regierungs-Anzeiger“ bringt heute den Wortlaut des Toastes des Kaisers Alexander auf den Kaiser Wilhelm bei dem Galadiner in Gatschina. Der Toast lautete danah: „Jh trinke auf das Wohl des Deutschen Kaisers, Meines besten Freundes und Verbündeten ; möge Gott Sein Leben noch lange erhalten, zum Segen Seiner Unterthanen und zur Erhaltung der Ruhe und des Friedens von Europa !“

Dänemark. Kopenhagen, 22. März. (Hamb. Corr.) Das Lan dsthing brachte auh gestern die erste Lesung des Budgets pro 1882/83 noch nicht zum Abschluß. Das Folkething nahm in seiner heutigen Sißung ohne Debatte das interimistishe Budget pro 1882/83 in zweiter Lesung an.

Zeitungs\stimmen.

Aus der Gemeinde Jngenheim (bayerische Pfalz) ist, wie die „Nordd. Allg. Ztg.“ meldet, nachfolgende, von 75 tabackbauenden Gemeindebürgern unterzeihnete Adresse dem Reicbskanzler zugegangen : 2

Schon seit Jahren hat der deutsche Bauernstand seine Augen hoffnungsvoll auf Ew. Durchlaucht gerichtet, da er von Hochderselben Hülfe in seiner bedrängten Lage und Befreiung von seinen Peinigern nicht ohne Grund erwartet. Ew. Durchlaucht kennen aus Erfahrung den Bauernstand, seine Noth und seine Bedürfnisse, wie dies deutlib aus vielen Reden und Briefen hervorgeht, welche von Hochderselben bekannt geworden sind. Dankbar hot dieser Stand die Maßregeln begrüßt, welche Ew. Durchlaucht zum Schutze der Landwirthschaft gegen eine übermächtige, ausländische Kon- kurrenz veranlaßten. Dankbar begrüßen wir Tabackbauern auch die Vorlage über das Tabackmonopol, nach welchem wir uns unter den Mißhandlungen der herrschenden Maklerwirthshaft und dem Drucke der Tabackspekulanten seit geraumer Zeit gesehnt haben. Wir sprechen es hier offen aus, daß das Monopol, wie es jeßt geplant wird, unseren Interessen vollständig entspricht, da es unserer Waare einen guten Preis und einen anständigen, ehrlichen Abnehmer sichert. Wir bitten deshalb Ew, Durchlaucht, niht zurückzuschrecken vor den mancherlei Gegnern dieser Maßregel, sondern dieselbe unentwegt zum Nuten des Reiches und Segen des Bauernstandes durchzu- führen. Indem wir unterzeichneten Tabackbauern Ew, Durch- laut für die Vorlage herzlih Dank sagen, versprehen wir zuglei, Hochdieselben treu bei Jhren Unternehmungen zu unter- stützen und in allen bevorstehenden Kämpfen unsern großen Kanzler niht im Stiche zu lassen, der sich ja stets als ein ehrlider Bauern- freund bewährt hat. “So wie wir denken noch viele Millionen in Deutschland, welche mit uns die mancerlei ungerechten Angriffe auf Ew. Durchlaucht voller Entrüstung beklagen. Mögen Hochdieselben unbeirrt und muthig fortfahren, zur Größe und zum Wohlstand unseres theuern Vaterlandes zu wirken. ; :

Mit diesem Wunsche und nochmaligem innigen Danke für die bocherzigen Bestrebungen Ew. Durchlaucht {ließen wir und ver- bleiben mit tiefster Ehrfurcht unseres hocbgebietenden Reichskanzlers

allerergebenste Bauern aus Ingenheim. (Folgen die Unterschriften.)

Ingenheim, den 12. März 1882. j /

Die „Gewerbliche Zeitschrift“ schreibt über das Tabackmonopol : s

Das Tabackmonopol ist nichts Anderes als eine Expropriation des Händlergewinnes zu Gunsten des Reiches; kein Wunder, daß die Vertreter der \pezifischen Handelsinteressen ih mit Hand und Fuß

gegen eine solhe Idee s\träuben, niht minder begreiflich, daß ste ereitwillige Unterstüßung im Schoße der Korporation (Handelstag) fanden, welche seit 21 Jahren sih zur Vertreterin der Händler- interessen gemacht hat. Rechnet man dazu, daß auch die Tabackbauer, die Kleinfabrikanten und die Hausindustrie im Lande da-

mals 00 i Aber die Art und Weise unler rihtet waren, wie man die Abfindung greifen werde, daß den breiten Kreisen der Konsumenten mit unwiderstehlicber Festigkeit vorgefabelt wurde, unter dem Monopol koste das Kilo Tabad 10 M und die billigste Cigarre 10 &, so ist zu begreifen, daß sih auch unter den Theilnehmern am X. Handelstage eine Anzahl fand, die, ohne Mancbestermänner und Widersacher des Gürsten Bis- marck zu sein, aus Rücksiht auf die gewerblichen Interessen und Vorurtheile ihrer speziellen Heimathsbezirke, oder weil die von ihnen vertretene Korporation schon im Jahre 1878, als das Tabackmonopol zuerst am fernen Horizont auftauchte, im Handelstag gegen dasselbe gestimmt hatte, sih mit der von Bremen und Mannheim geführten Majorität der Monopolgegrer zu gehen bestimmen ließ. x Heut liegt die Situation erheblich anders, der Konsument sieht, daß auf seinen Beutel nicht \spekulirt ist, und daß er nah wie vor zu einem Preise, der den bescheidendsten De anzupassen ift, seine Pfeife Taba soll rauchen können. Der Tabackbauer hatte von vornherein {on keinen Grund, dem Monopol zuwider zu sein, denn er braucht nicht zu befürchten, daß der Staat ihm ein härterer Ab- nehmer seiner Produkte sein werde als der Händler, der jeßt auch die Ver- mittelung zwischen der Produktion und dem Großhandel oder dem Fabri- kanten herbeizuführen sich berufen hält. Eine ganze Reihe kleiner Fabri- kanten von nur mäßigem Verdienste werden gern die sich ihnen darbietende Gelegenheit ergreifen, aus einem Fabrikationszweig autzuscheiden, in welchem die Temperatur bereits so hoh gestiegen ist, daß nur noch für die ganz Großen Aussicht auf sichere Cristenz oder gar nennenswerthen Gewinn übrig ist. Auch für eine große ahl von Arbeitern und Arbeiterinnen ist die Veränderung eine vortheilhafte. Unn konstatiren die Aan de Reichs- regierung im egensas zu den ausgestreuten Gerüchten, daß man hôchstens 8000 Arbeiter weniger zu beschäftigen gedenkt, als zur Zeit vorhanden sind. Naturgemäß wird man diese aus der Zahl der älteren nehmen, deren Leistungsfähigkeit bereits tak in der Abnahme begriffen ist. Es ist nicht anzunehmen, daß die als- dannsgzin den Staatsfabriken beschäftigten oder für deren Rechnung in

der Hausindustrie nah wie vor thätigen Arbeiter und Arbeiterinnen \{chlechter gestellt sein sollen, als sie es bisher in Privatfabriken waren. Wenigstens ziehen überall, wo ein Staatsbetrieb mit Privatbetrieben fonkurrirt, wie etwa bei der Eisenbahn oder dem Bergbau, namentlich die unteren und mittleren Kategorien der Beamten die Beschäftigung im Staatsbetrieb vor. Bei den Rohtabackhändlern und überhaupt den Grof- sisten wird die Stimmung verschieden sein, sie und die Detaillisten die vor- zugsweise vom Tabacverschleiß gelebt haben, werden umsomehr von dem Monopol getroffen, je besser ihre Geschäfte sind. So gewiß hier mancherlei Härten durch Geseß nicht werden zu beseitigen sein, so un- zweifelhaft geht aus dem ganzen Entwurf hervor, daß die Reichs- regierung eine anständige und ausreihende Entschädigung für jeden wirklihen Nachtheil in Absicht hat. : : In Folge hiervon ift die Stimmung in großen und weiten Volkskreisen umgeschlagen, und die Annahme des Monopols ift nur- mehr eine Frage der Zeit. : : Í 4 Das „Deutsche Handels-Archiv“ bringt in sei- nem jüngsten Heste aus Königsberg i. Pr. einen Bericht, in welchem über das dortige Getreidegeshäft des Jahres 1881 gesagt wird: - Durch den großartigen Getreideverkehr, den Königsberg in den leßten vier Monaten des verflossenen Jahres zu verzeichnen gehabt hat, ist in erfreulicher Weise der Beweis geliefert worden, daß unsere vor Jahresfrist ausgesprochene Ansicht, daß das damalige Darnieder- liegen des Getreidehandels nicht, wie hier in fast allen Kreisen mit zuversichtlicher Bestimmtheit behauptet wurde, auf den Getreidezoll, der die russishen Erporteure veranlasse, sich andere Absatzwege auf- zusuchen, zurückzuführen sei, sondern daß die abnorme Geschäftsstille in der genannten Branche lediglich in der Mißernte in Rußland und in den für Königsberg ungünstigen russishen Frachttarifen ihren Grund habe, die richtigere war Ÿ j Das dem hiesigen Plate in den leßten vier Monaten des Jahres zugezührte Quantum aller Getreidegattungen betrug aus dem Inlande S O02 b; und aus dem Auslande . 166465 . zusammen 224537 t. zu je 1000 kg. Im ganzen Jahre sind eingekommen . 324415 t, verladen. 298 093 5 mithin Umsaß . .._. . 6232083 t. zu je 1000 kg, gegen im Jahre 1880... 399241 1879. . . 765418 1878. , . 1129873 1877 - . . 1245105 1876... 678937 18D O B24 295 1874 762956 , 1873 601168. s ü 182 N OCO 967 Erheblich zurückgeblieben ist der Getreideumsaß im verflossenen Jahre nur gegen die beiden Jahre 1877 und 1878, in welchen während des russisch-türkishen Krieges das Getreide aus dem Süden Rußlands seinen Weg über Königsberg nahm. O Zum Kapitel vom Brode des armen Mannes bringt die „Frankf. Ztg.“ vom 23. d. M. nachstehende Notiz: Der 6 pfündige- Laib Brod ist um 6 Pfennige abgescblagen. Dies ist das Resultat einer Generalversammlung der hiesigen Bäkergenossen- schaft, welche nah langer Debatte obigen Beschluß gefaßt hat, nicht etwa wegen niedrigerer Mehlpreise, sondern weil neuerdings auswärts O errichtet worden sind, die hier sich Absatz zu verschaffen uhen. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ bemerkt hierzu : Etwas lebhaftere Konkurrenz genügt also selbst bei höheren E das Brod um einen so namhaften Prozentsaß billiger zu machen.

Nr. 12 des Justiz-Ministerial-Blatts hat folgenden Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 16. März 1882, betreffend die Stempel zu den bei den Gerichten eingereichten Urkunden. Allge- meine Verfügung vom 18. März 1882, betreffend die Gebühren der Gerichtsvollzieher für vereinfahte Zustellungen. Allgemeine Ver- fügung vom 20. März 1882, betreffend den Ansaß von Kostenvor- \hüfsen. Allgemeine Verfügung vom 20. März 1882, betreffend die Betheiligung der Gerichtsschreiber an der Kostenerhebung.

Neichstags - Angelegenheiten.

Bei der Ersaßwahl eines Reichstagsabgeordneten für den 4. Liegnißzer Wahlkreis ist, wie bereits mitgetheilt, der Fabrik- besißer Richter aus Mühlrädliß im Kreise Lüben (Fortschritt) mit 5588 von 11066 gültigen Stimmen gegen Staats-Minister Lucius mit 3492, Geheimen Ober-Regierungs-Rath Dr. Engel mit 1315, und General von Gliszczynski mit 754 Stimmen gewählt worden.

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Statistische Nachrichten.

Die Rheinschiffahrt im Jahre 1880. (Stat. Corr.) Von den wichtigsten Wasserstraßen des Deutschen Reichs hat der Rhein den Vorzua, auch in feinem gesammten mittleren Laufe bis aufwärts gegen Mannheim fast durch das ganze Jahr mit Sicherheit geuügendes Fahrwasser zu behalten. Im Vergleih mit dem Jahre 1879 war der Wasserstand des Jahres 1880, wenn auch im Allge- meinen nit gerade ungünstig, doh ungleih s{wankender, inbesondere zu Anfang und gegen Schluß des Jahres, so daß die Schiffahrt im Ganzen länger behindert gewesen ist. Die in jedem Monate an den 22 Hauvptpegeln beobachteten höchsten, mittleren und niedrigsten Wasser- stände ergeben nach der Tabelle der Centralkommission für die Rheinschiffahrt, von welcher die Einleitung ihres Jahresberichts

abweicht, O als höcbsten als niedrigsten Ort und Zeit Wasserstand Zeit Wasserstand Mete Meter Basel im Oktober . . 4,90 im Lat e e Q Breisach im Oktober . 4,45 O ace QOE Ludwigshafen im Novbr. 5,91 ü e a « 0/09 Mani 1 40,62 L ines E Bingen im Januar. . 4,59 2c, Jalitar 0,32 Göln 0, Jana ¿8,18 31, y bei Eisgang 1,23 Bei Mannheim war der Rhein während 56 Tage unter der normalen Gala lerie von 3,4 m, so daß die Schiffe während 310 Tage den hohen Wasserstand benußen konnten. Die Dampf- \chifffahrt war nur 11 Tage im ersten Falle der polizeilihen Be- \hränkungen gehemmt, und trat eine Beschränkung im zweiten Falle nur auf 6 Tage ein. Der mittlere land am Mannheimer Be war im Durchschnitt des ganzen Jahres 4,49, blieb sonach inter dem arithmetishen Mittel seit 45 Jahren um 0,31 m zurü. Der mittlere Jahreswasserstand zu Cöln stellte si auf 3,22 m und war um 0,358 m höher als der arithmetische mittlere Wasser- stand der leßten 70 Jahre. Der niedrigste Wasserstand war in Cöln nur um 0,11 m höher als das arithmetishe Mittel aus den kleinsten Jahreswasserständen seit 70 Jahren. E Zur Verbesserung des Fahrwassers bezw. der Abflußverhältnisse sind auch im Jahre 1880 von den Uferstaaten erhebliche Mittel aut gewendet worden, um die große Wasserstraße in einem dem Bedürf- nisse entsprehenden Stande zu erhalten ; denn es wurden für Strom- bauten ausgegeben: / von Elsaß-Lothringen 857 008 4A von Hessen... 169433 M . Boden . .. 8181356 & , Puh « 1461752 M « Bayern . . + ‘201143 f »„ Niederland . 1190419 Fl.

Der Gesammt-Güterverkehr auf dem Rheine im Jahre 1880 beläuft sih auf 185520 182 Ctr. und weist gegen das Jahr 1879 eine Steigerung von 16 050 360 Ctr. nach. Laut den über die Zu- und Abfuhr in den einzelnen Nheinhäfen vorgenommenen Erhebungen

wurden: : L in deutschen Häfen in niederländischen Häfen 1879 1880 1879 1880 angefahren Ctr. 48 001 895 50 297 445 41713765 48 635 354 abgefahren 954028733 62452815 25 725 339 24 134 568 Weil der von Ruhrort ab stattfindende Kohlenverkehr niht nach Berg- und Thalfahrt getrennt angegeben ist, lassen wir diese sonst überall gemabte Unterscbeidung hier gänzlich fort. Wie erheblich der auf dem Rheine stattfindende Güterverkehr durch die Steinkohlen- Abfuhr aus den in dieser Beziehung wesentlich in Betracht kommen- den beiden Häfen gefördert wird, geht daraus hervor, daß Steinkohlen zur Verladung kamen von Ruhrort von Duisbueg zusammen im Jahre 1879 28 437 418 Ctr. 10079 158 Ctr. 38 516 576 Ctr. Ï « 1880 382213288 12297 3722 44 510 669 , Der Gesammtverkehr auf dem Rhein zwischen Deutschland und Niederland hat sich im Jahre 1880 gegen das Vorjahr um 9 ®/o (1879 um 8 9/0) vermehrt; 24037 Schiffe mit verfrahteten Gütern im Gesammtbetrage von 73 482 000 Ctr. sind nachgewiesen. Die Vermehrung der Einfuhr nach Deutschland betrug 1880 nur 2 °/o (1879 dagegen 13 %/%) und bestand wesentlich in Eisenstein und Weizen, während die Vermehrung der Ausfuhr auf der stärkeren Verschiffung von Steinkohlen, Roheisen, Schienen und Steinen beruht. Eine be- trächtliche Verminderung erlitt die Einfuhr von Roheisen und Roggen. Es wurden, um hier nur einige der wichtigsten Transportgegenstände hervorzuheben, im Jahre 1880 Centner eindeklarirt: : /

Gr bei Emmerich bei Lobith ruppen nach Deutschland nach Niederland Brennmaterialien außer Holz. . 26 372 30 854 159 Droguen, Apothekerwaaren, - Che-

1 353 292 651 304

mitalien, Farbstoffe u. dergl. . Eisen, Stahl, Eisen- und Stahl- / WaaIMR O S 2425115 3 739 042

Erze und Mineralien . 7858 831 89 928 Feld-, Garten- und Walderzeugnisse 9 996 954 551 295 Kolonial- und Spezereiwaaren . 1 699 654 1 147 699 Steine, Erden, Cement, Kalk und O A 605 853 8 846 962 In gleicher Weise, wie der Gütewerkehr, zeigt auch der Per- sonenverkehr, bezüglich dessen für die Häfen Coblenz, Cöln, Düssel- dorf und Wesel eingehende Erhebungen vorliegen, im Jahre 1880 eine nicht unerheblihe Zunahme, da in demselben 447 138 gegen A 820 Personen im Vorjahre befördert wurden. Aus bezw. in den- elben zu Berg zu Thal 1879 1880 1879 1880 Bea A 123775 131 858 852422 90435 Ta 48028 552070 146775 172 775 Die Beförderung derselben fand im Jahre 1880 durch 19 857 gegen 19 111 Dampfschiffe im Vorjahre statt, von denen abgingen 1879. , , zu Berg 5 008, zu Thal 4483 g 188 O LBOS äantamen 1879 L E OOOS 100 A N Abgesehen von den hauptsächlih für den Kohlenverkehr in erster Reihe stehenden Hafenpläßen Ruhrort und Duisburg, - betrug der Güterverkehr in denjenigen Rheinhäfen, die einen folchen von mehr als zwei Millionen Centner im Jahre 1880 nachweisen, in den Jahren: i Häfen Y 1871 1875 1880 Ludwigshafen . . . Ctr. 3120823 2569930 4793 168 Mannheim . ¿ 8036 211 15439830 21 469 392 Gustavsburg 1278724 2406644 2517632 M e 2900933 2598488 2475946 Oberlahnstein . 5479337 92969124 4078001 (öln N 4855814 4087767 4287382 Düsseldorf . 3607433 2782237 2626247 Hochfeld —- 6409110 9776 796 Dordrecht 2664898 4185937 2563516 Rohan s 16119396 16523287 26 403 448 A E 2458226. T4900 D 146 801 Bemerkenswerth ist für die jüngste Dekade insbesondere die starke Zunahme des Tranêportverkehrs in den Hafenpläßen Mannheim und Rotterdam, sowie die Abnahme desselben in denen von Mainz, Ober- sahnstein, Cöln, Düsseldorf und Dordrecht. Der Durchgangsverkehr in den Hafenpläßen Emmerich und Lobith stieg innerhalb der vor- bezeichneten Zeitpunkte: in Emmerih von 12 689281 Ctr. auf 14880077 und 26382953, in Lobith von 27225231 Ctr. auf 31 748 501 und 48 635 354 Ctr. i i Nach einer Ausgabe des Rheinschiffsregisters, die von dem gegen- wärtig aus 18 Versicherungsgesellshasten bestehenden -Rbeinscbiffs- Registervèrbande veröffentliht wird, besteht das auf dem Rhein \chwimmende Sciffsmaterial aus 2820 Segelschiffen und Schlepp- fähnen mit zusammen 10 642555 Ctr. Ladungsfähigkeit und 294 Dampfbooten mit 21 516 Pferdestärken und 346 861 Ctr. Trag-

fähigkeit. : Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Württembergishe Vierteljahrshefte für Landes- geschichte. In Verbindung mit dem Verein für Kunst und Alter- thum in Ulm und Obershwaben, dem Württembergischen Alter- thumsverein in Stuttgart, dem Historischen Verein für das würt- tembergische Franken und dem Sülchgauer Alterthumsverein heraus» gegeben von dem Königlichen Statistish-topographischen Büreau. Jahrgang 1V. 1881. (Württembergische Jahr- bücher für Statistik und Landeskunde. Jahrgang 1881. II. Band.) Stuttgart. W. Kohlhammer, 1881. Auch dieser neue Band der Vierteljahrshefte giebt dur seinen reihen Inhalt Zeugniß von dem regen wissenschaftlichen Eifer, welcher in dem Statistisch-topo- graphishen Büreau und den bistorischen und Alterthumsvereinen herrscht, die si seit einigen Jahren an dieser Gesammtpublikation betheiligen. Da finden wir zunächst eine Reihe von Urkunden zur Geschichte der Ritterbündnisse des 14. Jahrhunderts, welche Professor Dr. Th. Lindner in Münster im Kaiserlichen Staatsarchiv zu Wien aufgefun- den hat (mitgetheilt vom Archiv-Rath Dr. Stälin), nämlich 1) die Stiftungsurkunde des St. Wilhelmsbundes, d. d. Geislingen, 21. De- zember 1380, 2) die des Bündnisses des Löwen- und St. Wilhelms- bundes, d. d. Urach, 1. März 1380, und 3) des Bündnisses des St. Georgen- und St. Wilhelmsbundes, d. d. Crailsheim, 8. März 1381; Analekten zur Geschichte der Literatur in Schwaben (1. Fried- rich Haug) vom Professor Dr. H. Fischer in Stuttgart ; charafte- ristishe amtliche Berichte aus dem 17. Jahrhundert über verschiedene, damals in Württer1bera beobachtete Erdershütterungen, aus Archival- akten mitgetheilt vom Geheimen Legations-Rath Dr. Schloßberger ; einen interessanten lokalgeshihtlihen Beitrag: Die Reichêstadt Schwäbish Gmünd in den Jahren 1526— 30, die Wiedertäufferei daselbst behandelnd, vom Pfarrer Emil Wagner in Mägerkingen, und namentlich eine ebenso interessante wie werthvolle, die gesammte zeitgenöfsishe Kunst in ihren Bereich ziehende Abhandlung über die Kupfersteher Johann Gotthard Müller und Friedrich Müller, von Berthold Pfeiffer in Stuttgart. Aus den Mittheilungen der Anstalten für vaterländische Geschichte und Alterthumskunde verdient die Uebersicht der württembergischen Geschichtsliteratur vom Jahre 1880 Erwähnung. Der Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben betheiligte sich u. A. dur folgende Beiträge: über das älteste pro- testantishe Gesangbüchlein (mitLiederproben aus diesem), vom Ober- Präzeptor Haßler in Hall, über die Bauanlage des Münsters in Ülm, von v. Arlt, heraldishe Forschungen vom Diakonus Klemm das Justizverfahren einer obershwäbishen unmittelbaren Reichsabtei im 17. Jahrhundert (Zigeunerbegebenheiten auf dem Gebiet des ehe- maligen Klosters Schusienried aus dem Anfange des vorigen Jahr-

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hunderts; u. a.) vom Archivsekretäc Dr. Franz Sauter; zum Namen