1882 / 76 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 Mar 1882 18:00:01 GMT) scan diff

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sagen, daß zur größten Befriedigung Ihrer Kommission dieselbe alle nothwendigen Dokumente vorgelegt und alle gewünschten Erflärungen gegeben hat, um eine eingehende Prüfung des Betriebes vornehmen zu können. :

__ Aber neben diesem vollständig anerkannten Rechte, bezüglich dessen die Kommission vollständig befriedigt worden ist, besteht noch eine Pflicht für die Regierung, die Verwaltuv der Manufaktur und für Sie selbst ; diese Pflicht entspringt dem A Sia AnE der zwischen der Tabackmanufaktur und jedem gleichartigen industriellen und ge- \chäftlihen Etablissement besteht. Keines von diesen könnte in einem gewissen Grade die Zahlen veröffentlicben, welche feinen Operationen zu Grnnde liegen und der Ausdruck der erzielten Resultate sind, ohne si der ernstlihen Gefahr auszuseßen, daß diese Zahlen nh gegen das Geschäft selb wenden und dadurch seine Organisation und sein Anschen untergraben werden.

Da nun bei der gegenwärtigen Stellung der Tabackmanufaktur gegenüber der Tabakfabrikation und des Tabackhandels in Deutsch- land eine vorsihtige Zurückhaltung mehr als je geboten erscheint, fo hat die Kommission dem Wunsche der Regierung, daß die vorge- legten Zahlen nit außerhalb des Schooßes der Kommission bekannt gegeben werden möchten, stattgegeben.

und zum Schluß:

„Hiermit {ließt die Arbeit Jhrer Kommission; wir haben uns bemüht, in alle Einzelheiten einzugehen, um Ihnen die Sachlage fo wie sie wirklich ift, darzustellen; aub haben wir den Betrieb der Tabackmanufaktur einer genauen Prüfung unterzogen und gefunden, daß derselbe ganz #9 eingeritet ist, wie Sie es genehmigt hatten. Bei der Erfüllung dieser unserer Pflicht haben wir uns vollständig von dem Einfluß gewisser Ideen ferngehalten, welche jeßt in manchen Kreisen beliebt sind und „nur die spezielle ökonomische Lage unseres Landes berücksichtigt.

Wie Sie nun aber auch Ihre Stellung zu jener Frage nehmen wollen, die in leßter Zeit in Deutschland so reges Interesse hervor- ruft, jedenfalls müssen Sie Jhrer Kommission die Anerkennung zollen, daß sie sih von äußeren Beeinflussungen nicht dominiren ließ und den Etat der Tabackmanufaktur lediglib als Theil unseres allgemeinen Etats betrachtet hat, ohne dabei als Reichsland Politik gegen das Reich selbst zu machen.“ :

Das Plenum des Landesaus\{husses stimmte dem Bericht in der 19. Sißung zu. Es darf wohl angenommen werden, daß die Mitglieder der Finanz-Kommission des Landes- auss{husses an der Hand der vorgelegten Beschlüsse ein siche- reres Urtheil gewinnen konnten, als dies für die Berliner „Tribüne“, „Frankfurter Zeitung“ 2c. ohne Jede sichere Grund- lage möglich ist. Wären die Ergebnisse wirkli so unbefrie- digend wie jene Blätter ihre Leser glauben machen möchten, so würde dies nur beweisen, daß die Manufaktur zu billig verkauft, ein Umstand, der doch nur den Konsumenten zu Gute käme und wiederum den Absaß der Manufaktur nothwendig heben müßte. Beruhi die Kritik vielleicht darauf ? Oder glaubt man durch fortgeseßte Anzapfungen zu erreichen, daß die Manufakturverwaltung der Presse und den konkurri- renden Fabrikanten die Zisfern preis giebt, welche zu sekretiren die Landesvertretung selbst als nothwendig be- zeihnet hat? .

Einstweilen mögen die Berliner, Frankfurter u. \. 1. Zeitungen sih vergegenwärtigen, daß die Straßburger Manu- faktur eine elsässishe Landesanstalt ist, deren finanzielle Ge- bahrung zu prüfen zu den Aufgaben der diesseitigen Landes- vertretung gehört. Derartige unbegründete Angriffe sind nur eeignet, im Elsaß Verstimmung gegen das rectsrh;einische

eutschland zu erzeugen und einen neuen Beweis dafür zu erbringen, daß die vielen schiefen Urtheile, welche in Berlin und anderen Orten über Elsaß-Lothringen laut werden, that- sählih auf Unkenntniß der hiesigen Verhältnisse beruhen. Ein Uebelwollen möchten wir nicht einmal bei der „Tribüne“ U. st. w. vorausseßen.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 28. März. (W. T. B.) Heute Mittag hat bei dem russishen Botschafter von Oubril cin Dejeuner stattgefunden, an welhem Großfürst Wla- dimir, die Offiziere vom Dienst, Oberst Varga des 14 Hu- saren-Regiments und das Botschaftspersonal theilnahmen. Heute Abend werden die Hohen Gäste der Einladung des Erz- Drs Karl Ludwig zu einem ihnen zu Ehren gegebenen

iner Folge leisten. Die Abreise des Großfürstlichhen Paares und des Großherzogs von Mecklenburg nah JZtalien ist auf morgen Vormittag 11 Uhr festgeseßt.

Die Großfürstin Maria Paulowna empfing heute Vormittag in ihren Appartements die Besuche des Kaisers, der Kaiserin und der Erzherzoginnen. Großfürst Wladimir besichtigte am Nachmittag den Kaiserlichen Marstall und sodann das Ring-Theater, und ließ sich bei leßterem eingehend über die Katastrophe berichten. Gegen 5 Uhr empfing der Großfürst in der Hofburg Mit- glieder des diplomatischen Corps und der Aristokratie.

Im Abgeordnetenhause brachte die Regierung cine Vorlage ein, betreffend die Sicherstellung der böhmisch- mährishen Transversalbahn. Die nächste Sißung findet am 18. April statt.

Das Herrenhaus erledigte das Budget und das Finanz- geseß pro 1882 und beschloß, den Geseßentwurf über die Wahl- reform einer Kommission von 15 Mitgliedern zu überweisen und diese, sowie die Kommission für die Berathung des Zoll- tarifs, welche ebenfalls aus 15 Mitgliedern bestehen soll, am 30. d. zu wählen.

29. März. (W. T. B.) Einer hiesigen Blättern aus Gravosa zugegangenen Nachricht zufolge ist der seit längerer Zeit in Haft gehaltene serbisheArchimandritvonMostar, welcher auch den Protest gegen die Einsührung des Wehr- gesezes in den okkupirten Ländern mitverfaßt hat, gestern unter Eskorte von MetkoviÞ nah der Festung Esseg über- geführt worden.

Pest, 28. März. (W. T. B.) Das Unterhaus er- ledigte die Wehrgeseyhnovelle in der Spezialdebatte.

49. März. Wie die „Ungarische Post“ von „kom- petenter Seite“ erfährt, hat der ungarische Finanz-Ministea mit dem durch die ungarische Kreditbank vertretenen Kon- sortium ein Uebereinkommen bezüglih der Deckung des Defizits pro 1882 dur Ausgabe einer fünfprozentigen Papierrente abgeschlossen.

Großbritannien und Jrland. London, 27. März, (Allg. Corr.) Aus Mentone wird gemeldet, daß die Königin Victoria am 24, d. dem sächsishen Königspaare im par des Jéles Britanniques einen Besu abstattete. Earl Spencer, der Präsident des Geheimen Raths, hat sich nah Mentone begeben, um als dienstthuender Minister am König-

lihen Hoflager zu fungiren. _— 28. In der heutigen

R D. L. V) Sißung des Unterhauses antwortete der Pre- mier Gladstone auf eine Anfrage Sextons: es sei

unmögli, Parnell, Dillon und O'Kelly die Theilnahme

an der Abstimmung über die Reform der Geschäfts- ordnung zu gestatten. Hieran {loß \ich eine lebhafte Debatte, in deren Verlaufe der Generalsekretär für Jrland, Forster, auf das Schärsste die Haltung der Parteigenossen Parnells tadelte, welhe Jrland mit Schande bedeckten. Der Redner gab zu, daß der Erfolg der Zwangsgeseße nicht den Erwartungen entsprehe und zwar eben in Folge der Haltung der Parteigenossen Parnells. Es seien aber viele Mordthaten und andere Gewaltthaten dur diese Gesetze verhindert worden, und wenn es nöthig werde, müßten die Regierung und das Parlament noch strengere Maßregeln beschließen. Die Rede æorsters wurde mit anhaltendem Beifall aufgenommen.

Dublin, 28. März. (W. T. B.) Jn Folge der in einem Wirthshause erfolgten-Ermordung eines jungen Mannes fanden hier mehrere Verhaftungen statt. Der Mord wird einer geheimen politischen Gesellschaft zur Last gelegt. Jn der Wohnung eines der Verhafteten wurden von der Polizei N Gewehre, Revolver, Bayonette und Patronen aufge- unden.

Frankreih. Paris, W. März. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer genehmigte heute den von der Re- gierung verlangten Kredit von 8 Millionen zur Deckung der Kosten der tunesishen Expedition für das zweite Quartal 1882 mit 376 gegen 71 Stimmen. Der Minister- Präsident de Freycinet erklärte, daß die Zustände in Tunis gegenwärtig so gute seien, als man nach so kurzer Zeit nur habe erwarten können. Der Effektivbestand der Truppen werde demnächst auf 30 000 Mann reduzirt werden. Die Lage bessere sich mit jetem Tage, und die Schwierigkeiten, welche noch beständen, seien im Abnehmen begriffen. Der Geseßentwurf, betreffend die Aufhebung des Verbots der Einfuhr amerikanischen gesalzenen Fleisches, wurde mit einem Amendement angenommen, dur welches der Minister ermächtigt wird, den von ihm als geeignet erahteten Modus der Untersuchung des Fleisches anzuordnen.

__ Der Senat begann heute die Berathung des italie- nish-französishen Handelsvertrages und wird die- selbe am Donnerstag fortseßen.

Aus Tunis wird U. d. 29. März gemeldet: Der Bey hat die Verfügung über die Begnadigung mehrerer auf- ständisher Stämme, welche ihre Unterwerfung angeboten haben, insbesondere Ali ben Kalifa's, dem Kommando der Truppen überwiesen. Es heißt, Ali ben Kalifa werde die Verzeihung erhalten, wenn er ernsthaste Bürgschaften für die Zukunst bicte.

Italien. Rom, W. März. (W. T. B) Jm Vatikan fand heute die Ceremonie der Ueberreichung des Kardinalshuts an die gegenwärtig in Nom weilen- den neu ernannten Kardinäle Agostini, Maccabe, Ricci, Lasagni und Jacobini statt.

Palermo, 28. März. (W. T. B.) Garibaldi traf heute früh hier ein und wurde von einer großen Menschen- menge empfangen. Die Ruhe wurde in keiner Weife gestört. Der General wurde nach einer in der Nähe der Stadt gelege- nen Villa geleitet, von deren Balcon aus der Maire im Namen des Generals der Bevölkerung dankte.

Griechenland. Athen, 29, März. (W. T. B,) Die Kammer der Deputirten hat den Geseßentwurf be- züglih der Gleichstellung der neuen Provinzen mit den alten hinsichtlih der Gültigkeit der Geseße angenommen.

Serbien. Belgrad, 28. März. (W. T. B.) Der serbische Gesandte in Paris, Marianowic, wird sich nah Madrid begeben, um daselbst die Proklamirung Milans zum Kömge von Serbien zu notifiziren. Den gleihen Austrag haben die Oberst-Lieutenants Protic und Simonowic für die kleineren deutshen Höfe und der Professor Kunjundric für Athen und Cettinje.

Dänemark. Kopenhagen, 25. März. Das interi- mistishe Budget pro 1882/83 stand heute im Folk e- thing zur dritten Lesung, wurde einstimmig mit 61 Stimmen angenommen und geht jeßt an das Landsthing.

Zeitungsf\timmen.

In cinem „Die sozialpolitishe Seite der deutshen Taback- besteuerung“ überschriebenen Aufsaße von Dr. Stephan zu Putlit in der von diesem in Verbindung mit Dr. Hans Del- brück herausgegebenen „Politishen Wochenschrift“ lesen wir :

Die Nothwendigkeit einer theilweisen Erleichterung bestehender Steuern, die Einführung neuer Steuern zur Bestreitung der Kosten der Sozialreform, die mit steigenden Ausgaben immer wachsende Finanznoth des Reiches fordern mit unabweisbarer Nothwendigkeit ein neues steuerkräftiges Objekt. Dies ist der Tabak, dessen ganze Steuer- kraft bisher noch nicht genügend ausgenußzt worden ist. Mögen die Gegner des Tabackmonopols das bedenken. Es ift bisher viel und vieles nit ohne Grund gegen das Tabackmonopol geltend gemacht worden. Darauf kommt es aber gar nicht an, vielmebr darauf, etwas Besseres an seine Stelle zu seßen. Hierzu is bisher kaum der Versuch gemaht worden. Können die Gegner des Tabacckmonopols dies nicht, können sie keine andere Form der Steuererhebung finden, welche den Tabackbau, die Tabakindustrie und den Tabackhandel frei läßt, und denno die nothwendige Ergiebigkeit und Werthabstufung verbürgt, dann werden sie durch blos passiven Widerstand die Ein- führung des Tabadckmonopols nicht dauernd verhindern können.

Die in München erscheinende (nationalliberale) „Süddeutsche Presse“ schreibt :

Die Tabackfrage muß noch in den Massen gähren. Wohin die Sade \{ließlich führt, ist aus dem Beschlusse des preußischen Volks- wirthsaftsrathes ersihtlih. Mit der großen Mehrheit von 48 gegen 14 Stimmen hat derselbe eine erhöhte Tabaksbesteuerung ge- wüns{ht. Nun aber sind Hr. Dr. Bamberger und seine Spezial - gesinnungsgenossen \sich darüber klar, daß jede erhöhte Besteuerung des Tabacks ein Schritt zum Monopol it, Man wird {ließlih zu demselben kommen müssen, hon um der Sache ein Ende zu machen. Unsere Reichsbedürfnisse lassen sich auf die Dauer nicht anders als aus dem Tabak decken und wie hier (in München) Graf Ortenburg-Tambach in der Reichsrathssizung vom 11. März so s{lagend ausgeführt hat: in der Befreiung des Reiches wie der Einzelstaaten aus der annen Nothlage liegt ein Moment föderativ erhaltender Politik. as Votum des Volkswirthschaftsraths ift mit dem Sate über die Erhöhung der Tabacksteuer entschieden ein schr zwei- [neidi es, Lasse man die Frage nur ihren langsamen und vers{lungenen Weg gehen, wie ihn in Deutscbland alle Fragen gehen müssen. Jeder verstärkte 2 an der Steuershraube is ein Hebel zur Herbei- führung des Monopols. Es ist begreiflib, daß der bald 67 jährige Reichskanzler noch das Tabackmonopol zu sehen wüns{cht, aber die Frage selbst ift nur eine Frage der Zeit und voraussichtlich keiner langen. Einst, wenn au jet troy aller fortschrittlihen Bemühun- gen zum Glück noch nit wieder, führten laut dem Sprichwort alle Wege nah Rom; jet führen alle Wege zum Monopol.

Die in Wien erscheinende „Deutsche Zeitung“ schreibt u. A:

Das Tabackmonopol ist nur ein Baustein der Reform. . . . Als Ganzes angesehen, stellen sich die Pläne Bismarcks folgendermaßen dar: Die Beiträge der einzelnen Länder zu der Erhaltung des Reiches müssen ein- für allemal vers{winden ; das Reich soll, anstatt der Pensionär der Bundeéstaaten zu sein, von seinen eigenen Steuern leben; die Ueberschüsse dieser Reihseinnahmen werden unter die ver- \ciedenen Länder zur Erleichterung der Volkslasten verwendet. Wie groß si der Kanzler diese Uebershüsse denkt, geht aus dem neuen Verwen- dungsgeseße hervor, welches er dem preußischen Landtage vorgelegt hat. Er will nit nur die 4 untersten Stufen der Klassensteuer aufheben ; er hofft auch 50 Mill. # zur Verringerung der Schulkosten,

25 Mill. zur Erleichterung der Gemeindelasten und weitere 25 Mill. .

zur Erhöhung der Beamtengehalte zu erübrigen. Alles in Allem genommen geht sein Bestreben dahin, die unteren Volks\chihten nah Möglichkeit zu entlasten und dieselben von den vielfah kombinirten Landes-, Kreis- und Gemeindeumlagen und -Zuschlägen zu befreien. Gr kat es unternommen, die verschiedenen Stände und Klassen der Gesellschaft von der ihnen dräuenden Zerbrötelung zu bewahren. Er hat für die Industrie Bollwerke gegen die übermächtige Konkurrenz Frankreichs und Englands geschaffen, die Landwirthschaft durch Agrarzölle gegen die riesige Produktion Rußlands und Amerikas ge- \{chüßt, die arbeitenden Klassen durch die Aussiht auf Alters- und ZInvalidenversorgung aus ihrer feindseligen Anschauung vom modernen Staate emporzurütteln versucht. In all diesen Bestrebungen hat sich Bismarck nicht durch das hartnäckige Veto des Parlaments beirren lassen Der Kanzler mußte 20 Jahre lang kämpfen, um seine hohen politischen Zwecke zu erreichen; er wird, wenn die Natur seinem Wirken keine Schranken sett, ebenso zähe und beharrlich an der Ver- folgung seiner wirthschaftlihen Pläne arbeiten, welche auf die Ver- jüngung und Regeneration des deutschen Volkes abzielen. /

Aus dem Fränkishen meldet der „Schwäbische Merkur“: |

„_ Auch im Tauberthale, in der Gegend von Mergentheim und ab- wärts, hat der Tabakbau vor einigen Jahren festen Fuß gefaßt, ist aber in Folge vielfacher Weiterungen der Fabrikanten und ihrer Agenten und Zwischenhändler fast auf Null wieder zurückgegangen. Nunmehr aber erklären die Grundbesißer, den Anbau der Tabact- pflanze in ausgedehnterem Maßstabe wieder aufnehmen zu wollen, wenn das Monopol / zur Einführung gelangen sollte. Das gehört doch wohl au zur vox populi, die man von gewissen Seiten her be- kanntlich fo gerne und so viel im Munde führt. Das nicht dur Brandreden aufgeheßte Volk wird jeder Luxussteuer massenhaft zu- timmen.

Jn der „Tribüne“ lesen wir:

,_ Daß troß der s{lechten Zeiten in Berlin noch waer gespart wird, zeigt der vorliegende Jahresbericht der städtischen Sparkasse aus dem vorigen Jahre. Danach stellte sich das Gesammtguthaben der Interessenten am Schlusse des Jahres auf 36 164 812 M, wäh- rend es am Schlusse des Vorjahres 30 922 346 M. betrug, si also um 5 242 466 A. vermehrt hat. An neuen Sparkassenbüchern wur- den im Laufe des Jahres 10059 Stück ausgegeben, dagegen wurden 9570 Stück ganz abgehoben und es verblieb Ende des Jahres cin Bestand an Sparkassenbüchern von 162 196 Stück. Es bezifferte sich der Vermögensbestand der Sparkasse auf 38 715 976 4, der für das Jahr 1881 erzielte Gewinnüberswuß der Sparkasse auf 387 343 b, der Reservefonds auf 3 137 113 M.

Landtags- Angelegenheiten.

Bei der Ersaßwahl im 19. hannoverishen Wahlbezirk (Gieboldehausen) if für den zum Amtshauptmann ernann- ten früheren Bürgermeister Baurshmidt der Amtsrichter von Schrader in Herzberg (Fraktion unbestimmt) mit 124 Stimmen gegen den Amtsgerichts-Rath Bethe in Osterode (nationalliberal) mit

E Stimmen zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

Kunst, Wissenschaft und Literatur. Heidelberg, 28. März. (W. T. B.) Dem bekannten Historiker Professor Georg Weber wurde anläßlich seines fünfzig- jährigen VDofktorjubiläums das Commandeur-Kreuz des Zähringer Löwen-Ordens verliehen.

Berlin, 29. März 1882,

Die eit Jahren erörterte Frage, in welcher Weise für die Sicher- heit des Theaterpersonals sowie des die Theater besuchenden Publi- kums am wirksamsten Sorge zu tragen is, wurde in neuester Zeit durch zwei furchtbare Katastrophen, den Brand des Théâtre Municipal zu Nizza und des Ring-Theaters in Wien von Neuem in den Vordergrund des allgemeinen Interesses gerückt.

Den Zielen, welche die Allgemeine Deutsche Ausstellung für Hygiene und Rettungswesen ins Leben gerufen haben, gehört auch die Frage . der zur Verhütung von Theaterbränden und zur Sicherung des Personals wie des Publikums erforderlichen Schutz- maßregeln so vollständig an, daß der Aus\{uß (Wirklicher Geheimer Rath Hobrecht) seine Mitwirkung bei ihrer Lösung für seine Pflicht gehalten hat

Um die ihm damit vorliegende Aufgabe seinerseits zu erfüllen, {reibt derselbe eine Allgemeine Konkurrenz zur Erlan-

ung von Plänen für ein MusterTheater unter nah- M Bedingungen aus:

1) Der Entwurf der Pläne hat auf Grund eines ausführlicben Programms zu erfolgen, welbes von dem Aus\{usse der hygieniscben Ausstellung (Berlin NW., Straße Alt - Moabit), gratis zu be- ztehen it.

2) Als Schlußtermin für die Einlieferung der Konkurrenzarbeiten wird der 5. August 1882 festgesetzt.

3) Für die Prämiirung der besten Lösungen sind im Ganzen 8000 M ausgeseßt; es bleibt der Jury überlassen, diese Summe auf 3 bis 4 Preise nah eigenem Ermessen zu vertheilen.

5) Die Theilnahme an der Konkurrenz steht allen Angehörigen des Deutschen Reiches, Oesterreih-Ungarns und der Scchb1veiz zu.

Das Preiérihtéamt haben folgende Herren übernommen: Brandt, Mascinerie-Jnspektor der Königlichen Hoftheater ; B Civil - Ingenieur; Greiner, Civil - Ingenieur; erzberg, Ingenieur; Lebrun, Theaterdirektor; Otzen, For: Mitglied der Akademie des Bauw-sens; Rietschel, Civil- ngenieur; Schmieden, Kgl. Baurath, Mitglied der Akademie des Bauwesens ; M. Semper, Architekt; Stude, Branddirektor ; von Weltzien, Re ierungs-Baumeister ; Witte, Kgl. Branddirektor; Dr. Wolffhügel, Reg erungs- Rath.

Die Permanente Kunstausstellung von Emil P h. Meyer u. Co. (Taubenstraße 34), wird nun auch das neueste, frafseste Sensationswerk von Gabriel Mar: sein Gemälde „Es ift E zur Ausftellung bringen. Dasselbe soll im April bier ein- reffen.

Redacteur: Riedel. Berlin: —— -

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 26.

Berlin, Mittwoh, den 29. März

12.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 29. März. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (43.) Sigung seßte das Haus der Ab- geordneten die dritte Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1882/83 und des Geseßentwurfs, betreffend die Feststellung dieses Etats mit der Diskussion des Etats der landwirthschaftlichen Verwaltung fort. Bei diesem Etat rühmte der Abg. Kropp die segensreichen Erfolge und den Nugen der landwirthschaft- lichen Lokalvereine, den sie namentlih in der Provinz Han- nover im Gefolge hätten und bat um möglichste Förderung derselben; es handle sih dabei hauptsählich um Aufhebung einshränkender Verfügungen und Gestattung von Lotterien und Aehnlichem.

Der Minister für Landwirths{haft, Domänen und Forsten Lucius entgegnete, das Lotteriewesen habe in den leßten Jahren eine derartige Ausdehnung gewonnen, daß gewisse Einschrän- kungen durchaus nöthig würden, besonders für solche Lotterien, die auf Geldgewinn und größere Bezirke berechnet seien. Das gegen könnten vielleicht Lotterien, die sih in den engen Kreisen eines Vereins bewegten und nicht auf Geldbeträge, sondern wirthschastlihe Gegenstände gerichtet seien, einer anderen Be- urtheilung unterzogen werden. Er wolle die Sache prüfen und wenn sich in dieser Beziehung etwas thun lasse, was den hannöôvershen Verhältnissen entsprehe, es seinerseits daran nicht fehlen laßen. : j :

Der Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung wurde ohne weitere Debatte genehmigt.

Beim Etat der Gestütverwaltung kam der Abg. von Nauchhaupt auf die Ausführung des Abg. Dirichlet zurü, der auf Grund der Protokolle der Landespferdezuht-Kom- mission ihn (den Redner) beschuldigt habe, bei seinen An- griffen gegen die Gestütverwaltung aus unlauteren Quellen geschöpft zu haben. Redner verlas eine \chriftlihe Erklärung des Hrn. von Nathusius (auf den sih der Abg. Dirichlet berufen gehabt habe), in welcher sich Hr. von Nathusius rektifizirt A und nahm den bei Gelegenheit der zweiten Berathung gemachten Vorwurf, als hätte dér Legtere wissentlich Unwah- res behauptet, zurük, Pflicht des Ministers als Vorsitzenden jener Kommission aber sei es gewesen, sofort die Aeußerungen des Hrn. von Nathusius richtig zu stellen.

Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Lucius erklärte, er sei dazu in der Kommission gar nicht in der Lage gewesen, da ihm nur die objektive Leitung der Ge- schäfte derselben obgelegen hätte. ;

Der Etat der Gestütverwaltung wurde genehmigt.

Beim Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegen- heiten kam der Abg. Rickert auf den Fall des Lehrers Neu- mann (Kreisschulinspektion Pr. Eylau) zurück, der von der Regierung in eine Ordnungsstrafe von 20 # genommen sei, weil derselbe einen Wahlaufruf für den liberalen Kandidaten unterschrieben gehabt Habe. Der Minister möge jegt erklären, ob derselbe dieses geseß- und verfassungs- widrige Verfahren billige, während in demselben Kreise zahlreiche Lehrer konservative Wahlaufrufe unter- schrieben hätten, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu sein. Leider sei wenig Hoffnung, daß der Minister in diesem Falle einen objektiven Standpunkt einnehmen würde, da derselbe sich, wie aus dem Vorgehen des Ministers in der Corsepiusschen Angelegenheit zu entnehmen sei, als Mitglied einer Partei fühle und die Regierung leider die Amtsgewalt vollkommen im Sinne und als Organ ciner gewissen Partei gebrauche.

Hierauf ergriff der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- heiten von Goßler das Wort. (Wir werden diese Rede morgen im Wortlaute bringen.) j i

Der Abg. Rickert erklärte, anstatt ihm auf seine Frage zu antworten, habe der Minister dem Hause den Mann aus dessen Personalakten in einer Weise geschildert, die es erstaun- li erscheinen lasse, weshalb derselbe überhaupt noch im Amte sei. Hier handele es sih um das Wahlreht und die Wahl- freiheit der Beamten. Der Mann sei seiner Partei gleih- gültig. Jn dem Wahlaufruf sei nur von dem Agitiren

egen die Konservativen, niht gegen die Regierung die Rede. Solle das in Preußen niht mehr erlaubt sein? Das ganze öffentlihe Leben bei den Liberalen sei ja nur ein Streit darüber, was dem Volke heilsamer sei, die liberalen oder die konservativen Grundsäße. Es sei traurig, wenn die herrshende Partei ihre Gegner mundtodt zu machen suche. Freilih die rechte Seite brauche die Beam- ten. Ohne sie würde die Nehte vom Erdboden verschwinden. Ohne die „Provinzial-Correspondenz“, ohne die Agitation der Beamten vom Landrath bis zum Nachtwächter herab würden die Konservativen sich niht behaupten können. Was würde von den Konservativen übrig bleiben, wenn der Kanzler seine \chütende Hand von ihnen wegziehen würde ? Das Vorgehen des Schulinspektors Corsepius nehme der Minister inSchutz, und doch, wie milde habe jenem gegenüber si der Lehrer Neumann verhal- ten ! Die Minister meinten, daß sie allein die Königstreue in Pacht genommen hätten und dem Staate nügtten: er erinnere aber an den Frhrn. von Stein, der, vom König in Ungnade ent- lassen, naher das Vaterland errettet habe.

Demnächst nahm der Staats-Minister von Goßler das Wort. (Diese Nede werden wir morgen im Wortlaute bringen.)

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, der Abg. Rickert habe sih heute als einen 4 ays Steins vorgeführt; er be- zweifle, ob der Abg. Rickert nicht mit einem mitleidigen Lächeln begrüßt werden würde, wenn derselbe jeßt auf dem Dönhofs- play vor denselben treten wollte, Durch die Rede des Abg. Kickert habe sodann der Vorwurf geklungen, daß Neumann troy seines Vorlebens noch auf seinem Plage sei. Aber einmal sei es un- mögli, daß der Minister die Personalakten jedes einzelnen Lehrers kenne, sodann möge auth der notorishe Le rermangel in früherer Zeit dazu beigetragen haben, daß Jndividuen im Amt erhalte seien, die es nicht verdient hätten. Er hoffe indessen, daß jeßt, wo dieser Mangel niht mehr bestehe, auch hierin eine Aenderung getroffen werde. Worauf es ihm bei dieser Frage ankomme, fei, daß die Pflichten der Beamten noch einmal klar gestellt würden, Es freue ihn, daß die klare Weisung, die iz dieser Richtung

ergangen sei, im Lande überall verstanden werde. Wenn jeßt übrigens immer Klagen über die Regierung geführt würden, jollte man sich doch erinnern, daß Magistrate ihren Beamten gegenüber ganz anders verfahren seien. Lehrer, die konservativ gewählt hätten, seien einfa nit befördert worden. (Rufe links: wo! Namen!) Er werde sür das, was er hier vorbringe, einzutreten wissen, aber Namen hier zu nennen, halte er nit für angezeigt. :

Der Abg. Bachem war der Meinung, daß die Liberalen mit der Wahl ihres Märtyrers niht schr vorsichtig gewesen seien. Aber es sei doch wohl nit richtig, daß der Minister die Personalakïten desselben in solher Aus- führlihkeit mitgetheilt habe. Das würde nur zu rehtfertigen sein, wenn derselbe die Ueberzeugung gehabt hätte, daß die &nterpellation Rickert von Neumann selbst angeregt sci. Der Minister habe sich immer sehr empfindlich gezeigt, wenn Beamte mit scharfen Worten angegriffen seien, so hätte auth derselbe mehr zurückhalten müssen, da doch Neumann auch Beamter sei. Verwunderung habe es bei ihm (dem Redner) auch er- regt, daß ein Lehrer mit solcher Vergangenheit überhaupt habe im Amte bleiben können. Lägen hier vielleicht hervor- ragende Verdienste im Kulturkampf vor? Seien von Neumann Vorträge gegen die Reichsfeinde gehalten? Nach den Erfah- rungen hin, die man im Westen unter dem System Falk ge- macht habe, seien derartige Motive für eine Beibehaltung im Dienst sehr gut möglih. Der ganze Vorfall zeige nur, wie viel besser die Linke gestellt sei. Dieselbe habe nur auf ein- elne Uebelstände hinzuweisen, während die Centrumspartei lystematise in dec Ausübung ihres Wahlrechts beeinträch- tigt sei.

: Der Abg. Richter bemerkte, wenn es sich so mit der Per- son des Lehrers verhalte, wie der Minister vorgetragen habe, dann sei die Unterschrist desselben unter diesen Wahlaufruf nicht gerade sür die Konservativen gefährlih gewesen. Wenn dieselben troßdem diesen Fall zu einer disziplinarishen Be- strafung gezogen hätten, so müsse es eben auch hier der Re- gierung darauf angekommen sein, das Prinzip zur Geltung zu bringen, und dieses sei um so wichtiger. Es scheine freilich jeßt zur konservativen Politik zu gehören, alle Fragen auf das persönliche Gebiet hinüberzuführen, vor Allem politische Gegner als persönlich shlecht und kein Vertrauen erwecend hinzustellen. Db der betreffende Lehrer bestraft sei oder nicht, sein politisches Recht sei in diesem Falle genau dasselbe Nech: wie das jedes Lehrers, der sich völlig untadelig geführt habe. Wie könne daher der Minister die Geldstrafe in dem Falle für unrichtig erklären, wenn der Lehrer sih privatim und amtlih gut geführt habe? Jhn interessire nicht diese Person, sondern nur das Prinzip. ZU- nächst stehe diese prinzipielle Erklärung des Ministers im Widerspruch mit der Ausleguns, welche. der Kanzler selbst am 24. Fanuar dem Königlichen Erlaß im Reichstage gegeben habe. Ausdrüdlih habe der Kanzler gesagt, der Erlaß be- fehle nihts, drohe nichts, stelle keine Nachtheile in Aus- sicht, sondern überlasse es nur dem Takt der Beamten, thre Agitation mit dem geshworenen Eide in Uebereinstim- mung zu bringen. Als Veispiel einer tadelnswerthen Agi- tation habe der Kanzlec angeführt das Wegnehmen von Stimmzetteln für einen regierungsfreundlichen Kandidaten, indem man den Stimmzettel aus der Hand reiße. Der- gleichen habe man im Reichstag selbstverständlich gefunden, hier aber werde hon, wo es doch dem Takt überlassen sei, die einfache Unterzeichnung von Wahlaufrufen zum Gegen- stand der Disziplinarstrafen gemaht. Sei es etwa nicht rihtig, was in jenem Wahlaufrufe stehe, daß bei einer kon- servativen Mehrheit die Volksrehte beschränkt worden seien ? Allerdings würde das Recht auf jährliche Berusung des Reichs- tages aufgehoben worden sein. Sei dies feine Einschränkung der parlamentarishen Freiheit? Würde nicht in der beab- sihtigten vierjährigen Legislaturperiode eine Einschränkung des Wahlrechts liegen? Sei nicht der Gesegentwurf zur Be- schränkung der Redefreiheit der Abgeordneten eingebracht worden? Würde in dessen Annahme nicht eine Beschränkung der Freiheitsrechte liegen? Die Jnterpretation des Ministers gehe auch hinaus über eine Versügung der Casseler Regierung vom 18. Juni 1881. Diese habe die Lehrer vor jeder Agi- tation im Dienste irgend welcher politishen Partei verwarnt, weil dadurch immer Zerwürsfnisse zwishen dem Lehrer und einem Theil der Gemeinde hervorgerufen, das gedeihliche Zusammenwirken von Haus und Schule und die Autorität des Lehrers bei der Schuljugend geyrdet würden. Jeßt sage der Minister, konservative Wahlaufrufe dürften die Lehrer unter- chreiben. (Widerspruch rets.) Andernfalls müßten die Lehrer, die das zu hunderten gethan hätten, auch mit 20 Buße bestraft werden, müßte der Minister dem Provinzial- Schulrath in Königsberg als unpassend verweisen, daß derselbe im geschäftsführenden Ausshuß des konservativen Central- vereins für Ostpreußen an der Spiße der dortigen Agitation stehe. Habe die Rechte wirklich den Standpunkt, daß au konservative Wahlagitation sih für den Lehrer nicht passe, so komme die Linke mit der Rechten sich {hon viel näher. Der Minisier sage, daß bei einem liberalen Kultus-Minister die Lehrer allerdings konservative Wahlaufrufe niht unterzeichnen dürsten. Komme mal ein liberaler Kultus-Minister, wenn dann Beamte keine konservativen Wahlaufrufe unterzeihnen dürften, wo würden die Konservativen wohl noch dann eine größere Zahl angesehener Unterschriften für ihre Wahlaufrufe herbekommen? Alsdann also würden die liberalen Lehrer an die Reihe kommen, Wahlaufrufe unterzeihnen zu dürfen. Wenn nun aber ein Minister mitllerer Richtung komme, welche Wahlaufrufe dürfe der E dann unterzeichnen ? Der Fall Corsepius, den der Minister gebilligt habe, greife weiter, derselbe verpflichte sogar den Lehrer, AgitatiGnen zu treiben für die Konservativen, sie möchten selbst liberal oder konservativ sein. Das charakterisire die- Verfügung des Kreisschulinspektors Corsepius, niht eines weltlichen Schulinspektors, sondern eines Superintendenten, der dies Amt im Nebenamt versehe. Das Häßlichste an der Ver- fügung aber sei, daß die Lehrer verpflichtet würden, von amtswegen in dieser Weise zu agitiren, unter ganz beson- derer Berufung auf den König. Stehe das noch irgendwie

mit dem Erlaß in Einklang, den der Kanzler dahin inter- pretirt habe, daß nur die politishen Beamten verpflichtet seien, für die Regierung positiv aktiv einzutreten, wobei dieses Eintreten noch auf die Widerlegung gewisser falscher Behauptungen gegen die Mera begrenzt sein solle. Unter politishen Beamten seien nur solche zu verstehen, die ohne Disziplinarverfahren aus politischen Gründen abseßbar seien, also die Landräthe, Staatsanwälte, Regierungs-Präsidenten. Jeßt erkläre also der Minister, indem derselbe die Verfügung des Corsepius billige, sogar die SGulinspektoren im Neben- amt für politische Beamten und Hr. Corsepius verpflichte die Lehrer in den Schulgemeinden im Sinne der Regierung zu agitiren. So werde die innere Politik zu einer Wahlpolitik ge- afen. Wenn der Reptilienfonds und die amtlihen Wahl- beeinflussungen aufhörten, wo würde dann überhaupt von der konservativen Partei bei freier Wahl etwas übrig bleiben? Ein paar Herren in Hinterpommern auf ihren allerdings festen Sigen.. (Zuruf: Hr. von Meyer!) Es sei auch noch nit ganz sicher, daß Hr. von Meyer wiederkommen würde. Was bewirke denn das Vorgehen der Konservativen ? Sie degradirten die Lehrer in ihren eigenen Augen, erweckten in ihnen das Gefühl, daß sie nit soviel politische Macht hätten, wie der kleinste Bauer und Handwerker. Solche Behandlung müsse die Lehrer empören und wenn sie äußerlich gezwungen seièn, in gewissen Fällen konservativ zu erscheinen, sie würden darum nicht konservativer, sondern ließen es den Konservativen wieder auf eine andere Weise entgelten, wo man nicht im Stande sei gegen sie disziplinarish einzuschreiten. Die Konservativen würden dann __auch die Beamten in den Augen des Publikums \chädigen. Je mehr man die einzelnen Ausschreitungen ahnde, um so mehr gewönnen die anderen Beamten an Autorität. Daß man jeßt wieder zu all den fklein- lichen Mitteln der sünfziger Jahre, aus der Zeit der Westphalen und Raumer, greife, sei das Zeichen einer schwachen Regierung. Fürst Bismarck habe das früher nit nöthig gehabt, weil demselben freiwillig aus den weitesten Kreisen des Volkes Ver- trauen entgegengetragen sei, und sih eine freiwillige Majorität ihm dargeboten habe. Jn immer weiteren Kreisen erwache die Ueberzeugung angesichts solcher praktischen Fälle, daß im gegen- wärtigen Regierungssystem bei solchen Grundsäßen eine Ver- mittelung niht möglich sei, daß man zur entschiedenen Oppo=- sition sich wenden müsse, um diesem Regierungssystem Ziel und Schranken zu seßen.

Der Abg. Cremer fand, daß der Vorwurf, die Konser- vativen versühren immer persönli, sich im Munde des Abg. Richter sonderbar ausnehme. Auf eine streng sachliche Rede seinerseits habe derselbe bei der zweiten Lesung mit einem persönlichen Angriffe auf einem Gebiete geantwortet, auf dem er nicht verantwortlich sei. Den Vorwurf, die Regierung sei Partei, begreife er nicht von Männern, die beständig eine parlamentarische Regierung anstrebten. Sei die Linke ein- mal ans Ruder gelangt, so erhalte man in Preußen eine Parteiregierung, wie sie s{limmer niht gedacht werden könne. Redner ging nun näher auf das parlamen- tarishe Regiment ein, das er in verschiedenen Ländern kennen gelernt habe, immer zum Nachtheil der betreffenden Nationen. Deshalb wolle seine Partei keine parlamentarishe Regierung und keine Minister von der Sorte der Linken, sondern wünsche, daß Se. Majestät die Minister nah freier Entschließung be- stelle. Das Wahlreht der Beamten wolle er niht verküm- mert wissen, ausdrücklich enthalte das Programm des konser- vativen Central-Comités diese Forderung, die in einem starken Staate, wie Preußen, recht gut möglich sei; aber die Beamten dürften der Regierung niht Opposition machen. Vor allem be- dauere er, daß die koyservative Regierung vom Liberalismus nicht gelernt, alle Konsequenzen aus ihrer Machtstellung zu ziehen, es sei wünschenswerth, daß einmal recht purgativ vor- gegangen werde, Der bleibende Nußen folher De atten fei, daß das Beamtenthum endli lerne, was zu thun sei. Schon bei nächster Gelegenheit werde sih das zeigen. Der Abg. Richter sage: „Falle das Beamtenthum und die Regierungs- presse fort, was würde dann von den R CEEIEL TEEEER übrig bleiben?“ Er (Redner) aber sage, ziehe die Linke ihre Fonds und den Abo Richter ab, und dann würde fie sehen, was von den Liberalen bleibe. Solche Argumente bewiesen nichts, wer am besten agitire, bleibe oben. Er wolle sehen, wer bei den nächsten Wahlen Sieger werde.

Damit {loß diese Debatte.

Jn der zweiten Berathung war das Kap. 116 „katholische Geistlichen und Kirchen“ in zwei Kapitel zerlegt worden und in das neue Kapitel 116a. die Ausgabe für den altkatholischen Bischof aufgenommen. Hieczu beantragte der Abg. Götting :

Das Haus der Abgeordneten wolle bes{ließen : I. Kapitel 116 Titel 2 der dauernden Ausgaben, die Regierun fee wieder herzustellen. entue 1I. für den Fall der Ablehnung vorstehenden Antrages, dem Kapitel 116a. die Ueberschrift zu geben: „Altkatholishe Geistlihe und Kirchen“. i

Der Abg. Götting befürwortete seinen Antrag. Die alt- katholishe Bewegung sei bekanntlih durch das vatikanische Konzil veranlaßt, und das Haus sei nicht berufen, darüber zu urtheilen, ob die Katholiken oder die Altkatholiken die rihtige Ansicht hätten. Diesen Streit auszutragen, sei Sache der Anhänger dieser Religionsbekenntnisse. Das Haus habe aber, so lange dieselben das niht untereinander ausgemacht p die Verpflichtung, den Staatsbeitrag für die Altkatholiken qu bewilligen. Die Tavgletuta müsse allerdings mit der Thats. rechnen, daß die römisc-katholishe Kirhe eine ungeheure Macht sei und es möge daher nicht unrichtig sein, wenn ein eigener Gesandter beim päpstlihen Stuhle akkreditirt werde ; aber deshalb brauche die Regierung niht mit dem Prinzip zu brechen, die römisch-katholishe Bevölkerung und die Altkatho- lifen gleihmäßig zu behandeln. Jedenfalls wäre das Weg- schaffen der Position unter einen anderen Titel inkonsequent. Daher habe er den Antrag e

Der Abg. for. von Zedliy und Neukirch erklärte, da seine politishen Freunde bei der zweiten Etatsberathung wo für die Aufrechterhaltung der Vorlage aus formalen Gesichts-