Oesterreich-Ungarn.
Der österreichische Ministerpräsident Dr. von Körber ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern von Jshl nah Wien zurük- gekehrt; der Finanzminister Dr. Böhm von Bawerk hat fh nah Weißenbach begeben. Leßterer (niht, wie irrtümlich ge- meldet, der Reichsfinanzminister Freiherr von Burian) wurde gestern vom Kaiser empfangen. ,
Im Eisenbahnministerium begannen heute die Beratungen über die Nevision der Zuckertarife aus Anlaß der dur die Brüfseler Konvention geschaffenen neuen Verhältnisse. Zu den Beratungen sind Vertreter der beteiligten Zentral- stellen, industriellen Korporationen und Eisenbahn- verwaltungen zugezogen worden. Die Vertreter der ver- schiedenen Jnteressentenkreise wiesen hauptsächlich darauf hin, daß die Brüsseler Konvention gerade für die österreichishe Produktion die schwersten Nachteile bringen werde. Hilfe könne in erster Linie durch Regelung der Eisenbahntarife geschaffen werden, die mindestens auf das Maß der deutschen Tarife gebracht werden müßten. Es sei jedoch niht nur eine Regelung der Exporttarife, sondern auh eine Ermäßigung der Tarife für die Nohmaterialien zur Zuckerproduktion erforderlich.
Fm ungarischen Unterhause gab gestern der Minister für Landeêverteidigung Kol oszvary auf eine an ihn gerichtete Anfrage eine Darstellung des Manöverunglücks bei Bielek, die sih im wesent- lichen mit den bereits gemeldeten Einzelheiten deckt. Bei der weiteren Erörterung des Unglücksfalles verwahrte sih der Ministerpräsident Graf Khuen -Hedervary dagegen, daß, wie der Abgeordnete Polonyi behauptet habe, die nicht ungarischen Offiziere die ungarischen Mannschaften \{chlechter behandelten, als ihre Landsleute. Derartige Unglücksfälle seien in Ungarn unter Leitung ungarischer Offiziere, in Oesterreich unter Leitung österreichisher Offiziere bereits öfter vor- gekommen. Der Abg. Polonyi möge überzeugt sein, daß nicht nur im Hause, sondern überall, auch im Kriegsministerium, der Fall tief be- klagt werde, es sei also völlig unbegründet, in die Führung der Untersuchung Mißtrauen zu seßen. Was den Antrag des Abg. Polonyi betreffe, tie Sizung zum“ Zeichen der Trauer auf 10. Minuten auszuseßen, 0 sei “er damit - einver- standen, nur balte er das nicht für genügend, und er stelle es dem Abgeordneten Polonyi anheim, einen anderen Modus zu beantragen, der dem allgemeinen Gefühl der Trauer mehr entsprehe, etwa der Trauer im Protokoll Ausdruck zu verleihen, oder den Verunzlückten einen Kranz zu widmen. Das Haus beschloß darauf einstimmig, seiner Trauer und seinem Beileid anläßlih des Todes der bei Bielek N e verunglückten Soldaten im Protokoll Ausdruck zu ver- leihen.
Jn Budapest verlautet, daß die Vermittelungs- vorschläge, die auf ein Nachlassen der Obstruktion hinzielten, von dem Ministerpräsidenten Grafen Khuen-Hedervary abgelehnt worden seien, da der Hauptpunkt der Vorschläge dabin gegangen sei, daß die Regierung eine bindende Erklärung über die Einführung der ungarishen Kommandosprache mit Einhaltung eines bestimmten Zeitpunktes abgeben solle. Diese Forderung sei, als mit dem Standpunkt der liberalen Partei und der Regierung völlig unvereinbar, zurückgewiesen worden.
Großbritannien und Frland. Der König und die Königin sind, dem „W. T.
1A
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zufolge, gestern in Londonderry eingetroffen und begeistert empfangen worden. j Das Oberhaus nahm gestern mit 69 gegen 26 Stimmen die zweite Feluea, der Vorlage, betreffend das Unterrichtswesen in
der Grafschaft London, an. Z
Im Unterhause führte bei der Beratung der Bill, betreffend die Brüsseler Zuckerkonvention, der Präsident des Handels8amts Gerald Balfour aus: Die bona fides Englands erfordere die Annahme der Bill, und man könne von den eingegangenen Ver- vflihtungen nicht zurücktreten, ohne in Mißkredit zu geraten. Die Konvention sei mit der ausdrücklichen Reserve bezüglih der Anwen- dung der Strafbestimmung auf Prämienzucker aus den englischen Kolonien ratifiziert worden. Die Regierung habe allen Grund zu glauben, daß Oesterceih-Ungarn und Frankreih ihre Zuersteuer- \vsteme in Einklang mit den Beslimmungen der Brüsseler Konvention bringen würden. Sie babe nur die Bestimmung der Bill anzuwenden, die die Einfu von Prämienzucker aus Rußland, Argentinien, Chile und Peru verbiete, vorausgeseßt, daß keines dieser Länder der Konvention beitrete oder seine Zuckeisteuergeseßgebung ent- sprechend ändere, aber die gesamte Zulereinfuhbr aus diesen Län- dern betrage nur ein Dreißigstel der gesamten Zulkereinfuhr Englands. Er glaube, die Brüsseler Konvention werde eine Periode mäßiger und stabiler Preise zur Folge haben und den Zuderhandel von den beftigen Schwankungen befreien, die das Prämiensystem verursacht habe. Die Konvention habe dem Kartellsystem einen furchtbaren Schlag verseßt. Lo ugh und Gibson Bowles sprachen sich gegen den Beitritt Englands zur Brüsseler Zuckerkonvention aus. Leßterer fragte, welde Gründe der Präsident des Handeléamts für seine Ann1hme habe, daß Desterreich und Ungarn ihre Zuckergeseßgebung abändern würden, und -ob die Regierung die Zuckereinfubr aus Desterreich- Ungarn verbieten werde, wenn diese Abänderung nicht erfolgte. Im weiteren Verlaufe der Verhantlung bekämpften mehrere liberale Ab- geordnete die Zuckerkonvention und erklärten, die Konvention werde eine Erhöhung deo Zucerpreises zur Folge haben. Bryce (liberal) fragte, ob die Regierung die Strafkiausel tn Kraft treten lassen werde für den Fall, daß Desterreih und Ungarn ibre Zudckergesetgebung nicht vor dem 1. September ändern sollten. Der Parlamentésekretär des Handelsamts Bonar Lar führte aus, England werde nah den Be- stimmungen der Konvention nicht verpflichtet sein, die Klausel in Kraft zu seyen, bis die Kommission erklärt daben werde, daß es hierzu verpflichtet sei; die Kommission werde aber vor dem 1. Oktober nicht wieder zusammen treten Die Weiterdberatung wurde scdann auf beute vertagt
Gestern vormittag fand zu London in der katholischen Kirche im Stadtteile Brompton bei sehr starker Beteiligung eine Trauer feier für den Papst statt. Der König ließ sih durch den Earl of Denbigh vertreten. Auch die Botschafter und Gesandt- schaften hatten Vertreter gesandt.
Frankreich.
In der Kirche Notre Dame wurde gestern, wie „W. T berichtet, von dem Nuntius Lorenzelli ein Trauergottesdienst für den Papst abgehalten sident Loubet und mehrere Minister hatten Teilnahme gesandt. Unter den Anwejenden der Minister des Aeußern Delcassé, der Generai André, Deputiertle, Senatoren und Vertreter von Vereinen. Wegen einzelner nah der Trauerfeier vor der Kirche veranstalteten Kundgebungen wurden 8 Personen verhaftet; die Verhaftungen wurden jedoch nicht aufrecht erhalten. — Die heute ershienencn
Y “ feierlicher Der Prá Vertreter zur befanden ih Kriegsminister,
Pariser Blätter stellen fest, doß der Ministerpräsident Combes |
sich dei der Feier nichi habe vertreten lassen
Rusfiland.
Wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg mitgeteilt
dem
wird, find der Kaiser und die Kaiserin geftern abend nach |
dem Scharowkioker abgereist t S R Der Kommandant des deutshen Schulshisfes „Stein“, Fregattenkapitän von Dombrowski, folgte vorgestern einer
| enthält
| veränderungen an Gebäuden
die Mitglieder des diplomatischen Korps, |
i Armenbevölkerung Hamburgs von 7591 Köpfen auf
Einladung des Kaisers zur Besichtigung des GRgrs bei Krasnoje-Sselo. Nach der Besichtigung wurde der Kapitän r Tafel und nach derselben zur Theatervorstellung Pedoaen Vorher hatte er sich bei dem Kaiser gemeldet; im Laufe der Theatervorstellung wurde er sodann der Kaiserin sowie dem Großfürsten und der Großfürstin Wladimir vorgestellt.
JFtalien. :
Die Königinwitwe ist gestern, wie „W. T. B.“ mit- teilt, in Rom eingetroffen. Heute früh traf der König ein und begab sich sofort nah dem Pantheon, um der aus Anlaß des Jahrestages des Todes König Humberts stattfindenden Gedächtnisfeier beizuwohnen. Dort traf kurz darauf auch die Königinwitwe ein. Der König und die Königin- witwe wurden von dem Unterrichtsministerck= Nasi empfangen. Allerhöchstdieselben wohnten der Messe bei, die von dem Hofalmosenier Bianchi gelesen wurde, und legten an dem Grabe König Humberts einen Lorbeerkranz nieder. Auch der Ministerpräfident Zanardelli ließ einen Kranz niederlegen. Der König und die Königin-Witwe wurden von einer zahlreihen Volksmenge vor dem Pantheon lebhaft begrüßt. Die öffentlihen und viele Privatgebäude hatten halbmast geflaggt. / : |
Gestern morgen wurde eine geheime Kardinals - versammlung abgehalten. Nach derselben fand um 10 Uhr in der Sixtinishen Kapelle der erste der drei vom Kardinals- follegium veranstalteten feierlichen Trauergottesdienste für den Papst statt. Demselben wohnten, außer 52 Kardinälen, das diplomatische Korps, der Großmeister des Malteserordens, der Adel sowie einige Geladene bei.
Türkei.
Der Unterrichtsminister Dschelal Bey is}, wie „W. T. B.“ berichtet, zum Marineminister ernannt worden. Das Unter- richtsministerium i} dem bisherigen Unterstaatssekretär im Zustizministerium Haschim Bey übertragen worden.
Amtlich wird gemeldet: Um einen besseren Geschäftsgang in den Marineangelegenheiten zu sichern, ist der admini- strative Dienst der Marineverwaltung von dem rein militärishen getrennt worden. Dschelal Bey wurde mit der administrativen Leitung und der Jnspektion der Marine betraut. Die militärishen Angelegenheiten sind dem Vize- admiral Mehmed Rifat Pascha unter Ernennung zum Generalstabshefs der Marine übertragen worden.
Dem „Neutershen Bureau“ wird aus Damaskus vom 26. d. M. gemeldet: Aus zuverlässiger Quelle werde be- kannt, daß sehs wegen politisher Vergehen Verbannte, unter ihnen der bekannte Kurdenführer Moussa Bey, kürzlih aus Medina entflohen seien. Die Nachricht habe im Jildizpalast viel Beunruhigung hervorgerufen. Der General Osman, der Gouverneur von Medina, unter dessen Aufsicht die Verbannten gestellt gewesen, sei sofort entlassen worden. Zur Verfolgung der Entflohenen seien strenge Maßregeln an- geordnet worden.
Dänemark.
Zum Nachfolger des verstorbenen kommandierenden Ge- nerals Hedemann is, nah einer Meldung des „W. T. B.“, der bisherige Chef des Generalstabes, General Zachariae ernannt worden.
Asien.
Der „Times“ wird aus Peking gemeldet, gestern nach- mittag sei der englisch7zchinesishe Handelsvertrag ratifiziert worden.
Afrika.
Aus Tunis wird dem „W. T. B.“ gemeldet, der Bruder des Beys, Prinz Sliman, sei gestern plößlich gestorben.
Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus Fez über Tanger vom 24. telegraphiert: Der Sultan sei mit den Vor bereitungen zum Abmarsh nah Taza nicht fertig geworden. Er habe vorläufig ein offenes Zeltlager an der alten Ssebu brücke bezogen, außerhalb der Stadt, 5 km östlich von Bab-el-Ftoh Alle Minister und der gesamte Hof- staat seien ebenfalls dort Der Sultan sei wah \cheinliÞch entschlossen, sein wverlorenes Ansehen durch volkstümlihe Maßregeln wieder cinzubringen. So sei dem englishen Festungsinstrukteur Sir Harry Maclean und allen anderen fremden Beamten verboten worden, die Stadt in der Richtung des Zeltlagers zu verlassen. Die Europäer begönnen abzureisen, um der, befürhteten Ausweisung zuvor zukommen. Die Stellung der europäischen Hofbeamten gelte für erschüttert
Nr. 33 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reichsamt des Junern, vom 24. Juli hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ecmächtigunzen zur Vornahme von Zivilftandsakten ; Entlassungen ; Erxequaturerteilungen 2) Auêwanderungöwesen : Erweiterung der einem Auêswanderungsunter- nebmer erteilten Erlaubnis zur Bete von Auswanderern 3) Polizeiwesen: Auêwcisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet
4) Versicherungöwesen: Berichtigung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1903 Anhang. Miliärwesen: Gesamtverzeichnis der- ienigen Lebranslalten, welhe zur Ausstellung von Zeugnissen über die Befähigung für den einjährig- freiwilligen Militärdienst berehtigt find
Nr. 33 des
„Cisenbabhn- Verordnungsblatts*, heraus- gegeben in
Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 22. Juli einen Erlaß des Ministers, betreffend Förderung des Klein- bahnwesens.
Nr. 34 vom 25. Juli hat folgenden Inhalt: Allerböchster Erlaß vom 4. Juli 1903, betreffend Uebergang der zur ZAt der Cisenbahn- direktion in Bromberg unterstehenten Neubaulinie Falkenburg i. Pomm.
Gramenz in den Bezirk der Eisenbahndirektion in Stettin Etr- laß des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 20. Juli 1903, betr. Fortschreibunga der von öffentlichen Bebörden angemelteten Beitands- Nachrichten
Statistik und Volkswirtschaft.
Das Hamburger Armenwesen na seinerReorganisation von 1893— 1902
Hamburg hat \ckchon cinmal im Jahre 17835 durch die von der „Patriotischen Gesellschaft“ angeregte durchgreifende Reform seiner Armenpslege den Blick Deutschlands und des Auslandes auf fich ge- lenkt. Die nah den Vorschlägen von Professor Büsh ciagerichtete „Allgemeine Armenanstalt* wurde cin Vorbild für rahlreiche deatsche und aufierteutshe Städte, weil sie tas bürgerliche Element zu ehren- amtlicher Mitatbeit aufgerufen urd den Grundsiah „Arbeit latt Almosen“ in die Praxis übertragen hatte. In ter Zeit von 1788 dis 1791 war die 3059 berabe
egangen und die Zahl der in geschlossener Pflege untergebrahten Ma um 5099/9 und die der Kranken um etwa 209/69 gesunken, und das Armenkollegium konnte berihten: „In Hamburg gibt es keine öffentlihen Bettler mehr. Ni-mand kann in Hamburg Hunger leiden.“ Durch die Napoleonischen Kriegëswirren wurde die Armenpflege Ham- burgs unterbunden und die Armenbeschäftigung, dieser Eckpfeiler des ganzen Büschshen Systems, völlig hinweggerafft. Auch die in den - Jahren 1830 und 1863 gemachten Versuche einér Wiederauflebung der lteren Einrichtungen hatten nur geringen Erfolg, weil die Möglichkeit. der Armenbeschäftigung in dem früheren Umfange niht mehr bestand, und weil man eine Vermehrung der Pflegekräfte versäumte. Die Reichsarmenstatistik von 1885 lieferte den Nachweis, daß Hamburg unter allen deutshen Großstädten die relativ höchste Zahl von unterstützten Personen und die höchste Ge- famtausgabe für das Armenwesen auf den Kopf der Bevölkerung auf- zuweisen hatte. Alsbald ‘nach dem Bekanntwerden dieser Statistik seute das Armenkollegium eine Kommission ein, die den Ursachen dieser ungünstigen Ergebnisse nahforschen und eine Umgestaltung des Armenwesens8 nah dem Elberfelder Armenpflegesystem ins Auge fassen sollte. Aus den Beratungen dieser Kommission entstand das neue Hamburger Gesetz, betreffend das Armenwesen, vom 18. Mai 1892, durh das die damals besteßenden fünf Armenverbände zu einem einzigen Ortsarmenverband Hamburg vereinigt wurden, an dessen Spitze ein Armenkollegium, bestehend aus 3 Senats- und 15 Bürgerschaftsmitgliedern und einem Deputierten der Finanz- deputation, die Kontrolle über alle Organe der Armenpflege und über die finanziellen Angelegenheiten übernehmen sollte.
Zur Durchführung der ihm“ zugewiesenen organisatorishen Auf- gaben bedurfte das Hamburger Armeukollegium eines mit der Wissen- \{aft und Praxis der Armenpflege eingehend vertrauten Sachverständi- gen. Als solcher wurde Dr. Emil Münsterberg, bis dahin Bürger- meister in Iserlohn, nah Hamburg berufen, wo er sein Amt am 1. September 1892 antrat. „Dr. Münsterberg hatte es* — nah der eben erschienenen amtlichen Darstellung über „Das öüffentlihe Armenwesen in Hamburg während der Jahre 1893 bis 1902" — „mit besonderem Geschick und in verbhältnismäßig kurzer Zeit verstanden, die Neorgani- fationsarbeiten troß mannigfacher » Schwierigkeiten und Hindernisse einem glüdlihen Abschlusse entgegenzuführen und das hamburgische Armenwesen von neuem mit jenem Geiste humanitären Fortschritts zu durchdringen, auf dem vormals seine einzigartige Bedeutung beruhte.“ Auf solche Erwägungen gestüßt, hatte der Senat am 10. Februar 1896 beantragt, Dr. Münsterberg die ständige ein- heitlihe Leitung des hamburgishen Armenwesens endgültig zu über- tragen. Dieser Antrag wurde indessen von der Bürgerschaft am 15. April 1896 in zweiter Lesung abgelehnt. Erst ein Jahr darauf gelangte ein erneuter Antrag des Senats auf Anstellung cines Direktors des öffentlihen Armenwesens in abgeänderter Form zur Annahme, worauf der Senat am 9. April 1897 in dieses Amt den bisherigen Staatsanwalt Dr. Adolf Buehl berief.
Die beiden hochverdienten Armenfreunde und Sachverständigen des Armenwesens, Dr. Münsterberg, der nah seinem Ausscheiden aus der Hamburger Armenpflege sehr bald in Berlin als Stadtrat einen nod) größeren Wirkungskreis für seine organisatorisWe und \chrift- stelleri}/e Tätigkeit gefunden hat, und Direktor Dr. Buebl, als gegen- wärtiger Chef des hamburgishen Armenwesens, haben vereint: dazu bei- getragen, daß das öffentlihe Urmenwesen von Hamburg in dem Jahrzehnt von 1893 bis 1903 wieder von neuem zu einer bervorragenden Stellung in Deutschland gelangt ist. Den ftatiftisch. volkswirischaftlihen Bcweis dafür liefert die so:ben erschienene bocbinteressante Schrift: „Das öffentlihe Armenwesen in Hamburg während der Jahre 1893 bis 1902, Darstellung seiner Reorganisation und weiteren Entwickelung“, herausgegeben vom Armenkollegium.
Im Mai 1893 wurden in Hamburg an Stelle der früheren 79 Armenbezirke 90 neue Bezirke eingerichtet, welche Zahl \sih bis Dezember 1902 infolge der starken Bevölkerungszunahme auf 108 ver- mehrt hat. Der Stand der Armenpfleger Hamburgs wurde von etwa 440 ausgangs 1892 auf 1535 im Mat 1893 erhöht und war im nur bis auf 1563 gestiegen. Es beirug în Hamburg:
im Mai Dezember
1893 1902 a E 585 671 727721 die Zahl der Armenparteien im Monatsdurch
E E E 9 178 9 066 die Armenbevölkerung im Monatsdurschnitt . 19457 18 494 auf 1 Armenbezik entfallen Armenparteien . 102 84 auf 1 Armenbezirk entfällt Armenbevölkerung . 216 171 auf 1 Armenpfleger entfallen Armenparteien . . 6 5,8.
Das Armenwesen Hamburgs zeigt nah den verschiedensten Nich- tungen bin erfreulihe Fortschritte. Das Armenflollegium veranstaltet seit 1893 alljährlih cine Zusammenkunft sämtliher®?rgane der öffentliben Armenpflege, bei welher Gelegenheit über wichtige Themata Vorträge gehalten und Berichte über die Tätigkeit der Armenverwaltung erstattet werden. Um das Interesse für die Aufgaben der öffentlichen Armenpflege im Kreise der Pflegeorgane urausgesezt rege zu erhalten und dieselben über Fortschritte und Neuerungen fortdauernd zu unterrihten, werden vom Armen- kollegium monatlich „Blätter für das hamburgishe Armenwesen“ berausgegeben. Daneben pflegt das Armenkollegium in Gemeinschaft mit den Bezrksvorstebern alljäbrlih einige den Zweden der ge- \{loîsenen Armenpflege dienende Anstalten zu besichtigen. Ferner hat seit dem Frübjabr 1898 den Bezirken Frauen zugewicsen, welche jedo erst auf Anordnung des neden dem für den Pflegefall bestimmten Pfleger
treten Im ahre 1894 find Lagerräume worden welche Nachläfse verstorbener Unter- stußten, die früher furzer Hand an Händler gegen eine Paufchal- summe verkauft wurten, zur besseren Verwertung übernehmen und ererble Gegenstände oder Hautkstände Armer, welhe vor- übergehender Anstaltwflege anbeimgefallen find, in Aufbewahrung nebmen, um die sonît fortuzablende Wobnuag?mrete zu ers sparen und zwagleih die Hausitandosachen besser zu erhalten. Bis Eade 1902 waren 1263 Hausftände zur Aufbewahrung ge- lanat und 1376 Nachläfse, welhe in das Eigentum der Allgemeinen Armenanstalt übergegangen waren, übernommen worden Die seit 1898 übernommenen Nachläfse repräsenticren einen Taxrwert von 85 095 M4 95 A. Aus der Versteigerung der nicht an Armce zugebenden Gegenflände wurdén 24 163 „M 5 «\ gelöst
Die neuerdings mehr gepflegie Statistik bat namentlih in finanzieller Hinsicht auf die Armenpflege schr praktish eingewirkt. Die an der Hand der von den Pflegeorganen am 1. Dezember 1897 und am 1. Dezember 1900 aufgenommenen indioidual-statistishen Zähl- bogen erfolgte Durchprüfung sämtliher Armenpflegefälle hatte über- raschend günstize Ergebnisse. Nah der Statistik vom 1. Dezember 1897 fonnte die Unaterstügung in 213 Fällen wegen besserer Verdiensl- verbältaisse dec Unterstäuten oder ihrer Angehörigen cingesiellt und in 57 Fällen wegen Zufalls von Renten ermäßrat werden. Außerdem wurden 176 Unterfitüyungöempfänger in den Genuß von Invaliden- oder Altersrente aecbracht. Das finanzielle Gesamtergebnis war eine Summe von 60278 M 42 4 an Minderausgaben auf Grund von Einstellung und Ecmäßigunzen, sowie an nahzezahlten und von der Armenanítalt vercinnabmten Rentenbeträgzen, an eingezogenen laufenden Reatea und sonsligen Einnahmen. Nach der Statistik vom 1. De- zember 1900 betrug das finanzielle Ergebais die Summe von 45 081 A 34 A
Das neue hamburgishe Armengesey hat ferner ein engeres Zu- sammenwirken der öffentlichen und der privaten Wohliätigkeits- pflege wr Folge gehabt und für die in Hamburg bestehenden etwa 500 milden Stiftungen mit einem Kapital von rund 40 Millionen Mark eine Auskunstsftelle für Wodbl- tätiakeit geihaffen, welhe seit März 1895 besieht und den
weck verfolgt, Auskunft über Hilfsbedürftige oder über solche
onen zu ertellen, die sich an die Privatwohlitätigkeit behufs Er- angung von Unterstüturg wenden. Es sind im Jadre 1395: 3630, 1999: 11 041 uad 1902 sogar 20414 Auskünfte erteilt worden, ein
als Helferinnen Bezirksvorstchers in Funktion eingerichtet
S S “H ck di
auß,
blagender Beweis für die Notwendigkeit amtlicher Ausunftsstellen
allen Großftädten. Weiter hat sich das Hamburger Armens- legiuum dur Herstellung eines „Handbuches für Wobhltätigkeit“ im ihre 1901 und dur engere Beziehungen zu dem 1899 in Hamburg “standenen Hauspflegeverein verdient gemaht. Es ift allen Armen- waltungen und Armenfreunden zu empfehlen, die Entwickelung des amburger Armenwesens von 1893 bis 1902 an der Hand der neuesten barstellung des Armenkollegiums näher zu prüfen, fie werden dadurch ¡he Belehrung und Anregung. erhalten.
Zur Arbeiterbewegung.
In Berlin sind, wie die „Deutshe Warte" mitteilt, die huginowandpußer auf 36 Bauten in den Auëstand getreten. An m Streik, der fich auf eine Firma beschränkt, beteiligen sich über +/5 x gesammten Arbeitershaft der Branhe. Eine Arbeiter- sammlung beschloß, auf der Anerkennung . ihrer Forde- hingen (Stundenlohn von 69 S usw.) zu verharren. — Die tein-, Kalk, Wasserträger und andere Bauhilfs- beiter haben, nach demselben Blatt, in diesex Woche auf einigen
nuten, auf denen nicht der veriragsmäßige 45 Pf.-Stundenlohn ge-
ilt wird, die Arbeit eù gestellt. Ein großer Teil hält si bisher br Bewegung fern. Gemeinsame Schiedsverhandlungen dürfien eine sinigung herbeiführen. — Die Fliesenleger beschlossen, wie eben- (18s der „Deutshen Warte" berihtet wird, am Montagabend
einer vom „Berein der Mosaikfliesenleger Berlins und Umgegend“ nberufenen großen öffentlihen Versammlung, einen erhöhten Lobn- hf s{chleunigst zur Durchführung zu bringen. In dex Diskussion nh dex Vorstand der „Freien Vereinigung der Fliesenleger“, die noh jz Februar nächsten Jahres an einen Tarif gebunden ist, die Erklä- hng ab, daß die Arbeiter dieser Korporation, die bei gesperrten Firmen bine Arbeiten übernehmen, ihren Kollegen der anderen Organi- hiion niht în den NRücken fallen würden? Demgegenüber jed hervorgehoben, daß seitens des Arbeitgeberverbandes eine klärung vorliege, die besage, daß, wenn feitens der Arbeitnehmer her cine Firma die Sperre verhängt werde, ties zur Folge habe, daß simtliche Fliesenleger Berlins ausgesperrt würden. Auf Beschluß der ersammlung wurden noch Nachts, nah Schluß der Versammlung, he Tarife mit der Post abgesandt, so daß jeder Unternehmer berei n Dienstaamorgen im Besiße eines solhen war. Die Antwort wird his Freitag, Abends 7 Uhr, verlangt, da an diesem Tage eine öffent- (e Versammlung zu der Antwort Stellung nehmen wird. Fällt ese ablehnend aus, so ist zunächst ein Teilausstand in Aussicht ge- ummen, derart, daß nach und nah immer gegen einzelne Firmen orgegangen wird. Da die Konjunktur im Fliesenlegergewerbe eine nz außerordentliß günstige sein foll, beabsichtigen die Arbeiter 1gesäumt und energisch vorzugehen.
In Essen sind, der „Nh.-Westf. Ztg.“ zufolge, die Maurer in ine Lohnbewegung eingetreten. Ihre Forderungen find folgende: ) Abschließung eines korporativen Arbeitsvertrags; 2) Verkürzung e Arbeitszeit " auf 105 Stunden, im Winter niht unter
Stunden; 3) möglihste Einschränkung der Ueberstunden. Für aht- und Sonntagsarbeit 50% Zuschlag; 4) am Vorabend her Feiertage eine Stunde früher Schiht ohne Lohn- ug; 5) Auss{hließung der Kündigung und Abschaffung der ccordarbeit ; 6) Zablung eines Stundenlohnes von 47 « für die Stunde. ußerhalb muß Zeit und Fahrt vergütet werten; 7) für Ueberstunden inen Zuschlag von 10 9/9. Auszahlung des Lohnes auf der Baustelle or Feierabend; 8) für Ttefbauarbeiten einen Lohnzuschlag von 10 9/5 für ¿ Stunde; 9) bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses sofortige Aus- blung des Lohnes. Der Gesellenaus\{chuß bat den Meistern diese orderungen unterbreitet und auhch für einige Punkte Entgegenkommen efunden, in anderen wurde aber keine Einigung erzielt. Jn einer Versammlung, die am Sonntag stattfand, wurde von den Maurern olgende Resolution gefaßt: „Die heutige, im „Alfredushause" tagende, arf besuchte Maurerßberfammlung erklärt, nachdem sie den Bericht des esellenauéshusses entgegengenommen hat, an den gestellten Be- ingungen festzuhalten, beauftragt jedoch den Gesellenauss{huß und die wählte Kommission, nah wie vor, falls die Unternehmer Verhand mgen wünschen, in dieselben einzutreten.“
In Straßburg i. E. ist, wie die „Straßb. Post" meldet, ein artieller Streik der Schreiner ausgebrochben. Einige 100 Mann 1d aus\tändig ; über 10 Werkstätten ift die Sperre verhängt worden. fine größere Anzabl der Arbeitgeber hat die Forderungen der Arbeiter willigt.
Aus Odessa afsagierdampfer
Lf alt,
wird dem „W. T. B.* telegravhiert, daß die der Nussishen Dampfschiffabrtsgesell- deren Matrosen und Heizer in den Ausstand getreten d (vgl. Nr. 175 d. Bl.), mit Matrosen ter Kriecgéflotte benannt, le regelmäßigen Fahrten wieder aufgenommen haben In Genf haben, nach ciner Meldung der „Frkf. Ztg.“, die aus- ndigen Maurer (val. Nr. 173 d. Bl.) wendung der genferishen Gesetze, betreffend die Konslikte fitern und Arbeitgebern, zu widersetzen; 2) gegen die Haltung des ziländer „Secolo“ ibrer Bewegung gegenüber zu protestieren. Di dl der Auéständiageu beträgt noch immer mebrere Tausertd Nach cinem Telegramm der „Voss. Ztg.“ aus Baku ist in idi-Eibat die Arbeit vollständig wieder aufgenommen worden, ia Balanaby scwie in Sabuntschi ist der bisherige Still- d im Betriebe dur Wieteraufnahme der Warentransporte auf Tranékaukasishen Bahn vollkommen beendet. (Val. Nr. 172 Bl)
¡wischen
und
Kunst und Wissenschaft.
Zweite internationale seismologische Konferenz zu Straßburg i. E.
K N
Sonnabend vormittag um 10 Ubr wurde die Sizßung der Konferenz von Professor G eröffnet, der mit dem Geheimen Credner und dem Professor E. Lagrange
Vor Eintritt în die Tagebordnung „Straßb. Korr.* berichtet, Dr. Hauthal, nien, das Wort, uvm im Namen der deutschen „Akatemischen aung* îin Buenos Aires der sciómologisden Konferenz die 1 Grüße und die herzlichsten Glückwünshe zum guten Gelingen ier Bestrebungen und Arbeiten überbringen. Die Konferenz i sodann in wissenshafllide Verhanètlungen über die «toscièmishen Flächenbewegungen die Enrtpulsationen und Vatorishen Okscillationen und die Niveauveränderungen (Lot- Wankungen) ein. Hlieran beteiligten si{h mit längeren und kürzeren trägen Dr. von Köéveligetby (Ungarn), Dr. Omori (Japan), t. Wiechert (Pre ußen), Dr. Gerland (Deutsches Reich), Direktor elle (Oesterreich), I. Milne (England), Wirklicher Staatsrat (Rußland) und Dr. Tanakadate (Japan). — Darauf V man zur Besprechung der Bewegungen, welhe durch Wedenstöße veranlaßt und rasch vorübergehend, wenn au nicht mebrfah wiederholt auftreten, über Man behandelte die e des Epizentrums, des cigentlicden Stokgebietes des Erdbebens : iefenlage des Herdes; das zeilliche Auftreten, eventuelle Perioden ! Ursachen der Erdbeben; die mit Erdbebea häufig verbundenen 2Upbänomene: die grapbische Feststellung der Haupterschüttergebiete ! Erde; die kartographische Festlegung der geographis-sciómischen Vachen (seismische Weltkarte) und die seismischen Störungen der uetishen Instrumente. Hierüber sprachen Professor Levitky land), Dr. Wiechert (Preußen ), Dr. Omori (Japan), Dr Günther Wein), G. H. Darwin (England), Montessus de Ballore nlreich), E. Logrange (Belgien) A. Cancani (Italien) t Rudolph (Elsaß-Lothringen), Dr. Gerland (Deutsches Reich),
Börgen (Reichkmarincamt) und Dr. Tanakadate (Japan) Gem Professor Dr. Gerländ noch zur Besichtigung der Erdbeben-
weile H. Darwin Bergrat, Pro- das Mâätidium nabm, wie die
Delegierter tür
ret d Fc
# - : - @ 9 9 ) S. Nr. 173 tes „Reichs- unt Staalsanzeigers* vem 25. d. M
beschlossen: 1) \ich der |
Nicht minder
station unter Führung des Professors Dr. Weigand eingeladen hatte, {loß der Präsident G. Darwin die zweite allgemeine Sitzung um 12 Uhr Mittags.
Die 1. Kommission, die aus den offiziellen Delegierten besteht, seßte Nachmittags um 2 Uhr unter dem Vorsig des Wirklichen Staatsrats Levißky (Rußland), mit welchem Direktor E. Mazelle und Professor Dr. Gerland im Präsidium Play nahmen, ihre Beratungen über den Entwurf einer Uebereinkunft, be- treffend die Organisation der internationalen Erdbeben- forshung, fort. Zum Referenten über die Beschlüsse der 1. Kom- mission für die allgemeine Sißung wurde Geheimer Rat, Professor Dr. Wagner (Preußen) gewählt. Nach langer, eingehender Debatte, an der fast sämtliche Delegierte teilnahmen, wurde der vorgelegte Entwurf angenommen.
__ Am Montagvyormittag um 9 Uhr hielt die 3. Kommission, der sämtliche Fachgelehrten der Konferenz angehören, eine Sißung unter dem Vorsiß von Professor Grablowitz (Italien), Professor Lancaster (Belgien) und Professor Dr. Schmidt (Württemberg). Vor Eintritt in die Tagesordnung überreihte Professor Palazzo (Italien) im Namen des Professors Tacchini eine Kollektion sämtliher Veröffent- lihungen der italienischen sei8mologishen Gesellschaft als Schenkung für die internationale Zentralstation, ebenso Professor Schmidt namens der Berliner Sternwarte eine Reihe von Abhandlungen. Des weiteren brachte Direktor Spas Waßof (Bulgarien) betreffs s\eis- mischer Beobachtungen in der Türkei folgenden Antrag ein: „Im Interesse der seismishen Forshung wäre es sehr wünschenswert, auf geeignetem Wege der türkischen Regierung gegenüber die Wichtigkeit der Wiederherstellung des von Seiner Majestät dem Sultan im Jahre 1895 gewünschten und von Herrn Agamennone begründeten Erbeben- beobahtungsdienstes, welcher nach sehr furzer Dauer ganz aufgehört hat, darzulegen. Inzwischen müßten die Zentralstellen in Athen und Sofia durch Instruktionen eine rege Tätigkeit in der Beobachtung von Erd- beben bei den Lehrern an den bulgarischen und griechischen Schulen in der europäischen Türkei hervorrufen und die Erdbebenberichte aus diesen Ländern sammeln und veröffentlichen. Ferner wäre zu wünschen, daß die Cisenbahnverwaltungen in der europäishen und asiatischen Türkei jeder Eisenbahnstation die Notierung der Erdbeben zur Pflicht machen und die Berichte iraend einer Zentralstelle zur Bearbeitung und Ver- öffentlihung zur Verfügung stellen. Wenn \chließlich die inter- nationale seismologishe Assoziation in Ländern, welche der Assoziation nicht angehören, Observatorien errichten würde, so möge in erster Linie Saloniki berücksichtigt werden.“ Die)er von Professor Günther (Bayern) und Professor Levißgky unterstüßte Antrag wurde ein- stimmig angenommen. — Hierauf trat die Kommission in eine wissenshaftlize Beratung über die Art „und Weise der Beobachtungen cin, welhe für die gemeinschaftliche internationale Forshung besonders wichtig sind. Die Ver- handlungen erstreckten fih auf die Ausstellung einer allgemein gültigen Intensitäts\kala für makroseismishe wie auch für mikroseismische Beo- bachtungen, auf die Bestimmung der Zeitrechnung für die internatio- nalen feismishen Beobacztungen, auf die Errihtung und Verteilung der scismischen Beoba@ziüungsstationen in den einzelnen Ländern nach allgemeinen Grundsätzen (Lage, Tätigkeit der Lokalstationen, Einrichtung einer Zentralstation für jeden einzelnen Staat) und auf die Wahl der Beobachtungsinstrumeüic der Stationen. An den sehr angeregten De- batten beteiligten sich Cancani (Italien), Levißky (Rußland), Kösveligethy (Ungarn), Hecker (Preußen), Forel (Schweiz), Hilde- brandsson (Schweden), Ballif (Bosnien), Backlund (Nußland), Darwin (England), Cirera (Spanien), Hauthal (Argentinien), Forel (Schweiz), de Chaves (Portugal), Palazzo (Italien), Günther (Bayern), Mazelle (Oeflerreih) und Futterer (Baden). Zum Schluß wurde noch folgender Antrag des Professors Günther (Bayern) angenommen: „Die 2. internationale Konferenz hegt den Wunsch, daß die Höhelage und die geologische (tektonishe) Beschaffen- heit der Umgebung der seismischen Stationen einen besonderen Gegens stand bei den Beratungen der künftigen Konferenz bilden möge.“ Der Sitzung wohnten von neu eingetroffenen Mitgliedern noch Pro- fessor Tamaru (Japan), Professor Dr. Futterer und Professor Leußtz aus Karlérube und Professor Dr. Tornquist aus Straßburg bei.
Um 11 Uhr traten die sämtlihen deutschen Delegierten, sowohl die des Neichs wie diejenigen der einzelnen Bundesstaaten, zu einer vesonderen Sitzung zusammen. Den Vorsiy führte der Geheime Negierungérat Dr. Kaußt, vortragender Nat im Reichsamt des Innern. Es wurde Beschluß darüber gefaßt, wie der stimmführende Delegierte des Reichs bezüglich des Entwurfs über die internationale seiêmologische Affso ziation seine Stimme abgeben solle. Sodann wurde ein entsprehender Be- riht des Professors Dr. Gerland über die bisherige Tätigkeit der Haupt- station für die Ertbebenforshung in Straßburg entgegengenommen. (Es ergab si daraus, eine wie gewaltige Arbeitslast die Hauptstation bewältigt bat, vnd zuglei, mit wie überaus geringen Mitteln. Diese Mittel werden vollständig unzureichend scin, wenn jeßt die Straßburger Hauptstation die Zentralstation des Reiches für das allgemeine deutsche seismische Netz werden soll, nachdem fast alle Bundesstaaten mit großem Interesse für die secièmishe Bewegung bei sich besondere seismische Stationen einzurihten in Aussicht genommen haben. No \{wieriger in finanzieller Hinsicht werden ih die Verhältnisse gestalten, wenn die Hauptstation in Straßburg außerdem noch die internationale Zentral- station werden wird. Bei der sebr lebhaften Debatte ging aus den Auslafsungen der Delegierten der vertretenen Bundesstaaten hervor, taß in Deutsbland die Bestrebungen und die fortschreitenden Erfolge der seismologishen Wissenschaft mit wabsecndem Interesse und mit verfltändniévoller Förderung seitens der Regierungen verfolgt werden freudig wurde es begrußt, daß auch von seiten der Kolonialverwaltung die Errichtung seismisher Stationen in den teutschen Kolonien vorgeschen wird.
Um 2 Ubr Nacmittags trat die Konferenz zu ibrer dritten allge- meinen Sißzung unter dem Vorsiß des Professors Dr. Helmert (Preußen) zusammen, mit dem Professor Forel und Professor Dr. Kösveligethy im Präfidium Play nahmen. Gegenstand der Tagesordnung war die end- gültige Beratung und Abstimmung über die Uebereinkunft, betreffend
| die Organisation der internationalen Erdbebenforshung. | Geheimer Regierungörat Dr. Kaup {lug zunächst vor, daß die Abd-
stimmung na Staaten, und war in der Reibenfolge nah der fran- zöfischen Uebersetzung, erfolgen, daß für jeden Staat dabei ein De- legierter die Stimme abgeben und die Abstimmung eines jeden De- legierten nur cine vorläufige und den betreffenden Staat noch nicht definitiv verpflichteyde sein solle. Die Konferenz flimmtie diesem Vorschlage zu. Die Debatten waren äußerst lebhaft und eingehend. Nach Ab- lebnung ciner Reibe von Amendements wurde ein Text vereinbart, defsen Wortlaut morgen nackgetragen werden wird. Die Konvention wurde in namentlicher Abstimmung von den Delegierten folgender 20 Staaten Deuts@land, Argentinien, Oesterreih, Belgien, Bulgarien, Chile, Congostaat, Spanien, Vereinigte Staaten von Amerika, Groß- britannien, Ungarn, Japan, Italien, Mexiko, Niederlande, Portugal, Rumänien, Rußland, Schweden, Schweiz einstimmig angenommen Gedeimer Regierungsrat Dr. Kauti dankte den Mitgliedern der Konferenz für ihre pilidtgetreue Arbeit. durch die ein Werk zur Edbre der Wissen- schaft geschaffen worden sei. Wirllicher Staatsrat Leviyky (Rußland) sprach den Dank der Konferenz der deutschen Reichöregierung und den deutschen Delegierten aus. (Lebhafter Beisall.) Die Konferenz faßte schlichlih die Resolution: die Reichsregierung zu bitten, die an-
| oenommene Uedereinkunft auch den übrigen, bioher nicht deigetretenen
Staaten zu übermitteln und fie zum Beitriti einzuladen
Bauwesen.
Eia beschränkter Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Universitätsgebäude in Jena M, nah dem „Zentralblatt der Banuveiwalturg", vyter den Arckditefkten Baguräten Kavser u. voa Groüheim in Beilin, Professor Th. Fler ia Stutt- part, Professor Hotheder in Münden, Professor Hartung in Dresden, Professor Püyer in Darmstadt und Baumeister Weitenbach in Leipzig ausgeshrieden worden, die fh ämtlid beteiligen twretèden Dem siebéngliedrigen Preisgeriedte arhôren als Bansochver ändig Ober daurat Drofefseer De
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Warth | Defcia
(Karlsruhe), Oberbaurat Kriesche (Weimar), Stadtbaudirektor, e fessor Licht (Leipzig) und Stadtbaurat Hoffmann (Berlin). Die Ent- würfe sind bis Ende November d. J. einzuliefern. Als Balay U .das jeßt von dem Großherzoglihen Schloß, der Hauptwache, Neitbaus, dem Kornhaus, dem ehemaligen Amtsgerichtsgebäude und den Nebengebäuden des landwirtschaftlihen Instituts eingenommene Grundstück in Ausficht genommen.
__ Bur Erlangung von Entwürfen für denBau einerOrgel im Vome in Altenberg (Rheinland) wird von dem Vorstand des dortigen Dombauvereins ein Wettbewerb ausgeschrieben. Es find zwei Preise (1000 und 800 4) ausgeseßt; die Erteilung eines dritten Preises (600 4) sowie der Ankauf weiterer Entwürfe (für je 300 M) bleibt vorbehalten. Dem fiebengliedrigen Preis- gericht gehören als Bausfachverständige an: der Geheime Baurat Balzer in Cöln, Regierungë- und Baurat Tornow in Met, Bau- rat Heimann in Cöln und Landbauinspektor Arny in Schwarz- MNheindorf sowie der Provinzialkonservator, Professor Dr. Clémen in Bonn. Die Entwürfe find bis zum 31. Oktober d. F. an den Baurat Heimann in Cöln, Glockengasse 25/27, einzuliefern, von dem auh die Unterlagen gegen bestellgeldfreie Einsendung von 6 m, die bei Einreichung eines Entwurfs zurückgegeben werden, zu be- ziehen sind. An Zeichnungen, die in einfacher Linienmanier zu fertigen sind, werden verlangt: 1) ein Entwurf der Orgel und der Orgelbühne, dargestellt im Hauptgrundriß, Ansicht und Querschnitt im Maßstab 1 : 20; 2) die Einzeichnung dieses Entwurfs (ledigli in Umrißlinien) in die gelieferte Durchschnittszeihnung der Kirche (Maßstab 1 : 50); 3) die getroffene Anordnung der Manuale der Höhe nah. Außerdem sind ein kurzer Erläuterungsberiht, der sich über die Wahl der Konstruktion und des Materials klar aus- spricht, und ein Kostenübershlag, getrennt nah Orgelbühne und Orgelgehäuse, zu liefern. * Der Schwerpunkt der Aufgabe liegt darin, daß sih Orgelbühne und Orgel zwanglos dem Jnnenraum des kunstgeshichtlih hervorragenden frühgotishen Bauwerkes einfügen, ohne sich auffallend und störend geltend ju machen und die bisherige NRaumwirkung zu schädigen. Dabei muß die Orgelbühne ziemlich groß werden, da sie neben der zur Aufstellung des Orgelwerks erforderlichen Grundfläche noch Naum für den Spieltish, für die Bälgekammer und für einen Sängerchor von 40 Personen bieten soll.
Land- und Forstwirtschaft.
An der Landwirtschaftlihen Hochschule zu Berlin ist neuerdings ein besonderes Examen für Tierzuchtinspektoren ein- gerichtet worden. Es wird damit bezweckt, dem Tierzuchtbetriebe Männer zuzuführen, die neben gediegenem theoretischen Wisien auch eine tüchtige praktische Erfahrung besitzen. Wenn auch bisher durch das Zu- sammenschließen einer größeren Zahl von Züchtern, bei denen gleichartige wirtschaftliche Verhältnisse sih mit einer gleichartigen Ausbildung ihres Tierzuchtbetriebes vereinten, und dur die Bildung von Genossenschaften, Herdbuchgesellshaften usw. große Fortschritte auf dem Gebiete der Viehzucht zu verzeichnen waren, so traf dies doch weniger in Gegenden mit vorwiegend Kleinbetrieben zu. Segensreich haben hier bis- weilen Männer gewirkt, die ihre Genossen mit Rat und Tat unter- stüßten und die tierzüchterishen Bestrebungen überwachten, ebenso landwirtschaftliche Wanderlehrer und Tierärzte: allein das alles waren doch nur Notbehelfe, und mehr und mehr wurde in weiteren praktischen Kreisen der Wunsh nah der Mitarbeit gründlih vor- gebildeter Tierzuchtinspektoren rege. Diesem Verlangen soll die Aus- bildung der Tierzuchtinspektoren Rechnung tragen. Zur Prüfung werden nur solche Kandidaten zugelassen, welche die landwirtschaftliche Abgangsprüfung, die Prüfung für Lehrer der Landwirtschaft oder die tierärztliche Approbationéeprüfung bestanden haben. Für Landwirte ift außerdem der Nachweis einer 4 jährigen praktishen Tätigkeit in der Landwirtschaft erforderlich.
Die Prüfungskommissfion besteht aus den vom Minister für Land- wirtschaft, Domänen und Forsten zu Examinatoren ernannten Dozenten der Königlichen Landwirtschaftlichen und der Königlichen Tierärztlichen Hochschule unter dem Vorsiß des Rektors der Landwirtschaftlichen Hochschule.
Die Zudckerindustrie in Italien.
__ Italien hat verhältnismäßig spät die Zuckerrübenkultur aufgenommen ; erst als der italienische Landwirt auf Mittel und Wege sinnen mußte, um der darniederliegenden Landwirtschaft neue Bahnen zu eröffnen, ist der Anbau von Zuckerrüben in Aufnabme gekommen. Zunächst begeaneten alle Bestrebungen, die ZuckLerrübenkultur einzuführen, dem Mißtrauen der Landwirte. Man fürchtete die großen Kapitalêauslagen, welche die Umwandlung und Vorbereitung des Bodens erbeis{hten. Auch der Mangel an Barmitteln kam hinzu sowie die Unsicherheit des Produkts und Gewinnes nach so vielem Risiko und so großen Müben und Aus- agen. Erst auf Anregung der unternebmungsluftigeren Industriellen, welcbe den aus der Zucerindustrie zu ziehenden Nutzen erkannten, ent- schloffen sich nach und nah die italienischen Landwirte, tas im Lande fehlende Robprodukt zu s{affen, um diesem Industriezweig ein kraftvelles Dasein zu sichern. Die Rübenzucerkultur bat sodann cinen sehr \chnellen Aufs{wung genommen. Während man in den Jahren 1892 und 1893 in Italien noch nicht einmal auf eine Pro- duktion von 10 000 âz Zucer kam, ift dieselbe in der leßten Campagne
fast auf eine Million dz gestiegen. Die Entwickelung in den en Jahren war eine überaus \{nelle, wie folgende Aufstellung
r Campagne 1838—99
M 1899— 1900 D 19009—01
wurden gewonnen 58 724 dz 0 M 231 158 Y s 601 254 5 1901——02 Ï Ÿ 742909 Ÿ 1902—03 L UEE 4 die Erstarkung der beimishen Zuckerproduktion ift dex mpo mmer geringer geworden derselbe fiel în der leiten mpagne auf eine minimale Ziffer. Wenn sich au cin Steigen Verbrauchsziffer vermuten läßt, so kann doch mit ziemlicher cherbeit angenommen werden, daß die nationale Industrie au ne Errichtung neuer Fabriken im stande sein roird, für die Be- dürfnisse des inländichen Konsums zu sorgen, und daß der Zucker- import allmädlih aufhören wird Seit 1900 find die Grgebnisse der Rübenproduktion in Itzlien verbältniètmäßig ziemlih ungünstig gewesen, und wenn au in der Campagne 1901—02 eine leidlih groke Quantität Rüben produiert wurde, so gab diese dech cinen unterwertigen Zuckergehalt, während die rerdältnièmäßig guantitative Ausbeute der Campagne 1902—03 einen reiheren Prozentfsay an Zuckergehalt aufwies. Während vor 25 Jahren ein Durb'nittsertrag von 9% als ziemlich gut eraStet wurde, flieg bereits zehn Jahre später der Durch» \{nitt auf über 12%. In der verlezten Campagne wurde in einzelnen Landstrichen dieser Durdschnitt nicht erreicht wodingegen in der ieyten Campagne viel bessere Resultate erzielt wurden, welche den Durcd- \{hnitt von 14/5 üdersticgen In der leyten Campagne arbeiteten 32 Fabriken. le für die kommende Campagne 1903 vorbereiteten Terrains find um 109% ausgedehnter als die sür die leite Campagne bewirt- \chafteten Kalls die Sallsoo, wie es den Anschein hat, aunstig il. wird die Zuckerproduktion den Jahtcskonsum überschreiten Éin Export dürfte sich aber nicht ermöglichen lassen, weil Jtalien mit den großen Ia Dan Ländern den Weitkamp! noch nicht aufnehmen fann. Solange feine Kultur- und Fabrikationdmethoden gefunden werden, die Italien in cine für den Wettbewerb vorteilhaftere Lage bringen, lann man annehmen, daß cin Ezport im großen aus- acidicfien if Indessen ifi die italicaishe Zulerindustrie wobl in der Lage, ih fo weiter zu entwickteln, daß fie den immer wacdienden JInmnen- darf decken kann. Für die kleineren Etablissements erweist sid cine Jahtesvroduktion ver 40 000 da Zudker als nôtig, damit ihr Bestand erxdgültig als gesichert betrachtet werden lann. Bei einer Pro- duftioa von wenig mebr als 10000 ds p. a. frliten sie nur ibr Eine größere Produktion, erzielt durh dessere Eruten und
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