1882 / 145 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 23 Jun 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Se. Kaiserli@e und Königliche Hoheit der Rroupring nahm gestern die Meldung des in Höcstsein Dragoner - Regiment verseßten Seconde - Lieutenant von Gla- senapp entgegen und empfing den Minister-Residenten in den Vereinigten Staaten von Columbien, Lueder.

Der Bundesrath sowie der Auss{chuß desselben für Justizwesen hielten heute Sißungen.

Württemberg. Stuttgart, 19. Juni. (Allg. Ztg.) Der unter dem Präsidium des Prinzen Hermann zu Sachsen- Weimar stehende württembergische Landesverein der Kaiser-Wilhelm-Stiftung verfügt nah dem leßten Rechnungsausweis über ein Vermögen von 591255 M. Dasselbe hat seit dem Jahre 1874 um 46 434 4 abgenommen. Dagegen sind dem Verein dur freiwillige Gaben, dur Samm- lungen und Vermächtnisse auch im leßten Jahre wieder beträcht- lihe Summen zugeflossen, wobei besonders die Kirchenkollekte hervorzuheben ist, welche 11 352 H abgeworfen hat. Wie groß die Ansprüche sind, welhe an den Verein gestellt werden, geht daraus hervor, daß im leßten Jahre an 444 Jn- validen 30 380 / und an 470 Hinterbliebene 19 959 A zu verabreichen waren. An außerordentlichen Beihülfen wurden einige tausend Mark verabfolgt, und die Gesammtfürsorge be- zifferte sih 1881 auf 1081 Personen mit 53394 4 Bei- hülfen und 91 826 4 Anlehen.

Sessen. Darmstadt, 22 Juni. (Darmst. Ztg.) Zu Ehren der Anwesenheit des Königs von Sachsen fand gestern Abend großer Zapfenstreih statt. Heute Vormittag begab sih der König mit dem Großherzog auf den Ar- tillerie-Schießplaß bei Griesheim und wohnte den Uebungen der beiden Feld-Artillerie-Regimenter Nr. 11 und Nr. 27 bei. Von dort aus fuhren die Allerhöchsten Herrschaften nach der Artilleriekaserne in Bessungen und dem Neuen Palais.

Heute Nachmittag findet in Kranichstein Familientafel statt. Die Allerhöchsten Herrschaften begeben sich Abends nah Mönchbruh zur Pürschjagd und kehren im Laufe des morgen- den Vormittags hierher zurück. Die Abreise des Königs nach Dresden erfolgt morgen Nachmittag 61/5 Uhr. _— Auf Ein- ladung des Großherzogs wird der kommandirende General des X1. Armee-Corps, General der Kavallerie Freiherr von St(lotheim hier eintreffen und morgen Vormittag von dem König von Sawhsen empfangen werden, dessen Generalstabs- Chef er im Kriege 1870/71 gewesen ist.

Meckelenburg. Ludwigslu st, 20. Juni. Jn Gegen- wart des Großherzogs ist heute Mittag das hier errichtete Kriegerdenkmal enthüllt worden.

Sachsen - Weimar - Eisenach. Weimar, 22. Juni. (Weim. Ztg.) Die Großherzogin ist heute Morgen gegen 10 Uhr în erwünschtestem Wohlsein aus Wien eingetroffen mit erfreulih guter Nachricht über das Befinden der Prin- zessin Reuß.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 20. Juni. (Prg. Ztg.) Der Kaiser hat sih heute in Begleitung des General-Adju- tanten FZM. Baron Mondel, sowie der Militär-Attahés von Rußland, Frankreich und Ftalien zur FJnspizirung der Truppen in das Brucker Lager begeben. Nachmittags fand daselbst ein Offiziersdiner zu 60 Gedecken statt. Die Nück- kehr des Monarchen nach Wien erfolgt im Laufe des morgigen Vormittags. Am 29. d. M. begiebt \sich Se. Majestät zum üblichen Sommeraufenthalte nah Z\{l. Zur gn Zeit dürfte auh die Kaiserin aus Feldafing in Zjl eintreffen.

Wien, 22. Juni. (W. T. B.) Die „Wiener Aben d- post“ meldeb, daß nah authentishen Nachrihten der Ge- schäftsbetrieb des österreihischen Postamts in Alexan- drien keinerlei Störung oder Unterbrehung erfahren habe.

Pest, 21. Juni. Nach einem Telegramm des „Budapesti Hirlap“ ist die aus der Theiß gezogene Leiche nicht diejenige der Esther Solymossy. Nach gründlicher Untersuchung des Leichnams wurde konstatirt, daß die Ursahe des Todes Lungenschwindsucht war, daß die Leiche aus einem Spital der Umgebung entnommen und in die Theiß geworfen wurde, daß das Haar von dem Kopfe abrasirt wurde, daß es die Leiche eines Freudenmädchens is, und daß die bei derselben vorzefundenen Kleider und das an den Arm gebundene fleine Tuch au der Esther Solymossy gehört taben. Dies beweist, daß der Mörder, um das Gericht zu hintergehen, die Leiche aus einem Spitale entwendete und dann mit den Kleidern der Solymossy versah. Die Untersuchung wird energisch fort- geseht.

Großbritannien und Jrland. London, 21. Juni. (Allg. Corr.) Die Königin verließ gestern Balmoral, um nach Windsor zurüczukehren. Am 19. ds. waren es 45 Jahre, daß Jhre Majestät den englischen Thron bestieg. Der Jahres- tag der Lhronbesteigung ward in London, Windsor und anderen Städten in der herkömmlihen Weise gefeiert. Der Lordmayor gab am Montag Abend seinen Kollegen aus den Provinzen in der Guildhall einen glänzenden Ball, zu dem über 2500 Cinladungen ergangen waren.

Ueber die Entdeckung in Clerkenwell wird weiter gemeldet :

Es ift jetzt festgestellt, und zwar dur waffenkundige Erperten der Regierung, daß von den in Clerkenwell aufgefundenen Waffen die Sniderbüchsen alte ausgebrauchte Militärgewehre veralteter Konstruk- tion waren, welche ausrangirt aus dem Waffendepot bei Gelegen- heit der periodischen Verkäufe von überflüssigen Vorräthen an Händler in dergleidben Waffen verkauft worden waren und von diesen wieder verkauft wurden, sowie daß dieselben später in Bir- mingham von kleineren Gewehrfabrikanten, deren es dort eine ganze Menge giebt, umgeändert und die Schußvorrichtungen an denselben speziell von iris{en Gewehrs{lößser - Fabrikanten angefertigt worden sind. Der Umstand, daß auf dem oberen Theil der Schlösser die Worte „Snider Patent“ eingestempelt sind, beweist sofort, daß weder die Schlösser an diesen Gewehren in den Armee- werkstätten angefertigt worden sind, noch die Umänderung derselben dort ausgeführt wurde. Es handelt sich jedoch hauptsäcblih um die Frage, wie Walsh in den Besitz der entdeckten Gewehre gelangt ist.

ine genauere Untersuchung hat ergeben, daß dieselben in ihrer um- geänderten Gestalt als Snider-Hinterlader für Irland bestimmt waren, wofür als Beweis angeführt wird, daß die Schäfte unter dem zweiten Ring mit einer sehr feinen Säge \{räg durcgesägt sind, so daß der obere Theil des Schaftes mit dem Laufe dur Verschiebung des Ringes leiht abgenommen und dem unteren Theile, dem Gewehrkolben, beigelegt werden kann, wodurch die Waffe zum Zweck leichteren Verpackens in viereckige, keinen Verdacht er- regende Eisenwaarenkisten um so viel kürzer wurde. Nach dem Aus-

packen läßt si ebenso leicht der obere Theil des Schaftes mit dem Laufe wieder anfügen, da die diagonalen Kanten genau aufeinander pafsen, und dur den darüber geshobenen Ring so dicht zusammengezogen werden, daß der Sägeschnitt von keinem Nachtheil ist, und die Waffe vollkommen brau{bar sofort zur Verwendung gebracht werden kann. Ebenso find die Bajonette nah altem Enfieldshen Muster auf einem gewöhnlichen Schleifstein zur Spiße einer Nadel zuges{liffen und unpolirt gelassen worden. Ein großer Theil der Gewehre war fo auseinander genommen und in einer Masse von Hobelspähnen besonders und sorgfältig verpakt. Die Verpackung war derart, um den Inhalt der Kisten unverdähtig zu macen. —_ Dex Irländer Thomas Walsh, in dessen Remise in Clerken- wel am Sonnabend die Beschlagnahme einer großen Quantität für Irland bestimmter Waffen und Munitionsvorräthe erfolgte, ift, wie man Ursache zu Annahme hat, ein „Hauptcentrum“ der fenishen Brüderschaft und erster Beamter dieser Organisation in London. Unter seinen in dem irischen Quartier in Holborn woh- nenden Landsleuten gtlt er indeß als ein Agent des sogenann- ten „O’Donovan Rofsa’schen Scharmügtelfon a Die e hofft in Kurzem im Zusammenhange mit der affen- beshlagnahme weitere wichtige Verhaftungen vorzunehmen. In Folge der Waffenentdeckung in London wurden die Schildwachen der Maryhillkaserne in Glasgow gleih verdop- velt, während andere an verschiedenen Punkten längs der Wälle postirt wurden. Niemandem von den in der Kaserne einquartirten Kavalleristen ift es erlaubt, dieselbe zu verlassen, und die gesammte Infanteriemannschaft hat Befehl erhalten, niht später als 10 Uhr wieder zu Hause zu sein. Die die inneren Anordnungen in den Kasernen betreffenden Regulationen sind alle verstärkt worden, und die Mannschaften sind für jede Eventualität gerüstet.

Aus der Grasschaft Limrick. in Jrland wird eine blutige That gemeldet, für welhe „Hauptmann Mondschein“ verantwortlich ist : : i

Ein in Ballyhahill wohnhafter Pächter Namens Walsh hatte sih wiederholt öffentlich zu Gunsten der Pachtzinszahlung aus- gesprochen. In der Naht vom Sonntag zum Montag erhielt er den Besuch ciniger „Mondscheinler“, von denen einer ihm dur den Hals {oß und ihn in seinem Blute liegen ließ. Walsh ist lebensgefähr- lih verwundet. j

Die zwishen England und Spanien gepflogenen Unterhandlungen für den Abschluß eines neuen Hanbels- vertrages sind suspendirt worden. Als Grund dafür wird spanischerseits angegeben, daß England Zugeständnisse bean- sprucht habe, welche die spanische Regierung als unvereinbar mit den Fnteressen spanischer Fabrikanten betrachtete.

22. Juni. (W. T. B.) Jn der heutigen Unterhaus- sißungkündigteNorthcote an, daß er den Premier Gladstone morgen darüber interpelliren werde, ob es wahr sei, daß die Pforte noh gegen die Konferenz Regierung, wenn dies der Fall sei, noch C Der Konferenz festhalte, von wem für den Verlust britischer Menschenleben und britishen Eigenthums in Alexandrien Entschädigung gefordert werden solle, und auf wen Eng- land baue wegen Aufrechthaltung des Friedens und der Ord- nung in Egypten. Auf eine Anfrage Cowens erwiderte der Unter-Staatssekretär Dilke: England habe das neue egyptishe Ministerium niht anerkannt. Der diploma- tishe Agent Englands, Malet, sei angewiesen, seine Kom- munikationen mit demselben auf Dinge, betreffend die Sicher- heit von Personen und Eigenthum, zu beshränken und nichts zu thun oder zu sagen, was eine Anerkennung des Ministeriums andeuten könne. Der französische Generalkonsul * handele in dem ¿ nämlihen Sinne. Das unterzeihnete Uneigennüßigkeitsprotokoll sei demjenigen vom 21. September 1880 ähnlih und s{wäche keineswegs die Stellung, zu der England in Egypten berechtigt sei. England gehe zu der Konferenz mit einer klar definirten Politik, wie aus Lord Dufferins Jnstruktionen hervor- gehen werde. Der Khedive habe auf den Rath des deutshen und des österreihishen Konsuls Ragheb Pascha mit der Bildung des neuen Ministeriums beauf- tragt; die Konsuln beabsichtigten wahrscheinliß den zeitweiligen Schuß des Lebens und des Eigenthums der Europäer herbeizuführen. England bringe eine klar definirte Politik zur Ausführung, um den Einfluß Englands in Egypten und die Sicherheit der Person und des Eigenthums britischer Unterthanen zu s{üßen. Auf eine Anfrage Chaplins er- widerte Dilke: falls bezüglich des Vorraths an frishem Wasser am Suezkanal zeitweilig eine Unterbrechung eintreten sollte, so seien Mittel vorhanden, um die Beschaffung einer genügenden Wassermenge zu sichern. Chaplin erklärte sich von dieser Erklärung Dilke's niht befriedigt und griff die Politik der Regie- rung auf das Hestigste an. Jm Laufe der Debatte kon- statirte der Premier Gladstone: auf den Suezkanal be- züglihe Fragen seien, soweit sie den egyptishen Ge- bietstheil desselben beträfen, von der Konferenz nicht ausgeschlossen; Spezialfragen bezüglich des Kanals, wie z. B. diejenige wegen der Neutralisirung desselben, seien indessen ausgeschlossen. Northcote meinte, dies sei eine wichtige Erklärung, welhe ein weites Feld für Be- trahtungen eröffne. Der Unter-Staatssekretär im De- partement der Kolonien Ashley, erklärte: über thal-

sählihe Feindseligkeiten im Zululande sei der Regierung keine Nachricht zugegangen. Das Haus sehte hierauf die Berathung der irishen Zwangsbill fort. Morgan Lloyd beantragte einen Zusaß zu Art. 12, durch welhen das Recht der Ausweisung von den öffentlihen Frieden gefährdenden Auéländern auch auf England ausgedehnt werden soll. Gladstone acceptirte den Antrag, wünschte aber, daß das Haus erst anläßlih der Berichterstattung über die Bill über denselben beshließe. Der Zusatzantrag Lloyds wurde \{ließ- lih mit 228 gegen 51 Stimmen angenommen.

Frankreih. Paris, 21. Juni. (Fr. Corr.) Der Ausschuß der Deputirtenkammer für die Justiz- reform hat den Vermittlungsvorschlag der Abgg. Girard und Guillot, nah welchem die Unabseßbarkeit bis zur Herstellung eines neuen Geseyzes über die Gerichtsverfassung suspendirt bleiben soll, verworfen, weil derselbe mit dem von der Kammer dem Ausschusse gewordenen Auftrage, ein solches Geseh auf Grundlage der gänzlihen Abschaffung der Unabsebßbarkeit und des Systems der Wahl des Richterpersonals auszuarbeiten, unvereinbar wäre.

22. Juni. (W. T. B.) Jn der heutigen Sihung der Deputirtenkammer erklärte der Conseils-Präsident de Freycinet in Beantwortung der Anfrage Périers : die Konferenz hält heute ihre erste Sißzung. Frank- reih und England gaben ihren Botschaftern ZJnstruk- tionen, die dahin zielen, als Grundlagen der Konferenz die Wiederherstellung der resp. Rechte des Sultans und des Khedive, und die Aufrehthaltung der Firmans sowie der internationalen Verpflihtungen feslzustellen. Jeder den Angelegenheiten Egyptens fremde Gegenstand wird von den

protestire, ob die’

Berathungen der Konferenz ausges{hlossen bleiben. Die Mächte unterzeihneten ein Uneigennüßigkeitsprotokoll, worin sie si gegenseitig untersagen, irgend welhen Vortheil außer- halb der Grundlagen der Konserenz zu suchen. Die Regierung hat Nichts von ihrer Unabhängigkeit aufgegeben, und wenn gegen jede Erwartung die Regierung sich gegenüber einer Lösung befinden sollte, welhe ihrer Würde nit entspräche, so würde sie die Freiheit der Aktion zurücknehmen. Aber sie ist überzeugt, daß das Einvernehmen bis zum Ende bestehen blei- ben wird. Jn jedem Falle kann man versichert sein, daß die Haltung des Marquis de Noailles eine solche sein wird, wie man sie von dem Träger der Vollmachten eines großen Landes, wie Frankreich, erwarten kann.

Der Senat hat heute den Gesehentwurf, betreffend die Einfuhr ausländishen Schweinefleishs, 0hb- schon der Handels-Minister für denselben eintrat, abgelehnt. Der Senat ging von der Erwägung aus, daß die Geseßvor- lage keine genügende Garantie gegen die Einfuhr von trichi- nösem Fleische biete.

Nach einer Meldung aus Oran haben Delegirte aus den Ortschaften der Dase Figuig eine Versammlung abgehalten und beschlossen, die französishe Regierung um freundschaftlihe Wiederaufnahme der durch die Feindselig- keiten der 3 Marabuts unterbrohenen Handelsbeziehun- gen mit Algier zu ersuhen. Das in der Oase Figuig und in deren Umgegend herrschende große Elend habe die Bewohner zu diesem Vorgehen genöthigt. Wie es heiße, wolle die französische Regierung dem Ersuchen stattgeben. Von den Delegirten sei gleichzeitig beschlossen worden, den eventuell in die Dase Figuig einrückenden französishen Trup- pen eine gute Aufnahwe zu bereiten, um zu verhüten, daß dieselbe in das Jnnere der Ortschaften eindrängen.

Marseille, 23. Juni. (W. T. B.) Die Häfen von Brest und Cherbourg haben Befehl erhalten, die Panzerschiffe „Jeanne d'Arc“, „Valeureuse“, „Flandre“, „Surveillante“ und „Reine Blanche“ seefertig zu machen. Aus verschiedenen nördlihen Häfen wurden circa 1300 See- leute nach Toulon beordert. Die auf Urlaub befindlichen Seeoffiziere sind telegraphisch zurückberufen worden. Das Evolutionsgeschwader liegt auf der Rhede von Toulon fortdauernd seebereit. Jm Arsenal stehen weitere Panzer- schiffe und Kreuzer disponibel.

Serbien. Belgrad, 22. Juni. (W. T. B.) Ein Erlaß des Königs ermächtigt den Minister des Jnnern, der Skupschtina einen Geseßentwurf wegen Ein- schränkung der Preßfreiheit vorzulegen.

Die „Ungarische Post“ meldet aus Belgrad: Der Geset- entwurf über die Einschränkung der Preßfreiheit bestimmt : 1) Preßdelikte und Vergehen werden nah dem Strafgeseße geahndet; 2) Preßdelikte unterliegen niht der Verjährung; 3) die Verbreitung fozialistisher Tendenzen in Zeitungen, Bro- shüren oder Buchform ist nicht gestattet. i

Jn der heutigen Sißzung der Skupschtina wies der Finanz-Minister Mijatowitsch in einer mit großem Beifall aufgenommenen Rede nach, daß das Land durch das Fallissement der Union générale keine Verluste erlitten habe. Anscheinend ist die Rede des Ministers von günstiger Rückwirkung auf die Position des Kabinets gewesen.

Bulgarien. Sofia, 20. Juni. (Wien. Ztg.) Fürst Alexander ist um 5 Uhr Abends hier angelangt. Die Minister, die hohen Funktionäre sowie die Einwohner, welche dem Fürsten vor die Stadt entgegengeeilt waren, bereiteten ihm einen sehr warmen Empfang. Die Stadt ist mit Flaggen geshmüdckt. Auf seiner Hierherreise empfingen den Fürsten überall die begeisterten Zurufe der an der Straße ver- sammelten Bevölkerung. Vulkovitsch ist am Sonntag hier ein- getroffen und hat gestern die Leitung des Ministeriums des Aeußern wieder übernommen,

Nußlaud und Polen. St. Petersburg, 22. Juni. (W. T. B.) Jn Folge der Entdeckung eines Nihilisten- verstecks auf Wassili-Ostrow in der Naht vom 16, auf den 17. d. M. wurde in der Nacht vom 17. auf den 18. d. M, in der Fonarnygasse ein zweiter Nihilistenversteck aufgefunden, woselbst ebenfalls mehrere Personen verhaftet wurden.

23. Zuni. (W. T. B.) Eine Cirkularverfügung des Ministers des Fnnern, Grafen Tolstoi, an die Gouverneure giebt denselben kund, daß die Verantwor- tung für fernere antisemitishe Demonstrationen auf die Gouverneure falle, und daß jede derartige Demonstration die sofortige Entlassung und gerichtlihe Verfolgung derjenigen amtlichen Personen nah \ih ziehen werde, deren erste Auf- gabe die Aufrechterhaltung der öffentlihen Ordnung \ei. Der modifizirte Zolltarif tritt am 1. Juli (a. St.) in Kraft, unter Beibehaltung des Goldzolles und Wegfall des zehnprozentigen Zuschlages; die bisherigen Zollsäße sind mit wenigen Ausnahmen erhöht und fast alle seither freien Waaren mit Zöllen belegt worden. Die Einführung der Frie- densgerichte in den baltishen Provinzen ist bis Neu jahr 1883 hinausgeschoben worden.

23. Juni. (W. T. B.) Wie der „Golos“ erfährt, hat das Ministercomité bes{lossen, das Eisenbahnneb Rußlands alljährlih um 1000—1200 Werst zu erweitern und zunächst folgende Zweigbahnen in Angriff zu nehmen: nah Schmerinka, Lugan, Millerowo, Torshok, Wiasma und von einer Station der Rostow-Wladikawkas-Eisenbahn nach Nowerossisk, ferner im östlihen Donbezirk von der Station Swereff und Moronesh an der Rostowbahn zur Wolga, so- dann eine Bahn von Mindau nach Tukkum, die leßte aber nur, wenn zum Bau derselben Privatmittel ohne Hülfe von Krongeldern beschafft werden, und Zufuhrbahnen nach Prekop und den Eltonsalzbergwerken und die Strecke Pensa-Losowaja.

Warschau, 22. Juni. (W. T. B.) Der Großfürst Michael is heute Abend 8 Uhr hier eingetroffen und im Schloß Belvedere abgestiegen. Die Stadt is mit Flaggen geschmüdckt.

Amerika. Washington, 20, Juni. (Allg. Corr.) Das Repräsentantenhaus hat die Apprepriationsbill angenommen, welhe der Regierung Kredite im Gesammt- betrage von 100 Millionen Dollars gewährt. Das Haus hat auch eine Maßregel genehmigt, welhe das Finanz-Ministerium bis zum 1. Juli 1884 ermächtigt, Standard-Silber-Dollars gegen Handels-Dollars auszutaushen, und die Prägung leßterer fuspendirt. Die Vorlage, welhe die Beförderung von Einwanderern regelt, ist von beiden Häusern des Kongresses gebilliat worden. Dieselbe versügt die Jnkrast- seßung sanitärisher Verordnungen, sorgt für die bessere Interbringung von Einwanderern an Bord von Schiffen und enthält au Bestimmungen für die Zurückweisung von Armen,

entlassenen Züchtlingen oder Personen, welhe wegen anderer als politischer Verbrechen verfolgt werden. Das Repräsen- tantenhaus hat Jerner den Geseßentwurf angenommen, welcher den Dampfergesellschaften eine Abgabe von 50 Cents per Kopf für die Verpflegung und Unterstüßung von Ein- wanderern bei ihrer Landung in den Vereinigten Staaten auferlegt.

__Der Senat bestätigte heute die Ernennung sämmtlicher Mitglieder der Tarifkommission.

Afrika. Egypten. Alexa ndrien, 22. Juni. (W. T. B.) Arabi Pascha und die anderen Minister befinden si noch hier. Die Auswanderung der Europäer is im Abnehmen begriffen. Man hegt Vertrauen zu dem neuen Ministerium, in welchem man einen nicht zu untershäßenden Versuch zur Versöhnung der Militärpartei mit dem Khedive findet. Wie es heißt, würde an Stelle der Untersuchungs- kommission betreffs der am 11. d. M. stattgehabten Un - ruhen eine andere Kommission treten, in der die Konsulate vertreten sein würden.

Das „Reutershe Bureau“ meldet: Derwish Pascha empfing gestern eine Depesche des Sultans, welche ihn anweist, Arabi Pascha mitzutheilen, daß der Sultan von seiner Haltung befriedigt sei, und welhe Dertwisch Pascha auffordert, Alles aufzubieten, um Arabi Pascha zu bestimmen, daß derselbe noch vor der ersten Sipung der Konferenz sih nah Konstantinopel begebe. Gleichzeitig ging dem Khedive eine Depesche des Sultans zu, welche dessen Befriedigung über das Verhalten des Khedive ausspricht und dem Khedive zu- sichert, daß er alles ihm Mögliche thun werde, um seine Autorität zu stärken.

Kairo, 22, Juni. (W. T. B.) Der Sekretär der europäischen Kontrole-Kommission, Hoode, der vor einigen Tagen vom Nervenfieber befallen wurde, hat \ich in einem Fieberanfalle selb} entleibt.

(Allg. Corr.) Ueber dieEntstehung der Unruhen in Alexandrien am 11. Funi wird der „Morning Post“ von einem „Augenzeugen“ berichtet : |

„Ein Grieche hatte einen Esel geritten und \sih geweigert, dem arabischen Eigenthümer des Thieres die geforderte Gebühr zu ent- rihten. Der Araber verseßte dem Griechen einen Schlag, worauf dieser sofort ein Pistol zog und den Araber niederschoß. Die anwesenden Araber nahmen natürlich Partei für ihren Landsmann und mißhandelten den Griechen. Zu gleicher Zeit stieß ein Araber in einem Café unweit der grande place einen Tis, an welchem ein Grieche saß, umz der Grieche \{blug ihn, wodur ein anderer Streit entstand. Die zwei Raufereten lockten eine große Volksmenge an, und das Ende war eine allgemeine Sclägerei. Inzwischen hatten sih die Griechen in die Häuser be- geben und feuerten aus den Fenstern ihre Gewchre auf die Menae ab. Die arabischen Muhamedaner begannen zu schreien: „Nieder mit allen Europäern!“ Der Ruf verbreitete sich wie Wildfeuer, und binnen 20 Minuten waren zwischen 50 und 60 Europäer getödtet. . ._. Die egyptisen Soldaten führten ih gut auf. Sie gaben Feuer auf den Pöbel und retteten viele Europäer.

Zeitungsfstimmen.

Jn der „Schlesischen Ztg.“ lesen wir:

Der Reichskanzler hatte in seiner Rede am 12. Juni die Ansicht au8gesprocen, „daß die Auswanderer das Bedürfniß haben, sih der direkten Steuerschraube und der Exekution zu entziehen und na einem Lande zu gehen, wo die Klassensteuer nit eristire und wo \ie außerdem die Produkte ihrer Arbeit gegen fr mde Konkurrenz geschÜünt wüßten.“ Dem gegenüber hatte der Abg. Richter am nächsten Tage er- klärt: „Gerade die Landarbeiter sind es, welche auswandern, und diese haben doch in Amerika gar keinen Schutz !“

Darauf sagte denn Fürst Bismarck: „Nach Herrn Richter existirt in Amerika kein Kornzoll. Inzwischen habe ich mir den amerika- nischen Tarif geben lassen, nach welchem für 1 Bushel Roggen 15 Cents, für 1 Bushel Weizen 20 Cents bezahlt werden. Ich hatte daher vollständig Necht, zu behaupten, daß der amerikanische Getreide- zoll erheblih höher ift, als der unsrige.“

Auf die Erwiderung des Reichskanzlers, in Amerika müße aller- dings ein Kornzoll bezahlt werden, entgegnete Hr. Richter: e Bezüglich des Getreidezolles in Amerika habe ich formell, aker nit inbaltlic geirrt. Es besteht dort noch ein Zoll. Thatsäcblich aber hat der- selbe seit der riesigen Zunahme der Getreideproduktion im dortigen Westen auch diejenige geringe Bedeutyng verloren, welche er früher Neu-England und Canada gegenüber noch besaß.“

Der Correspondent der „Schlesischen Zeitung“ macht nun zunächst darauf aufmerksam, daß die Bundesstaaten Massachusetts, Connecticut, Nhode-Jsland , New: Hamsphire, Maine und Vermont Neu-England bilden und fährt dann fort :

Es besteht dort „noch“ ein Getreidezoll! Jawokhl, er besteht noc, und die Partei, welche es unternehmen wollte, ihn abzuschaffen, würde mit dem Programm, in welchem sie gegen den Getreidezoll Stellung nimmt,ihr i politisches Todesurtheil unterzeichnen. Denn dieser Zoll ift nit, wie Hr. Richter behauptet, „bedeuiungslos*“; er ist einfa cin Scbutzzoll der s{roffsten Art, ein Probibitivzoll, welcher das fanadische Getreide vom Markte der Vereinigten Staaten aus\{ließt. Das riesige, zum großen Theil schr fruchtbare Gebiet von Canada mit einer fleißigen, größtentheils ackerbautreibenden Bevölkerung bat dieselben landwirthscaftliben Produktionsverbältnisse, wie der Norden der Vereinigten Staaten. Bei einem theilweisen Mißwachs des Getreides in den „Weizenstaaten“ der Union würden die „Kanucken“ (wie die Canadier von den „Yankees“ genannt wer- den) si beeilen, den Markt der Union mit ihrem Weizen zu ver- sehen, und deshalb hat man in den Vereinigten Staaten den Zoll von 20 Cts. per Bushel. der cinem Prohibitivzoll gleihkommt, dem Zolltarif einverleibt. Der Bushel ift nur glei 35,238 1, d. h. etwa glei sieben Zehntel cines deutshen Neuscbeffels. Ein Zoll von ca. 26 Cte., d. h. von etwa 1,18 # auf den Scbeffel ist, wenn man die Tranéêportkosten hinzure@net, genügend bo, um dem canadischen Getreide den Markt der Union gänzlih zu \perren. Eine andere Konkurrenz als die canadische hat aber der amerikanisce Farmer nicht zu fürcbten __ Einer Nachlese des „Schw ä bischen Merkurs“ zu den Verhandlungen des Reichétags über das TabalCmonopol ent- nehmen wir Folgendes :

Bei der 2. Lesung wurden \tundenlange Reden über vreußisce Verhältnisse gehalten, von den süddeutscen Abgeordneten, die für das Monopol waren, kam aber keiner mehr zum Worte, was in so fern zu bedauern ist, da gerade die Darstellung der preußiscben Steuerverhältnisse dazu geeignet war, den Beweis zu liefern, daß für die säddeutshen Staaten Bavern und Württemberg einé höhere Besteuerung des Tabads noch weit noth- wendiger ist, als für die norddeutsben, da leßtere die Branntwein- und Malzstener noch wesentlich erhöhen können. Im Reichssteuergebiete (Preußen, Sachsen u. \. w.) ist der Steuersatz pro Centner Malz nur 2 , während in Württemberg der Centner mit 5 M und in Bayern das Hektoliter Malz mit 6 M belastet ift. Die 5 Millionen Bayern zablen 31 Millionen Malzsteuer, während die 42 Millionen Deutsche bis jetzt nur 22 Millionen Tabaksteuer tragen. Der Norddeutsche zablt per Kopf 55 Malz- steuer, der Württemberger 3 K 85 K, der Baver 6 M Im Reichs- steuergebiet ist daher Taback und Bier ungefähr glei ho besteuert,

in Württemberg dagegen zahlt das Bier das Siebenfache, in Bayern togar das Zebhnfache des Tabacks. Wenn im Reichstage behauptet wurde, es musse zwisben den direkten und indirekten Steuern ein ritiges Verhältniß erstellt werden, so ist es do gewiß ebenso noth- wendig, daß auch die indirekten Steuern in einem richtigen Verhält- nisse zu einander ftehen, was bis jeßt durchaus nit der Fall ist. Es ist eine Ungerechtigkeit, daß das Salz so viel, das Bier viel mehr Steuer beibringt als der Rauh, und wenn die Schanksteuer im Reichésteuergebicte erhöht wird, so nußt uns das nicts wir fönnen diesem Beispiele nit mehr folgen. Wenn nun auch durch die tagelangen Verhandlungen bis jeßt nur ein negatives Resultat erzielt wurde, so waren diese Verhandlungen doch nicht werthlos, sie haben jedem Unbefangenen in und außerhalb des Parlaments flar gemacht, daß die Tabacksteuerfrage noch nicht abge- {lossen ist. Von nicht zu untershäßender Bedeutung war der Aus- spruch Bambergers, „er sei kein fanatisher Gegner des Monopols er beuge sich aber vor dem Willen der Nation !“ Hâtten die Preß- organe, hätten Diejenigen, welche die öffentliche Meinung machen, an der Hand der obigen Zahlen sih für das Monopol ausgesprochen, so wäre in einem großen Theile Deutschlands die Stimmung für daf- selbe fo günstig wie in Württemberg Die „Straßburger Post“ bringt eine Correspon- denz aus Freiburg in Baden über die lebte Neichstagssefsion in welcher es heißt: : _Das Monopol hat tiefen und breiten Boden in den weitesten Swichten der Bevölkerung, Der dies \chreibt, kennt das Volk und die Tabackproduzenten. Der Umschlag in dieser Frage vollzieht si jeßt {on innerlih und es bedarf nur einer vernünftigen und mäßi- gen Behandlung der Sache, um diesen innerlicben Uebergang zur äußern Gestaltung zu bringen, : :

| __ Statistische Nachrichten.

K A Mittheilung des Statistischen Amtes der Stadt E In H e A mogen Standesämtern in der Woche i EbesPließune in 7 (. Zuni er. zur Anmeldung gekommen:

esch agen, 839 Lebendgeborene, 35 Todtgeborene, 757 Sterbefälle.

Die Nr. 43 der „Deutschen Bauzeitung“ bespricht eingehend das neu ersundene Gersons\che Berieselungss\ystem, welches die Schäden des alten Rieselsystems, namentli die offenen Zuführungs- gräben mit ihrem übelriehenden Schlammabsatz beseitigen und die gleihmäßigere Vertheilung des Rieselwassers auf die zu berieselnden Slähen anstreben foll. Die genannte Zeitung fordert bei der großen Bedeutung dieser Erfindung zu weiteren Versuchen auf, und schildert einen mit diesem System in Hohen-Schönhausen bei Berlin gemalten und vollständig gelungenen Versu. Die „Bauzeitung“ schreibt darüber: ( i; i

i Diese Anlage, welcher die Aufgabe gestellt ist, möglichst große Mengen von Berliner Rieselwasser aufzunehmen (die Grenze bildet die Ueberdüngung der Früchte), wird hauptsächlih im Winter be- rieselt und ein Theil der Fläche bleibt für die ersten Sommermonate reservirt, um denjenigen Theil der zugeführten Wassermenge aufzu- nehmen, der zur Bewässerung der Saaten, Rüben oder Wiesen des Haupttheils der Fläche zeitweilig nicht unterzubringen ist. Später wenn die Gersten- und Roggenfelder für Wasseraufnahme frei wer- den, wird jener refervirte Theil mit Roggen, Raps 2c. bestellt,

Die einzige fire Anlage zur Berieselung sind gußeiserne Zufluß- röhren, deren Durchmesser nah dem vorhandenen Druck wechselt, in maximo aber nicht über 15 cm pro 25 ha zu betragen braucht. Diese Röhren sind auf dem betr. Felde in Parallelabständen von nit weniger als 400 m frostfrei verlegt. Dieselben tragen in Entfer- nungen von 200 m kurze Standröhren, durch Wasserschieber einzeln absperrbar, an welch erstere die eigentlichen Rieselapparate ange\sch{lo\sen werden. :

,_ Das Feld wird auf folgende Weise zur Wasseraufnahme vorbe- reitet: mit einem für diesen Zweck besonders konstruirten Pfluge der cine Furche von 55 ecm Breite, aber von nur ca. 15 cem Tiefe aufwirft, werden kreuz und quer Dâmme aufgepflügt. Feder Damm erfordert einen Hin- und Rückgang des Pfluges und ¡wischen den Furchen bleibt ein sogen. Balken von 60—90 ecm Breite stehen, um Plaß für die aufgestülpte Erde zu gewinnen. Es entstehen durch diese Arbeit Dämme von 1,2 m Breite und 0,45 m Höbe deren Abstände von einander genau entsprechend dem Gefälle des Terrains gewählt werden.

Ein Terrain, welches pro Meter 2 ecm Gefälle bat, erhält bei der Annahme, daß das Wasser an einem Damm 22 ecm hoh steht, um bis zur Sohle des nächst höheren Dammes gedrückt zu werden, Dämme in Entfernungen von 11 m. Bei gleiher Wasserhöhe erbält ein Terrain, welches nah einer Richtung pro Meter 3 ecm, nah der andern nur 1 cm Gefälle hat, in ersterer Richtung Dämme in je 8 m Entfernung, während in letzterer 22 m Entfernung genügen würden. ; .

Das Gersonshe System soll aub bei Zuckerfabriken, bei der Stärke-Fabrikation, ferner bei Papierfabriken, Brennereien, Mälzereien Gerbereien und bei Wäschereien mit Vortheil zur Reinigung der ab- fließenden Wasser benußt werden fönnen, und würde, falls dies si in der Praxis bewährt, für diese genannten Fabriken von großem Werthe fein.

_ Den Mittheilungen der Großherzogli Hessiscen GCentralstelle für die Landesstatistik entnehmen wir folgende Ueber- sicht der Studirenden auf der Landes-Universität Gießen im Sommersemester 1882; Es studirten evangelische Theologie 47 Hessen, 12 Nichthessen, zusammen 59 (davon 22 Immatrikulirte): Recbts- wissenschaft 61 Hessen, 9 Nichthessen, zusammen 70 (davon 21 Imma- trikfulirte); Medizin 55 Hessen, 18 Nicbthessen, zusammen 73 (davon 20 Immatrikulirte); Zahnheilkunde 1 Nicbtbesse: Thierheilkunde 9 Hessen, 12 Nichthessen, zusammen 21 (davon 4 Immatrikulirte); Kame- ralwissenschaft 8 Hessen (davon 3 Immatrikulirte) ; Forstwissenschaft 36 Hessen, 4 Nicbthessen, zusammen 40 (davon 9 Immatrikulirte); Mathematik 27 Hessen, 4 Nicthessen, zusammen 31 (davon 3 Imma- trikulirte); Philologie 54 Hessen, 6 Nichtbessen, zusammen 60 (davon 8 Immatrikulirte); Philosophie und Naturwissenscaften 28 Hessen, 2 Nicbthefsen, zusammen 30 (davon 6 Immatrikulirte); Gescicbte

Hessen, 1 Nicbthesse, zusammen 9 (davon 2 Immatrikulirte); Pharmacie 7 Hessen, 9 Nichthessen, zusammen 16 (davon 4 Imma- trifulirte); Chemie 9 Hessen, 8 Nichthessen, zusammen 17 (davon 3 Immatrikulirte). Zusammen studirten in Gießen 435 (349 Hessen und 86 Nichtkessen, von denen 105 Immatrikulirte).

Land- und Forstwirthschaft.

Essen, 21. Juni. (Essener Ztg.) Obschon wir au in hiesiger Gegend über Mangel an Regen in den leßten Wochen nicht zu kla zen hatten, viel bäufiger aber nur zu reiblich damit bedacht waren, \o gehört doch eine so anbaltend \ch{leckte Witterung mit so ab- normer Kälte, wie sie in der vergangenen Woche herrschte, im Monat Juni zur Seltenheit. Der herrliche Anblick, den die in Ueppigkeit und Fülle prangenden Fluren vor vierzehn Tagen noch dar- boten, ist bedeutend abgeschwäht. Das anhaltende Unwetter hat die großea Erwartungen der Landwirtbe schon bedeutend herabgedrückt und kann dieselben, wenn es nod lange so fortdauert, sogar vollständig zu nihte maben. Klee und ein großer Theil Wiesengras, schon längere Zeit gemäht, sind dem Verderben ausgeseßt und liefern auch im güastigften Falle nur ein sebr fraft- loses und vom Vich ungern gefressenes Futter. Zu bedauern ift bei soldem Wetter auch das Vieh, das draußen weiden muß, es gedeiht dabei nit und die Erzeugnisse desselben, Mil und Buiter, sind an Quantität und Qualität geringer. Der Roggen hat \ich vielfach gelagert und entzieht dem darin wacsenden jungen Klee Luft und Licht. Der Weizen, der jetzt in Blüthe steht, bedarf sebr trockener, war- mer Witterung, hier und da sieht man {on Weizen, der vom Roft be- fallen ist, Für die Frühkartoffeln ist der Regen unbedingt nachiheilig ge- wesen, do auch die Spätkartoffeln bedürfen keines solcben mehr, sonst wird die Arbeit des Anhäufelns, was jeßt \chon, nit allein wegen der Nässe, sondern au wegen der Größe der Kartoffeln, nit gut mehr

mit dem Haufelpflug auszuführen ist, mit solhem überhaupt unmsöx- lih und müßte das Verfahren dur die zeitraubende Arbeit at Tes Pidbade ausgeführt werden. Für das Verpflanzen der Kappus- Runfkel- und Steckrübenpflanzen war etwas regnerische, trübe Witte- rung erwünsct, doch ein Uebermaß davon ist au dazu hinderlich. Hoffen wir, daß das Wetter, wie es den Anschein hat, sich ändern möge, damit die {limmen Befürchtungen sich nit verwirklichen.

E ; Gewerbe und SDandel.

i Vie Berliner Stadtverordneten-Versammlung hat in ihrer gestrigen Sißzung in Bktreff der Anleihe von 45 Millio- nen Mark folgende Änträge ihres Ausschusses angenommen : „Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden: 1) daß für die Fort- führung der Kanalisation, die Herstellung fester Brücken, die Erwei- terung, der Wasserwerke, den Bau des Dienstgebäudes des Königlichen Polizei-Präsidiums, eines Krankenhauses im Süden der Stadt meh- rerer Markthallen und eines Hospitals und Siechen- hauses, die Vollendung des Viehbofes und die Ent- schädigung der Schlachtberechtigten bei Cinfüßrung des Swlacht- zwanges, jowie für die Bestreitung von Kosten, welche in Folge der Ausführung der Stadtbahn erwacbsen, eine Obligationsanleihe im Betrage von 45 Millionen Mark aufgenommen und für dieselbe die staatliche Genehmigung nahgesubt wird; 2) daß die Verzinsung dieser Anleihe zu 4% jährli erfolgt und die Zinszahlungstermine auf den 2. Januar und 1. J angeseßt werden; 3) daß die Amortisation mit 1% jährlich des ursprünglichen Anleihbe- apitals und den er]parten Zinsen stattfindet und am 1. Sanuar 1888 beginnt; 4) daß die ausgegebenen Anleihescheine auf 5000, 2000 1020, 500 und 209 M. lauten und der Magistrat auch die Ge- nehmigung zur Ausgabe von Anleihescheinen zu 100 4 zu erwirken qut; 5) daß im Uebrigen die bisherigen Anleibebedingungen bestehen bleiben. Die verfassungsmäßige Beschlußnahme über die Erweite- rung der Wasserwerke, den Bau eines Krankenhauses im Süden der Stadt und eines Hospitals und Siechenhauses für Männer, über die in Folge der Erbauung der Stadtbahn nothwendig werdenden Straßenanlagen und die zu errichtenden Markthallen, sowie über die Vial gi der Anleihe auf die einzelnen Anleihezwecke bleibt vor- CDALTEIL *

Nordhausen, 22. Juni. (W. T. B.) In der heute bie stattgehabten Generalversammlung der C Es E Eisenbahn waren 2722 Aktien mit 544 Stimmen vertreten. Die Gewährung einer 59% Dividende für die Prioritäten wurde ge- nehmigt, der Antrag auf Ausdehnung der Vertretung der Zinsgaran- tien im Verwaltungsrathe bis zur erfolgten Rückzahlung der garan- tirten E mit 298 A abgelehnt. i

Nota, 2 R, B.) Wollmarkt. Die 2 betrug 2400 Ctr. Der Markt war zeitweilig flau, wurde A Mittag A aas A durd,s{nittlih gut. Im Allge- metnen wurden vorjahrige Preise bezahlt, in einzelnen "a Veh, 10 E ia : Prag, 22. Juni, (W. T. B.) Der Reingewinn der Böhmi- \chben Nordbahn pro 1881 beträgt 491 957 G also 77/3738 SL mehr als im Vorjahre. Davon erhält der Erneuerungsfonds 70000 Fl., der Reservefonds 15 542 Fl. ; der Rest von 414 414 Fl. wird auf das Sanirungskonto gebucbt. Die Sanirung wird als beendet erklärt, und es crfolgt die Wiedervertheilung des Reingewinns iowie die Wiederaufnahme der Verloosung und die Kuratelaufhebung vom Jahre 1882 an._ Der Reingewinn der Prag-Duxer Bahn im Betrage von 326 006 F. (61 871 Fl. mehr als im Vorjahr) wird vertragsmäßig A a Juli d. I. dem Kurator der Prioritätenbesiter zur Verfügung gestellt.

London, 22. Juni. (W. T. B.) In der gestrigen Woll- auktion waren Preise unverändert.

Verkehrs-Anstalten.

Triest, 22, Juni. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Pollurx“ ift heute Nachmittag 2 Uhr aus Konstantinopel hier an- gekommen.

Berlin, 23. Juni 1882,

Se. Königliche Hoheit der Herzog von Aosta hat au bei seiner diesmaligen Anwesenheit in Berlin dem Augu sta- Hospital eine großmüthige Spende von 2000 Francs überweisen lassen.

Von der Königlich Bayerischen Akademie der Künste in München wurde im März d. J. zur Prüfung der von dem Chemiker und Kunst- anstaltsbesißer Adolf Keim in Müncben erfundene „Mineral- malerei“ eine aus den Professoren Wilbelm Lndenschmit, Andreas Müller und Gabr. Mar, den Arcitekten Albert Schmidt und Fritz Oah)felmann und dem Chemiker Dr. Otto Ließenmaver gebildete Kom- mission eingeseßt, deren Gutachten jetzt gedruckt vorliegt und i ohne jede Einschränkung dahin ausspricht, daß es dem neuen Verfahren ge- lungen sei, durch Feststellung einer durchaus rationellen Technik das Problem der Herstellung von durch das Klima unzerstörbaren Wand- malereien vollständig zu lösen. Insbesondere erklären die der Kommission angehörigen auéübenden Künstler, daß „die in Rede stehende Mal- methode allen bisher für monumentale Malerei angewandten Tecb- niken weitaus vorzuziehen sei, daß sie, einmal in ihrem hohen Werthe erkannt, cine förmlibe Umwälzung in unserer gesammten Monu- mental- und Dekorationsmalerei hervorbringen dürfte und die größte

Verbreitung und praktishe Ausnützung verdiene.“ Das Ver- sahren, dessen Auébildung und praktische Ervrobuna den Er- finder bereits mehrere Jahre bindur beschäftiat hat, führt auf der von J. Schlotthauer und J. N. von Fuchs erfundene und unter Mit- wirkung von W. von Kaulba, Ecbler u. A. in die Praris eins geführten Stereohromie, deren Mängel in Be ug auf die Dauer- haftigkeit der dana hergestellten Gemälde es dur wesentliwe Ab- anderungen zu beseitigen unternimmt. Seine Verbesserungen erstrecken nb sowohl auf die Herstellung des Untergrundes nebst dem eigent liden Malgrund wie auf das Malen selber mit Eins{luß der Prä- parirung der Farben und auf das \{ließlide Firiren des fertigen Gemäldes. Der Untergrund is der aub bei der Stereocbromie verwendete, aus gelöswtem Kalk, Sand und Waßer zemisbte Kalkmörtel, der na dem Trocknen mit rauben Sandstein abgerieben und dann mit Kaliwasserglas imprägnirt wird. Bevor man ihn aus- trägt, hat bei Neubauten das Mauerwerk vollständia auszutrocknen, während bei älteren Gebäuden die betreffende Stelle bis auf den Stein bloßzuleaen und in den Fugen auszukratzen it. Der eigent- lie Malgrund, der bei der Stereocbromie der gleiche ist, wird bei dem neuen Verfahren aus 4 Maßthcilen Quarzsand, 3+ Theilen Marmorsand, 7 Theil Infusorienerde und 1 Theil Aetkalk zusammengesetit, den man mit destillirtem Wasser anrübrt. Es ergiebt si daraus cine Masse, die dur die Beimiscbung von koblcnsaurem Kalk in der krvstal- linishen Form des Marmorsandes erheblih gefestiat wird und zue aleib mittels der gleihförmig rauben und porôsen Beschaffenheit die Farben vôllig in sid einsaugt. Dur den Zusatz fein zertbeilter Kiefel)aure in Gestalt der Infusorienerde wird ferner die Bildung von Kalkjilikaten befördert, und damit die Härte und Widerstandsfäbig"eit des Materials gegen chemische und mechanisce Einwirkungen noch weiter erhöht. Dieser Malgrund wird bierauf nach dem Austrocknen mit Kiesel- fluorwa}sertoffsäure dur{chtränkt, die den an der Oberfläche entstandenen frystallinishen koblensauren Kalk zerstört und noch erfolgreicher als das bloße Abreiben mit Sandstein gleibsam die Poren der Masse öffnet, die nun die aufzutragenden Farben in i aufsaugen soll. Die leßteren, die bei der Stereochromie cinfaw mit Waser angerieben werden, erbalten nach dem Keimschen Verfahren bei der Zubereitung je nab ihrer Natur verschiedene Zusätze, die darauf berecnet sind, eine Silicatbildung der Bestandtheile des Farbkörvers unter sich und mit den Materialien des Obergruades zu befördern, und dur dieses“ Zusammenwahsen der Masse eine erböbte Sicberheit und Dauerbaftigkeit verbürgend. Um ferner dem Uebelstand des Nacdunkelns oder aber Verblassens einzelner Töne unter der Ein- wirkung des {ließli zur Firirung dienenden Wasserglases vou vorn-

e E O L T E