1925 / 259 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 04 Nov 1925 18:00:01 GMT) scan diff

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schulgesebßes, da sie ja nicht in erster Linie zur Kompetenz dieses Hauses gehör1, hier micht vertiefen. Über nacbdem eigentli alle Nedner dieses Thema angeschnitten haben, möchte ih do einige Worte dazu bemerken. Wie die historishe Entwickiung der Neichs- berfassung und die Geschichte des Scharlkomprom:sses nun einmal gewesen ist, glaube ih, daß es niht möglich sein wird durch Inter- prebation der Reichsverfassung die notwendige Grundlage für ein Vieichschulgesep zu schaffen. Die Versuche, die wir auf diesem Gebiet erlebt haben, ermutigen nicht, da die Auslegung sehr ver- ieden ist. Man soll nihtFon einem BVerfassungsparagraphen aus- gehen, der ein Kompromiß war, wie allgemein bekanni ist, sondern wir follten von dem lebendigen Bodürfnmis des preußischen und des deuishen Volkes ausgehen, und dieses liegt nah meiner Meinung vor allem darin, daß wir uns nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen, sondern endlih einmal dieses leïdige konfessionelle Problem aus der Schule entfernen. Wir brauchen in Preußen Ruhe für unsere schuli sche Entwicklung, und die kann uns nur zuteil werden, wenn ein ein- deutiges und klares Neichsshulgeseß geshafsen wird und endlich auf diesem Gebiete Frieden ist Jch glaube, daß dieser Friede nicht \so schwer zu erreichen ist, wie es einstweilen noch scheint, solange immer noch eine Gruppe die andere zu übertrumpfen sich bemüht. Wir kommen nur zum Ziele wenn wir offen zugeben, daß feine Partoi und keine Richtung die andere zwingen kann, auf ihren Weltanschauungsboden zu treten, wenn wir eine Formel sirtden, um die- konfessionêlose, die konfessionelle und die interkonfessionelle Schule je nah dem Willen der Erziehungsberechtigten als gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, wenn wix uns bemühen, die Minderheiten zu sichern, wenn wir die Gemeinden einfah durch Majorität darüber entscheiden lassen, welhes Schulprinzip sie haben wollen, und dabet die bestchenden Verhältnisse als auf Antrag geschaffen vorausseßen. Das können wir ruhig, wenn die Minderheiten gesichert sind, auch ohne Schwierigkeit tun. Wir müssen uns nun mal miteinander vertragen, und ich glaube, daß ein fsolher Weg wird gefunden werden können, und ih glaube, daß es dann Juristen genug geben wird, die seine Mereinbarkeit mit der Reichsverfassung überzeugend darlegen werden. (Heiterkeit.)

Meine Damen kd Herren, der dritte außerordentliche Gefahren- punkt in Beziehung auf unsere Bildungseinheit“ \st das Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nah einer einheitlihen deutshen Bildung uwd nach der tatsächlihen Differenziertheit unserer Lebensbedürfnisse. Hier liegt meiner Meinung nah die große Bedeutung der Boelißshen Schulreform; denn dieses Spannungsverhältnis ist gelöst und überwunden worden durch diese Meform. Es i} als Grundsaß aufgestellt worden, daß das deutsche Bildungsgut im einzelnen differenziert, aber in der Hauptsache durch alle Schulen als Ginheit durhgeht und daß der Differenziertheit der Lebensbedürfnisse durh die charakteristishen Fächer der großen vier Schultypen Rechnung getragen wird, so daß ih wirklich glaube, daß wir in diesem Punkte eine große Gefahr überwunden haben und damit in gewisser Hinsicht auh vorbildlich für die Lösung des, gleichen Problems der anderen Kulturvölker gewesen sind.

Endlich das vierte große Gefahrenzentrum, das sih der Cin- heitlichkeit der Bildung gegenüberstellt, sehe ih in der sozialen Differenziertheit unserer Bildungsschichten. Jch halte es für eine ganz unendliche Gefahr, daß, wie wir früher sozial zwei sih nicht verstehende Völker in Deutschland nebeneinander hatten, dieser Zustand auch auf kulturpolitrshem Gebiete in die neue Beit hätte hinübergetragen werden können. Es mußte ein Weg gefunden werden, um die eiheitlihe Bildung, wie sie bei uns durch die höheren Schulen verkörpert ist, auf die Volksschulen zu über- tragen. Dieser Weg ist gefunden durch die neue Lhrerbildung, in der Weise, daß jeder künftige Volksschullehrer einmal die höhere Schule besucht hat, dieses Bildungsgut in sih aufgenommen hat und es nun auf einer zweijährigen pädagogishen Akademie lernt um- zugestalten in Volksbildung. Dadurch ist eine einheitlide Bildung für das ganze Volk für die Zukunf arantiert.

Wir sehen also, meine Damelind Herrèn, daß hier zweifellos eine einheitliche Linie der Kulturpolitik liegt, daß es sih hier nicht um cin Chaos von fleinen Reförmchen handelt, sondern daß diese Dinge tatsächlich, wie ich glaube, aus dem Zwange ver Dinge heraus doch von uns, von meinen Vorgängern und mir, einheitlih gesehen wovden sind.

Bei dieser Sachlage kann ih es eigentlich nicht ret verstehen, daß der Herr Abgeordnete Schwarzhaupt gestern eine Kritik meiner Kulturpolitik hier ausgeführt hat, niht nur der

Personalpolitik, sondern au der sachlichen Kultkurpolitik, und dar- gelegt hat, daß die Volkspartei mir nur zustimmen könnte, wenn ih meine Kulturpoliti? ändere. Ich gebe zu, daß mir das vollkommen unverständlich ist, da in den großen Sachfragen eine Aenderung der Politik des Ministeriums seit dem Nücktritt des Ministers Boelihz nicht erfolgt ist. Es kann doeh nicht so sein, daß der Abgeordnete Schwarzhaupt hier etwa an die simultanen pädagogischen Akademien denkt, die allerdings vom Ministerium Boeliß, so lange Herr Boeliß Minister war, auch nicht geso1dert wurden, und ih have seinerzeit als sein Staatssekretär im Hauptausschuß mich ausführlich gegen \simultane Akademien ausgesprochen. Daß Herr Boeliß nun als Abgeordneter im Rahmen seiner Partei eine andere Stellung ein- nimmt, als er sie bisher als Minister etngenommen hat, daraus kann man doch s{ließlich dem Ministerium, das die Politik des Herrn Boelißz fortseßt, in diesem Punkte keinen Vorwurf machen. (Sehr gut! und Heiterkeit.) i

Meine Damen und Herren, da ih gerade dieses Thema i: der simultanen Akademien hier angeschnitten habe, so möchte ¡G do noch einige Bemerkungen über meine Nede im Hauptausschuß hinaus hier zu Ihnen machen. Die Sache mit den fimultanen Akademien liegt nämlich so, daß ich nicht nur aus etner innerlichen Ueberzeugung dafür eingetreten bin, wenigstens für den Versuchéfall, den wir jeßt vor uns haben, die simultane Ausbildung auf einer Akademie noch zurückzustellen (Zurufe), sondern es haben mich auch sehr reale praktishe Gründe dazu bestimmt (Zuruf: Grundsäßzliche Erwägungen!), nicht etwa nur Gründe finanzieller Natur, sondern ‘i kann Ihnen ganz klar und deutlih sagen: Diese simultane Aka- demie wird eine Akademie sein für Evangelische, für Dissidenten und für Juden (sehr richtig!); einen Katholiken bekommen Sie nicht auf diese Akademie, und damit fällt meiner Ansicht nah der eigentliche fimultane Charakter, der christlih-simultane Charakter, den wir er-

reben, in sich zusammen. :

E Ich i L beweisen, und zwar durch eine Aeußerung des

Der Episkopat hat nämlich in einem langen Schreiben, in dem er sich mit diesen Dingen ause.nanderseßt, sich dahin erklärt, daß als geeignet zur Wirksamkeit an fkatholishen Schulen in Zukunft nur solche Lehrer ketrahtei werden fönnen, die an katholischen Akademien eine voll genügende Ausbildung erlangt haben. Anderen kann iné- besondere die missio canonica für den Religionsunterricht nit er- teilt werden. Deshalb verlangt der Episkopat, daß obigen Anforde- rungen Rechnung getragen und der so ausgestattete konfessionelle Charakter der Anstalten in Zukunft sichergestellt werde. (Zuruf links: Das if ja shoû ein kleines Konkordat, das da besteht) Von einem Konkordat is nit die Reve. Was ich hier vorgetragen habe, sind die Wünsche des Episkopats, und, meine Damen und Herren, wir wollen uns do in ‘diesen Dingen kein X für ein U vormachen. Fch möchte den fatholisden Lehrer sehen, der es wagte, an einer konfessionellen Schule den Meligionsunterriht zu übernehmen, wenn die Geistlihkeit ihm die missio canonica dazu niht gäbe. (Sehr rihtig! im Zentrum.) Das gibt es niht, und wir wollen doch unsere Augen vor den Realitäten, so unbequem sie uns sein mögen, nit verschließen. Also ob mir das bequem ist oder niht, darauf kommt es nicht an. Ich bin hier für absolute Offenheit. Sie werden in meinen weiteren Ausführungen noch einige Bemerkungen nach der Nichtung vernehmen. (Zuruf links: Deshalb soll die Akademie auf- gegeben werden?) Lassen Sie mih doch einmal zu Ende reden!

Meine Damen und Herren! Jch bin selbst in Frankfurt a. M,, dem eigentlichen Hochsiße des simultanen Lebens, aufgewachjen, und ih stehe diesen simultanen Bestrebungen innerlih durchaus sympathisch gegenüber. Aber s{hließlich kommt es doch nicht auf mein persön- lihes Gmpfinden an, sondern auf die Realitäten des Lebens. Dabei verkenne ich nit und ich möchte das gauz klar und deutlich aussprehen die große und hohe Jdes die“ in der Simultanität einer pädagogischen Akademie licgt. Jch verstehe vollkommen, daß man au gerade auf der linken Seite es ablehnt, daß man unsere Lehrerbildung zergliedert in alle möglichen einzelnen, evangelische, fatholishe, simultane und weltliche Bildungögänge. Man will ja gar keine weltliche Akademie; man will nur eine Akademie, auf der wirklih die Pädagogik getrieben wird in dem Sinne, wie Wissen- schaft an der Universität. Das ist im einzelnen der Sinn der Forde- rung der Simultanität der pädagogishen Akademie, und daß hier ein großer Gedanke, daß hier ein absoluter Weltanschauungseinsaß ge- geben ist, das möchte i am allerwenigsten bezweifeln. Dafür habe ich das allergrößte Verständnis.

Aber auf der anderen Seite stehen nun einfa die Bedürfnisse der Praxis. Wir haben die simultane höhere Schule. Also in Zu- kunft wird, von Ausnahmefällen abgeschen, da die höhere Schule grundsäßlich simuiltan i}, der künftige Volksschullehrer während seiner ganzen Schulzeit eine simultane Schule besuht haben. Dann soll, da wix ja doch noch geseylich auch für die Zukunft die kon- fessionelle Volks\hule behalten K&rden, dec Abituxient im Sinne seines Bekenntnisses nah der Reichsverfassung auch als Volks\chul- lehrer an einer konfessionellen Schule tätig sein. Meine Damen und Herren! Jrgendwo muß er ja dann doch nun in seinem Bildungs- gange die nötige Vorbildung erlangen. (Sehr richtig! rechts.) Das ist doch ein Minimum, das man uns zugestehen muß, wenn man sagt: nah der simultanen höheren Schule, die seine Allgemeinbildung umfaßt, wicd der Abiturient zwei Jahre hindur die Möglichkeit haben, sih mit den geistigen Belangen seines Bekenmtuisses aus» einanderzuseben. Das kann natürlich nur geschehen, da alles im Geiste der pädagogishen Gemeinschafisidee gefaßt sein soll, wenn er alle Fächer in diesem Geiste an sih vorüberziehen läßt. Jch hakte das für eine sachlih und pädagogish durchaus berechtigte Forderung.

Jch habe vorhin schon in bezug auf das Reichsschulgeseß gesagt, daß wix Wege finden müssen, uns irgendwie zu verständigen. Es ist ausgeschlossen, daß die eine Partei die andere vergewaltigt. Deshalb bin ich auch bereit, wenn das Haus beschließen sollte, daß neben den vom Staatsministerium in Aussicht genommenen drei Akademien, von denen eine katholisch und zwei evangelish sein sollen, noch eine vierte Probeakadem:ie gegründet werden soll, mit ,dem Herrn Finanzminister zusammen die Errichtung einer vierten Akademie bem Staatsministerium gegenüber zu befürworten. Aber eine Simultanität für sämtliche Akademien muß ih auf das Bestimmteste ablehnen. (Zuruf im Zentrum: Die Hauptregeierungsparteien!)) Ich sage: wenn das Haus einen Antrag annehmen wird, daß eine vierte Akademie auf simultaner Grundlage und wahrscheinli in Frankfurt am Main, wohin sie mix am besten zu passen scheint, errichtet werden foll, so bin ih bereit, diesen Wunsch des Landtags dem Staatsministerium gegenüber zu vertre. Wir werden dann in diesen Jahren nicht drei, sondern vier Akademien haben, und dann wird sih auch in kurzer Zeit zeigen, ob das, was ih hier entwickelt habe, rihbig oder falsch war, und wir werden dann nah zwei Jahren aus der Wirklichkeit lernen. Hofentlich ergibt sich dann ein endgültiger Typ und eine endgültige Regelung. (Zuruf: Wenn das Haus aber nur simultane Akademien beschließt? 1) Wenn das Haus beschließen sollte, daß nur simultane Akademien einçerihtet werden sollen, so wird das Ministerium das niht mitmachen. (Bravo! rechts. Heiterkeit im Zentrum.)

Meine Damen und Herren, Sie sagen zwei Regierungsparteien. Ich habe aber vorhin schon gesagt, daß der Kultusminister in diesen Dingen nit auf die Befehle einer Partei voogehen darf, sondern daß er wirklich versuben muß, als Treuhänder die verschiedenen Mei- nungen einigermaßen so zu gestalten, daß alle scließlich dazu Ja sagen können.

Meine Damen und Herren, ih habe es sehr bedauert, daß der Hèrr Abgeordnete König über das, was auf dem Gebiete der Lehrer- bildung geschaffen worden ist, so wenig freundlich geurteilt hat. Herc Abgeordneter König, wenn Sie bedenken, daß man im Johre 1914 an so gewaltige Tatsachen und an fo kühne Ideen, wie sie jebt ver- wirkliht worden sind, kaum hätte denken können das war doch damals eine vollkommene Utopie —, und daß heutigen Tages diese Dinge erreicht sind, so sollten Sie andecer Meinung sein. (Es handelt sich hier allerdings um ein Maximum, denn die Wünsche, die darüber hinaus auf die Universitätsbildung der Volksschullehrer hingielen, halte ih für eine Gefahr, ja, für den Tod dec Volksschule. (Sehr rihtig! rehts.) Deshalb habe ih mi auch über die Kritik ge- wundert, die der Herr Abgeordnete Oelze auf dem Gebiete dec Lehrer- bildung, auf dem er doch Sachverständiger ist, geübt hat. Vor allen Dingen hat er uns vorgeworfen, daß wir die alten Sem inace geschlossen hätten, ehe die neuen L&Æhrerbildungestätten errichtet worden wären. Das ist agitatorisch ausgezeichnet formuliert und wicd

natürlih draußen im Lande überall verblüffen. Tailsächlih haben wir die Seminare nicht eiwa geschlossen, weil wir etwas Neues machen wollten, sondern aus einem gang andecen Grande. Wir haben sie

Die Zahl der jungen Lehrer, die niht unker- Wenn wir auf dem alten Wege Jahr für Jahr immer weitergegangen wären, dann würde die Zahl der Tausende noch sehr viel größer werden, und dann würde unsere Junglehrerschaft noch in Jahrzehnten nicht zur

bewerbern da war. gebracht werden können, beträgt jeßt s{on 30- bis 36 000.

Nube kommen. Bei diesec Sachlage ist es selbstverständlich, daß die Präparandenanstalten und die Seminare geschlossen werden mußten, und da sie einmal geschlossen waren, war gleichzeitig die Forderung nachck einer Reform der Lehrerbildung aufgetauht. Da haben wit nicht von heute auf morgen etwas Neues gemacht, sondern haben jahre» lang sorgfältig mit allen Instanzen und Parteien beraten, was ge- macht werden kann. Was wir ecreiht haben, stellt immerhin einen Fortschritt dar. _

Da gerade die Junglehrer envähnt waren, ist es mir zin lebhaftes Bedürfnis, von dieser Stelle aus nochmals meine tiefste Sympathie mit dem Schicksal dieser Männer, die plöblih in das Leben gestellt find und niht unterkommen können, auszusprehen. Sie wissen, daß eine Notstandsaktionw vom Reichstag in die Wege geleitet is. Leider sind die drei Millionen, die hier in Aussichk stehen, noch mcht endgültig bewilligt und stehen noch nicht zur Ver- fügung. Um dem entgegengufommen, ift der Finangminister bereit, da es den Wünschen des ganzen Hauses entspricht, von Préußen aus zunächst einmal eine Million auszuschütten, “um für das ärgste zu helfen, die nachher aus den drei Millionen des Reiches wieder be- glichen werden Tönnen.

Die Not der Junglehrer führt mih zur Not eines anderen Berufsstandes, der vielleiht mehr Not leidet als alle anderen zu- sammengenómmen. Jch denke an die Künstler, vor allen Dingen an die bildenden Künstler. In einer Zeit, wo kein Mensch Geld hat, eiwas zu kaufen, war es notwendig, doß der Staat sein Bestes tat. Wir haben getan, was wir tun konnten, z. B. mit Nück- siht auf die Notlage einzelner Künstler auf den verschiedenen Kunst» ausstellungen des leßten Ebatjahces zu kaufen. Aber mein Appell geht dahin, und ih hoffe, daß diéser Wunsch in die weitere Oeffentlichkeit dringt, daß alle Leute, die noch Geld und Sinn für Kunst haben, in dieser Zeit gut iun, den Mäzen zu spielen. Staatshilfe allein kann es nicht machen. Der Staat tut, was ex kann. Wenn das große Publikum nicht hilfb, wivd dieser große und wichtige Stand rettunmgslos zugrunde gehen. (Sehc richtigt!) h:

Auf dem Gebiet des Hochshulwesens sind bisher nur wenige Fragen hier im Hause zur Debatte gestellt worden. Das einzige war in der Rede des deutschnationalen Abgeordneten Oelze der Fall Lessing. Ich habe so ausführlich darüber im Auss{uß gesprochen, daß ih mich hier ganz kurz fassen kann. Jh möchte nur sagen, daß der Fall Lessing eigentlich zwei Fälle darstellt, einmal den Fall Lessing im engeren Sinn und den Fall Studantenschaft.

Was den Fall Lessing anbetrifft, so is mir von der einen Seile vorgeworfen worden, daß ih ihn zu wenig, von der andern Seite, daß ic ihn zu viel verteidigt habe. Jch kann hier nit die Stellung eines Staatéanwalts oder eines Verteidiagers einnehmen, sondern bin zu einer Art richterlicher Holtung gezwungen. Jch glaube, daß ih ste so ausgefüllt habe, wie sie auch ein deutshnationaler Richter nicht anders hätte ausfüllen können. (Zuruf bei der Deutschnationalen BVolképartei.) Wenn mir vorgeworfen wird, ih hätte ihn als Literaten bezeichnet, und darin läge etwas Deprezierliches, so tann davon keine Rede sein. Ich weiß das Literatentum als einen be- sonderen Zweig unseres \{öngeistigen Lebens in der Publizistik, ver Presse, in allen seinen Schattierungen nah der ästhetishen wie moralischen Seite durchaus zu würdigen. Aber etwas anderes iit es, ob dieses ästetisierende Literatentum auf die Universitäten und tech- nischen Hochschulen gehört. Jedes an seinem Plaß! Man wird nit eine \ckchwere wissenschaftliche Abbandlung ohne weiteres im Simpli- zissimus oder sonstwo abdrucken. Jedes an seiner Stelle!

Was den Fall Lessing anbetrifft, so muß ih sagen, daß seine ganze Haltung mir zweifellos nicht sympathish gewesen ist, daß aber mein persönlicher Geschmack dabei vollkommen ausscied, sondern daß ih nur zu fragen hatte: Was schreibt das Recht vor, wie muß ih diesen Mann schüßen? Ich habe ihn im Rahmen seiner ver- fassunasmäßigen Eigenschaften geshüßt, aber ih bin darüber nit hinausgeaangen. Jch habe auf der andern Seite auh gesagt: wenn er das Net freier Meinunasäußerung hat, habe ih es auch, und ih habe ihm meine Meinung über sein Verhalten mit aller Deutliche eit zum Auêdruck gebracht. ;

Was auf der andern Seite aber das Verhalten der Studenten- schaft betrifft so kann ih eigentlih nit ret E daß gerade von den Deutschnationalen, die do gerade die Träger Ves Autoritätse gedankens sind, dieser grundsätlichen Zerstörung der Autorität der wir hier gegenüberstehen, nod Vorschub geleistet wird. (Stürmische Zurufe und große Unruhe bei der Deutsck{nationalen Volkspartei.) Meine Herren, es hat sih hier darum gehandelt, daß aus welchem cèdealismus au immer i erkenne ihn ja an und begreife ihn der Studentenscaft Herr Lessing und seine Schriften unsympathish sind, die Autorität des Staates verlanat, daß wir uns nicht von der Gasse und auch niht von der Studentenshaft (erneute aroße Unruhe bei der Deutschnationalen Volkspartei) unsere Politik vor- {reiben lassen. Wenn von Herrn Abgeordneten Oelze gesagt worden

ist: Warum hat der Minister nicht aleib von Anfang an eingeariffen, als dag erste Wetterleuhten am Horizont erschien? so frage ih Sie aerade, meine Herren von der Rechten und gerade die Universi- tätélehrer unter Jhnen: welhes Zetermordio hätte ih zu hören be- kommen, wenn die Regierung sih in jeden internen Quark einmischt, der sich zwischen Studentenschaft und Universität oder Tecbniichen Hockschulen entwidelt?! Sie bedanken sich dafür, daß die Regierung in jedem Moment hineinregiert. Das i} die Universitätsautenomie, und die wollen wir hochhalten, und erst, wenn sie versagt, tritt die Negierung ein. Es ist außerordentlih bedauerlih, wenn ein solcher Fall eintritt. Auf das Verhältnis zwishen Studenten und Lehrer- schaft hat der Minister keinen Einfluß. Sie gehören zur Hochschule, und was den Lehrkörper und den Unterricht betrifft, so steht der Student mit der Professorenschaft zusammen, und seine böchste Autorität ist der Rektor. Der Minister ist eine Staatsirstanz, -die hier nidt eingreift, und erst, wenn der Rektor als der Vertreter der Studentenscaft sich an den Munister wendet, greift er ein. Das hatte der Rektor getan, und von dem Moment an hat der Miniïter eingcariffen. (Zuruf bei der Deutschnationalen Volkspartei: Aber wie!) Er hat in einer Weise eingeariffen, daß er einerseits die Selbstäudiakeit der Hob\ule nicht angetastet hat und anf der andern Seite die staatsbürgerlihen Ansprüche, die Herr Lessing stellen konnte, geschüßt hat. (Erneute Zurufe bei der Deutschnationalen Velks- partei.) Ich kann die Gegenseite nit überzeugen. Der Fall ist auch ‘eine so ausgezeicnete Sade, um na außen hin die Negierung

Episkopats. Jh würde diese Aeußerung hier niht gur Kenntnis geben, wenn sie nicht in einer fatholischen Zeitung erschienen wäre.

geschlossen, weil eine Ueberfülle von Schulamts-

zu diskreditieren, daß die Partecipolitik (großer Lärm und

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æbeispringen und soll seine Zuschüsse noch erhöhen, während doch tat-

stürntishe Zurnfe boi dex Dent\{nattanaken Volksparte)). Was8 an demagoaiscber H: rab ebung der Ycegiecung und namentlih des Kultus- ministers von der. Nechtspresse geleistet wird (lebhafte Zurufe bei der Deutschnationalen Volkspartei: Lessing!) Lessing ist kerne Partei. Natürlich hat er au seine Nehte zu verteidigen, er war sehr stark angeariffen. (Erneute lebhafte Zurufe und greße Unruhe bei der Deutischnationalen Volkspartei.) Sie drängen mi hier in eine Rolle, die ich ablehnen muß. Sie drängen mi durch Ihre übertriebene Kritik in einen Kampf, in dem meiner Meinung nah der Scwerbunkt von einer Unbotmäßiakeit und Aufässigkeit der Studenten verschoben wird auf die Entaleisungen eines Hechschul- professors, in eine Nolle, daß ich mich {ließlich zu einem Verteidiger Lessinas aufwerfen muß. Jch beabsichtige nit, die literarische Pro- duktion des Professors Lessing zu verteidigen, sondern ih beabsichtige

nur, feine staatsbürgerlihen Rechte zu verteidigen. (Lebhafies Bravo links.) Die Rechte der nationalen Jugend (stürmis&e Zurufe bei der Deutshnationalen Volkspartei)

Nun möchte ih aber doch mal ein offenes Wort mit dex Rechten sprehen. Wer die Rechte unserer deutschen Jugend für seine partei- politischen Zwecke in einer so unerhörten Weise ausnußt (großer, longanhaltender Lärm und stürmische Zurufe bei der Deuishnationalen Volkspartei. ). Meine&Herren, ih bemühe- mich ih darf das wirklich ehrlich bekennen objektiv zu sein. Jch habe die Entwicklung unserer Jugend, soweit sie hier in Frage kommt ih spreche hier von der studentishen Jugend mit wirklicher Liebe und Anteil- nahme durch all die Jahce verfolgt, und ih habe geschen, wie außer- ordenilich willig diese Jugend ist, auch auf dem Boden der neuen Verhältnisse am Wiederätfbau des Staates mitzuarbeiten. Jch habe aber auch auf der anderen Seite ‘esehen, wie von der Presse der NMethien, und nicht nux von der Presse, sondern auch von bestimmten Organisationen durch Hergabe von Geldmitteln usw. ein Efknfluß geübt worden ist, um unsere deutshe Studentenschaft für ganz be- stimmie parteipolitische Zwecke zu benubeu. (Hört, hört! links Zurufe bei der Deulschnationalen Volkspartei.) Meine Herren, das, muß ih sagen, ift für mich, der ih mi in diesem Sinne wirklich über die einzelnen Parteien ftelle, eiwas, wovon ih wirklih sagen darf, daß es ein Mißbrauch ist. (Sehr wahr! links Zurufe bei der Deutsh- nationalen Volkspartei.) Meine Herren, wenn Sie auch jeßt lachen, ih weiß, daß in Ihren eigenen Reihen eine ganze Anzahl von führenden Männern fißt, die bedauern, daß sie dieseu Weg von der ersten Zeit nah der Revolution an eingeshlagen haben. Meine Herren Deutschnationalen, Sie sind ja gar nit so s{limm, wie Sie sich immer selber machen. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren, der Kultusetat umfaßt nicht nur die Schulen, sondern auch das wichtige Gebiet derx Kirchen. Ich darf hier vielleiht zunächst an das anknüpfen, womit der Herr Abgeordnete Dr. Lauscher geschlossen hat, daß er den Wunsch geäußert hat, die Konkordatsverhandlungen möchten bald beginnen. - Sie wissen, daß wir in diesem Punkte ja auch durch die Kompetenzen ¿wischen Neich und Ländern behindert sind, und mancherlei Schwierig- keiten dem Beginn dieser Verhandlungen auf beiden Seiten bisher entgegenstanden” Wir werden das ist meine Ueberzeugung zu einer Regelung dieser Belange auf Seiten des Reiches erft kommen können, wenn die nötigen reichsgeseßlichen Grundlagen, vor allem das Meichs\chulgesehß, geschaffen sein werden. Was die ja sehr viel engeren preußischen Belange betrifft, so ist die preußische Regierung jederzeit bereit gewesen, in Verhandlungen über die Neuordnung der Ver- hältnisse einzutreten

Was beide Kirchen anbetriffi, so muß ich sagen, daß auch hier von der neuen Regierung nah der Revolution gaug Erhebliches ge- leistet worden ist. Wenn Sie bedenken, däß, wie das ja hier schon oft hervorgehoben worden ift, die Zahl der Millionen, mit der der Staat die Pfarrerbesoldung bestreitet, von 27 auf 61 gestiegen if, fo sieht das wahrlich nicht nach Feindschaft aus, und, meine Damen und Herren, bei der Regierung —- das kann ich auch für die früheren Ministerieñ sagen, auch für das Ministerium HaenisG —, hat eine Kirchenfeindschaft in diesem Sinne nie bestanden. Jh möchte auf der anderen Seite auch darauf hinweisen und ih freue mi, das bier aussprechen zu können —, welche Liebe und welche Arbeit von den Mitgliedern der geistlichen Abteilung des Kultuêministeriums in allen . diesen Jahren aufgewandt worden is, um die großen Ver« fassungswerke mit zustande zu bringen, die ja durch die Meichs- verfassung gefordert waren. Wenn jeßt im wesentlichèn eine fo er- freulihe Regelung Plaß gegriffen hat, so iff das nit eiwa nur den firhlihen Instanzen zu danken meine Damen und Herren, ohne die Opferwilligkeit, ohne die innere Anteilnahme und vor allem ohne das religiöse, das firhlihe Interesse der Mitglieder des Kultus- ministeriuums wären diefe Erfolge niht zu erzièlen gewesen. (Sehr rihtig! im Zentrum.)

Um so unbegreiflicher ist mir allerdings demgegenüber die Haltung der Kirchen (sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei), die immer meinen, daß das alles im wesentlihen ihnen verdankt wird, und die, wenn sie auch nur einmal die geringsten Schwierigkeiten mit den Neferenten des Ministeriums haben, es dann sofortefür richtig halten, den großen politishen Apparat anzukurbeln und gleih das Parlament für das eine oder andere ihrer Belange in Bewegung zu seßen. Jch möchte einmal offen sagen, daß das auf die Dauer nicht geht®denn ein derartiges Vorgehen führt dazu, daß bei den eigentlih berantwortlihen Instanzen des Ministeriums im Laufe der Zeit eine begreiflihe Verärgerung entsteht, der der Abwicklung geräde der Belange der Kirche auf die Dauer vielleicht abträglich werden könnte. Alle. diejenigen, die eine warmes Interesse daran haben, daß au in der neuen Zeit die Beziehungen zwischen Staat und Kirche gut bleiben, mögen es si gesagt sein lassen und auf die kirchlichen Instanzen einwirken, daß sie in loyaler Zusammenarbeit mit dem dazu bereiten Winisterium diese Dingk regeln.

Meine Damen und Herren, die Kirchen haben ja auch erst seit kurzer Zeit diese Autonomie, wenigstens die evangelishen Kirchen. Daraus ergibt sich, daß fie gelegentlich noch nit sicher sind, wie weit ihre Kompetenzen nun eigentlich gehen. Viel neues Leben ist in den Kirchen lebendig geworden, und es will sich auf allen möglichen Gebieten betätigen. So kommt es denn vor, daß die Kirchen auh alle möglichen Aufgaben übernehmen, die mit der eigentlihen Pfarr- besoldung und den unmittelbar kirhlihen Zwecken nichts zu tun haben, fo daß damit der Etat über Gebühr belastet wird und nun nachher diese eigentlihen Belange, die cigentlihe Pfarrbesoldung, zu kurz fommgn, die Kirchen notleidend werden. Dann soll nun der Staat

sächlich die Kirche neue Aufgaben übernommen oder Aufgaben, die ihr zufallen, zu hoch dotiert hat, zum Beispiel ihre Beamten unter Umständen ganz über alle Parallelen mit bürgerlihen Behörden zu

in dem kirhlihen Finanzsäckel. Dann soll der Staat helfen. Das geht natürlih nit; da der Sklaat ja diesen Körperschaften des öffent- lichen Rechts gegenüber dafür verantwortlich ift, daß ex im Rahmen der Geseze nur nah der Notlage usw. beispringt, so wird es eben notwendig sein, hier gelegentlih fkontrollierend einzugreifen. Wir müssen uns natürlih dann die Haushaltspläne vorlegen lassen. Eine Reihe von Fällen {webt zurzeit beim Oberverwaltungsgericht, in denen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Kirchen und der Regierung beglichen werden sollen. Ich glaube aber, daß alle diese doch immerhin unerfreulichen Entscheidungen höchster Gerichtshöfe dur vertrauenévolle Zusammenarbeit zwishen Kirche und Ministe- rium vermieden werden können.

Dazu gehört aber, daß auch von seiten der Rechten und der firhlihen Organe dem Ministerium etwas loyaker begegnet wird, als es bisher der Fall ist. Jch muß da, so unangenehm es mir ist, von meiner eigenen Person sprehen. Die Hebe, die gegen mich perfönlich in firhlihen Organen wegen meiner angeblich soziali- sierenden oder angeblih katholisierewden Tendenzen betrieben worden ist, ist doch nun wirkli einfach nicht mehr zu begreifen. (Sehr rihtigl bei den Demokraten.) Jh möchte da ein Beispiel hervorheben. Im vorigen Jahx bin i, der ih, wie Sie wissen, früher Gelehrier war, in Anerkennung meiner früheren wissenschaft- lichen Arbeiten von der Petersburger Akademie, einer der vor- nehmsien Æissenschaftlihen Institutionen, der eine Reihe deutsh- nationaler Professoren angehört, zum Mitglied erwählt worden. Das hat sofort die Rechtspresse und dann die ganze kleine Kirchenpresse bis in die provinzialen Organe, durch Korrespondenzen verteilt, unter der Ueberschrift gebraht: „Der preußische Kultusminister Mitglied der Sowjetakademie“, Was daraus ohne weiteren Kommentar für Konsequenzen auf die Haltung dieses Kultusministers, der nota bene Doktor der Theologie ist, den kirhlihen Zwecken gegenüber gezogen werden, versteht sih von selbst. Jch kann ein solches Verhalten es für vornehm noch für chriftlich halten. (Lebhafte Zustimmung inks.)

Damit habe ih abex den Punkt berührt, der mich nun zu dem ¿weiten Teil meiner Rede führt, nämli die Frage der Personal- politik. Denn diefe Aeußerungen kommen natürlih aus einem Geiste heraus, der in dem Kultusminister die Verkörperung des Zentrums und der Sozialdemokratie Arm in Arm erblickt. Jh möchte einmal ganz offen über diefen Punkt \prehen, weil mir immer und immer wieder versteckt und offen dieser Vorwurf gemaht wird, ih wäre weiter nichts als der Sklave des Zentrums und der Sozial- demotratie; um mich auf meinem Posten zu halten, müßte ih denen alles zu Liebe tun. Jh glaube, wenn Ste die Sozialdemokraten und das Zentrum einmal fragen, so werden Sie merken, daß sie sih mehr über meine Opposition als über meine Willfährigkeit zu beklagen haben. (Sehr richtig!) Aber wie sieht es denn nun in Wirklichkeit mit dieser Beckerschen Perfonalpolitik aus, die in der Presse ja {on direkt in Vergleich gestellt wird, gerade von den Deutschnationalen, mit der Politik des Herrn Severing? Wenn Herr Oerlze damit ge- {lossen hat, daß ich nach Herrn Severing der zweitshlimmste Minister in ‘diesem Kabinett wäre, nun, habe ich das als ein

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der berechtigten Wünsche der Linken. Denn Gerechtigkeit miß sein. Ich habe im Ausschuß gesagt, daß zu den Bedingungen der früheren Zeit, wonach ein Beamter in erster Linie ein tüchtiger Mensch, in zweiter Linie fahlih vorgebildet sein mußte, in neuerer Zeit eine dritte Bedingung, die des öffentlichen Vertrauens, hinzugekommen sein muß. Ueber diese Frage haben wir uns im Ausschuß unter- halten und Schwarzhaupt hat gefragt, ob das etwa hieße: politisches Vertrauen. Ja, selbstverständlich heißt es politishes Ver- trauen. Wir wollen hier nicht Theater spielen. Nun {tellt ih Herr Schwarzhaupt hin und markiert den Mann, der immer nur nah sachlichen Belançen fragt, und dabei wissen wir alle, daß er eine Fülle parteipolitisher Wünsche vorgetragen und durchgesett hat. Für diese Haltung habe ih keinen Sinn mehr. Man muß das Kind beim Namen nennen.

Aehnlich wie die Gesamtzusammensezung des Ministeriums eine ganz fabelhafie Benachteiligung der Sozialdemokratie ist und eine ungünstige Stellung der katholishen Volksteile darstellt, ist es in sämtlichen anderen Abteilunzen des Kultusministeriums. So sind unter den 82 Regierungé- und Schulräten \sechs ganze Sozialdemo- fraten. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Jn 14 Negierungs- bezirken ifi unter den Schulräten kein einziger Sozialdemokrat. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Von den 531 Schulräten, die wir haben, {ind einschließlich der städtischen, notabene, wo wir nur be- stätigen und keinen direkten Einfluß auf die Person haben, nur 90 bis 60 Sozialdemokraten.

Die Verteilung auf die Konfessionen ist so, daß katholisch sind 168 und evangelisch 360 und Dissidenten 3. Unter dem gegenwärtigen Minister is die Besezung der Schulratsstellen folgendermaßen ge- wesen ih füge gleih hinzu, wir haben Lehrerbildner hiec mit» verwandt, weil diese Frage angeschnitten ist —: Besett sind im ganzen 23 Stellen, von den neuen Schulräten waren nah ihrer bisherigen Amtsstellung 16 Lehrerbildner, 6 Rektoren und 1 Wyzeallehrer. Nach ¡hrer Parteistellung gehören dem Zentrum an 6, den Demokraten 4, den Sozialdemokraten 5, der Deutschen Volkspartei 3, die anderen unbetannt, wahrsheinlid dec Rechten angehörig. (Lachen rechts.) Ich habe mich genötigt gesehen, die tatsächlich bestehenden ungerechten Verteilungsverhältnisse nah Möglichkeit einigermaßen zu beheben. Wenn es ganz allein nah den Grundsäßen der Gerechtigkeit ginge, müßten auf geraume Zeit nur Sozialisten ernannt werden. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratishen Partei. Lebhafte Zurufe und Unruhbe rechts.) Meine Damen und Herren, Sie wenden mich wohl nit für so töriht halten i darf das wenigstens hoffen —, daß ih das, was ich hier als absolute Gerechtigkeit hinstelle, für politisch mögli halte. Jch denke gar nit daran, fo vorzugehen, sondern ih werde mih genau auf den Standpunkt stellen, daß ich unter Berücksichtigung der Zusammenseßgung der etnzelnen Bezirke die einzelnen Parteien berüdcksihtige. Aber ih werde mih nit zaghaft dahintér verbergen und behaupten es handle sich nur um rein technische, ganz unpolitische Beseßungzn. Das wäre meinerseits eine Heuchelei. (Große Unruhe und lebhafte Zurufe rechts.) Jn diesem Zusammenhange darf ih vielleicht noch

Kompliment empfunden. (Bravo! im Zentrum und links.) Jch will Ihnen ganz ehrlich sagen und offen Farbe bekennen: es gibt nur wenig Menschen, die mix wirklich imponieren. Herr Severing gehört zu thnen! (Bravo!)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich hier in diesem Zusammenhang einmal eine allgemein politische Bemerkung machen, eine Beobachtung, die ih sozusagen als Zuschauer in all diesen Kabinetten dex leßten Jahre gemaht habe. Die Dentschnationalen haben bekanntlih das Führerprinzip. Nun, wie sieht es denn in der politishen Wirklichkeit aus? Jh muß ehrlih sagen, daß ih beobahtet habe, daß, je weiter nach links die Minister stehen, sie um so mehr Führer waren, und um so unabhängiger ihrer Partei und ihrer Parteiorganisation gegenübergestanden haben (hört, höri! im Zentrum und links), und je weiter sie nah rechts standen, um so mehr haben sie sich dem von der Rechten bekämpften formaldemo- kfratishen Prinzip genähert. (Hört, hört! und Heiterkeit im Zentrum und links. Zurufe rechts.) In außenpolitishen Lebenssragen unferes deutschen Volkes hätte ih Herr Minister Severing nicht von seinen Parteifunkitionären niederstimmen lassen. (Bravo und sehr ribtig! im Zentrum und links.)

Nun, meine Danfên und Herren, aber kommen wir zu Zahlen! Treten wir aus der allgemeinen Politxk hinüber în das einfache, nüchterne Gebiet der Zahlen. Wie sieht es denn nun mit diesem sozialisierten und katholisierten Ministerium îin Wirklichkeit ous? Die Parteistellung des Ministèrs i Jhnen bekannt. Es gibt sieben leitende Beamte, einen Staatssekretär, fünf Ministerialdirektoren und einen Dirigenten. Davon gehören der Deutschnationalen Partei an oder stehen ihr nahe zwei (hört hört! links) der Deutschen Volks- partei zwei, den Demokraten zwei, dem Zentrum einer, der Sozial- demokratie feiner. (Lebhafte Zurufe bei der Sozialdemokratischen Partei: Hört, hört! Zurufe rechts.) Die Rechte hat mich ge- awungen, diese Dinge alle hier -einmal vorzubringen (Sehr richtig! im Zentrum und links.) Jch hätte es von mix aus nicht getan. Aber es werden Ihnen die Augen übergehen über die Zahlen, die ih

Ihnen jeßt bringe. (Zurufe rechts.) Meine Damen und Herren! 28 Ministerialräte sind im Ministerium. Jh muß zugeben, daß ih nit jeden einzelnen nah

seiner Partei befragen kann. (Zurufe rechts: Aha!) Aber der Sozial- demokratie parteipolitisch gehören zwei von diesen 28 an (hört, hört! links), einer steht ihr nabe, also drei. Dem Zentrum gehören an oder find jedenfalls fatholisch ih weiß niht, ob fie alle dem Zentrum angehören sieben. Das ist die berühmte Vorherrschaft des Zentrums im Kultusministerium, während deutshnational und Volkspartei mindestens neun bis zehn deklarierte Mitglieder sind. Die übrigen kann {h niht näher definieren. Von den neun is einer deklarierter Demokrat, (Zurufe recht3.) Es gibt auch Leute, - die feiner Partei angehören, wie ih. Wo wollen Sie die unterordnen! (Große Unruhe. Glocke des Präsidenten.)

Von 39 Hilfsarbgitern sie sind bekanntlich das große Reservoir, wo man die politishen Konzessionen machen kann und Leute heran- zichen kann. Jch höre {hon von Ihnen diesen Vorwurf. (Zuruf rechts: Amtlich festgestellt?) Das is amtlich festgestellt. (Große Heiteckeit rechts.) Von 39 Hilfsarbeitern sind ganze aht Katholiken und drei Sozialdemokraten. (Hört, hört! im Zentrum und bei den Sozialdemokraten.) Und unter den- 114 mittleren Beamten des

Kultusministeriums sind sieben Katholiken. (Hört, hört! im Zentrum.) Sie werden noch bedauern, daß Sie mich genötigt haben, das zu sacen. Jch bin aber gewillt, hier Abhilfe zu schaffen, aber niht in

hoch eingestuft hat. So entsteht mit einem Male eine gewisse Not

sagen: ich denke gar nicht daran, wenn ih irgendwo einen tüchtigen Menschen treffe, ihn wegen seiner Parteizugehörigkeit zu benah- teiligen. (Zurufe und Unruhe rechts.) Jh habe jeßt vor um nur ein Beispiel zu geben in der nächsten Zeit einen der deutsch- nationalen Partei sehr nabestebenden Herrn ins Ministerium ein- zuberufen, und beabsichtige, ihn gegen den Widerspruch der Linken zum Ministerialrat zu machen, weil er mein Vertrauen hat, und weil es mir ganz gleichgültig „ist, daß er deutshnational ist. (Zurufe und Unruhe rechts und links.) Meine Herren (nah rets), ih muß Sie nur bitten, mix meine Worte nit im Munde umzudrehen. (Erneute erregte Zurufe rechts.) Ich bin nicht verlegen: da können Sie ganz beruhtat sein,

Ich habe gesagt, daß ih es bei der Stellenbeseßung in allen Fällen, bei allen Behörden für weine Pflicht halte, unter der selbst» verstkändlihen Vorausseßung, daf, die Qualität und die Vorbildung des einzelnen geprüft wird, der politischen Zusammensezung des Volkes oder Bezirkes Rechnung getragen wicd. (Stürmische Zurufe rets: Das haben Sie nicht gesagt!) Meine Herren, es gibt doch gewisse Selbstverständlihkeiten, die man nit immer wiederholen muß; es gibt ein gewisses ABC. der Venvaltungspracis. Daß :ch keine ungeeigneten Leute aus reiner Parteipoliti? in eine Stelle sete, ist doch bei einem anständigen Menschen selbstverständlih. (Zu= stimmung, Unruhe und Zurufe. Glocke des Präsidenten.)

i Meine Damen vnd Hewen, ih glaube, dur raeine ganze Haltung in allen diesen Jahren wirklich den Anspru erworben zu haben, daß man mich nit ohne weiteres in ein Parteischema einzwängt uno daß man nicht glaubt, daß ih nun ausgesprochen der Mandatar der Linken wäre. (Zurufe bei der Deutschnatüionalen Volkspartei: Das haben wir aber gedaht!) Wenn Sie es gedaht haben, deshalb braucht es nicht so zu sein. Jh habe immer gesagt, daß ih auf demokratishem Boden stehe, und dazu werde ih mi auch jederzeit bekennen, daß ih aber absolut jede parteipolitishe Bindung ablehne. Das werden mir, glaube ih, auch die Herren der Deutschen Volks- partei, die mih näher kennen, bestätigen können. Gewisse Bedin- gungen sind für mi selbstverständlich: daß man einen Mann nur befördert, wenn ef etwas taugt und die entsprehende Vorbildunz für die Stelle hat. Daß man aber der parteipolitishen Ginstellung und Zusammenseßung eines Bezirks Rechnung tragen muß, das halte ih au für ein politishes ABC (sehr richtig! links), und daß auf diesem Gebiete außerordentlih viel der Remedur bedarf, weit früher iht so vorgegangen ist, ist auch eine Selbstverständlichkeit. (Leb- hafte Zustimmung in der Mitte und links. Unruhe und Zurufe vechts.) WVêeine Herren (nah rechts), was nußt denn alles Reden von Volksgomeinschaft, wenn Sie einen Teil der Volksgemeinschaft von allen Stellen auss{ließén wollen! (Große Unruhe und lebhafte Zurufe.)

Ich könnte nun die Fülle der Fälle von Imparität, die in unserer Verwaltung vorherrschen, noch- wesentlih vermehren. Wenn Sie z. B. nur bei den Universitäten sehen wollen, wie da der Patholishe Volksteil vertreten is und gar erst die Sozialdemokratie, wenn Sie einmal auf das höhere Schulwesen blicken wollen! Jch werde bei der Boesprehung des höheren Schulwesens auf diesen Punkt zurückkommen und Ihnen dann auch ganz genaue Zahlen geben, die durchaus dom widersprechen, was Sie in deutschnationalen und volksparteilichen Zeitungen gelegentlich lesen können. Aber ih möhte diese Dinge jeßt nicht breiter erörtern, sondern nur noch ‘einige der Eingelfälle hervorheben, die die Vorredner vorgebracht haben.

Jch wundere mih manchmal, welche Fälle hier ih sage 9 offen und ehrlich aus rein agitatorisbem Interesse vorgebracht

dem Sinne, wie die Deutschnationalen es wollen, fondern im Sinne

werden, die längst erledigt sind, über die man sich längst aus»