1903 / 190 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 Aug 1903 18:00:01 GMT) scan diff

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Oesterreich-Ungarn.

Der Kaiser empfing heute, wie „W. T. B.“ “meldet, den ungarishen Ministerpräfidenten Graf Khuen- edervary, der frühmorgens aus Budapest in Wien eingetroffen war, in besonderer Audienz. Gestern nahmittag wurden der Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski und der

österreichische Ministerpräsident Dr. von Körber in Audienz empfangen.

Der König von England is} gestern in Marienbad eingetroffen.

Infolge einer Indiskretion haben gestern zwei in Budapest er- scheinende Abendblätter den Entwurf des Berichts der parla- mentarishen Untersuchungskommission veröffentlicht, der dahin geht, daß Graf Ladislaus Szapary an den Interessen des Landes gesündigt habe, daß aber die Regierung oder der Ministerpräsident hierbei nicht beteiligt sei, daß die Tat des Grafen Szapary nur der vereinzelte Versuch eines Vergehens sei und daß das Untersuhungsyerfahren die mora- lishe Integrität eines jeden Mitgliedes der ungarischen geseßgebenden Körperschaften außer allen Zweifel stelle. Da in dieser Angelegenheit keinerlei Notwendigkeit, weitere Maßnahmen zu ergreifen, vorliege, werde beantragt, das Haus möge zur Tagesordnung übergehen. Die liberalen Mitglieder der Kommission hielten gestern eine Konferenz ab und beschlossen, in der Angelegenheit der begangenen Indiskretion cine Untersuhung einzuleiten. Die parlamentarische Kommission wird am nächsten Sonnabend eine Sitzung halten.

Großbritannien und Frland. Im Oberhause erwiderte gestern, wie „W. T. B.* berichtet,

auf eine Anfrage Lord Spencers der Staatssekretär des Auswärtigen

Marquis of Lansdowne: alle hätten gehofft, daß die im Frühjahr auëgebrohene Bewegung auf der Balkanhalbinsel endgültig zur Ruhe tommen, und daß die Einführung von Reformen, deren das Land sehr bedürfe, möglih sein werde; leider habe man sih getäusht. Die britische Regierung habe den Anspruch Oesterreih-Ungarns und Rußlands, sih mit der Frage zu befassen und Reformmaßregeln für Mazedonien vorzuschlagen, zugegeben und die Vorschläge beider Regierungen unter- fügt. Wenn dicie Vorschläge mißlungen seten, so sei dies kaum zu ver- wundern, da einer Hoffnung, daß Reformen in einer solchen Periode der Unruhe möglich seien, nicht habe Naum gegeben werden können. Der der türkishen Regierung stets gegebene Mat, energishe Maß- regeln zur ÜUnterdrückung von Nuhestörungen und Ausschreitungen zu ergreifen, sei, wie man Grund habe anzunehmen, von der Pforte be- herzigt worden. Die Regierung habe vor zwei oder drei Tagen ein Rundschreiben der Pforte erhalten, in dem angekündigt werde, daß die Ausführung des Neformprojekts bedeutend fortgeschritten sei und daß die Degradierung über Soldaten verhängt sei, die Aus- \creitungen verübt, sowie über Offiziere, die solhe niht verhindert bâtten. Es seien auch an verschiedenen Orten Kriegsgerichte ein- eseßt worden, um ähnliche Vergehen abzuurteilen ; mehrere bürgerliche Beamte, über die der Botschafter geklagt, daß sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen seien, feien s\uspendiert oder abberufen worden. Der englische Botschafter in Konstantinopel habe jüngst telegraphiert, daß zwei militärishe Kommissionen die gegen die türkishen Behörden erhobenen Anklagen untersuchten, und am 9. August habe er die englishe Regierung benachrichtigt, er sei über- zeugt, daß die ganze Autorität der türkishen Regierung aufgewandt werde, uin Ausschreitungen zu verhindern. Die Regierung werde diese Ereignisse fernerhin sorgsam überwachen und ihc möglicstes tun, um die Unruhen zu mildern. Hinsichilih der in Schanghai gefangenen chinesischen Journalisten müsse er sagen, daß nah einer Ueber)eßzung, die er gesehen, die Erklärung, wegen deren Vers offentlichurng sie angeklagt seien, von aufreizendster Art sei. Auf die Versicherung hin, daß fie von einem gemishten Gericht würden verhört und bestraft werden, hätten zwei von ihnen #ch \{chuldig be- kannt. Die englishe Regierung eracte sih für moralisch verpflichtet, unter diesen Umständen darauf zw sehen, daß die von den chinesischen Beamten gegebene Zusage ausgeführt werde. Der englishe Ge- schäâftsträger sei daher angewiesen worden, ihre Uebergabe an die chinesishe Regierung zu verweigern. Wenn auch einige Zweifel über die Ansicht der Konsularkorps in Schanghai vorhanden seien, wisse die Regierung doh, daß sie nicht mit ihrer Ansicht allein stehe, daß sie \ih an der Auslieferung jener Leute an die chinesische Justiz, besonders nah den Meldungen von den letzten barbarischen Hin- richtungen, nit beteiligen dürfe. Hinsichtlich des Verzugs der Arbeiten des Haager Sciedügerichtshofes in Betreff der Ansprüche der bei den Unruben in Venezuela interessierten Mächte habe die Regierung allen Grund, zu hoffen, daß die Schwierigkeiten, die den Verzug veranlaßt bâtten, bald ges{wunden scin würden und daß die dur das Protokoll und das von England, Deutschland und Jialien unterzeichnete Ab- kommen in Aussicht genommenen Verhandlungen dann stattfinden würden.

Im Unterhause erläuterte der Staatésekretär für Indien Lord Hamilton das Budget für Indien; er erklärte die finanziellen Er- gebnisse der leßten 4 Jabre für im allgemeinen befriedigend. Zu dem veranschlagten Uebershuß könne in diesem Jahr noch ein Zu- schlag vorausgeseßt werden Da die Regenberichte befriedigend lauteten, könnten die Befürhtungen über Nahrungsmangel cder mangelhafte Ernten in Indien für dieses Jahr fallen gelassen werden. Das gegenwärtige Jahr sei seit 20 Jahren das erste, in dem eine wesentliche Herabsetzung der Steuern vorgenommen worden sei. Troy ciner auênahmétwetsen Folae shlehter Ernten und der Shwierig- keiten des Silberkurses sei die Regierung im stande gewesen, die in- folge der Hungerönot und der administrativen und militärischen Be- dürfnisse gesteigerten Ausgaben zu decken Im weiteren Verlaufe seiner Rede erklärte Lord Hamilton, die Finanzen Indiens bâätten

aud durch den bemerkenswerten Ecfolg der vor 4 Jahren eins

zeführten Mün1politikl gewonnen, der auch die Hoffnungen in jeder Hinficht übertroffen habe. im Wechsellurse der Ruvien habe in 4 betragen Gin wirkli \{wacher Punkt sei

finanziellen Reserve; er hoffe, durch die Salzsteuer

schaffen. Die Herabsezung dieser Steuer steigere den Salzverbrauch,

| dem dreimonatlich 1ng

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werte da er den

b geführten Ausfall der Einnahmen

bsezung der Steuer mêglih werden

bli gesteigerten Verbrauh aufbauen,

ten eintreten sollten, könne auf diesen

dere Steuer gelegt werden. Jn Bezug

Südafrifka sei der Vorschlag des

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Hod aus s ags d 4 S a L 2 f .. en U D bedeutenden Zunabme enthalten aus der Berdra E : L

jiwei, drei Jadren fo fleizen

Heradseuung herbeigeführte

aamlih mifwverslanden worden Vorschlag gebe von dem Glauben

lorshreiten unzweifelhafte Tatsache, die ignorieren fônne, daß Rußland geriteigert abe Jede Milttärpersc t

daß in gewissen Fällen große Verstärkungen nah Indien

seien Tic Frage |

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Militärc- wie die Admiralitätsbedörden scien cinskimmig k

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Sen Ausweis seien Andeutungen von | c é

könne. Den Vorschlag, betreffend die Garnison in Südafrika, betrahte er als vernünftig und ökonomisch und bedauere, daß die indishe Regierung nicht eine Ansicht teile. Er erwarte darüber Nachricht von der indischen Regierung; wenn aber der Vizekönig Lord Curzon und Lord Kitchener beide den Plan beanstandeten, so werde

er dem Kriegsamte nit gesteigerte Ausgaben aufdrängen können, die es zu übernehmen bereit gewesen sei, um Indien diese Reserve zur Verfügung zu stellen.

Frankreich.

Das Zuchtpolizeigeriht in Marseille hat, wie „W. T. B.“ mitteilt, wei am Sonnabend bei der Kun d- gebung gegen den Ministerpräsidenten Combes verhaftete

ersonen nur wegen Tragens verbotener Waffen zu einem Franc Geldstrafe verurteilt. Fn der Urteilsbegründung wird ausgeführt: da der Ministerpräsident nach Marfeille gekommen sei, um seine Politik auseinanderzusezen, habe jeder Bürger das Recht gehabt, ihn auszupfeifen.

Türkei.

Nach einer Meldung des Wiener „Telegr.-Korresp.-Bureaus“ hält die Pforte an der Annahme fest, daß das neuerdings angefahte Bandenunwesen seine Wurzeln in Bulgarien beige und in persönlicher und materieller Beziehung aus Bulgarien unterstüßt werde. Sie führe hierfür verschiedene Be- weise an, von denen einige jedoch auf unzutreffenden und un- kfontrollierbaren Provinzmeldungen beruhten.

Dasselbe Bureau meldet, zwanzig vom Kriegsgericht in

Adrianopel zur Exilierung nach Kleinasien verurteilte Bulgaren fien von Konstantinopel nah Ädrianopel zurückgebracht worden, um vom Zivilgericht abgeurteilt zu werden. Nach den vorliegenden Nachrichten habe sich die Bewegung in Monastir beinahe auf das ganze Sand- \chak Monastir und die nördlihen Grenzteile der süd- lihen Sandschaks Koryza und Selfidje, im Wilajet Uesküb auf die östlihen Grenzkreise, im Wilazjet Saloniki auf die Kreise Gjewgjelu, Jenidje-Wardar und Wodena ausgedehnt. Jn den beiden leßteren Wilajets sei die Bewegnng jedoch viel s{chwächer. Seit drei Tagen schienen feine größeren Bandenvorfälle stattgefunden zu haben. Die Stadt Gruschewo in Monastir sei angeblih in den Händen der Komitatschi; sie werde von über 3000 Mann türkischer Truppen umzingelt.

_ Die leßten Mitteilungen der Pforte an die öster- reichish-ungarishe und russishe Botschaft besagen:

Die im Zollgebäude von Zibefsche gelegten Höllenmaschinen hätten bei der Ankunft des Saloniker und europäischen Zuges explo- dieren sollen. Schon drei Wochen früher E man die Explosion von \cchs Säckchen versut. Im Wilajet Saloniki seien in Londura (Kreis Menljk) “Morde und Brand- stiftungen, im Kreise Katerin Fälle von Entführung und Mord vorgekommen. Aus dem Wilajet Monastir werde gemeldet, daß in Kathadyk nächst Dibre eine Komiteebande aufgetauht sei und verfolgt werde. In Derdje dauere der Kampf fort. Die Tele- graphenlinie sei wieder hbergestelltt. In Taschmor und Neschto (Kreis Aklin) seien die Telegraphenleitungen zerstört und eine Brand- stiftung verübt worden. In Derdje herrshe wegen Ermordung zweier mohammedanisher Notabeln große Erregung. Die Behörden hâtten die Bevölkerung beruhigt und Waffen sowie Munition konfisziert. In Pelgaschta habe ein Kampf mit Banden stattgefunden. 20 Komi- tatshi seien getôötet worden, der Rest sei geflühtet. Im Dorfe Metrovishte habe ein fünfstündiger Kampf stattgefunden. 150 Komitatschi seien gefallen, der Verlust der Truppen habe 1 Toten und 2 Verwundete betragen. Bei Derdje und Um- gebung sei die bulgarishe Bevölkerung ins Gebirge geflüchtet; die Behörden seien bemüht, sie zur Iüdckehr zu bewegen. In die Wohnung des Mudirs von Sorowitsch sei eine Bombe geworfen worden. Eine Komiteebande dieser Gegend drohe, den Hauptort des Kreises anzugreifen. Die Telegraphenlinie zwischen Monastir und Saloniki sei an einigen Orten bes{chädigt. Bei Kastoria seien dur eine Komiteebande über 100 Tragtierladungen Getreide und Waren geraubt worden. Dabei sei ein Griehe getötet und ein Kind verwundet worden. Das Dorf Tirnowo (Kreis Monastir) sei von einer Komiteebande zerniert und in Brand gesteckt worden. Komiteebanden, mit Manlichergewehnen bewaffnet und Fahnen führend, seien auf vershiedenen Punkten erschienen.

Griechenland.

In Athen anwesende WMazedonier haben, - dem „W. T. B.“ zufolge, den Ministerpräsidenten um die Ge- nehmigung erjuht, bewaffnet die Grenze überschreiten zu dürfen, um ihre Landsleute zu {hühen. Der Ministerpräsident verweigerte die Genehmigung und riet den Mazedoniern, \ih ruhig zu verhalten.

Serbien.

Der König hat, wie das Wiener „Telegr.-Korresp.- Bureau“ meldet, die Demission des Kabinetts angenommen und den bisherigen Ministerpräfidenten Awakumowitsch mit der Bildung eines neuen Kabinetts betraut

Amerika. Wie „W. T. B.“ aus Paris erfährt, wäre na einer

| dort eingetroffenen Meldung in San Domingo ein

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Komplott entdeckt worden, welhes den Zweck gehabt habe, den Präsidenten zu ermorden. Zahlreiche Verhaftungen

Á,

| seien vorgenommen worden

Zn Buenos Aires fand vorgestern die Beischun g des

cl verstorbenen deutshen Gesandten Freiherrn von Wangenheim

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| in Anwesenheit des Präsidenten von Argentinien, der

Staatsminister, des diplomatischen Korvs und zahl

| reicher Mitglieder der deutschen Kolonie statt.

Dem „Reuterschen Bureau“ wird aus Santiago de

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| Chile gemeldet, das Ministerium habe seine Entlaisung | gegeben. Die gemäßigten Liberalen würden \sich{ voraussichtlich |

der liberalen Allianz anschließen, so daß die Anhänger Bal

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| macedas und die Konservativen in die Minderheit kommen i | würden dischen Regierung |

Asien.

Aus Yokohama erfährt das „Neutersche Bureau“, der

japanishe Gesandte in Soul habe am 11. d. M

russische Konzession in Yongampho Einspruch oben die Entfernung Yongamphos von den Holzfällungspläten und auf die regelwidrige Besitergreifung jenes Gebiets, bevor unterhandelt worden sei, hingewiesen in jolhes Vorgehen sei der Unabhängigkeit und Integrität Koreas nachteilia

Afrika.

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aus Lalla Marnia die Nachricht eingetroffen, der Prâs- tendent habe sih am August einer Stadt in der Nähe

a Po D 4 Ä Ä P ry “- Ka G - Ä von Taza bemättiat e Truppen des Sultans hatten ibn

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Er habe dabei auf

wird aus Oran mitgeteilt, es sei dort |

darauf angegriffen, - vollständig geshlagen und dann den mächtigen Tam der Benin M en Vefienk

Statistik und Volkswirtschaft.

Ueberzahl der Höhergebildeten.

In seiner Rektoratsrede beklagte am Anfang dieses Jahres Pro- festor Kammerer von der Technischen Hochschule in Charlottenburg, daß unserer Schulbildung völlig die Anleitung zur Achtung auch dex körperlichen Arbeit fehle. für die jeßt vielfah nur Gerings{ägung vor- handen sei. Da ist es nicht überrashend, wenn sich alles, was Mittel zum Studium hat, ohne Wahl, aber mit Qual nach den sogenannten höheren Berufen drängt. Das Ergebnis ift eine sozial recht \{chlimm wirkende Veberfüllung dieser Berufe und eine Verarmung der „niederen“ Er- werbszweige, des Handwerks an S und geistig wohlhabendem Nachwuchs. Das ist bereits eine alte Klage, aber erst seit kurzer Zeit beginnt man ihr sozialstatistisch mehr Nükhalt* zu geben. An einem Ueberschuß „studierter Jutelligenzen“ leiden wir in Deutschland nicht allein. In einer französishen Zeitschrift s{ilderte vor einiger Zeit Henri Bóörenger das gelehrte Proletariat Frankreihs. Die französischen Friedensrichter, die fast alle Doktoren der Rechte sind, haben ein Ein- fommen von 1800 bis 3000 Fr. jährli, und da sie meistens kein Vermögen besizen, so müssen sie von ik; Einkommen leben. Die akademisch gebildeten Lehrer erhalten in den Kollegien 2000 bis 3000 Fr., in den Lyceen 3500 bis 5000 Fr. ; auh sie sind meistens ohne Vermögen. Die 3000 Hilfslehrer der Kollegien und Lyceen bringen es niht über 3000 Fr. Von den 180 000 Lehrern und Lehrerinnen der frarzösishen Volks\{ulen beziehen 100 0009 ein so geringes Gehalt, daß sie stets in bedrängter Lage sind, aber troßdem sollen in Paris 15 000 Lehrkräfte auf die 150 Stellen warten, die jährlich frei werden. Alle \tädtischen Verwal- tungen, Industriegefsellschaften und Eisenbahnen sind von einem Heer auf Technishen Hochschulen gebildeter junger Leute umlagert, die fich mit heißem Bemühen um Stellen bewerben, die ein Gehalt von 1500—4000 Fr jährlih abwerfen. Die Tech- nischen Hochschulen Frankreichs entlaffen jährlich 800 bis 900 geprüfte Ingenieure, von denen nur der kleinste Teil Anstellung findet, oft auch nur mit einem Gehalt, das ein Werkführer oder erster Arbeiter zurückweisen würde. Bérenger sieht in der Ueberzahl der Höher- gebildeten für Frankreich eine soziale Gefahr. Er erklärt die Ueberfüllung der gelehrten Berufe jedoch einseitig hauptsählih aus den Vorteilen, die mit dem Bestehen gewifser Prüfungen bei der Erfüllung der Militärpflicht verknüpft sind. Sicher sind diese ein erheblicher Grund, und auch in Deutshland macht man bekannt- lih dem Berechtigungsshein zum Einjährigendienst den Vorwurf, die Ueberfüllung der höheren Lehranstalten sehr wesentlich zu vershulden. Mehr trägt jedoch der falshe Bildungsbegriff, die verkehrte Auf- fassung von dem Wert der Arbeit oder, wie sih Professor Kammerer ausdrückte, die in manchen bemittelten Kreisen vorhandene Ver - achtung körperlicher Arbeit dazu bei.

In Deutschland ist das gelehrte Proletariat kaum geringer als in Frankreich; leider fehlt uns eine ausreihende Statistik. An deutschen Universitäten sind in diesem Sommer nicht weniger als 37 813 Studierende und Hörer eingeschrieben, etwa 1000 mehr als im leßten Wintersemester. Die weit überwiegende Mehrzahl dieser akademischen Bürger treibt natürlih ein sogenanntes Brotstudium, das heißt, sie studiert niht zum Vergnügen, sondern um fobald als möglich durch die erworbenen Kenntnisse einen „standesgemäßen* Unterhalt zu finden. Aber wie sieht dieser auch in Deutschland oft aus! Man redet zwar viel von der Not des Handwerks, aber es ift troydem eine Tatsache, daß heute in Deutschland ein PandwertBweilter mit leidlih gutem Geschäft wirtschaftlich ganz erbeblih günstiger gestellt ift als viele Studierte. Es ift bitter, muß aber Lait werden, daß selbst zahlreiche Hotelhausknehte und Oberkellner mit vielen betitelten Afka- demikern materiell niht taushen würden. Es gibt auch in der deutschen Industrie genug Werkführer und tüchtige Arbeiter, die nicht nur eine selbständigere und verläßlichere Stellung, sondern auch ein böheres Einkommen als manche Studierte haben; freilich, diese ver- richten „höhere“, wenn auch vielleiht für das Gemeinwohl recht über- flüssige, jene aber „niedere“, wenn auch notwendige Arbeit. Ein falscher Ehr- und Bildungsbegriff triumphiert, und sein Träger \{leppt mit ibm zwar Hunger und Kummer, aber er hat einen „böberen“, einen „gesellshaftsfäbigen“ Beruf.

Am meisten is in dieser Beziehung in den leßten Jahren von den \{limmen wirtschaftlihen Verhältnissen des Aerztestandes gesprochen worden. Ein Fall kennzeihnet die ganze hier berrshende Misöre. Als der seine groben E I mit mehrjähriger Gefängniéstrafe büßende Nardenkötter zur besseren Reklame cinen approbierten Art suchte, meldeten sih siebzig. Im Prozeß Nardenköôötter erklärte ein Berliner Anwalt diese schreiende Zahl mit der Not des Aerztestandes; die Zabl beweise, daß im medizinishen Proletariat der Hunger oft vernebmliher spreWe als die Standesehre. Nach einer aus ärztlihen Kreisen angestellten sozialstatistishen Untersuchung batten von den Aerzten Berlins 30,9 9/9 aus Praxis und Vermögen ein Gesamteinkommen von unter 3000 # unter 900 M 9,2 9%, 900— 1050 M 29 9%, 1050—21C00 M 16,8 9%. Das sind Einkommen, mit denen heute kein tüchtiger Handwerkt meister zufrieden * ist, sie sind geringer als die Bezablung manches Fabriks{hlossers und Maurergesellen in Berlin. Nur 27,8 9% der biesigen Aerzte verfügen über ein Einkommen von 5000—10 000 M jährli. Aehnliche Verbältnisse berrshen in anderen wissenschaft- lihen Berufen, noch \{limmere in den künstlerischen Erwerbs- zweigen. Bei der breiten Mittelmäßigkeit gilt auch bier beute das Gese von Angebot und Nachfrage. Je stärker der Zudrang, um so tiefer die Lebenshaltung. In der harten Schule ibres Dascins ge- langen viele dieser „böberen“ Arbeiter niemals zu einer inneren Be- friedigung und ciner leidlih anftändigen äußeren Lebendölage. Grít im vorgeschhrittenen Alter ermessen sie oft die Größe tes Opfers, das sie falschen Ehr. und Bildungbödegriffen unserer Zeit gebracht baben. Aus dem Künstler und Gelehrten wicd dann oft no§ cin GesHäfta- mann. aber die Verbitterung über cinen langen verfeblten Weg bleibt.

Diese Verhältnisse werden tesser, wenn die mit falshem Auedruck als „niedrig* bezeichnete gewerbliche Arbeit wieder gesell shaftsfähig wird und die ibr zukommende Hochachtung nicht nur in \hönen Worten genickt. Vor allem müssen sich viele Gewerbetreibende selbst von Vorurteileu und falshen Begriffen innerlich frei machen. Sie dürfen nicht die akatemische Bildung als den Inbegriff inneren und äußeren Glücks anseden. Viele von ibnen brinçen heute mit s{werer Mübe nab ibren Ver- bâltnifsen große Orvfer, um den Sohn studieren zu lassen Besser wäre es heute, fie ließen ihn mit den aufzuwendenden Mitteln cine gute Fachichule besuchen und zu cinem tüchtigen Handwerker erziehen Lem Gewerbe seblt Geist und Kapital, während beides im Verfolgen gelehrter und künstlerischer Ledenörvege heute dbäufig nuylos und selbst zum Schaden des Gemeiawohls verbraucht wir

Unfälle auf den Eisenbahnen Rußlands im Jahre 1901. Nach den Angaben der ftatistishen Abteilung des russischen Ver- kebréminisieriums fanden, wie das „Zentralblatt der Bauverwaltung“ diesen entnimmt, im Jahre 1901 auf den Elsenbahnen Rußlands 9890 Unfälle ftatt. Es famen 1521 Zugentgleisungen und 1012 Zusammensiöße vor, durh welche die Badnverwaltung cinen Schaden im Gesamtwerte von 1 605 200 Rubel oder etwa 347 Millionen Mark erlit Durch falsche Weichenftellung wurden 4583 Zug» entgleisungen und 184 Zusammenstöße dervorgerufen. Es wurden getêtet verleyt ä i i 4 103 682 abnbedienfiete und Arbeiter 5 q . 606 2053 die in keiner Beziehung zur Bahnderwal-

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Durchschrittlich entfielen : i 18,66 Unfälle, auf 1 Mill. Zugwerst ter Cahn im europ. ußland, 170 rivatbahnen im europ. ußland, j 1452.» o" s L Staatsbahnen im afiat. Rußland. i Die meisten Unfälle (32,68 auf 1 Mill. Zugwerst) ereigneten

sich auf der Transbaikal-Bahn, während die Mittelasiatishe Bahn nur 8,7 Unfälle auf 1 Mill. Zugwerst aufzuweisen hatte.

Zur Arbeiterbewegung.

Die Marmor- und Granitarbeiter Berlins sind, wie hiesige Blätter melden, gestern in den Ausstand getreten, nachdem die Arbeitgeber es abgelehnt haben, in Verhandlungen über einen neuen erhöhten Tarif einzutreten. Nach beinahe vierzehntägiger Dauer des Avsstandes der Feilenhauer (vgl. Nr. 184 d. Bl.) hat, wie die „Deutsche Warte“ meldet, gestern eine der größten Firmen Ver- handlungen angeknüpft, “die nah kurzer Zeit zur Bewilligung der sämtlihen Forderungen führten. Die Bewilligung is infofern für den weiteren Verlauf der Bewegung von Wichtigkeit, da diese Firma u. a. eine Menge S(leifer bes S die für die vielen Kleinmeister die nôtigen Feilen {härfen. In Arbeiterkreisen ist man der Ueber- zeugung, daß nun andere Unternehmer dem Beispiel ungefäumt nach- folgen werden. Der Ausstand der Bauhilfsarbeiter (vgl. Nr. 176 d. Bl.) ist nach demselben Blatte als beendet anzusehen, nachdem auf Grund einer Vorstellung der Vertrauensleute der Arbeiter und des Verbandes der Baugeschäfte fast allgemein der Tarif zur Anerkennung gebracht wurde. | /

Hinsichtlih der Differenzen zwischen Arbeitgebern und Arbeit- nehmern des Baugewerbes in Düsseldorf (vgl. Nr. 189 d. Bl.) berichtet die „Rh.-Westf. Ztg.“, daß bisher auf drei Baustellen die Arbeit eingestellt worden ist; es kommen hierbei etwa 130 Streikende in Betracht. Die Unternehmer haben alle Forderungen der Arbeiter abgelehnt und am Dienstag beschlossen, sämtliche dem sozialdemokratisen Zentral- verbande angehörenden Bauarbeiter am Sonnabend auszusperren, wenn bis heute mittag _nicht die Maurer und Handlanger die über die oben- genannten drei Firmen verhängte Sperre Ee hätten. Auch die Arbeiter haben bereits über weitere Maßnahmen beraten und den Beschluß gefaßt, mit erneuten Forderungen an die Unternehmer heran- zutreten, und zwar verlangen sie eine Erhöhung des Stundenlohns sofort auf 52 und für den Herbst auf 55 3. j

Eine gestern abend abgehaltene Versammlung der Klempner- gehilfen von Hamburg und Umgegend beshloß, nah einem Telegranim des „Berl. Lok.-Anz.“, den Ausstand zu beendigen. (Vgl. Nr. 185 d. Bl.)

Land- und Forstwirtschaft.

Viehbestand Frlands 1902.

Das Departement für Landwirtschaft in Irland hat kürzlich eine Abhandlung veröffentlicht, der über den Vizhbestand der Insel seit 1881 nachstehende ziffernmäßige Darstellung zu entnehmen ift:

Jahr Me Ninder Schafe Schweine I A 3 956 595 3256 185 1 095 830 1891 « Le 4448 511 4 722 613 Ln ¿e e Q REO 4 531 125 Be C6 I ¿G E 4 464 057 O0 E 1, G08 0D 4 391 839 (El 4 358 032 I s Qo 4 408 133 I: 0, « Gn 4 464 874 I. «. B 4 486 949 I + « QUURLO 4 507 457 E o E 4 608 550 O, «A0 4 673 323 E «e Ln 4782 221

Der Bestand an Pferden, eins{ließlich Mauleseln, war im Jahre 1902 um etwa 69/9 größer als im Jahre 1881. Die geringste Be- standéziffer wurde während jenes Zeitraumes im Jahre 1883 mit 561 427 Stück verzeihnet und die höchste im Jahre 1895 mit 660 147 Stüdck

Der Bestand an Rindvieh war im Jahre 1902 um 825 626 Stüdck oder nabezu 219/96 größer als im Jabre 1881. Die Zunahme der Schafe war noch größer, indem der Bestand von 1902 denjenigen des Jahres 1881 um 959 680 Stück oder etwa 29} 9/9 überstieg. Dieser Umstand ist um so bemerkenswerter, als der Bestand an Schafen in England in der gleichen Zeitperiode abnahm.

Hinsichtlih des Bestandes an Schweinen, der schr bedeutenden Schwankungen unterworfen ist, ergibt sich beim Vergleich der Jahre 1881 und 1902 eine Zunahme in leßterem von mehr als 21 9/9

Die Zabl der Ziegen betrug im Jahre 1881 266078 Stück und im Jahre 1902 303654 Stück; die geringste Bestandsziffer wies während des gedachten Zeitraums das Jahr 1884 mit 254411 Stück und die höchste das Jahr 1891 mit 336 337 Stück auf.

Esel waren im Jahre 1881 187 143 Stück und 1902 242 862 Stüdck vorhanden; dieses sind zugleih die Jahre des niedrigsten und bôchsten Bestandes innerhalb des 22 jährigen Zeitraums.

Von Irland wird nach England, Wales und Schottland ein lebbafter Erxporthandel mit Vieh betrieben. Die geringste Ausfuhr an Rindvieh dorthin innerhalb des Zeitraums von 1878 bis 1902 bezifferte sih auf §56 867 Stück im Jahre 1883, die größte dagegen wurde im Jahre 1902 mit 959 241 Stück erreiht. Die Verminderung der Produktion von Rindfleish in ten Vereinigten Staaten von Amerika infolge des ungünstigen Ausfalls der Ernte im Jahre 1901 war zweifellos cin Hauptgrund für die verstärkte Ausfubr von Irland

20) der andern Hauptinsel Großbritanniens in jenem Jahre.

Die Autfubr von Schafen von Irland nah Enaland, Wales und Schottland war am geringsten im Jahre 1883 mit 460 729 Stück, während der bedeutendste Ausfuhrverkehr im Jahre 1893 mit 1 107 960 Stück fiattfand. Während dreier Jahre, nämlich in den Jahren 1892, 1893 und 1902, wurden über 1000000 Stück Schafe dorthin ausgeführt.

…, Stländs Ausfuhr von Schweinen nah England 2c. erreichte ihr Minimum im Jahre 1880 mit 372 890 Stück und ihr Maximum im Zahre 1900 mit 715 202 Stúck; die Pferdcautfuhr war im Jahre

1548 mit 17 941 Stück am kleinsten und 1899 mit 42 087 Stüuck am vedeulcudît

deulendsten. Es findet auch eine fortwährende, wenn auch nicht erdebliche Ausfuhr von Maulescln, Escln und Ziegen aus Irland

p pi pr p pr per pr pr A i A Us D DO Ls DO S H S C t pt # R e Q J

nach der größeren Insel statt; die geringste Ausfuhrziffer für Ziegen wurde im Fahre 1902 mit 1448 Stück, die böchste im Jahre 1891 mit 291 Stück erreicht. (Nah Crop Reporter.)

Ernteaussichten und Getreidehantel in Rumänien. Der Koiserlihe Konsul in Bukarest berichtet unterm 31. v. M

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Die Weizenernte, die anfangs von Megenfällen beeinträttigt wurde, i in ibrem weiteren Verlauf unter den günstigen Witterungs- “dingungen vor fih gegangen. Der vorjährigen Ernte, die in nalität und Quantität besonders gut war, kommt die diesjährige Uin dbilih der Qualität nicht völlig alei, tagegen soll fie der Menge nach die vorjährige Ernte noch übertreffen. Ebenso fleht cs mit Gerftc ind Hafer, jedoch kann binsichtlich dec letiteren Frucbtart cin Urteil iber die Qualität nod nicht abgegeben werden

Mais verspricht ebenfalls cinen reichlichen Ertrag, der aber be-

einträchtigt werden fann, wenn die jeyt herrshende Dürre längere |

i alteten Leiten von feinem T

Zeit anbâlt

Das Kaiserliche Konsulat in Jassy berichtet unterm 4. d. M.: Die in der weiten Hälfte des Monats Juli d. ÎÏ. herrsende sehr beiße und trockene Witterung war für das Aubrcifen des Ge- urees und die Erntearbeiten sehr günstig

| welche sih berufen füblen, in den Versammlungen als Kämpfer

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Die Weizenernte wird allgemein, auch in Bezug auf Beschaffen- beit, als gut bezeichnet. i :

Roggen wurde in diesem Jahre nur wenig angebaut, die Ernte dieser Getreideart is nur mittelmäßig s :

Die Gerstenernte is in Bezug auf Menge gut en, jedo hat die Gerste hinsihtlih der Beschaffenheit durch den Regen gelitten, die Frucht ist gelb.

Hafer verspricht eine gute Ernte. ;

Der Frühmais teht größtenteils sehr gut und verspriht eine reihe Ernte. Der später angebaute Mais fowie der Bauernmais, der ungefähr zwei Fünftel der Gesamternte ausmacht, dürfte kaum zur Neife gelangen. Er ist von Unkraut überwuchert und zeigt eine ver- \pâtete unvollkommene Gntwidelung.

Der Kaiferkihe Konsul in Galay berihtet unterm 7. d. M:.: Die Erntearbeiten nahmen einen regelmäßigen Verlauf, wenn sie auch hin und wieder durch Regen unterbrochen wurden. Die Ernte ist befriedigend, teilweise fogar recht gut ausgefallen. Die Qualität des neuen Weizens ist erheblich besser, als man erwarten konnte. Die besseren Sorten wiegen 80 bis 82 kg per Hektoliter, die eringeren 76 bis 78 kg, die Beschaffenheit läßt oe des häufig efallenen Regens nichts zu wünschen übrig. Der Roggen ist, d den wenigen bis jeßt eingetroffenen Zufuhren zu urteilen, ebenfalls gut geraten. Die Gerste befriedigt weniger. Das Korn ift im allgemeinen chwach und die Farbe sehr ungleih, jedoch find auch stellenweise bessere Sorten geerntet worden. Es liegen namentlich von der oberen Moldau sehr \{öne Proben von Braugerste vor. Der Mais, dem der Regen im Juli d. I. fehr zu statten kam, verspricht, was für Rumänien besonders wichtig ist, auch in diesem Jahre eine gute Ernte. i | Das Ausfuhrgeshäft hat mit dem Eintreffen größerer Zufuhren neuer Ernte an Lebhaftigkeit gewonnen. Aus dem Innern des Landes fommen jeßt tägli} mehrere tausend Tonnen neuen Getreides an, welche meist unmittelbar auf dem Seewege ausgeführt werden. Die Ausfuhr über Sulina betr1g im Juli d. J.: 31 853 t Weizen, 10 807 t Roggen, 38 845 t Mais, 5576 t Gerste, 6 491 t Hafer. Die Vorräte werden ges{chäßt i in Galaß in Braila bei Weizen auf 1600 t 8000 t bei Roggen auf 1000 t TEEOS bei Mais auf 15 000 t 12 000 t. Die Getreidepreise sind etwa die folgenden (für 1000 kg cif.). Weizen Tee Ce B04 TID 6 a e S E S o o ie dus L BOr L E E Ne E

Getreidebau in Transbaikalien.

Die jährlihe Durchschnittserne von Getreide in Transbaikalion betrug nach den statistishen Daten für die Jahre von 1892 bis 1901 1401 730 Tschetwert, und zwar wurde durhshnittlich im Jahre geerntet: Winter- und Sommerroggen 779 973 Tschetwert, Winter- und Sommerweizen 202 302, Hafer 245 731, Gerste 77 245 und endli Buchweizen 96 479 Tschetwert. Durchschnittlih beträgt die Ernte das 48/;5 fahe der Saat; pro Dessâtine werden 1—2 Ts\chetwert Sommerroggen gesät; wenn man demnach die Durchschnittsaussaat mit 12 Pud pro Dessätine annimmt, “so erbält man von der Dessätine eine Ernte von 57,6 Pud. Die Kosten der Bearbeitung einer Dessätine Acker betragen 16 Rbl. Die Getreidepreise \chwankten in der angegebenen Periode vielfah: für ein Pud Sommerroggen- mebl von 50 Kop. bis 2 Rbl., Weizenmehl von 90 Kop. bis 2 Rbl. Hafer von 40 Kop. bis 1 Rbl. 60 Kop. und für Buchweizen- und Gerstengrütßze von 1 Rbl. 15 Kop. bis 3 Rbl. 50 Kop. Die land- wirtschaftlichen Erzeugnisse werden vorzugsweise für die Befriedigung des öôrtlihen Bedarfs verwandt. In Fahren mit \{lechter Ernte wird Getreide nah dem Transbaikalgebiet aus den Gouvernements Irkutsk und Jenisscisk eingeführt und zu den bestehenden Preisen oder mit einiger Ermäßigung verkauft. So wurden z. B. im Jahre 1901 auf der Eisenbahn nah dem Kreise Tschita 200 000 Pud, nah dem Kreise Selenga geaen 130 000 Pud, nah Burgusinsk 30 000 Pud usw. eingeführt. Außerdem wird Weizenmehl aus Tomsk ein- aeführt, welhem es {on gelungen ist, das aus Amerika imvortierte Mehl zu verdrängen. Hieraus ersieht man, daß das Transbaikalgebiet niht genug hat an seiner eigenen Getreideproduktion, und ret be- trächtliche Mengen Getreide, Grüße und Mebl aus dem Auslande und den angrenzenden sibirishen Gouvernements eingeführt werden.

(Nach der Amurzeitung )

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Ueber die Kurpfuscherei in Preußen

enthält der soeben veröffentlichte amtlihe Bericht über das Ge- sundheitäwesen des preußischen Staats im Jahre 1901 *) wieder Mitteilungen von allgemeinstem Interesse. Da im Berichtsjahre cine Anmeldepflicht für diejenigen Personen, welche die Heilkunde ausüben, ohne in Deutschland approbiert zu sein, noch nicht bestand, war aud eine ziffernmäßige Zusammenstellung aller gewerbsmäßigen Kurpfuscher niht zu erbringen. Die Bezirköberichte stimmen jedo abgeschen von einzelnen Ausnahmen, darin übercin, daß die Zabl derjenigen Per- sonen, welhe ohne Approbation Kranke gewerbsmäßig bebandeln, an- dauernd wächst. Namentlich wird üder die große Vermehrung der \0o- aenannten Naturdeilvereine geklagt, welhe von fanatischen i des „arzneilosen Heilverfahrens“ selbft îin kleineren Städten ins Leben gerufen werden. In diesen Vereinen wird mit Unterstützung besonderer Wanderredner und Agitatoren durh öffentliche Vorträge

| lebhafteste Propaganda für irgend ein besonderes Heilsyfstem gemacht, vor allen Dingen aber die wissenschaftlihe Medizin derabzuseyen ver- | sucht. Als Viitglieder derartiger Vercine findet man Personen der |

verschiedensten Stände; vornedmlih sind es aber Volksschullehrer, aeaen die wissensdaftlide Medizin aufzutreten, indem sie deren „Irrledren“ darlegen und eifrig Andânger for idre eigene, allein naturgemäße Heilweise sammeln Dieser Umstand ift um so dedauerlicher, als die Lebrer durh ihre Stellung Ansehen und Mutorität gerade în den bier in Betracht kommenden Kreisen der Bevölkerung in nicht unerbeblihem Maße genicßhen und dadurch für jene Vereine eine besonders wirksame Hilfe sind. In Königs- hütte mußten die Lehrer wegen ihrer Teilnahme an den tendenziösen Angriffen des dortigen Naturhbeilvereins gegen die Aerzte cine Ver- warnung seitens der Regierung erhalten. Von sonstigen Personen, sich berusmäfig mit irgend einer der viclen Arten urpfustherei beschäftigen, fiaden sit Geisilihe, Hand- Heilgedilfen, Bardiere, Kräuterweibder, Schäfer, ver-

adte Studenten, darunter au vielfach Personen mit der zweifel-

en Vergangenhdeit. welede ichon wegen der versdicdentien Delikte

nit dem Strasgesey in Konflikt geraten waren. Einen Beitrag zu

| der Statistik über die sUtlichen Eigenschaften, welche in manchen

Fällen die Korper für ihre ipendende Tätigkeit“ mitbringen. beilinftitut Samaria® in Berlin, E E

Direktor empfoblena wurde. Detielbe war

Menschen Heil und Segen unter anderem das „Keform- as für die vershiedenften ver-

en Geistesfranfkheit entmündigt und wegen Betrugs und Urkunden-

rreger ¿s # s e a M n Las hung mehrfach vorbestrafl. Im Landkreise Frankfurt a. M. heille

vom 12. d. M

| geseut dadurh, daß sie die

i An H QLACH E

ein aus der Irrenanstalt als gebessert entlafsener, vorbestrafter Barbier mit Elektrizität. Häufig finden sh unter den Vergehen, welche zu Vorstrafen der Kurpfuscher geführt haben, Eigentums- und Sittlich- feitsdelifte. Derartigen Leuten vertraut das Publikum, betört dur eine \{chwindelhafte Neklame und ungeheuerlihe Versprehungen, Leben und Gesundheit an. Die Mittel, welche die Pfuscher anwenden, sind teils Besprehungen, magnetishe Streihungen, Gesfundsehen und -belen, Anwendung von Elektrizität, kritiklose Verwendung des Wassers in den verschiedenen Formen, Knetungen, Anwendung von allerlei Salben, Magnetohomöopathie, Sympathie usw. Da- neben findet fich der Gebrauch innerer Mittel, die teils von den Pfuschern selbst abgegeben werden, teils auf ihre Anweisung aus be- stimmten E zu beziehen find. Bei der dünkelhaften Ueber- hebung und meist sfrupellosen Gewissenlofigkeit einer großen Anzahl dieser höchsst minderwertigen und zweifelhaften, Kurpfuscherei treibenden Personen it es niht verwunderlißh, daß der von thnen zugefügte Schaden an Leben und Gesundheit ein be- trächtlicher ist. Leider kommt nur ein geringer Bruchteil dieser Scbädigungen zur öffentlihen Kenntnis; ein großer Teil der Be- troffenen {hweigt aus Furcht vor Spott, ein anderer Teil läßt \ich durch Zusicherung von Vorteilen abhalten, die Angelegenheit auf- zudecken und gerichtlich anhängig zu machen; es spriht auch hierbei noch der Umstand mit, daß viele Geschädigten niht wissen, welche Ansprüche ihnen wegen der Gesundheits\{hädigungen zustehen, die ihnen aus der Behandlung des Pfuschers erwachsen sind. Jn Tilsit wurde der Naturheilkundige N. wegen fahrlässiger Tötung von zwei an Diphtherie verstorbenen Kindern verhaftet und unter Anklage gestellt; ein ähnlihes Verfahren \{chwebte gegen einen Gutsbesitzer im Kreise Darkeh men, welcher durch sein Versprechen, ein an Diphtherie erkranktes Kind, welchcs auf den Nat zweier Aerzte operiert werden sollte, gesund zu machen, die Operation hintertrieb, mit dem Erfolge, daß das Kind starb. Wegen fahrlässiger Körperverletzung erhielten ein Schäfer aus Bottschow, Kr. West-Sternber g, 6 Monate, ein Forstarbeiter aus Berkenbrück, Kr. Lebus, 1 Monat Gefängnis. Ein farrer im Kreise Greifenberg i. P., Reg.-Bez. Stettin, behandelte einen 5 Jahre alten Knaben des Lehrers homöopathish an einer Hals- erkrankung. Als der Knabe nah 3— 4 Tagen dem Ersticken nahe war, sandten die Eltern zum Arzte, dem es bei der {hon zu weit vor- geschrittenen Diphtherie troß sofortigen operativen Eingreifens nicht mehr gelang, den bald darauf eintretenden Tod abzuwenden. Die Ziebhfrau K. în Neustädtel, Kr. Freystadt, Reg.-Bez. Liegniß, wurde wegen fahrlässiger Körperverlezung zu einem Monat Gefängnis verurteilt. In Neusalz, Kr. Freystadt, erhielt ein Bäckermeister und Kurpfuscher, der ein Kind an Scharlah mit tötlihem Aus- ange behandelte, vorher aber die Verordnung des behandelnden rztes \{chwer verdächtigt hatte, eine Gefängnisstrafe von 14 Tagen. Ein Vertreter der Naturheilmethode in Eisleben, Reg.-Bez. Merse- burg, mußte eine fahrlässige Tötung mit 4 Monaten Gefängnis büßen, ein anderer in Querfurt eine Fruchtabtreibung mit 1 Iahr 3 Monate Gefängnis und Unterstellung unter polizeilihe Aufsicht auf 3 Jahre. Der Obermeister der Schlächterinnung in Neumünster, Reg. - Bez. Schleswig, ein bekannter Kurpfuscher, bekam 1 Monat Gefängnis wegen fahrlässiger Behandlung eines diphtheriekranken Knaben. Eine sich mit der Behandlung von äußeren Schäden usw. befassende, nicht approbierte Ferien in Wilhelmshaven, Neg.-Bez. A uri, hatte einen OberschenkelbruH bei einem Kinde nicht erkannt und unsahgemäß behandelt; sie wurde mit 6 Monaten Gefängnis bestraft. Von dem Königlichen Landgericht in Dortmund wurde ein Kurpfusher wegen fahrlässiger Körper- verlezung zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt. Es handelte sich um Manipulationen, die er an einer jungen, augens{heinlich in den ersten Mo- naten der Shwangerschaft befindlichen Frauensperson vorgenommen hatte. In Lövenich, Landkreis C öôln, wurde ein Destillateur, welcher mit Baunscheidtismus alle möglich?2:n Krankheiten behandelte, wegen Gesundhbeitss{hädigung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 300 M verurteilt. Durch Verbinden einer Fingerverlezung bei einem 16 jährigen Mädchen mit reiner Karbolsäure verursahte ein Pfusher in Bingen, Oberamt Sigmaringen, eine Sangräân des Fingers, welhe die Amputation nôtig machte. Zu erhbeblihen Klagen gab in den Bezirken Königsberg, Gum- binnen, Danzig, Marienwerder, Köslin, Posen, Brom- berg und Aachen das Hebammenpfuschertum Veranlassung. Im Kreise Memel, Neg.-Bez. Königsberg, wurden allein unter 28 Kurpfuschern 22 Hebammenpfuscherinnen gezählt; in dem Neg.-Bez. Posen wurden 1102 Frauen în dem Berichts- jahre ohne Hilfe von Hebammen entbunden. Im Kreise Sch{ild- berg sind 3 von 15 Frauen, welhe, ohne das Hebammenprüfungs- zeugnis zu besitzen oder fonst approbiert zu sein, sih gewerbsmäßig mit der Geburtsdbilfe befaßten, in dem Berichtsjahre wegen fahrlässiger Tôtung zu je 1 Jahr Gefängnis verurteilt worden. Bis zu 57 und 59 v. H. aller Entbindungen în den Kreisen Wongrowiß und Mogilno wurden von Nichthebammen ausgeführt. An die Verurteilungen wegen Gesundheitsbeshädigung und Körperverleßzung reiben sch an die bäufigen Bestrafungèn wegen Führung arztähnliher Titel, Abgabe von Arzneimitteln und Ausübung der Heillunde îtm Umberzieben Eine erbebliche Schädigung des Gemeinwohbls verursachen die Kurpfuscher fort- Seuchenbelämpfung lahm- legen und ers{chweren, indem fie bei der Behandlung ansteckender Kranks heiten die Natur der Krankheit verkennen, keine Vorsichtsmaßregeln gegen die Weiterverbreitung anwenden und durch Unterlassen der Meldung an die Behörden dás rechtzeitige Ergreifen von Gegen- maßregeln unmöglih maben. So behandelte in Shermen, Reg.- Bez. Magdeburg, ein Pfusher Scharlachkranke, ohne die nötigen Vorsichtömaßregeln zu beachten, und trug wesentli zur Verbreitung

| der Krankheit bei; îin Eilenburg, Reg.-Bez. Merseburg, ver-

s{uldete ein Kurpfuscher zufolge seiner Unwifsenbeit das Umsichgreifen einer Tyvphusevidemie. Wegen unterlassener Anzeige mehrerer von ihm

| bebandelter Schaclachsälle wurde ein Lehrer in Böddekensted

L H T7 Reg.-Bez. Lüneburg, in eine Geldstrafe genommen : Ein besonderer Grund, auf das Treiben der Kurpfuscher zu

ahlen, licat au für die Alters- und Invaliditätsversicheruna, sowie

| für die Berufszenofsenschaften vor, da in den verpfuschten Fällen

pfi

zeitige avalidenrenten oder bode Unfallrenten gezablt werden

müssen Von 183 Unf iten, weldhe der Kreisarzt in Ahbrs

weiler tea.-Bez. Koblenz, in der Zeit von 1899—1901 zu be-

autachten hatte, waren | ießlih durch Knochenflicker bebandelt

worden. Im Kreise Abbau s wurde eine wegen eines Oberschenkels i

L) ° bruchs von einem „Gliederfünstler“ behandelte Frau völlig erwerbs-

| unfädbig und fiel der landwirtschaftlichen Berufsgenofsenschaft zur Last.

Nach § 46 der Dienstanweisung muß es sich der Kreisarzt ange- legen sein lassen, im Vercine mit den Aerzten des Bezirks die Bes t 1 in geeigneter Weise übder das gemeinshädlihe T Kurpfuscherei und vor Schaden zu bewahren. Er hat seir Augenmerk auf diejenigen Personen zu richten, welche, obne zu sein, die Heilkunde gewerbömäßig ausüben, und über sie unter Beibilfe der Vrtitpolizeibebörden und der Aerzie des Bezirks ein

| Verzeichnis zu führen, das Mitteilungen über Vorleben, Beruf, Heil-

methoden und etwaige Bestrafungen enthält. Mit Rücksiett auf diese erweiterte Amtstätigkeit der Kreieärzte soll ina dem nächsien ZJahres- derihte ter Erörterung der Kurpfuscherci, ibres Umfangs und von ihr verursachten Schädigung des Gemeinwohls cinc ausfüh Darstellung gewidmet werden.

Ueder die Pfer desterbe (ora s ®

dat, ciner Mei

der Londoner „Times von Natal einen Bericht des Bakteriologen Pi

Veterinärabteilung dasclbst, veröffentlich Forscher dur Versuche ermittelt, daß die Ueber deit, âholih wie dic Málaria des Menschen Stiechfliegen erfolgt, und zwar durch verschiedene Arten der Gattung Anophslsa

Die Versuche wurden in der am meisten verseuchten Gegend in Nordzululand derart ausgeführt, dah eine Anzahl von Pferden in

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