1882 / 223 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Sep 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Na einem Cirkularerlaß des Handels-Ministers und des Ministers des iner vom 30. i d. J. find nah - Art. 48 der Verfassung des Deutschen Reichs die Tele- graphenanlagen, zu denen au die Fern\prech- (Telephon-) Anlagen gerechnet werden müssen, im Prinzip als Gegen- s des Reichsregals anzusehen. Es kann danach zwar emandem verwehrt werden, innerhalb seiner eigenen Ge- bäude, Etablissements oder Grundstücke Telegraphen- oder Fernsprecanlagen einzurihten, vorausgeseßt, daß der Besißer innerhalb seiner Grenzen bleibt und mit der Anlage nit fremde Grundstücke, öffentlihe Wege, Straßen 2c. überschreitet. Derartige Anlagen sind keine Verkehrsanstalten, sondern ein Theil der tehnishen Einrihtungen des landwirthschaftlichen oder Fabrikbetriebes des Eigenthümers, ähnlich wie eine elektrische Klingel in den Wohnräumen eines Privaten. Sobald es sih aber a. um die Unterhaltung von Telegraphen- oder Fernsprech- verbindungen zwischen Grundstücken handelt, welche zwar ein und demselben Besißer gehören, aber räumlih fei es dur Grundstücke anderer Besitzer, sei es durch öffentlihe Wege von einander getrennt sind, oder sobald b. die Unterhaltung “were, 5 Verbindungen zwischen Häusern, Etablissements, Grundstücken 2c. in Frage kommt, welche nit ein und dem- Jelben au gehören, würde die Leitung den Begriff einer Verkehrsanstalt haben und damit in das Reichsregal eingreifen. Hinsichtlih der Fälle zu a. wird die Genehmigung Seitens des Reichs in der Regel ohne Weiteres und insbesondere ohne Anspruch auf Erhebung einer Abgabe ertheilt werden, jedo unter dem Vorbehalte des Widerrufes, um jederzeit den Ab- bru der Leitung verlangen zu können, z. B. falls dieselbe störend auf den Betrieb benachbarter öffentlicher Leitungen einwirken, oder der Besiger sich unbefugt den Anschluß an die leßteren verschaffen sollte. Ob eine Anlage den Charakter einer Verkehrsanstalt hat, wird der Entscheidung der Reichs- organe zu unterziehen sein.

Nah einem Cirkularerlaß des Ministers des Jnnern und des Finanz-Ministers, vom 25. Mai d. J,, ist nach der Vorschrift in 8. 1 des Geseßes vom 11. März 1879 das Universitätsstudium der Staatswissenschasten in so weit als unerläßlihe Bedingung sür die Erlangung der Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst anzusehen, daß ein Ge- rihts-Referendarius, welcher sich auf der Universität lediglich auf das Studium der Rechtswissenshaften unter gänzlihem Ausschluß der Staatswissenshaften beschränkt hat, als Regierungs-Referendarius niht wird angenommen werden dürfen, auh wenn er diesen Mangel dur nachträg- lihe Studien zu erseßen bemüht gewesen ist. Anvererseits ergiebt sih aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des S. 1a. a. D., daß durch denselben keineswegs der Besuch bestimm- ter Kollegien obligatorisch hat vorgeschrieben werden sollen. So- fern daher nur im Allgemeinen insbesondere dur den Besuch einzelner staatswissenschaftlihen Kollegien, der Nachweis eines Universitäts-Studiums- der Staatswissenschaf- ten geführt worden ist, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß bezüglich einzelner der in 8. 2 Nr. 4 des Ausführungs-RNegu- lativs „vom 29, Mai 1879 bezeichneten Disziplinen auch noch A das Studium derselben dur sonstige Zeugnisse nahgewiesen wird. Bei der Prüfung dieser Zeugnisse wird

jedoch stets mit besonderer Sorgfalt zu verfahren und die

Annahme der Betreffenden als Regierungs-Referendarius ab- emen

ein, sofern nicht in völlig glaubhafter und zuver- - üssiger Weise die Führung. des bezüglichen Naëiweifes er-

folgt ist.

Die General-Lieutenants von Bülow, General-Jn- specteur der Artillerie, und von Verdy du Vernois, Di- rektor des Allgemeinen Kriegs-Departements, sind nah Bei- wohnung der Manöver in Schlesien und Sachsen hier wieder eingetroffen.

—. S. M. S. „Gneisenau“, 16 Geschütze, Kommandant Kapitän zur See Freiherr v. d. Goltz, ist am 21. d. Mts. in Port Saïd eingetroffen.

Niederlande. Haag, 21. September. (W. T. B.) Jn der Ersten Kammer erklärte der Minister-Präsi- dent van Lynden heute auf eine Jnterpellation des Deputirten Borsius : er habe den Auftrag zur Neubildung des Ka- binets nicht eher angenommen, als bis er sich versichert habe, daß die Verhandlungen des Königs mit Tak van Poortvliet niht zum Abschluß gelangt seien, wegen der Wei- gerung des Königs, die Bedingung Taks anzunehmen, daß formulirte Gesezentwürfe über die Revision der Verfassung vorgelegt werden sollten. Das gegenwärtige Kabinet werde die Frage der Revisionsbedürstigkeit der Ver- fassung nur dann prüfen lassen, wenn der Entwurf, betreffend eine Aenderung des Wahlgeseßes, welcher im nächsten Monate eingebracht werde, zur Annahme gelange. Der Minister be- merkte noch : die leßtenNachrichten aus A t\chin, vom 13. d. M., lauteten wieder beruhigender; zahlreiche feindlihe Schaaren seien unter großen Verlusten von ihren festen Positionen durch die niederländishen Truppen vertrieben worden.

Großbritannien und Jrland. London, 2. Sep- tember. (Allg. Corr.) - Der Erzbischof von York hat an die Bischöfe ein Schreiben gerichtet, durch welches verordnet wird, daß der nächste Sonntag (24. September) in allen Kirchen und Kapellen der Diözese als ein Danks agungs- tag beobachtet werden solle. Die Geistlichen sollen in ihren Kanzelreden dem nationalen Gefühle Ausdruck verleihen.

Jn Jrland sind in jüngster Zeit keine erwähnenswerthen Ausschreitungen vorgekommen, doch scheint die Macht des Terrorismus troy des strengen Verbrechenverhütungsgeseßes noh nicht ganz E zu sein. Jn Millstreet, Grafschaft Cork, waren dieser Tage Plakate angeschlagen, mit der Ueberschrift : „Assassination Hall“ (Meuchelmordhalle), und worin Jedermann mit dem Tode bedroht wird, der es wagt, Pachthöfe zu übernehmen, von denen die früheren Päch- ter wegen Nichtzahlung des Pachtzinses vertrieben worden. Die Bekanntmachung war „Hauptmann Mondschein“ unter- zeihnet. Jn Galway kam am Montag der Henker Marwood an, um nästen Frevag die Hinrichtung des Agrarmörders Walsh zu vollstrecken. Er legte die Reise von Limerick nah Galway unter dem Studs einer Compagnie Soldaten und Polizisten zurück. Da si Niemand in der Stadt zur Errich- tung des Schaffots hergeben wollte, mußte Marwood diese Arbeit selber verrihten. Da Ruhestörungen bei der Hinrich-

Frankreich. Paris, 20. September. (Fr. Corr.) Ein französisher General, dey Tunesien mit Eifer studirte, hat einen Bericht nah Paris gebracht, welchem zufolge die Pazifi- kation in der Regentschaft eine allgemeine und tiefe sei und als definitiv angesehen werden fönne. Man höre dort nicht mehr von Marodeurs sprehen. Jeder Stamm übe, da alle Tribus für die auf ihrem Gebiete au: s8geführten Angriffe ver- antwortlich gemacht wurden, selbst Polizei. So wurde der Courier von Sussa nach Kairuan, ein französischer Reiter, seit 8 Monaten kein einziges Mal angegriffen. Die Assimi- lation vollziehe sich sogar leihter als in Algerien. Es wurden wihtigé Konzessionen ertheilt, wodurch Kapital und Arbeit in die Regentschaft gebraht werden wird. Große öffentlihe Arbeiten, werden bald in Angriff genommen werden, wie die Beleuhtung und Legung von Bojen an den Küsten, die Errichtung von Ueberbrückungen an der östlihen Küste und in Tabarka und die Bohrung von artesischen Brunnen in der Oase von Djerid im Süden. All dies werde das Loos der tunesischen Bevölkerung verbessern, und die Wohlthaten der eFranzosen würden vollenden, was die Waffen begonnen. Nichtsdestoweniger werde die Beylicatsmacht, die große Dienste leiste, aufre@t erhalten werden. Es seien soeben Unterhand- lungen behufs Aufhebung der Kapitulationen in Tunesien eingeleitet worden. Diese Unterhandlungen würden begreiflicher- weise eine Zeit lang dauern. Es müsse jeder Punkt wohl erwogen werden, damit alle Rechte garantirt werden. Alle Anzeichen ließen Jedoch schon jeßt sdließen, daß das End- resultat die Auflösung dieser veralteten und unnüß gewordenen Konventionen sein werde.

_ Italien. Florenz, 22. September. (W. T. B.) Der König ist zur Besichtigung der überschwemmten Ortschasten nach Verona abgereist.

Griechenland. Athen, 20. September. (Pol. Corr.) Der Minister des Aeußern Trikupis hat ein Rundschreiben an die Mächte gerichtet, in dem er für die Zulassung eines grie- chishen Mitgliedes zu der internationalen Kom- mission plaidirt, welche behufs der Entschädiguna, welche den beim Bombardement von Alexandrien zu Schaden

gekommenen Personen etwa zu leisten wäre, in Aussicht ge- nommen ist.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 21. Sep- tember. (W. T. B.) Großfürst Michael mit Familie ist zu einem längeren Landaufenthalt nah der Krim abge- reist. Wie die deutshe „St. Petersburger Zeitung“ meldet, wir der Senator Manassein niht mehr nah den Osisee-

provinzen zurückehren.

22. September. (W. T. B.) Der „Regierungs- Anzeiger“ meldet: Gestern fand in Moskau auf dem Chodinschen Felde große Parade über 46 Bataillone, 12 Escadrons, 4 Sotnien Kosaken und 21 Batterien statt (vgl. u.). Der Kaiser und der Fürst von Montenegro be- gaben sih um 11 Uhr zu Pferde aus dem Petrowski'schen Palais zur Parade. Die Kaiserin folgte mit ihren Kindern in einem offenen Wagen. Eine glänzende Suite {loß sich den Majestäten an. Nach Beendigung der Parade fand im Petrowski- schen Palais ein Frühstück statt, an welchem der Fürst von Monte- negro, die hier anwesenden Minister und andere hohe Würden- träger, die Suite und. die Truppencgmmandeure, im Ganzen etwa 100 Personen} Theil nahmen. “Nachmittags um 3 Uhr besuhten der Käiser* und die Kaiserli mit dem Fürsten von Montenegro und den Großfürsten die Ausstellung, wo sie bis 6 Uhr verweilten. Alsdann sand im Petrowski's{hen Palais das Diner statt, Der „Regierungsanzeiger“ veröffentlicht ferner eine amtlihe Mittheilung, nah welcher zwischen den niederen Volksschulen und den Mädchengymnasien stehende Mittelschulen für Mädchen mit vierjährigem Lehrkursus errichtet werden sollen.

Moskau, 21. September. (W. T. B.) Der Kaiser hat heute auf dem Chodinschen Felde eine Truppenrevue abgehalten und darauf der Ausstellung einen längeren Besuch abgestattet. Die Truppenrevue, welhe Vormittags 11 Uhr begann, wohnten auch die Kaiserin, der Fürst von Monte- negro und sämmtliche hier anwesenden Mitglieder des Kaiser- hauses bei. Der Kaiser war zu Pferde; neben ihm ritt der Fürst von Montenegro. Jn der Ausstellung verweilte der Kaiser, der Alles eingehend in Augenschein nahm, bis Abends 6 Uhr. Die Ordnung auf den Straßen, welche der Kaiser pasfirte, wurde durch aus dem Volke gebildete Genossenschaften aufre{chterhalten ; Polizeibeamte waren nur in schr geringer Anzahl oder fast gar nit in den Straßen zu sehen.

Amerika. New-York, 19. September. (Alg. Cocr.) L Arthur is nach Washington zurückgekehrt. n San Franzisko wird demnächst ein „Garfield-Monu- ment“ errihtet werden, dessen Scckel die sißende, auf ein Schwert si stüßende, trauernde Figur, die Amerika, aus Bronze, bilden wird. Die Seiten des Piedestals werden Adler zieren, von denen einer die Sinnbilder des Krieges und de v aug Pg tres E Se und Schilck des Landes vewacht, le BVronzestatue Garfields wird cine Höhe v

10 Fuß haben. N P

Afrika. Egypten. Alexandrien, 21, September. (W. T. B.) Drei englishe Regimenter werden morgen früh unter dem Oberbefehl des Generals Wood nach Damiette abgehen, um die Uebergabe des Plaßes zu verlangen. Etwa 1000 Mann der Truppen Abdellals sind entflohen und be- finden sih augenblicklich in Chirbin, wo die Eisenbahn zer- stört ist, Admiral Dowell blokirt mit mehreren Kriegsschiffen Damiette. , 22. September. (W. T. B.) Alle in Ramleh internirt gewesenen Offiziere der aufständigen Armee, weiche noch niht den Rang eines Obersten bekleiden, sind in Freiheit gesebt worden. Die übrigen mehr als 50 Offiziere, wurden gestern Abend unter Eskorte nach Alexandrien ge- bracht, Die für Damiette bestimmte Truppenabtheilung ist heute via Tantah dorthin abgegangen. Die Schiffsabthei- lung des Admirals Dowell besteht aus 1 Korvette und 2 Kanonenbooten. Man erwartet keinen Widerstand.

Port Said, 21. September. (W. T. B.) Das Fort übel S el qut Sts Ai gy Besatzung ergeben, der

er Besaßun n der vergangenen

rge L G E che O Vie Garnison von Damiette hat, als der Befehl Yakub Paschas an die Soldaten, die Waffen iten E und si in ihre Heimath zu begeben, in Damiette eingetroffen war, diesem Befehle Folge geleistet. Abdellal Pascha und Aboulata haben sih mit einer schwachen Eskorte von Musta-

tung befürchtet werden, ist die Polizei um me Mann verstärkt worden, Bn hrere hundert

phasius von Damiette entfernt und die Richtung nah Kairo

Der „Evening Standard“ meldel aus Kairo vom

20. d. M., die Garnison von Damiette weigere \i M gere si, sich zu

Sir Garnet Wolseley hat einen Tagesbefehl erlassen, welcher wie folgt lautet : s res __ Der Höcbstkommandirende beglückwünsht die Armee zu dem glänzenden Erfolge, welcher ihre Anstrengungen in dem am 14. ds. dur die Uebergabe der Citadelle von Kairo und Arabi Paschas, des Hauptrebellen gegen die Autorität Sr. Hoheit des Khedive, beendig- ten Feldzuge gekrönt hat. In 25 Tagen hat die Armee eine Aus- \{iffung in Ismailia bewerkstelligt, ist dur die Wüste bis nah Zagazi marschirt, hat die Hauptstadt Egyptens beseßt und den Feind glüdlid 4 Mal besiegt, nämlih am 24. August bei Mayfer, am 25. bei Telel- Mahut, am 9. September bei Kassassin, und endlih am 13. Seyp- tember bei Telelkebir, wo sie na einem strapazenvollen Nactmarsdbe dem Feinde eine überwältigende Niederlage zufügte, eine stark be- festigte Stellung mit dem Bajonnet erstürmte und alle seine Kanonen, 60 an der Zahl, eroberte. Indem der Höchstkommandirende die Ereig- nisse berzählt, welche diesen kurzen und entscheidenden Feldzug gekenn- zeichnet haben, ift er stolz, die Thatsache zu verzeibnen, daß diese glänzenden Errungenschaften dem hohen militärischen Muthe und der edlen Pflichtergebenheit, wele alle Nangstufen unter seinem Befehl beseelten , zuzuschreiben sind. Dazu berufen, Disziplin unter ausnahmêweisen Entbehrungen zu entfalten, Beweise von Festigkeit unter den großen Mühseligkeiten zu liefern und Verachtung der Ge- fahr in der Schlacht zu bekunden, haben Generale, Offiziere, Unter- offiziere und Mannschaften der Armee dem mit Eifer und Frohsinn entsprocen, und dadur der langen Reihenfolge britischer Siege ein neues Kapitel hinzugefügt. Dieser Befehl soll an der Spiße eines jeden Regiments, Bataillons und Corps bei drei hintereinanderfol- genden Paraden verlesen werden.

Zeitungsstimmen.

Steins „Deutsche Correspondenz“ schreibt:

Was auc die Regierung plant, immer wird dem „kleinen Manne® vorgerédet, er habe den Nachtheil davon; die Magnaten und reichen Großgrundbesißer mögen fo menschenfreundliche Institutionen planen, wie sie nur irgend Éönnen, so redet man in vielen Kreisen dennoch von den Großen, die den „Kleinen“, zu denen auch der Bauer gehört nach dem Motto der Fabel auffressen wollen : „Denn i bin groß, und du bist lein !“ Allerdings ist sowohl im kleinen Bürgerstande O L E, Ä E die Erkenntniß aufgedämmert, daß

le betten Sclagwörter weniger werth sind, als eine T E E J h \ ls eine That, | ine wirthschastlihe Reform, wie sie Fürst Bismarck plant, i nicht für die Großen zugeschnitten ; sie recnet vielmehr L V Kleinen, vor Allem aber au mit den Mittelständen. Die meisten fortshrittlihen Beitungen folgen den oratorischen Kunstgri ffen ihrer Abgeordneten, welhe in Wort und Schrift immer die obersten mit untersten Steuerstufen konfrontiren. Jn den neuesten Wahlreden zwishen Pinneberg und Posen, von Memel bis gen Cöln gebalten, denn die „Reise - Apostel“ find in voller Thätigkeit, blüht wieder das Scheingefecht zwischen Millionär und Proketarier; man rechnet dem Michel wieder vor, daß die Schorrsteinritter die Tagelöhner, die Majoratsherren die Bauern ausfaugen. Wenn Vürst Bismarck cinmal an Bürger und Bauern einige ermuthigende Zeilen richtet, so verdankt man ihm diese Antwort als „Freund des kleinen Mannes“, correspondirt er aber mit Misllionären, mit Fürsten oder mit Großindustriellen, so heißt es dagegen, er betheilige sib an der Hebe des kleinen Mannes.

Das meiste Geschrei erheben die großen Handelsagenten in den Scestädten und ihre Unteragenten, die doch insgesammt mit ihren Verdiensten am kleinen Mann im Binnenlande einer vielleicht nothwendigen, aber nit allzu produktiven Arbeit recht zufrieden sein könnten mit dem Aufschwunge von Handel und Gewerbe, Aber die Leute s{chwärmen für Cobden und „Mandwester", weil sie bei Measseneinfuhr, bei der Uebershwemmung mit englishem Schund noch mehr als gerade jeßt zu verdienen hoffen.

Jn der „Schlesischen Zeitung“ lesen wir:

Wie aus den Handelskammerberichten in verschiedenen Kreisen Swlesiens hervorgeht, hat sich im vergangenen Jahre der Charakter des Geschäfts im Vergleich zu den Vorjahren im Allgemeinen bedeu- tend konsolidirt. Hauptsächlich ist diese günstige Konstellation dem Auëêgleich zwischen Fabrikation und Konsumtion zuzuschreiben, welcher namentlich in der Waldenburger, Schweidnißer und Reichenbacher Gegend in bemerkenswerther Weise erfolgt ist. Neben diesem Umstande zeigt sich aber au entschieden der vortheilhafte Einfluß der neuen Zollpolitik, welhe den Fabrikanten einen größe- ren Schuß gegenüber der ausländischen Konkurrenz gewährt, und mat si derselbe besonders in cinzelnen Branchen, in denen ih das Zurücktreten der ausländischen Konkurrenz direkt fühlbar macht, in Bezug auf den nunmehr gesteigerten Absatz geltend. In indirekter Weise tritt dieser Vortheil bei anderen Branchen zu Tage, welche bisher den inländischen Markt allein beherrshten, indem hier ein größerer Verbrauch Seitens derjenigen Konsumenten stattfindet, deren Lage vermöge der Schußzollpolitik \ich günstiger gestaltet hat. Wenngleih der Handelskammerberiht der Kreise Wal- denburg, Schweidniß und Reichenbach erkennen läßt, daß andererscits dur das Eintreten der gleihen Handelspolitik in dem benacbarten Auslande in gewissen Industriezweigen, so namentli in der Leinea- fabrikation, welche ihre Waaren bisher zollfrei aus Oesterreich ver- sandte und dieselben im veredelten Zustande cxportirte, versbiedene Schattenseiten sihch bemerkbar machen, so kommt er doch zum Schluß darauf zurück, daß der Einfluß der Schußzollpolitik gerade in ge- nannten Distrikten im Großen und Ganzen ein unverkennbar günstiger ift.

Die von Dr, Victor Böhmert und Dr. Arthur von Studniß herausgegebene „Sozial - Correspondenz“ E Ogende BSO aus Chemniß mit:

eit langer Zeit bat sich hier der Geschäftsgang fast alle Branchen nicht eines solchen Aufscwunges erfreut Wie jevt. Ser Maschinenbau herrs{t das regste Leben, und ift allen derartigen Ar- beitern der Zuzug hierher zu empfehlen. Zumeist den Kessel- und Kupferschmieden, von denen man gern in allen Werkstätten noch mehr beschäftigen würde, wenn sie nur zu erlangen wären. Viele Maschinenbauanstalten arbeiten jeßt auchß die Nacht dur, d. b. mit doppelten Belegschaften, wie für Bergbau, weil sonst die zahlreichen Bestellungen niht {nell genug gefördert werden können. In den Baumwollspinnereien geht es ebenso fleißig zu. Die Arbeiterinnen an den Vorbereitungêsmascinen verdienen wöchentlich, meist gleich von ihrem Eintritt an 5—8 K, die Feinspinnerinnen 6—8 #4, doch ist den Mädchen nicht zu diesem Zweig der Spinnerei zu rathen, da sie ih dabei oft sehr ausdehnen müssen und si leiht Schaden zufügen önnen; mnôgen fie daber diese Arbeit lieber den Männern überlassen. Am Besten stehen \sih die Weiferinnen. Geübte verdienen die Woche 15—20 M und sind die Löhne im Steigen. Trotzdem fehlt es noch an Arbeiterinnen und ift also hier ihr Loos keineswegs befklagens- werth, zumal auch viele Arbeiterinnen, n in der Fabrik, niht nah dem Tagelohn, sondern nah dem Stücarbeiten ; sie ps also keines- wegs genöthigt, den ganzen Tag in der Fabrik zuzubringen. Holtei Derselben Correspondenz schreibt man aus Schleswig-

F Die Lage des Arbeitsmarktes in einigen Hauptzweigen unseres ökonomischen Lebens läßt ch kurz wie folgt {ildern: Der Stiff- bau in Flensburg beschäftigt Jahr und Tag hindur egen 1000 Ar- beiter, theils in Accord-, theils in festen Wocenlohnsägen. Die Bestellungen bei der dortigen Werft find so zahlrei, daß den Ar- auf lange Zeit hinaus regelmäßige und durchweg

eingeschlagen.

E ute acht / ut gelohnte Beschäftigung garantirt ist. Ganz dasselbe gilt von d owaldtshen Werft zu Diedrichedorf an der Kieler Förde, die êns

gefähr ebenso viele Arbeiter beschäftigt. Die Norddeutsche Werft zu Gaarden bei Kiel hat bekanntli vor einiger Zeit infolge eingetretener finanzieller Schwierigkeiten ibrer Eigenthümerin, der Märkish-Schle- sishen Maschinenbau-Aktiengesellschaft, eine größere Zahl Arbeiter ent- lassen und nur soviel zurückbehalten, „um die Reste aufzuarbeiten“. Wie es beißt, soU jet jedoch die Werft in die Hand sehr leistungs- fähiger Hamburger Geschäfteleute übergegangen sein, so daß man er- warten darf, daß dieses vortrefflich gelegene Etablissement alsbald mit neuen Kräften seine Thätigkeit aufrimmt. Die große Rührigfkeit, welhe den Schiffsbau Scleêwig-Holst-ins auszeichnet, macht sich auch in den kleinen Städten geltend. Zeitungênachrichten zufolge sind neuerdings Schiffsbestellungen in Apenrade, Elmshorn und Blankenese aufgegeben worden. Unjere Maschinen- und Eisenindustrie (beson- ders in Flensburg, Kiel, Elmshorn, Ottensen und Rendsburg) erfreut sih im Ganzen gleichfalls befriedigender Geschäftsverhältnisse. Jn- folge des großen Angebots von Arbeitskräften sind vielleicht die Lohn- säße etwas geringer als vor einigen Jahren, doch dürften dieselben immerhin noch als günstige gelten. Im Allgemeinen zeichnet sich die Eisenindustrie Schleswig-Holsteins dadur aus, daß sie in der Hand älterer, finanziell ausgezeichnet fundirter Besißer liegt. Die Textil- industrie, nur in Neumünster von wirklichem Belang, läßt nichts zu wünschen übrig. Ueberstunden sind nichts Seltenes. Erfreulicher- weise ist Kinderarbeit hier fast unbekannt; auch Frauenarbeit kommt weniger wie anderswo vor. Der Lohn wird uns als gut bezeichnet.

Jn der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir :

Nicht nur in Deutschland wird über Vagantenthum geklagt, wo es ja die Schußpolitik und die Reaktion fein soll, die nah bekannter liberaler Auffassung diesen Krebsschaden hervorruft, sondern dieselbe Klage erschallt aus der freien Republik der Schweiz. Etwas nach- denklich sollte es aber doch Diejenigen machen, die von den von der „Reaktion“ gegen diese Gebrechen vorgeschlagenen Mittel durchaus nichts wissen wollen, daß in der Schweiz genau dieselben Abhülfemittel aus dem Publikum heraus gefordert werden, wie bei uns. Die Sahresversammlung der Schweizerischen gemeinnützigen Gesell- schaft hat auf Antrag ihres Referenten in diesem Punkte nämlich kürzlich folgenden Beschluß gefaßt: 1) Daß behufs der Organisation des Lehrlings- und Wanderwesens der Erlaß einer “eidgenössischen Ge- werbeordnung erwirkt, eventuell auf dem Konkordatswege zwischen den cinzelnen Kantonen, soweit dies noch nicht gesehen, die Feststellung einheitliher Grundsäße und Maßnahmen vereinbart werde. 2) Daß durch das Organ des hohen Bundesrathes die nöthigen internationalen Verhandlungen, speziell mit dem Deutschen Reiche, angebahnt werden, um mit Bezug auf ein gemeinsames Vorgehen gegen das gemein- gefährliche Uebel allenthalben ein möglichst eixheitliches Verfahren nach dem Grundsäße der Reziprozität zu erzielen.

Jn den erstgedruckten Exemplaren der gestrigen Num- mer des „Reichs-Anzeigers“ ist der Saß der Rubrik „Zei- tungsstimmen“ in bedauerliher Weise verslellt worden, indem hinter der 4. Zeile der 6. Spalte (Seite 2) das in die 7, Spalte oben verstellte Stück bis zu der Zeile „ist aber ohne Erfolg geblieben“ fortgelassen worden ist.

Ministerial-Blatt für die gesammte innere Ver- waltung in den Königlich preußischen Staaten. Nr. 8, Inhalt: Erlaß, die Führung des Nachweises des Studiums der Staatswissenschaften bei der Annahme von Regierungs-Referendaren betreffend, vom 25. Mai 1882. Cirkular, die Gestattung oder Versagung von Fernsprech- (Telephon-) Anlagen betreffend, vom 30. Juni 1882, Cirkular, die Einlieferung von Exemplaren der von Behörden publizirten Schriften an die hiesige Königliche Bibliothek betreffend, vom 1. Juli 1882. Vorscbriften über die formelle Einrichtung der Jahresrechnungen und Justifikatorien in Ansehung derjenigen Einnahmen und Ausgaben, welche auf Grund des Gesetzes vom 20. Mai 1882 Geseß-Samml. S. 298 —, be- treffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten, zu erheben, beziehungsweise zu leisten find. Cir- fular, betreffend den Erlaß eines neuen Reglements für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten, vom 4. September 1882. Erkenntniß des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenz-Kon- stikte vom 13. Mai 1882. Cirkular, die Form der Protokolle bei Amtsversammlungen betreffend, vom 10. Juni 1882. Erlaß, die Beleihung ländlicher Realitäten Seitens öffentlicher Sparkassen be- treffend, vom 13. Juni 1882, Cirkular, die Wahl der Wahl- männer in den Landgemeinden für die Vollziehung der Kreittags- wahlen und der Wahl der Gemeindevorsteher und Schöffen betreffend, vom 25. Juni 1882. Erlaß, die Uebernahme von Kosten, welche dur die von den Bezirks- resp. den Provinzialräthen angeordnete ärztlibe Untersuchung von Ortsarmen entstanden find, auf die Staats- kasse betreffend, vom 28, Juni 1882, Cirkular, die Prüfung der Qualität des bei Staatsbauten zur Verwendung kommenden Eisen- materials betreffend, vom 21. Juni 1882. Cirkular, die Bescbleu- nigung der Abrechnung der Kosten von ausgeführten Bauten betreffend, vom 21. Juni 1882, Allerhöchste Ordre, die Dauer der Dienst- pfliht im Königrich Preußen betreffend, vom 5. Juli 1881,

Statistische XNazrichten.

Nach Mittheilung des Statistishen Amtes der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 10, September bis inkl. 16. September cr. zur Anmeldung ge- kommen: 189 Ghesc{bließungen, 857 Lebendgeborecne, 29 Todt- geborene, 573 Sterbefälle.

Kun}, Wissenschaft und Literatur.

Von der Zeitsch{chrift für preußisbe Geschichte und Landeskunde, die scit ihrem Entstehen im Oktober 1864 sowohl unter den früheren Redacteuren als anch unter der Redaktion des Geb. Regierungs-Raths Professor Dr. Constantin Rößler, der die genannte Zeitschrift {on seit 1872 herausgiebt , eine Menge inter- efsanter und werthvoller Aufsäße und Aktenstücke theils zur Geschichte des preußishen Staats und ihrer Fürsten im Allgemeinen, theils zur Geschichte einzelner Landschaften desselben gebract hat, ist im Ver- lage von Ernst Siegfr. Mittler u. S. das Juli- und Augustheft (Nr. 7 und 8) d. J., des 19, Jahrganges, vor Kurzem erschienen. Dasselbe wird mit der ausführlichen \taatswissenschaftliben Abhand- lung des Dr. J. Jastrow: „Pufendorfs Lehre von der Monstro- sität der Eer manns cin Beitrag zur Geschichte der deutschen Einheit“ eröffnet, ciner Abhandlung allerdings, die nicht den preußi- {hen Staat speziell, sondern vielmehr Deutschland und seine staats- rechtlihen Zustände und Entwickelung überhaupt betrifft, Sam. von Pufendorf, der bedeutendste politishe Schriftsteller des 17. Jahrhunderts, hat bekanntlih jene Lehre von der Monstrosität der deutschen Reichsverfassung in mehreren Sriften behandelt. Die bekannteste darunter is diejenige, die im Jahre 1667 unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano (de statu imperii germanici) veröffentliht und später, nah fast 30 Jahren, - auf Grund seiner uristishen und hbistoris{en Studien umgearbeitet hat. Diese neue Redaktion des Monzambano wurde dann im Auftrage der Berliner Akademie von Gundling herausgegeben, in deen, französischen, englishen und holländischen Ueberseßungen verbreitet und bildete fast ein ganzes Jahrhundert hindurch die Grundlage für die Lehre des deutschen Staatsrechts, Mes geht in gener Schrift historisch zu Werke und behandelt im 1. Kap. die Anfänge des Deutschen Reiches, im 2. und 3. die Geschichte der einzelnen Territorien und der reihsständishen Gerechtsame; in den beiden nächsten Artikeln pricht er von der Kaiserlihey Gewalt und ihrer Beschränkung, um m 6, das O zu ziehen“ und nun gegenüber den herrschenden verkehrten Ansichten über die Reichsverfassung die seinige aufzustellen.

Er weist na, daß das Reich keine Demokratie, keine Aristokratie, aber aub feine Monarchie sei, weder eine absolute noh auch eine beschränkte; andererseits sei es aber aub nit, so weit von einem ein- heitlihen Staatswesen entfernt, daß man es für ein Staatensystem mit rein wvölkerrechtliher Grundlage aus- geben könnte. Es bleibe also nichts übrig, als das Deutsche Reich für ein ganz irreguläres Gebilde, für ein Monstrum von Staatêwesen zu erklären. Diese Deduktion bildet den Brenn- punkt der Abhandlung; das Vorkbergehende dient zu ihrer Begrün- dung, das Folgende wird aus ihr Mes Nur noch ein Kapitel über Deutschlands Macht und Deutschlands Schwäche scaltet der Verfasser ein, um dann in dem leßten („die Staatsraison des Deut- hen Reiches“) den Nachweis folgen zu lassen, daß das Einzige, was si{ch zur Besserung der politischen Zustände Deutschlands etwa noch thun laffe, die größtmögliche Annäherung an diejenige Organisation sei, der das Reich ohnehin hon am näbsten stehe: der Bundesorga- nisation nach Völkerrccht. Die eben in Kürze gezeichnete Lehre Pufendorfs von der Monstrosität der deutschen Reichsverfassung bekämpst nun Dr. Jastrow in vorstehender Abhandlung eingehend und zwar juristisch, historish und politisch. Die Abhandlung zerfällt in 2 Theile. Der erste Theil behandelt Pufendorfs Lehre im Zu- sammenhang des Systems, bespricht zunä} Pufendorfs Schema und seine Monstrositätstheorie, weist die Unhaltbarkeit des Pufendorfschen Schemas na, stellt dagegen die Staatsform des Reichs nah der heutigen Wissenschaft dar und gelangt in Folge seiner juristischen Kritik {ließlich zu dem Ergebniß, daß Pufendorf vas Neich nur des- halb für ein Monstrum erkläre, weil er den Bundesstaat überbaupt für ein Monstrum halte, daß dagegen nach dem heutigen Stand der Wissenschaft der Bundesstaat nicht für eine juristische Üngebeuerlichkeit, sondern für eine cbenso normale Gestaliung zu halten sei wie der Ein- heitéstaat. Hierauf erörtert der Verfasser, wie Pufendorf seine An- sicht von der Morstrosität der Reichsverfassung historish begründet, kritifirt sodann diese historishe Begründung und zeigt hierauf seiner- seits, welchen Gang die Entwickelung im deutschen Reiche genommen, wie die Abschließung der Territorialgewalt und die Begründung der Reichsgewalt auf die Territorialgewalt in der Recbtspflege, im Fi- nanzwesen, im Kriegswesen, in auswärtigen Angelegenheiten, in Re- ligionssachen und im Allgemeinen erfolgt sei, und gelangt so, nach- dem cer in dieser Weise die Entwiceleng der Doppelorganisation von Reich und Territorien in ihren Grundzügen dargestellt, \{ließlich zu dem Resultat, einmal, daß die Territorialgewalt die einzige gewesen, auf welche die deutsche Verfassung begründet werden konnte, sodann aber, daß über diesen Gewalten noch cin Reich mit einer wirklichen Staatsgewalt eine historisch gegebene Nothwendigkeit gewesen. An diese historische Erörterung schließt sih ein politisches Raisonnement an über Pufendorfs Vorschläge, die Krankheiten des deutschen Staats - körpers zu heilen, und den Nachweis ihrer Unhaltbarkeit. Gerade das, was Pufendorf als Monstrosität bezeichnet, der Grund- gedanke, daß das Neich ein Staat über Staaten sein wolle, sei, wie der Verfasser meint, die einzig shäßbare Idee der Reichs- verfassung. Der Siy des Uebels sei nicht, wie Pufendorf glaube, diese Idee, sondern gerade umgekehrt, ihre mangelhafte Ausführung. Der 2. Theil der vorliegenden Abhandlung handelt von Pufen- dorfs Lehre in ihrer geshichtliwen Stellung, und zwar zuerst von den vor Pufendorf geltenden Verfassungstheorien, die dur ihn beseitigt worden seien, und sodann von Pufendorfs Verhältniß zu den Theorien seiner Zeit. Pütter habe zuerst mit historishem Blick und juristischer Präzision herausgefunden, daß für Deutschland zwei Re- gierungen, eine centrale und eine lokale, niht blos eine Thatsache, jondern cine historisch gegebene Nothwendigkeit seien und die Grund- lage jeder juristisWen Konstruktion des Reichsrechts bilden müßten. Pufendorfs Monstrositätstheorie sei zuerst theoretish in der politischen Wissenschaft und endlih auch praktisch durch die Schöpfung der neuen Bundesform, die zwischen der Einhei!sregierung und der bis- herigen Form des Staatenbundes in der Mitte stehe, also dur die Schöpfung des neuen Deutschen Reiches, endgültig überwunden und widerlegt worden. I Es

Auf diese ausführliche staatêrechtlide Abhandlung, die den bei weitem größten Theil des Juli-August-Heftes füllt, folgen „Zwanzig Aktenstücke zur Geschichte der f{wedischen“ Und französishen Unter- nehmungen gegen Coblenz und Trier 1632“ (die Korrespondenzen der Kurfürsten Anselm Casimir von Mainz und Ferdinand von Köln, sowie des Bischofs Franz von Würzburg mit den Generalen Graf Ernst von Jsenburg und Graf von Merode, sodann mit W. von Metternich, hauptsächlich aber die Korre) pondenz zwischen dem Kurfürsten Anselm Casimir und Ernst von Isenburg). Mitgetheilt von dem Staatsarchivar Dr. Sauer. Den Schluß des Heftes bildet „Die Land- und Appellationsgeriht8ordnung für die Herr- schaften Lauenburg und Bütow vom 26. Oktober 1662“. Mitgetheilt von Ant. Hegert.

Ueber dié Cinwirkung der Kälte auf die im Fleische befindlihen Trichinen veröffentliht die „Deutshe medizinische Wotbenschrift" Folgendes: Ausgehend von der Erfahrung, daß die Kälte ein mächtiges Agens ift für die Konservation des Fleisches aller Art, eine Erfahrung, die man täglich an Millionen von Kilogrammen Ninder- und Schaffleiscb, welches von Australien na London kommt, gemacht hat, hat Bouley mit Gibier die Wirkung einer Temperatur von —20 bis —40 Grad C. auf trihinöses Fleisch untersucht. Diese Einwirkung fand statt während einer Zeit, die genügte, daß sich die Kälte bis zum Centrum des Fleisches verbreitete. Bei einem aus Marseille herstammenden Schinken von fehr gutem Aussehen wurde konstatirt, daß er von Trichinen infizirt sei, deren Vitalität dur ihre Bewegung erwiesen wurde. Am 7, Juni wurden von diesem Schinken zwei Stücke abgescnitten, das eine 950, das andere 1120 g {wer, und am selben Tage um 11 Uhr Morgens in zwei große Refrigeratoren System Carrey gebracht. Die Lufttemperatur in den Recipienten war 22—27 Grad C. unter Null. Nach Verlauf von 24 Stunden wurden die Stücke herausgenommen und man kon- statirte, indem man ein Alkohol-Thermometer in sie hineinbrachte, daß ihre innere Temperatur 20 Grad C. betrug. Man unter- suhte nun die der Erfrierung ausgeseßt gewesenen Tricinen 1) mifroskopisch mit Hülfe der Erwärmung. Es fand si, daß die Trichinen des gefrorenen Fleisches durch dieselbe ihre frühere Beweg- lihkeit nit wieder erhielten. 2) Die Färbung mit Methylanilinviolett, der die Trichinen während ihres Lebens den Verfassern zufolge wider- stehen, ergab ein positives Resultat, während die Kontroltrichinen sich nicht färbten. 3) Den Verfassern zufolge werden die Muskeln der Vögel nicht von Trichinen infizirt. Wenn die Vögel lebende Trichinen verzehren, so zeigt sih bei diesen der Beginn einer Entwickelung und sie bleiben in den Exkrementen lebendig ; die todten Trichinen im Gegentheil werden von den Vögeln verdaut und man findet in den Exfkrementen keine Spur mehr von ihnen. Dahin

ehende Versuche wurden bei zchn Vögeln angestellt, und während die

Kontroltrichinen ih in den Gedärmen und Exkrementen der mit nit gefrorenem Fleish genährten Vögel vorfanden, fand man keine Spur von ihnen bei Vögeln, die mit trihinenhaltigem gefrorenem Meile gefüttert waren. Die Versuche beweisen nach der Annahme Bouleys und Gibiers peremtorish, daß es genüge, Fleis einer Tem- peratur von 20 Grad C. auszuseyen, um die Trichinen, welche \ich in ihm befinden könnten, zu vernichten.

Land- und Forstwirthschaft.

In dem kürzlih besprohenen Werk von John Booth über Die Naturall\ätion ausländischer Waldbäume in Deutschland“ (Berlin, Verlag von Julius Springer) findet si auch ein Abschnitt über nordamerikanische Waldzustände (das englische Dominion of Canada bhinzugerehnet), welcher um der Lehren, die der als Fachmann kompetente Verfasser daraus für die deutsche FForsiwirtys@a zicht, sehr lesent- und beherzigenêwerth er- [Gem a den Ausführungen des Hrn. Booth ein Aufsaß zu Grunde iegt, der bereits vor einigen Jahren in der Danckelmannschen Zeit- {rift veröffentliht wurde, inzwischen, ins SaQuiGe übersetzt, in ciner

ehr verbreiteten amerikanischen Zeitlorist erschien, trotdem aber keine Entgegnung oder Kritik von Seiten eines Amerikaners versucht

wurde, ja vielmehr im Gegentheil von fachmännisher Seite ihm Lob ertbeilt wurde, so dürfte in der That ein Zweifel an der Korrektheit der Angaben des Verfassers nicht zulässig sein. Da man den größten Theil des kolossalen Waldbestandes in Nordamerika, der bis vor Kurzem noch für uners{chöpflich galt, nie- mals vermefssen hat, ges{weige im Besiß von Karten darüber ift, so ist die Schwierigkeit, sich ein richtiges Bild und ein korrektes Urtheil über die Verhältnisse zu vershaffen, nit gering; jedoch fonnte sich die Darstellung des Verfassers auf Daten aus authentishen Mittheilungen und offiziellen Aktenstücken stüßen, die ihm von wissenshaftliben Autoritäten jenseits des Oceans zugegan- gen sind. Wir übergehen die ges{hichtlide Einleitung und wenden uns gleih den aftuellen Zuständen zu, wie sie sih allmählih heraus- gebildet haben.

Ausnahmslos betonen sämmtliche offiziellen Berichte aus dem leßten Dezennium 1870—80 die zunehmende Verwilderung und Rüdksichtslosigkeit der Bewohner des Landes gegenüber den Wald- verbältnissen. Der Amerikaner betrachtet eben als Republikaner den Wald wie fein Eigenthum und s{lägt zum eigenen Nußen wie zum Handel im Großen was er bedarf. Manche Berichte erklären über- haupt geradezu, daß es sehr zweifelhaft sei, ob irgend welche Geseze eine Aenderung herbeizuführen im Stande sein würden. Ja, es hat sich geradezu ein „Holzdiebstahlring“ gebildet, wie dies in einem Bericht des Ministers des Innern an den Präsidenten aus dem Jahre 1877 ziemlich klar angedeutet wird, denn cs heißt dort wörtlih: „Das aus den Staatsländereien geraubte Quantum Holz ist ganz enorm, viel mehr als man glaubt; man {lägt nicht nur, was man selbst gebraubt, sondern auch der größte Theil der expor- tirten Massen is gestohlen, ohne daß die Regierung einen Vortheil oder eine Einnahme davon gehabt hätte. Der Holz- diebstahl ist eben ein systematisch organisirtes Geschäft, und die rasche Ent- waldung des Landes muß jeden denkenden Unionsbürger mit großer Be- sorgniß erfüllen.“ Angesichts dieser Zustände haben zwar einzelne Staaten an den Kongreß die Aufforderung gerichtet, ihnen die Bundes- ländercien zur selbständigen Pflege und Ueberwachung zu überlafsen, indessen ist ihren Wünschen bisher nit entsprochen worden. Der Staat Colorado weist in seiner Denkschrift darauf hin, daß die Bundesregierung bisher nichts zum Schuße der Waldungen habe thun können, daß der Holzdiebstaßl und die oft „monatelang“ dauernden Waldbrände das an und für sich schon nicht sehr bedeutende Waldareal Colorados derart reduzirt hâtten, daß, wenn es fo weiter gehe, man in den nächsten 25 Jahren am Ende der Verwüstung angekommen sein würde; ferner werden auch die Folgen in Bezug auf Abnahme des Ackerbaues, Verschlehterung des Klimas u. |. w. näher entwickelt. Eine ähnliche Denkschrift des Board of Agriculture im Staate Maine (bereits aus dem Jahre 1869) enthält nach Schilderung der Waldzerstörung u. |. w. die bemerkenswerthe Aeußerung: „Sollen wir aus diesen Vorgängen lernen, daß nur Monarchien im Stande sind, auf die Dauer diese uns von der Natur gegebenen Schätze zu fonserviren, und kann eine Republik sich nicht ermannen, ihr Land zu hüten, daß es für die Nachkommen bewohnbar ist ?“

Allerdings hat der Kongreß in den Jahren 1873—74 die Timber Culture Act erlassen, um Holzanpflanzungen durch Gewährung freien Landes zu fördern, auch haben manche einzelne Bundesstaaten wie Colorado, Connecticut, Dakota, Cansas, Maine, Massachusetts, Michigan, Jowa 2c. ähnliche Gesetze gegeben, ohne daß es jedoch ge- lungen wäre, dadurch die Waldkultur zu heben.

Cin beständig lauernder, mit verheerender Macht ein- brechen- der Feind ist das Feuer. Ein großer Theil der Brände ent- steht dur die Lokomotiven, andere werden durch Holzhacker und Köhler angelegt, um für sih auf diefe Weise Holzqualitäten zu ge- winnen, die ihnen sonst nicht verkauft werden, In einem 1878 ge- haltenen Vortrage sagt Prof. Sargent von der Harward-Universität : „Mit rapider Schnelligkeit vershwinden unsere „uners{öpflichen“ Wälder der Sierra; ih zählte im vorigen Jahre in Yosemite von cinem Punkte aus 19 große Waldbrände, welhe mehr oder weniger dur Unacbtsamkeit der Scbäfer entstanden sein mochten.“ Im Jahre 1877 fanden ferner in den Staaten New-York, Long Island, Massa- chusctts, New-Hampshire, Maine, Pennsylvania und Canada groß- artige Waldbrände statt; ein großer Theil der weißen Berge stand in Flammen. Auch im Jahre 1879 rasten die Waldbrände in einigen der östlihen Staaten mit ungewohnter Heftigkeit und zerstörten Tau- sende und aber Tausende Acres werthvollsten Bestandes. Einer der bedeutendsten fand im nördlichen Theile von New-Jersfey statt, welcher größeren Schaden verursacht hat als irgend ein früherer. Der Nach- wuchs, der sih auf den abgebrannten Flächen im Jahre 1873 bei dem damaligen großen Feuer gebildet hatte, wurde wiederum ein Raub der Flammen, und zwar war das Feuer ohne Zweifel an verschie- denen Stellen gleichzeitig angelegt worden. Die ganze abgebrannte Fläche betrug ca. 30 000 Acres, und die Bevölkerung, die sich durch die Holzindustrie genährt hatte, wurde in Folge dessen großentheils brotlos. Man hat vorgeschlagen, denjenigen E Prämien zu zahlen, welche Waldbrände löschen, ehe sie einen zu großen Umfang erreicben, aber jeder Amerikaner, der feine Leute kennt, meint der Verfasser, werde sagen, daß diese Maßregel die Zahl der Brände nur vermehren würde; denn so würde sich eine gute Gelegenheit bieten, ein Geschäft zu machen: nämlihch indem man kleine Feuer anzündet, sie mit gehöriger Organisation bald lös{t und dafür die Prämie ceinfstreicht.

(Fortseßung folgt.) N

Der Jahresbericht der Handelskammer zu Posen hebt hervor, daß, während die Erwerbsquellen in der Provinz Posen font nicht so reih fließen, wie in den meisten anderen Gebielen des preußischen Staates, durch die Eigenartigkeit der Bodenverhältnisse in Verbin- dung mit dem von ven Bebauern aufgewandten Fleiß und den im Lauf der Zeit gesammelten Erfahrungen einem Theil der dortigen Bevölkerung in der Hopfenkultur die Gelegenheit zu nußbringen- der Thätigkeit erscblossen ist. Ein gewisser Wohlstand in jenen hopfenbauenden Distrikten sei {on jeßt leiht erkennbar. Den Pro- duzenten des Kreises Buk fiel für die von ihnen bahnwärts versand- ten Erträgnisse der 1881er Hopfenernte, obwohl sie keine gute war, eine Einnahme von 14 Millionen Mark zu. Für die soziale Schäßung dieser Kultur sei nit ohne Gewicht, daß sie cine verbält- nißmäßig bedeutende Zabl von Arbeitskräften beansprucht von dem Gesammtwerthe der im Bufker Kreise 1880 abgeseßten Hofenmenge macbten die Arbeitslöhne ungefähr um zwei Drittel aus und daß fie im Zusammenhange damit nicht zur Plantagenwirthschaft neigt, viel- mchr dem Kleinbetriebe günstig ist. Die Handelskammer meint, daß für den Staat selber sich hier Gelegenheit zu wirthschaftsfördernden Maßnahmen biete, indem Seitens der Behörden Hopfenfe{ser erfter Qualität angekauft und den Hopfenproduzenten abgelassen würden. Der Handelskammerbericht konstatirt aber zuglei, daß die Staats- regierung der aufblühenden E Posens ihr Interesse nit versagt, vielmebr {hon öfter anregend und aufmunternd einge- griffen labe. E

Der „Kieler Ztg.“ wird aus Schleswig geschrieben: In der Landschaft Angeln ift die Ernte, mit Ausschluß weniger größerer Höfe als beendet anzusehen, wohingegen in Schwonsen besonders auf den Gütern ungefähr F der Ernte noch draußen, ja der Hafer noch theil- weise niht völlig gemäht ist. Der Ertrag der Ernte ist überall ein

anz vorzüglicher und reichaltiger gewesen und wohl im Stande, die

châden, welche die vorjährige Ernte verursacht hat, einigermaßen zu deckden. Die Rapssaat, die allerdings nur vereinzelt hier gebaut wird, hat ganz folossale E geliefert; so hat auf cinem benachcbarten Pont der Besitzer von 13 Tonnen Land 220 Tonnen Raps gedroschen.

ur{schnittlich hat man von Weizen und Roggen das zwöfte Korn geerntet, wenngleich an einzelnen Stellen weit höhere Erträge erzielt worden find; die Gerste liefert cinen vierzehafältigen Ertrag, namentli dort, wo sie vor der Regenperiode des Augustmonats eingefahren ist; ' andererseits hat sie durch Sturm und Regen vielfa gelitten, wie ebenfalls au der Hafer, der eine durchs{nittlihe sehszehnfahe Löh- nung giebt, während sonst, ohne die bösen Regen- und Sturmtage, sein Ertrag ein weit höherec gewesen sein würde. Die Erbsen haben am meisten von der Nässe gelitten und ist stellenweise der halbe Er- trag auf dem Felde geblieben. Die Heuernte is überall eine so

brillante gewesen, wie man sie fo reihhaltig in vielen Jahren nicht