1925 / 295 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 17 Dec 1925 18:00:01 GMT) scan diff

Der deutschnationale Antrag, nur für das 6. Kind den Steuerabzug zu erhöhen, habe nur gang geringe Be- deutung und ändere nichts an dem Unrecht des ganzen stems der prozentualen Abzige Für den armen Proleten sei der Groschen mehr wért als dehn arf für - den Hochbesoldeten. Seine Fraktion sei damit einverstanden, daß bei der veranlagten Cinkommensteuer steuer- freie Abzüge auch für die geringeren Einkommen gemaht würden, aber niht damit, daß auh die höchsten Einkommen in dieser Weise guf Kosten der Aermeren begünstigt würden. Die Fassung sei so zweifel- haft daß steuerfreier Abzug au bei dem höchsten Gintommen heraus- e eten werden könne. Seine Fraktion beantrage deshalb, daß dieser Abzug nur für die Einkommen bis zu 12000 zulässig sei. Der fommunist!\{e Antrag auf Erhöhung der Abzüge bei der et: prede für si, so daß er keiner weiteren PCGTRCKENT. bedürfe. Seine reunde wollten die Steuerpolitik der Regierung brandmarken. (Bei- all bei den Kommunisten.)

Abg. Dr. Gere ke (D. Nat.): Wir n uns fragen, bis zu welcher Höhe das steuerfreie Gristenzmin:mum inanziell noch erträglih ist, und müssen 1m Augenbli schweren Herzens darauf verzichten, noch weiter zu cehen. Wir können nur die kinderreihen Familien besonders entlasten und beantragen, den Abzug für das 6. Kind noch weiter zu steigern, als der Ausschuß beschlossen hat. Wir beantragen ferner, daß für Kinder über 18 Jahre, die eine fremde Arbeitskraft érseken und mcht besonders zur Cinkommensteuer veranlagt werden, auf jeden Fall ein steuerfreier Betrag von je 600 M in Abzug gebracht wrd. Dos ist- für die kleinere Landwirtschaft von großer Bedeutung, die sonst steuerl:ch E stehen würde, als wenn sie statt der Kinder fremde Arbelter besbäftigen würde. Jm aene der kinder- reichen Serien und der Gerechtigkeit für die kleine Landwirtschaft bitten wir, unsere Anträge anzunehmen. (Beifall rechts.) N

Abg. Dr. Elsa Ma y (D. Vp.) bespricht die Steuerabzüge der kinderreihen Familien. Es sei bedauerlich, daß die Regtierung3- vorlage des Geseßes über die Sentung der Lohnsteuer nur eine Erhöhung des allgemeinen steuerfreien Einkommrenteils von 80 auf 100 Mark gebracht habe und die zweite Fortseßung des seinerzeit im Reichstage angenommenen Jnitiativgesezes auf Erhöhung Der teuerfreien Beträge für die kinderreichen Familien nicht berüdck- ihtigt habe. Daß im Ausshuß eine S der festen Mindest- reiteile für die finderreihhen Familien erreiht worden sei, wäre ehr zu begrüßen. Die Steuererleihterung für diese Familien reiche abex niht entfernt aus, um dem tatsachlihen Bedürfnis zu entsprehen. Steuerpolitik und Bevölkerungspolitik hingen eng zu- sammen. Jn bedrohlicher Weise sei in Deutschland ein Rückgang der Geburten zu verzeihnen. Wenn wir nicht ein sterbendes Volk werden- wollten, müsse die finderreihe Familie die ausgleichende Fürsorge erfahren, die ihr in dem Artikel der Reichsverfassung zu- gesichert werde. Hier gelte es niht nur mit freundlihen Worten zu helfen, sondern mit Taten. Die kinderreiche Familie habe mit dem 1. Oktober eine erhebliche steuerlihe Mehrbelastung erfahren, während das Steueritberleitungsgeseß günstiger gewesen sei. Dem- entsprehend wünsche die volksparteilihe Entschließung eine Nach-

rüfung der Reichsregierung. ob eine weitere Erhöhung der steuer-

Prien eträge für die kinderreihe Familie baldigst herbeigeführt werden könne. Dabei haudele es sih niht nur um die Erhöhung der steuerfreien Kopfabschläge, sondern auch der prozentualen Av- züge. Die früheren Anträge nach dieser Richtung hin, insbesondere auch für die mittleren Einkommen, die jeßt im wesentlichen leer aus3gingen, würden voll aufrecht erhalten. Die geringen Moöglich- keiten, die das Reich zur Fürsorge für die kinderreiche Familie abe, beständen neben dex Gehalts- und Lohnpolitik und Der Cohnungsfürsorge in steuerlihen Erleichterungen. (Beifall.)

Abg. Dr. Hex b (Soz.) erklärt, daß der Gesehentwurf zugleich eine Verurteilung der Haltung der Regierung im Sommer sei. Es wäre richtiger gewesen, wenn sih die Parteien damals nicht auf das Material der Regierung, sondern auf das seiner Partei verlassen hätten. Was damals zweckmäßig und notwendig ge-

mr inandercefallen.

we'en, sei aber heute niht mehr ausreichend. Seine Partei hätte deshalb auch eine Erhöhung der Familienermäßigungen verlangt. Jhre Anträge hätten leider keine Mehrheit gefunden. Fnfolge der ejonderen zeitlihen Verhältnisse im Dezember hätte seine Partei, um die Vorbereitungen für die Durchführung dex neuen Maß- nahmen möglich zu machen, den Erwägungen der Regierung Rech- nung tragen müssen. Den deutshnationalen Antrag lehnt der Redner ab, Es seien dafür weniger sachliche als agitatorische Gründe maßgebend gewesen. Die BectsGbatiunalbn hatten ntt mit den Kommunisten wetteifern, sondern sih_ der sachlichen Haltung der Sozialdemokratie anschließen sollen. Der volkspartet- lien Entschließung stimmt der Redner zu, bemêrft aber, daß die Ermäßigungen für die kinderreihen Familien die Steuersenkungen für die unteren Gruppen der Lohn- und Gehalts8empfänger nicht gefährden dürsten.

Abg. Dr, Horlacher (Bayer. Vp.) befürwortet gleid falls den Antrag auf Abzug eines steuerfreien Betrages von 600 Mark für Kinder über 18 Jahre, die eine fremde Arbeitskraft erseßen. Cine Familie, die einen landwirtschaftlihen oder Gewerbebetrieb mit allen Kräften aufrehterhalte, dürfe niht noch steuerlih be- {raft werden. Es handele sih hier nux um eine Ergänzung des i8herigen Steuersystems und um die Beseitigung eines shweren

Unrechts. Der Reduex fragt das Reichsfinanzministerium, ob es bereit sei, alsbald neue Vollzugsvorschristen u erlassen’ zwecks Angleihung der Steuer auf die veranlagten Einkommen an die Veränderungen der Lohn- und Gehaltsfsteuer.

Staatssekretär Pop iy will niht gelten lassen, daß es si bei dem Antrag Dr. Horlachex niht um eine Durchbrehung des Steuersystems handele; auf dem vorgeshlagenen Wege lasse si das nicht durchführen. Es habe kein Einkomnmensteuergeseß in Deutschland gegeben, das cine folhe Ausnahme zulasse. Er bitte den Antrag abzulehnen.

Abg. Kling (Wirtschaftl. Vereinig.) weist darauf hin, daß Hunderttausende kleiner Landwirte, Siedler und kleiner Gewerbe- ireibender noch viel s{chlechter stünden als die Beamten. Die Re- ierung sei auch nicht zu einer ganz kleinen Hilfe bereit. Alle Ver-

andlungen und Versprechungen der Parteien und Regierung be- deuteten leere Schaumschlägerei. Die Annahme des Antrages Porter würde nur einen einzigen Tropfen auf einen heißen tein bedeuten. Ein kleiner Landivirt, dem zwei erwachsene Kinder in der Wirtschaft hülfen, wäre sofort steuerfrei, wenn er einen fremden Arbeiter einstellte. So aber verdienten seine beiden Kinder U anen im ganzen Jahre nur 300 bis 400 Mark. Diese un-

zeuere Ungerechtigkeit müsse beseitigt werden. Könne man in eutshland feine Ersparnisse mehr machen, wo solle dann der Kredit zu billigem Zinssaß herkommen? Die Richtsäße seien viel qu hoh aufgestellt. Diese Steuer wirke direkt wie eine Strafe für 9— 14stündige Arbeit. Da sei eine Abwanderung der Kinder der Landwirte nach den Städten nicht zu verwundern. Dort bekämen sie shließlich für Nichtarbeit Erwerbslosenunterstüßung. Gerade aus der kleinen Landwirtschaftsbevölkerung müsse sich unser Volk doch wieder aufbauen. Es handele sich niht um die Höhe der Ab- züge, sondern um die Gleichberechtigung. Es sehe fast jo aus, als ob die Regierung und die großen Parteien sih einig seien, den deutschen Mittelstand zu vernichten,

Abg. Lu cke (Wirtschaftl. Vereinig.) polemisiert gegen die Bezeichnung des Hausbesitzers als Hausagrarier durch den Ab- cordneten Höllein. Der Redner und seine Partei habe mit olhem Mietwucher nichts zu tun. Hölleins leichtfertige Aus- ührungen seien s{limmste Verheßung gewesen. Das Sinken der §eburtenzahl sei hauptsählich eine Folge der ungeheuer großen Wohnungsnot, namentlich für die jungen Paare. Daraus erkläre ih au die übergroße Zahl von Abtreibungen. Das sei die chlimmste Gefahr für ein Volk.

Abg. Brüning (Zentr.) stelli fest, daß für die Notwendig- keit der Erhöhung der festen Abzüge neue Momente hinzugekommen seien. Eine gewisse Härte für die kleinen Landwirte erkennt er an und beantragt Ueberweisung des Antrages an den Steuerauss{huß zu cingehender Erörterung.

Damit ist die Ausfprache geschlossen.

Jn der Abstimmun g werden sämtliche Abänderungs- anträge aus dem Hause abgelehnt. Der Antrag der Deutsch- nationalen, wonach die Steigerung der Kinderabzüge noch

über das fnjte Kind hinaus ausgedehnt werden soll, wird durch Auszählung mit 153 ge en 138 Stimmen bei einer Ent- haltung abgelehnt. - Die eschlüsse des Ausschuffes werden unverändert angenommen. Danach bleiben bei der Lohnsteuer vom Arbeitslohn jährlich 1200 Mark steuerfrei, und zwar 720 Mark als steuerfreier Lohnbetrag (sogenanntes steuer- freies Existenzminimum), 240 Mark zur Rögetung der Werbungskosten und 240 Mark zur Abgeltung der Sonder- leistungen. Außerdem bleiben steuerfrei für die Ehefrau und füt icdes minderjährige Kind je 10 Prozent des nah Abzug

ex 1200 Mark verbleibenden Arbeitslohns, mindestens aber

120 Mark für die Ehefrau, 120 Mark für das erste Kind, 240 Mark für das zweite Kind, 480 Mark für das dritte Kind, 720 Mark für das vierte Kind, je 960 Mark für das fünste und jedes folgende Kind.

ei der veranlagten Einkommensteuer werden in ühn- licher“ Weise Abzüge gemacht. Einkommen unter 1300 Mark

im Fahr sollen überhaupt nicht veranlagt werden, also stcuer- e bleiben. Diese steuerfreie Grenze von 1300 Mark soll bei

en verheirateten Steuerpflichtigen sich A erhöhen für die

Ehefrau um 100 Mark, für das erste Kind um 100 Mark, für das zweite Kind um 180 Mark, für das dritte Kind um 360 Mark, für das vierte Kind um 540 Mark und jedes folgende Kind um 720 Mark.

“Jm übrigen werden von den Einkommen bei der Ber- anlagung abgezogen: 720 Mark als fteuerfreiex Einkommnens- teil, sofern das Einkommen 10 000 Mark im Jahr nicht Über- steigt, sowie ferner für die Ehefrau- und jedes minderjährige Kind je 8 Prozent des nach Abzug der 720 Mark verbleibenden Einkommens, jedo höchstens je 600 Mark für die Ae und jedes Kind, insgesamt aber nicht mehr als 8000 Mark; der Abzug für die Familienangehörigen soll aber mindestens betragen für die Ehefrau 100 Mark, ‘für das erste Kind 100 Mark, fir das zweite Kind 180 Mark, für das dritte Kind 360 Mark, für das vierte Kind 540 Mark, für das fünfte und jedes folgende Kind je 720 Mark.

Der Antrag Horlacher, einen steuerfreien Abzug von je 600 Mark für Kinder über 18 Fahre einzuführen, die eine remde Arbeitskraft erseßen, wird an den Steueraus\{chuß überwiesen.

Jn der sich sofori anschließenden dritten Lesung erklärt Abgeordneter Höllein nochmals, daß die Tommunistise Fraktion die Vorlage ablehne, weil sie unbefriedigend sei.

Die Vorlage wird auch in der dritien Lesung im einzelnen und in der Schlußabstimmung im ganzen an- genommen. Die Entschließung der Abgeordneten Dr. Maß (D. Vp.)_ wird angenommen, wodurch die Regierung um eine Nachprüfung ersucht wird, ob eine weitere Erhöhung der Ab- züge für kinderreiche Familien herbeigeführt werden kann.

Darauf seßt das Haus die dritie Beratung des Haushalts für 1926 beim „Landwirtschaftsetat“ fort.

Abg. Weidenhöfer (Völk.) weist darauf hin, daß die Not der Landwirtschaft sich noch erheblich vergrößern werde. Die Mzcierang habe nichts Durch|{lagendes unternommen. Die Zölle würden der Landwirtschaft wenig helfen. Man komme bei der Regierung nit aus den Erwägungen heraus. Die Landwirtschaft sei scließlich miß- trauish geworden, Augenblicklih befinde man s1ch ja wieder in dem normalen Zustand der Deutschen Republik: In der Regierungs- bildung. „Hoffentlich sei aber bald eine Regierung da, die dann an die praktischen Maßnahmen für die Landwirtschaft herangehen werde. Die Not der Landwirtschaft erfordere vor allem langfristige Kredite. Der Reoichsbankpräsident Schacht, der hier so sehr gelobt worden sei, 1 verantwortlih für den -Zusammenbruh der Landwirtschaft. Die Meichsbank sollte eigentlih das größte Interesse an der Grhaltun der Landwirtschaft haben. Welche Devise sei Herrn Hoernle eicentli von Moskau aus zugegangen, daß er jeßt so bauernfreundliche Anträge stelle? Aber sie seien zu begrüßen, woher sie auch kämen. Durch die Aufforderung an die deutsche Landwirtschaft, Wechfelkredite aufzu- nebmen, habe man geradezu ein Verbrechen begangen. Landwirtschaften von 30000 bis 40000 Morgen mit einem Verkaufswert von einer halben Million seien beute nicht in der Lage, ihre Wechselverbindlich- keiten zu erfüllen; Die Finanzpokitik des Herrn Schacht habe die Landwirtschaft zershlagen. Sie werde im kommenden Jahr nur ganz minimale Mencen' von Kunstdünger amvenden können, und die Folge werde, wenn nicht eine Mißernte, so doch eine äußerst geringe Ernte ein. Sei das die Absicht gewesen, und sage man es nur nit? Der Redner fordert Umwandlung der Wechselkredite in Realkredite. Kein Landwirt könne vor seiner S cniliè die Aufnahme von Wechselkrediten veraniworten, eher solle er sich einen Strick kaufen, um nh aufzu- hängen. Der Redner schildert dann die trostlose Lage der einzelnen Wirtschaftszweige der Landwirtschaft. Am traurigsten sehe es wohl in seiner Gegend um die Pferdezucht aus; infolge bitterster Not führten die Pferdezüchter die jungen Tiere dem Markt zu, von wo sie in die

ferdeshlähtereien wanderten. Zux Versorgung der minderbemittelten Bevölkerung mit Kartoffeln hätte die Reichsregierung pflichigemäß Kredite zur Verfügung stellen müssen. Unter den „Sachverständigen scheine st1ch ein sehr unsauberes Gesindel zu befinden, mit dem. auf- geräumt werden müsse. Mit der Ausmerzung der Drohnen aus der deutschen Landwirtschaft, die sih in der Inflationszeit in sie hinein-

emogelt hätten, jei die Landwirtschaft völlig einverstanden. Die Lage sei viel ernster, als Graf Kaniß sie ansahe. Abhilfe in aller- nächster Zeit sei unerläßlich. Der Redner fkritisiert noch scharf die gemeinnüßigen Siedlungsge}ellschafien; sie seien vor allem n¿cht dazu da, spekulative Grundstücksgeschäfte zu machen, wie es z. B. in der Lüneburger Heide geschehen sei. Die Spanne zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreis in der Viehwirtschaft sei unerhört hoh. Das liege in erster Linie an der übergroßen Zahl der Lebensmitielhändler. Der Nedner befürwortet seinen Antrag auf Verbot derx Eintreibung voll- strebarer Schuldtitel aus Wechselkrediten der Landwirtschaft dur Zwangsversteigerung von landwirtschaftlichen Grundstücken oder Be- triebsmitteln und auf Umwandlung aufgenommener MWecbselkredite durch Neichsmittel in langfristige Kredite zu mäßigen Zinssäben. Mit welcher Berechtigung würden in Deutschland überhaupi noch 12 bis 14 % Zinsen genommen? Ueber diese Frage könnte der demo- fratishe Generalsachverständige Rönneburg vtelleiht seine Doktor- arbeit schreiben. Bricht die deutshe Landwirtschaft restlos zusammen, dann bedeute „das den Zusammenbruh der gesamten deutschen Wirt- shafi und die Vernichtung, der Vorausfeßung für jeden Wiederaufstieg zu deutsher Mat úund Größe. (Lebhafter Beifall rets.)

Abg. Dor)ch - Hessen (D Nat.): Die Landwirtschaft wird noch nicht so gewürdigt, wie es notwendig ist; sie ist die Grundlage und das Fundament des Staatawe]ens. Der Landwirtschaftsminisier hat die Lage der Landwirtschaft noch zu optimistisch angesehen. Die Land- wirte nehmen Geld zu geradezu unheimlichen Zinsen auf, um nur die Katastrophe abzuwenden, aber sie können an fünstlicen Düngemitteln beute nur das allernotwendigste kaufen. Solche Experimente, wie sie uns der „Vorwärts“ für den Weinbau empfiehlt, müssen wir ablehnen, weil wir die Landwirtschaft erhalten wollen. Der demo- fratishe Redner Rönneburg hat gemeint, nêän könne nicht von einer Not des Landes, for von einer Not des Landbundes sprechen; er bat damit seine Feindschaft gegen den Landbund bekundet. Mit ihren Norwürfen gegen den Landbund und die landwirtschaftlicen "arl ie schaften sollten die Demokraten vorsihtiger sein. Ihre Mandate sind immer mehr zusammengeschmolzen. Die Kommunisten mögen sich ge- saat sein lassen, daß die Schußzzolle gerade den- ftleinen Landwirten nüten, die unsere V:ehzüchter sind. Auch die Haltung des Zentrums zur Krise der Landwirtschaft läßt zu wünschen übrig, (Widerspruch im Zentrum.) In der Aufnahme von Krediten müssen die Landwirte deute sehr vorsihtig sein. Kredite für fünstlihen Dünger sind wohl noch vertretbar, aber nicht für Maschinen, und an Neubauten kann vorerst überhaupt nicht gedaht werden. Nur de Not hat die Land- wirte cezwungen, Wechsel zu unterschreiben weil diese am leichtesten zu- Geld zu machen sind. Die steuerlie Belastung, ist viel zu groß

geworden; in den Verwaltungen im Reich, in den Ländern und Ge-

meinden wird dagegen E getrieben, der Anteil der Ver- waltungsfosten an den Ausgaben ift immer höher geworden. Jm Freistaat Hessen sind z. B. die Verwaltungskosten von 75 Millionen im Jahre 1914/1915 auf 105 Millionen im Jahre 1924 angewasen, Wir müssen eine zweite Inflation vernte:den; eine gesunde irtshaft ist der beste Rückhalt einer festen Währung. (Bei 7 art

Abg Hemeter (D. Nat.) befürwortet senen Antrag, die Regierung um Vorlegung eines Rahmengesekes für die Ausbildung

der landwirtshaftiliden Gutsbeamten zu er09es Die Veranlassung -

zu dem Antrag gab einerseits die kolossale Ueberfüllung dieses Berufs und auf der anderen Seite die Tatsache, daß eine Unmenge ungeeigneter Elemente sich in diesen Beruf eingelchliden haben. Sämtliche Parteien des Hauses sind sih einig darüber, daß die landwirtschaftlihe Pro- duktion ‘ehoben und die Eigenerzeugung im Interesse der Ernährung unseres Volkes gefördert werden muß. r ndgedanke des Rahmengesetes if es nun, für diese Aufgabe unsere landwirtshaft- lichen Berufsbeamten geeicznet zu machen zur Mitarbeit auf diesem Gebiet. Es liegt sonach der Antrag niht nur im Jnleresse unserer Landwirtschaft, sondern aub im Interesse unserer gesamten Volkswirt- schaft. Von diesem Gesichtspunkt aus bitte 1h, dem Antrag, der wohl einem Aus\{huß zu überweisen sein wird, wohlwollend gegenüber- zustehen und ihm im Prinzip zuzustimmen. (Beifall.) j

Gin Regierungsvertreter erklärt, daß ein ent- sprehendes Geseß in Vorbereitung sei. Se i

Abg, Hem eter (D. Nat.) z:eht mit Rücksicht auf diese Er- flärung feinen Antrag vorläufig zurü. S

Die Beratungen werden darauf abgebrochen. Das Haus zie sich.

onnerstag 1 Uhr: Weiterberatung; kleine Vorlagen. Schluß 74 Uhr.

Preußisher Landtag. 109. Sißzung vom 15. Dezember 1925. Nachtrag.

Die Rede, die der Minister für Volkswohlfahrt Hirt- \ Fete im Laufe der Beratung des Haushalts für Volks- wohlfahrt gehalten hat, lautet dem Wortlaut nach wie folat:

Meine Damen und Herren, auf die Große Anfrage Nr. 67 der Fraktion der Wirtschaftlihen Vereinigung habe ih folgendes zu erwidern:

Nachdem im Jahre 1919 vom Herrn Landwirtschaftsminister zur Förderung des Kleinwohnungsbaues bereits Baugenossenschaftèn, Ge- meinden und Einzelsiedlern auf. Antrag Bauholz aus Staats- for sten freihändig verkauft worden war, wurde für das Jahr 1920 die Holzabgabe an gemeinnüßige Siedlungsgesellschaften einheitlih für Preußen geregelt. Danach waren alle gemeinnützigen Siedlungsunter- nehmungen sowie Gemeinden und Einzelsiedler gehalten, sich wegen des Holzbezugs an die zuständigen provinziellen Wohnungsfürsorge- gesellschaften zu wenden, die aus\{ließlich zu Trägern des fiskalischen Holzgeschäfts bestellt worden waren.

Vom Herrn Landwirtschaftsminister sind während der Jahre 1920 bis 1924 folgende Mengen Staatsholz für Siedlungszwece bereitgestellt werden: Im Jahre 1920 in8gesamt 400 000 Feftmeter zu einem Durchschnittspreis der leßten drei Monate vor Ueber- weisung, wovon 358 824 Festmeter Holz von den provinziellen Wohnungsfürsorgegesellschaften erworben worden sind, die restlos als verbaut, d. h. für den Kleinwohnungsbau verwendet, nahgewiesen sind.

Im Jahre 1921 sind 206 500 Festmeter Holz zum Versteigerungs- durhschnittspreis des Monais November 1920 überwiesen worden. Davon wurden 186 605 Festmeter übernommen, die gleichfalls als verbaut nachgewiesen worden sind.

Im Jahre 1922 haben die provinziellen Wohnungsfürsorge- gesellshaften das für Siedlungsbauten erforderlihe Holz in öôffent- lihen Versteigerungen oder - freihändig vom Forstfiskus erwerben müssen. Eine besondere Bereitstellung von Staätsholz fand nicht statt. Die gestundeten Holzkaufgelder waren von den Gesellschaften in gleiher Höhe wie vom freien Holzhandel zu verzinsen. Der ge- währte Vorteil bestand allein in der Hinterlegung von Eigen- oder Kautionswechseln. Die den Gesellschaften zugesicherte Nückprämie in Höbe von 500 Papiermark wurden in der Folgezeit durch die Inflation so mitentwertet, daß es sih shließlich nicht mehr lohnte, sie anzuweisen, worauf dann ihre Anweisung und Auszahlung ein- gestellt wurde. Da daraufhin die Gesellschaften von Staats wegen kaum no eine nennenswerte Vergünstigung erhielten, konnte von der Bei- bringung eines Nachweises über die Verwendung des ersteigerten Holzes fchliekch abgesehen werden, nachdem bereits ein Teil des Holzes als ordnungsmäßig verbaut nachgewiesen worden war. (Zuruf rets.) Wie bei anderen Leuten aud, verehrter Herr. Nicht nur bei den Wohnungéfürsorgegesellshaften, sondern bei dem freien Holz- handel war es genau so; kein Jota Unterschied ist dabei gewesen, (Erreuter Zuruf rechts.) Sie müssen es ja besser wissen, Herr Abgeordneter.

Im Jahre 1923 sind 154000 Festmeter und nachträglich weitere 60 000 Festmeter für Ostpreußen, also inëgesamt 214 000 Festmeter Holz, bereitgestelli worden, und zwar zum Durchshnittsmarktpreis des Uebernahmemonats. Erworben wurden von den Wohnungée- fürsorgegesellshaften 199 118 Festmeter Holz, die bis auf 1177 Fest- meter als verbaut nachgewiesen und dem Kleinwohnungsbau zugeführt worden sind. Der Nachweis des Nestes ist noch zu führen,

Im Jahre 1924 betrug das bereitgestellte Kontingent 206 000 Festmeter, von denen 173 310 Festmeter erworben worden sind. Als Verkaufspreis wurde der Versteigerungsdurchsnittspreis aus den leßten Friedensjahr 1914 mit einem Aufschlag von 15 % festgeseßt.

Aus diesem Holzgeshäft sind den Wohnungsfürsorgegesell- schaften im allgemeinen ret erheblihe Verluste dadur eut- standen, daß die Versteigerungspreise für Holz vom Frühjah1: 1924 ab dauernd abbrödelten und schließlih die Festpreise, die die Gejell- shafien an die Forstkasse zu zahlen hatten, erheblich untersritten. Der Nachweis über die Verwendung dieses Holzes liegt noch nicht vollständig vor, da bei einigen Gesellschaften noch Bestände davon als Bauzubehörteile, Tischlerware, Fußböden und dergl. "agern.

Veber die hier angegebenen Mengen an Staatsholz hinaus war es den Gesellschaften unbenommen, au Holz im«freien Handel zu erwerben, über das sie selbständig ohne Erbringung eines Na)? weises verfügen konnten, wie es allen anderen Leuten in Deutich- land und in Preußen auch gestattet war. Davon haben die einzelnen Gesellshaften namenilich in den leßten Fahren, sotwc!ti es im Jnteresse des Vaumarktes und ihres Betreuungsgeschäf! es zweck mäßig erschien, Gebrau gemacht. Auch dieses Holz ist, 1xo# dem seine Verwendung nicht aus\shließlich an den Kleinwohn1ng* bau gebunden war, fast restlos diesem zugeführt worden. Jrgeird- welche staatlihen Vergünstigungen erhielten die Gesellschaften füt dieses Holz: nicht. (Zuruf.) Für dieses Holz, das sie freihändig erworben hatten. Jch habe das ausdrüdlih festgestellt. Mit dex Ueberwachung der Verteilung des Holzes und mit der Nachprüfuns seiner bestimmungsgemäßen Verwendung waren die Bezirïs-

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wohnungskommissare bei den Regierungspräsidenten beauftragt,

von denen nah Bedarf die zusiändigen Hohbauämter zu örilihen Nachprüfungen herangezogen werden konnten. Die Nachweisungen dur die Gesellschaften ge[chahen listenmäßig auf Grund eines im Ministerium ausgearbeiteten Formulars. Hierfür mußten Lage- pläne beigefügt werden, in denen die einzelnen mit Holz belieferten Bauvorhaben kenntlich zu machen waren, und genaue Bezeichnung des Grundstücks durch Angabe von Straße und Hausnummer bezw. der Grundbuchbezeihnung anzugeben waren. Von jedem Baus- vorhaben wax die Zahl der Wohnungen, die Größe der Wohu- flähen und die verbaute Menge an Rund- oder Schnittholz anzu- führen. Falls die Zahl dieser verbauten Holzmengen über oder untex einem Normalsaß lag, waren nähere Begründungen verlangt. j

Den nachprüfenden Beamten dexr Regierungsinstanz Wohnungsaufsihtsbeamten war es überlassen, in welher Weise fi? nah pflihtgemäßem Ermessen die Prüfung der Nachweisungen vornehmen wollten; sie konnten die Vorlage von Entwurfs- zeihnungen verlangen und sih ausgearbeitete Holzlisten vorlegen lassen. Dur Ortsbesichtigungen, anh durch Stichproben an den aitsgeführten Bauten konnten die Nachweisungen auf ihre Nichtigkeit nahgeprüft werden. Die Nachweisungen wurdên dann gesammelt mit sämtlihen Anlagen vom Bezirkswohnungs- kommissar nach rehnerisher Prüfung, mit FeststellungSvermerk und Richtigkeitsbesheinigung versehen, dem Ministerium zugesandt, das nach Ueberprüfung der Belege die Nachweisungen anzuerkennen haite und, sofern Rückprämien gewährt wurden, diese durch Ver- rechnung anivies.

Verluste. sind dem Forstfiskus aus dem fiskalischen Holzgeschäft mit den Wohnungsfürsorgegesellshafsten durch Verschulden dieser Gesellshaften in keiner Weise entstanden (Zuruf: Mitteldeutsche Heimstäite!) ih komme darauf; wenn Sie nux einen Augenblick Geduld haben möchten! —,-da: sämtliche von den Gesellschaften in den einzelnen Jahren erworbenen Holzmengen nah den dafüx geltenden Bestimmungen bezahlt worden sind. Sofern bei der langfristigen Stundung der Holzkaufgelder zahlenmäßige Verluste durch die Wirkung der Fnflation ervehnet werden können, trifft dîe Gesellschaften keinerlei Verschulden, denn diese rechnungs- mäßigen Verluste sind bei allen mit Zahlungsaufshub getätigten Holzgeschäften des Landwirtschafisministeriums in der Fnflations- zeit allgemein entstanden, und sie sind vom Forstfiskus, nicht von den Wohnungsfürsorgegesellshaften zu vertreten. (Zuruf.) Wenn Sie darüber Auskunft haben wollen, wäs die anderen bekommen haben (erneuter Zuruf) lassen: Sie mih doch wenigstens einmal aus-

reden! —, so bitte ih doch beim Landwirtschaftsministeriuut anzu

fragen. Das habe ih doch niht zu vertreten. (Zuruf.) Dann bitte ich doch nicht an mi die Anfrage zu richten, sondern an das Landwirtschaftsministerium. (Zuruf Glocke des Präsidenten.) Fch bin doch nicht Chef der Städte gewesen und werde auch niemals Chef der Städte werden. (Zuruf.)

Auch dex Allgemeinheit sind Verluste niht erwachsen; denn die Wohnungsfürsorgegesellshaften haben nahgewiesenermaß2n die- jenigen fiskalishen Holzmengen, die sie in den einzelnen Fahren erworben haben, tatsählih auch dem Kleinwohnungsbau zugeführt.

Da der Beleidigungsprozeß der Mitteldeutshen Heimstätte in Magdeburg ic komme also auch darauf —, den diese gegen den „Holzmarkt“ angestrengt hat, weil dieser ihr und den beteiligten Behörden Unlauterkeit und den Geschäftsführern der Gesellschaft

- Gigennuß, Schiebung usw. vorgeworfen hatte, scheinbar zu anderen

Feststellungen geführt hat, so wird dazu noch folgendes bemerkt: Die Mitteldeutshe Heimstätte war im Februar 1920 gegrürdet und ebenso wie die anderen Wohnungsfürsorgegesellschaften veranlaßt worden, fisfalishes Holz alsbald zu übernehmen. Die Vertragsäbschlüsse zcgen sich bis in den Sommer hin. Inzwischen erwies es fich als unmögli, das für die Bauzeit des Jahres 1920 bestimmte fiskalische Nundholz und das hieraus erzeugte Schnittmaterial dem Klein- wobnungëbau umgehend zuzuführen, weil der von der Mitteldeutschen Heimstätte zu zahlende Rundholzpreis während der Hauptbauzeit zu den Preisen des greifbaren Schnittholzmaterials des freien Marktes unverhältnismäßig teuer war. Es wurde damals vielfa noch aus der früheren Zeit stammendes, daher billiges Schnittmaterial auf den Markt geworfen. Die Absahmöglichkeit wurde weiter dadur beein- trächtigt, daß die Hälfte des Rundholzes weit von dem eigentlichen Arbeitsgebiet der Mitteldeutshen Heimstätte, und zwar in der Provinz Schlesien, angewiesen worden war, so daß durh die hinzutretenden Frachten und die mit der Inflation weiter steigenden Bearbeitungs- fosten die Ware der Heimstätte weit teurer wurde, als sie der Handel am Ort des Bedarfs, im Magdeburger Bezirk, lieferte. Ferner aber wurde der Status der ganz jungen Gesellschaft, deren Schwerpunkt durhaus nicht im Holzgeschäft lag, sondern darin, sih in der Provinz einzuführen, mit Behörden, Genossenschaften und Siedlern in Fühlung zu kommen, sich Bankverbindung zu schaffen, kurz, das ganze Unter- nehmen aufzubauen, auf das ungünstigste beeinflußt, ja, ihr Fort- bestand gefährdet durch die ungeheuren Ausgaben für Abfuhr und Bewirtschastung des nahezu unverkäuflichen fiskalishen Holzes. Troßz dieser ungünstigen wirtschaftlihen Verhältnisse ist es der Mittel- deutschen Heimstätte gelungen, über den Weg "des freihändigen Ver- faufs, dem grundsäßlih vom Ministerium auf mündliche Vorstellung der Geschäftsführung zugestimmt war, während allerdings vereinzelt die Genehmigung des Regierungspräsidenten erst nahträglih erfolgte, den drohenden Schaden größerer finanzieller Verluste aus dem Holz- geschäft abzuwenden. Zu solhen Verkäufen konnte sih im übrigen die Heimstätte für berechtigt halten, weil sie die Sachbearbeiter der Negierung dauernd über die Absaßschwierigkeiten unterrichtete.

Dex Vorwurf der Verschiebung von Holz kann sh nur auf Vorgänge auf einem s{chlesishen Sägewerk beziehen, das von der Mitteldeuishen Heimstätte mit dem Einschnitt einer größeren Rund- holzmenge im September 1920 beauftragt worden war und ein Jahr später in Konkurs geriet. Durch Unredlichkeit des betreffenden Sâge- müllers, über den die Heimstätte seinerzeit gute Auskunft erhalten hatte, und eines mit ihm Hand in Hand arbeitenden Abnahmebeamten sind der Heimstätte Verluste von rund 700 Festmeter Nundholz entstanden. Die angestellten Ermittlungen über den Verbleib haben zu keinem Ergebnis geführt. Es bestand auch keine Möglichkeil, gegen den vermögenslosen Unternehmer, der im Juli 1922 ebenso wie der ungetreue Angestellte von der Strafkammer des Landgerichts Magdeburg wegen Betruges verurteilt worden ist, Ersaßansprüche mit Aussicht auf Erfolg geltend zu machen. Der Verlust von 700 Festmeter" ist nit vershleiert, sondern rechtzeitig ordnungsmäßig gebuht worden. Weitere nennenswerte Verluste durch Diebstahl usw. find bei der Heimstätte nicht entstanden.

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Die Uebertragung des fiskalisGen Holzgeschäfts traf die provinziellen Wohnungsfürforgegesellshaften Anfang des Jahres 1920 sowohl an \sih wie im Hinblick auf den grcßen Umfang dieses Ge- äfts gänzlih unvorbereitet, Sie verfügten weder über die dafür notwendige Zahl von fahlich erfahrenen Beamten, noch über die un- bedingt zur Durchführung nötigen geschäftlicen Verbindungen und die dazu unentbehrlihen Lagerpläße, Schuppen und dergl. Dazu kam, daß die Wirtschaftslaçe des Jahres 1920 (Zuruf des Abg. Ladendorff : Aus dem heraus muß die Sache ja beurteilt werden, nicht aus den heutigen Verhältnissen heraus!) auf dem Baumarkt außerordentlich unübersihtlich war. Die Preise für Baustoffe, insbesondere für Holz, waren dauernd erhebl:hen Schwankungen unterworfen, nit nur® in steigender, sondern auch in fallender Tendenz. War der Wert von einem Dollar Anfang Januar 1920 noch rund 50 Mark, so betrug er Mitte Februar shon rund 100 Mark, ‘um dann bis zum Juni wieder bis auf rund 33 Mark zu fallen und bis Ende des Fahres auf rund 73 Mark zu steigen. Gleich unruhige Enrwicklung zeigten auch die Baustoffpreise, ohne daß hierbei eine unmittelbare Abhängigkeit vom Dollarstand festzustellen gewesen wäre. Unter solchen dauernd wechselnden und unübersehbaren Verhältnissen litt die Durhführung des Holzgeschäftes. Lagen Anfang des Fahres 1920 bei den einzelnen Gesellschaften sehr umfangreihe Vor- bestellungen auf Siedlungsholz vor, so wurden die Beftellungen gerade dann zurückgezogen, als die Gesellschaften in der Lage waren, den Holzbedarf zu befriedigen. Das hatte seinen Grund darin, daß inzwischen der freie Markt den sinkenden Schhnittholz- preisen ohne weiteres folgte und größtenteils mit Verlust verkaufte, um überhaupt irgendwelchen Absatz zu haben, während die Gesell- schaften troy ihrer ihnen vom Staate eingeräumten Vergünsti- gungen mit ihren Sefbstkosten höher lagen als die Notverkäufe des freien Handels. Ein Mitgehen mit den Preisen des freien Handels war ihnen versagt, wenn sie nicht finanziell shwere Verluste er- leiden sollten. Die Absabschwierigkeiten ershütterten bei einigen Gesellshaften die Führung der Geschäfte ganz erheblih. Daß daraufhin, wie dies in dem Prozeß der Heimstätte zur Sprache ge- bracht is, zur Abwendung drohender Gefahren niht immer zu wirtschaftlih befriedigenden und den behördlihen Bestimmungen wörilih entsprehenden Maßnahmen geguiffen worden ist, war aus der Not der Wirtschaftslage heraus verständlih und fraglos richtiger als ein Vorgehen, das die Existenz der Gesellshaften überhaupt hätte gefährden können. So sind bei der Mitteldeutshen Heimstäite die in Schlesien ihr zugewiesenen Hölzer in den freien Handel ab- gestoßen . worden, weil weder Siedlungsgesellsihaîten noch Ge- meinden gefunden wurden, die bereit waren, diese Hölzer abzu» nehmen. Einen Schaden exlitten dadurch weder Siedler noch Forst- fiskus, denn die Gesellschaft hat als Ersaß dafür aus ihren im freien Handel meist später erworbenen Beständen eine entsprechende Menge Holz dem Kleinwohnungsbau zugeführt. Wenn sie dieses Holz somit als ordnungsgemäß verbaut nahgewiesen hat, so kanu ein derartiges Verfahren unter Berücksichtigung der Notlage, in dèr sih die Heimstätte befand, nur gebilligt werden. Es ist ver- ständlih, daß Hemmungen solher Art während der ersten Zeit des Holzgeshäftes und unter dem Druck der ungünstigen Wirtschasts® lage auftreten konnten. Nachdem die Wohnungsfürsorgegesell- schaften in der Folgezeit sih auf das Holzgeschäft eingestellt hatten, ist das exrstrebte Ziel, den Siecdlern das zur Durchführung ihrer Bauten notwendige Holz rechtzeitig und zu angemessenen Preisen zur Verfügung zu stellen, soweit es bei den shwierigen Verhält- nissen überhaupt möglich war, tatsählih erreicht worden. (Ab- geordneter Ladendorff: Hört, hört! Fragen Sie die Siedler!) Es kommt darauf an, welche Siedler man fragt. Es tvird sehr viele Siedler geben, die durchaus für richtig halten, was ich gesagt habe. (Zuruf rets.) Ueber den Prozentsay wollen wir nicht streiten!

Mit der Beaufsichtigung der Holzgeschäfte der einzelnen Woh- nungsfürsorgegesellshaften sind die am Sitze dexr Regierungs- präsidenten für die Kleinwohnungsbelange tätigen Wohnungs- aufsihtsbeamten beaufiragt gewesen und dafür verantwortlich. Soweit die staatlihen Hochbauämter mit Nachprüfung in einzelnen Fällen beaufragt worden sind, tragen die Vorstände der Hochbau- ämter für die Richtigkeit der abgegebenen Bescheinigungen nach der Dienstanweisung für die Lokalbaubeamten der Staatshochbau- verwaltung die Verantwortung.

Nach den vorstehenden Ausführungen kann eine Haftbar- machung von Beamten nit in Frage kommen, da Verluste weder dem Staate noch der Allgemeinheit, sondern nux den Gesellschaften erwachsen sind. Es ist außerordentlich zu beklagen, daß durch das Urteil im Prozeß der Mitteldeutschen Heimstätte in der Oeffent- lichkeit der Eindruck einer üblen Wirtschaft nicht nur bei dieser Ge- sellschaft, sondern bei den Wohnungsfürsorgegesellschaften überhaupt erweckt wurde. Ein solher Eindruck wäre grundfalsch und konnte nur entstehen, weil man die in doppelter Hinsicht einmal wegen der auf- und abshwankenden Konjunktur und sodann, weil die Magdeburger Gesellschaft sich noch mitten im Aufbau befand ungeheuer shwierigen Verhältnissen nicht rihtig bewertet hat, Es muß hier ausdrücklich festgestellt werden, daß irgendein moralischer Vorwurf, insbesondere der der Unredlichkeit oder des Eigennugzes, gegen keinen der leitenden Herren der Mitteldeutschen Heimstätte erhoben werden kann, auch von dem Beleidiger nach kurzer Ver- handlung niht mehr aufrecht erhalten wurde. (Hört, hört! links.) Daß die im Jahre 1920 von der Heimstätte betreffs eines Teiles des Holzes getroffenen Maßnahmen sih wenige Monate später, als alle Sachwerte riesenhaft stiegen, als unzweckmäßig ertoiesen, kann als Vorwurf für die Geschäftsführung s{hwerlich geltend ge- macht werden, denn eine Geschäftsleitung, die in der Jnflationszeit alles richtig gemacht hätte, dürfte sih wohl überhaupt nicht finden. (Zuruf rets.) Es soll neben den Heimstätten noch außer- ordentlih viele Leute geben, die in der Jnflationszeit Geld ver- loxen haben.

Daß die Abstoßung des Holzes schließlich do ein Fehler war, hat die Geschäftsleitung der Heimstätte nie bestritten. Der Be- leidigungsprozeß gegen den Redakteur des Holzmaxrktes ist an- gestrengt worden, weil dieser niht nur die Geschäftsführung der Heimstätte mit Ausdrücken wie „Schieber, Räuber, große Diebe usw.“ aufs shwerste beleidigt, sondern auch dem Oberpräsidenten Hörsing in Magdeburg vorgeworfen hatte, er hätte das aus Partei» rücksichten, und dem Minister, er habe aus: Furcht vor dem Skandal die üblen Machenschaften geduldet. (Zuruf red;ts: Ex ist aber frei» gesprochen!) Er hat aber den Vorwurf der bewußten Ver- untreuung zurückgezogen und ist wegen der formalen Beleidigung nicht bestraft. Das ist kein Beweis dafür.

Nichts von alledem ist, wie der Prozeß ergeben hat, wahr. Wenn das Schöffengericht geglaubt hat, nicht diese für das Ansehen der

Gesellschaft und verunglimpften Staatsbeamten und des Staerkeil überhaupt allein wesentlihen Tatsachen, sondern andere in den Vorder- grund rüdcken zu follen, so kana ih mir um so mehr versagen, hierauf näher einzugehen, als der Straffall dem Vernehmen nah unter die Amnestie fallen wird. . Wenn von Schädigungen die Rede {ein kann, so leider nur von solhen der Mitteldeutschen Heimstätte und der anderen Wol;nungsfürsergegesellschaften überhaupt, deren außer- ordentlih verdienstvoller, mühsamer und seçcensreiher Arbeit das Urteil leider in feiner Weise irgendwelhes Verständnis entgegen- gebracht hat, geschweige denn gerecht geworden ist. (Zuruf rechts: Das fagt der Herr Minister!) Das sagt der Herr Minister mit vollem Bewußisein, Herr Abgeordneter.

Eine Bereitstellung von Staatsholz für Siedlungêzwede erfolate

‘bereits für 1925 nicht mehr. V:elmehr hatten die Wohnungsfürsorge-

gesellshaften ihren Bedarf an Holz auf Versteigerungen oder frei» Fändig zu erwerben, wobei ihnen nur langfristige, hohverzinsliche

tundungen der Holzkaufgelder und die Hinterlegung von Eicen- wmechseln als Vergünstigung eingeräumt worden ist. Da das Holz- geschäft für die Heimstätten seitdem ein freiwilliges geworden war, haben bereits für dieses Jahr eimge Gesellschaften auf den Erwerb staatl:hen Holzes und damit auf die eingeräumten Vergünstiçcungen verzidtet. (Zuruf rechts: Das ist rihtig!) Ich glaube aber, daß all anderen nit so ohne weiteres darauf verzihten werden.

Für das kommende Jahr haben die Gesellschaften in ihrer Ge- samtheit keine staatlichen Vergünstigungen beantragt und sie werden ihr Holzgeschäft, sofern sie ein solhes überhaupt noch zur Durch- führung ibres Betreuungsgeshäfts für nötig erachten, unter den gleiden Voraussetunçcen führen wie der freie Holzhandel.

Auf die große Anfrage Nr. 83 Drucksahe Nr. 1548 be- treffend die Hergabe großer Waldteile und be- deutender Geldmittel an die Kriegerheimstätten A. -G. zur Ausführung von Industrieanlagen bei Velten erieile ih im Einvernehmen mit dem Herrn Landwirt- shaftsminister folgende Antwort:

Zu 1: Der Gemeinnüßigen SiedlungsE- A.-G. zu Pankow sind zur Durchführung des Kanalbaus bei Velten und der damit zusammenhängenden Arbeiten aus Mitteln der produk- tiven Erwerbslosenfürsorce Darlehen im Gesamtbetrage von 4410000 RM zur Verfügung gestellt worden. Hiervon entfallen auf Reichsmittel 2 426 000 RM, auf Mittel des Preußischen Staates 1 984 000 RM.

Außerdem hat die Gesellschaft im Rahmen der Bestimmungen über die Notstandsarbeiten Zuschüsse in Höhe des 1,5 fahen vom Durchschnittssaß der ersparten Erwerbslosenunterstüßung nah den jeweils gültigen Säßen der Ortsklasse A des Wirtschaftsgebietes I1 für rund 166 000 Tagewerke aus dem gleihen Fonds erhalten. Diese Zuschüsse belaufen sih auf rund 342 000 NM.

Die Gemeinnükige Siedlungs- und Kriegerheimstätten A.-G. hat ferner zur Förderung“ des Kanalbaues bei der Preußischen Zentral- Bodenkredit A.-G. ein Darlehen von 10 Millionen NM in 8 % ixen Goldkommunalschuldvershreibungen zum Nennwert aufgenommen. Für dieses Darlehen hat sih der Kreis Osthavelland verbürgt.

Zu Punkt 2: Die Preise des an die Siedlungsgesellschaft ver- kauften Holzes sind, wie auch sonst bei freihändigen Verkäufen übli, nah den im Vormonat ermittelten Durchschnittspreisen berechnet. Cin Unterschied gegenüber den bei den öffentlichen Holzverkäufen erzielten Marktpreisen ist daher nicht entstanden.

Zu Punkt 3 und 4: Da das Waldgelände an die Gesellschaft weder rechtsverbindlih verkauft noch aufgelassen ist, sind der Staats- forstverwaltung Einnahmen aus dem beabsichtigten Beteiligungs- vertrage noch nicht zugeflossen. Es ist daher auch kein fisfalishes Gelände an Industrieunternehmungen verkauft worden.

Zu Punkt 5: Eine Hergabe weiterer öffentliher Mittel an die Gemeinnübßige Siedlungs- und Kriegerheimstätten A.-G. ist nicht beabsichtigt. (Abg. Ladendorff: Hört, hört!)

Das Staatsministerium kann ohne eingehende Erörterung der Sach- und Rechtslage dem Landtage über die in tatsählicher wie in rechtliher Hinsiht verwickelten Verhältnisse des Veltener Kanalbauunternehmens keinen ershöpfenden Aufschluß geben und regt deshalb an, die Angelegenheit dem Hauptausschuß zu überweisen, der bereits mit dem den gleihen Gegenstand betreffenden Urantrag der Abgg. Held und Gen. (Nr. 1366) befaßt ist. (Zurufe hei der Wirtschaftlichen Vereinigung: Das ist ja längst geschehen!) Das ist ein anderer Antrag, das ist der Antrag Held. Wir bitten, au ihn dem Hauptausschuß zu überweisen.

Bezibglich des bemängelten Verlustes an Waldbestand möchte ih noch mitteilen, daß 93,2 Hektar geschlagen worden sind. (Zuruf des Abg. Ladendorff: 10000 Morgen!) Das sind keine 10 000 Morgen; 93 2 Hektar sind 360 Morgen, wenn Sie rehnen können. Mehr ist nit abgebolzt worden; das andere hat nur in Frage gestanden. Tats sächlich sind nux 93,2 Hektar abgeholzt worden (Zurufe bei der Wirt- schaftlichen Vereinigung.) Bis zum Beweise des Gegenteils muß ih doch wohl diese Behauptung aufrechterhalten. (Abg. Ladendorff: Es wird noch beute abgeholzt!) Nein, es wird nicht abgeholzt! Das geht auch den Landwirtschaftsminister an. Es sind nur 93,2 Hektar des Geländes abgeholzt worden, deren Abtrieb zur Führung dev Kanaltrasse und zum industriereifen Aufschluß des zu beiden Seiten liegenden Geländes nohwendig war. Im übrigen steht das Wald- gelände unter dem Schuß des Gesehes zur Erhaltung des Baum- bestandes vom 29. Juli 1922.

Was den Protest der Einwohnerschaft angeht, so möchte ih be» merken, daß das JIndustrieprojekt von der Gemeinde Velten aus- gegangen ist und von ihr auch am eifrigsten gefördert worden ist. Des- wegen muß sie sich in allererster Linie an die Gemeinde Velten wenden. Jch bitte aber noch, dabei zu berüdsichtigen, daß diese Maßnahmen zu einer Zeit eingelcitet worden sind, als wir in Deutschland Hundert- tausende von Arbeitslosen hatten, als auf der Regierung und auf den Ortsbehörden von der gesamten Oeffentlichkeit mit der Frage herum- geritten wurde: was geschieht, um diesen Arbeitslosen Arbeit zu be- schaffen? Ob wir nicht in den nächsten Monaten wieder in eine ähn- liche Situation hineinkommen werden und wieder neue Maßnahmen vornehmen müssen, sollten Sie der Entwiklung überlassen Jch bitte aber, die Angelegenheit aus der damalicen Situation heraus zu be- trahten und nicht aus einer Zeit, wo unsere Arbeiter voll beschäftigt sind.

4 A, 1DADEH A c % 1 und Krtiegerheiumjtatten

Jm weiteren Verlauf der Verhandlungen führte derx Minister für Volkswohlfahrt Hirtsiefer noch folgendes aus:

Jch möchte auf die Anfrage, die Herr Dr. Stemmler soeben wegen des Query-Serums gestellt hat, mitteilen, daß mir