1926 / 34 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Feb 1926 18:00:01 GMT) scan diff

sind, um zunä} einmal die Beamkenshaft ungefähr auf den Vor- fTriegsjtand zuruczuführen, zu bejeitngen und dafür zu jor. en, daß die Neichsbahn, soweit es finanziel und wirtschaftlich möglich ist, im SJnteresse der Beamten verfährt, selbst über den Rahmen des Îeichs- bahngeseßes hinaus.

Meine Herren! Jch habe nicht die Absicht, jeßt schon in die Einzelfragen einzutreten, die den Gegenstand der Entschließung bilden weil ih annehme, daß darüber von den Herren noch geredet werden wird. Ich werde auf die kommenden Ausführungen nachher ent- weder selbst antworten oder durch meine Herren Mitarbeiter ank- worten lassen.

Zum Schluß möchte ih aber doch sagen, daß es dur die Taktik, von der ih eben spra, möglich gewesen ist, immerhin etwos zu erreichen. Denken Sie bitte an die Situation, die von meinem Herrn Vorredner eingehend beleuhtet worden ist, an die Nücküber- führung von Beamten in das Arbeiterverhältnis, und vergleichen Sie die Lage im vorigen Sommer mit der jeßigen. Jch weiß sehr wohl, daß die Herren des Untergusschusses sehr lebhaften Anteil an dem haben, was bisher erreiht worden ift. Es ist ihnen auch unter Durchbrechung gewisser Grundsäße gelungen, mit den Herren der Neichsbahnverwaltung unmittelbar Fühlung zu bekommen Diese Arbeit ist nicht vergeblih gewesen, und ih glaube, daß man bei Ein- haltung dieser Linie auch in der Zukunft viel wird erreichen können.

Dann sind noch grundsäßliche Fragen angeshnitten worden, be- sonders die Frage der Leistungszulagen. Sie kennen meinen Stand- punkt, Ich bin mit dem gegenwärtigen System der Leistungszulaçcen nicht einverstanden, Jch meine, man schafft damit mehr Vebles als Gutes. Man hat es mit einer Beamtenschast zu tun, von der man Beamtenqualität erwartet und verlangt, und deshalb ist es nicht richtig, wie es jeßt geschieht, die Leistungszulagen als Massen- zuwendungen zu verteilen. Man sollte sich auf Einzelfälle beshränken wie früher, wo man hei besonderen Verhältnissen einem Beamten helfen konnte.

Auf diese Bemerkungen möchte ih mich jeht beschränken. Viel- leicht werde ih nachher noch einiges hinzufügen.

156. Sißung vom 9. Februar 1926, Nachmittags 2 Uhr. {Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *)

Das Haus und die Tribünen sind stark beseßt. Auch das diplomatische Korps ist stark vertreten.

Am Regierungstishe: Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresemann, Reichsminister des Fnnern Dr. Külz und die anderen Mitglieder des Reichskabinetts.

Präsident Löbe eröffnet die Sihung 8 Hr 20 Minuten.

_ Auf der Tagesordnung steht die Ra ae äFnuter- pellation über den Terxrorx derx italienischen Be- hörden in Südtirol und die Fnterpellation dexr Re- ierungsparteien über die Ausführungen Musso- inis in dex ttalientschen Kammer. Neichsminister des Auswärtigen Dr. Stcesmann: Meine Denen und Herren! Die Ausführungen, die der Herr italienische Ministerpräsident in der Sonnabendsißung des italienishen Parla- ments gemacht hat, greifen tief ein in das Verhältnis Italiens zu Deutschland. Sie rollen darüber hinaus die Gesamtlage auf, die mit dem Abschluß der Verträge von Locarno und mit dem intritt Deutschlands in den Völkerbund in Verbindung steht. Der rbetorische Ausbruch des Hercn Mussolini gäbe Veranlassung, ißm ‘in derselbén Weise zu antworten. Die deulsche Negierung muß es aber ablehnen, auf einen derartigew Ton, dec wohl eher auf Massen- versammlungen als ‘auf Aussprache mit anderen Nationen berechnet ist, ihrerseits einzugehen. (Sehr richtig! bei dec Deutschen Bolks- partei und in der Mitte.) Wir werden unsererseits von dem Tatbestand ausgehen und von da aus zu den Darlegangen des Herrn italienischen Ministerpräfidenten Stellung nehmen. Gestatten Sie mir deshalb, zunächst einmal die Sachlage fest zu umreißen. Südtirol is bei den Friedenéverhandlungen Jtalien zugesprochen worden. Daraus ergeben sich politishe Konsequenzen, die wir stets respektiert haben und zu respektieren haben. Die Hoheitsfrage, die Souveränität Italiens über Südtirol, steht außer Zweifel. Aber diese unbestrittene Souveränität Jtaliens erschöpft nicht die Gesamt- situation, auch nicht vom italienischen Gesichtspunkt aus gesehen, Gerade bei Schließung der Friedenéverträge und bei ihrer Begründung haben wir oft von anderer Seite die Worte gehört, daß es nicht nur ein internationales Recht, sondern daß es auch eine internationale Moral giht, und zur Erhaltung ihrer internationalen moralischen Ver- pflichtungen gegenüber der Bevölkerung vow Südtirol hat die italie- nische Regierung selbst zu wiederholten Malen Stellung genommen. Sowohl von der österreichischen Regierung als auch von der Be- völkerung der betroffenen Gebiete wurden während der Friedens8- verhandlungen in Paris Proteste gegen die Einverleibung von Süd- tirol an die alliierten und assoziierten Mächte gerichtet. Jw dec Antwort, die der österreichischen Regierung am 2. September 1919 gugegangen ist, ist ecklärt worden, daß die Grenze nicht geändert werden könnte. „Aber gleichzeitig", haben die alliierten und asso- giierten Nationen hinzugefügt, „wie aus den sehr klaren vom italie- nischen Ministerpräsidenten im römischen Parlament abgegebenen Er- klärungen folgt, beabsichtigt die italienische Regierung, gegenüber ihren neuen Untertanen deutscher Nationalität in bezug auf ihre Sprache, ihre Kultur und ihre wirtschaftlichen Jnteressen eine in weitem Maße liberale Politik zu befolgen. (Hört, hört! in der Mitte und rechts.) Am 18. November 1918 wurde Bozen beseßt. Der komman- dierende General der italienischen Armee Picori Giraldi erließ da- mals folgende Proklamation: So sehr Jtalien au bestrebt ist, seinen Geist und sein Recht auf diesem Boden zu festigen, so liegt ihm die Unterdrückung anderer Nassen odex Sprachen fern.

(Hört, hört!) In Orten, in welchen eine gemisGte Bevölkerung lebt, werden Schulen dec betreffenden Sprachen eingerihtet werden.

(Hört, hört!) Die Gemeinden deuts{her Mundart werden deutsche Volksschulen besißen können,

(hört, hört!) und allen bereits beftehenden privaten und konfessionellen Schuken wird freie Bahn gelassen werden. E

(Hört, hört!) Die deuts{e Unterrichtssprache wird beizubehalten sein,

(hôrt, hört!)

*) Mit Ausnahme der dür Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

um

vorausgeseßt, daß Lehrpläne und Schulbülher nicht gegen wie

Würde und Rechie Jtaliens verstoßen in Geiste dser Grundsäße vertraue jeder darauf, daÿ alles, was die Sprache und Kultur von Hochetsh anbelangt, sorgfältig und liebevo!l geregelt werden wird. (Hört, hört !) Meine Herren, das ist die erste Erklärung, die der Bevölkerung von Südtirol abgegeben worden is an dem Tage, an dem durch militärishe Beseßung ihr vor Augen geführt wurde, daß ihre Be- wohner Staatsbürger eines- anderen Landes geworden waren. Diese Erklärungen sind in der Zukunft wiederholt worden. So hat Herr Titoni am 27. September 1919 seinerseits erklärt: Die Völker anderer Nationalitäten, die mit uns vereinigt werden, sollen wissen, daß uns der Gedanke ciner Unterdrückung und Entnationalsierung vollkommen fernliegt

(hört, hört!), and daß ihre Sprahe und ihre kulturellen Einrichtungeu ge- achtet werden. /

(Hört, hört!)

Der König Viktor Emanuel hat in seiner Thronrede vom 1. September 1919 ebenfalls zu der Frage von Südtirol Stellung genommen und hat erklärt:

Unsere freiheitliche Tradition muß uns den Weg weisen, auf dem wir bei größter Beobachtung der lokalen autonomen Einxrich- tungen und Gebräuche die Lösung finden können (Hört, hört!) Jch könnte diese Erklärungen durch weitere veúvoll- ständigen. Jh will darauf hinweisen, daß 10 Tage daranf der Ministerpräsident Bunomi noch einmal denselben Gedanken aus- gesprochen hat, indem er sagte: Unsererseits erkennen wir den Deutschen ebenso wie den Slatoen das Recht auf Erhaltung ihrer Sprache und ihrer Kultur an. (Hört, hört !) ;

Meine Herren, Jtalien hatte auch Veranlassung, gerade diesem Problem seine Aufmerksamkeit zuzwenden. Es gibt auch italienische Minderheiten in anderen Staaten, in anderen Ländern. Ftalien gerade hat Wert darauf gelegt, daß beispielsweise Südslawien ver- tragsmäßig durch Dekret vom 24. September 1923 die Minder- heitsfrage geregelt hat, in dem Sinne: Südslawien gewährt den Minderheiten volle Entwiklungsmögkichkeiten im nationalen Leben; sie genießen volle Freiheit “hinsihtlich ihres Verkehrs, ihrer Religion, ihrex Presse, hrer Vereins- und Versammlungstätigkeit ; sie haben das Recht zur Errichtung von Schulen und Erziehungs- anstalten, in deneu die eigene Sprache ohne Einshränkung ver- wandt werden kann. Das sind Forderungen gewesen, die Jtalien selbst gestellt hat und von denen man nah den Erklärungen, die ih verlesen habe, annehmen konnte, daß sie auch Grundlage der Politik gegenüber Südtivol sein würden.

Das war der Standpunkt der Versprehungen und die Lage in Südtirol bei dem Friedensshluß 1919. Seitdem ist im Zusammen= hang mit den innerpolitischen Entwicklungen in Jtalien auch die Entwicklung der Verhältnisse in Südtirol einen anderen Weg ge- gangen. Der Senator Tolomei hat am 15. Juni 1923 îm Bogzener Stadttheater ein umfassendes Entnationalisierungsprogramm auf gestellt, das inzwishen zum großen Teil durchgeführt ist, Fch er- wähne daraus die Einführung der ausschließlichen Geltung der italienishen Amtssprache, die Auflösung aller alpinen Vereine, die nicht Sektionen des italienischen Club Alpino sind, und die Be- shlagnahme ihres Vermögens, ihrer Hütten, das Verbot der Be- zeihnung „Südtirol“, die ‘Anwendung neuer Ortsuamen, der Vex» suh der Ftalianisierung aller germanisierten Familiennamen, sowie vor allen Dingen die Vorgänge auf dem Gebiete des Schul- wesens, bei dem das allmähliche Aufhören des deutscher Unterrichts in Aussicht genommen und zum Beispiel das Verbot der gotischen Schriftzeichen durchgeführt ift.

An dieser bewußten Entdeutshung von Südtirol besteht kein Zweifel. Sie wird unter dem Namen der Ftalianisiecung von Südtirol von Hercn Mussolini in der von mir erwähnten Rede selbst aks ein Ziel der italienischen Politik hingestellt, Sie steht im stärksten Gegensay zu den Zusicherungen, die der Südtiroler Bevölkerung bei ihrex Annexion durch Jtalien gegeben worden sind. (Sehr wahr!)

Diese Frage dex Entnationalisierung vollt weiterhin das gange Problem des Schuyes der Miuderheiten auf,

Meine Herren, der Tatbestaud dieser Entnationalisierungs- bestrebungen ist verwirxt worden dur unwahrxe und entstellende Eingelnachrihten über angebliche spezielle Untecdrückungsmaß-

‘gegriffen, als sie die Presse ‘vor Uebertreibungen gewarnt und auf

nahmen der italienishen Regierung. Dahin gehört die. in die deutshe Presse übernommene Mitteilung über das Verbot des Verkaufs von Weihnachtsbäumen. Dahin gehört die angeblih ver- fügte Versezung des Denkmals Walthers von der Vogelweide und Nachrichten ähnlicher Art, die sih als unwahr erwiesen haben. Die deutsche Regierung steht diesen Nachrichten vollkommen fern. Die deutshe Presse ist wiederholt von der Reichsregierung gewarnt worden, Mitteilungen über Südtirol kritiklos entgegenzunehmen. Der Herr Ministerpräsident Held hat in seiner Rede sogar dem Gedanken Ausdruck gegeben, daß es gewisse Provokateure gäbe, die absichtlich falshe Nachrichten nah Deutschland gesandt hätten, um damit Verwirrung zu stiften. Jch kann meinerseits die hon früher ausgesprohene Warnung an die Presse zux kritischen Sonderung der ihr zugehenden Mitteilungen nux wiederholen.

Aber ih glaube, auch diese bedauerlicherweise veröffentlihten unwahren und falschen Mitteilungen ändern nichts an dem Gesamt- tatbestande (lebhafte Zustimmung), der ja s{ließlich doch au von dem Herrn Ministerpräsidenten Mussolini selbst mit dem einen großen lapidaren Say der Ftalianisierung Südtirols in seinem ganzen Umfang gekennzeihnet worden ist. (Sehr richtig!)

Jch muß dann hier auf Aeußerungen zurückkommen, die der Herr italienishe Ministerpräsident schon vor dieser Rede im italie- nishen Parlament der deutschen Regierung gegenüber getan hat. Es hat sich in München eine Vereinigung gebildet, die es für not- wendig evachtet hat, soviel ih weiß durch Jnjerate in der Presse, zum Boyfkott italienischer Waren aufzufordern. Fh weiß nicht, ob hinter diejer Bewegung irgendwelche beachtlihen Verbände stehen. Weder die Bayerische Staatsregierung noch etwa deutjche Behörden hatten mit diesem Versuch etwas zu tun, und ih mache gar fein Hehl daraus, au hiex zu exklären, daß ih es für durch- aus unangebracht halte, wenn einige Duygend Leute glauben, auf diese Weije deutshe Außenpolitik machen zu können. (Lebhafte

Aber diefe rein private Bewegung von unverantwortliher Leuten hat den Herrn italienijen Ministerpräsidenten veranlaßt, dem deutschen Botschafter gegenüber zu erklären, daß er amtlih die Einfuhr deutscher Waren nah Jtalien verbieten würde und zum Boykott deutscher Waren aufordern würde (hört, hört!), wenn derartige Bewegungen in Deutschland nicht aufhörten oder ih

wiederholten. (Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! Jch halte es für ein unmögliches Vorgehen, die unbeachtete Bewegung weniger Kreise, die von der Regierung entschieden mißbilligt wird, mit dem Bruch internatio- naler handelspolitisher Abmachungen beantworten zu wollen. (Sehr gut!) Denn in Wirklichkeit wären derartige Maßnahmen der Bruch solcher Abmachungen. (Sehr richtig!) Auf dieser Basis ist ein internationales Zusammenleben niht möglih (lebhafte Zu- stimmung), Verträge, die geschlossen werden, würden dann ihre Bedeutung verlieven. Es wäre eine interessante Frage für die Weltwirtschaftskonferenz, einmal zu prüfen, ob irgendwelche un- kontrollierbaren Bewegungen, die doch mehr odex weniger indivi- dueller Natur sind, ivgendein Recht geben könnten, internationale Verträge in Frage zu stellen. ;

Ob diese vielleicht auch aus dem Fmpuls eines Moments heraus8geborene Drohung in irgendeiner Form aufrechterhalten werden wixd, lasse ih dahingestellt. „Für die deutsche Regierung erfläre ih, daß sie allen. Boykottbewegungen fernsteht und solche bekämpft. Wir würden die legten Grundlagen des Weliwirtschasts- verkehrs untergraben, wenn sih politische Verstimmungen in der- artigen Maßnahmen auswirken würden (Zustimmung.)

Damit habe ih den Tatbestand gekennzeichnet. Fch davf ihn noch einmal kurz dahin resumieren:; Südtirol ist aus dem östers reichischen Staatenverbande ausgeschieden und. Ftalien einverleibt worden. Die verschiedensten Regierungsstellen, unter ihnen der König vou Ftalien, haben den Südtirolern zugesagt, ihre Kultur, Sprache und Religion zu achten und ihnen ihre Bewahrung zu sichern. Das faschistishe Regiment hat mit diesen Traditionen ges brohen und hat die Ftalianisierung Südtirols als Programms punkt aufgestellt, Die deutsche Oeffentlichkeit hat aus Gründen dev Kulturgemeinschast mit dem Deutschtum in Südtirol dagegen leidenschaftlih bewegt Stellung genommen, übertveibende und unwahre Darstellungen haben diese Leidenschaften besonders erhißt. Die deutsche Reichsregierung hat ihrerseits nux insoweit eins

die shädlihen Folgen einex übertriebenen Agitation hingewiesen hat. Jn diesem Sinne habe ih als Außenmminister persönlih noch vor kurzem vor einer Versammlung der Presse und ebenso im Auswärtigen Ausschuß gesprochen.

Das ist der Tatbestand. Was aber macht Herr Mussolini aus diesem Tatbestand? Herx Mussolini sucht den Eindvuck zu erwecken, als wenn Deutschland diese Bewegung entfacht hätte. Als wenn das Signal dazu von Regierungsstelle aus gegeben worden wäre, und als wenn damit die Regierung eine Atmosphäre hätte schaffen wollen, auf der sih eine gang bestimmte Außenpolitik aufbauen sollte, die ïhrerseits die Brennergrenze in Anspruch nehmen, demn Anschluß an Deutschöfterreih durchführen wolle und so eine Gefahr für Jtalien darstelle. Herr Mussolini hat gesagt, daß exr mit Freimut und in voller Offenheit sprechen wolle; er wird es. ver- stehen, wenn die Antwort in demselben Sinne erfolgt.

Meine Damen und Herren! ' Ich: weiß sehr wohl, auf welchen politischen Gedankengängen diese Anschauungen beruhen, denn sié sind mir wiederholt von einer Stelle, die befugt-war, darüber unterrichteb zu sein, dargestellt worden. Italien hat den Versuch gemachk, bei den Verhandlungen über den Locarno-Vertrag auch eine Sicherheit für die Brennergrenze dur internationale Abmachungen zu erreichen, Auch an uns ist im Laufe der Verhandlungen die Frage gekommen, wie sich Deutschland zu einer etwaigen Einbeziehung der Brenners grenze stellen würde. Die Antwort, die wir. darauf zu geben hatten, ist, glaube ih, selbstverständlich. Zunächst einmal war diese Añsrage an die falsche Adresse gerichtet. Ueber die Brennergrenze hat Oester- reich zu entscheiden, da Oesterreich an Jtalien grenzt. Wir haben ntcht die Absicht, unsererseits das Selbstbestimmungsreht ODesters reis aufzuheben. Wir häben nur den Wunsch, daß dex Durchs führung des Selbstbestimmungsrechts nicht bis in die Ewigkeit die- jenigen Hindernisse entgegengeseßt werden, die wir seit 1919 haben erfahren müssen. (Lebhafte Zustimmung.) Wir haben also zunächst aus formellen Gründen abgelehnt. Es war aber auch sonst für uns unmöglich, diejenigen Bestimmungen, die sih auf die Idee des Westo paktes gründeten, auf irgendwelhe anderen Grenzen zu übertragen. Man hat nun dargelegt, daß durch die Abmachungen von Locarno zwei Arten von Grenzen in Guropa geschaffen worden wären, eine durch internationale Verträge besonders geshüßte Grenze im Westen; dur diese internationalen Verträge, schüfen, seien aber die anderen Grenzen in Europa mehr oder weniger labil geworden und ständen gewissermaßen als Grenzen zweiter Klasse da. Man glaubt nun, daß die deutsche Bewegung dahin ginge, nachs dem sie die Sicherheit erlángt habe, im Westen völligen und dauernden Frieden zu haben, nunmehr eine Atmosphäre für eine Expansions- politik speziell auch der Brennergrenze gegenüber zu schaffen Man hat dainit die deutsche Pressepolemik gegen die Maßnahmen in Süd- tirol in Verbindung gebracht.

Meine Damen und Herren! Als mir diese Ausführungen zu- erst vorgetragen wurden, habe ih einmal darauf hingewiesen, daß vas, was hier der deutschen Politik unterstellt wird; vollkommener Unsinn is}, und zweitens darauf, daß man hier in bezug auf die Schaffung oder auf das Vorhandensein einex großen deutschen St.m- mung Ursache und Wirkung vollkommen miteinander verweselt. Es ift nicht so, daß die deutsche Meichsregierung die deutsche Oeffent- lichkeit aufgepeitsht hätte, um die Atmosphäre für ein Vordringen zu schaffen, wie es uns unterstellt wird; sondern Tatsache ist, wie Herr Mussolini an einer anderen Stelle seiner Rede auh ausführt, daß jahrelang auch in der öffentlihen Meinung Deutschlands eine Stimmung bestand, die erhoffen ließ, daß die Beziehungen der beidèn Völker, die durch den Krieg - zerrissen worden waren, wieder . anfangen könnten, freundschaftlicher zu werden. J darf ja dàrauf hinweisen, daß nach dem Kriege die Dinge doc bereits im Jahre 1924 derartig lagen, daß die deutsche ReichS- regierung damals aus finanziellen Gründen die Reisemöglichkeit nah Ftalien einshränken mußte, um niht eine ganz starke Reise- tätigkeit sich dott entfalten zu sehen. Fch darf weiter darauf hin-

weisen, daß in der ganzen deutshen Oeffentlichkeit Ftalièn mit einex Freundlichkeit behandelt wurde, die anknüpfte an traditios nelle Beziehungen, die ja doch durch Jahr#&hnte uns miteinander

e

Zustimmung links und in der Mitte.)

verbunden haben und Feindseligkeiten damals nicht aufkommen

die eine besondere Sicherheit

ließen. Die oonmen dentsHen Pressestimmen gegen Ftakien find eri entjiaüde: u 5 MKeaktiion auf die Mitteilungen, die über das veränderte Regime in Südtirol nah Deutschland gelangten. (Sehr rihtig! bei den Regierungsparteien.) Fh glaube, daß daran überhaupt gar kein Zweifel sein kann. Es besteht ja nun in Rom eine andere Auffassung über die Einwirkung8möglichkeit der Regierung gegenüber der Presse als in Berlin. Man will nicht verstehen, daß wir nicht die Möglichkeit hätten, Erörterungen in der Presse abzustoppen, wenn sie uns nicht gefallen. Fch kann miL theoretish denfen, daß das manchmal ganz angenehm für die Regierung wäre. (Heitere Zustimmung.) Faktisch liegen jedenfalls

. die Verhältnisse so, daß wir zwar die Presse bitten können, in

diesex und jener Frage einige Zurückhaltung zu wahren, daß wir aber im übrigen nicht diejenigen Einflußmöglichkeiten besiyen, die man sih in Rom verschafft hat. (Sehr gut!) Es geht deshalb die gesamte Beweisführung des Herrn Mussolini vollkommen fehl, wenn er aus der Stellung der Presse {ließt auf eine Dirigierung der Presse durch die Reichsregierung.

Was die Stellung der Reichsregierung zu den Vorgängen an- betrifft, so Liegen hier die Dinge folgendermaßen: NRechtlih hat Deutschland keine Möglichkeit, unmittelbar in die Verhältnisse Süd- tirol8 einzugreifen. Mussolini hat vollkommen recht, wenn er davon spricht, daß das zunächst eine inneritalienishe Angelegenheit fei. Stalien hat auch eine besondere Verpflichtung zu besonderem Schuß der Minderheiten, wie sie von den Nachfolgestaaten übernommen worden ist, nicht auf sih genommen. Das ändert aber nichts an der Gemeinschoftlichkeit deutschen kulturellen Empfindens für Staaten deutsher Kultur, für ein Land und ein Volk, das seit Jahrhunderten deuts gewesen ist und bis zur Stunde zur deutschen Kulturgemein- schaft gehört. (Lebhafte Zustimmung.)

Tatsächlich liegen weiter die Dinge so, daß, wenn aus der Politik der Unterdrückung eines Volkes eine Gefahr der Störung des Friedens entsteht, der Appell an den Völkerbund zulässig ist. Darüber hinaus ist der Völkerbund an sich diejenige Institution der Völker der Welt, der die Nechte unterdrückter Nationen zu vertreten hat. Gerade die Rede des Herrn Mussolini wirft dieses Problem auf. Seine Rede fordert nicht nur die Jtalianisierung Südtirols, sondern sie ist in der ganzen Welt als eine Kriegsdrohung aufgefaßt worden, die sih entweder gegen Desterreih oder gegen Oesterreich und Deutschland zugleih richtet. Derartige Drohunçen sind mit dem Geist des Völkerbundes shechthin unvereinbar. (Zustimmung bei den Regierungsparteien und links. Lachen bei den Deutsch- nationalen und Völkischen.) Derartige Drohungen sind mit dem Geiste des Völkerbundes s{chlechthin unvereinbar. (Erneute Zus- stimmung bei den Regierungsparteien und links.) Wenn Deuisch- Jand dem Völkerbund bereits angehörte, würde es an den Völker- bund das Ersuchen stellen müssen, zu diesen Drohreden Stellung zu nehmen. (Lachen bei den Deutschnationalen und Völkischen.) Sh komme auf die Frace des Völkerbundes und auf die Konse- quenzen, die Sie (nah rechts) glauben aus diesen Worten ziehen zu müssen, naher zurük. Jch darf Ihnen nur das eine sagen, daß, wie Sie aus dem gestrigen einstimmigen Beschluß des Neichskabinetts sehen, das Reichskabinett die entgegengeseßte Folgerung aus den Tat» fachen gezogen hat, als Sie sie glauben ziehen zu müssen, (Zuruf: 'Und die Ministerpräsidenten der Länder!) Sie wissen ganz genau, daß in der Beratung der Ministerpräsidenten, wenn ih nicht irve, von drei Ländern Bedenken erhoben worden sind. Das ist mehr als einmal gesehen und ändert nichts daran, daß die große Mehr- zahl der Länder vollkommen mit dem Vorgehen der Neichsregierung einverstanden gewesen ift,

Meine Herren! Lassen Sie mih nach dieser Klärung des Tat- bestandes mit einigen Säßen auf die Ausführungen selbst antworten, die Herr Mussolini in bezug auf Deutschland gemacht hat, Es ist wer, nicht scharf zu werden gegenüber der Ueberheblichkeit, den Flaffenden Widersprüchhen und der Maßlosigkeit der Ausführungen, die fein Ausdruck innerer Kraft zu sein brauchen. (Sehr richtig!) Herr Mussolini hat auch versucht, hier eine geschichtliche Darstellung der Entwicklung zu Deutschland zu geben, indem er darauf hinwies, daß gute Beziehungen nah dem Kriege bestanden hätten. Ich kann im Verfolg dessen, was ih vorhin ausgeführt habe, dem nur zustimmen, wenn Herx Mussolini auch darin irrt, daß er glaubt für Jtalien in Anspcuch nehmen ¿zu müssen, taß es den ersten Handelsvertrag mit Deutsd;land nach dem Frieden von Versailles geschlossen hätte. Schon vor dem Abschluß dieses Vertrages haben Verträge bestanden mit den Vereinigten Staaten von Amerika, mit Griechenland, England, Bel- gien und Oesterreih. Jm übrigen sind Handelsverträge bisher kein Geschenk anderer Nationen an Deutschland gewesen. (Lebhaste Zu- stimmung.) Jede Nation hat das selbstverständlihe Recht und die Pflicht bei Handelsverträgen ihre eigenen íInteressen zu wahren,

_ Sämtliche Mächte, die bis zum 10, Januar 1925 in dem Genuß der

einseitigen Meistbegünstigung Deutschland gegenüber waren, hahen sich bemüht, mit Deutschland Handelsverträge abzuschließen. Das war der Tatbestand, der si ergab, als diese Ginengungen dieses Versailler Vertrages aufhörten,

Dann fei, so sagt Herr Mussolini, wie auf ein gegebenes Stich» wort hin eine antiitalienishe Kampagne begonnen worden. Ich sage in Ergänzung #dessen, was ih vorhin ausgeführt habe: Wem irgendwer an Herrn Mussolini dahin berichtet hat, daß die deutsche Presse- fampagne auf ein gegebenes Stichwort von obenhin eingeseßt hätte, so ist das, um mit den Worten des Herrn Mussolini selbst zu sprechen, eine dumme Lüge. Herr Mussolini nennt diese ganze Kampagne eine Zusammenstellung notorischer Lügen. Das ist sie nicht gewesen. Wir sind, wie ih erklärt habe, Vebertreibungen entgegengetreten. Aber der Tatbestand, wie stark die Politik gegenüber Südtirol fich geändert hat, konnte nicht der öffentlichen Meinung Deutschlands vershwiegen bleiben. Die Nachricht von der Entfernung des Denkmals Walthers von der Vogelweide mag unrichtig sein. Daß sie von italienischen Nationalisten gefordert worden ist, steht außer Zweifel. Herr Musso- lini hat mit wenig Wiß und viel Behagen Walther von der Vogel- weide zu ironisieren versuht. Dem Herzen des Volkes stehen nicht nur die großen Dichter und Denker nahe sondern vor allem die- jenigen, die mit ihm selbst gelebt und - gelitten und aus diesen Empfindungen heraus gedichtet und gesungen haben. (Lebhafte Zu- stimmung.) Nicht die Bedeutung des Dichters in der Weltliteratur, sonderu das Deutschtum Walthers von der Vogelweide zeuz davon, daß Bozen innerhalb der deutschen Kulturgemeinschaft liegt. (Lebs haftes Bravo!)

Herr Mussolini hat geglaubt, sih über deutsches Empfinden und auch über die deutsche Kultur selbst vor dex Welt lustig machen zu fönnen. Er hat seiner Abneigung gegen Deutschland, dessen Gastfreundlichkeit er einst selbst in Anspruch genommen hat,

ri

dadur Ausdruck gegeben, daß er von eïnem Mißbrauh der Gast- freundschaft durch deutshe Touristen sprach, die als pumitiv gefleidete Jndividuen durch die herrlichen Städte Jtaliens zögen. (Bewegung und Zurufe.) Fn dem gleichen Zusammenh«6png, in dem Herr Mussolini sich über den Mißbrauch der Gastfreundschaft durch primitiv gefkleidete Deutsche aussprach, hat er aber die stärksten Drohungen dagegen ausgesprochen, daß etwa ein Boykott gegen Jtalien durchgeführt würde, und davon gesprochen, daß er dann Repressalien in der dritten Potenz uns gegenüber ergreifen werde. (Zurufe links.) Fch habe hier niht noch einmal zu er- klären, daß die deutshe Regierung dem Boykott italienischer Waren und dem Boyfott der Reisen nah Jtalien fernsteht. Wenn die Zahl derjenigen Deutschen, die Jtalien in Zukuft als Touristen besuchen wollen, etwa sehr gering werden sollte, fo dürfte das nicht die Folge deutsher Maßnahmen, sondern in erster Linie die Folge der Rede des Herrn Mussolini sein. (Allseitize Zu- stimmung.)

Jch darf doch auch auf folgendes hinweisen. Wie seltsam flingen diese Worte über Mißbrauch der Gastfreundschaft, über die primitiv gefkleideten Deutschen, die durch die herrlihen Städte Jtaliéns zögen, an unser Ohr, wenn wir daran denken, daß gerade im vorigen Jahr Rom an die ganze Welt die Einladung hat ergehen lassen, dort das Heilige Jahr zu feiern. (Sehr richtig!) Man hat sih damals über jeden Pilgerzug gefreut, der nah Rom fam. Die Menschen, die dorthin gingen aus seelishen Gcünden, die anderen Menschen, die in Deutschland seit Jahrzehn:en das Gefühl hatten, in Jtalien das Land der Sonne mit threr Seele suhen zu wollen, sind gleihzeitig diejenigen gewesen, die die geistige Kultur Ftaliens in der Welt bekanntgemacht hahen. (Leb- hafte Zustimmung.) Es ist eine starke Undankbarkeit, zu difse- renzieren zwischen Menschen gefellshaftliher Zivilisation und Menschen geistiger Kultur, die vielleicht doch als Persönl.chkeiten höher zu werten sind, auch wenn sie primitiv gekleidet sein soliten. (Erneute lebhafte Zustimmung.) Jm übrigen weiß ih, duß Herr Mussolini nicht immer davon gesprochen hat, die deutsche Kultur {sei überwunden, daß er niht immer in dem Sinne Stellung genommen hat, wie ex es in dieser Rede getan hat. (Zurufe rets.) Er hat einmal in der Vorrede zu einem Buch von Deutchland gesprochen, und in diesen Darlegungen hat ex zum Ausdruck gebracht:

Wir wissen, daß das deutshe Volk noch kostbare Kräfte zivilisatorisher Mitarbeit, unendlihe Möglichkeiten des Fort- hritts und Wohlstands in sich birgt. Wir wissen, daß man Europa einen s{chlimmen Dienst erwiese, wenn man d1zu bei- trüge, Deutschlands Volksmassen in Verzweiflung und in Ruin hineinzuheten.

Das war im Jahre 1920. JFch glaube, es kag für Herrn Mussoklini feine Veranlassung vor, diese Auffassung über Deutichlands Stellung im Rahmen der Kulturvölker aufzugeben. Jch bm der Ansicht, daß diese Ausführungen auf mehr Verständnis stoßen werden als die aus der Erregung geborenen Säße feiner leßten Rede.

Zum Anlaß seiner Ausführungen hat der italienishe Minifter- prôsident die Rede genommen, die der bayerishe Ministerpräsident Held am Freitag im Bayerischen Landtag gehalten hat. Zunächst ist eines außerordentli seltsam. Die Nede des Herrn bayerischen Ministerpräsidenten wurde am Freitag gehalten. Die Antwort des Heirn Mussolini in Nom erfolgte am Sonnabend. Man hat fich alio niht cinmal die Vübe gegeben, ers den Wortlaut der Aus führungen des Herrn Held abzuwa1ten, fondern man hat eine inter- nationale Aktion großen Stils, die man noch ganz besonders als politische und diplomatiibe Aktion unter strih, auf den erften Nach- rihten aufgebaut, die wahrscheinlih über Zeitungsberihte oder auf Grund des Zuhörens im Bayerischen Landtag nah Nom gelangi fein müssen. Das, was der Herr Ministerpräsident Held ausgeführt hat, klingt doch im Zusammenhang sehr viel anders als die wenigen Säne, die Herr Mussolini zitierte Gewiß, auch der Herr Minister- prâsident Heid hat auf die Verhältnisse in Südtirol und auf das hingewieten, was Bayern, das ja Tirol besonders naheliegt, dabei empfindet. „Die Verhältnisse in Südtirol“, so hat er gesagt, „haben den Gegenstand heftiger Klagen und Anklagen und eines durchaus begreiflichen schweren Bedauerns aus der deutschen Seele herausgebildet.“ Dex Herc dbayeriihe Ministerpräsident Held hat in diesem Zusammen- hang davon ge\prochen, er bedauere sehr, zu leben, daß in Jtalien nicht überall der Geist der Bektriedung die Oberhand hätte, und er hat hinzuge)ügt, daß es sih dabei anscheinend um inoffizielle Kreile handte. Die Worte, die Herr Mussolini zitiert, von der Freiheit der Deut1chen an der „oberen Etsch“, wie es Herr Mussolini nennt, sind nah dem Worlaut ganz klar verständlich als der Wun! nah einer kulturellen Freiheit. (Sehr richtig!) Der bayerische Herr Ministerpräfident hat diesen Wunsch damit begründet, daß den Südtirolern feierlihe Ver- \prehungen gegeben worden seien, und hat den Verstoß gegen diese feierlichen Versprechungen beleuhtet. Jch bemerke dazu, daß der Herr bayeri1he Ministerpräjident in seinem Parlament erst geiprochen hat auf Grund von Anfragen aus dem Parlament. Er hat feinerfeits ebenfalls in den letzten Tagen vor dieier Nede die Presse vor Ueber- treibungen in bezug auf Südtirok gewarnt, und feine Warnung vor den Proyokateuren, die falsche Nachrichten und übertriebene Mit- teilungen sandten, ist in diejer Rede selbst enthalten

Fh darf dabei allerdings das eine erklären : mir erscheint es wünschenswert, daß auëwärtige Politik nur von den MReichsitellen und im Neichstag gemacht wird (stürmische Zustimmung in der Mitte und finks), und daß man nicht durch Antragen und SFnterpellationen die Minister der Länder in die Zwangelage bringt, über dieie Dinge si äußern zu jollen. Verantwortlich für die Reichspolitik ist jedenfalls nur die Reichsregierung. (Erneute Zustimmung links und in der Mitte.)

Meine Damen und Herren, Herr Mussolini hat nun in seinen Aus)ührungen von der heutigen Lage Italiens ge\prochen, und er hat davon mit einem großen Stolze, mit einem großen Selbst» bewußtsein geîprochen. Er sprach von den 952 Millionen JItalienern in der Welt, von denen 42 Millionen auf der fleinen Halbinsel wohnten, und ex syrach davon, daß dieses Italien der Gegentoart etwas anderes sei als das Italien der früheren „pittoreéken politischen Episode“. Ich will nicht darüber rechten darüber wird einmal die Geschichte entscheiden —, was in der italienischen Gutwicklung Epi)ore oder Epoche tein wird. (Sehr gut !) Aber gerade diele Aus1ührungen uber die Kraft des italieni\hen Volkes sind doch der aller beste Beweis tür die Unnöôtigkeit von irgendwelchen Nnteidrüctung8e

Man stellt nebenelnander dle 42 Millionen auf der eînen Seïte urid die 180000 Menschen auf der anteren Seite, und gerade Herr Mussolini spricht ja davon, hier sei diese kleine Minrerheit von Deutschen, in der Tschehoslowakei liege es ganz anders. Jch glaube, man fann doch das eine jagen : gerade eine fiarfe nationale Würde verträgt sich am beiten mit dem Ertragen fultureller Eigenart von Minderheiten. (Lebhafte Zustimmung.) Auf die Dauer wird man Völker fremden Blutes nur durch eine große und gerechte Politik an sich tesseln. (Sehr wahrt in der Mitie und links) Ein schwaches und ohomächtiges Jtalien könnte Schwäche und Ohnmacht zum Grund von Unterdrückung nehmen; das Jtalien des fatchistiihen Stolzes sollte von seinem Standpunkt aus am ehesten dèeutse Sprache und Schule in Südtirol ertragen fönnen. (Sehr richtig )

Meine Damen und Herren, wir werden ja selbst demnächst auch in Deutschland über diefe Fragen Entscheidung zu treffen haben. Wir telbft haben auch Minderheiten in Deutschland, und ih möchte tur meine Perion und für das von mir vertretene Amt das eine allerdings aus1prechen gerade gegenüber dem berechtigten Verlangen, daß wir tür deutsche Minderheiten im Auslande eintreten : wir können für deutsche Minderheiten im Auslande nur mit voller Neberzeugung und aus gutem Gewissen eintreten, wenn wir das was wir tür CTeutsche im Ausland verlangen, auch denienigen geben. die Minder- beiten in unserem deutihen Vaterlande darstellen | Lebhaftes Bravo !) Jch glaube, daß wir groß genug, national geeinigt genug sind, um mit denen tertig zu weiden, bei denen sickch etwa irgendwe!che Bestrebungen gegen Deutschland regen sollten (sehr rihtig!), daß es aber im übrigen unser Ziel sein muß, sie bei voller Bewahrung ihrer fulturellen Eigenarten zu deutihen Staatsbürgern, wenn auch fremden Bkutes, zu machen. (Lebhatte Zustimmung.)

Herr Mussolini hat nicht diese Folgerungen aus dieser Kraft Jtaliens gegenüber der fkleinen Minderheit in Tirol gezogen, fondern er hat statt dessen Drohungen gegen Deutschland ausgestoßen. Er hat von den Folgen gesprochen, die eintreten fönnten, wenn die deut)che Regierung die Verantwortung übernähme tür das, was in Deutschland geschehen fei oder in Deutichland viel leiht noch geschehen könne. (r hat in diejem Zusammenhange von dem weiteren Vortragen der Trifolore gesprochen, was ja nur bes deuten fann ein Vortragen über den Brenner hinaus, nahdem er eine Minute vorher die Brennergrenze als die von Gott unfehlbar gewollie Grenze erflärt hatte. (Sehr gut! und Heiterkeit ) Ich weiß nicht, was Herr Mussolini meint. Ich verstehe niht. worauf er anipielt, venn er von der Verantwortung der Meichéregierung Ür das spricht, was in Deutschland geschehen fei. Wenn er damit Aus lassungen der deutshen Presse meint. so bemerke ih / dem gegen- über, daß Deutschland nicht die Absicht hat, die in der deut}chen

Vertassung gewährleistete Preßfreiheit seinen Drohungen zus liebe zu ändern. Das Auesprehen derartiger Drohungen is entweder ein Frevel oder eine Lächerlichkeit (Zustimmung.)

Man hat dur die Friedensverträge von 1919 die Grenzen Europas verändert. Man hat Millionen deutsher Staatsbürger unter }remde Oberboheit gebracht : in vollem Gegenlag zu derx Free des Selbsts bestimmungsrechts der Völker (sehr gut !), das man fo ftolz als Grundjay im Kriege profklamiert hatte. (Lebhafte Zustimmung) Wir haben die dadurch ge1chaffene Lage resvektiert und haben in der Ér- füllung dessen, was ein unmenschlicher Friede uns auferlegt hat, mehr als irgend ein anderes Volk der Erde getan. Aber das Recht des deutschen Volkes, mit den in einem anderen Staate lebenden Menichen gleihen Blutes mitzuempfinden und zu fühlen, ift. ein Recht, das wir uns von niemand nehmen und bestreiten lassen. (Stürmischer Beifall.) Ein Einschreiten gegen derartige Bewegungen, die aus der Tiefe des deutshen Volkes herauswachien, lehne ih namens der deutschen Reichéregierung auf das entschiedenfte ab. (Erneuter Beifall.)

Das Vorgehen der deutschen Reichsregierung. das gestern in dem Beschluß des Reichskabinetts zum Auedruck kam, hat Kritik gefunden, Diese Kritik hat sih ja auch vorhin gezeigt. Gettatten Sie mir, dazu nur wenige Säße zu sagen! Man jagt gegenüber der Rede des Haun italieni1chen Ministerpräsidenten: „Das also ist der Geist des Völkerbundes!“ Man weist darauf hin, daß ein Zufall es gefügt hat, daß die Absendung der Note über das Eintieten Deut1chlands in den Völkerbund an demselben Tage erfolgte wie die Vei öffent- lihung dieser Rede. Ich habe vorhin ichon gelagt: ih ziehe daraus andere Folgerungen Gerade werin olche Tendenzen möglich sind, wie ße in Herrn Mussolinis Rede zum Ausdruck fommen, dann ift der Anschluß Deut)chlands an diejenigen Nationen um ]o notwendiger, die jeder Bedrohung des europäischen Friedens gemeiniem widerstehen. (Sehr richtig! in der Mitte und links. Lachen und Zuruke rechts.) Gerade wenn Untecdrücfungspolitik gegenüber Minderheiten die Gelamttendenz von Europa bestimmen sollte, dann ist- es notwendig, diejer Tendenz enigegenzutreten. Gerade wenn, wie es scheint, ein Streit entbrenni, weil andere Mächte \ich wegen Deut1chlands permanentem Siy im Völkerbundsrat benachteiligt glauben und ein ähnliches Verlangen auf Verüdfichtigung stellen. so eint mir das doch darauf hinzuweisen, daß wan Deutichlands fünttige Stellung im Völferbundsrat nit als einflußlos in der Welt betrachtet Ich fann deshalb auch aus der Haltung Mussolinis nicht. Gründe gegen unsere Außenpolitik entnehnu.en. Ich halte sie gerade angesichts dieser Ereignisse tür besonders gerechtfertigt.

Im übuigen hoffe ih, daß das italienishe Voll fic selbs der Worte Mussolinis des Inhabers der Regierungsgewalt, erinnern möge, der einst sieb:

Die italienish-deutschen Zwistigkeiten in der Géfchichte rührten stets mehr von Mißverständnissen, von Argwohn! und Geistes. zuständen her als von dex Unverträglichkeit der Interessen und tieten, leidenschaitlichen Gegensäge.

Wir haben keine Gegensäße mit dem italienischen Volk, wir wollen mit ibm wie mit allen Völkern in Fueden leben ; aber zur Grund- lage des Friedens gehört auch jene Selbstahtung, ohne die ein Volk vor si selbst und nah außen niht bestehen kann. (Lebhaîte Zus stimmung ) Aeußere Machtlosigkeit ist nicht gleihbedeutend mit dem Verlust innerer Kraft, wenn fie sih auf einen cinhbeitlihen nationalen Willen zu stüßen vermag (Sebr gut!)

In diesem Getühl weife ich und, wie ich glaube, in Ueber- einsflimmung mit dem deutschen Volke im Namen der Reichs regierung die gegen Deuischland gerichteten Drohungen und Angriffe mit aller Entschiedenheit zurück. (Stürmischer Beifall.)

Abg. Dr. Scholz (D. Bp.) g im Namen der Regierungs-

parteien folgende Erklärung a Nach den bishex bekannts- wordenen in- und ausländischen Zeitungsmeldungen hat dex

maßregeln gegen eine kleine Minderheit. (Zustimmung.)

j ftatienilhe Ministerpräsident Mussolini am 6. Februar über die