1926 / 35 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 11 Feb 1926 18:00:01 GMT) scan diff

Uebertreibung dieses Prinzips ven erstrebien Erfolg zu gefährden. (Zustimmung.) Es ift meiner Ueberzeugung nah unmögli, den Wiederaufbau unserer Wirtschaft durchzuführen, wenn wir außer den laufenden Lasten, deren Schwere uns schon zu erdrücken droht, auch noch einmalige Ausgaben durch Steuern aus der geshwächten Wirt- {haft herausholen. Wir müssen deshalb finanzpolitisch meiner Veberzeugung nah wieder dazu übergehen, zwischen dem ordentlichen und dem außerordentlichen Haushalt streng zu scheiden und Aus- gaben des Grtraordinariums, soweit solche überhaupt wirts\chaftlich gerechtfertigt sind, nicht mehr, wie bisher, durch Steuern und Ab- gaben, sondern dur Anleihen zu decken, wobei bei der infolge des nur langsam sih bildenden Sparkapitals bedingten geringen Auf- nahmefähigkeit des inländishen Marktes für Anleihen, die äußerste Beschränkung solcher Ausgaben selbfiverftändliche Pflicht ist. Wird dieses gesunde Prinzip der Finanzgebarung in ganz Deutschland wieder durchgeführt, so wird es in Verbindung mit \sparsamstex öffentlicher Wirtschaft meiner Ueberzeugung nach die deutsche Gesamt- belastung wieder tragbar machen können, wobei ich dahingestellt sein lasse, ob der notwendige Ausgleich zwischen Steuerbedürfnis und Steuerkraft durch ein Etatsgrundgeseß geregelt werden fann, das die Gesamtheit der öffentlichen Bedürfnisse i” dine bestimmte Höchst- grenze einfügt, oder ob die Grenzen der steuerlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen durch ein Grundgesetz geregelt werden könne. Alle diese Grwägungen werden bei dem bevorstehenden Finanzgusgleich berüsichtigt werden müssen,“ und wenn über den Weg, den Reich, Länder und Gemeinden dabei einzuschlagen haben, auch Meinungs- versciedenheiten bestehen werden, steht das Ziel, das erreicht merden muß, doch für alle fest: durch Meform der Verwaltung und Bes \{hränkung der Aufgaben und Ausgaben Anpassung der gesamten öffentlichen Lasten Deutschlands, soweit wir allein darüber zu be- stimmen haben, an die Steuerkraft unseres Volkes und unserer Wirtschaft.

Fch stehe nit an, zu sagen, daß meiner Uekerzeugung nach von der praktischen Lösung dieser Frage der Wiederaufbau unserer deutschen Wirtschaft und, da nur eine gesunde Wirtschaft gesunde öffentliche Finanzen auf die Dauer gewährleisten kann, au unser finanzielles Schicksal abhängt. Es wird deshalb mit dex durch unsere Notlage gebotenen Beschleunigung mit allex Gnergie an diese Aufgabe heran- gegangen werden müssen. Da aber troß aller Beschleunigung die Aus- wirkungen dieser Aklion erst allmählich eintreten können, erscheint es mix unmöglich, darauf zu warten: Die Not unserex Wirtschaft und unserer Erwerbslosen, die ja vor der ganzen Welt klar und offen zutage liegt, erfordert vielmehr sofortige Maßnahmen. (Sehr wahr!)

Nun liegen die Dinge, rein vom Standpunkt der Reichsfinangen aus betrachtet, im Augenblick so, daß die von Woche zu Woche sich verschlechternde Wirtschaftslage in Verbindung mit der zurüd- geaangenen Konsumfähigkeit der breiten Massen einen starken Nück- gang der Einnahmen der Steuern und anderen Abgaben gebracht hat, während auf der anderen Seite aus denselben Gründen ih er- innere nux an die Unterstüßung der Erwerbslosen und neuerdings die der Kurzarbeiter erhöhte Ausgaben geleistet werden müssen. Jch halte es aber für einen schweren Fehler, wenn wir diese Zeit des Tiefstands finanziell sozusagen als Normalzeit kbetrahten wollten (sehr gut! bei den Deutschen Demokraten) und, um die durch die Wirischaftsnot erforderlich gewordenen Mehrausgaben zu decken, die

Produzenten zum Konsumenten hängen bkeïben und dadur die von der Reichsregierung beabsichtige Wirkung nicht eintritt. (Sehr gut!) Das Jdeal der Beseitigung der Umsaßsteuer von den großen Welthandels8völkern erheben bekanntlih weder Englawd noch Amerika eine Umfaysteuer, und die anderen Länder, die fie erheben, können fie fast alle nur wegen des niedrigen Standes ihrer Valuta, die den ihädlichèn Folgen dieser brutalen Steuer entgegenwirkt, ertragen ih sage, das Jdeal einer Beseitigung der Umsaßsteuer für Deutschland ist leider bis auf weiteres im Hinblick auf die uns duxch den verlorenen Krieg uud die Dawes8§- Verpflichtungen auferlegten Lasten nit erreihbar, da ein Ersaß für den Ausfall nicht zu beschaffen ist, wir vielmehr, insbesondere wenn wir für die erhöhten Reparationsleistungen des Fahres 1927 und der kommenden Jahre Vorsorge schaffen woklen, unter den Say von 0,6 % nicht herabgehen können.

Die Reichsregierung wird mit aller Energie dafür sorgen, daß diese Senkung der Umsabsteuér fast auf die Hälfte ihrer jeßigen Höhe wirklich der Allgemeinheit den Nußen bringt, der allein den Ver- ziht auf die erheblichen dex Reichskasse daduvch verlorengehenden Einnahmen rechtfertigen kann. Gerade von diesem Punkte aus kann und muß der Preiéabbau gefördert werden, von dem unsere Wett- bewerbstätigkeit auf dem Weltmarkt ebenso abhängt wie die Be- sebung unserer Binnenwirschaft durch Steigerung der Konsumfähig»- keit der breiten Masse. Es i} dies meiner Ueberzeugung nach die einzig dauerhafte Hilfe, die wir weiten Schichten unseres Volkes, au unserer Beamtenschaft bringen können, wenn wix die Kaufkraft des Geldes und damit die Realgehälter und -lóhne allmählich er- höhen, anstatt wieder die suxchibare Preis\chraube in Aktion treten zu lassen, deren verheerenden Wirkungen wir in den hinter uns liegenden Jahren ja zu unserem maßlosen Elend alle am eigenen Leib zu spüren bekommen haben. (Sehr wahr!)

Neben die Senkung der allgemeinen Umsaßsteuer soll die Be- seitigung der erhöhten Umsabsteuer treten (Bravo! in der Mitte), die meiner Ueberzeugung nah überall dort schädlich gewirkt hat, wo sie eine Sondersteuer für deutshe Qualitätsarbeit und das ist ja bei dem heutigen Aufbau leider im starken Umfang der Fall bedeute. (Sehr guil) Sie soll deshalb für alle diese Fälle auf- gehoben werden und auf bestimmte scharf nnigrenzte Gruppen von Gegenständen, deren Erfassung yolkswirtiscaftlich und kulturpolitisch unbedenkli, ja sogar erwünscht ist, beschränkt bleiben, d, h. in erster Linie auf den Uebergang hochwertigen, nicht zur weiteren industriellen Bearbeitung bestimmten Materials ich erwähne als Beispiel Juwelen von einer Hand in die andere.

Drittens soll eine steuerliche Erleichterung bei wiris{afilid notwendigen Betviebszusammenschlüssen, wie sie in einer Meihe von Anträgen in diesem hohen Hause gefordert wird, stattfinden, d, h. also, die Fusionssteuer, die heute ja tatsächlich prohibitiv wirkt, soll auf ein angemessenes Maß herabgeseßt werden in Verbindung mit einer Erweiterung des sogenannten Schachtelprivilegs im Körperschasts- und Vermögenssteuergeseß. Die Notlage der deutshen Wirtschaft be- ruht, abgeseçen vom Kapitalmangel, nicht zum wenwsten auf dem großen niht voll genußten Sachapparat. Höhere Nutwirkung läßt sih vielfah dadur erreichen, daß Teile von Betrieben, denen gleiche Arbeit oder wirtschaftlich ineinandergreifende Arbeit obliegi, zu einem

Gemeinschaftswerk zusammengefaßt werden, das nun mit den über sämtliche Werke fließenden Aufträgen reichlicher beschäftigt werden

von allen Seiten zugegebene Ueberlastung der Wirtschaft aufrecht- erhalten oder gar erhöhen wollten; es wäre ein circulus vitiosus, der Volk und Wirtschaft zum BVerbluten bringen müßte (sehr wahr!), während jede wirtschaftliche Ueberlegung dafür spricht, den um- gekehrten Weg zu gehen und durch Erleichterung untragbarer Lasten den Gesundungsprozeß zu beschleunigen. (Sehr richtig!) Das war ja auch der Sinn der Atempause, die das Dawes-Gutachten uns zux inneren Grstarkung geten wollte. Die ausländischen Sachverständigen haben meiner Ansicht nah durchaus zutrefsend erkannt, daß eine zu starke Belastung in den Nebergangsjahren unsere finanzielle Leistangs- fähigkeit für die Zukunft ershüttern muß.

Diesem Ziel, unsere Wirtschaft erst innerlich kräftig werden zu lassen, diente ebenso die 800-Millionen-Anleihe wie die weitere Bes stimmung, daß io den exsten beiden Jahren die Aufbringung von 00 Millionen durch Veräußerung der Vorzugsaktien der Reichsbahn an die die Reichsregierung nicht denkt oder im Wege der inneren Anleihe erfolgen sollte.

Die augenblickliche Krisis zwingt uns dazu, diesen Gedanken- gängen mehr als Lisher zu folgen und den Ausgleich zwischen dem öffentlichen Ausgabebedarf und der Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht nur in der allmählichen Verminderung der staatlichen Ausgaben zu suchen, sondern ihn fofort unter Benuhung der augenblicklih vor» handenen Kassenmittel durch Senkung von Steuern, die produktions- verteuernd und damit produktionsShemmend wirken, zu bewirken. (Bravo!)

Die Reichsregierung hat \sich deshalb nah eingehender Prü- fung dieser meiner Ueberzeugung nach für unser Volk lebens- wichtigen Fragen auf meinen Vorschlag hin entschlossen, den geseß- gebenden Körperschaften in allexrnächstex Zeit ein Gesetz zugehen zu lassen, das in gradliniger Fortseyung der hon im Herst 1924 von dem jeßigen Herrn Reichskanzler als damaligen Finanz- minister eingeleiteten Maßnahmen, zum Zwecke der Herabdrückung des Preisniveaus und der Ueberwindung unserer Wirtschaftskrise folgende Steuererleihterungen enthalten wird.

Die wichtigste Herabsezung soll auf dem Gebiete der Umsaßÿ- steuer stattfinden, die am 1. April des Jahres auf 0,6 % gesenkt werden soll (Bravo!)

“J brauche hier niht anzuführen, wie gerade die Umsaß- steuer durch îhre gehäuste Wirkung die Preise nah oben treibt und dadurch sowohl die Lebenslage und die Konsumfähigkeit der breiten Massen wie die Konkurrenzfsähigkeit unserer Wirtschaft auf dem Weltmarkt aufs shwerste beeinträchtigt. Die Senkung der Umsaßsteuer von ihrem Höchststand von 214 % ist ja deshalb von meinen Amtsvorgängern s{hon planmäßig durchgeführt worden: Es is immer die Ueberzeugung der Regierung gewesen, die ih im vollen Umfang teile, daß ein dem Welthandel angeschlossenes und auf den Welthandel angewiesenes Volk eine allgemèine Umsay- . steuer von 1 % auf die Dauer nicht tragen fann. Pläne zur Ver- édelung der Umsaßsteuer, die geshwebt haben, scheinen mix außer- ordentlih s{chwierig durchführbar und mit Ungerechtigkeiten aller Art belastet. Die beste und allein Erfolg verbürgende Veredelung der Umsaßsteuer ist ihre Senkung. (Schr gut!) Wenn diese Senkung äber auf das Preisniveau einen Einfluß haben und da- durch der ganzen Bevölkerung zugute kommen soll, muß ein ent- \hiedener Schritt getan werden. Gerade bei dieser Steuerart zeigt:

kann. Die Durchführung einer solehen Rationalisierung der Betriebe erfordert Opfer; manche Selbstentsagung, niht zum wenigsten bei denen, die an leitenden Stellen der Werke stechen, und Opfer auch an bisher sorgsam und mit Stolz gehüteter wirtschaftlicher Selh- ständigkeit, die zu bringen die volkswirtschaftliche Notwendigkeit jeßt in der Zeit der Not häufig zwingt. Auch die Staatswirtschaft muß versuchen, Hemmungen zu beseitigen, die der Nationalkisierung von ihrer Seite entgegenstehen. Als solle Hemmung wird die gegen» wärtige Belastung empfunden. Kapitalverkehrssteuer, Grund- erwerbssteuer und Wertzuwachssteuer treffen bei der Durchführung der Maßnahme zusammen. Die Fusion ist mit 2% Kapitalverkehrs- steuer belastet. Hüerzu treten 3 % Grunderwerbssteuexr und unter Umständen noch Wertzuwachssteuern der Gemeinden. Bei der Er- rihtung von neuen Unternehmungen erhöht fih die Belastung da- dur, daß die Kapitalverkehrésteuer niht nux 2, sondern 4 % be- trägt. Hier sollen Erleichterungen geschaffen werden durch Halbierung der Steuersäße hei gleichzeitigem Fortfall der Wertzuwachssteuer. Dieselben steuerlichen Vorteile, die bei der echten Fusion bestehen, sollen auch dem anderen Fall der Schaffung eines Gemeinschaftswerkts zugute kommen, wenn dies gleichartige oder wirtsaftlich zusammen- gehörige Betriebe aufnimmt. Was dann noch an Härten verbleibt, kann im Stundungswege ausgeglichen werden.

Viertens sollen die Härten beseitigt werden, die durch die Häu- fung der Termine der Einkommen- und Vermögenssteuerzahlung im nächsten Etatsjahr auftreten werden. Grundsäßlih möchte ich hier darauf hinweisen, daß die meisten Klagen, die zurzeit noh über die zu starken Belästigungen unserer Steueranforderungen vorgebracht werden, ihrem Grund in ter Nebergangszeit haben. Jede Üebergangs- zeit bringt Unstimmigkeiten und Unbequemlichkeiten mit sich, und es ift eine besonders s{wierige Kunst, das allmählich verschwindende Steuerrecht und das an seine Stelle tretende sih so einander ab- lôsen zu lassen, daß keine Neberspannungen und Ueberlastungen vore- kommen. Das gilt in besonders hohem Maße in einer Zeit wirt- schaftlicher Not, wie der gegenwärtigen, wo solche Härten, die man in normalen Zeiten wohl hätte überwinden können, besonders stark drückend, ja unerträglih werden können. Die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer sind nah tem bisher noch geltenden Rechte nah Ablauf jeden Kalendervierteljahres fällig. Nach dem neuen Ein- fommensteuergeseß sollen die Vovrauszahlungstermine in der Mitte des Vierteljahres liegen. Das lehtere System löft das erste ab nah Zustellung des ersten neuen Einkommensteuerbescheides. Wird mm ein solcher Cinkommensteuerbescheid zugestellt, nachdem gerade eine Vorauszahlung am Schluß eines Vierteljahres geleistet is, und vor Mitte des laufenden Kalendervierteljahres, so können zwei Zahlungs- termine unmittelbar aufeinander folgen, und es können sih für das Kalenderjahr 1926 statt vier fünf Vorauszahlungstermine ergeben. Bei der s{chwierigen Lage der deutschen Wirtschafi wird es dem hier- durch betroffenen Steuerpflichtigen nicht zugemutet werden können, ein Jahr besonders zu belasten. Es scheint auh nicht zweckmäßig, hier lediglih im Verwaltungêwege duch Stundung zu helfen, man wird vielmehr eine grundsäßliche geseßliche Megelung vorziehen müssen. (Sehr gut!) ; j

Ich möchte die Gelegenheit, wo ich von Einkommensteuer und Körperschaftssteuer spreche, dazu benußen, um darauf hinzuweisen,

Uebergang8zeit zu rechnen ist. Man wirb zugeben müssen, daß die Finanzverwaltung vemuht gewesen ist, son bei den leßten Vorauss zahlungsterminen die Steuerzahlungen möglichst an den wirklichen Ertrag anzupassen. Sobald nunmehr etwa im zweiten Kalender- véerteljahr dieses Jahres die erste Einkommensteuerveranlagung zur Ausführung gekommen ist, gehört das Recht der Zweiten Steuer- notverordnung der Geschichte an.

Wir wevden also sehx bald und ih will all das meine zue Beschleunigung dieses Zustandes tun dazu kommen, daß der einzelne Steuerpflichtige wieder auf Grund eines wirklichen end- gültigen Steuerbescheides und nicht mehr in einem, wenn ih mich so ausdrücen darf, unübersihtlihen und in der Wirkung auch ungerechten Kontokorrentverfahren seine Steuerschuld an den Staat zu begleichen hat. (Sehr wahr!)

Achnlich wie bei der Einkommensteuer durch den Uebergang8- zustand eine Ueberlastung des Kalendexjahres 1926 eintreten kann, liegt es und damit komme ih zum fünsten Milderungsvorshlag bei der Vermögenssteuer. Die verhältnismäßig späte Verahs- {hiedung der Steuergeseye im Sommer vorigen. Jahres und die Durchführung des Bewertungägesehes haben zur Folge, daß zu- nächst noch die Vermögenssteuer 1925 nach dem Stande vom 31. Dezember 1924 veranlagt werden muß und nah Zustellung des Stenerbescheides zu zahlen ist, soweit sie nicht dur die zwei im Jahre 1925 gezahlten Vorauszahlungen gedeckt sein sollte. Es ist sodann auch noch in diesem Fahve die Vermögenssteuer 1926 nah dem Stande vom 31. Dezember 1929 zu veranlagen und teils durch Vorauszahlungen, teils nah Zustellung des Steuerbescheides zu entrichten. Hier muß eine Entlastung eintreten, zumal die Finangbehörden durch die doppelte Veranlagung der Vermögens steuer in einem Fahre mit dem ganzen damit verbundenen Bes wertungsgeshäft ganz außerordentli stark in Anspruch genommen sein würden, so daß die Befürchtung besteht, daß die übrigen wichtigen Aufgaben Not leiden. Es ift aber überaus wichtig, daß die ersten Veranlagungen nach den neuen Steuergeseßen so genau als möglich ausfallen, damit eine gute Grundlage füx die Zukunft gegeben ist. (Sehr vihtig! in der Mitte.) Ich halte es. für zwecks mäßig, die dichte Aufeinanderfolge zweier Vermögenssteuer- veranlagungen dadurch zu beseitigen, daß nur die erste Vers anlagung vorgenommen und so das Bewertungsgesey erstmalig in die Praxis überseßt wird, sodann aber die Vermögenssteuer 1926 ohne nochmalige dicht darauffolgende Bewertung und Ver- anlagung in der Form entrichtet wird, daß sie auf drei Viertel der Steuerschuld festgeseßt wird, die sich bei der Veranlagung 1925 ergeben wird. (Hört, hört! bei den Kommunisten.) Zu diesem Zwecll wird der Vorauszahlungstermin auf die Vermögenssteuer

am 15. Mai in Fortfall gebraht werden, was abgesehen von den \teuertechnishen Erwägungen wirtschaftlih aus zwei

Gründen gerechtfertigt und nötig erscheint: erstens weil bei der Extragslosigkeit eines großen Teiles dexr deutshen Vermögen im lezten Jahre die Steuer sowieso zum guten Teile aus der Sub- stanz gedeckt werden muß, und zweitens, weil die für den 31. Des zember 1924 festgestellten Vermögen man denke nur an die Ent- wicklung der Aktienkurse seit jener Zeit, die im Durchschnitt höhen liegen werden als bei einex Feststellung für den 31. Dezember 1925 zu erwarten wäre geringer ausfallen sollen.

Schließlih habe ih die Absicht, noch von der Möglichkeit, dur éine Verordnung die Börsenumsaßsteuer zu. senken, Gekt1auh zu machen, da ich der Ueberzeugung bin, daß eine gut und reibungslos funktionierende Börse für die Kapitalneubilduag und vor allem für die Zuführung flüssiger Summen an die Wnischast von größter Bedeutung ist. Ueber das Maß dèr Senkung [chweben zurzeit noch Verhandlungen, da, wenn die Maßnahme ihren wirts shaftlihen Zweck erfüllen soll, gleichzeitig erreicht werden myß, daß die Banken ihre Provisionssäge entsprechend der Steuers senkung, herabseyen. (Sehr richtig!)

Mit diesen Steuererleichterungen, die bis zur“ @ußersten Grenze dessen gehen, was ih als Finanzminister veran.worten kann, ohne an dem für mi selbstverständlihen Grundsay zu rütteln, daß ein Defizit-Etat unter allen Umständen vermieden werden muß, glaubt die Regierung auf finanzpolirishem Gebiete die Ueberwindung dex Wirtschaftskrise erleichtern und beschleunigen zu können. Dagegen erscheint es mix ebenso ein unmittelbares wirtshaftlihes Bedürfnis zu sein, daß wir mit einer überhasteten Geseßesmacherei auf steuerlichem Gebiete zunächst einmal Schluß machen ».nd deshalb an den im vorigen Sommer geshaffenen Grundlagen unseres Steuersystems nihts ändern, um ihre Be- währung abwarten zu können. Es ist zweifellos eine Forderung der Rechtssicherheit und der Berechenbarkeit wirtschaftlicher Maß- nahmen, daß, man an den systematischen Fragen angesihts des großen Gesezgebungswerks des vorigen Sommers nunmehr Gesektdisziplin übt, weil sonst zu befürchten steht, daß der Zustand der Gelegenheitsgeseumacherei und ' der ununterbrochenen Aende- rung und Umwälzung auf steuexlihem Gebiet sih wi.de-rholen könnte. Nur eine Aufgabe halte ich für unayfschiebbar und dringend: bei Gelegenheit der Neuordnung des Finanzausgleichs wird au an dem Fragenkompley der Realsteuern nicht varüber- gegangen werden können. (Sehx wahr! links.) Man muß sich darüber klar sein, daß jede Ueberschreitung der Grenzen äußerst?r Sparsamkeit, insbesondeve in den Gemeinden, gerade auf Koften dex Realsteuerpflihtigen geht, und daß sich damit die evrhofften Vorteile einer den Gemeinden genehmen Ausgahe volkswirtscha!t- lih in eine Hemmung der Produktion und eine Ershwerung der Wirtschaftserstarkung verwandeln. (Zustimmung.) Jch seße be- sondere Hoffnungen darauf und werde mit allex Energie auf das Ziel hinarbeiten, daß die Gewährung des. Zuschlagsrechts bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer an Länder und Gemeinden die Möglichkeit einer Minderung der Realsteuern mit si bringt. (Sehr gut! Rufe von den Kommunisten: Hört, hört !) Ohne eine solhe Milderung bleibt unser finanzielles Reformwerk wirts shaftspolitisch ein Torso.

Jm übrigen wird es mein ganz besonderes Bestreben fein, die Steuerveranlagung und die Steuererhebung soweit wie wöglih zu vereinfahen. Ein großer Teil des Unmuts, der in unserem Volk wegen der Steuerbelastung entstanden ist, richtet sih wenn man die Dinge genau nahprüft, nicht so sehr gegen die Belastung wie gegen die Belästigung (sehr richtig!), die gehäuften Termine und die unendlihe unproduktive Arbeit, die. für den Stêuers- pflichtigen mit der Steuererklärung und Abführung verbunden ist. (Sehx wahr!) JFch hoffe, daß es gelingt ih: werde bei der Einzelbesprehung des Etats des Reichsfinanzministeriums darauf

sich, daß zu geringe Senkungen leicht auf dem weiten Wege voin

daß im übrigen ja glücklicherweise sehr bald mit dem Ablauf der

noch zurüctkommen —, hier dur besondere Maßnahmen zu helfen,

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und wenn wir unserem Volke auch eine außerordenilich s{hwere Belastung nicht ersparen können, doch die Belästigung cuf ein Mindestmaßÿ zu verringern. (Sehr gut!)

In der Richtung dieses Wunsches liegen bereits ‘die Vorschläge, die ich Ihnen vorhin über die Gestaltung der Zahlungstermine ber Einkommensteuer und Vermögenssteuer machte. Ich werde auch be- müht sein, auf dem Gebiete der Lohnsteuex, entsprechend den aus- führlichen Ausfprachen über dieses Thema im Steuerausshuß dieses hohen Hauses, Vorschläge zur Vereinfachung zu unterbreiten. Es .ist Fein Zweifel, daß die Mißstände, die sih hier, insbesondere auf dem Gebiete des Erstattungsverfahrens, herausgestaltet haben, aecignet sind, das feste und bewährte Gefüge der Besteuerung des Arbeits- einkommens an der Quelle zu gefährden. (Sehr richtig! rets.)

Die Steuermilderungen, die ich im einzelnen aufgeführt habe, werden für das Rechnungsjahr 1926 \chätzungäweise einen Ginnahme- ausfall von 550 Millionen bringen. Wegen dieses Einnahmeausfalls wird eine Neugestaltung der Einnahmeseite des Haushalts notwendig werden, die im Falle der Annahme der Steuernovellen durch einen Ergänzungshaushalt vorgelegt werden wird. Der Münzgewinn von 133 Millionen, der nah dem Ihnen vorliegenden Entwurf zur Vers {tärkung der Betriebsmittel dienen sollte, wird in Ginnahme zu stellen sein. Außerdem können bei -dem Haushalt der Reichsschuld einige Mehreinnahmen und Minderausgaben verantwortet und entsprechend ausgebraht werden. Auf diese Weise würden etwa 180 Millionen gedeckt werden. Der Rest von 370 Millionen würde dadurch zu decken sein, daß

1. außerordentliche Ausgaben in dem finangpolitish vertretbavren

Umfange, von dem ich gesprochen habe, auf Anleihe genommen

werden, und daß

9. vorhandene Betriebsmittel als Einnahmen eingestellt und ver-

ausgabt werden, ein Verfahren, das allerdings nur dies eine

Mal noch anwendbar sein würde.

Nähere Ausführungen darüber mit genauen Unterlagen werde ih im Haushalts8auss{uß machen.

Unbedingte Vorausseßung aber der Steuererleichterungen, ins- besondere der aus volkswirtschaftlichen wie aus sozialen Gründen noî- wendigen Senkung der Umsaßsteuer, ist, daß die endgültige Verab- \chiedung des Haushalts für 1926 in der Cndsumme der Ausgaben feinen höheren, sondern möglichst durch Einsparungen einen geringeren Betrag als der Jhnen vorgelegte Entwurf aufweist, Ich richte deshalb die dringende Bitte an dieses hohe Haus, die Regierung in dem Bestreben, die Wirtschaftskrise zu überwinden, dadur zu unter- stüßen, daß Sie den Grundsaß festlegen, daß sür jede von Jhnen etwa zu beschließende Erhöhung eines Ausgabepostens die entsprechende Verminderung eines anderen stattfindet. Jch stehe niht an, zu sagen, daß ein großer Teil unserer jeßigen Notlage meiner Veberzeugung nach dadurch verursacht ist, daß überall in Deutschland Mehrausgaben auf einzelnen Gebieten beschlossen worden sind, ohne daß man dabei das Ganze im Auge behalten hat. (Lebhafte Zustimmung!) Auch wir werden meiner Ueberzeugung nah zu der in England befolgten Praxis kommen müssen, daß Erhöhungsbeschlüsse irgendeines Aus- \{chusses nur im Benehmen mit der Regierung gefaßt werden können (sehr richtig! rechts), und daß sie nux in Wirksamkeit treten können, wenn weitere Beschlüsse über eine entsprechende Einnahmenerhöhung vorliegen. Dies wird ein unumgängliher Grundsaß der Parlaments- praxis und des Budgetrechts werden müssen, der meiner Ueberzeugung nah auch geseßlih festgelegt werden muß, da die Steuersenkungen sonst ein untragbares Risiko in sich shließen würden, Im Zufammen- hang mit den Steuererleihterungen wird das hohe Haus deshalb zu dieser Frage Stellung nehmen müssen. i

Im Zusammenhang mit der Frage der Entlastung der deutschen

Wirtschaft durh eine wirklich wesentlihe Steuerverminderung steht die Frage, ob nicht ein gewisser Ersaß der Einnahmeausfälle auf einem anderen Gebiet mögli ist. Jch denke dabei an das Brannt- weinmonopol. Die Klagen darüber, daß das Branntweinmonopol bei seiner jeßigen Gestaltung und Geschäftsgebarung versagt hat, sind allgemein, (Zustimmung.) Wer das geltende Geseß aufmerksam durchliest, wird zu der Erkenntnis kommen, daß ein besseres Ergebnis nach diesem Geseß wohl kaum erwartet werden konnte. Ich bin der Ueberzeugung, daß es einer grundlegenden Aenderung hier bedarf. Man kann mit einem auf den Handel eingestellten Unternehmen kein Geld verdienen, wenn die Beschlußfassungen über die richtige Kalku- lation der Preisgestaltung in den Händen der Lieferanten und Ab- nehmer liegt (Zustimmung und große Heiterkeit), und wenn diese Preisgestaltung auch sonst durch geseßliche Vorschriften in stärkstem Umfang gehemmt ist. Jch kann namens der Reichsregierung an- Fündigen, daß demnächst ein Geseß zur Neugestaltung des Brafint- weinmonopols vorgelegt wird. (Sehr gut!) Ich hoffe, daß es dann, wenn auch nit selbstverständlich sofort, so doch in einer beschleunigten Entwicklung gelingen w“.èd, aus dem Branntweinmonopol größere Beträge. herauszuholen. Wenn der jetzige Haushalt nar mit 172 Millionen rehnet und nah sorgfältiger Ueberlegung auch nux renen kann, so muß das auch vom Standpunkt steuerlicher Gerechtig- keit aus außerordentlih bedenklih stimmen, wenn man etwa einen Vergleich mit der Belastung des Zuckers oder des Tabaks anstellt. (Sehr richtig!)

Jch möchte meine steuerlichen Betrachtungen damit schließen, daß ih noch hinweise auf den Entwurf eines Kraftfahrzeugsteuer- gesebes, der Ihnen demnächst zugehen wird und der dafür Sorge tragen soll, daß die Wegeunterhaltungspflichtigen instand geseßt werden, für eine Wiederherstellung und Modernisierung des deutschen Wegeneßes Sorge zu tragen.

Lassen Sie mich, bevor ih auf den Haushaltsplan selbst eingehe, j

ein Wort über die Währung sagen. Für die Stabilisierung der Mark war“ die Budgetsgleichgewichts die absolute Vorausseßung.

Wiederherstellung des Dieses Gleich-

gewicht wurde hergestellt, besteht und wird weiter bestehen. Wenn |

nach dieser Richtung hin, irgendwelche Gefahren bestünden, so wäre ih nit in der Lage gewesen, Ihnen heute irgendwelche Steuer= ermäßigungen anzukündigen. Die Steuerermäßigungen, die ih in Aussicht gestellt habe, werden das Gleichgewicht des Budgets nicht stóren. Ebenso is es vóllig ausgeschlossen, daß durch eine Vers mehrung der Umlaufsmittel über den wirtschaftlich begründeten Ve- darf hinaus eine Gefährdung" der Währung kommen könnte. Reichs- regierung und Reichsbank werden mit D richtslofester Energie alle Gefahren in dieser Hinsicht vermeiden. Angesichts dieses Tat- bestandes sind gelegentliche Aeußerungen, die deutsche Währung sei in Gefahr, Rückfälle in eine längst vergangene Machenschaften, die durch nichts begründet sind. (Lebhaftes Bravo.)

Wenn ih nunmehr auf , den Haushaltsplan, der Jhnen vor-

Zeit oder tendenziöse

fassen und von einer eïnzelnen Aufzählung des Ziffernwerkes, das Jhnen ja gedruckt vorliegt, absehen, zumal das Vortragen von Zahlen ja für den Hörer außerordentlich ermüdend ist (sehr richtig!) und der Haushaltsplan in seinen Vorbemerkungen eine jahliche Gruppierung der Summen bereits enthält.

Sie haben aus dem Etat ersehen, daß der Haushalt in Ein- nahmen und Ausgaben mit rund 74 Milliarden das Gleichgewicht hält, wobei nicht nur die inneren Kriegslasten und die Neparations- zahlungen, sondern auch die gesamtén einmaligen und außerordentlichen Ausgaben durch laufende Einnahmen gedeckt werden und lediglich 900 Millionen aus den UVeberschüssen des Jahres 1924 mit zur Deckung herangezogen sind. Ich habe \chon vorher bemerkt, daß, falls die von der Reichsregierung vorzuschlagenden Steuererleichte- rungen Jhre Zustimmung finden, ein Einnahmeausfall von etwa 550 Milliónen entsteht, zu dessen Deckung „außer den Muünz- gewinnen und außer anderen fleinen Posten Anleiheeinnahmen und Betriebsmittel verausgabt werden müssen. Es würden sich dann auf der Einnahmeseite die Steuern auf etwa 6,4 Milliarden er- mäß:gen, während es bei den Verwaltungseinnahmen von 192 Milk» lionen sein Bewenden haben würde.

Bei den Verwaltungseinnahmen sind neu eingeseßt 26 Millionen Reichsmark Dividende aus den 624 Millionen Vorzugsaktien der deutschen Reichsbahn, die auf Grund der Abkommen mit der Reichs- bahnverwaltung dem Reich ausgehändigt werden.

Im Haushalt des Reichspostministeriums sind als Eianahme neu eingestellt 20 Millionen Reichsmark aus dem Neinüberschuß der Neichspost. Die Reichspost hat einen solchen Betrag an die Neichs- kasse bisher nit geleistet, weil die Vorschriften des Postfinanz- geseßes über die Bildung einer Rücklage für die Reichspost nicht erfüllt waren. Eine Aenderung dieses Gesetzes ist dahin beabsichtigt, daß die Gesamthöhe der Rücklage herabgeseßt und der Zeitpunkt, von dem ab Uebershußbeträge in die Reichskasse fließen sollen, vor- gerüdi wird. Im Hinblick auf diese Aenderungen ist der Einnahme- ansalz vorgenommen worden.

Wenn die Post, wie es die Absicht des Herrn Reichspoftmimisters ist, dazu übergeht, Neuanlagen werbenden Charakters nichi mehr über Unkosten zu nehmen, fondern dur Anleihen zu deen das meiner Ansicht nah allein wirtschaftlich berechtigte Prinzip werden für die Zukunft auch die Sinnahmen aus der Reichspost, die ja in der vor- läufig angeseßten Höhe nur eine sehr geringe. Verzinsung des in- vestierten Kapitals darstellen, allmählich zur Entlastung des Reichs» haushalts gesteigert werden fönnen. (Sehr richtig!)

Ueber die Einnahmeschäßungen der verschiedenen Steuerarten werde ih im Ausschuß eingehend Auskunft erteilen. Sie sind unter Berücksichtigung unserer Wirtschaftslage vorsichtig, aber meiner Ueber» zeugung nach durchaus nit zu vorsichtig oingeseßt, und es wird lediglih von der Entwilung unserer Wirtschaft, die im Aucenblick ja niemand übersehen kann, abhängen, ob die Schäßungen in ihrer Gesamtheit erreiht werden. Jedenfalls liegen Reserven für das laufende Etatjahr in den Steuereinnahmeschäßungen, zum mindesten, wenn man an den Zustand unserer Wirtschaft denkt, meiner Ueber- zeugung nah nit.

Ih komme nun zu der Ausgabenseite des Ihnen vorliegenden Etats. In der Oeffentlichkeit pflegt ein Verglei) gezogen zu werden zwischen dem Staatsbedars des Reiches im Jahre 1913 und dem jetzigen Staatsbedarf. Die Neichsfinanzverwaltung hat durch einen Beamten des Statistischen Neichsamts Uebersichten ausarbeiten lassen, in denen die Ausgaben und Euinahmen des Neiches nach der. Rech- nung für 1913 und dem Voranschlag für 1926 sachlich nad ihren Verwendungszweckten und Einnahmearten gegliedert sind. Jch werde bei der Beratung des Haushalts im Haushaltsaus\chuß diese ver- gleichenden Uebersichten vorlegen. Es ist hierbei versucht worden, alle Posten, die nicht dem Reiche, sondern Dritien zur Last fallen, aus- zuscheiten und die Bruttozahlen sowach von allen Neberwetsungen durchlaufenden Posten und etatstechnisden Doppelbuchungen zu be- reinigen. Diese bereintgten Bruttozahlen ergeben für 1913 3605, für 1926 4942 Millionen Neich3mark, die Ausgaben des Jahres 1926 sind sonach um 1337 Millionen Reichsmark höher veranschlagt, als die Ausgaben nach der Rechnung des Fahres 1913.

Um den eigentlihen Staatsbedarf darzustellen, war es not» wendig, die bei den Betriebsverwaltungen erwachsenen Bouttoaus- ausgaben von den Gesamtausgaben abzusehen. Der so errechnete Staatsbedarf beläuft si für 1913 auf 2672, für 1926, da hier die Betriebsverwaltungen nux mit ihrem Nettoübershuß bei den Ein- nahmen erscheinèn, auf 4942 Millionen Reichômark. Die Steige- rung der Ausgaben gegenüber 1913 beträgt also 2270 Millionen oder rund 8 vom Hundert. (Hört, hört) Dieser Mehrbedarf erklärt sih in erster Linie durch die unmittelbaren Ausgaben infolge des Krieges und der Besaßung, die allein einen Aufwand von 2422 Mil- lionen Reîtthsmark oder 49 vom Hundert der Gesamtausgaben für si beanspruchen. (Hört, hört! links.) Diese Ausgaben sehen sich

Kriegsbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge mit 1432 Millionen, den inneren Kriegslasten mit 298 Millionen, den 600 Millionen Reparationslasten und den sonstigen unmittelbaren Ausgaben infolge des Krieges und der Besaßung im Beitrage von 32 Millionen Reichs mark. Dagegen hatte im Jahre 1913 das Reich nux 70 Millionen Reichsmark als Fürsorge für Kriegöbeschädigte und Kriegshinter« bliebene aufzubringen. Seht man in beiden Jahren diese Kriegs- ausgaben ab, so stellt sich der gesamte Staatsbedarf 1913 auf 2602 Millior:zn, 1926 auf 9519 Millionen. (Hört, hôrt! links.) Der

hiernach verbleibende Ausgabenbedarf ist 1926 also noch etwas geringer als 1913. Innerhalb dieses Ausgabenbedarfs. haben nun große Ver- schiebungen gegenüber der Vorkriegszeit stattgefunden. Die “größte Verminderung gegenüber 1913 weisen die Ausgaben füx Heex und Marine um 1320 Mill. Reichsmark auf. Dem stehen als Erhöhungen gegenüber der Zuschuß des Reiches zu den Kosten dexr Schuypolizei im Beträge von 190 Mill, Reich8mark, Mehr- qusgaben für Zivilpensionen und Beamtenunterstüßungen in Höhe von 107 Mill. Reichsmark, Mehrausgaben für soziale Zwecke im Betrage von 330 Mill. und der Mehraufwand bei der Schuldenverwaltung infolge der Ablösung der Markanleihen inm Hohe von 73 Mill. Nach Abzug dieser Ausgaben, deren Höhe im wesent. lichen duxch Folgen des Krieges bedingt ist, bleibt der Etat füx 1926 noch mit 1167 Mill Reichsmark belastet gegenüber 1913 mit einem Mehrbetrage von 867 Mill. Diese Mehrbelastung hat ihre Ursache in dem Uebergang der Zoll- und Steuerverwaltung auf das Reich, die allein eine Mehrbelastung von 311 Mill. brachte, und in der Uebernahme der Wasserstraßenverwaltung von den Ländecn auf das Reich, aus der dem Reich ein Mehraufwand von

| Reparationsjahres.

| bis 1. Februar 1928 fällig werden,

zusammen aus den Militärversorgungsgebührnissen einschließlich der |

Sie ersehen aus diesem Ueberblick, daß, soweil die Reichsverwaltung in Betracht kommt, der Vorwurf einer allzu vershwenderischen Steigerung der Ausgaben gegenüber 1913 nit berechtigt ist. Troydem ist meiner Ueberzeugung nach unsere Notlage so, daß weitere Einschränkungen durch Ver- wastungsvereinfahung und Ersxarnis sahlicher Ausgaben eine unbedingte Notwendigkeit ist, und ich werde alle meine Kraft darauf verwenden, im Etat für 1927 falls ich die Ehre haben sollte, Ihnen auch diesen Etat vorzulegen (große Heiterkeit) diese Ausgaben noch um eine wesentlihe Summe zu vermindern, Bei den einzelnen Ausgaben möchte ich die Reparation8- zahlungen an die Spiye ftellen. Bei den Reparationszahlungen ist zu berüsichtigen, daß das Reparationsjahr vom September des einen bis Ende August des nächsten Jahres läuft, sih also mit dem Etatsjahr niht deckt. Jn das Rechnungsjahr 1926 fallen fünf Zwölftel des zweiten und fieben Zwölftel des dritten An Haushaktszahlungen sind 454,2 Millionen Reichsmark zu leisten. Weitex hat das Reich nach den Londoner Abmachungen, wenn das Aufkommen aus den ver-

| pfändeten Einnahmen im dritten Reparationsjahre 1 Milliarde

übersteigt, ‘4 des -Mehrertrages bis zum Höchstbetrage von 250 Mill. als zusäßliche Haushaltszahlung an den General« agenten zu leisten. (Abgeordneter Dr. Dernburg: Das haben wir uns felber eingebrockt!) Da im dritten Reparationsjahre das Aufkommen aus den verpfändeten Einnahmen den Betrag von 1750 Mill. RM. yvermutlich übersteigen wird, so is für dieses Jahr mit einer Zusayzahlung von 2950 Mill. zu

| rechnen. (Hört, hört! linfs.) Auf das Etatsjahr 1926 entfallen hiervon ?/2 = 145,8 Mill. RM., die aller- dings ex in vier Monatsraten vom 1. November 1927

aber der Vorsicht halbex schon in diesem Etat pro- rata temporis in Ausgabe gestellt worden sind.

Daß diese Ausgaben für ein Volk, das nit nur die inneren Lasten des verlorenen Krieges tragen muß, sondern auch durch die Fortnahme seines im Ausland angelegten Vermögens und der anderen infolge des Friedenévertrages verlorenen Sachwerte und Kapitalien unendlih {wer sind, bedarf ia keiner Beweisführung: auch in der Weltöffentlichkeit besteht darüber nit der geringste Zweitel. Es steht ebenso tür alle Sachverständigen teft, daß die vorangegangenen

| Kapitalentziehungen dur den Vertrag von Versailles die Wirt)\cha!t8s

frise. in der wir jeyt stehen, außerordentlich verschärft hat. (Sehr

richtig!) Aber bei der Betrachtung dieser Sachlage darf nicht über-

sehen werden, daß, io sehr die Maßnahmen unserer ehemaligen Femde

vor dem Londoner Abkommen unlere Wirtschaft geschwächt haben,

doch jeit dem Bestehen des Londoner Abkommens wenigstens zunächst

eine gewisse Erleichterung eingetreten ist, zumal wähtend des erften

Jahres also vom 1. September 1924 bis 31. August 1925 die

dem NReichsbaushalt obliegenden Lasten vollständig dunch den Erlös

der 800 - Millionen - Anleibe gedeckt worden sind Erst seit dieser

Zeit wärd an den Generalagenten für Neparation8zäblungen

monatli das Autkommen der Verkehrssteuer und die ans

teilige Hauéhaltsbelastung abgeführt; im ganzen handelt es

sich in den fünf Monaten eit dem 1. September 1929

um einen Betrag von rund 230 Millionen. Auch unter Perüds

sichtiguna des Umstandes. daß daneben die Reichébahn eine monatliche

Zahlung von annähernd 50 Millionen zu leisten hatte, scheint es mir nit unbedingt gerechtfertigt die Zuspitzung unserer wirtichaîts lichen Verhältnisse auf diese bisherigen Auswirkungen des Londotier Abkommens ursächlich zuarücfzuführen (Sehr richtig! links. Wider- spruch rechts )

Welche Folgen der Verlauf diejer Wirtschaitskrise auf Deutsch» land als Träger der Last des Londoner Abkommens haben wird, läßt h heute noch mckcht übersehen. Aber in all den Schwierigkeiten, mik denen wir heute ur fämyten haben, darf man nicht über\ehen. daß dur das Londoner Abkommen die Weiterbehandkung des Reparationss problems aus dem Gebiete des politisGen Kamvytes in die Sphäre dec sachlichen Verhandlungen versezt worden ist. (Sehr wahr! in der Mitte.) Daß das so bleibt, liegt im dringenden Gefamtinteresse der deutshen Nation und der ganzen Welt, dem nicht gedient wird, wenn Angriffe auf den Sadbverständigenplan eine leidenscha\tlih zugespizte Form annebanen. Ie sochlicher das Reparationéproblem von uns behandelt wird defto eber dürfen wir auch von auéländiscer Seite eine gleiche Behand» lung der Reparationsangelegenheit und ein Verständnis für die schwere Lage des deutsche Volkes erwarten. (Sehr gut ! bei den Negierungéparteien )

Nur wenn unsere Wirtschaft nicht purch Ueber!laftung erdrofselt

| wird, tondern erstarkt und das ift ja das Ziel der von der Reich&s

‘Maßnahmen auf dem Gebiet der Sparfamteit und der Steuererleihterungen —, wird die Tragung hoher Lasten | jür Deutschland überhaupt möglich fein Wenn das deutsche Volk die außerordentlichen Anforderungen des Sachverständigenvlanes und die damit verbunvdenen, für das Selbsthewußtsein einer großen Nation {wer tragbaren Einschränkungen kemer Souveränität mit einem großen Entschluß auf fich genommen hat, 1o ist das geschehen, um bis zur äußersten Grenze unserer Kraft für die Generation, die nach uns kommt, die Möglichkeit freien Schäffens wieder herzustellen, von der die Zukunft unseres Volkes abhängt Die inneren Kriegslasten sind in den Etat mit 298 Millionen eingestellt, von denen 228 auf den ordentlichen, 70 Millionen auf den außerordentlichen Etat als leßte Rate tür die in Neparationsangelegen- beiten früher ausgegebenen E-Schayßzanmweisungen entfallen Unter den Ausgaben des ordentlichen Haushalts |pielen noch immer die Zahlungen an die dinh Kriegs- und Liquidationemaßnahmen gescädigten Reichsdeutschen eine wesentliche Rolle. Aus den Uebezrichüssen des Jahres 1924 war ein Betrag von 270 Millionen RKM zur Ent- schädigung dieser besonders s{wer getroffenen Opfer des Krieges zur Verfügung gestellt worden. Dieser Vetrag wird an die Ge|chäd'gten | nah Maßgabe der vom Reichêtag gebilligten Nachent|chädigungs- und Wiederau! baudarlehnérichtlinien auegetchüttet. Angesichts der Höbe der Schäden, der großen Zahl der Geschädigten und auch der in diesem Jahre nen hinzugetretenen Fälle reicht dieser Betrag nicht aus, um alle Geschädigten nach diesen Michtlinien abzufîndèn. Es sind daher in den Etat filr 1925 und in den Etat für 1926 je weitere 60 Millionen Neichëmark für EGntfchädigung diefer Reichsdeut)Gen eingeseßt worden. Der Gesamtbetrag, der nach den Berechnungen des Neichéent\chädigungéaintes auf Grund des Kriegss s{hädengesezes und den genawnten Richtlinien. an dieie Ges \hädigten gezahlt is und noch zur Ausschüttung gélangt beträgt

regierung geplanten

liegt, selbst eingche, so werde ¡ih mich dabei so burz wie möglich

163 Mill, Reichsmark exwachsen ist.

unter Hinzurechnung der für 1926 neu zu bewilligenden 0 Millionen

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