1926 / 42 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 19 Feb 1926 18:00:01 GMT) scan diff

pellationen haben nach den vorliegenden Stenogrammen fol-

genden Wortlaut: : Meine Damen und Herren! Jh möchte zunächst auf die von

Frau Dr. Lüders vorgetragenen Fälle eingehen, namentlich den von ihr zunächst berührten Fall, der ja auch zum Gegenstand ‘etner be- sonderen Interpellation von ihr gemacht worden ist. Jch habe dazu folgendes zu bemerken. Frau Dr. Lüders hat ja den Sachverhalt

vorgetragen. Jh weiß allerdings niht, ob niht ein Verhören meinerseits oder ein Irrtum von Frau Dr. Lüders vorliegt. Soweit

ich unterrichtet bin, ist die Begründung, die sie vorgetragen hat, nicht vom Gericht als Begründung für die Entscheidung des Gerichts ausgegangen, sondern es ift die Begründung des Rechtsanwalts für seine Ablehnung. (Abgeordnete Dr. Lüders: Ja, die des Rechts- anwalts!) Das wollte ich nur feststellen. Also das Gericht hat nicht die Begründung vorgetragen, sondern der Anwalt hat zur Be- gründung seiner Ablehnung die Gründe vorgeführt, die Frau Dr. Lüders vorgetragen hat.

Nun möchte ih sagen: sahlich kann ich mich der Entscheidung des Herrn preußischen Justizministers- nur durchaus anschließen. Es handelt sih um einen Einzelfall. Jh stehe aber gar nicht an, auch hier die grundsäßlihe Stellung des Neichsjustizministeriums mitzuteilen. Wir stehen grundsäßlih auf dem Standpunkt, daß, da nun einmal das Geseß die Mitwirkung der Frauen in der Straf- rechtépflege vorsieht, selbstverständlih auch das Recht der Frau be- steht, an allen Prozessen teilzunehmen, und ein Ablehnungsrecht gegenüber der Frau nicht mit Nücksicht auf den Charakter des Pro- zesses begründet werden kann. Es liegt durhaus im Sinne des Ge-

seßes, daß auch in solhen Verhandlungen, in denen Verleßung des sitilichen Empfindens zu besorgen ist, der Einfluß der Frau auf die

MRechtsprehung durchaus gewahrt werden muß, und ich bin der Meinung, daß unter Umständen, ganz abgesehen von dem vorliegenden Fall, der nah den mix gewordenen Mitteilungen in den vorliegenden Drucksachen eine ungeheuerlihe Schlammflut von Shmuß zum Vor- trag bringen mußte, ein Empfinden, namentlich ein weibliches (Empfinden, durch die Teilnahme an einer Verhandlung außerordent- lih shwer leiden kann. Die zugezogene Schöffin hat ja auch selbst unter Anerkennung der Tatsache sich selbst für befangen erklärt, war also froh, daß sie aus dieser Sache herauskam.

(Ss Tommt aber hier auf die grundsäßlihe Auffassung der Sache an, und ih glaube, daß ih durhaus mit Frau Dr. Lüders darin übereinstimme. Jch stehe auch nicht an, zu sagen, daß ih unter Um- ständen gerade in der Mitwirkung von Frauen in Sittlichkeits- prozessen geradezu einen Vorteil für die Rechtspflege und nicht eben einen Nachteil sehe.

Nun will ih die Gelegenheit benußen, um auf eine Reihe von Fragen einzugehen, die von den lebten Herren Vorrednern berührt worden sind. Ich war leider durch eine wichtige andere Besprehung abberufen und kTounte nicht an der Stelle zu Worte kommen, wo ih es zunächst beabsichtigte.

Ich muß zunächst den Herrn Abgeordneten Dr. Heuß bitten, mit der Beantwortung der von ihm begründeten Interpellation noch kurze Zeit zu warten. Ich höre, daß von anderer Seite eine Be- gründung der weiteren mit dem Etat verbundenen Interpellation in der Sache Tirpiß beabsichtigt ift, will die Beantwortung also so lange hinausscieben.

Jch möchte zunächst den Herren Kollegen Hampe und Cmminger meinen Dank für die freundlihe Anerkennung der Verdienste der Mitarbeiter aussprechen, die zurzeit im Neichsjustizministerium mir zur Seite stehen. Jch glaube, die Herren sind durhaus der Wahr- heit gerecht geworden, denn von diesen Mitarbeitern ist ein außer- ordentlihes Maß an Arbeit und Pflichterfüllung in den leßten Jahren geleistet worden. Jch kann mi als um so unparteiischer detrahten, als ih selbft erst seit kurzer Zeit an dieser Stelle stehe, aber immer die großen Verdienste des Neichsjustizministeriums an- erkannt habe. Es ist ein Ministerium, das mit hohen Staats aufgaben betraut ist, mit den großen Gesebgebungen auf dem Gebiete des Straf- und des Zivilprozesses. Jch habe in der mir eigentüm- lichen Weise bei der Begrüßung der Beamten des Justizministeriums gesagt, daß ih stets gerade vor diesem eiwas finster geratenen Ge- bäude in der Voßstraße eine besonders hohe Achtung gehabt habe, daß ih in diesem auch sonst von den Sklürmen und Wogen der Außenwelt nur wenig berührten Haus nux eine unruhige Stelle sehe, und das is der Minister. (Heiterkeit) Das ist der einzige, der Unruhe in dieses Gebäude bringt. Das bringt aber unsere Zeit so mit sich.

Jch schließe mich auch durchaus dem Dank an, den. der Herr Kollege Emminger den österreichishen Justizbeamten für ihre rege und fruchtbringende Mitwirkung an dem Entwurf des Strasgeseß- buchs ausgesprochen hat. Jch glaube, daß diese Zusammenwirkung gute Früchte getragen hat. Von den Herren des MNReichsjustiz- ministeriums, die an der Ausarbeitung des neuen (Sniwurfs beteiligt maren, ist mir mitgeteilt worden, daß gerade auh die an der Be- ratung beteiligten österreihishen Herren sich durch ein außerordents liches Maß an Kenntnissen und durch eine hohe Auffassung von den Zielen der Gesehgebung ausgezeichnet hätten.

Nun sind hier eine Reihe von Einzelfragen vorgetragen worden. Jch werde mih bemühen, auf die wichtigsten davon einzugehen. Zunächst ist nah den Erfahrungen gefragt worden, die mit dem Güteverfahren gemacht worden sind. Jch erinnere mich noch sehr wohl, wie groß die Aufmerksamkeit und das Aufsehen waren, als dieser Gedanke ih glaube, im Jahre 1919/20 zuerst in der Literatur auftrat, Jn weitesten Kreisen is dieser neue Gedanke mit großer Freude aufgenommen worden. Nun wird gefragt, wie denn die Erfahrungen in der Praxis ausgefallen sind. Es hat sih zweifellos herausgestellt, daß in Einzelheiten, in Einzelfällen der erwartete Erfolg nicht eingetreten ist. Das mag aber vielleicht in Gründen seine Ursache haben, die nah Ablauf einer Uebergangszeit wegfallen werden. Namentlih wird bemängelt, daß vor der Ein- leitung des Verfahrens {hon ein Gebührenvorschuß zu leisten ist und daß dann bei der Uehberleitung in das gewöhnliche Prozeß- verfahren ein weiterer Vorschuß zu zahlen ist. Jn Nichterkreisen hat das Güteverfahren . bisher in weitem Umfange Zustimmung

gefunden. Von uns wird die Sache aber weiter im Auge behalten werden. Jch glaube, daß zurzeit ein abschließendes Urteil über den

Wert und die Bedeutung des Güteverfahrens noch niht abgegeben werden kann, sche aber auch keinen Anlaß, dieses Verfahren mit dem Pessimismus zu beurteilen, der jeßt leider vielfah zutage tritt. Jedenfalls -werden wir uns darauf einrichten, die Frage so weit vorzubereiten, daß bei der allgemeinen Reform der Zivilprozeß- ordnung auch über dieses Verfahren entschieden werden kann. Bis

dahin werden sch die Erfahrungen weiter verdihtet haben, so daß dann eine zuverlässige Schlußfolgerung mögli sein wird.

Der Herr Kollege Emminger hat dann nah der Auffassung des Jusftizministeriuums übec die Frage des Gefellschaftskapitals bei Ge- sellschaften mit beschränkter Hastung gefragt. Die wirscafilichen Verbände haben die Erhöhung auf 2% 000“ Mark verlangt. Die Sache unterliegt zurzeit der Prüfung im Justizministeriuum. Zu einec Entscheidung is die Sache noch nicht gekommen. Es wird aber in nicht allzu ferner Zeit wohl in der Sache eine weitere Ent- scheidung zu gewärtigen sein.

Die Einseßung eines Gerichtshofs zur Entscheidung über tie Verfassungsmäßigkeit eines Geseßes wird demnächst zu erwarten sein. Ein Entwurf ist bereits dem Kabinett zugeleitet werden, so daß die Stellungnahme des Kabinetts in absehbarer Zeit er- folgen wird. «r

Herr Kollege Emminger hat dann ferner eine Prüfung der Frage verlangt, ob die Vorauszahlung der Gerichtskosten in der bis- herigen Weise beibehalten werden soll. Hier kann ih eine Aende- rung der bestehenden Gefeßgebung zurgeit niht in Aussicht stellen. Die Erfahrungen haben erwiesen, daß dieser Weg beibehalten werden muß; wenn nicht die Staatskasse ganz außerordentlihe Ausfälle er- leiden und zweitens nicht auch noch die Vermehrung des Personals in erheblicem Umfange nötig werden soll. Die angestellten Unter- suchungen haben ergeben, daß bei Abschaffung der Vorauszahlungen vielleicht nur 40 % der Gerichtskosten einkommen würden, und daß bei der Zersplitterung der Arbeitskräfte eine ganz erhebliche Ver- mehrung der Beamten, die mit der Erhebung der Gerichtskosten zu tun haben, notwendig wäre.

Bon dem Herrn Kollegen Hampe ift dann gefragt worden, wie es mit den Wucherbestimmungen der Preistreibereiverordnung stehe. Darauf bezog sich wchl seine Frage, wenn ih ihn recht verstanden habe. Wir haben die Länder ersucht, wie ih {on tm Aus\{uß ertlärt habe, in möglichst weitem Umfange Begnadigungen eintreten zu lassen. Die Frage untersteht der Zuständigkeit der Länder, Jch glaube uh, daß nah den uns gewordenen Berichten tatsächlich in erheblichem Maße Begmadigungen durh die Länder in zutreffenden Fällen erfolgt sind.

Frau Dr. Lüders haet dann Klage darüber geführt, taß in ein- zelnen Prozessen die Vernehmung von Kindern in einer Weise er- folgt sei, die dem allgemeinen Empfinden vielleihti nicht ganz ent- spricht, Die Gerichte befinden sih leider in dieser Beziehung in einer Zwangslage, weil nach den bekannten Entscheitungea des Reichsgerichts die Beweise so erhoben werden müssen, wie sie von den Prozeßbeteiligten angeboten. Das Gericht seßt sih nur einer Nemedur in anderen Instanzen aus, wenn die BVeweiserhebung hier in erhebliher Weise abgeshnitten wird. (Zuruf links: Damals nicht!) Jch glaube, daß sih diefer Prozeß nah dem Erlaß der neuen Bestimmungen abgespielt hat.

Was den Strafvollzug gegew Mütter mit kleinen Kindern an- geht, so erachte ih die bestehenden Bestimmungen hierfür aus- reichend. Die Strafprozeßordnung sieht vor, daß Anträgen auf Auósehaung der Strafvollstreckung Folge gegeben werden soll, wenn die sofortige Strafvollstreckung dem Verurteilten oder seiner Familie erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile zufügen würde.

Dem Verlangen, daß nun die Frage dex Aufrerlung der Unter- haltêsrenten für unehelihe Kinder vorweg entschieden werden fol, durfen wir micht stattgeben. Der Entwurf, der sich mit ten schwierigen Preblemen, die überhaupt mit der Frage des unehelichen Kindes verbunden find und sich auch mit dieser Frage befaßt, liegt dem Neichsrat vor. Es kann unmöglih ein Abschnitt aus diesem Entwurf herauêgeshnitten werten. Es wird dafür gesorgt werden, daß dieser Entwurf nicht allzu lange auf Erledigung harrt.

Ich muß dann noch mit einigen Worten auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Haas eingehen.

Bezüglich des Kollegen Dr. Frik möchte ih bitten, versichert zu sein, daß auf seine Ausführungen gründlih eingegangen werden wird. Wir werden die einzelnen Fragen *— er hat ein großes Material vorgeiragew einer näheren Prüfung unterziehen und die von ihm vorgetragenen Anregungen nah Möglichkeit berücksichtigen. Der Herr Kollege Haas hat in durchaus zuläfsiger Weise eime Kritik an der Nechtsprehung geübt, Jch stimme durchaus den Nednern zu, die sagen, die Nichter müssen sih eine Kritik? ihrer Haliwung, ihrer Nechtsprechung gefallen lassen. Das ift durchaus richtig, und gerade der Neichôtag ist auch die Sielle, wo am besten und am richtigsten diese Kritik geübt wird. Jch möchte nur den Herrn Kollegen Haas, der ja in einer thm eigentümlihen sehr vornehmen und ruhigen Art seine Kritik geübt hat, sagen, daß ich in einem Fall allerdings glauben möchte, er sei zu weit gegangen, nämlih als er auêsprah, daß MNepublikaner doch in weiten Gebieten Deutschlands eigentlih eine Furcht haben müssen, mit den Gerichten in Verbindung zu kommen. Ich glaube, so weit darf man nun doch die Behauptang nicht auf- stellen. (Sehr richtig! bei der Deutschen Volkspartei.) Ich glaube, daß es sich auch da wiederum um Eingelfälle handelt. Es ist immer mißlih, Verallgemeoinerwngea vorzunehmen, und in diesem Umfang ist der Vorwurf doch wohl nicht rihtig. Ich gebe allerdings zu, daß in einem gewissen Umfang und in einzelnen sehr bedauerlichen Fällen der Schuß für die Nepublik und für diejenigen, die auf dem Boden der bestehenden Verfassung stehen, wamentlih auch diejenigen, die be- vufen sind, Staatögeschäfte der Nepublik zu besorgen, nicht in einem solchen Maße besteht und bestanden hat, wie es wünschenswert wäre. (Hört, hört! links.) Jch muß allerdings von den Nichtern ver- langen, nit daß sie Sympathie für die bestehende Staatsverfassung baben das wird man, glaube ih, von ihnen nicht verlangen, und einer von den Rednern hat sih dagegen gewehrt —, aber daß sie auf dem Boden der Verfassung stehen, und daß sie ihr hohes Amt als ein folches auffassen, das mit. in erster Linie berufen ist, für den Schußz gerade der bestehenden Verfassung einzutreten. Von diesen Gesichts» punkten, glaube ih, müssen sih die Nichter nun einmal leiten lassen. Das haben wir allerdings von ihnen zu beanspruchen. (Zustimmung links) Jch will, um ganz objektiv zu fein, auch zugeben, daß in einzelnen Fällen wohl der Verdacht begründet gewesen ist, daß nicht alle Nichter sich so in den Dienst der Republik und der republika- nischen Verfassung stellten, wie es wünsdhen@wert wäre. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.) Jch will den einen Fall niht als ganz besonders schwerwiegend für mih anführen; aber es ist ganz rihtig, wenn einer der Herren Vorredner den Fall anführte wo Herrn Stresemann und mir vorceworfen wurde. wir hätten jeder eine halbe Million Mark für das Londoner Abkommen bekommen, und wir hätten uns für das Londoner Abkommen nur deshalb fo warm oingeseßt, weil wir diese wunderbare Vergütung bekommen hätten, Jch glaube, der Beleitiger, der diese Behauptung aufgestellt

hat, iff es wurde gesagk zu 100 wohl zu 300 Mark verurteilk worden. Jch habe allerdings aus diesem Urteil die Folgerung ge- ¿ogen, daß ih seit der Zeit überhaupt feinen Strafantrag mehr als Reichskanzler gestellt habe. (Lebhafte Rufe links: Hört hört!)

Das sind allerdings Vorkommnisse, die überaus bedauerlich sind, Ich nehme aber an, daß- diese unruhigen Erscheinungen, je mehr wir iw Nuhe kommen mit unserer ganzen Staats- und NReichs- verfassung, sih legen werden. Jch bin ein Optimist, und man muß gerade zu unserer shweren Zeit ein Optimist sein. Jch wäre in meinem {weren Amt- als Reichskanzler niht soweit gekommen, wenn ih nicht meinen rheinishen Optimismus gehabt hätte. Jch bin froß darum, und es ist ein wertvolles Gut, diesen Optimismus zurzeit zu haben. Jch betrachte auch" diese Erscheinungen, so traurig sie gerade beim MRichterstande sind, doch als Erscheinungen einer noch immer von Krankheitewehen ershütterten Zeit. Auch das wird sich allmählih geben, Es ift ganz gut, wenn auch hier im Neickstage mit allem Ernst auf die Pflicht des deutschen Richters ih betone gerade das Wort deutschen —, der die Verfassung des Deutschen Neichs, wie fie nun einmal besteht, zu s{üten hat, hingewiesen wivd.

Wenn der Herr Kollege Dr. Haas, um nur das eine noch zu sagen, darauf hingaviesen hat, es möchte doch auch untersucht . werden, ob nicht in bestimmten Fällen eine Disziplinarunterjuhung gegen MNichtex einzuleiten sei, die ihren Entscheidungen eine Begründung gegeben hätten, aus der sih eine Gesinnung erkennen ließe, mit der man nicht übereinstimmen könnte, so möchte ih doch sagen, Herr Kollege Haas: die Sicherheit der Stellung des Richters, die Sicher- heit ihrer absoluten Unabhängigkeit und die Fretheit in ihrer Ent- scheidung, die Selbständigkeit des Nichteramts ist auch ein solches hohes Gut, das nux in gang besonders geeigneten Fällen angetastek werden kann. Ich glaube, es wird außerordentlih {wer sein, sich einen Fall vorzustellen, in dem die Urteilsbegründung dermaßen schief und töriht, möchte ich fagen, von einem Richter niedergelegt worden ist, daß ein Disziplinarverfahren dieserhalb gegen ihn eins geleitet werden kann. Die Behörde würde sih ja auch sehr leiht dem Vorwurf ausseßen, daß sie in die Rechtspreung, in die Frei- heit des Richters, sich nah freiem. Ermessen zu entscheiden, ein- gegriffen hätte. Jch gebe zu: liegt ein Fall so. daß die Gefahr offensichtlih vermeidbar ist, daß diese Gefahr überhaupt nit ent tehen kann, dann muß au unter folhen Umständen eingegriffen werden. Aber ih glaube, das werden Ausnahmefälle sein.

Im übrigen kann ih nur das wiederholen, was ich gestern sagte: mein ganzes Streben wird dahin gehen, dem Recht freie Bahn zu \chaffen, das Recht zu wahren gegen hoh und . niedrig, mag es sein, wer es will. Das Recht muß gerade angesichts der Lage unseres ganzen Vaterlandes gewadrt werden. (Lebhafter Beifall în der Mitte und rechts.)

Die JInterpellationen Nr. 374 und 376 habe ih namens der Reichsregierung wie folgt zu beaniwocten:

Großadmiral von Tirpiß hat in seinem Ende 1924 ers schienen Werke „Der Aufbau der deutschen Weltmacht“ eine Reihe bisher unveröffentlihter amtliher Schriflstücke aus den Geschäfts- bereidien tes Auêwärtigen Amts und des früheren Reichsmarine- amis abgedruckt. Eine Prüfung, ob die veröffentlihten Schrifts stückde bei den genannten Behörden fehlen, hat folgendes ergeben:

Die aus dem Bereiche der Marinevenvaliung abgedruckten Urkunden sind sämtlich bei den zuständigen Stellen vorhanden. Auch Ehriftstüle aus dem Amtsbereih des Auswärtigen Amts hbe- finden sich mit einer Ausnahme in dessen Archiv. Es fehlt ein Bericht des deutshen Botschafteré in London an das Auswärtige Amt vom 13. März 1909, den das Auéwärtige Amt am 16. März 1909 dem Kaiser vorgelegt und nicht wieder zurücckerhalten hat.

Großadmiral von Tirpiß hat sih dahin geäußert, daß er von den in seinem Buche wiedergegebenen Urkunden sich seinerzeit als Staatssekretär des Reichsmarineamts Abschriften für seinen per- sönlichen Gebrauch habe herstellen lassen, daß er aber keine dieser Urkunden felbst zu seinen Privatakten genemmen habe.

Hiernachß kommt eine widerrehtliche Aneignung amtlicher Urkunden, die zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens hätte Anlaß geben können, niht in Frage. Die veröffentlichten Urkunden enthalten femer nah dem Gutachten der zuständigen Neichsbeßörden keine Nachrichten, deren Geheimhaltung einer anderer Regievung gegenüber für das Wohl des Deutschen Reichs oder eins seiner Länder, eiwa aus Gründen der Landesverteidigung, geboten geivesen wäre.

(Hört, hört! rechts.) Es war vielmehr schon damals zu erwarten, daß dfe abge- druckten Urkunden in die amtliche Veröffentlihung der politi- hen ten des Auswärtigen Amts aufgenommen werden sollien. Eine strafrechtlich zu ahndende Bekanntgabe von Staats- geheimnissen liegt danach nit vor.

Maßnahmen disziplinarisher Natur kommen {hon um des- willen niht in Beirat, weil Großadmiral von Tixpiß zurzeit der Veröffentlihung der Urkunden aus dem Reichsdienst aus- geschieden war und als pensionierter Beamter und Offizier nicht mehr der D'enststrafgewalt des Reiches unterliegt.

Die in der Interpellation Koch-Weser berührte Frage, ob auch ehemalige Reichsbeamte oder Offiziere wegen der unbefugten Veröffentlichung amtlicher Schriftstüke zur Verantwortung zu ziehen sind, wird bei der Neuordnung des Neichêébeamtenrech1s ihre Entscheidung finden. Eine entsprehende Vorschrift ist in § 16 des Entwurfs einer Reichsdienststrafordnung, der zurzeit im Reichstage vorliegt, vorgesehen.

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Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die beiden Interpellationen Nr. 1061 und 1091 Drewihß (Berlin) und Genossen sowie Esser, Sonner und Genossen. Bei der Frage der Be- schäftigung der Gefangenen muß die Regierung ein zweifahes Ziel im Auge behalten. Soll das Ziel erreiht werden, das mit dem Strafvollzug erstrebt wird, so muß zunächst für eine ausgiebige Bes \{äftigung der Gefangenen gesorgt werden. Auf der andern Seite muß selbstverständlih auh der gewerblihe Mittelstand, insbesondere das Handwerk, in seinen Junteressen soweit wie irgendmöglih ge- {übt werden. Beide Ziele stehen ja in gewisser Weise in einem Gegensaß zueinander. Jch glaube aber, daß im allgemeinen. die Ordnung der Dinge durchaus im richtigen Sinne erfolgt ist. Im Augenblick kaun ih mich auf diese außerordentli wichtigen und be- deutungsvollen Fragen, die an sih einer sehr eingehenden Besprechung wert wären, nur ganz kurz einlassen. Jch stehe selbstverständlich zu

weiteren Auskünfken den interessierken Abgeordneten fehr gern zur Verfügung.

Im Jahre 1923 sind zwischen den Ländern eingehende Grund- säße für den Vollzug der Freiheits\trafen vereinbart worden. Jn {hnen find die Grundsäße, die bei der Beschäftigung der Gefangenen im Auge behalten werden sollen, besonders eingehend geregelt, und es ist hon damals betont worden, daß auf die Interessen des Privat- gewerbes und des Handwerks billige Rücksicht genommen werden muß. Es soll in erster Linie nur für den eigenen Bedarf der Straf- anstalt gearbeitet werden (sehr richtig! im Zentrum), dann in zweiter Meihe für den Bedarf anderer Strafanstalten und anderer Behörden, in dritter Linie follen den Gefangenen gemeinnüßige Arbeiten, ins- besondere für Gemeinde- und Wohlfahrtseinrihtungen, aufgetragen werden (sehr gut! im Zentrum), und nur soweit derartige Arbeiten nicht beschafft werden können, dürfen Gefangene auch mit Arbeit für Privatunternehmer oder mit der Herstellung von Gegenständen, die für Rechnung der Anstaltsverwaltung veräußert werden follen, be- \chäftigt werden. Es soll mit den Vertretungen des Handwerks, namentlich mit den Handwerkskammern, den Gewerbeaufsihts- beamten und Arbeitsnachweisen enge Fühlung gehalten werden.

Gerade in den leßten Wochen hat das Reih noch darüber hinaus für seine Behörden Nichtlinien erlassen, die ganz besonders auf die Interessen des Handwerks und des gewerblichen Mittelstandes Bedacht nehmen. Diese Richtlinien; die, wie ih glaube, erst vor ganz kurzer Zeit herausgekommen sind, stehen. den Herren zur Ver- fügung. Darin wird ausdrücklih gesagt, daß alle Neichsbehörden mindestens die Hälfte der auszuführenden Arbeiten dem freien Ge- werbe übertragen müssen, und daß es thnen fogar überlassen bleibt, im einzelnen Falle auch noch über dieses Maß hinauszugehen.

Was die Entscheidung des Strafvollzugsamts Berlin angeht, so gehört selbstverständliß die Behandlung dieser Frage zur Zu- ständigkeit des preußischen Justizministers. Das Schreiben ist von dem Reichsjustizministerium an den Herrn preußischen Justizminister zur weiteren Erledigung gesandt worden. Wie wir gehört haben, ift die Frage im Interesse und im Sinne des gewerblichen Mittelftandes und des Handwerks erledigt worden. Selbstverständlih werden wir die Frage auh weiter im Auge behalten und sind, wenn sih irgendwo Mißstände ergeben sollten, gern bereit, ihre Abstellung bei den zu- ständigen Stellen der Länder anzuregen, soweit das mit den Zwecken des Strafvollzugs irgend zu vereinigen ist, (Bravo! im Zentrum.)

164. Sizung vom 18. Februar 1926, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *)

Am Regierungstische: Reichsjustizminister Dr. Ma r x.

Präsident L ö b e eröffnet die Sißung um 1 Uhr 20 Mi- nuten.

Die zweite Lesung des Haushalts des Reichs- justizministeriums wird fortgeseßt, und zwax bei den „Ausgaben für das Reichegericht“.

Abg. Dr. Levi (Soz.) hält die Rehtsprehung des Reichs- gerichts in Angelegenheiten des Landesverrats auf die Dauez für völlig unerträglih. Das Reichsgericht seße sih mit feiner Recht- sprechung niht nux in Widerspruch mit dem gesunden - Rechts- efühl dex breiten Massen, sondern auch mit den Erklärungen der Reichsstellen. Dex Rednex bespricht dann verschiedene Retchs- gerihtSuxteile, besonders den Fall Bullerjan.

Abg. Dr. Kor sch (Komm.) begrüßt den Fortfall des Staats- eridtshofs zum Schuße der Republik und fritisiert die Urtoile

es Staatsgerichtshoss gegen Anhänger der . kommunistishen Partei. Die Kommunisten forderten die Amnestierung der Opfer dieser Schandjustiz. (Präsident Löbe ruft den Redner zur Ordnung.) Der Staatsgerichtshof sei die „partie honteuse“ der deutschen Justiz gewesen. (Dex Redner wird nochmals zur Ordnung ge cufen.)

Das Kapitel wird bewilligt, ebenso der Rest des Justiz- etats.

Es folgt die zweite Beratung des Haushalts des Reich8arbeits8ministeriums in Verbindung mit enen dexr Kommunisten und Sozialdemokraten, betr.

Naßnahmen zur Verhütung von Grubenunfällen, die Ratifi- gierung des Washingtoner Abkommens über den Achtstunden- tag, die Novelle für nus, das Gruben-= unglück auf Zeche Holland in Wattenscheid und Maßnahmen gegen die Wirtschaftskrise, E mit einer Futerpellation

r. Scholz (D. Vp.), betr. Notlage dex Kleinrentner.

An den Titel „Ministergehalt“ knüpft sich eine allgemeinso Besprechung.

Abg. H o ch (Soz.) berichtet über die Ausshußverhandiungen. Der Ausschuß hat u. a. 20 Millionen als fortdauernde Ausgabe für Wochenhilfe eingeseßt, ferner 500 000 Mark als Beihilfe für Zwedcke des Ausbildung von Personen, die auf Grund geseßliher Be- stimmungen zur Vertretung der Arbeitnehmer berufen werden.

_ Abg. Karsten (Soz.):; Die Wirtschaftskrise erfordert weit größere Anstrengungen und geseßlihe Maßnahmen des Staates als in normalen Zeiten. Die Arbeiten des Arbeitsministeriums dürfen niht durch Bürokraten, die nicht sozial empfinden können, estôrt werden. Das Arbeitsministerium zeigt leider eine zu große

achgiebigkeit gegen das Unternehmertum. Dr. Meißinger be- hauptete vor einigen Monaten in seiner bekannten Aktennotiz, daß der Ministerialrat Sigler erklärt habe, daß der Staat nichts gegen den Lohnabbau tun könne. Entweder, wenn dies wahr ift, ist das Arbeitsministerium als Arbeitgebermititisterium gekennzeichnet oder Dr. Meißinger hat die Arbeitgeber beshwindelt. Die Wirt- d Eee könnte dur die S atis des Achtstundentags ür die Arbeiter gemildert werden. Durch die Verlängerung der [rbeitêzeit t die Arbeitslosigkeit unerträglihe Formen an- genommen. Wir fordern deshalb, daß das internationale Arbeits- anae, endlih durchgeführt wird. Heute maht man die Arbeiter arbeitslos, lehnt aber ausreihende Erwerbslosenunter- stüßungen ab, während für das Militär genügend Geld vorhanden 1st. Wir fordern schnelle Vorlegung der Gesezentwürfe über die Erwerbslosenversorgung, das Arbeitsrecht und die Arbeitsgerichte. Gerade nach den Debatten zum Fustizetat können wir die Ärbeits- erihtsfahen niht an die ordentlihen Gerichte abgeben. Wir ver- angen ferner den Schuß der Arbeiter gegen dies rüdcksihtslose Aus- beutertum mit seiner brutalen Behandlung der Arbeiter, wie sie namentlich in der Landwirtschaft vorkommt, wo die Arbeiter sogar verprügelt werden. Als in einem Fall die Frau eines Arbeiters dazwischen trat, wurde sie auch mißhandelt. Erkrankte Arbeiter [eiden mit ihren Familien bittere Not. Das angekündigte Arbeiter- s{ußgeses muß dafür sorgen, daß die erkrankten Arbeiter wiedex gesund gemacht werden und in Erholungsheimen sich erholen können. Auf Kosten der Kranken dürfen keine Ersparnisse gemacht werden. Die Krankenkassen müssen in die Lage gebraht werden, aus den Arbeitgebern zurückgehaltene Beiträge herauszuholen. Wir verlangen ferner die Wohnungsfürsorge, die Arbeitgeber wünschen aber die Beseitigung der Wohnungszwangswirtschaft, um auch auf diesem Gebiet willkürlih über die Arbeiter herrschen zu können. Das Arbeitsministerium muß darauf dringen, daß die Hauszins- steuern lediglih für den Wohnungsneubau verwendet werden. Die

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*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind,

Invalidenrenten mit hrem Höchstbetrag von 385 Mark monatli sind viel zu niedrig. Wir verlangen eine gesunde Sozialpolitik nichi nur für die Arbeiter, sondern auch aus Kulturgründen. Die Arbeit- geber haben falshe Angaben über ihre Belastung mit pa Aus- gaben gemacht und operieren noch immer damit, obwohl die Denk- ¡chrift des Ministeriums die angegebenen Zahlen, insbesondere die von dem Landbundführer Hepp berechneten, rictiggestellt hat. Unsere Sozialpolitik leidet an einer übersättigten Organisation, ein Zweig arbeitet gegen den anderen, und die Beiträge müssen an vier verschiedene Stellen statt an eine einzige abgesührt werden. Durch Zusammenlegung der Versicherungszweige würden sich große Ersparnisse erzielen lassen. Die DervertiWernngäkité: rihten sich in ihren Entscheidungen einfah nach dem von den Arbeitgebern herausgegebenen Kommentar, und eine große Reihe einzelner Fälle wird immer ege im Ramsch in wenigen Minuten ent- chieden. A diefer Weise darf niht Recht gesprohen werden. Die Oberversicherungsämter sind geseßlich nicht an die Urteile der Aerzte gebunden, sie können frei entsheiden. Das Reichsversicherungsamt hat aber die bedenklihe Entscheidung gefällt, daß ein Revisionsgrund gegeben sei, wenn ein Oberversiherungsamt ein ärztlihhes Gut- achten niht beachtet hat. Das Arbeitsministerium fühxt eine neue Zersplitterung herbei dur die Pn besonderer Landesver- fiherungsämter für L und Niederschlesien. Daran können nur die höheren Beamten Fnteresse haben, für die neue Stellen geschaffen werden können. Den Fnvalidenrentnern, die am 1. August 1925 bereits invalide waren, ist die Erhöhung der Kinder- ulagen vorenthalten worden. Wir verbitten uns eine solhe Ge- levesmas erei, die mit den Beschlüssen unseres Sozialpolitischen (us\husses nicht vereinbar ist. Weite Schihten der Arbeitgeber, namentlih in der Landwirtschaft, zahlen nicht die Beiträge in der rihtigen Höhe, so daß die danach berechneten Renten zu niedrig werden. Das Arbeitsminifterium muß mit anderen Staaten Gegenseitigkeit8verträge abschließen, damit die deutshen Arbeiter im Ausland nicht s{chublos sind, Es ist ein Skandal, wie Reich und Länder die sozialen Beschlüsse des Reichstags sabotieren uno Aus- führungsbestimmungen verzogern, Der Not der Sozialrentner und Kleinrentner muß endlich abgeholfen werden. Die Deutsche Vol?s- partei sollte dazu mitwirken und sich als sozialer erweisen als dieser Sogialminister. Solange für die Marineoffiziere und Generale Millionen an Pensionen gezahlt werden können, kann man nit behaupten, daß für die Sozialrentner kein Geld da sei. Solange man in Deutshland Presjebälle mit ungeheurem Luxus abhält, kann man denen, die sfih da amüsieren, auch Geld für soziale Zwecke abnehmen. Auch für die vollgesogenen Fürsten hat man Millionen übrig, Hunderte von Millionen auch für die A A, die Hohenzollern. Wir verlangen endblih eine gerehte Sozialpolitik, (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

Abg. Stegerwald (Zentr.): Jn dieser unruhigen Zeit der wirtschastlicen Not ist es kein Wunder, wenn die Tätigkeit des Arbeitsministeriums nicht die volle Anerkennung findet. Sobald einmal wieder ruhigere Zeiten gekommen sein werden, kann man damit rechnen, daß es gerechter beurteilt werden wird. Eine Gruppe schiebt die Schuld für die sozialen Mißstände immer auf die andere. Alles in allem werden an Beiträgen zur Arbeits- versicherung, für die Kriegsbeschädigten- und die allgemeine Für- sorge jährlih sechs Milliarden Mark ausgegeben. Der Ueber- [hwemmung Deutschlands mit fremden Waren muß vorgebeugt werden. Es gibt kein Land in Europa, in dem bei guter Wirt- shaft8politik und -organisation und psyhologish rihtiger Behand- lung des Arbeiters aus diesem so viel herauszuholen ist wie in Deutschland. Bei den Bergarbeitern ee wegen der Mißstände im v ard gg “viada aroße Unzufriedenheit. Sie verweisen darauf, daß die Beamten 80 vH ibres Gehaltes als Pension er- halten und mit 65 Fahren zwang®pensioniert werden. Demgegen- über sind die Bergarbeiter viel s{lechter gestellt, obwohl sie die shwerste Arbeit zu leisten haben. Die Frage der Versicherungs- anstalt Schlesien darf man nit nux vom versiherungstehnischen Standpunkt behandeln. Aber vor der Abstimmung in Oberschlesien hat man den Obershlesiern die Selbständigkeit versprochen, und dazu gehört auch die eigene Versiherungsanstalt. Das in s{werer Zeit gegebene Dersprechen muß man auch halten. (Beifall im Benteum.) Drei Probleme beschäftigen uns besonders, und zwar 1. die Schaffung der geseßlihen Arbeitslosenversicherung an Stelle der Arbeitslosenfürsorge, 2. die Förderung der Arbeit8zeitfrage in Verbindung mit England, Belgien und Frankreich und 3. die Rege- lunge der Acbeitsgerichtsbarkeit. A land muß sich immer vor Augen halten, daß es keine Fnsel darstellt. Wir sind den anderen Ländern voraus durch unsere günstige geo raphishe Lage und den Gewerbefleiß unserer Bevölkerung. An Pensionen für Offiziere und Beamten wird mehr ausgegeben als für Arbeitslose. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zwingen uns zu weitgehender Ge- meinschaftsarbeit. tten wir das früher erkannt, dann würde es uns besser gehen. A darf sih das Elend niht wieder=- holen, das wir politis erlebt haben. Der Redner behandelt dann die Arbeitslosenfrage und das Wohnungs- und Siedlungswesen und sagt: Eine große Schuld trägt die Kredi#not. Notwendig sei die Förde- Tung der Exportindustrie. Man darf auch niht Hunderte von Millionen für ausländischen Weizen ausgeben, während dex deutsche Landwirt jeinen billigen Roggen niht los wird. Für mehrere Bauperioden soll ein größerer Kredit aufgenommen werden, um den Baumarkt zu beleben. Ausländishe Mittel sollten mit 10 vH verzinst und amortisiert werden. Die erforderlichGen Beträge dazu sollten aus der Haus8zinssteuer genommen werden. Die Gegen- wart darf niht übermäßig zugunsten der Zukunft belastet werden. Werbende Anlagen müssen auf Anleihe genommen werden. Aus dem Kriege sind wir allein jährlih mit drei Milliarden belastet. Aus der Hauszinssteuer sollen jährlich 700 Millionen für den

Wohnungsbau ux Verfügung gestellt werden. Der Kreis derx Menschen, der Mittel für erste Hypotheken hat, ist immer kleiner eworden. Fn England ist man in den lebten Fahren mit dem

zohnungsbau sehr vorangekommen. Man hat dort gute Er- ahrungen mit Stahlhäusern gemacht. Aber in Deutschland errshen auch nech falsche Vorstellungen von der Lebensdauer dex Holzhäuser, die nah dem Urteil Sachverständiger 75 bis 100 Fahre bewohnbax sind. Neparaturen an Holzhäusern sind billiger als an Steinhäusern. Das Typenverfahren bei den Bauentwürfen bringt eine Kostenersparnis von einem Drittel bis zu einem Viertel, Mit der Auf- wertung der Hypotheken von 25 vHist die Wohnungsfrage in ein ent- heidendes Stadium getreten. Der Zentrumsantrag gilt niht nur er Wohnungsfrage und der Hebung der Arbeitslosigkeit, sondern er ist für-die Zukunft Deutschlands von fundamentalex Bedeutung. Die einzelne Arbeitslosigkeit in Deutschland ist auf die Dauer un- tragbar. Aber es tritt keine Besserung ein,” wenn im Westen Tausende von Holländern über die Grenze kommen und im Osten ausländische Arbeiter beschäftigt werden. Die Arbeitslosenfrage ist eben auch eine Wohnungsfrage. Es fehlt an einem ent- Me Denn Eingreifen der Regierung, um Mittel für den Bohnungsbau zur Sens zu stellen. Notwendig ist eine Um- siedlung des deutshen Volkes. Wir brauchen wohl Auslands- anleihen, aber im Fnnern muß der Grundsaß herrshen: Großer Umsat, geringe Kosten. Js die Wohnungsnot behoben, wird fich die Arbeitsfreudigkeit wieder heben. Die Baumaterialien müssen billig herangeschasft werden. Schon in diesem Frühjahr muß die Wohnungsfrage und Erwerbslosenfrage ein gutes Stück vorwärts kommen. (Beifall beim Zentrum.)

Darauf werden die Beratungen abgebrochen.

Angenommen wird ein Antrag zur Aenderung des Tabaksteuergeseßes, wonah bei der Gewahrung der Erwerbs= losenunterstüßung an die Tabakarbeiter die Bedürftigkeits- prüfung fortfallen soll.

, Das Haus vertagt sich auf Freitag, Uhr: Reichsarbeits= ministerium.

Schluß gegen 5 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichstags sebte am 16. Februar unter dem Forais des Abg. Heimann (Soz.) die Beratung des Haushalts des Reichsarveits- ministeriums für 1926 fort. Beim Kapitel „Reichs- versorgungsgericht“ wurde, dem Nachrichtenbüro des Vereins deut- scher Teitünadteris er zufolge, ein fommunistischer Antrag, den Einnahmetitel (Se ühren 12000 Mark“ zu streichen, abgelehnt, Beim Kapitel „Sozialpolitik und Volkswirtschaft“ im allgemeinen, Arbeitershuy, beantragte der Unterausshuß als Titel 3 nea einzu- seyen: 500 000 Reichsmark als Beihilfe sür Zwecke der Ausbildung von Personen, die auf Grund geseßliher Bestimmungen zur Ver- tretung der Arbeitnehmer berufen werden. Der Antrag wurde gegen den Widerspruch des Mintisterialdirigenten Kühnemann vom Reichsfinangministerium angenommen. Zum Extra» ordinarium des Haushalts der allgemeinen Finanzverwaltung lag ein Antrag dér Deutschnationalen, des Zentrums und dex Bayerischen Volkspartei vor, alsbald durch Anforderung die Summe. zur Förderung von Anstalten und Eina rihtungen der privaten Wohlfahrtspflege auf die Höhe der Bewilligung im Reichshaushalt 1925 zu Die, Nach kurzer Besprechung, in der ein positiver Antrag für die Be- ratung des Eta!s der allgemeinen Finanzverwaltung angekündigt wurde, wurde auf die Abstimmung über diese Entschließung ver- zihtet und die Zurückstellung der Frage bis zum genannten Etat in Aussicht genommen. Es folgte nunmehr die Fortsezung der Beratung des Marineetats. Abg. Brüninghaus D. Vp.) wieé, auf den unwägbaren Nutzen hin, den unsere Marine-

suche im Ausland für die Verbindung mit den Auslandsdeutschew und für das Ansehen unserer Wehrmacht bei den fremden Re- ierungen bringe. Leider untershäge man die Fmponderabilien eutshlands, die man niht iùñ Geld abshäßen könne, zu sehr. Außerdem bedeuteten die für Neubauten ausgeworfenen 26 Mils lionen zu 80 vH, also 20—21 Millionen, reine Arbeiterlöhne; das bedeute also, daß von diesen 26 Millionen 21 Millionen für die produftive Erwerbslosenfürsorge verwendet würden. Die Deutschen Werke in Kiel müßten die wegen Arbeitslosigkeit entlassenen älteren Arsenalarbeiter aus dem Marinearsenal übernehmen; es Que sich um etwa 60 bis 70 bewährte tüchtige Arbeiter, wie ieter, Bohrer usw. Der Fortbildungsunterriht scheine bei der Marine immer noch richtig durchgeführt werden zu können. Mam möge do diesen kargen Etat niht noch weiter beshneiden. Eine Marine, die nicht fahre, verlottern; sie jei wie ein Kavallerist ohne Pferd. Er bedauere die Abstriche, die durch Kompromiß ge{ordert würden. Deutschland müsse shließlich doch die Ostsee vom Feinde ai Bunen Abg. Dittmann (Soz.) behauptete, daß ein eil der alten Marineoffiziere rechtsradikalen Organisationen an=- gers, daß diese aber troßdem offenbar noch mit amtlihen Marine=- reisen in Verbindung ständen. Das bewiesen die Bücher und Veröffentlichungen, zu denen ihnen amtlihe Marineakten zur Ver- Fflle f gestellt worden seien. Redner bezeihnete mehrere dieser

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âlle genauer, darunter die Fälle einer Denkschrift, aus der ganze

he in die „Süddeutschen Monats8heste“ übergegangen seien. Fur Münchner Dolchstoßprozeß einem privaten Beleidigungsprozeß seien den Angeklagten amtliche Denkschriften zur Verfügung ge- es worden. Redner überreichte eine s{chriftliche Formulierung einer Anfragen, auf die er, wenn niht heute, so später eine Aus=- kunft fordere. Abg. Rön a s (Dem.) sprach der Marine- leitung für die Hebung des Geistes der Truppen den Dank seinec Freunde aus, im besonderen auch der Mannschaft des Linien- R „Dessen“. Nötig seien die Mehrausgaben für die Besser- tellung des Personals. as DEALIE R müsse weiter gehoben werden. Er frage, wie hoh die Zahl dexr Marine- tr sei, die noch nicht untergebracht sei, wie die Urlgubsfragen geregelt seien. Das Zeigen unserer Flagge im Auslande sei auch im FJnteresse unseres Auslandsdeutshtums nötig. Den Schiffsneubauten stimme er zu. Eine Besserung der Gehalts- und Beförderungsverhältnisse der Marinezahlmeister und æntendanturbeamten fa endlich erforderlich. Das Streben nach Entpolitisierung der Marine jei rihtig, müsse aber von allen Dienststellen gefördert werden. Der Marineoffizier-Verband, dem auh aktive Marineoffiziere angehörten, habe im Falle des Admirals a. D. v. Truppel eine durchaus einseitige politische Haltung gezeigt. Abg. Dr. M os es (Soz.) kritisierte das Ver- halten des Korvettenkapitäns Canaris im Üntersuchungsaus\chuß des Reichstags. Abg. Treviranus (D. Nat.) s{hloß sich den Billigungserflärungen an. die dem Etat der Reihs8marine gegen- Uber eine wohlwollende Stellung einnehmen. Die deutsche Marine E O re alten Sympathien wieder gewonnen; auch in dex aus- ändishen Presse spreche man von der Reihsmarine mit Hoch- achtung. Abg. v. Ramin (Völk) verlangte, daß die Reihhés marine s{lagkräftig bleibe; dafür sei es nôtig, daß sie niht zu einem Klub von Kastraten werde, sondern, daß sie sich im völkischen Sinne entwickele. Reihswehrminister Dr. G le r betonte, daß die Bemühungen, Heer und Marine zu entpolitisieren, guten Er- folg gezeitigt hätten. Uebex die größten Schwierigkeiten sei man jeßi binaus. Bei dem veranschlagten Bauprogramm seien au die Belange der Werften zu berücksihtigen. Eine stabile Beschäfti- pg für die Werften, allerdings nur in besheidenem Umfange, sei ogar im sozialen Fnteresse geboten. Deshalb müsse der Neubau wie die JFnstandsezung vor. Schiffen in regelmäßigen Zeitabständen erfolgen. Von diesem Gesichtspunkt aus seien auch die Forderungen ir Neubauten gestellt worden. Nach längeren marinetechni\ch lusführungen des Chess der Marineleitung, Admirals Zendcker, der au die Personalverhältnisse der Reihsmarine behandelte, ver- tagte sich der Ausschuß auf Mittwoch.

In der Gs am 17. Februar trat der H a Las uss \chuÿ in die Eingelberatung des Marineetats ein. Angenommert ivurde gegen eine Stimme folgende Entschließung der Deutsch- nationalen, der Deutschen Volkspartei, des Zentrums, der Demo= kraten und der Sozialdemokraten: „Der Reichstag wolle be- schließen, die Reichsregierung zu ersuchen, alsbald in eine Erwä- gung darüber einzutreten, wie die Beschaffung des pern Reichs edarfs behufs Erzielung n gro Ersparnisse zentral ein- gerihtet und die zu vergebenden Gegenstände tunlihjst normalisiert iverden können. Gegen gwei Stimmen wurde folgende Entschließung genehmigt: „Die Reichsregierung zu ersuchen, die Verwaltungs= abteilung und Verwaltungsreferate für Heer und Märine im Ministerium möglichst zusammenzulegen.“ Bei Kap. I1 Titel 31 (Uebungsgelder der Marineteile am- Lande, davon 2000 Mark künftig wegfallen, 214 800 Mark) werden 50 000 Mark abgesett, desgleichen beim Titel Gefechts- und Geländeschießübungen 20 000 Mark. Beim Bildungs- und Sanitätswesen regte Abg. Moses (Soz.) an, es möchten sih Abgeordnete und Vertreter der Marine- und Heeresverwaltung im Parlamentarishen Beirat einmal zu- ienen, um das Problem der Selbstmorde und die sanitären erhältnisse jn Heer und Marine näher zu prüfen, (Admiral von Zenker stimmt zu.) Der Redner hob hervor, daß zwar die Ver- hältnisse in der Marine nicht s{hlechter geworden seien. Es wurden

im Fahre 1922 12 Selbstmorde f ählt, 1923 8, 1924 13, 1925 14.

Selbstmorde. E S nglücksfälle gab es 1922 832, 1923 7, 1924 14, 1925 17. Fn Jahre 1925 starben eines unnatürlichen Todes 31 Personen, eines natürlichen 17. An Krankheiten sind verstorben 1922 832 Personen, 1923 33, 1924 22 und 1925 17, Amn Todesfällen im gartzen wurden gezählt 1922 76, 1923 48, 1924 49 und 1925 48. Die Todesfälle in Marine und Heer betragen 1922 72 bezw. 320, 1923 48 bezw. 336, 1924 49 bezw, 383, 1925 48 beziv, 396. Progzentual also sind fie in der Marinte geringer als im Heer, ins- besondere gilt das von den Selbstmorden.. Auf Anfragen gab Admiral von Zenker Auskunft über das Marinefacshulwefen, Die Marine hoffe es durchzuseßen, daß die Lehrer mit den Lehrern gere: Vorbildung in den Ländern gleichgestellt werden. Mit der tatrosenshule in Potsdam habe die Marine nihts zu tun. Auf Anfrage von kommunistischer Seite, ob alle Selbstmordfälle genau untersucht würden, und ob nicht das Material den Abgeordn-ien ugeleitet werden könne, erwiderte Reihswehrminister Dr.

e , das könne er aus Rücksicht auf die Angehörigen nicht a en. Es dürften private Familienverhältnisse nicht aus politi- hen Parteirüdcksichten der Oeffentlichkeit preisgegeben werden. Dex

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