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Graf von Posadowsky, hat dicsem Gedanken schon in einer Rede am 23. Februar 1897 hier im Reichstage Ausdruck gegeben. Der Ge- danke wurde aber damals nicht weiter verfolgt. Der Zeitpunkt für seine weitere Ausgestaltung schien noch nit gekommen. Inzwischen aber Ut der Gedanke weiter ausgereift, und ih glaube auch nit, daß es für die Konservierung der Franckensteinshen Klausel in ihrem wesent- listen Punkte eine bessere Lösung gibt als diese.
Bevor ih diesen Gegenstand verlasse, möchte ich nur noch mit zwei Worten meiner persönlihen Empfindung Ausdruck geben.
Wenn ich Ihnen die vorges{chlagene Einshränkung der Francken- Fteinshen Klausel auf das wärmste empfehle, so tue ih das: in: der Ueberzeugung, daß der Schöpfer dieser Klausel, wenn er noch unter uns weilte, mi dabei selbst unterstüßen würde. An Pietät für das Andenken an den Schöpfer der Franckensteinshen Klausel stehe ih Teinem von Ihnen nah. Aber ih glaube, daß gerade die Pietät hier mehr zu ihrem Rehte kommt, wenn man jene Geseßesbestimmung zeitgemäß reformiert, ihr sozusagen neues Leben einhaucht, als wenn man, unbekümmert um ihre weiteren Schiksale, sie sozusagen ver- steinern läßt.
Untershäßen Sie auch nit, meine Herren, die politishe Be- deutung und den Wert des Umstandes, daß der lebensfähige Kern der Franckensteinshen Klausel durch den neuen, Ihnen vorgeschlagenen Artikel 70 ausdrücklich unter den Schuß der Verfassung gestellt werden soll.
Nun zum zweiten Uebelstand, dessen Beseitigung die Vorlage in Ausficht nimmt! Das ift die seitherige Behandlung der Ueber- [chüsse der Vorjahre in der eigenen Wirtschaft des Reichs.
Der Artikel70 der Verfassung Absay 1 bestimmt hierüber, daß vor allen ‘anderen ordentlichen Einnahmen des Neis zunätst diese Uebers{hüsse zur Deckung des ordentlihen Ausgabebedarfs zu dienen haben. Es würde mich zu weit führen, wollte ih hier des näheren eingehen auf die Vorgeschichte dieser Verfassungsbestimmung und auf die Zweifel, die si hinsihtlih ihrer Auslegung und Anwendung er- heben, zumal wenn man dabei die Franckensteinshe Klausel in Betracht zieht. Jch darf in dieser Hinsicht wohl auf die Ihnen ja gedruckt vorliegende Begründung zum Geseßentwurfe verweisen.
Nun werden einer geordneten Finanzwirtshaft im Neiche ohnehin hon große Schwierigkeiten durch den Umstand bereitet, daß das Gros der Reichseinnahmen überhaupt sehr \{chwankender Natur ist; und das ift ein Uebelstand, der ja an si nit beseitigt werden kann, weil er in der Natur der Neichseinnahmen liegt. Eine der Haupt- aufgaben einer rationellen Finanzpolitik im Reiche dürfte es sein, diese unvermeidlichen Schwankungen wenigstens in ihrem Effekte tunlichst auszugleichen. Jedenfalls aber sollte wenigstens \orgfältig alles ver- mieden werden, was irgendwie geeignet erscheint, diese unvermeidlichen Schwankungen auch noch zu vers{härfen.
Im Gegensaß hierzu steht aber jene Verfassungsbestimmung, welhe unvermeidlih und tatsählich dahin führt, daß auf den Ueber- schüffen, d. h. auf durhaus zufälligen, vorübergehenden Einnahmen dauernde Ausgaben basiert werden. Mit cinem solchen Grundsay kann, wie au {on in der Begründung hervorgehoben ift, kein Haushalt, sei er nun groß oder sei er klein, auf die Dauer bestehen. Die Uebershüsse früherer Wirtschaftsperioden finden ihre allein richtige Stelle bei den Einnahmen des außerordentlißen Etats, wo fie zur Verminde- Tung des Anleihebedarfs oder zur direkten Tilgung der Reichss{hulden ihre zweckmäßigste Verwendung finden. Daß es dem Reiche an solchen Verwendungszwecken niht mangelt, das ergibt sih ziemlich deutlich, wenn Sie die beiden leßten Spalten der dem Gesetzentwurf beiliegen- den Tabelle fih etwas näher ansehen. Finden aber die Uebe:schüsse der Vorjahre grundsäßlich eine solhe Verwendung, dann erscheint es jedenfalls auch minder bedenklih, gelegentliÞh auch einmal mit einem Fehlbetrag aus einer früheren Wirtschaftsperiode, zu dessen Deckung im Ordinarium die Mittel fehlen, das Extraordinarium zu belasten. Bei einer vorfihtigen Etatsaufstelung werden \sich unter normalen E derartige Fehblbeträge ohnehin uns{chwer vermeiden afen.
Ih «will das Kapitel der Verwendung von Ucberschüssen S@huldentilgung nit verlassen, ohne einen Jrrtum zu Cte dé fich über die Bedeutung der Aufstellung des § 2 des Sguldentilgungs- geseßzes vom 28. März 1903 in die Presse einges{lihen hat. Es ift u. a. fo dargestellt worden, als ob im Gegensaß zu dicsem § 2 des erwähnten Gesetzes der Neformentwurf nur eine platonishe Schulden- tilgung bringe, weil in erfter Linie aus dem Mehrertrag der Ueber- weisungen ‘die ungedeckten Matrikularbeit:äge beglichen werden müssen. Ih kann Ihnen, geehrte Herren, nur sagen, daß genau dasselbe auch der § 2 des zitierten Geseßes vom 28. März 1903 bestimmt. Dem Schreiber jenes Artikels {eint das offenbar vollständig bei der Lek- türe entgangen zu sein. Wenn das lediglich eine platonishe Schulden- tilguns wäre, dann wären qu die \ömtliden l-gesegirber *& gine platonische Swuldentilgung gewesen, obglei sie dem Reiche bekannt- Tich Mittel zur Schuldentilgung im Betrage von rund 143 Millionen Mark gebracht haben.
Nun noh einige Worte über die Matrikularbeiträge. Der vorgeschlagene Art. 70 der Reichsverfa}sung läßt grundfäglih das Ret tes Reichs zur Belastung der Bundesftaaten mit Matrikular- beiträgen unberührt, er füllt nur eine in dem alten Art. 70 der Reichsverfafsung seit dem Inkrafttreten der Frandckenstein- schen Klausel entstandene Lücke aus, indem er zwischen ge- deckten und ungedeckten Matrikularbeiträgen unterscheidet und den subsidiären Charafter der Matrifularbeiträge für die Folge nur in Ansehung der leßteren, in Ansehung der aus Landesmitteln auf- gebrachten anerkennt. Insofern enthält also der neue Art. 70 eine gewisse Einschränkung des subsidiären Charakters der Matrikular- beiträge zu Lasten der Einzelstaaten und zu Gunsten einer wirfsameren Verminderung der Reihs\chuld. Wer sh für diese subtile Materie besonders interessiert, findet das Nähere darüber in der Begründung des Entwurfs auf Seite 7. Im übrigen aber geht die Vorlage allerdings davon aus, taß die Belastung der Einzel- staaten mit ungedeckten Matrikularbeiträgen nicht zur Regel werden, sondern auf Auénahmefälle beschränkt bleiben sollte. Dies entspricht ohne Zweifel auch hen Grundgedankzn der Verfassung, welche die Matrikularbeiträge nur als âußerstes und leztes ordentlihcs Deckungs- as ins Auge gefaßt hat. Es entspriht auch der gebotenen Rüdsidt auf die Einzelstaaten , denen gegenüber die tunlihste Ver- schonung mit Matrikularbeiträgen um so mehr am Plate ist, als schon die rohe Form dieser Besteuerungsart und der Veranlagung jeve Nücksicht auf den Grad der Wohlhabenheit der kontribuierenden
Es is nun in jüngster Zeit wiederholt der Gedanke angeregt worden, die Matrikularbeiträge durch Abstufung der Bundesstaaten nach ihrer Wohlhabenheit sozusagen zu veredeln. Dies, meine Herren, ist aber auch leichter gesagt als getan. Wie foll denn der Grad der Wohlhabenheit der verschiedenen Bundesstaaten überhaupt ermittelt und wie festgestellt werden? Etwa durch Mehrheitsbes{luß im Bundesrat ? Und wenn man es vermöchte, was soll mit den Ueber- weisungen ges{chehen? Soll hier der gleiche oder vielleiht der um- gekehrte Maßstab zur Anwendung gebracht werden ?
Man könnte \sich vielleiht zur Begründung einer solchen Ver-
edlung der Matrikularbeiträge auf den Vorgang der Schweiz be- rufen, wo in der Tat schon seit langem eine Abstufung na Kantonen eingeführt ist. Allein in der Schweiz weiß man nihts von Veber- weisungen, und was die Hauptsache ist, Bundesbeiträge werden, wenigstens soweit meine Wissenschaft reiht, tatsählich nicht erhoben, wenigstens seit dem Jahre 1849 nicht mehr. Unter dieser Voraus- séßung, wenn wir Matrikularbeiträge überhaupt nicht erheben wollten, würde ja gewiß au bei uns eine Abstufung der Staaten nach ihrer Wohlhabenheit nur geringere Schwierigkeiten bieten; es wäre aber zwecklos. Es wird also wohl nihts anderes übrig bleiben, als die Matrikularbeiträge in ihrer rohen Form fortbestehen zu lassen und vor allem durch eine tunlihst haushälterishe Wirtschaft im Reiche dahin zu trachten, daß wenigstens unter normalen Verkbält- nissen auf ungedeckte Matrikularbeiträge niht zurückgegriffen zu werden braucht. Das, meine Herren, ist der eigentlihe Sinn und der eigentliche Zweck des bereits in der Presse so charf bekämpften § 3 der Vorlage. Erweisen sich auch“ nah Einführung des neuen Zolltarifs und nah vollständiger Ueberwindung der augenblickÆlichen Krisis die eigenen Einnahmen des Reihs zur Bestreitung seiner Ausgaben, deren Genehmigung doch auch von Jhnen abhängt, dauernd als unzulänglih, dann muß eben nach geeigneten neuen Einnahmequellen oder nah ergiebigerer Gestaltung der bestehenden gegriffen werden. Eine dauernde Abwälzung der NReichsausgaben auf die Bundesf\taaten würden diese niht zu ertragen vermögen. Ein großer Teil von ihnen ist {hon heute an der äußersten Grenze dessen angelangt, was sie unbeschadet der Erfüllung der ihnen obliegenden von Jahr zu Jahr wachsenden inneren Kulturaufgaben überhaupt noch zu leisten vermögen. Vergleichen Sie einmal einen Landeshaushalt von heute mit einem Landeshaushalt von vor 30 Jahren. Welch enorme Steigerung der Ausgaben für Kultus, für Erziehung, für Unterricht, für Rechtspflege, für landwirtshaftlihe Zwecke, für Bau- wesen, für sozialpolitishe Zwecke und anderes mehr — und noch immer reiht es nicht! Es liegt aber do auch im eigensten Interesse des Reichs, den Einzelstaaten die Erfüllung dieser Kulturaufgaben tunlihst zu erleichtern; denn vergessen Sie nicht, meine Herren, die Erstarkung des großen Organismus des Reichs is durch das Gedeihen seiner Glieder wesentlich bedingt. (Sehr richtig! rechts.) Ueber Einzelheiten der Vorlage mag sich ja streiten lassen, und bei den Beratungen in der Kommission, an die Sie, wie ih wohl annehmen darf, die Vorlage zu verweisen beshließen werden, wird si zur Aus- tragung foldher Meinungsverschiedenheiten wohl noch reihlich Gelegen- heit bieten. Hoffentlih gelingt es aber doch, auf dem Boden des Entwurfs zu einer Verständigung zu gelangen. Damit würde wenigstens einstweilen ein Fundament geschaffen sein, auf dem sich in der Folge weitere Verbesserungen im Reichshaushalt aufbauen ließen.
Zum Schluß möchte ih mir aber doch noch cinige weitere Be- merkungen gestatten.
Die Vorlage hat fogleich nach ihrem Erscheinen zu recht leb- haften Erörterungen insbesondere in der Presse verschiedener Partei- rihtungen Veranlassung gegeben. Ih habe diese Preßerzeugnisse aufmerksam verfolgt und habe dabei mit Bedauern wahrnehmen müssen, daß von einigen Seiten der Vorlage Motive und Tendenzen beigemessen worden sind, die ihr vollständig fern liegen. Man hat die Vorlage u. a. verglichen mit einer Dynamitbombe (Heiterkeit links), bestimmt, die Franckensteinshe Klausel in die Luft zu sprengen, während sie doch nur auf ein vernünftiges Maß ein- ges{chränkt werden soll. Man hat behauptet, durch die Vorlage werden die Matrikularbeiträge beseitigt und den Regierungen der Einzelstaaten jedes Interesse an einer \parsamen Wirtschaft im Reiche genommen, während doch die Matrikularbeiträge nach der Vorlage grundsäglih beibehalten werden sollen, sodaß die Bundesstaaten jeder- zeit noch mit der Möglichkeit zu rechnen haben, zu solchen ungedeckten Matrifularkeiträgen herangezogen zu werden. Man hat weiter geltend gemaht, daß die Vorlage der Verminderung der Reichs\{huld ent- gegenarbeite, während das Gegenteil, wie ih Ihnen dargelegt habe der Fall ift. Man hat endlich der Vorlage nachgesagt, daß sie einen Zwang zur Bewilligung neuer Steuern enthalte, während der Reichs- tag doch nach wie vor sein freies Ret behält, solche Vorlagen zu
sagen, haben die Preßerzeugnisse, die zu meiner Einsicht gelangt sind mich erst recht überzeugt von der Verworrenheit, die auf diesem Ge- biete besteht. Diese Preßerzeugnisse haben meines Erachtens einen neuen ichlagenden Beweis dafür geliefert, daß es in der Tat hohe Zeit ist , hier Wandel zu afen. (Sehr gut!) Das beste Mittel, einer Steuervermehrung ohne Ueberlastung der Einzelstaaten mit Matrikularbeiträgen tunlichst vorzu- beugen, bleibt jedenfalls immer eine voraussehende haushälterische Finanzwirtshaft im Reihe. Und eine folche zu verbürgen, das betone ich nochmals, ift der get grd und das Endziel der Vorlage. un wi gern zugeben: man kann sih auch auf einen
Standpunkt stellen. Man kann sagen: wir ae ffo L es Reform, wir wollen uns auf einiges Flickwerk beschränken, im übrigen aber fortwirtschaften, so lange und so gut oder so \{lecht es eben geht. Das ist au ein Standpunkt, den man einnehmen fann, wenn auch nach meinem Dofürhalten kein richtiger.
Aber, meine Herren, man wird niht sagen und jedenfalls nit beweisen können , baß der Ihnen vorliegende Geseyentwurf keine Ver- besserungen enthalte. Vielleiht werden sie bei ruhigerer Veberlegung aud von folhen, die unter dem Eindruck der ersten Ueberrashung heftig widersprachen, nachträglich in der Vorlage doch noch gefunden werden; ih möchte wenigstens vorerst die Hoffnung darauf niht aufgeben. / / Sollte es {ließli gelingen, über die Vorlage zwischen den ver- bündeten Regierungen und der Mehrheit des Reichstags zu einer Verständigung zu gelangen, so würde damit ein Werk vollbracht sein, das nach meiner innersten Veberzeugung dem Neiche und seinen Gliedern zu dauerndem Segen gereichen
Bunteéstaaten aus\{ließt.
beraisligen oter aabzulchnez.o(Heiteätalnts.) Deerhaust,emuß id 4
Abg. Dr. Schaedler (Zentr.): An dieser Ste
naturgemäß unsere Blicke auf das Deich und feine Or Mia O hebt sih die Frage: was war bisher und was wird fürde A Unter den ganz besonderen Umständen, unter denen die Eröffnun ersten Session unserer Tagung vor \ich gegangen ist richtet der naturgemäß der Blick empor zu des Reiches Spihe, un sh auch das erste Wort Seiner Majestät dem Deutschen Kaiser ragende, uns allen ist er so nahe getreten, daß wir a
Geschid den innigsten Anteil nehmen. Dank N Maiserlig n Bin n dem deutschen Volke nichts vorzuenthalten, waren wir unterrichtet l, sein Leiden, und tiefe Bestürzung zog dur die deutshen Gauen dem deutschen Volke aber einte sich auch das j wärmster Teilnahme E die Person des Kaisers, und sehen, was der Kaiser ist für die Völker, was er bedeutet il uns. Freudigen Herzens aber auch haben wir von autoritativee Stelle aus vernommen von der Heilung, und wir flehen T Himmel, daß auch die leßte Nachwirkung des Leidens bald verschwinde
ganze Ausland iy
Amtes walte. Wenn wir nun den Blick auf unse Verhältnisse lenken, fo will es mich bedünken, als ob f e nte w rosigsten seien. Der Reichskanzler hat einmal von Extratouren der y j verbündeten. Mächte gesprochen, mir scheint, als ob solche Ertratoure, jeßt die Regel wären, und ih habe das Gefühl, daß wir uns in einer gewissen Jsoliertheit befinden. Möge die Regierung Bedacht nein, auf das gewissenhafteste jene Beziehungen zu pflegen, die uns einen festen Rückhalt bieten können. Einen um so erfreulicheren Widerhall wird das Wort der Thronrede finden, daß der Friede die Basis für die Wohlfahrt der Völker ist. Was den Etat betrifft, so teilen wir das Bedauern des Staatssekretärs, daß es ihm nldt vers gönnt war, bei seinem erstmaligen Auftreten mit einem erfreulicheren Etat vor das Haus treten zu können. Man muß insbesondere he, dauern, daß 30 Millionen Fehlbetrag von 1902 und 594 Millionen Bedarf an ordentlichen Cinnahmen durch eine Zuschußanleihe zu decken sind, aber anerkennen muß man, o der Etat sparsam und vorsichtig aufgestellt ift. E der RNeichsschaßzsekretär mit dem Notslift in den Einzeletai8aufstellungen gearbeitet, so können wir das nur begrüßen und wir sagen: Vorwärts auf diesem Wege! Wenn nser gegen die geforderten Mittel zur Vermehrung des Unteroffizierkorys nichts eingewendet werden wird, so müssen wir uns um so mehr darüber wundern, daß die Forderung. der Gehaltszulage für die 180 Oberstleutnants troÿ der vorjährigen Ablehnung dur den Reichsta wiederholt wird. Neue Gründe dafür werden nit angeführt, woll aber bestehen die alten Gründe gegen die Bewilligung unverändert fort, zumal wir nit vor einem neuen Militärgeseß stehen, sondern vor einer Verlängerung des Quinquennats. Auf das hohe Lebensalter der betreffenden Offiziere könnte man do auch kaum rekurrieren, Man hat au ganz vergessen, was die Reichsleitung selbst in ihre Denk {rift über die esoldungsverbesserungöfrage im allgemeinen hinein- geschrieben hat: da wird jedes Herausgreifen einzelner Klassen von Beamten einfa perhorresziert. Troßdem werden 1700 0C0 X für die Erhöhung der Gehälter der Postunterbeamten, besonders der Landbriefträger gefordert, und wir werden dieser Forderung nicht ent- egen sein. Ernstlicher Se bedarf auch die Beschaffung von itteln für die Gewährung der Veteranenbeihilfen. Ich für meine Person „würde auch gar nit abgeneigt sein, zu diesem Zwee auf den Boden der Wehrsteuer zu treten, die wiederum aus unserer Mitte heraus angeregt ist ; Wogegen wir uns aber mit aller Ent- schiedenheit erklären, ist der Etatstitel 288 000 6 Besoldungs- zulagen für die Kanzlei-, mittleren und Unterbeamten, sowie die Unteroffiziere in den polnischen Landesteilen. Jch werde darauf noch später zurückkommen. Für die geforderte Vermehrung der Stellen für Assistenten und Unterbeamte im Post- und Telegraphen- etat werden wir eintreten. An der sparsamen Aufstellung des Etats hat sih die Marine nicht beteiligt, es scheint für sie überhaupt folche Rücksichten nicht zu geben. Der Etat geht sogar über das im Flottengeseß für 1904 vorgeschlagene Pensum hinaus, obwohl seits dem das Material, Panzerplatten, Munition usw. erheblih billiger geworden ist. Kiautschou hat bis jeßt {hon gegen 70 Millionen vers{lungen, von Erfolgen haben wir noch nicht viel gehört; es wäre wahrlich sehr an der Zeit, daß die einmaligen Ausgaben fi in besheideneren Grenzen hielten. Noch bedenk« liher erscheint die Entwickelung der Dinge im ostasiatishen Etat. Schon im vorigen Jahre hat der Reichstag den dringenden Wuns ausgesprochen, daß diese Ausgaben recht bald aufhören, und daß die Truppen zurückberufen werden sollen. Nun verkenne ich nicht, daß gerade in Ostasien etwas heraufzuziehen sheint, was es ratsam machen könnte, dort niht ganz entblößt und auf andere angewiesen zu sein, Aber es ist anderseits niht zu vergessen, daß uns jeder Mann, der in Ostasien steht, nahezu 6000 (4 jährli kostet. Die ostasiatische Aktion hat unsere Schulden um 270 Millionen Mark gesteigert, es wäre zu wünschen, daß sie nunmehr ihren Zweck erreicht hat. Die Reichs- \{ulden haben sich in den leßten 5 Jahren in geradezu ershreckender Weise vermehrt. Während sie von 1895 bis 1899 um rund 215 Millionen gestiegen sind, beträgt die Steigerung der Shuld in den Jahren 1900—02, also eins{ließlich des vorliegenden Etats, 1020 Millionen, also das Fünffahe. Hiervon entfallen 330 Millionen auf Ostasien und auf Kiautshou, rund 220 auf die Marine, also insgesamt 550 Millionen Mark auf die „Weltpolitik“. Es wäre sehr angezeigt, au auf diesem Gebiete Einkehr zu halten und wenigstens nicht fortgeseht „Volldampf voraus“ fahren zu wollen. In dieser Weise kann es nicht weitergehen ; das liegt auf der Hand. Es ist ernstlih zu erwägen, ob der Weg der Zuschußanleihe, den auch der Reichs\hahßsekretär als einen solchen bezeihnet hat, den man uicht gern, den man nur ausnahmsweise geht, wieder betreten werden muß. Keinesfalls aber darf die Zuschuß- anleihe eine folhe Höhe haben, wie sie im Etat gefordert worden if Ih Mo A aw le A t der Van E sein möge, daß
se ilf8weg der Zuschußanleihe beschrei issen. Ne
T E E der Boilage E ejen des Reichs, zu und bemerkt: Jch nenne den Entwurf nicht ein Windei, aber ich finde in ihm auh nit die ban fa fe rashung des Herrn Paasche im „Tag“. Ich komme nicht darüber hinwe , daß er aus der Miquelshen Vortatskammer stammt. Die BVorláge hat gewiß die gute Absicht systematisher Schulden- tilgung, aber damit hat es noch gute Wege, denn wir haben ein Defizit, Die gute Absicht wird also praktisch noch nichts nügen. Bessert sich aber die Finanzlage, ist es leiht, Schulden zu tilgen, auch ohne Finanzreform, wie die logos Lieber zeigen. Immer- hin wollen wir die auf Schuldentilgung gerichtete Tendenz der Vorlage anerkennen, aber Pee gefällt uns die faktische Beseitigung der R a eenge Pan mag es noch so diplomatish ausdrüdcken, der Kern ist die Aufhebung der clausula Frankenstein und der Matrikular« beiträge. Die Vorlage gleiht dem Miquelshen Automaten aus den Jahren 94 und 95 wie ein Ei dem anderen, nur in der Größe ist cin Unterschied. Der Schahsekretär will die clausula Frankenstein ein- s{ränken, weil sie früher nur eine Wirkung vou 40 Millionen gehabt hat, und nennt es cine Monstrosität, dai sie jeßt auf eine halbe Milliarde wirkt. Aber weder Franckenstein noch der Heren! Windthorst haben 1879 ein Wort davon acagl daß die Klausel auf 40 Millionen be- schränkt sein soll. Gewiß ist die Buhung kompliziert geworden; aber einem der besten Kenner des Etats, vie dem Schaßsekretär, wird das keine Pewiepgteit machen. Er meint, das Volk habe ein Recht, dah ihm der Etat nicht yerdunkelt werde wie ein Buch mit sieben Siegeln; das Volk hat aber cin ganz anderes Interesse an den Steuern, als an einem durhsilhtigen Etat. Die Be- schränkung auf 40 Millionen ist eine vollständige Verkennung der Absicht der clausula Frandenstein; deun sie wurde beschlossen in Poxaussidt der Entwickelung der Dinge und der Erkenntnis, daß die fo einnahmen der wiRte ator im Finanzwesen werden würden ; le wollte deshalb eine konstitutionelle Garantie zur Sicherung des Tb, gungsredis des Neichstags schaffen. Gerade heute, bet fast 600 Millionen, ist die Klausel noch wichtiger als bei 40 Millionen.
wird, (Bravo!)
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
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darum ilt Seine Stellung im Kreise der Bundesfürsten i eine so been A
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wir haben ge,
und der Kaiser in ungeshwähter Kraft unbehindert seines hohe
treffen Xefiberuugei fiä Finanz
(S{hluß aus der Ersten Beilage.)
ormell wird die Klausel zwar nit beseitigt, aber materiell. Es ommt mir so vor : die Tasche mitsamt dem Etikett bleibt, der Wein aber wird ausgetrunken bis auf einen Anstands\{luck. Der Wunsch der Finanzminister der Einzelstaaten kommt gewiß in der Vorlage zum Ausdruck, aber gerade das ist ein Grund dagegen. Wir haben kein nteresse, die Bundesstaaten von der Verantwortung für die Finanz- virtschaft des Reichs zu befreien, ihr Solidaritätsinteresse dafür muß erhalten bleiben. Es ist nit richtig, zuerst Au aben zu be- ri Phi und dann sich zu drücken und dem Reich zu überlassen, sich
Jedenfalls ist die Vorlage eine lex imperfecta. Menn der Staatsfekretär sich dagegen verwahrt, daß die Vorlage ein Zwang zu neuen Steuern genannt wird, fo soll er ih an den Finanzminister in Sachsen wenden, niht an uns; denn er hat über die Ministerkonferenz ein offenes Bekenntnis abgelegt, allerdings nicht gerade zum Norteil der Vorlage. Er sagte, eine dauernde Finanzreform sei nicht denkbar ohne Erschließung neuer Einnahmen auf dem Gebiete der indirekten Steuern, Er hoffte, daß 1904 zum lezten Male die Matrikularbeiträge in dieser Weise den Etat belasten. Darnach erscheint die Befürchtung vor neuen Steuern nicht gerade aus der Luft gegriffen zu sein. Man spricht von mageren Jahren, wir haben aber son recht fette Jahre gehabt, und die Einzelstaaten haben die Erträge ganz hübsch eingeheimst. Ih wundere mi eigentlich, daß die Vertreter der Einzelstaaten auf diese Vorlage so glatt ein- egangen sein sollen. Können deún den mageren Jahren nicht wieder ette Plgen? Oder sollten {hon im dunklen Hintergrunde gewisse Pläne existieren, in deren Vorauswissen die Einzelstaaten sofort auf alles verzihten? Wir haben deshalb die shwer|sten Bedenken gegen die Vorlage. Nichtsdestoweniger beantrage ih deren Ueberweisung an die Budgetkommission, damit fie dort, ihrer Wichtigkeit entsprehend, eingehend beraten werde, eventuell auch — das, was fie Gutes enthält, das leugne ih gar nit, au8geshaltet, — sonstige Vorschläge gemacht werden fönnen, um eine Gesundurg der Neichsfinanzen, die uns ja ällen am Herzen liegt, herbeizuführen. Damit wende ih mi einem änderen Punkte zu. Fürst Bismarck hat einmal gesagt: Den preußischen Leutnant fönnen Sie uns niht nahmachen. Dies Wort wird wohl nun doch etwas eingeschränkt werden müssen seit der Verhandlung vor dem Kriegsgericht in. Mey über Bilses Roman „Aus einer kleinen Garnifon“. Die Gerichtsverhandlungen haben den Roman im großen ganzen als Wahrheit und Wirklichkeit erwiesen. Grua sfizziert die Vorkommnisse, die die Unterlage des Prozesses ilden, z. B. daß zwei Offiziere sih gegenseitig Wechsel ausstellen, daß ein? anderer Offizier im eigenen Interesse die Schwadro::8- a, angreift, daß ein Major vom Zivil niht eingeladen wird usw.) it Staunen wird man, wie die „Deutsche Zeitung“ sagt, in der Urteilsbegründung lesen, daß das Buch des Leutnants Bilse unzweifelhaft vieles Wahre und Beachtens- werte enthält. Bilse ist auch nicht wegen Verleumdung, sondern wegen Beleidigung angeklagt uud verurteilt worden. Auch die „Leipziger Neuesten Nachr.“ bekannten, daß wenigstens fo viel erwiesen sei, daß in einem preußischen Offizierkorps Zustände einreißen fonnten, wie fie sh auch die dunkelste Phantasie kaum ausgemalt hätte. Ich bin der allerleßte, der bier an Verallgemeinerung denkt. Der Stand, dem anzugehören ih die Ehre habe, muß ja selbst unter der Verallgemeinerung von Fehlern, Lastern und Verbrechen leiden, und eine gewisse Presse beutet das aus. Sie pflegt, wenn das Gegenteil bewiesen wird, niht zu widerrufen. Bezeihnend ist, daß ein Leutnant auf die Frage des Verhandlungsführers : „Haben Sie einen ausgedehnten Mädchenverkehr gehabt ?“ antwortete: „Daß ih mit Mädchen verkehrt habe, ist selbstverständlich, jeder Leutnant tut das.” Jch nehme diese Verallgemeinerung unter keinen Umständen an; aber auch in vielen anderen Fällen hat man im Offizierkorps [eihtsinnig gelebt und die pr Sitte verhöhnt, das Eheband mißachtet. Der Harmlosenprozeß ï
einzuriten.
at gezeigt, daß solche Fälle nicht allein in kleinen Garnisonen vor- ommen. Ih möchte mich in dieser Beziehung auf das Urteil eines Mannes berufen, dem Sachverständige! niht abgesprohen werden kann, auf das des Obersten a. D. Gaedke. _Er weist darauf hin, daß auch Landräâte, Aerzte, Oberlehrer, Bürgermeister usw. si in derselben Lage befinden wie die Offiziere. Man follte diesen Schäden seine Augen nicht verschließen und auf Mittel zur Abhilfe sinnéèn. Jch meine, es zeigen fich hier die Symptome einer inneren Krankheit, und das Gefährlichste wäre, sie vertushen zu wollen, oder mit Schönheitspflästerhen helfen zu wollen. Anzuerkennen ift, daß der Prozeß in voller Oeffentlichkeit geführt worden ist. Wollte man hier vertushen oder beschönigen, so würde man der Krankheit nur neue Nahrung zuführen. Ich habe das Vertrauen zu- dem neuen Kriegsminister, daß er mit Energie eingreifen wird. Man hat vorgeschlagen, nur einen Aufenthalt in einer bestimmten Anzahl von Sabora in den Grenzgarnisonen, weiter die Angliederung des Trains an die Feldartillerieregimenter einzuführen; vor allem wird notwendig En ein eiserner ent um die unsauberen Elemente hinauszukehren. ber auch diese Aeußerlichkeiten s niht. Ich verkenne nicht die schwierige Stellung des Offizierkorps, aber es ist nicht zu billigen, wenn gewisse Offiziere gering\chäia auf andere herabblicken ; auch von einer besonderen Ehre der Öffiziere kann nicht die Nede fein. Ge-
lehrte, Künstler usw., selbst der Arbeiter in der Bluse steht gerade \o
6. Redrer -winnert tamtean- verscheden@ Vorschläge, nameptlih
an den Golßschen, der davon fvricht, daß keine Mühe gescheut werde dürfe, den Offizier mit dem Stolz der Armut zu erfüllen. Sehr dankenswert sei auch der Vorschlag, da eee Stand wieder: zur Ein- fahheit zurückkehren müsse. Man fragt sich, fährt er fort, wie war so etwas mögli in einer Grenzgarnison unter den Augen eînes der schärfsten befannten Truppenführer. Auch die Soldatenmißhandlungen haben im Volke große M aerabigung hervorgerufen ; bedenklich ist in vielen ällen die raffinierte, ausgeflügelte, brutale Art der _Mißhandlung. b die Mißhandlungen zugenommen haben gegen früher, wage ih nicht zu entscheiden. Wäre die Militärverwaltung nicht geneigt, Interesse einer klaren Beurteilung der Sache eine Statistik darüber vorzulegen ? Wir müssen es als einen Segen der Oeffentlichkeit des Verfahrens bezeichnen, daß die Fälle nicht vertusht, nit beschönigt und nicht verdunkelt werden. Möge die Militärverwaltung in ihrem Streben, solche Schändlichkeiten zu beseitigen, nie erlahmen. Das Schlimmste aber is, daß die brutalen Quäle- reien und Mißhandlungen niht auszurotten sind. Wir halten es für die Pflicht eines jeden Deutschen, der fein Vaterland wirkli liebt, seine Stimme zu erheben und Abhilfe zu fordern im Interesse der Armee selber. Wir sehen in der offenen Besprehung der Frage einen Dienst, den wir dem Vaterlande und dem Heere er- weisen Jch habe nit Lust, das Beispiel unseres früheren Kollegen Antrick mit seiner Dauerrede nachzuahmen. . Ich beschränke mich darauf, Einzelfälle von Soldatenmißhandlungen aus der leute Zeit vorzuführen. Redner bespriht dann zunächst den all des Unteroffiziers vom 4. Garderegiment z. #F- Breidenbah und einen Fall von Soldatenmißhandlung in Rendsburg, wo der Miß- bandelte irrsinnig geworden sei. er Hauptmann sei nur wegen Unterlassung einer dienstlichen Meldung vom Kriegs eriht zu sieben onaten Festun verurteilt. Redner legt den Gang der Ver- handlungen vor s Kriegsgericht dar, in denen festgestellt ei, daß der betreffende Soldat Tag für Tag, oft bis zur Bewußtlosig-
| straft würden, und erwähnt die
im.
Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und
Berlin, Donnerstag, 10. Dezember
M Pganteungen und auch die
L lichsten Flärt habe. Obwohl die {euß E ann über die fortgesetzten
Tatsache erwiesen fei, daß Sin A ania eworden, habe das Oberkriegsgeriht die Strafe von sieben Monaten auf vier Monate herabgeseßt. Nedner führt noch eine ganze Reihe ein Iner Fälle von Soldatens-
ißhand , heb vor, daß die Vorgeseßten nur milde be- Ban unge ae Ea Ueufgrung eines Verteidigers: „Wer
nur in das* Kasernenleben hineingeschaut hat, wird derartige Vor- fommnisse als fameradscaftlihe Erziehungêmittel ansehen, die not- wendig find“; sowie die Aeußerung eines Verhandlungsleiters, der es eine jammervolle Erscheinung genannt habe, daß trog aller Be- firasangen die Mißhandlungen nit unterblieben, daß die Mann- chaft dur diese abgestumpft und die Disziplin verleßt werde. Von Anfang Januar bis Ende März seien 49 Fälle von ab- geurteilten Mißhandlungen und _vorschriftswidrigen_ Behandlungen verzeichnet worden; wie viele Fälle kämen aber überhaupt nicht in die Oeffentlichkeit, und no viel weniger zur Aburteilung, weil die Leute ih sagten, das Beschweren nüge doch nichts, sie würden dann noch mehr geshuhriegelt. Von den Allerhöchsten Stellen sei in entshiedenster Weise gegen die Soldatenmißhandlungen Stellung genommen worden, wie durch den Erlaß des Königs Georg von Sachsen, den Erlaß des Erbprinzen von Sahsen- Meiningen, den Bn N bayerischen Kriegsministers von 1891 und durch Worte Seiner Majestät des aile. besonders dasjenige vom 6. Februar 1890: „In Meiner Armee oll jedem Soldaten eine geleß liche und gerechte und würdige Behandlung zuteil werden, weil fie wesentli die Grundlage bildet für die Dienstfreudigkcit und die Hingebung an den Beruf, und das Vertrauen zu den Vorgeseßten erweckt und fördert.“ Das Beschwerdereht der Soldaten sei sehr zweifelhafter Natur, und wie stehe es denn, wenn nit der betreffende Soldat ih beshwere ? Der Fall Rehbein und dessen Inhaftnahme gebe darüber drastische Auftlärung, Se Aenderung des Beschwerde- rets sei notwendig. In der des Obersten von e heine ihm (Redner) «besonders wertvoll, daß die höheren Vorgeseßten für die Handlungen der mittleren Vorgeseßten verantwortlih gemacht würden. Der Hauptmann müsse wissen, was in der Kompagnie vorgehe; wen er seine ganze Autorität einseze und die erforderliche Aufsicht übe, könne er Soldatenmißhandlungen verhindern. Redner wendet sich dann zu den Fragen der Hebung des Bauernstandes und des Handwerkerstandes. Außer durch Handelsverträge und Zolltarif müßte dem Bauernstand au in anderer Weise geholfen werden. Der Bauernstand sei an den Militärlasten besonders beteiligt, deshalb müsse ihm* die Ein- quartierungslast durch anges Erhöhung der Verpflegungs\säße erleichtert werden. Das Reich sclle sih von seinen ärmsten Be- wohnern nichts {enken lassen. Bet der Einberufung der Reservisten folle auf die Arbeiten der Landwirtschaft Rücksiht genommen werden, narnentlih- auf die Heuernte. Das Handwerk erwarte nicht allein Hilfe vom Staat, sondern auch von dem gegenseitigen Zu- sammens@luß und dem Ausbau des Genofsenschaftswesens. Die Aus- bildung von Lehrlingen folle nur solhen Handwerkern zustehen, welche die Meisterprüfung gemacht haben ; für das Baugewerbe | ollte endlich der Befähigungsnachweis eingeführt, die Forderungen der Bauhandwerker sollten gegenüber dem Bauschwindel geschüßt werden. Ebenso wichtig sei die Arbeiterfrage, also die st rage im engeren Sinne. Im Hinblick auf das Wort der Thronrede, fährt der Redner fort, daß die soziale Gesetzgebung fortgeführt werden folle, unbeirrt dur politische Strömungen, möchte ih die verbündeten Regierungen erinnern an die durch den Kaiserlihen Erlaß vom 4. Februar 1890 in Anse gestellten Institutionen jus Pflege des Friedens zwischen Arbeit
und Arbeitnehmern. óge der hohe Bundesrat an die Errichtung von Arbeitskammern gehen. Wir fordern Anerkennung der G
berechtigung an Stelle des fortgeseßten Kampfes, Anerkennung der gleihberechtigten beruflihen Arbeiterorganisationen, um eine Regelung der Lohn- und Arbeitsverhältnisse zu erzielen; Beseitigung aller eng- herzigen Verxationen durch die verschiedenen Vereins- und erjammlungs- rechte, Verleihung der Rechtsfähigkeit an die Berufspereine. Wir vertreten den Grundsaß, das Erreichbare vorzunehmen, und überlassen es anderen, uns mit großen welters{hütternden und umstürzenden Forderungen zu übertrumpfen, um Anhänger zu gewinnen. Wir wollen den Arbeitern ihr Recht widerfahren lassen. Der Bundesrat nimmt gegen- über unseren Forderungen eine ci E Stellung ein. Wir be- schließen zwei-, dreimal, und der Bundesrat sieht id nicht bewogen, aus seiner Ruhe herauszutreten und Stellung zu nehmen. Das gilt namentlich in bezug auf unseren Antrag e: Bewillung von Tage- geldern an die Mitglieder des Reichstags. Am Schluß des ab- gelaufenen Reichstags wollte man noch nicht daran gehen. Nun ift der neue Reichstag da, und über allen Wibfeln ist Ruh’. Man hat beinahe die Anschauung, daß der Bundesrat den Reichstag niht als gleihberechtigten geteßgeberishen Faktor, sondern als eine quantité négligeable aufieht. Au in den Wähler- kreisen tritt diese Erkenntnis zutage. an sagt ih, daß, wenn das noch lange dauert, der Reichstag orlagen der verbündeten Regierungen gegenüber im Interesse seines Ansehens und seiner Ehre si : ebenfalls auf den gleihen Standpunkt zurückziehen müsse. In Hannover hat man Männer, die ihrem früheren rrscher- haus in Ehrfurcht und Liebe ergeben find, als Feinde ezeichnet. Der Minister ‘des Innern in Preußen wird hierauf hoffentlich die Antwort nit \{chuldig bleiben. Die Oftmarkenzulagen werden wir
hieß es, das gehöre nit in den Reichstag, sondern in den preußischen Landtag. Nun bringen uns die verbündeten Regierungen die Polen mitten in den Reichstag hinein. Wir sehen in den betreffenden Me die’ Zumutung der tatsächlichen Sanktionierung und Unter- tüßung der preußischen P Diese aber halten wir für durchaus ungerecht. Wir stehen auf dem Standpunkt unserer Freunse im preußis{hen Abgeordnetenhause. Nach unserer Auffassung ind die Polen vollberechtigte Untertanen des eupiien Staats. Sie haben dieselben staattbürgerlichen Rechte und sie haben denselben Anspruch auf gerechte und wohlwollende Behandlung seitens der Staatsbehörden, sie haben Anspruch gui Beibehaltung ihrer volks- tumlichen Sitten und Gebräuche, insbesondere ihrer Rer Dv die ihnen niht genommen werden darf. Es würde gegen das Natur- ret, gen mensclihes und göttlihes Ret verstoßen, die Paien dieser Cigentümlichkeiten zu entkleiden. Demgegenüber baben die Polen aber aus die Pflicht, auch die moralishe und Gewissenspflicht, treue Untertanen des preußishen Staats zu sein, ihre Pflichten gegen König und Land zu erfüllen, und auf alle Bestrebungen, auf die Her- stellung eines großpolnischen Reichs zu verzichten. Die Zulagen werden, da sie wikerculli sein sollen, das Strebertum und Denunziantentum befördern. Elsaß-Lothringen muß verfassungsrechtlich dieselbe Grundlage gearben werden wie den übrigen Staaten. Elsaß-Lothringen ist und
leibt deutsch und hat das Recht, deuts behandelt und regiert zu werden. Um die Mindershäßung des religiösen Empfindens und die Beeinträchtigung und Verkümmerung des Bekenntnisses zu beseitigen,
räsentieren wir Ihnen wiederum unseren Toleranzantrag und geben
hnen Gelegenheit, deutshe Staaten, wie Mecklenburg, Aun ori, Sachsen, von dem Privileg der Katholikenquälerei zu befreien. Wir präsentieren Ihnen wiederum den Antrag auf Aufhebung Lten,
eseßes, damit niht mehr Hunderte von deutshen Landeskindern ihres
eimatsrechts beraubt werden, und dieser Makel das Reich niht mehr
ablehnh® Als her ote polnishe Avrefienfrage- zur Spracze §n,.-1
Königlich Preußischen Staatsanzeiger.
1903.
Staatsanwalt gibt, der \sich nit klar ist über die ihm zustehenden Rechte. Er sagte zu den Geshworenen: „Wenn Sie noch mehr Bes weise verlangen sollten, so würden Sie dem viel angefeindeten Schwur- gerihtsverfahren direkt. das Todesurteil sprechen.“ Derartiges fommt einem Staatsanwalt nicht zu. Wir Katholiken haben noh einen besonderen Grund, Herrn Staatsanwalt Müller ein Vergißmeinniht zu widmen. Er sagte: „Kein preußisches Zivilgericht — darauf gebe ih Ihnen | Brief und Siegel — wird die Identität des Kindes aussprechen. Madchen Sie den alten Spruch zur Wahrheit: Es gibt noch Richter in Berlin. Ja, zeigen Sie, daß es noch Richter in Berlin gibt, die ih nit auf der Naje herumtanzen lassen von finsteren Scheinmächten von Leuten, die Meineid auf Meineid {wören und nachher be ihren Geistlichen beiten.“ Von einem Staatsanwalt darf man er- warten, daß er niht in gröbster Unkenntnis der katholischen Lehre und Moral ‘ sich befindet. Jeder Katholik weiß, daß niemals auf Vergebung vor dem NRichterstuhl der Buße zu rechnen ist ohne Reue, ohne Genugtuung, oder wenn einer im mee Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit Sünde auf Sünde häuft. Darum protestiere ih gegen eine solche Behauptung, für die man in anständigen Kreisen nur ein Wort hat, das ih aber parlamen- tarisch niht gebrauhe. Wenn der Staatsanwalt Müller an das Wort erinnert: „Es gibt noch Nichter ‘in Berlin“, so erinnere ih daß es auch eine Pflicht gibt, ein Unrecht wieder gut- Redner wendet ih ferner gegen das Verfahren, daß ein einer Zeitung, vom Redakteur bis des Zeugniszwanges verfolgt werde. Gegen das Verfahren der Militärgerihte , Vergehungen der Soldaten in {härfster Weise zu ahnden, aber in mildester die Ver- gehen von Vorgeseßten gegen Soldaten, protestiert Redner und weist auf einen Vergleich, den Breslauer Blätter anstellen, hin, wona ein Automobilist, der einen Menschen totgefahren und die Spuren seiner Tat beseitigt habe, nur mit einer us Gefängnis bestraft sei, dagegen Streikende, die Arbeitswillige auf die Füße getreten hätten, mit anderthalb Jahren Gefängnis bestraft worden seien. Redner wendet sich zum Schluß seiner zweieinhalbstündigen Ausführungen gegen die materialistische Welt- anshauung, die das riesige Anschwellen der Sozialdemokratie zeige ; daß die wirtschaftlichen Verhältnisse der Besserung bedürsten, das be- weise auch die Zunahme der Kriminalität, wie für 1901 und 1902 von der „Deutschen Juristenzeitung“ statistish nachgewiesen sei. Jn leßter Zeit wiesen auch viele Seiten, die n bisher nicht darum fümmerten, auf die Auswüchse der Pseudokunst und Pseudoliteratur hin. Das feien alles Symptome für die Fäulnis der Volksmassen infolge der materialistischen Weltanshauung. (Lachen bei den Sozial- demokraten.) Wenn Sie (links) darüber auch lachen, führt der Redner weiter aus, ist es doch niht unwahr. Diese Anschauung durchsett die weitesten Kreise und zeigt sich in inne nes und Herren- moral. Hier liegt es an uns und an den verbündeten Regierungen, den Finger in die Wunde zu legen und zur Heilung mitzuwirken. Die ufgabe der Regierung ershöpft sich nicht allein durch die Aufrecht- sondern sie ist auch e E ger
daran, zumachen. ganzes Personal einer Druderei, zum leßten Seßer auf Grund
erhaltung der auteren Ordnung, / 1 e e zu beseitigen, die f dem freien Walten höherer geisl ächte entgegenstellen, und christliche Sitte zu pflegen. Ich bin über- zeugt, daß auch im 20. Jahrhundert der ewige Jungbrunnen, das Christentum, Deutschland aufs neue zu befruchten imstande ist.
Darauf vertagt nach 6 Uhr das Haus die weitere Be- ratung auf Donnerstag 1 Uhr.
Literatur.
Geschichte der deutschen Literatur von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Von Profesor r, Artedats Vogt und Professor Dr. Max Koch. Zweite, neubearbeitete und vermehrte Auflage. Mit 170 Abbildungen im Text, 27 Tafeln in Holzschnitt, KupferstiG und Farbendruck, 2 Buchdrucktafeln und 32 E beilagen. 16 Lieferungen zu je 1 #4 oder in 2 Halblederbänden zu je 10 « Verlag des Bibliographischen Instituts in Leipzig und Wien. — Seit dem ersten Erscheinen dieser „Geschichte der deutschen Literatur“ im Jahre 1897 hat die rastlos vorwärtsshreitende Literatur- wissenschaft eine bedeutende Anzahl neuer und wihtiger Forshungs- ergebnisse zutage gefördert. Diese in dem Werk zu verwerten und es damit auf die Höhe der Zeit zu bringen, ist die auptaufgabe der beiden Verfasser bei Bearbeitung der zweiten Auflage, die unter Wahrung des ursprünglichen Charakters des Buches nunmehr in zwei Bänden zu erscheinen beginnt. Der erste, aus der Feder Professor Vogts, wird das Mittelalter und die Neuzeit bis zu Opiy? Reform behandeln, der zweite, von Professor Koch verfaßt, die Entwickelung der deutschen Literatur bis zur Gegenwart weiterführen. Jedem von ihnen wird außer einem ausführlichen Register ein Literaturnachweis beigefügt werden, in dem der Leser die literarishen Quellen findet, die über ihn besonders interessierende Fragen s\peziellere Belehrung geben. Die soeben erschienene erste Lieferung des Werks behandelt zunächst die Zeit des nationalen Heidentums, Glauben und Dichten der alten Ger- manen, die Völkerwanderung und die Entstehung der deutschen De L e. Sodann leitet sie binüber zur chriftlih-lateinishea [tur, ildert die Anfänge der rômish-christlihen Bildung in Deutschland und die Anfänge des deutshen Schrifttums unter den Karolingern, führt den Leser vom Heldenlied zur geistlihen Dichtung. Den „unterhrehey. Jgitialen, Fakßmiles (Merseburger Zauber|prucd, Wulle filas Bibelüberseßung, Ludwigslied) und andere Illustrationen (dié große Nordendorfer Spange, das Grabmal.des Themerts in na die, alle mit größter tehnischer Sorgfalt erge tellt, niht bloß Schmudck, sondern vor allem als belehrendes eranshaulihungêmittel dienen. Eine weitere höchst willklommene Beigabe dieser ersten Liefe- rung sind vier Volltafeln: „Hund und Wolf“ (aus Boners „Edelstein“) in SFarbendruck, „Eine Seite aus dem Vatikanishen Bruchstück des
liand* als Faksimile, „Die Hauptvertreter des jungen Deutschland" in Holzshnitt und „Die wichtigsten Musenalmanache“ in Buchdruck.
— Diesterwegs pops re Himmelskunde und matde- matische Geographie. Neu bearbeitet von Dr. Wilhelm Meyer, vorm. Direktor der Gesellshaft Urania, unter Mitwirkung von Professor Dr. B. Shwalbe, weil. Direktor des Doro
ädtishen Realgymnasiums in Berlin. 20. vermehrte und erte
uflage. Verlag von Henri Grand in Hamburg (7 #, geb. 8 M). — Der Umstand, daß dies Buch bereits eine 20. Auflage erfordert, \spriht am besten für die große Beliebtheit, deren es in weiten Krei erfreut. Diese weite Verbreitung des Diesterwegschen Werkes ist E berechtigt, denn seine populäre Fe ebenso ein ¡uverlässi er Führer, wie sie dem Leh praktische Fin erzeige für die pädagog! he Behandlung der A und der mathematishen Geographie bietet. Die Neu g ist durchaus in dem Geiste Diesterwegs gehalten, und hat das Werk, ines dem die größen FortsGrete der modernen Himmelskunde von gediegenen
issenschaft bearbeitet und in die Darstellung binein-
Kennern dieser gezo en wurden, berei und auf den Stand des heutigen mischen Wissens gebracht.
Der deutshe Universitätskalender, den or Dr. Ascherson mit amtlicher Unterstüßung bera ift E L ad lage von K. G. Th. Scheffer in gena für das 1903/04 erschienen. (2,25 #, geb. 3 #Æ) — Der Kalender
ein ausführlihes Vorlesungêverzeichnis aller t via ‘o Mhe r vis der dex
keit, in der brutalslen Weise mißhandelt sei, und daß der Haupt- manu ihn auf seine Beschwerde für einen Simulanten er-
lastet. I fomme jeßt zu dem shneidigen Staatsanwalt Dr. Müller in dem Kwilecki-Prozeß. Es is wunder}am, daß es in Berlin einen
und landwirtschaftlihen Hochschulen, ferner
eburger Zauberspru, Wle F