1883 / 15 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 17 Jan 1883 18:00:01 GMT) scan diff

schiedensten Seiten gegen den Geseßentwurf vorgebracht würden, ließen die Annahme des Amendements Westerburg wünschenêwerth erscheinen. Sodann wurde die Diskussion geschlossen; der Antrag Westerburg wurde mit 152 gegen 105 Stimmen verworfen und die Fassung der Regierungs- vorlage mit großer Mehrheit angenommen.

Hierauf fuhr bei Schluß des Blattes das Haus in der Berathung der weiteren Paragraphen des Geseßentwurfs fort.

Ein thätliher Angriff gegen einenBeamten in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 1. Strafsenats, vom 18. No- vember v. J., schon in dem Ausholen zum Schlage gegen den Beamten zu finden und als Widerstand gegen die Staats- gewalt zu bestrafe», auch wenn der Schlag den Körper des Angegriffenen gar nicht trifft.

Werden in einer Eingabe an eine Behörde in Bezug auf diese Behörde selbst herabwürdigende Behauptungen ‘ider oder ohne besseres Wissen aufgestellt, welhe nur zur Kenntniß der Mitglieder dieser Behörde gelangen sollten und auch thatsächlich eine weitere Verbreitung nicht erlangt haben, so ist der Absender, nah einem Urtheil des Reichsgerichts, I1IT. Strafsenats, vom 30. November v. J., weder wegen ver- läumderischer Beleidigung aus §. 187 Str. G. B., noch wegen qualifizirtcr Beleidigung aus §. 186, sondern nur wegen ein- facher Beleidigung aus §. 185 zu bestrafen.

Nat einer Allerh. Ordre vom 30. Dezember v. J. ist die Jnstitution der Feldwebel-Lieutenants für die Ersatz- truppen des Seebataillons einzuführen.

Dos „Marine-Ver.-Bl.“ veröffentliht folgende Nach- rihten über Schiffsbewegungen (das Datum vor dem Orte dedeutet Ankunft daselbst, nah dem Orte Abgang von dort). S. M. Knbt. „Albatroß“ 21./11, 82 Montevideo. Leßte Nachricht von dort 3./12, 82. Beabsichtigte am 11./12. 82 nah Colonia zu gehen. (Poststation: Montevideo [Uruguay].) S. M. S. „Carola“ 13./9. 82 Apia. Lebte Nachricht von dort 26./9, 82. Beabsichtigte in der zweiten Hälfte November pr. nah Sidney zu gehen. (Poststation : Sidney [Australien].) S. M. Knbt. „Cyclop“ 14./10. 82 Alexandrien. Leßte Nachricht von dort 15./12. 82. (Post- station: Alexandrien [Eaypten].) S. M. S. „Elisabeth“ 13./11. 82 Swatow. Befand sich na telegraphischer Mel- dung am 25./11, 82 in Hongkong. (Poststation: Hongkong.) S. M. S. „Gneisenau“ 10./12. 82 Carthagena 11./12. 82. 12./12. 82 Gibraltar 14./12. 82. 14./12 82 Tanger 14./12. 82. 19./12. 82 Plymouth 19./12, 82. 24./12. 82 Riel. S. M. Knbt. „Hyäne““ 24./8, 82 Valparaiso 26./8. 82 (Poststation Sidney [Australien].) S. M. Knbt. „Jltis“ 3./11. 82 Foohow (Pagoda Anchorage) 7/11. 82. 10./11. 82 Foochow 15./11. 82. 19,/11. 82 Shanghai. (Post- tation: Shanghai.) S. M. S. „Leipzig“ %29./12. 82 Montevideo. Beabsichtigte am 3./1. 83 die Reise fortzuseßen. (Posistation: bis 23./1. Callao {Peru], vom 24./1. ab Yoko- hama) S. M. Av. „Loreley“ 28./11. 82 Konstantinopel. Leßte Nachricht von dort 11./1. (Poststation: Konstanti- nopel.) S. M. S. „Moltke“ 20./10. 82 Valparaiso. Lett- Nachricht von dort 21./11. 82. (Poststation: Panama.) S. M. S. „Nymphe“ 22./12. 82 Palermo 2./1. 5./1. Malta, (Poststation: Malta.) S. M. S. „Olga“ 7./12. 82 St. Thomas 13./12, 15./12, Dominica (Prinz Ruperts- Bay). (Posistation: St. Thomas [Westindien].) S. M. S. „Stosh“ 27./10. 82 Yokohama 13./11. 82. 15./11. 82 Kobe. Leßte Nachricht von dort 26./11. 82. (Poststation: Hongkong.) S. M. Knbt. „Wolf“ 24./10. 82 Nieushwang 11./11, 82. 16./11. 82 Tientsin. (Poststation: Hongkong.)

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 15. Januar. Die Ansprache, mit welcher der Staats-Minister von Hofmann heute den Landesaus\chuß von Elsaß: Lothringen eröffnete, hatte nah der „Els. Lothr. Ztg.“ folgenden Wortlaut :

Geebrte Herren!

In Vertretung des Herrn Statthalters, welcher dur Unwohlsein zu seinem lebhaften Bedauern verhindert ist, Sie hier zu begrüßen, babe ich die ECbre, Sie bei dem Beginne der neuen Session berzlid willkommen zu heißen. Außer dem Landeébausbalts-Etat für 1883—84, der Ihnen nekst der Haushalts - Uebersiht von 1881—82 und der allgemeinen Re{bnung von 1878—79 \{on zugegangen ist, werden Ihnen vorauésidtlih im Laufe der Session noch zwei Gesetzentwürfe, nämli der Entwurf eines Jagdpolizei- gesetzes und der Entwurf eines Katastergesetes vorgelegt werden.

Meine Herren! Die Hochwasser der jüngsten Zeit baben leider au in unserem Lande große Verheerungen angerichtet. Soweit es si dabei um Beschädigung von Privateigenthum handelt, baben Se. Majestät der Kaiser als Beihülfe zur Linderung dec augenblick- liden Noth aus dem Allerböcbsten Dit vositionsfonds bei der Landeéhauptkasse 15 000 M bewilligt. Außerdem ist von der Summe von 600 000 M, wele Se. Majestät zu gleidem Z2wecke für die Uébersbwemmten des ganzen Rheing-bieis aus dem Diépositionsfonds bei der Neichéhauptkasse bewilligt haben, ein Beitrag von 40000 dem Herrn Statthalter zur Verfügung gestellt worden. Be- hufs angemessener Vertheilung und Verwendung dieser Summe ist das Erforderliche bereits angeordnet. Im Uebrigen hat die von ver- scbicdenen Seiten aufgerufene Privatwoblthätigkeit schon namhafte Spenden geliefert, um der vorbandenen Noth zu steuern. Ob und inwieweit wegen der an Staats-, Bezirks- und Gemeindeeigenthum entstandenen beträcbtliden Schäden außerordentlide Bewilligungen aus Landesmitteln nötbig sein werden, läßt sich zur Zeit noch nicht mit Bestimmtheit übersehen.

Im Namen Sr. Majestät des Kaisers erkläre ib die Session des Landezausschusses für eröffnet!

16. Januar. (W. T. B.) Am S@lusse der gestern Abend zu Ehren des Landesausschusses gegebenen Tafel hielt der Statthalter General - Feldmarschall Freiherr von Manteuffel folcende Rede:

„Mein leidiger Gesundheitszustand hat mich zu meinem lebbaften Bedauern verhindert, Sie, geehrte Herren des Landetaut\chusses, heute amtlich zu bewillkommnen. Um so mebr ist es mir Herzent- bedürfniß, Ihnen meine Freude auszusprechen, Sie an meiner Tafel vereinigt zu sehen und Sie auffordern zu können, auf das Wobl unferes von schweren Wafsferfluthen jeßt heimgesubten, aber doch von Gott so reich gesegreten Elsaß - Lothringens zu trinken. Zuvörderst gedenke ich aber in tiefer Theilnahme ¿weier Mitglieder, die nit mehr in unserer Mitte sind; den einen noch in voller Juger.d und Mannecéfkraft, allgemein geliebt und geachtet, entriß uns Gott turch jäben Tod. Der andere erlag einer langen, dur seine Berufétreue sich zugezogenen Krankheit. Fricde ihrer Asche! Und nun bleibe i bei meinem Brauche, cinige vertraulide Worte an Sie zu richten. Aber, geehrte Herren, ih wende mich heute nit an Sie, als an die Mitglieder des Landesaut\chuses, denn Sie kennen das Bestreben der Regierung, in gemeinscbaftlichen Arbeiten mit Ibnen das Wobl und die Interessen des Landes zu fördern und die Regierung kennt Ihren Patriotismus und weiß, daß Sie bei Ihren Berathungen nur *die Sache im Auge haben und Ihrem Wunscbe, sie durcþ die freicste und cffenste Aussprache ibrer Ansichten und Meinungen aufzuklären , gern nachkommen. Es bedarf bier na keiner Richtung meiner Bitten, Ich wende mich beute an

Sie, geehrte Herren, als an politishe Männer, welche das Vertrauen des Landes besitzen und will über den Stand unserer Verfassungs- frage sprechen. Volle Klarbeit hierüber ist geboten. Schon als ich das erste Mal die Ehre hatte, Sie bei mir zu schen, habe ib es aus- gesprocen, daß nach meiner Ansidt Elsaß-Lothringen von dem Tage seiner Wiedervereinigung mit Deutschlard an in seine vollen deutscen Landesrechte tritt, weil es diese niemals verwirkt gehabt, denn nicht freiwillig war es zu Frankrei getreten, vur durch die Schwäche des Reichs war cs diesem verfallen. Jch habe Ibnen ferner autgesprocben, daß ih es mir als Aufgabe meiner letzten Lebensjahre gestellt, diesem Lande seine vollen Verfassung8rechte zu erwerben. Sie fönnen fich also denken, wie alle meine Handlungen nur dieses Ziel im Auge haben. Und selb Maßnahmen, die momentan recht unpopulär seinen, und zu deren frühen Ergreifen bei den fortwährenden Agitationen von auêwärts mich das Gebot der Selbfterhaltung zwang, bängen doch mit diesem Grundgedanken zusammen, denn es liegt ja nit eine bloße Recbtéfrage vor: es ban- delt sid zugleih um eine politise Frage, bei deren Erledigung das Reich seine eigenen Interessen mit in Betracht ziehen, bei der es die Ge- wißheit haben muß, daß Elsaß-Lothringen selbst das Definitive seiner Wiedereinigung mit Deutsbland anerkennt. Kann ich diese Frage bejahen ? Nein! Ich führe einzelne Fälle an. No zu einer Zeit, wo während der ganzen Situngsperiode französis gesproben wurde, nahm ein Mit- glied des Munizipalraths in Metz die auf ihn gefallene Wahl nicht an, weil er niht Deutsch verstände. Dreimal wurde diese Wahk er- neut und dreimal wurden Männer gewählt, welche die Wahl aus dem- selben Grunde ablebnten. Französische Blätter priesen das. In Deutsch- land mate es den Eindruck der Demorstration. Vor Allem wicd die Stim- mung in Elsaß-Lothringen dur seine Abgeordneten zum Reicbätage bezeinet ; deren Auftreten daselbst hat Einfluß auf unsere Verfassungs- Fortbildung. Sckwer ist es, hierüber zu spreben, denn der Reichs- tagEabgeordnete ift keines Einzelnen Kritik unterworfen: frei und selbständig steht er da, nur Gott und seinem Gewissen verantwortlic. Das erkenne ich an und fern kin ic davon, über Personen urtheilen zu wollen. Ib übe nur das Recht, über die Folgen zu sprecben, welhe das Auftreten unserer Reichétagéabgeordneten im Reichstage auf die Fortentwicklung unserer Verfassung hat. In diesem Sinne bitte ih die Herren Reichstagsabgeordneten, mi aufzufassen. Gleich nachdem ic das Land betreten, wurde ih mit Adressen und Petitionen bestürmt, welche den Verfall von Neubreisah scilderten. Ib ging felbst hin und überzeugte mib von der Rich- tigkeit der Klagen. Viel habe ib gedabt, wie zu hbelten. Die Garnison wieder zu verstärken, lag nicht in meiner Macht. Da geschah in einem Gespräche der französisben Einrichtung der Enfants de troupe Erwähnung und wurde hervorgehoben, wie bei dem friegerishen Geiste des Elsaß diese Einrichtung Anklang gefunden habe; so kam i auf den Gedanken, als Erfaz hierfür eine Militär-Knaben-Erziehungsanstalt zu errichten, und um der Stadt zu helfen, diese nah Neubreisach zu verlegen. Wie viel Berichte habe ich geschrieben, um zu erreichen, daß der Antrag dem Reichstage vorgelegt würde. Seine Annahme scheiterte an dem Widerspru der elsaß- lothringifchen ReicbstagEabgeordneten. Einer dieser Herren sprach von Anfang an dagegen; ein anderer, der ein warmes Herz für die arme Stadt hat, entsagte dem Worte, weil cin Redner die Vorlage als eine zur Germanisirung führende empfohlen hatte und Neubreisah erhielt keine Hülfe! Welchen Eindruck über die Stimmung in Elsaß-Lotbringen muß es macen, wenn Vertreter von ibm lieber eine vaterländische Stadt verkümmern lassen, als nur den Schein auf sich zu nehmen, sie stimmten für eine Maßnahme, die zur Germanisirung führen könnte. In der leßten Reichstagssession bat die Mehrzahl der elsaß-lothringishen Reichétagsabgeordneten An- träge auf Abänderung des Sprachgefeßes und auf die Auf- hebung des Diktaturparagraphen gcstellk. Der erste jener An- träge hat ja eine mich persönlich betreffende Bedeutung, und war gegen mein Verbleiben als Statthalter des Landes gerichtet, denn auf der Hand licgt cs, daß, wenn Se. Maj-stät der Kai'er dem Antrage Folge geben, Allerhöchstdieselben einen in so hobwitiger Frage (desavouirten Diener nicht in seiner Stellung belassen konnten. Aber das is Detail und ih möchte Sie Alle zu Zeugen aufrufen, ob ih seit Stellung jenes Antragcs mein Verfab- ren im Allgemeinen oder auch nur gegen Personen geändert habe. Einfluß auf die Entwickelung unseres Verfassungslebens erhalten beide Anträge nur dur die politisbe Färbung, welche ihnen dur Ihre Unterstüßung gegeben ist. Sie erinncrn Sih, meine Herren, daß ih in meinem beißen Streben, dem Lande möglichst bald seine Verfassungêrebte zu verschaffen, die Bitte ausfprab, Männer in den Reichstag ¿zu wählen, welche die Zusammengehörigkcit von -Elsaß-Lothringen mit Deuts&land offen anerkannten. Der Erfolg meires Rathcs war, daß unter Anderem ein Abgeordneter auf das Programm gewählt wurde, das in den Worten: protestation et action gipfelt. Die Protestation datirt von Bordeaux und erbält dadurch ibre sehr bestimmte Erklärung: „Krieg, damit Elsaß-Lothringen nicht bei Deutschland bleibt.“ Krieg! Ja, meéeine Herren, ih bin Soldat, und Krieg ist des Sol- daten Element, und wohl möchte ih das Hocbaefühl nowmal \chmecken, in einer Feldshlabt zu fommandiren, zu wisse, daß die Kugel des Feindes jeden Augenblick vor Gottes MRichterstuhl rufen ftann, und zu wissen, daß von dem Befehle, den man giebt, die Ent- {eidung der Sblacbt und somit das Geschick des Vaterlandes abhängen kann. Diese Gefühls- und Geisteëspannung ist göttlih groß! Aber als Statthalter von Elsaß-Lothringen kann ih diesen Krieg nicht wünscen. Ich habe die Condés und Turennes, ich habe die Kam- pagnen Napoleons zu viel studirt und habe die vier Sc{blachten, in denen ih französisben Truppen gegenüber gestanden, in zu friscer Erinneruno, um die französischen Armeen nicht zu respektiren, aber meine deutsche Armee kenne ih aud und das weiß ih auc, daß, wenn dieser Krieg uns nobmals aufgedrungen wird, bunderttausende von deutshen Frauen ihren Söhnen das „mit oder auf dem Scilde“ zurufen. Das würde kein blos politisher, das würde ein Nationalkriea, und kein Land müßte mehr unter ihm leiden als Elsaß-Lothringen bci seiner geographischen Lage und bei seinen beiden großen Festungen. Jch wiederhole, ib fürchte den Krieg nicht, aber auf das Gewissen mötte ih es nicht nehmen, zu ihm zu scbüren. Welche andere Bedeutung als s{hüren zum Kriege hat die Hinzufügung des Wortes Aktion zu dem der Protestation? Das Hineinshleudern der Protestation und Aktion in die Bevölkerung muß TAgitation in ihr hervorrufen, muß Zweifel in ihr erregen üter die definitive angehörige mit Deutsch- land, muß den chauvinistiswen Vereinen und Blättern jenseits der Vogesen Veranlaffung geben, immer von Ncuem in die Welt zu posaunen, die Bevölkerung von Elsaß-Lothringen seufze unter der deutschen Verwaltung und sehne den Befreiungékrieg herbei. Das ift grundfalsch, Ich bin seit länger als drei Jahren bier, bin viel im Lande berum gereist, habe regelmäßige Sprecbstunden und trete mit allen Klassen der Bevölkerung in Berührung Die Bevölkerung will keinen Krieg, die Bevölkerung will Frieden, Rube, Ordnung, Gesetz, Schutz der Religion und mit Gottes Hülfe soll dieser ihr werden. Inzwischen aber konnte sich die Aktion neben dem Agitiren nicht besser bethätigen als in dem Streben, die deutsche Verwaltung in den Augen der Bevölkerung zu diskreditiren und wo môög- lid ihre Machtvollkommenheit zu \{chwähen. Nichts war zu ersterem geeigneter als der Versu, den deutschen Reichs- tag in Widerspru zu f\tellen mit der deutshen Verwaltung im Reick8lande und diese zu zwingen, ein gestern proklamirtes Gesetz heute abzuändern. Der Plan ift nicht gelungen und auc der Diktatur- paragraph wird aufrecht erhalten bleiben. Jch bin wahrhaftig gegen Au?knabmegeseße urd habe in mehr als drei Jahren diesen Para- graphen nur zweimal angewandt, einmal gegen zwei von jenseits des Rheins Kommende, welhe die Ruhe des Landes gefährdende Verbindungen anfknüpften und das andere Mal gegen ein von einem Ausländer redigirtes Blatt; aber außergewöhn- lide Verhältnisse erfordern außergewöhnlihe Machtvollkommen- heiten, und bei den fortwährenden Agitationen von aus- wärts, die, wie das leßte Programm des Herrn Antoine zeigte, Ver- bindungen im Lande selbs haben, muß der Staithalter für extreme

Fâlle mit Machtvollkommenheit versehen sein. Beide Anträge baben ihre rein sablide Bedeutung dadur verloren, daß sie in Gemein- saft mit dem Träger der „protestation et action“ g:stellt sind Jch hebe nobmals hervor, daß ich nicht über Personez, sondern nur über Programme spreche, der Antrag auf die direkte Sbwähung der Macbtvollkommenheit des Statthalters ist sogar von ibm als An- tragsteller gezcibnet. Jb habe damals, unmittelbar nah den Wahlen, über dieses und andere Programme geshwiegen, weil id das volle Recbt freier Wahlen anerkenne, aber jeßt, wo die Folgen für die Fortentwicklung unserer Verfassung eintreten muß das Und Klarheit hierüber erlangen. Und noch einen Vorgang muß i erwähs nen. Zu meinem aufribtigen Bedauern hatte vor Kurzem ein Wahl- comité eingewanderter Deutscher bei den Wablen zu dem Bezirkstage des Unter-Elsaß einen Gegenkandidaten gegen den würdigen Alterê- prâsidenten desselben aufgestellt, und zu meiner wahren Freude baben die Straßburger diesen wiedergewählt. Aber, wenn jenes Wahl- comité sich hicr im Ziele versboß : der Ansprucb, der es leitete, i gerecht. Jeder Deutsbe ih spreche niht von den Beamten, die ibren speziellen Beruf haben, und nie ist es gut, zweien Herren zuy dienen, jeder Deutsche, der im Reichélande Heimath nimmt, hgt dasselbe Interesse, wie der Eingeborne an den Kommunal- und Landes Angelegenheiten, und unaerechbtfertigt ift es, thn von der Betheiligung hieran auzzus{ließen. Wo bleibt die Gleibheit vor dem Gesetz, wenn allen deutschen Bewohnern des Landes das Wahlrecht zusteht, ein Theil derselben aber ron der Wählbarkeit auêgeschlo\sen ist? Und welden Eindruck soll es maden, wenn die aus anderen deutscen Staaten in Elsaß - Lothringen Ein- ziehenden anders ktehandelt werden, als es früher mit dencn gesa) die aus anderen französisden Departements einwanterten? Es it mir nit leiht geworden, alle diese Punkte zu berübren, denn wenn id auch mein Leben lang nit nach Popularität gstrebt, so würde id urwahr sein, wenn ich nit sagte, daß i lieber in freundlide Gesichter blickte, als in ernst gezogene, aber das Inter ffe des Landes machte diese cffene Ausspracbe zur Pflicht, und auch die heilige Pflicht geoen Kaiser und Reich liegt mir ob, diese klar sehen zu laffen über die Zustände im Lande. Nie fann das Reich Elsaß - Lothringen die volien Verfassungërebte gewähren, so lange es befürchten muß, diese fönnten als Handhabe benutt werden, die Interessen des Reiches zu gefährden oder ihm Schwierigkeiten zu bereiten. Es muß die Gewißheit gewinnen, daß Elsaß-Lothringen voll urd ganz sich zu Deutsckland gehörig weiß. So lange die Begriffsverwirrung der Vevölkerung hierüber noch so groß ift, daß Programme, wie protestation et action, r:nd wie das des Herrn Antoine Anklang finden, so lange hat es diese Gewißheit nit, Der Muth, folde Programme und Briefe zu veröffentlichen, is woblfil, denn ih mache keine politishen Märtyrer, aber das Land hat feincn Vortheil davon. Kaiser Napoleon hat als General Bonaparte in Italien den {on von Alerander dem Großen datirenden Saß wieder aufgcstellt, daß die Veoölkerung verantwortlich bleibt und die Folgen trägt für das politisde Getriebe Einzelner, wenn sie demselben nit entgegentritt. Unwillfürlih bewahrheitet sich aut hier dieser Sat durch den Stillstand in - unscrer Verfassungsentwi{e- lung. Unter dem Zustande leidet das Land. MuthvoUe Auësprate der eigenen Ucberzeugung wird die Pflicht Aller. Es giebt keine Protestpartci in Elsaß Lothringen ; cs giebt nur Protestaaitationen, Das beweist die Haltung der Bevölkerung, mit der sib das Vertrauen Sr. Majestät ves Kaisers gerecbtfertigt als Allerböcbstderselbe die Krieg8gericbte aufgchoben und die Optantenfrage geordnet hatz aber die Bevölkerung ist eingesbücbtert; sie fürchtet sih vor den Scbmähungen französischer Blätter, wenn sie die definitive Zusam- mengehörigkeit mi! Deutschland offen anerkennte. Jch denke mich bin- ein in die. Elsaß-Lothringer : Mit tausend Vermwanttschafts- und Freundschaftébanden sind sie an Frankrei gckettet. Jn der Natur liegt es, daß ihre Blicke dorthin gehen, daß sie bei allen politischen Handlungen daran denken, richt in der Achtung jener zu verlieren, Von feinen Freunden der Servilität gegen die Regierungëgewalt be- scbuldigt werden zu können, ist für jcdes männlide Gemüth ein nicderdrückendes Gefübl, besonders einer Gewalt gegenüber, die nah den Entscbeidungs\chlachten dem Sieger zugefallen ist. Aber verlange ih denn Servilität? Jch verlange ja rob nicht eirmal Sym- pathien, ich verlange nur das Sichklarmachen der faktischen Ver- hältnisse und das Zieben ihrer Konsequenzen. Die Elsaß Lothringer haben hierbei Nichts zu s{heuen. Sie haben vor ganz Europa gezeigt, daß ihnen die Trennung von Fraukreih wer geworden ist und noch {wer it, und haben die ganze Zeit hindur dem Sieger gegenüber den Rücken steif aechalten. Aber Niemand hat das Necbt ¿u verlangen, daß die Elfaß-Lotbringer fran- zösischber sein sollen als Frankrei felbst. Dieses hat in vö!kerrecht- lihem Vertrage Elsaß-Lothringen an Deutschland zurückgegeben. Wo das Wohl des Geburtslandes in Frage steht, treten die Pflichten gegen dieses in den Vorderarund und müssen Gefüble s{weigen machen, Der Fall liegt vor; die Waage steht nicht glei; das Deutsche Reich bestebt fort neben den gegenwärtigen Verfessungsverhältnissen im Reichsland und kann in Rube das Heranwachsen einer neuen Gene- ration abwarten. Elsaß-Lothringen leidet unter dem Fortbestehen dieser Verhôltnisse. Sein Gedeciben hängt von der Erlargung der vollen Verfassungtrecbte ab, damit es selbständig über den Gang sciner Regierung beschlicßen, diese selbständig kontroliren und von h abbängig machen fann. Ich appellire erneut an den elsaß-lotbrin- gischen Patriotiêmus und fordere alle Elsaß-Lotkringer auf, mich in meinem Streben zu unterstützen. Aber diese Uaterstüßkung werde mir oder werde mir nicht, die Versicherung gebe ih dem Lande, daß #0 lange ic hier bin, meine Politik unbeirrt die der Versöhnung und Gefüblss{onung bleibt. Und nun trinke ih aus vollem Herzen auf das Wohl von Elsaß Lothringen. Elsaß-Lothringen hoh, unv not- mals hoch, und zum dritten Male hoch!

Desterreich-Ungarn. Triest, 16. Januar. (W. T. B.)

Der Lloyddampfer „Minerva“ ijt gestern auf der Reise nah Alexandrien im Kanal von Korfu gestrandet. Pest, 16. Januar. (W. T. B.) Jm Abgeordneten- hause antwortete auf die Jnterpellation Fstoczy's betres}s der Todesursac)e des Grafen Wimpffen der Minister-Präsident Tisza, er hätte gleih an demselben Tage sagen können, daß der im „Deutschen Tageblatt“ erschienene Brief apokryph sei, er habe aber der Angelegenheit niht vorgreifen wollen. Heute sei er in der Lage, positiv zu erklären, der Brief sei falsh, überhaupt sei die mit derselben in Verbindung stehende Angelegenheit vollständig grundlos. Es existire wohl ein Brief des Verstorbenen an Baron Hirsch, der aber laut der Angabe des Grafen Traun, des Vormundes der Wimpffen- schen Kinder, nichts anderes enthalte, als die Bitte, sich sei- ner Familie in den ersten traurigen Tagen anzunehmen. Graf Traun berichte auch, daß Graf Wimpffen mit dem Baron Hirsch in gar keiner geshästlihen Verbindung stand, ebenso fals sei, daß Wimpffen an den Grafen Kalnoky vor seinem Tode in dieser Angelegenheit einen Bericht gesendet hätte. Der Verstorbene habe blos einen Brief an den Gra- fen Kalnoky gerichtet, in welhem er seine Frau und feine Kinder der Gnade des Kaisers empfehle. Der &rief lautet : Lieber Freund ! Jch empfehle meine Frau und meine Kinder der Gnade Sr. Majestät des Kaisers, damit die Folgen der unglüdck- lichen Miethe niht auf diese Unglüclichen fallen. Jch zähle hierbei auf Deine Unters:üßung. Dein Wimpffen. Paris, 30. Dezember 1882, Das is der Thatbestand. Tisza be- merkte s{ließlih, der Abg. Jstoczy möge bedenken, daß er, sih von seinen antisemitishen Neigungen hinreißen lassend, die Ehre eines dahingeschiedenen unglücklichen Diplomaten der Monarchie angegriffen und damit zugleih die Reputation ter

ganzen österreihish- ungarischen Diplomatie beeinträhtigt habe.

Fstoczy nahm die Aatwort, da er dieselbe von so kompetenter

Stelle erhalten habe, zur Kenntniß; er werde, so lange er seinen Plaß einnehme, troßdem er niht immer Erfolg erreiche, wie bisher handeln, hoffe aber ein andermal doch ein Resultat zu erzielen.

Großbritannien und Jrland. London, 17. Januar. (W. T. B.) Der Premier Gladstone is heute früh mit seiner Gemahlin und seiner Tochter nah Cannes abgereist.

Der Deputirte für Balton, Cros, ist an Stelle Enfields zum Unter-Staatssekretär im Departement für Fndien und der Deputirte für Stroud, Henry Brand, an Stelle Adye's zum Jntendanten der Artillerie ernannt

orden. V Dublin, 16. Januar. (W. T. B.) Heute gegen 1 Uhr früh griffen mehrere junge Leute, welhe Studirende der Medizin sein sollen, zwei Polizeioffizianten thätlih an, so daß einer der leßteren genöthigt war, von seinem Revolver Gebrauch zu machen. Mit Hülfe der hinzukommenden Polizei- mannschaften gelang es, vier der Unruhestifter zu verhaften.

L E LAE A E R L B E Et d 0 R “M M E I AUCIS Frankreih. Paris, 16, Januar. (W. T. B.) Prinz Jérôme Napoléon is heute Nachmittag ver- haftet und in die Conciergerie gebracht worden. Das bereits erwähnte Manifest des Prinzen, welches an mehreren Orten der Stadt angeschlagen war und von der Polizei ent- fernt wurde, bezeihnet die Regierung als unfähig und ohnmächtig und wendet sih gegen diese sowie gegen die Uneinigkeit des Parlaments. Es spriht von dem Verfall der Armee, des Richterstandes, des Handels, von der in den Finanzen herrschenden Verschleuderung und von dem Anwachsen der Schuld. Wenn die Religion angegriffen werde durch den Atheismus, so finde der, der die Angreifer verfolge, keinen Schuß. Die Anwen- dung des Concordats allein könne den religiösen Frieden ge- währen. Auch die sozialen Fragen müßten erwogen werden. Die auswärtige Politik Frankreichs leide an Shwäche. Der Prinz nimmt \{chließlich die napoleonische Erbschaft für si in Anspruch, weist ein Zusa:mengehen mit den Royalisten zurück, erinnert an die wiederholten Plebiszite und appellirt an das Volk, dessen Sache er vertrete. L s

Der Präsident Grévy befindet sih vollständig gesund und wohl und präsidirte heute Vormittag einem Ministerrath.

Die „Agence Havas“ erklärt das Gerücht, daß die französishe Regierung den Zusammentritt einer Konferenz über die egyptische Frage herbeizuführen beabsichtige, für vollständig unbegründet.

16. Januar. (W. T. B.) Jn der Deputirten- kammer interpellirte Folibois die Regierung wegen der Verhaftung des Prinzen Napoleon und erklärte: das Manifest desselben sei ein einfaches Preßvergehen ; der Prinz habe von seinem Rechte Gebrauch gemacht, das Ministerium dagegen das ihm zustehende Recht überschritten. Der Justiz-Minister erwiderte: das Manifest sei niht allein durch die Presse veröffentliht, sondern auch angeshlagen worden. Diese Thatsahe sei der Gerichtsbehörde niitgetheilt worden, welhe volle Aftions- freiheit hatte. Sie habe den Verhaftungsbefehl erlassen, und die Gerichtéhöfe würden darüber zu befinden haben. Die Regie- rung sei entschlossen, fest und strikte über die Beobachtung der Gesetze durch alle Bürger, selbst durch den Prinzen Jérôme zu wachen. Floquet billigte die Erklärungen des Ministers und brachte einen Antrag ein, dahin gehend, allen Mitgliedern von Familien, welche in Frank- reich einmal geherrscht, den Aufenthalt in Frank- reih, Algier und den französishen Kolonien zu unter- sagen. Floquet beantragte die Dringlichkeit für seinen Antrag. Martin-Feuillee brachte eine neue Tagesord- nung ein, in welcher die Zustimmung zu dem Vorgehen der Negicrung ausgesprochen wird. Dieselbe wurde mit 417 gegen 89 =- timmen angenommen. La Rochefoucauld-Bisaccia erklärte, daß er Gewicht darauf lege, die Persönlichkeit des Königs und der Prinzen von diesem Zwischenfalle fern zu halten. (Lebhafte Proteste gegen den Ausdruck „König“, welhen der Viäsident füc inkonstitutionell erklärt.) Die Dringlichkeit für den Antrag Floquet wurde schließlich mit 328 gegen 112 Stimmen genehmigt.

16. Fanuar, Abends. Der „Temps“ berichtet über eine Untercedung eines seiner Mitarbeiter mit dem Prin- zen Napoleon, in welcher dieser erklärte: er habe das Manifest erlassen, weil Alles in der Republik \{chlecht gehe. Diese könne keine lebensfähige Regierungsform sein, \ie habe nicht die Weihe durch ein Volksvotum erhalten. Der Prinz ist für das Listenskrutinium und will ein dur das Volk gewähltes Oberhaupt an der Spiße der Republik, wie dies in den Vereinigten Staaten der Fall, Mit der gegen- wärtigen Kammer sei es unmöglich, noch R Etwas zu hoffen. Er fei ein Gegner des monarchishen Regime; wenn Graf Chambord versuchen sollte, auf den Thron zu steigen, würde er der Erste sein, der ein Gewehr ergriffe und die Barrikade bestiege. Er halte ein parlamentarishes Regime in einer Republik für unpraktish: ein solhes sei nur gut in einer konstitutionellen Monarchie. Der Prinz is von der Legalität seines Manifestes vollkommen überzeugt. Er habe vor Publi- zirung desselben die Ansichten kompetenter Personen eingezogen ; diese hätten die in dem Manifeste gebrauhten Ausdrücke gebilligt und erklärt: die Geseße gestatteten den öffentlihen Anschlag desselben.

17. Januar. (W. T. B.) Die Morgenblätter sprechen sih Über die Verhaftung des Prinzen Napo- leon im Allgemeinen zustimmend aus, fast alle mißbilligen aber das Votum der Kammer über den die Ausweisung der Mitglieder früherer Herrscherfamilien betreffenden Antrag

loquet. Das „Journal des Débats“ sagt: die Kammer abe damit einen bedauerlihen Beweis von Naivetät und wirklicher Uebereilung gegeben.

__— 17. Januar. (W. T. B.) befindet sich noch immer in der Conciergerie zur Dispofition der Gerichtsbehörden, welhe frei , ohne jeglihe Jntervention Seitens der Regierung und ohne Berülsihtigung etwaiger Folgen in der Angelegenheit gehandelt haben. Die Regierung is entschlossen, das Geseß strikte walten zu lassen. Auf Ansuchen des Prinzen Napoleon ist dem Obersten Brunet gestattet worden, ihm im Gefängniß Gesellschaft zu leisten. i i

Lyon, 16. Januar. (W. T. B.) Die heutige Verhand- lung des Anarchistenprozes ses wurde durh die Plai- doyers ausgefüllt. Die meisten Angeklagten vertheidi ten sich selbst und erklärten, daß sie bereit wärc;;, ‘Sre Thätigkeit von Neuem zu beginnen.!

Prinz Napoleon

Îtalien. Rom, 16. Januar. (W. T. W) Jm Pantheon fand heute unter Theilnahme der Minister, der Hofstaaten und anderer Hof- und Staatswürdenträger die offizielle Trauerfeier zu Ehren des verstorbenen Königs Victor Emanuel statt. Die Zugänge zum

antheon waren von dihten Menschenmassen angefüllt ; die Feier verlief in größter Ordnung und Ruhe.

Die permanente Kommission zur Vorberathung der Vorlage über Aufhebung des Zwangscourses bes{loß nach Anhörung des Ministers Magliani, daß die Baar- zahlungen im Monat April und keinesfalls später als am 1. Mai 1883 wieder aufgenommen werden sollen.

Türkei. Philippopel, 16. Januar. Nach einer der „Agence Havas“ von hier zugegangenen Meldung soll die Pforte Aleko Pascha angewiesen haben, sih wegen seines Verhalténs bei dem russischen Generalkonsul zu ent- schuldigen, Aleko sih aber geweigert haben, dies zu thun.

Montenegro. Cettinje, 16. Januar. (W. T. B.) Die Minister des Auswärtigen, des Krieges und der Finanzen haben wegen Differenzen mit dem neu ernannten Minister des JFnnern, Petrovic, ihre Entlassung gegeben. Der Fürst hat sih die Entscheidung vorbehalten.

Afrika. Egypten. Kairo, 16. Januar. (W. T. B.) Der englische Konsul in Alexandrien, Cookson, ist zum Ver- treter Englands in der internationalen Kommission zur Fes- stellung der Entshädigungssumme für die dur die Plünderungen und Brandstiftungen entstandenen Verluste er- nannt worden. Zwei englishe Jnfanterie-Regimenter werden in etwa 14 Tagen nah Malta abgehen. Das „Reutershe Bureau“ meldet: Der diplomatische Agent Frankreichs erhielt ausführlihe JFnstruktionen bezüglih der Aufhebung der Kontrole.

Der „Times“ zufolge hat Lord Dufferin der eng- lischen Regierung einen von dem egyptishen Ministerium auf- gestellten Entwurf über die politishe Organisation Egyptens vorgelegt, worin die Einseßung eines verantwort- lihen Ministeriums und eines aus 14 Mitgliedern bestehenden geseßgebenden Raths, von denen die Hälfte der Khedive er- nennt, vorgeschlagen wird. Ferner soll zur Berathung außer- ordentlicher Fragen eine aus Wahlen hervorgehende Abgeord- netenkammer bestehen.

Zeitungsftimmen.

Die „Deutsche volkswirthshaftlihe Corre- spondenz“ schreibt über die angeblihe Bertheuerung der Preise dur die indirekten Steuern :

Eine von durchaus unbefangener, ja eher dem Freihandel si zuneigender Seite (dem Verein Concordia zu Mainz) angestellte Untersuchung über die Preise des Brotes in den verschiedenen Städ- ten und Gegenden Deutschlands hat ganz eigenthümliche Resultate geliefert. Es ergab si, daß diese Preise um das Mchrfache \{wan- ken, und zwar ohne daß für diese Schwankungen eine bestimmte, deutlih hervortretende Ursache nachgewiesen werden konnte

Es bleibt nichts übrig, als die Thatsache anzuerkennen, daß die Brodpreise sich in einer durchaus willkürlichen, von den voraus8geseßzten hauptsäcbliden Faktoren des Preises völlig unabhängigen Weise ge- staltet haben. :

Zieht man nun weiterhin noch in Betracht, daß au starke Sckchwankungen in den Getreidepreisen, wie wir sie in den letzten Jahren mehrfach hatten, auf den Brodpreis ohne allen nahwcisbaren Einfluß geblieben sind, so tritt die oben bezeichnete Thatsache nur um so schârfer hervor.

Zweicrlei {eint hieraus hervorzugehen. Fürs Erste, daß, wie solhes ¡chon vor längerer Zeit so mchrfah ausgesprocben worden ist, die mehr oder minder zufällige Eatwickelung eicer Orts\itte, oder, wenn man lieber will, Ortsüblicbkeit auf die Preisbildung von weit größerem Einflusse ift als die Materialpreise und die mannicfachen Beeinflussungen derselben; und fürs Zweite, daß Belastungen der Rohstoffe mit indirekten Steuern einen großen Spielraum haben, ehe sie direkt auf die eigentlihen Konsumenten zu fallen brauchen. Wir wissen eben fo gut wie unsere freihänd- lerischen Gegner, daß kein Pfennig vom Ertrage indirekter Steuern aus der Luft fallen kann, sondern daß Alles an irgend eine Stelle getragen werden muß; auch ist es in der Theorie vollkommen ribtig, daß die etwaige Kleinheit der Auflage hieran nichts ändert, sondern daß sih jede, wenn auch noch so kleine Beeinflussung des Preises irgendwo bei der Kalkulation fühlbar machen muß. Aber der Irrthum liegt in der Annahme, es seien bei uns alle Preis- berebnungen bereits so {arf zugespißt, daß die kleinste Erschütterung in den Faktoren der Preisbildung dieselbe sofort becinflusse, und in der weiteren Annahme, daß gegenüber den Einflüssen, welche von an- dererer Seite auf die Preisbildung ausgeübt werden, eine mäßige in- direkte Steuer überhaupt in Betraht komme. Was ersteres betrifft, so sprechen die Eingangs erwähnten Schwankungen eine beredte Sprache ; wenn es auch wahr sein mag, daß lokale, im Einzelnen nit nahweisbare, aber glei{wohl vorhandene Verhältnisse bei den angeführten großen Verschiedenheiten eine Rolle spielen, so wird doch \{chwerlich geläugnet werden können, daß hier ein Spielraum obwaltet, welcher es den be- treffenden Gewerbsleuten sehr wohl ermöglicht, eine fleine Mehr- belastung auf eigenen Schultern zu tragen, und hinsichtlich des leßteren Punktes darf wohl darauf hingewiesen werden, daß es kein Unglück sein würde, wenn durch die Ershwerung der Spekulation die Zahl der Zwischenhände sich einmal um ein Paar verringerte, und daß eine einzige Verringerung dieser Art die kleine Vertheuerung durch das bescheidene Maß indirekter Steuern, welches wir haben, weit aufwiegen dürfte. :

Bekannt genug ist es, daß bei anderen Artikeln des täglihen Be- darfs, z. B. beim Fleisch, die gleihe Erfahrung längst gemacht worden ist, Gerade bei diesen Artikeln, die Niemand entbehren kann, und betreffs deren doch selbst die kaufkräftigeren Stände einigermaßen zum Rechnen, zum Haushalten genöthigt find, sollte doch eigentlich die angeblihe Ausgleichung der Preise sich am erften vollziehen, und sollte jeder äußere Einfluß auf die Preisbildung si sofort fühlbar machen; wir sehen aber, daß dies entschieden nicht der Fall is, sondern daß tausend verborgene, gelegent- liche oder rei. persônliche Ursachen das weitaus bedeutendste Wort sprechen. Wie wird es nun erst mit Artikeln bestellt sein, betreffs deren eine solche fortwährende Nöthigung zu eigener Kontrole nicht an die Konsumenten herantritt ? Wir glauben also daran festhalten zu dürfen, daß nicht nur bei vorsihtiger Bemessung eine indirekte Steuer sehr wohl selbst den nothwendigsten Lebensbedürfnissen aufer- legt werden kann, ohne die eigentlihen Konsumenten zu treffen, son- dern diese Auflagen zugleich auch noch als Regulatoren, als Hülfs- mittel für eine gleihmäßigere und sachlihere Preisbildung und für cue Beseitigung unnüter, auf derselben ruhende Lasten beitragen önnen.

Die „Deutsche Reihs-Posst schreibt : :

Die freihändlerishe Unheilsprophezeihung, nah welcher ¡durch den neuen Zolltarif der Handel und Verkehr enorm geschädigt würde, findet allerwärts in den Handelsberihten ihre Widerlegung, so neuerdings durch die Nachweise für den Scbiffsverkehr in Neufahr-

wasser und Elbing, wie aub dur den Aufs{wung, den die ver- sbiedenen Industriezweige in den Landkreisen Danzig, Marien- burg und Preußis- Stargardt genommen haben. Die auf Rec- nung des preußisben Staates verwalteten Eisenbahnen haben im Jahre 1881/82 eine beträdbtlihe Steigerung des Verkehrs und der Einnahmen und zwar von 342,9 auf 382,8 Millionen Mark zu ver- zeichnen gehabt.

Jn der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ [esen wir :

Aus Hamburg gehen uns Mittheilungen zu, welche zeigen, in wie erfreuliber Weise am dortigen Platze der Verbrauch westfäliscer Koblen gestiegen ift; darnach betrug die Gesammteinfuhr an solchen:

S . Gs M. ,., O T i E 306 630 1879 . 310 235 E E I S E. O

Dagegen ging die Einfuhr englischer Kohle, wenn aub nit er- heblib, zurück, Es betrug dieselbe :

1880. 1020550 I. ; O. ; S, 1018306,

Es erscheint denno das immerhin bon günstige Resultat sib zu ergeben, daß der gesammte Mehrbedarf dur westfälische Zufuhren gedeckt wurde. Wenn son jeßt, bei einer so weiten Eisenbahnfracht die westfälishen Koblen in Hamburg mit den enalischen so erfolgreich zu Tonfurriren vermögen, daß fie in 8 Jahren von einer un- bedeutenden Quote auf etwa 1 der Gesammteinfubr si gehoben haben, so ist von den in Ausfibt genommenen Kanalverbindungen, Rhein-Ems-Weser-Elbe, zu erwarten, daß der Hamburger Kohlen- bedarf und derjenige der von dort versorgten Landeëtheile sehr ras{ der westfälishen Kohle zufallen muß.

Armee - Verordnungs - Blatt. Nr. 2. Inhalt: Erläuterung des §. 54 der Disziplinar-Strafordnung für däs Heer vom 31. Oftober 1872. Aenderung des Abschnitts C. und des Scemas II. der Instruktion für die Verwaltung der Offizier-Unter- stüßungéfonds vom 28. Februar 1869, Kommando der Offiziere der Krieg8akademie während der Ferien. Ueberweisung der Offiziere z. D. Theilnahme von Stabsoffizieren des Garde-Corps am dietjährigen Aushcbungsgeshäft. Benachrichtigung über Ein- stellung von Freiwilligen. Eröffnung neuer Eisenbahnen. Liquidirung der Zulage für Mitwahrnehmung des assistenzärztlichen Dienftes. Berichtigungen und Drufehler des Druckvorschriftenetats.

Marineverordnungsblatt. Nr. 11 Inhalt: Instruk- tion für den Torpcdo - Offizier. Feldwebel - Lieutenants. Leder- czakots. Besatungs- 2c. Etat. Sceibenscbießen der Matrosen- divisionen 2c. Scbiffêvervflegung. Marschkommandos. Denk- malsbeiträge. Scbiffsartilleriezeibnungen, Auftraucb der ältesten Pulversorten. Personalveränderungen. Benachrichtigungen.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Im Silberkranz. Ein Gedenkblatt zur silbernen Hoczeit des Kronprinzenpaares von Karl Neumann-Strela., Verlag von W. Moceser Hofbuchhandlung in Berlin. Das Buch entwirft ein hbellleubtendes Bild von dem Lebenslauf und Charakter des Kronprinzenpaares. Von der grünen bis zur silbernen Hochzeit sind hervorragende Abschnitte aus ‘dem Leben der gesammten Kronprinz- liden Familie na authentishen Quellen und in feselnder Weise gescbildert. Neumann-Strela's Eigenart ist die anregende, leicht verständlihe und im besten Sinne des Wocrtes volksthümliche Darstellung geschicbtlider „Familienbilder“, und diese Eigenart tritt in obigem Werkchen glänzend hervor. Es erfüllt die \chóne Aufgabe, im gesunden, patriotischen Geiste den ebt vaterländi- [ben Sinn im Volke zu pflegen und zu verbreiten. Eine würdige Ausstattung ia elegantem Buntdruckumscblaz mit den Porträts des Hohen Paares und der billige Preis von 1 Æ# maden es so ret geeignet, sih zur und aub nach der silbernen Hochzeitsfeier seinen Weg in alle Schichten des Volkes zu bahnen und ein gutes, anztehen- des Unterhaltungsbub zu werden, welches sih besonders auch als Schulprämie und für Schülerbibliotheken eignet.

Der Schriftsteller Ulrich Prusse zu Tordon bei Bromberg hat im Selbstverlage cine pociishe Gabe zur fünfundzwanzigjährigen Hoczeitsjubelfeier Ihrer Kaiserlihen und König- lihen Hoheiten des Kronprinzen und der Kron- prinzessin erscheinen lassen. Das patriotisbe Gedicht, eine lyrish - episde Dichtung, behandelt die Lebensschicksale Sr. Majestät des Kaisers und des Königlichen Thronfolgers in scchwungvollen Versen. Der Dichter läßt seinen Blick rückwärts \chweifen bis zu der Lebenszeit der erhabenen Mutter unseres Kaisers und zeichnet in großen Zügen die hehren Gestalten der Könige Friedrich Wilhelm IIT. und 1V. Aus dem Leben des Kronprinzen und Seiner hoh-n Gemahlin findet mancher schöne Zug dicbterische Darstellung. Der Reinertrag des Büchleins (Preis 1 A) soll der Centralstelle des Vaterländischen Frauen- Vereins überwiesen werden.

Ioseph Baer & Co, Buchhändler und Antiquare in Frankfurt a. M., Paris und London haben vor Kurzem Lager- Katalog 115 „Deutsche Literatur und ihre Geschichte (Bibliothek eines namhaften Literaturforschers) 1. Abthcilung" ausgegeben. Der- selbe enthält ein Verzeichniß von 1521 Schriften, die unter folgende Abtheilungen vertheilt sind: Allgemeines (392 Nrn.), Volkslieder (27 Nrn.), Volkssagen (61 Nrn.), Dialekte (148 Nrn.), Mittelalter (445 Nrn., darunter 56 das Nibelungenlied betr.), Neuzeit von 1500 —1750 (412 Nrn.), Nachtrag zu den voraufgehenden Rubriken (37 Nrn.). Unter den in den verschiedenen Abtheilungen aufgeführten Schriften finden si viele interessante, werthvolle und seltene Werke, u. A. Ulfilus’ gothishe Bibelüberseßung, Schriften von Luther und über denselben, verschiedene Ausgaben des Sachsenspiegels, Grimnels- hausens Simplicissimus, verschiedene Urkundensammlungen u. \. w.

Gewerbe und Handel.

Den „amtlichen Mittheilungen aus den Jahresberichten der mit Beaufsichtigung der Fabriken betrauten Beamten“ für das Jahr 1881 entnehmen wir über den Regierungsbezirk Düsseldorf Folgendes: Die wirthschaftliche Lage der Arbeiterbevölkerung ist in- sofern gehoben worden, als nicht nur eine häufigere Arbeitsgelegen- heit, sondern auch dauernde Beschäftigung und Ueberschicbten einen größeren Erwerb ermöglichen. Den hierdurch bedingten Mehrerwerb der Arbeiter {äßt der berihtende Beamte gegenüber dem Erwerb von 1878 bezüglich der Baumwollen-Industrie auf 10 bis 159%, bezüglich der Eisenindustrie und der ihr nahestehenden Ge- \cbâftezweige auf etwas mehr. Die Arbeiter oder deren

interbliebene suchten die Hülfe oder Vermittlung des Auf- ict8beamten in einigen 80 Fällen, behufs Erlangung von Unfall- eutshädigungen, von Armenrecht, Armenunterstützung, Beschleunigung alter Entschädigungsprozesse und wegen vermeintliÞ oder wirklich \{lechter Behandlung durch Meister und Krankenkassenärzte u. st. w. nah. Zu Ende des Jahres waren in dem Berichtsbezirîe 9053 jugendliche Arbeiter gegen 8224 im Vorjahre beschäftigt An dieser Steigerung haben theilgenommen: die Eisenindustrie mit 68 °/0, die Textilindustrie als Ganzes mit 5 °%, die Wollindustrie mit 25 9/6,

die Baumwollenindustrie mit 9°/, während für die Barmer Tertil-