Angekommen: Se. Excellenz der kommandirende General des XIV. Armee-Corps, General-Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, General der Jnfanterie von Obern it, von Karlsruhe.
Bekanntmachungen,
betreffend Verbote und Beshränkungen der Ein- fuhr über die Reichsgrenze.
Bekanntmachung,
Maßregeln gegen die Maul- und Klauenseuche betreffend.
Nach den anher gelangten amtlihen Mittheilungen is die Maul- und Klauenseuche in den an den Regierungsbezirk von Shwaben und Neuburg angrenzenden österreichishen Ge- bietstheilen erloschen.
Demgemäß wird die Bekanntmahung vom 8. November v. Js. — Cesct- und Verordnungsblatt S. 567 — hiermit außer Krast geseßt und zugleich verfügt, daß an deren Stelle für den Regierungsbezirk von Schwaben und Neuburg ledig-
E ; 2, Januar lih die Bestimmungen der Bekanntmahung vom Berber
v. Js., Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend — Gesetß- und Verordnungsblatt S. 29 und 595 — in Wirksamkeit zu bleiben haben. München, den 19. Januar 1883. Königliches Staate-Ministeriuum des Jnnern. Frhr. von Feiliß\ch. Der General-Sefkretär, Ministerial-Rath von S chlereth.
Nichtamlkliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berl in, 22. Januar. Se. Majestät der Kaiser und König begaben Sich gestern Mittag 11/4 Uhr in das Palais Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Carl und verweilten mit Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin bis zum Augenblick des Dahinscheidens bei dem heimgegangenen Bruder, an dessen Lager der Hof- und Dom- prediger D. Kögel die Gebete verrichtete.
Zuvor hatten Se. Majestät den Vortrag des Vize-Präsi- denten des Staats-Ministeriums von Putikamer entgegen- genommen.
Heute hörten Se, Majestät die Vorträge der Hofmarschälle, des General-Lieutenants von Albedyll und des Vize-Ober- Ceremonienmeisters Grafen zu Eulenburg sowie des Chefs des Civilkabinets.
Heute Vormittag empfingen die Kaiserlihen Majestäten Jhre Köni.lihen Hoheiten den Großherzog- und die Groß- herzogin von Baden bei deren Eintreffen im Königlichen Palais.
«Fhre Majestät die Kaiserin und Königin empfing den Besuch Jhrer Königlichen Hoheit der Großherzogin-Mutter von Medcklenburg-Schwerin,
Gestern wohnte Jhre Majestät dem Gottesdienst in der Kapelle des Augusta-Hospitals bei.
— Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz empfing am Sonnabend im Laufe des Vor- mittags den diesseitigen Gesandten in München, Wirklichen Geheimen Rath Grafen von Werthern-Beichlingen und begab Sich um 12 Uhr zur feierlihen Einweihung der Loge Royal- York nah dem neuen Logengebäude in der Dorotheenstraße.
Abends 7 Uhr empfing Höchstdecselbe den Geheimen Bau- rath Professor Adler und erschien sodann mit Jhrer Ka ise r- lihen und Königlichen Hoheit der Kronprin- zessin sowie Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria auf dem Opernhaus-Balle.
Gestern Vormittag wohnte Se. Kaiserlihe Hoheit der Kronprinz dem Gottesdienst in der Nikolaikirhe bei und begab Sich sodann nah dem Palais des Prinzen Carl.
Um 2 Uhr suhr Höchstderselbe mit Jhrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin nach dem Palais des Prinzen Carl und von dort zu Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Friedrich Carl.
Im Laufe des Nachmittags staiteten Se. Königliche Hoheit der Herzog und Jhre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburg sowie Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Albrecht Kondolenzbesuhe bei den Höchsten Herrschaften ab.
Um 5 Uhr fand ein kleines Familiendiner bei Jhren Kaisferlihen Hoheiten statt.
— Ihre Königlihe Hoheit die Prinzessin Luise ist heute von Wiesbaden hier eingetroffen.
— Am Sonnabend, den 20. Januar, fand im Opern- hause der dieéjährige Subskriptionsball statt.
Die bereits im Vorjahre getroffenen inneren und äußeren Anordnungen zur Sicherheit gegen Feuerêgesahr waren au dieemal beibehalten worden, namentlich war die Garderobe verlegt und hatte die früher üblihe Dekoration der Korridore mit Laub keine Anwendung erfahren.
Der Festraum selbst zeigte sein früheres Aussehen: Bühne und Parquet waren zu einem großen Tanzsaal vereinigt, zu welchem eine breite Freitreppe von der Königlichen Loge herab- führte. Die rechten Prosceniumslogen waren für die Fürstinnen des Landes und das diplomatische Corps reservirt ; die jüngeren Damen des Leßteren saßen in den anstoßenden Logen des ersten Ranges. /
Der Saal war in allen seinen Theilen gefüllt und bot in seiner gewaitigen Ausdehnung und in dem Glanz der Toiletten und Uniformen einen prähtigen und vornehmen Anblick dar.
Um 9 Uhr erschien der Allerhöwste Hof in der Gesell- schast und eröffnete den Ball mit einem Rundgange. Se. Majestät der Kaiser und König führten Jhre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Eoinburg; es folgten Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edinburg mit Jhrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin, Se. Kaiserlihe und Königliche Hoheit der Kronprinz mit Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Albrecht, Se. Königliche Hoheit der Prinz Albre{t mit Jhrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria. Bei dem zweiten Rundgange geleiteten Se. Kaiserliche Majestät ie Kronprinzessin, der Kronprinz die Herzogin von Edinburg.
Während des Balles begaben Sih Se. Majestät der Kaiser und König in die Logen der Fürstinnen und der Damen des diplomatishen Corps, verweilten daselbst in längerem Gespräch und kehrten alsdann dur das Foyer des ersten Ranges nah Allerhöchstihrer Loge zurüdck.
Um 11 Uhr nahm der Allerhöhste Hof den Thee in dem reservirten Salon ein und verließ bald darauf das Ballfest, das um 2 Uhr sein Ende erreichte.
— Unter dem Vorsiße des Königlih preußishen Staats- und Finanz-Ministers Scholz wurde am 20. Januar eine Plenarsizung des Bundesraths abgehalten. Die Ver- sammluno nahm Kenntniß von dem Beschlusse des Reichstags in Betreff der Liquidationen über gemeinsame Kosten des Krieges gegen Frankreih, und überwies den Beschluß des Reichstangs wegen des Erlasses von Vorschrif- ten nah §. 120 Absay 3 der Gewerbeordnung dem Reichskanzler. Den zuständigen Aueshüssen wur- den zur Vorberathung überwiesen: der Beshluß des Reich3- tags wegen Vorlegung des Aktenmaterials über die Verhaf- tung des Abg. Diet (Hamburg) in Stuttgart, die Vorlage, betreffend Abänderung des 8. 45 Absay 1 des Betriebsregle- ments für tie Eisenbahnen Deutschlands durch ander- weite Normirung der Lieferungszeiten bei Viehtransporten, der Entwurf einer Verordnung, betreffend die Kautionen der Beamten und Unterbeamten der Reichs-Post- und Tele- graphenverwaltung und der Reichsdruckerei, und der Entwurf eines Geseßes für Elsaß-Lothringen, betreffend die Jagd- polizei. Dem Entwurfe eines Gesetzes, betreffend die Kon- trole des Reichehaushalts und des Landeshaushalts von Elsaß-Lothringen für das Etatsjahr 1882/83, ertheilte die Versammlung ihre Zustimmung. Auch war dieselbe mit der Vorlegung der Uebereinkunst zwishen dem Reih und ODesterreih - Ungarn wegen gegenseitizer Zulassung der in der Nähe der Grenze wohn- haften Medizinalpersonen zur Ausübung der Praxis an den Reichétag einverstanden. Den Ausschußanträgen wegen Abänderung des Regulativs, betreffend die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerblihen Zwecken, vom 23. Dezember 1879, ertheilte die Versammlung ihre Zustimmung und er- klärte in Folge dieses Beschlusses eine auf die Denaturirung von Branntwein zur Essigfabrikation bezügliche Privateingabe für erledigt. Dem Antrage Badens, betreffend die Ertheilung von Freipässen für Musterwaaren, wurde Folge gegeben. Nachdem für die Berathungen im Reichstage mehrere Kom- mwissarien gewählt worden waren, faßte die Versammlung \hließlih Beschluß über die geschästlihe Behandlung zahlreich eingegangener Eingaben von Privaten.
— Der Sthlußbericht über die vorgestrige Sißung des Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (36.) Sißung des Reichstages, welcher die Staats-Minister von Kameke und Scholz sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom- missarien desselben beiwohnten, richtete vor Eintritt in die Tagesordnung der Präsident von Leveßow an die Versamm- lung, deren Mitgliedex sich sämmtlih von ihren Sigzen er: boben, eine Ansyroche,\ in welcher er sagte: Se. Majestät der Kaiser uïd Se Haus seien von einem \{merzlihen Trauerfall betroffen worden. Gestern Nachmittag, bald nah 13/4 Uhr, sei Se. Königliche Hoheit der Prinz Carl, der innig geliebte Bruder Sr. Majestät des Kaisers, aus dieser Welt abgerufen worden. Der Reichstag habe sicher- li den Wunsch und das Bedürfniß, Sr. Majestät, dessen Leid das Leid des Landes und dessen Freude die Freude des Landes sei, ehrfurchtsvollen Ausdruck zu geben von der herzlihen Theilnahme des Hauses. Er nehme an, daß das Haus das Präsidium beauftragen wolle, zur Verwirklihung dieses Wunsches die erforderlichen Schritte einzuleiten. Er konstatire die Zustim- mung des Hauses und werde das Weitere veranlassen.
Sodann theilte der Präsident mit, daß ihm vorgestern telegraphish durch ein Comité in New-York 100 000 4 und heute aus Détroit (Staat Michigan) 12 000 46 für die Neth- leidenden am Rhein überwiesen worden seien.
Hierauf trat das Haus in die Tagesordnung ein. Der einzige Gegenstand derselben war die zweite Berathung des Gesegentwurfs, betreffend die Feststellung des Reichshaushalts-Etats für die Etatsjahre 1883/84.
Von den Spezialetats des Etatsjahres 1883/84 wurde zunächst der der Verwaltung des Reichsheeres berathen. Der Abg. Schott brate mehrfahe Klagen über die Mi- litärverwaltung vor, namentlih in Vezug auf angebliche Miß- handlung von Soldaten, ferner in Bezug auf das Ein- jährigen- und Avantageurwesen, und tadelte, daß bürgerliche Avantageure von den Regiments-Conmandeuren vielfach zurück- gewiesen worden seien.
Bei Schluß des Blattes nahm der Staats-Minister von Kameke das Wort.
—“Den Komunal-Landtag der Kurmark beschäf- tigten in seiner zweiten Plenarsizurg am 18. d. M. fast aus- schließlih Angelegenheiten der Land-Feuersozietät der Kurmark und der Niederlausißy. Der Landtag lehnte einen An- trag auf Erhöhung der Prämie für Ueberführung eines Brandstifiers von 900 auf 3000 # als unwirk- sam ab und sah in der Aussendung gewandter Detektivs wirksamere Abhülfe gegen die immer mehr zuneh- menden Brandstistungen. Von einer Seite wurde sogar aus- geführt, daß diesem Unwesen nur dann erst werde gesteuert werden können, wenn sih der Staat zu der beantragten Zwangsver- siherung der Jmmobilien entshlö}se. Ein weiterer Antrag auf Aenderung der ländlihen Feuer - Löshordnung mußte wegen Unzuständigkeit des Landtages abgewiesen werden. Eine Anzahl von Wahlen von Kreis-Feuersozietäts-Direktoren und Stellvertretern fand die Genehmigung des Landtages. Den Landgemeinden Petersdorf, Kreis Templin, Mittweide und Skuhlen, Kreis Lübben, Beenz, Kreis Templin, und Schön- holz, Kreis Ober-Barnim, wurden Beihülfen zur Anschaffung von Feuersprißen bewilligt. Zwei Rekurse gegen Entscheidungen von Kreiêtagen mußten als unbegründet abgewiesen werden. Im v did wurden zwei Rechnungssahen durch Decharge erledigt.
Die nächste Sißung wird am Dienstag, den 23. d. M., stattfinden.
— Nach Mittheilungen aus Jtalien is von der Artillerie-Direktion der Gießerei in Genua für den 31. Januar d. J., bis Nathmittags 3 Uhr, eine Sub- mission auf die Lieferung von 41 000 kg Kupfer in ge-
formen Stäben zum Taxwerthe von 109 030 Lire ausgeschrieben worden.
Ferner if von der Artillerie-Dir-kt ion des Ar- senals in Neapel für den 2. Februar d. J., bis Nath- mittags 1 Uhr, eine Submission auf die Lieferung von Eisen in Stab- und Drahtform, Stahl in Stäben 2. zum Taxwerthe von 50 083 Lire ausgeschrieben worden.
Ueber die speziellen Bedingungen ist das Nähere an Ort und Stelle einzusehen.
— Nach Mittheilungen aus den Niederlanden is das vor der Jnsel Terschelling ausgelegte Feuerschiff, welches im Oftober v. J. durch Sturm fortgetrieben war, nunmehr wieder an seine bisherige Stelle gebracht worden.
_ — Na der im Reihs-Eisenbahn-Amt aufgestellten, in der Zweiten Beilage veröffentlihten Nachweisung der auf deutshen Eisenbahnen — ausschließlih Bayerns — im Monat November v. J. beim Eisenbahnbetriebe (mit Ausschluß der Werkstätten) vorgekommenen Un f älle waren im Ganzen zu verzeichnen: 14 Entgleisungen und 7 Zusammen- stöße auf freier Bahn, 28 Entgleisungen und 33 Zusammen- stöße in Stationen und 176 sonstige Unfälle (Üeberfahren von Fuhrwerken, Feuer im Zuge, Kessel-Explosionen und andere Betriebs-Ereignisse, wobei Personen getödtet oder ver- leßt worden sind).
_ Bei diesen Unfällen sind im Ganzen, und zwar größten- theils durch eigenes Verschulden, 205 Personen verunglüdt, sowie 95 Eisenbahnfahrzeuge erheblih und 161 unerheblich beshädigt. Es wurden von den 14996 213 überhaupt beför- derten Reisenden 1 getödtet, 17 verlegt (1 Tödtung auf die Badischen Staatseisenbahnen, je 6 Verleßungen auf die Berlin- Anhaitishe Eisenbahn und die Bahnstrecken im Verwaltungs- bezirke der Königlichen Eisenbahndirektion Berlin, 2 Ver- leßungen auf die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahndirektion Elberfeld und je 1 Verleßung auf die Hessishe Ludwigsbahn und die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlihen Eisenbahndirektionen Frankfurt a. M. und Magdeburg), von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst beim eigentlichen Eisenbahnbetriebe 30 getödtet und 93 verlegt und bei Nebenbeschäftigungen 1 getödtet, 20 verlegt; von Steuer- 2c. Beamten 3 verleßt, von fremden Personen (einsließlich der niht im Dienst befindlihen Bahnbeamten und Arbeiter) 16 getödtet und 13 verleßt, sowie bei Selbstmordversuchen 9 Personen getödtet und 2 verletzt.
Von den sämmtlichen Verunglückungen — mit Ausschluß der Selbstmorde — entfallen auf :
A. Staatsbahnen und unter Staatsverwal- tung stehende Bahnen (bei zusammen 24 197,34 km Be- triebslänge und 637 933 643 geförderten Achskilometern) 172 Fâlle, darunter die größte Anzahl auf die Bahnstrecken im Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahndirektionen Berlin (24), Elberfeld (21) und Hannover (18); verhält- nißmäßig, d. h. unter Berücksihtigung der geförderten Achskilometer und der im Betriebe gewesenen Längen sind jedoh auf der Berlin-Görlißer Eisenbahn, der Berlin-Anhal- tischen Eisenbahn und den Bahnstrecken im Verwaltungs- bezirke der Königlichen Eisenbahndirektion Elberfeld die meisten Verunglückungen vorgekommen.
B, Größere Privatbahnen — mit je über 150 km Betriebslänge — (bei zusammen 4100,79 km Betriebsläna? und 70 009 988 geförderten Achskilometern) 19 Fälle, darunter die größte Anzahl auf die Hessishe Ludwigsbahn (6), die Breslau:Schweidnißz: Freiburger Eisenbahn (4) und die Rechte Oder-Ufer-Bahn (3); verhältnißmäßig sind jedoch auf der Oels-Gnesenecr Eisenbahn, der Hessishen Ludwigsbahn und der Rechte Oder:U jer: Bahn die meisten Verunglückungen vor- gekommen.
C. Kleinere Privatbahnen — mit je unter 150 km Betriebslänge — (bei zusammen 1269,19 km Betriebs- länge und 8 315 244 geförderten Achskilometern) 3 Fälle, und zwar auf der Crefelder, der Lübeck-Büchener und der Weimar- Geraer Eisenbahn.
— Der Kaiserliche Botschafter von Schweiniß hat einen ihm Allerhöhst bewilligten Urlaub angetreten. Wäh- rend feiner Abwesenheit von St. Petersburg fungirt der Legations-Rath Graf von Redern als Geschäftsträger.
— Der Kaiserlih?e Gesandle von Alvensleben hat den Haag mit kurzem Urlaub verlassen. Während seiner Ab- wesenheit fungirt als Geschäftsträger der Legationssekretär von Tümpling.
— Der heutigen Nummer des „Reichs- und Staats- Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 1), enthaltend Entscheidungen des Reichgerichts, beigefügt.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Wolffberg in Königsberg, Herrmann in Lappienen, Haarmann gen. Sprickmann in Sassendorf, Dr. Berrish in Güsten, Dr. Perlia in Aachen.
- Sachsen. Dresden, 22. Januar. (W. T. B.) Der für heute angesagte Hofball ist wieder abgesagt worden. Für den verstorbenen Prinzen Carl von Preußen ist eine einwöchige Hoftrauer angeordnet worden. Der König und die Königin sowie die anderen Mitglieder des König- lihen Hauses haben dem Kaiser und der Kaiserin ihr herz- lichstes Beileid übermittelt.
Elsaß - Lothringen. Straßburg, 19. Januar. Der Landesaus\chuß begann gestern die Generaldebatte über den Landeshaushalts:-Etat und beendete dieselbe heut.
Oesterreich-Ungarn. Wien, 20. Januar. (W. T. B.) Vom Abg. Raczynski ist dem Geblihrenausshusse ein neuer Antrag bezüglih der Börsenbesteuerung zugegangen. Nach dem Antrag soll jeder Schlußzettel einer skalamäßigen Stempelgebühr unterliegen und zwar bei einem Werthe von 10 bis 50 Fl. einer Stempelgebühr von 1 Kreuzer, bei einem Werth von 50 bis 5000 Fl. einer Stempelgebühr von 5 Kreuzern und bei darüber hinaus- gehenden Werthen für je 5000 Fl. gleichfalls einer Stempelgebühr von 5 Kreuzern. Ueber jedes Börsengeschäft sollen mindestens 2 Sä lußzettel ausgestellt werden. Zugleich wird für jede Uebertretung eine in dem 50fahen Betrag der Gebühr bestehende Strafe, mindestens aber eine Strafe von 50 Fl. beantragt. Der Vertreter der Regierung erklärte, die Skala sei mäßig, bei Ausführung des Projektes müsse 1ndeß
mit Vorsicht vorgegangen werden, damit das Geschäft feine Störung erleide.
— 22. Januar. (W. T. B.) Jn Folge Ablebens des Prinzen Carl wird das bei dem deutshen Botschafter Prinzen Reuß auläßlih der silbernen Hochzeitsfeier Jhrer Kaiserlihen und Königlichen Hoheiten des Deutschen Kron- prinzen und der Kronprinzessin arrangirte Ballfest unter-
bleiben. Der Kaiser Franz Josef und die Mitglieder der Kaiser- lichen Familie hatten zu demselben ihren Besuch in Aussicht
genommen. Alsbald nah dem Eintreffen der Nachricht von dem Ableben des Prinzen Carl hat der Kaiser Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm telegraphish kondolirt.
Pest, 20. Januar. (W. T. B.) Jm Unterhause entkräftete anläßlih der Petitionen des ungarischen Kurat- flerus gegen konfessionslose Schulen und gegen die Einführung der Civilehe der Minister-Präsident Tis za die in den Petitionen vorgebrachten Bedenken unter dem Hinweis, daß auch die Errichtung fkonfessioneller Schulen gestattet sei und daß die Mitglieder der katholischen Konfession bei ihrer großen Majorität am wenigsten Grund zu Besorgnissen habe. Der Mi- nifier-Präsident wies ferner auf das langjährige Beitehen der Civile§e in rein katholishen Ländern hin -üund verwahrte die ungarische Legislative gegen die in den Petitionen aus2ge- \sprochene Befürchtung, daß sie die konfessionellen Fonds und Fundationen einziehen wolle. Er ermahnt \chließlich unter Hervorhebung der in dieser Hinsicht besonders günstigen Lage den ungarischen Kuratklerus, die Mitglieder des Hauses und alle Söhne des Vaterlandes, Alles zu vermeiden, was kon- fessionelle Gegensäße hervorrufen und den zum Glück des Landes bestehenden konfessionellen Frieden stören könnte.
Großbritanuien und Jriand. London, 20. Januar. (W. T. B.) Lord Hartington, der Staatssekretär des Krieges, hielt heute in Blackburn eine Rede. Er sagte: die Regierung sei entshlossen, Egypten zu verlassen, sobald da- selbst eine Regierung eingeseßt sei, welche viel stabilecr und nationaler sei, als eine solche vor der Expedition existirt habe. Dieselbe sei nothwendig geworden, damit die eng- lishen Jnteressen und die Ehre der Fahne Englands in einem Lande gew2hrt würden, welches der Weg nach Jndien sei und wo englische Kapitalien in großem Maßstabe angelegt seien. England genieße in seinem Vorgehen in Egypten nah wie vor die herzliche Zustimmung fast aller Mächte. Frankreich lege auf die Wichtigkeit der Finanzkontrole einen zu großen Werth und habe noch immer unrichtige Vor- stellungen von den englischen Absichten; aber er glaube, daß diese irrige Anschauung vershwinden werde. Enaland habe kein Verlangen, den bereits erlangten politishen Einfluß zu vergrößern ; es beabsihtige, einen Engländer als Berather des Kh?edive zu empfehlen ; es werde nicht blos die englischen Interessen, sondern auch die JFnteressen der egyptischen Re- gierung und des egyptishen Volkes {hüßen und werde sih allen Mächten nüßlih erweisen. Die Reorganisation des Lan- des mach? befriedigende Fortschritte. Den Jnteressen Englands sei besser gedient, wenn es im gelegenen Augenblick sich zurück- ziehe, als wenn es das Land annefktire.
Der irische Deputirte Parnell ist nah Norddeutsch- [land abgereist, wie es heißt, im Jnteresse der irischen Jn- dustrie, welche derselbe zu fördern wünsche.
Dublin, 20. Januar. (W. T. B.) Die Anklage in dem Prozeß wegen des Komplotts zur Ermordung mehrerer Polizeioffizianten und Beamten richtet fh gegen 22 Personen. Der Hauptzeuge ist ein gewisser Farrel, welcher zu der Mörderverbindung gehörte und seine Kameraden verrieth. Aus seinen Depositionen ergab sih, daß die Mehr- zahl der Angeklagten vei den jüngst vorgekommenen Morden und bei dem mißglückten Versuche, den früheren Vizekönig Forster zu ermorden, bethciligt sein sol. Der Prozeß macht großes Aussehen. Die Verhandlung ist auf weitere 8 Tage vershoben worden.
Frankreih. Paris, 20. Januar. (W. T. B.) Jn der Deputirtenkammer gelangte heute der Geseß- entwurf über eventuelle Maßregeln gegen Thron- prätendenten zur Verlesung. Derselbe ermähtigt den Präsidenten der Republik, durch ein im Ministerrath fest- zustellendes Detret jedes Mitglied früherer Herrscherfamilien Franfreihs auszuweisen, dessen Anwesenheit die Sicherheit des Staates gefährden könnte. Die Rückkehr nah Frankreich unter Verleßung des betreffenden Dekrets soll die Verurthei- lung zu ciner Gefängnißstrafe von 1 bis 5 Jahren nach sih ziehen. Die Prinzen, welche Stellen in der Armee einneh- men, können in Disponibilität versezt werden. (Unterbrehun- gen und Unruhe.) Der zweite Geseßentwurf über Ab- änderungen des Preßgeseßes vom Jahre 1881 bedroht Schmähungen der Regierung der Republik mit Strafe Und verweist die deshalb Angeschuldigten vor die Zucht- polizeigerihte. Der Deputirte Ballue (radikal) bean- tragte: die Prinzen von Orleans aus der Armee zu entfernen, und verlangte für diesen Antrag die Dringlich- keit. Der Minister erklärte sich mit der Dringlichkeit ein- verstanden, weil es nothwendig sei, über alle diese Fragen ras zu beschließen. Die Dringlichkeit wurde mit 407 gegen 94 Stimmen beschlossen. Der Geseßentwurf über eventuelle Maßregeln gegen Thronprätendenten und der Antrag Ballue wurden an die Kommission verwiesen, welche die Bureaux am näcsten Dienstag zur Vorberathung des Antrages Floquet wählen werden. Der Gesezentwurf über Abänderung des Preßgesebes geht an eine besondere Kommission.
— 20. Januar, Abends. Die bonapartistischen Deputirten haben eine Resolution angenommen, in welcher sie die Gesezmäßigkeit des Verhaltens des Prinzen Napoleon behaupten und gegen die Verhaftung desselben protestiren. Sie erklären darin ferner den Apell an das Volk für das einzige Mittel, die Zukunft Frankreichs zu sichern.
Mehrere republikanische Zeitungen, besonders der „Temps“ und der „National“, bezeichnen das „legitimistishe Kom- plot“ als ein einfahes „Salonkomplot“, das nicht ernsthaft zu nehmen sei. Die einzige Gefahr, welche die Nepublik bedrohe, sei die, wenn sie sih unfähig zeigen sollte, die Aufgabe einer ernst- haften Regierung zu erfüllen. Aber das hänge von den Re- publitanern selber ab. Der „Temps“ fordert die Kammer auf, möglichst rah zu ernsthaften Berathungen zurückzukehren, nachdem sie den jüngsten Zwischenfällen gerade so viel Auf- merksamkeit geschenkt habe, wie diese verdienten.
Schweden und die Vereinigten Staaten von Nordamerika haben ihre Generalkonsulate in Tunis aufgehoben.
Brazza wird in den erßen Tagen des Februar nah dem Congolande abreisen.
— 20. Januar, Abends. (W. T. B.) Das Journal „Le Soir“ sagt: die Regierung sei entshlossen, ihre Vorlagen aufrecht zu erhalten, aber bezüglih der militärishen Stellung der Prinzen darüber nicht hinauszugehen ; sie werde daher den Antrag Ball ue ihrerseits ablehaen.
Der Präsident Grévy hat dem türkishen Botschafter lite Pascha den Großkordon der Ehrenlegion ver- iehen.
— 21. Januar, Abends. (W. T. B.) Bei der heute im 5, Arrondissement von Paris vorgenommenen Ersaßwahl eines Deputirten für die Kammer wurden im Ganzen 7778 Stimmen abgegeben. Es erhielten Bourneville 2300, Engelhard 2240, Farcy 1169, der Arbeikerkandidat Allemane 847 und der Bonapartist Liaulaud 732 Stimmen. Da sonah keiner der Gewählten die absolute Stimmenmehrheit erhielt, ist eine Stichwahl nothwendig. Die Zahl der eingeschriebenen Wähler betrug 11 900.
Der „Temps“ erkennt an, daß das Ministerium die Gesegentwürfe über eventuelle Maßnahmen gegen Thron- prätendenten und wegen Abänderung des Preßgeseßzes der Kammer nur vorgelegt habe, um den Antrag Floquet zu beseitigen; das Ministerium habe von 2 Uebeln das kleinere gewählt. Gleichwohl spricht sich der „Temps“ gegen beide Gesetzentwürfe aus, weil dieselben vom Lande durchaus nicht gefordert wor:en scien und ‘weil mit denselben ein antilibe- raler und für die Republik gefährliher Weg beschritten werde. Zugleich fordert der „Temps“ die Regierung und die Kammer auf, niht lange der künstlihen Pression der öffentlichen Meinung nachzugeben, die gar nicht vorhanden sei. Mehrere andere republikanishe Journale sprehen sich in ähnlicher Weise aus.
— 22. Januar. (W. T. B.) Ueber den Geseßtß- entwurf, betreffend die Abänderung des Preßgeseßes, sprechen sich die heutigen Morgenblätter fast einstimmig mißbilligend aus; über die Vorlage wegen eventueller Ma ß- nahmen gegen Thronprätendenten und den Antrag Floquet sind dieselben sehr getheilter Meinung.
Italien. Rom, 21. Zanuar. (W. T. W.) Die in- ternationale Kunstausstellung ist heute in Gegenwart des Königs, der Mitglieder der Königlihen Familie, der Minister und des diplomatischen Corps eröffnet worden. Nach der Eröffnung besichtigte der Köaig die Ausstellung. f
Palermo, 20. Januar. (W. T. B.) Der russische Minister des Aeußern, vonGiers, ist heute nah Neapel abgereist. Derselbe begiebt sih von dort direkt nah Wien, wo er am 22. d. M. eintreffen dürfte.
Serbien. Be\1grad, 20, Januar. (W. T. B.) Außer dein deutsch - serbishen Handelsvertrage genehmigte die Skupschtina in heutiger Sigung auch den deutsch-s\er- bishen Konsularvertrag. Beide Verträge wurden mit demonstrativer Afflamation angenommen.
Nußland und Polen. St. Petersburg, 21. Ja- nuar. (W. T. B.) Der „Regierungsanzeiger“ ver- öffentliht einen Beschluß des Ministercomités, nah welchem den Beamten verboten wird, ohne Erlaubniß der Regierung sih an periodishen und anderen Zeitschrif- ten zu betheiligen und denselben die Regie: ung tangirende Mittheilungen zu machen. :
— 21. Januar. (W. T. B) Der Großfürst Nikolaus ist heute nah Berlin abgereist.
Amerika. New-York, 20. Januar. (W. T. B.) Aus Mexico hier einge„angenen Nachrichten zufolge ist es zwischen mexikanischen Truppen und Jndianern in Tehuantepeczu einem Zusammenstoß gekommen, bei welchem etwa 50 Soldaten und gegen 80 Jndianer gefallen sind.
Süd-Amerika. Peru. Lima, 20. Januar. (W. T. B.) Der in Catamarca tagende Kongreß hat den General Jglesias zum Präsidenten der Nepublik ernannt. JZglesias nahm die Wahl unter der Bedingung an, daß die Bevölferung von Peru den Frieden wünsche.
Afrika. Egypten. Kairo, 21. Januar. (W. T. B.) Der hiesige diplomatische Vertreter Frankreichs hat gestern der egyptischen Regierung eine Note seiner Regierung zugestellt, in welcher gegen das Dekret, betreffend die Aufhebung der Kon- trole, Protest erhoben wird. Jn der Note heißt es, die Kontrole sei die einzige Garantie für die Gläubiger Egyptens, leßteres habe niht das Recht, einen Vertrag zu brehen und sei für die finanziellen Folgen verantwortlich. -
— 4020. Januar. (W. T. B.) Nubar Pascha ist zum Mitglied der Kommission für die Neform des Gerichts- wesens für die eingeborene Bevölkerung ernannt worden.
Alexandrien, 20. Januar. (W. T. B.) Die fran- zösische Regierung ernannte den früheren Konsul hierselbst, Kleskowsky, zum französischen Mitgliede der Entshädigungs8- kommission. — Wie die „Egyptishe Zeitung“ meldet, werden die Arveiten zur Verbesserung des Suezkanals nicht vor dem nälsten Jahre in Angriff genommen werden. — Fn Manilla is} die Cholera erloschen, die Quarantäne in Folge dessen aufgehoben. — Heute Morgen wurde der Mörder von zwei Engländern bei Gelegenheit des Massacres im vorigen Jahre gehängt.
Zeitungsstimmen.
In dem „Handelsblatt für Walderzeugnisse“ (Gießen) hatte sih der Vorstand des Holzhändlervereins gegen die Holzzöle ausgesprohen. Jn demselben Blatte tritt jeyt Hr. M. Fischer, Leit-r einer Holzindustrie in Passau, den in jenem Artikel entwidelten Ansichten entgegen. Jn dieser Replik, welche ausgeführt, es sei kein Beweis dafür erbracht, daß die Holzzölle ein Uebel für Deutschland seien, heißt es weiter :
. ._. ih bemerke, daß es sicherlih cine große Tragweite hat, wenn die bayerischen, badischen, hessishen, württembergischen, thüringischen, preußischen und rheinischen Werke, die zum weitaus größten Theile auf den Bezug inländischen Holzes angewiesen sind, niht von der aus- ländischen Konkurrenz kalt gestellt, wenn niht gar erdrückt werden. Diese große Anzahl von Werken soll ruhig zusehen, wie man sie na und nah abschlahtet, die Forstbezirke, aus denen dieselben ihre Rund- bölzer beziehen, sollen weiter unrentabel und freudlos ihre Produkte an eine hinsiehende Industrie abgeben, nur damit fremde Produkte, die größtentheils ohne Rücksicht und Berebnung, nur mit dem Motto : „Je mehr desto besser“, zum Vertriebe kommen oder besser gesagt, vershleudert werden, nach Kräften geschont werden.
Betrachten wir uns diese Abstockungsgeschäfte des Auslandes näher, um zu beweisen, daß die Rodomontaden von Raubbau keine Phrasen sind, welcher Ausdruck übrigens unglücklich gewählt ist, denn es sollte Raub und Sbleuderproduktion heißen. ... Da ift
Galizien in erster Linie bemerkenswerth, welhes mit seinen 72 Dampfsägen und zahllosen Wasfserwerken jährliÞ 790 009 Festmeter Rundholz verarbeitet, aus denen 490000 cbm Scnittwaare gewonnen werden oder 23 090 Waggons à 10000 kg, welche zum großen Theil den Weg nah Deutschland finden. Und doch hat dieses Land nur rund 2 Millionen Hektare Waldfläche, kaum fo viel, als Tirol und Steiermark zusammen; aber die fkolofsalen Altbolzbestände sind es, die, Jahrhunderte unberührt, jetzt innerhalb weniger Dezennien flüssig gemaht wurden und die in Folge billigen Ankaufes, billiger Verarbeitung und billiger Tranéportirung Deutschland geradezu überschwemmen, denn Staat und Private wetteifern dort, das Land mögli bald waldarm zu machen. Die enormen Ueber- \chüfse an Holzkapital, welche in den Forsten bis auf ein Gewisses stets auf dem Stocke stehen bleiben müssen, soll der Jahreszuwachs kontinuirlich und zusagend erfolgen, was eben in Galizien, dessen Forstwirthschaft noch in den Windeln liegt, niht befolgt und erwogen wird, da wohl der Staat die Anfänge einer geregelten Wirtbschaft in Angriff genommen hat, aber leider von dem gesammten Wald- areale nur ein Neuntel besißt, sind es, die dort niht gesbont werden und gegen die wir uns-zu wehren haben und wehren müssen.
Und wie macht man in Galizien Geschäfte? Seit Einführung des Wuchergesezes gar ist der Verfauf von Holz, einerlei ob Nut- holz oder anderes Sortiment, das einzige Rettungsmittel der arg versbuldeten Gutsbesißer. Um Geld im Voraus zu erhalten, wird so billig als mögli verkauft, ohne genaue Grenzen oder überhaupt zu wissen, wieviel verkauft wurde. Man versafft sih auf diese Weise das gründlichste Ausnüßungsredt der Wälder zu einem äußerst billigen Preis oder preßt es dem Besitzer gar ab und behandelt den Wald dann nah Belieben. Ist das kein Raubbau ?
Rußland besißt nur die allershwächsten Anfänge einer rationellen Forstwirthschaft, 1a es find dort faum 30% der Staatswaldungen überhaupt vermessen. Das Bewaldungsprozent der Provinzen, deren Ausfuhr nach Deuts{land gravitirt, ist niht größer als das der Provinz Scblesien mit 29,7; und doch führt Riga, wohl der Hauptitapelplay für russishe Sägewaaren, allein an- derthalb Millionen Bretter nach Deutschland ein. Ueber den Zustand der Waldbenußung läßt sh saaen, daß große Wald- flächen einfa zerstört werden in Folge gewissenloser Auébeutung und fehlender Kapitalien zur Wirthschaftsführuug, ja es geht die Ent- waldung in diesen Gegenden so reißzend vorwärts, daß nach den Er- hebungen einer eigens dafür eingeseßten Kommisfion thr Einfluß auf das Klima, auf die Versandung der Flüsse, das Versiegen der Quellen und das s{lechtere Gedeihen der Feldfrücbte unverkennbar ist.
Meistentheils wird so verkauft, daß man dem Käufer auf 10 Jahre und darüber die Ausbeutung und Waldbenußzung überläßt, ohne jeden Gedanken an Wiederaufforstung.
Das Waldareal Schwedens wird auf 174 Millionen Hektare geschätzt, in denen geradezu riesige Holzvorräthe aufgespeichert stehen. Der Verkauf erfolgt größtentheils dur Auktionen, bei denen das Abstockungsrecht auf eine Reihe von Jahren (meist 15) gegeben wird. Der Käufer hat den Kaufscbilling zu zahlen und alle Wege, Riesen oder Klausen 2c. selbs herzustellen, die später unentgeltlih an den Staat fallen. Was Wunder, wenn der Käufer bei der Ausnußung selbst nit sehr gewissenhaft zu Werke geht und trachtet, möaglicst viel in der kürzesten Zeit zum Einschlage zu bringen. E
Während für die Staatswaldungen gewisse Vorschriften existiren, ist die Privatwirthschaft völlig frei und unbehindert. In Norbotten- Lön bat der Erport selbst der schwähsten Holzsortimente so überhand genommen, daß ein Gesetz erlaîsen wurde, wonach Hölzer unter 21 cm nicht mehr erportirt werden dürfen. Der gesammte s{hwedische Erport beziffert si auf jährlich mindestens 45 Millionen Kubikmeter mit einem Werthe von 1209 Millionen Mark Mehr als die Hälfte davon find Bretter und Sägewaaren. Es gehen davon nab Preußen allein rund für 10 Millionen Mark, das Meiste jedoh nach England, Belgien 2c., welche Märkte vollständig ofkupirt und monopolisirt sind.
Böhmen treibt zwar keinen Raubbau, weil die dazu nöthige Holzs substanz, die Altholzbestände, vershwunden sind; doch rekrutirt sich ein großer Theil des zur Ausfuhr kommenden Materials aus Rodun- gen von Waldflächen, die dem Betrieb der Landwirthschaft zugeführt werden, weil die Forstwirthschaft gar \{lecht rentirt. Zudem kann Böhmen seine Waldprodukte, in Anbetracht seiner Flußrichtungen, am billigsten nur na Deutschland absetzen, so daß es gerade durch dessen hochentwickelte Forstwirthschaft möglih wird, jährlich von dort große Massen zu importiren. Í
Doch genug davon. Es ist durchaus niht nothwendig, daß der Nebershuß der Einfuhr von Rohbolz in Deutschland über die Ausfuhr mit 500000 t bei Eintritt des Zolles plöulich aus den deutschen Waldungen genommen werden müßte. — Man wird um gerade ein soldes Quantum weniger versägen, wodurch dann ein geregelteres Verhältniß zwis&en Angebot und Natbfrage herbeigeführt werden wird. Die hohe Produktionsfähigkeit der großen Werke wird etwas kalmirt und die Wuth, möglichst viel zu produziren, etwas einge- \{chränkt werden. :
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Wälder Deutschlands den Konsum zu decken in der Lage sind; wie überhaupt größtentheils niht importirt wurde, um einem bestehenden Bedürfnisse abzuhelfen, sondern weil es fich eben rentirte und durch die Vermittlung dieses Importes cin gutes Geschäft gemacht wurde. Und sollte jedo dieses nicht der Fall sein, so steht den fremden Hölzern der gebesserte deutshe Markt noch immer ofen, da der Zollsaz in seiner Pro- jektirung gewiß keine Prohibition involvirt.
Sollen denn nur die Händler, oder die Werke an der Grenze, oder folce, die in Folge günst ger Lage an flößbaren Flüssen, frem- des Holz im Inlande verscneiden, ges{ütt werden? Soll man denn jene hundertfah größere Anzahl anderer Werke, welche nur inländisches Holz verarbeiten Tönnen, und die in erster Linie dur ihr Prosperiren, den Impuls einer immer mehr und mehr rentableren Forftwirth- schaft geben, einfach ignoriren? Vergißt man unsere fleißigen, nicht ermüdenden großen und kleinen Forstwirthe, die tros aller Intelligenz und Thätigkeit, durch eine derartige Konkurrenz an die Wand gedrüdt, zu keinen günstigen Resultaten kommen fönnen? Vergißt man die Millionen, die das Volk jährlich für die Bewirthschaftung unserer Forste aufwendet und die keine eder nur geringe Zinsen tragen , weil die Erzeugnisse vershleudert werden müssen, um überhaupt abseubar U Ó Wenn behauptet wird, daß in den Jahren 1872 und 1873, zur Zeit der höchsten Holzpreise in Deutscbland, viel mehr Holz gefällt worden sei als jetzt, so ist dabei vergessen worden, daran zu erinnern, daß das eine ganz natürliwe Nothwendigkeit war, weil man die vom Sturm 1869 und 1870 und später vom Borkenkäfer ergriffenen be- deutenden Waldbestände einfa möglichst rasch einsblagen und auf- e mußte, welche in den genannten Jahren dies größte Quantum lieferten.
Entschieden widersprehen muß ich der Ansicht, als ob es eine Ausnahme wäre, wenn der Bauer seinen Wald liebt und er jede nächste Gelegenheit benüßte, ihn niederzushlagen. Wenn dem so wäre, so sind im Laufe der Jahrzehnte viele Gelegenheiten ins Land gegangen, wo der Bauer seinen Wald für s{weres Geld hätte ver- silbern können, aber die Mehrzahl hat es nicht gethan, jene Fälle ausgenommen, wo ein dringendes Bedürfniß vorhanden war. Leider nehmen diese Leßteren, in Gestalt des Erekutors, immer mehr zu.
— Jn den „Berliner Politishen Nachrichten“ lesen wir: l :
Gleihwie s in den leßten Jahren in allen unseren Industrie- zweigen ein erfreulicher technisher Fortschritt kundgegeben hat, so hat sich au die Fabrikation optisher Instrumente in den bekannten Rathenower Fabriken sehr bedeutend entwickelt. Die leßteren sind vollauf beschäftigt und neben dem Absay auf dem inländischen Markte erfreuen sie sih auch eines \{chwunghaften Erpor- tes. Leider sind die Fabrikanten immer noþŸ ge- nöthigt, das Kronenglas, aus welchem die feinen optischen Gläser hergestellt werden, aus Frankrei zu beziehen, da es bis jeßt niht hat gelingen wollen, diese Gläser im Julande in der erforder- lihen Qualität anzufertigen. Es soll jeßt der Versuh gemacht wer- den, in einigen großen Glasfabriken Deutschlands dieses für die Fa-