1883 / 19 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Jan 1883 18:00:01 GMT) scan diff

brikation optis{er Instrumente unentbehrliche Material herzustellen, was- ein um so erfrculicherer Fortschritt wäre, als für Kronenglas bisher sehr bedeutende Summen ins Ausland gewandert sind.

Neichstags - Angelegenheiten.

Der Etat für das Reichsamt des Innern auf das Etats- jahr 1883/84 \chlicßt mit einer Einnahme von 1151993 M ab (+ 26 602 gegen den Etat für 1882/83). Ein Mebr erscheint bier in folgenden Titeln: „Einnahmen von dem Grundstücke des Reich8amts des Innern“ mit 124 4, „Wittwen- und Waisengeld- béiträge“ 360 Æ, „Einnahmen der Normal-Aichungskommission an . Gebühren und aus dem Verkaufe von Veröffentlichungen“ 1000 M,

„(Sinnahmen von den für das Patentamt gemietheten Gebäuden“ 144 Æ, „Einrabmen des Patentamts an Gebühren“ 25000 M

Der Etat für 1884/85 weist an Einnahmen 1 282293 M, d. h. um 130 300 M mehr, als der Etat für 1883/84 nah. Das Mehr resul- tirt mit 300 4 aus Titel: „Einnahmen der Normal-Aichungs- kommission an Gebühren und aus dem Verkaufe von Veröffent- lihungen“ un5 mit 120000 ÆM aus dem Titel „Einnahmen des Patentamts on Gebüßren.“

Die fortdavernden Ausgaben beziffert der Etat für 1883/84 auf 2871588 M (—- 96166 aegen ben vorigen Etat). Ein Mehr findet sich hier: bei den „Besoldungen“ mit 3600 ( zur Umwandlung von zwei Bureaubeamtenstellen zweiter Klafe (Assistentenstellen) in solche erster Klasse; bei Titel „Wohnungsgeldzushüsse“ mit 720M; bei den Titeln „Für Druckfsahen des Bundesraths“ und „Zu Geschäfts- bedürfnissen, Diäten und Reisekosten 2c." mit 55000 X; bei Titel „an Preußen: Erstattung des Aufwandes für die zur Abwehr der Rinderpest an der Grenze gegen Rußland und Oesterreib-Ungarn angestellten Genêd’armen und Ober-Wachtmeister 2c.“ mit 577 4 In dem Kapitel „Statistisches Amt“ figurt ein Plus: bei den Besol- dungen mit 18780 F, bei den Wohnungsgeldzuschüssen mit 3480 4, in den Titeln „Zur Remunerirung von Hülfsleistungen“ mit 7757 M, »ZU außerordentlichen Remunerationen und Unterstützungen für Bureau und Unterbeamte“ mit 525 Æ und in Titel „Zur Unter- haltung des Dienstgruntstücks und der dazu gehörigen Gebäude 2c.“ mit 1000 Kapitel „Normal-Aichungskommission“ nimmt cin Mehr von 6657 #4 in Anspruch. Hiervon entfallen auf „Besoldun- gen“ 3600 M, „Wohnungsgeldzushüsse" 1157 Æ, auf „Sacbliche und vermischte Ausgaben“ 1900 Æ Kapitel „Gesundheitsamt“ zeigt ein Plus von 900 Æ. und zwar kommen hiervon 600 Æ zur Remune- rirung eines Mitgliedes, welches den Direktor in Behinderungsfällen zu vertreten hat, und 300 A. auf den Titel zur „Remunerirung von Hülféleistungen“. In Kapitel „Patentamt“ ist ein Mehr von 18015 MÆ. in Ansa gebracht, von welchen entfallen: auf Besoldungen 3300 4, auf Wohnunaëgeldzushüsse 540 M, und auf die Titel „Zur Remune- rirung von Hülfsleistungen“ 4000 (L, „Zu außerordentlihen Remune- rationen und Unterstüßungen für Bureau- und Unterbeamte“ 175 M, und auf Titel „Zur HersteUung von Veröffentlichungen des Natent- Amts“ 10 000 M

Gin Weniger ift bei den Ausgaben des Etats für 1883/84 ein- gestellt in den Titeln „Tecwnische Kommission für Seeschiffahrt ; zu Remunerationen, Tagegeldern und Fuhrkosten 2c.“ mit 6000 „(ntscbeidende Disziplinarbehörden; zu Präsenzgeldern, Tagegeldern und Fuhrkosten der Mitglieder dieser Behörden 2c.* mit 3000 4; und in dem Kapitel „Statistisches Amt“ bei Titel: „Zur Unterhal- tung und Verwaltung der Bibliothek 2c.* mit 11845 M.

Der Etat für 1884/85 differirt in den fortdauernden Ausgaben nur um ein Mehr von 200 M gegen den Etat vén 1883/84. Dieses Mehr erschcint in dem Kapitel: „Normal-Aihungskommission“ bei dem Titel: „Zur Unterhaltung des Dienstgrundstücks und der dazu gehörigen Gebäude 2c

Als cinmalige Ausgaben find in dem Etat für 1883/84 1120140 M. in Ansaß gebraht (— 8119932 M. gegen den Etat von 1882/83). Es fommen für 1883/84 folgende Posten, welche sich in dem vorigen Ctat befinden, in Wegfall: 180000 # Kosten der Exrpediton zur Beobachtung des Vorübergangs der Venus vor der Sonne i. J. 1882; 300 000 # Kosten der Betheiligung des Reichs an internationalen Polarforsbungen; 852500 Kosten der Erhebung einer Beruféstastik i. J, 1882 und 7775000 M zur Erricbtung eines RNeichstagsaebäudes, erste Rate. Dagegen zeigt sib ein Mehr in folgenden Titeln: „Beitrag zu den Kosten der Fisbzuchtanstalt zu Hüningen“ mt 1300 K, „Beihülfe zur För- derung der auf Erscbliefung Central-Afrikas und anderer Länder- gébiete geribteten wissenschaftliben Bestrebungen“ mit 25000 4 Neu eingestellt in den Etat für 1883/84 sind die Titel: „Beitrag zu den Kosten des internationalen Maß- und Gewichts- Bureaus in Paris für Herstellung internationaler Prototyve und der denselben beizugebenden Kontrolstütke“ mit 7690 4, «ZUr Erweiterung des Dienstgebäudes der Normal-Aichung8- Kommission und zur Auëstattung der neuen Räume mit Möbeln“ mit 19 000 Æ; „Zur Herstellung ciner landwirthscaftlihen und ge- werblichen Betriebestatistik auf Grund des bci der Berufszählung am 5. Juni 1882 gewonnenen Urmaterials mit 820000 (A und „Zur Erweiterung des Anstaltsgebäudes des Germanischen Museums in Nürnberg“ (davon 25 000 M als erste Rate einer speziell für den sogenannten Südbau bestimmten, in zehn aleiben Jahresraten zahl- baren Subvention von 250000 MÆ) mit 115 000

In dem Etat für 1884/85 betragen die cinmaligen Au®- gaben 173975 Æ, d. h. um 946165 Æ weniger als im Etat für 1883/84. In Wegfall kommen folgende im Etat für 1883/84 an- aefettte Posten: 1) 7690 M Beitrag zu den Kosten tes internationalen Maß- und Gewichtsbureaus in Paris für Herstellung internationaler Prototype und der denselben beizugebenden Kontrolstüke; 2) 19 000 A zur Erweiterung des Dienftgebäudes der Normal-Aichungskommission und zur Ausstattung der neuen Räume mit Möbeln ; 3) 820 000 M zur Herstellung einer landwirthschaftlihen urd gewerb- lichen Betriebé statistik auf Grund des bei der Berufszählung am 5. Juli 1882 gewonnenen Urmaterials, Ein Weniger findet ich weiter in folgenden Titeln: „zu Remunerationen, Tagegeldern und Fubrkosten der Reichsfommission zur Entscheidung der Beschwerden auf Grund des Geseßes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingaefährliben Ne- \trebungen der Sozialdemokratie“ mit 9375 M und „zur Erweiterung des sogenannten Südbaues des Anstaltëgebäudes des Germanischen Museums in Nürnberg, zweite Rate“ mit 90 000 M.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Braunschweig, 20. Januar. (W. T. B.) Der Bildhauer und Staaieger Professor Georg Howaldt ift gestern Abend gestorben.

Zu Sawfenberg bei Scbwerin is am 15. d. M. ein nam- bafter deutscher Physiolog, der Ober-Mediziral-Rath Dr. med. Her- mann Stanniîius, seit 1837 ordentlicher Professor an der Univer- sität zu Rostock, nah langjährigem {weren Leiden im 75. Lebcns- jabre verschieden. Er hat in den Jahren 1831—1852 eine sehr rege literarisde Thätigkeit entwickelt. Besonders zu nennen sind: etne „Allgemeine Pathologie“ (Band I. Berlin 1837) sowie das „Lehrbuch der vergleidbenden Anatomie“, welches er mit v. Siebcld herausgab (Berlin 1846). Auch verschiedene Beiträge zur Anatomie der Fische find tüchtige Leistungen.

Gewerbe und Handel.

„Gewerbehalle“*, Organ für den Fortscritt in allen Zweigen der Kurstindustrie, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner redigirt von Ludwig Eifenlohr und Carl Weigle, Arctitekten in Stuttgart. (Stuttgart, Verlag von I. Engelhorn.) Monatlih eine Lieferung zum Preise vcn 1,50 A. 21. Jahrgang. 1. Lieferung. Mit der

vorliegenden Januar-Lieferung 1883 beginnt die „Gewerbehalle* be- | Unter den 7 Tafeln, welcbe das neueste |

reits ihren 21. Jabrgang. i / : l Bo entbält, verdient namentlich die dritte gar besondere Hervor- ebung, welche eine Kolleftion von Motiven für Flächendekoration

(entworfen von den PHerauégebern), in italienishem Renaissance-Stil, |

darbietet, wie sie feiner und ges{mackvoller si kaum denken lassen. Unter den Es von Möbeln nimmt ein Prunkschrank mit Relief-Jntarfien aus der Möbelfabrik von Gerson und Weber in Stutt- gart cinen vornehmen Rang ein. Die Gloëirdustrie ist durch eine prachtvolle Karaffe in ges{liffenem Krystall-Glas mit Silbermonti- rung von Bruckmann und Söhnen in Heilbronn glänzend vertreten. Mit den auf Tafel 6 abgebildeten Pariser Schmucksahen dürfte jedoch unsere heimishe Juwelierkunst sehr wohl zu konkurriren vermögen. Das ältere Kunstgewerbe repräsentirt ein charakteristisches ae ras S{loßblech von einer Brauttruhe im Bayerischen National- musjeum in München und eine prachtvolle (in vielfältigem Farbendruck ganz vorzügli reproduzirte) gewirkte gothiscbe Teppichbordüre aus dem Jahre 1440, deren Original im Museum auf dem Michaelsberg zu Bromberg aufbewahrt wird (aufgenommen vom Professor F. Ewerbeck in Aachen). Der einundzwanzigste Jahrgang der „Gezerbehalle*® verspricht na diefer Probe in der That wie seine Vorgänger „ein umfassendes Bild des kunstgewerblihen Schaffens der Gegenwart und der Ver- gangenheit, soweit dieselbe für die heutige Produktion förderli ift, in vorzüglicher Darstellung ausgezeichneter und stilvoller Gegerstände zu bieten und damit den Kunstgewerbetreibenden Gelegenheit zu geben, ihren Geshmack zu bilden unck zu läutern, um als ebenbürtige Be- werber auf dem Weltmarkte auftreten zu können.“ Der thätizen Unterstüßung von Seiten der ersten Künstler und Fabrikanten verdankt das Organ, daß es schon jeßt geradezu den Rang eines -Weltblattes einnimmt und ein unentbehrliches Hülfsmittel in Werkstätten und Ateliers geworden ist. #4 Nürnberg, 20. Januar. (Hopfenmarktberiht von Leopold Held.) Gestern und beute hatte der Hopfenmarkt ein sehr stilles Gepräge. Es ift zwar Frage vorhanden, allein die Eigner weigerten sib, die gestellten sehr niedrigen Gebote zu acceptiren. Der Gefammtumsauß der beiden Tage betrug nur ca. 40 Ballen. Man zablte je nah Farbe und Qualität für Mittelwaare 375—400 4; in Prima wurde nichts gehandelt.

Glasgow, 20. Januar. (W. T. B.) Die Vorrätbe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 603 600 Tons gegen 630 200 Tons im vorigen Jahre. Zakl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 106 gegen 105 im vorigen Jahre.

Berlin, 22. Januar 1883.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 4. Klasse 167. Königlich preußischez Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 150000 M auf Nc. 24 496.

2 Gewinne von 30000 M auf Nr. 57 399. 87 924.

2 Gewinne von 15000 4 auf Nr. 46117. 88 931.

6 Gewinne von 6000 auf Nr. 27 707. 29780. 40 457. 51 431. 61 885. 76 087.

44 Gewinne von 3000 # auf Nr. 612. 3394, 3676. 7687. 11 833. 12 329. 15 348. 15 363. 16 722. 16 924. 19 563. 22492. 28012. 33 287. 34259, 35153. 38163. 40 360. 41168. 43002. 43 243. 47530. 52915. 53991. 55 770. 58 874. 59483. 61471. 62867. 64357. 67889, 68892. 70401. 70608. 76765. 77583, 81 259. 81 321. 81 535. 86 756. 89513. 90980. 91336. 93076.

40 Gewinne von 1500 F auf Nr. 3865, 7193. 12842, 12996. 14430, 16 702. 21752. 25050. 26 297, 26 642. 30 243. 32 989. 35935. 42084. 45789. 46 774. 52992. 52996. 54716. 55018. 61644. 65776. 68334. 71712. 78146. 78153. 81 849. 85486. 86 938. 87 293. 88716. 89 042. 90 314. 93 221.

57 Gewinne von 550 M auf Nr. 1239, 2186. 3004. 3566. 3797. 4936. 5073. 5220. 5730. 7634. 13 760. 20 522, 22446. 23200. 23673. 24646. 25086, 25638. 27 525. 27545. 28698. 30282. 30892, 31682. 33935. 34 563. 37810, 38582. 39130. 42482. 44613. 44662. 46 994. 48 961. 53279. 55954. 56904. 58430. 61 607. 62919. 63 330. 66735. 67153. 72084. 75229. 76 597. 78180. 80550. 82341. 83723. 84722. 88629. 89145. 91 059, 91303. 91555. 92787.

11 716. 25 319. 45 035. 61 502. 78 355. 89 927.

In der Reihe der großen Berliner Kunstausstellungen wird die diesjährige, die nach dem kürzli ausgegebenen Programm am 3. Mai eröffnet ur. d am 1. Iuli ges{blofsen werden soll, eine längst erwünschte Abweichung von dem früheren Herkommen bezeichnen. Statt in die Jahre lang festgehaltenen Monate September und Oktober, die sib den Ausftellern wie dem Publikum immer deutlicher als die keinesfall3 geeignetsten erwiesen haben, ift sie zum ersten Mal gleih dem jährliÞ wiederkehrenden Pariser Salon in den Früh- sommer verlegt, der für die heutigen Berliner Verhältnisse ohne Frage die weitaus günstigste Ausstellungszeit abgiebt. Im Anschluß hieran wird gegenwärtig der Gedanke angeregt, aub nach etner ans deren Seite hin von der bisherigen Gewohnheit abzugehen. Man weist darauf hin, daß der Schluß der üblichen Besuchszeit gerade mit dem Augenblick?e zusammenfällt, in welbem weite Kreise des gebildeten Publikums, Beamte, Redacteure, Kaufleute u. s. w. nach dem Tages8gescäft eben noch eine bequeme Mußestunde für den Kunst- genuß finden könnten, während sie gegenwärtig hierzu ausschließlih auf den Sonntag verwiesen bleiben, und \{lägt vor, die Besucbszeit bis 6 Ubr Nachmittags zu verlängern, was im September und Ofkto- ber ih von selber verbot, während im Mai und Iuni der Stand der Sonne bis dahin ausreihendes Licht geben würde. Für den Vorschlag wird außerdem geltend gemacht, daß diese Verlängerung der Besuch8zeit am besten dem Ausfall an Eintrittsgeldern vorbeugen würde, der bei der von den Mittelpunkten des Verkehrs entfernteren Lage des für die nächste Autstellung als Lokal gewählten Polytechni- fums vielfa befürchtet worden ist.

Der im Jahre 1813 gegründete Verein zur Verbreitung der Handwerke und des Ackerbaues unter den Juden im preußischen Staat bielt am Sonntag Mittag im Socale der Ge- seliscaft der Freunde seine Jahresversammlung ab. Der Vorsitzende, Bankier Simon, eröffnete die Versammlung mit dem Bemerken, daß der Verein heute seinen 70, Jahrestag begehe. Im letztverflossenen

Jahre babe sowohl die Zahl der Vereinsmitglieder als auc die Zahl der vom Vereine unterstützten Lebrlinge sich bedeutend vergrößert. Die Lehrlinge haben \sich sämmtli die Zufriedenheit ibrer Lehrherrn erworben. Sie werden zum Besuchß von Zeichen- Fortbildungasschulen und der vom Verein neu begründeten Religions- \chule angehalten. Der Verein fei bemüht, fowohl für das spätere Fortkommen der unter sciner Obhut steberden Lebrlince, wie für deren fittlich-religiöse Ausbildung nah Kräften zu sorgen. Dem hierauf von dem Kommerzien-Rath Friedlaender erstatteten Geschäfts- beriht war zu entnehmen, daß im verflossenen Jahre 56 Lehclinge vom Verein gekleidet, unterstüßt 2c. wurden. Von diesen wurden 7 als Gehülfen, nachdem fie mit allem Nsöthigen ausgestattet, aus der Obhut des Vereins entlassen. Ein Lehrling hat die Lehre verlassen, ohne ausgelerrt zu haben, so daß am Ende des Jahres 1882 48 Lehrlinge verblieben. Außerdem unterstützte der Verein eine namhafte Anzahl junger Leute, welche die hiesige tech- nisbde Hocbsctule, Kunstgewerbesbule und andere gewerbliche An- stalten besuhten. Prof. Dr. Breélau gab hierauf einen Nück- blick auf die 7jährige Thätigkeit des Vereins. Der Redner bemerkte zunächst: Ein Hauptgrund, daß das Handwerk unter den Juden verbältnißmäßig noch wenig vertreten sei, habe darin ges legen, daß erft im Jahre 1812 den Juden gestattet worden

sei, ein Handwerk zu betreiben. Am 11. März 1812 sei dies Ret verlichen und bereits am 29. Januar 1813 dieser Verein von der Familie Moses Mendelssohn begründ-t worden. Seit dem Bestehen des Vereins seien rund 900 jüdisbe Handwerkslehrlinae auf Kosten des Vereins ausgebildet und behufs Etablirung als Meister unterstüßt worden. Eine ungefähr gleihe Anzahl von jüdischen Hand- werkern sei vorübergehend unterstüßt worden. Seit dem Bestehen des Vereins wurden für Ausbildung jüdischer Handwerkslehrlinge 350 000 Æ ausgegeben. Dem Aerbau vermocte der Verein nur eine sehr geringe Anzahl von jungen Leuten zuzuführen. Nicht in Preußen allein, au in fast allen anderen deuts{en Staaten gründeten sich, nabdem den Juden die Emanzipation verliehen worden war, ähnliche Vereine, so in Sachsen 1829, in Frankfurt a. M. 1823, ferner in Hamburg, Hannover, Bayern u. . w. Aber auch in anderen preußisden Städten bestehen zumeist {on seit vielen Jahrzehnten Vereine mit gleiher Tendenz, so in Breslau, Königsberg i./Pr., Hildesheim, Crefeld, Düsseldorf, Beuthen i./Obers{l., Groß-Glogau, Münster i./W., Oschersleben, Polnisc- Lissa, Kempen und Nicolai. Außerdem sind derartige Vereine in der Bildung begriffen in Posen und zwar für die ganze Provinz, ferner in Oppeln, Stolp, Bochum, Erfurt, Essen a. d. Ruhr und Bromberg.

_ Hamburg, 21. Januar, Morgens. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten ift der Hamburger Postdampfer „Cimbria“ auf der Reise von Hamburg nach6 New-York am Freitag Morgen bei Borkum mit dem Dampfer „Sultan“ in Kollision gekommen und bald darauf gesunken; ein Boot des- selben ist mit 39 Personen in Curhafen gelandet. Es sind \echs Dampfer ausgesandt, um die anderen Boote zu suchen.

21. Januar, Vormittags. (W. T. B.) Der Huller Dampfer „Sultan“, welher am Freitag Morgen mit dem Hamburger Postdampfer „Cimbria“ zusammengestoßen war, ist stark beschädigt in der Elbe eingetroffen. Ueber den untergegangenen Dampfer „Cimbria“ wird noch bekannt, daß derselbe am Donnerstag von Hamburg abaegangen und in der Elbe auf den Grund gerathen war. Mit der Fluth und unter Assistenz des Dampfers „Hansa“ fam die „Cimbria“ unbeshädigt ab und ging Nacbmittags um 23 Uhr in See, worauf am Freitag Morgen bei dichtem Nebel der Zusammen- stoß erfolgte.

21. Januar. (W. T. B,) Der „Postdampfer Cimbria“ wurde, wie weiter gemeldet wird, bei dem Zusammenstoß mit dem Dampfer „Sultan*“ fo {wer beschädigt, daß es sofort klar wurde, er würde în kürzester Zeit sinken. Von Seiten der Offiziere wurde deshalb Alles gethan, was geschehen konnte, um die an Bord befindlichen Personen zu bergen, was bei dem sich sehr {nell auf die Seite legenden Schiffe sehr shwierig war, nah kurzer Zeit aber auch si als unmöglich herauéstellte. Als der zweite Offizier no% mit dem Loshauen der Bänke an Deck beschäftigt war, um möglichft viel treibendes Holz zu afen, sank das Schiff unter ihm fort. Er er- faßte cine Spiere ; als sich aber viele der im Wasser treibenden Per- sonen daran anflammerten, ließ er los, s{wamm dem Boote zu, welches später von dem Dampfer ,Theta“ aufgenommen wurde, übernahm dessen Führung und brate es nah Curhaven. _Fernere 17 Mann wurden durch das Scbif „Diamant“ am Weserleuht- thurm gelandet. Unter den Geretteten befinden sch, soweit bisher festgestelt werden konnte, von der Besaßung: der zweite Offizier Spruth, der dritte Offizier Heyden, der vierte Offizier Voß, der zweite Ingenieur Kopmann, die Assistenten Sauerbrey und Oberheide, der erfte Steward Harder, die Quartiermeister Klatt, Wuelfken und Lau, die Heizer Blaues, Engel und Franke, die Zwischendeck-Stewards Thurow und Andersen, die Matrosen Vierow, Alerandersen, Johannsen und Meyer, die Leicbtmatrosen Mencbow und JIenten; der Schiffsjunge Rehn. Von Passagieren : Alfr. Voigt, W. Tornemann, P. Comfolier, B. Lorenz, Geschw. Allendorf, G. Hamel, W. Danielwig, R. Hanowit, Frl. Schmul, R Pfeifenkopf und Frau, L. Reicher, L. Schuett, Bourgeus, Colin, Cohrts.

21. Januar. (W. T. B.) Nach Aussage eines der Ge- retteten von der „Cimbria*“ war das Wetter in der Nacht vor der Kollision bis 14 Uhr hell; alsdann trat Nebel cin, welcher immer dibter wurde. Bis 17 Uhr arbeitete die Maschine der „Cimbria“ mit voller Kraft weiter, bis 2 Uhr mit halber Kraft, von da an langsamer. Um etwa 2 Uhr 10 Minuten wurde die Pfeife eines anderen Dampfers gchört, worauf die Maschine der „Cimbria“ sofort gestoppt wurde. Das grüne Licht des „Sultan“ wurde in Folge des starken Nebels8 erst gesehen, als der Dampfer ca. 150 Fuß von der „Cimbria“ entfernt war. Die „Cimbria* wurde an der Bakbordseite getroffen und sank alsbald nah der Steuerbordseite. Am andern Nachmittag 2 Uhr wurde das eine Boot von der „Theta* auigenommen, welche gegen 6 Uhr in Curhaven eintraf. Die Namen der beim Weser- leuchtthurm Gelandeten find noch nit bekannt. Der Schaden des „Sultan“ besteht in cinem großen Loh im Bug, 7 Fuß über der Wafserlinie.

21. Januar, Abends. (W. T. B.) Die Namen der in Bremer- hafen gelandeten Zwischendeckpassagiere der „Cimbria* sind folgende: Saulwer (Paris), Beck (Potsdam), Kirsbaum (Nürnberg), Pobursky (Tillwalde), Fosing (Barmen), Vegert (Soginaw), Ganske (Postu- anowa), Schreiber (Bernau), Bring (Schaltdorf), Kwitha (Szakel), Dongy (Sznwetsky), Saums (Sgum), Keitel (Oberammergau), Nickel (Ulm), Blisko (Totsavy), Joes (Hedebbat), Heizer Schmidt (Altona). Als gerettet sind bis jeßt im Ganzen 56 Personen befannt.

22. Januar, Nachmittags. (W. T. B.) Nach einer Mit- theilung der Hamburg-Amerikanishen Packetfahrt- Aktien-Gesellschaft ist deren Damvfer „Hansa“ heute Morgen aus See nach Cur- hafen zurügekehrt. Der Lootse Bähr berichtet, daß das Wrack der „Cimbria“ aufreht steht und die Marêrzaen bei Hoch- wasser eben sidbtbar sind. Bei dem Borkumer Feuerscifff war, wie eine Anfrage ergab, von den vermißten Booten oder geretteten Passagieren der „Cimbria“ nichts bekannt. Die „Hansa“ jah auch troy des klaren Wetters und fortwährenden Ausgucks keine Gegenstände treiben.

Havre, 21. Januar. (W.T. B.) Der Dampfer „Picardie" von der „Compagnie générale trans8atlantique* ift auf der Fahrt von New-York nah Havre gesunken. Die ganze Besatzung wurde gerettet und von dem Dampfer „Labrador* aufgenommen, der heute früh in Havre eingetroffen ist.

New-York, 20. Januar. (W. T. B.) Der gestrige von San Francisco kommende Erpreßzug der Southern- Pacific-Eisenbahn fuhr in Folge eines Bruches der Brems- fetten unweit Los Angeles cinen steilen Abhang von 4 Meilen mit einer übermäßigen Schnelligkeit herab und ftürzte über die Ein- friedigung. Die Trümmer des Zuges fingen Feuer. 15 Personen wurden getödtet, mehrere davon verbrannt und 14 andere verletzt. 7 Leichname sind in unkenntlihem Zustande aufgefunden worden. E

21. Januar. (W. T. B.) Bei dem bereits gemeldeten in der Näbe von Los Angeles vorgekommenen Eisenbahnunglück sind 2 Schlafwagen und 3 andere gewöhnliche Wagen verbrannt. Die Personen, die sich in diesen Wagen befanden, waren in die Wagen- trümmer so fest eingepreßt, daß sie vor den Augen der Ueberlebenden, obne daß Hülfe möglih war, langsam verbrannten. Bis jett sind 17 vom Feuer verzehrte Leichen aufgefunden worden. Der frühere Gouverneur von Kalifornien, Downey, ift {wer verwundet, seine Frau getödtet.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen (eins{lie;lich Börsen-Beilage), (883) und die Besondere Beilage Nr. 1.

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 22. Januar. Im weiteren Verlaufe der vorgestrigen (35.) Sißung des Reichstags wurde die erste Berathung des von dem Abg. von Wedell- Malchow eingebrachten Geseßentwurfs, wegen Abänderung des Gesetzes, betreffend die Erhebung von Neichsstempel- abgaben, vom 1. Fuli 1881, fortgesezt. Der Abg. von Wedell-Malchow erhielt als Antragsteller das S@&lußworkt. Derselbe erklärte, auf die Angriffe zweier Tage antworten, würde die Geduld des Hauses zu sehr in Anspru nehmen. Er sei gewöhnt und habe auch den politishen Muth dazu, seine Person für seine Ueberzeugung voll und ganz ein- zuseßen. Der Presse erkläre er von dieser Stelle aus, von der aus man im ganzen Reih am besten gehört werde, daß ihn die Angriffe derselben vollständig kalt ließen, daß er in feiner Weise gegen sie reagiren werde und daß sie ihn in dem, was er einmal für Recht erkannt habe, niht genire,. Nur einem, dem Abg. Büsing, müsse er antworten, der einem alten Parlamentarier und langjährigen Kollegen gegenüber es sfich wohl hätte über- legen sollen, bevor derselbe ihm den Vorwurf der Unüberleat- heit mache. Er habe si fein Vorgehen sehr wohl überlegt, sein Antrag sei das Produkt langer Arbeit, Mühe und viel- faer Jnformation, und er antworte dem Abg. Büsing nur, weil derselbe als der einzige auf der linken Seite des Hauses sih wenigstens dem Grundgedanken seines (des Redners) An- trags nicht feindlich gegenübergestellt habe. Der Adg. Büsing habe anerfannt, daß das an der Börse flottirende Kapital auch in irgend einer Weise zu den Staatslasten heranzuziehen sei, und bemerkenswerthe Vorschläge, z. B. der Kontingenti- rung der Steuer gemacht, Agra. isch-fozialistishe Tendenzen aus Feindseligkeit gegen das Kapital verfolge er dur feinen Antrag ebensowenig, als die Herren, die jeßt die Nübensteuer abändern wollten, Feinde der Nübenbauer oder der Zuer- fabrikanten seien. Der Abg. Löwe könne ihm einen solhen Vorwurf gestern nur in der Aufregung über die Rede des Abg. Perrot gemacht haben. Der Abg. Sonnemann habe den Ertrag der jetzigen Stempel- steuer auf 12 Millionen angeschlagen, das sei immerhin für den Anfang ein hoher Betrag. Diese Ziffer repräsentire indessen den ganzen Ertrag der Reichsstempelsteuer; die S{lußnoten- steuer allein bringe nah dem Etat von 1883/84 nur 2 700 000 M ein. Der Rest falle auf die Steuer von der Lotterie und den Jnhaberpapieren. Der Abg. Büchtemann habe seine (des Redners) Angabe, daß im Deutschen Reich im Jahre 1874/75 und 1876 61 Millionen Mark für Urkundenstempel und Per- mutationsabgaben des Grundvesißes bezahlt seien, bezweifelt. Seine Angaben stüßten sich auf eine Druckschrift des Reich3- tages aus der Session von 1878, die den Herren auf dem Bureau zugänglich sei. Gegen eine Revision des Gesetzes von 1881, wie es bestehe, habe er an und für sich gar nichts. Selbstverständlih könnten auch Theile des aiten Geseßes in der Kommission amendirt werden. Gerade er habe 1881 die Definition des Zeitgeshäftes gewünscht. Es stehe nichts im Wege, daß die Kommission eine bessere Defini- tion suche. Seine Auffassung, daß das Zeitgeschäfst in dem Sinne, wie er es definiren wolle, in dem Gesetz von 1881 schon auf- gefaßt und definirt sei, fei auch von der Delegirtenkonferenz deutsher Handelsvorstände bestätigt worden. _Unter Zeit- geschäft sei danach nur das sogenannte Fixgeschäft zu verstehen. Wenn die Regierung aus seinen Vorschlägen für die Definition von Zeitgeschäst Veranlassung nehmen sollte, dem Antrage si nicht günstig gegenüterzustellen, so fönne er nur annehmen, daß sie fürhte, daß dadurch die schon geringen Einnahmen des Geseßes noch mehr geschmälert werden würden. Wenn aber die Regierung in der Kommission durch ihre gewiß sehr fsahkundigen Juristen dabei helfen wolle, so werde es ge- lingen, diesen Zweifel zu lösen und dasjenige Zeitgeschäft wirkli*G zu fubstantiiren, welhes er treffen wolle, Man wende nun ein, der Antrag würde das Report- und Arbitragegeschäft reduziren. Es müßte doch bewiesen werden, daß eine Doppelbesteuerung, wenn sie wirklich stattfände, so beshwerend auf das Geschäft wirken würde, daß es nitt mehr gemacht werden könne. Das sei niht geschehen. Ueber das Arbitragegeschäft seien die Urtheile selbst unter den Sach- verständigen sehr verschieden. Es habe gewisse Vortheile, aber auch entschiedene Nachtheile, z. B. den Nachtheil, daß die engagirten Summen sehr hohe seien, während es sih bei den Differenzgeschäften gewöhnlih nur um die Coursdifferenz aat avs Wenn es nu: gelänge, durch eine Besteuerung die

rbitragegeshäfte einzushränken und so die Möglichkeit der Verluste zu verringern nur kürzlih habe ein hiesiges Geschäft große Verluste erlitten #o wäre das ein großer Vortheil. Die Arbitrage bringe Deutshland auch manche fremden, recht bedenklihen Papiere ins Land. __ Ferner kämen durh die Arbitrage die deutschen Börsen in Konnex mit den ausländischen Börsen und geriethen bei irgend wel{en Krisen sofort in gefährliche Mitleidenschaft. Er komme zur Frage der legitimen und illegitimen Geschäfte. Unbestrittenermaßen sei cin großer Theil der Zeitgeschäfte reines Differenzspiel. Es bleibe allerdings eine Zahl soge- nannter legitimer Geschäfte übrig. Beide Geschäfte zu trennen, habe er gar feine Veranlassung, wenn das Geschäft überhaupt ein gutes und richtiges Steuerobjeft sei. Der Kauf oder die Pachtung eines Grundstücks sei auch ein ganz legitimes Ge- äst, und doch werde es besteuert. Das illegitime Geschäft steuerfrei zu lassen, weil man das legitime nicht besteuern dürfe: dieser Deduktion könne er nicht folgen. Dies illegitime Geschäft werde dur die Steuer, wenn auch niht abgeschafft, so doch wesentli gehindert werden, hon deshalb, weil die Anlegung der Register die Betreffenden zu dem offenen Ge- ständniß zwinge, daß sie solche Differenzgeschäfte betrieben. Diese Wirkung könne er nicht sür einen Fehler seines Gesetzes halten, Die Gegner suhten überall nah Bundesgenossen : auch die arme Landwirthschaft hätten sie herangezogen. Ob der Landwirthschaft dies Geseß schaden würde, das zu beur- theilen, könne man den Landwirthen im Hause überlassen. Und wenn die meisten der von der Jndustrie gemachten Ge- schäfte unter seinen Geseßentwurf fielen was er nicht zu-

Berlin, Moutag, den 22, Januar

gebe dann würde bei einem Umsaße von 10 Millionen die ganze Steuer 2000 Æ betragen. Das sei ein Kommisgehalt. Das legitime Geschäft werde nur zur Abwehr ins Gefect ge- führt. Ganz besonders sei man aufgetreten gegen die Register-Kontrole. Er habe von vorn herein erklärt, daß, wenn ihm ein anderes sicheres Mittel der Kon- trole gezeigt werde, er dies sehr gern acceptiren würde. Der S@&lußnotenzwang, der eine strenge Organi- sation der Börse vorausszße, würde wohl noH unangenehmer sein, als sein Vorschlag. Es sei ja allerdings mögli, daß der betreffende Beamte, der einen der dort verzeihneten Männer kenne, erfahre, derselbe mache Zeitgeschäfte. Aber so viele Börjengeschäste müßten jeßt schon die Oeffentlichkeit passiren in Telegrammen u. \. w. Außerdem sei der Beamte ver- pflichtet, das Geheimni5 zu bewahren. Viele Dinge drängten doch noh viel unangenehmer in Brivatverhältnisse ein, Z. B. Notariatsaïte, die der Stempelprüfung wegen an die OVberbehörden gingen. Müßten da nicht Verhältnisse viel delifaterer Natur flar gelegt werden! Dies Eindringen in Geschäftsgeheimnisse bestehe also nur darin, daß man erfahre, der Betreffende mache viel Zeitgeschäste. Der Abg. Sonne- mann glaube, daß das Geschäft ins Ausland gehen werde. Das glaube er einfach nit und darauf wolle er sih beshrän- haben. Jndeß habe man in Deutschland eben {on Manches gemacht, und werde noch Manches machen, was die anderen Staaten nicht maten. Uebrigens hätten andere Länder, wen: auch nicht dieselben, so doch auch recht belastende Börsensteuzrn. Deutschland sei nach seiner Meinung vielleicht der einzige Staat Europas, der eine solche Steuer einzuführen im Stande sei. Anderêwo finde man vielleicht keinen Mann, der, wie er es thue, offen für diese Sache hervortrete, Daß die Steuer zu hoch, daß sie unausführbar und ungerecht sei, daß si?2 das Differenzgescäft niht unterdrücken würde, alles dieses sei nicht bewiesen. Er glaube, wie er in der einleitenden Rede gesagt habe, die Viacht des Kapitals zu kennen, aber aus den Ver- handlungen habe er gesehen, daß er si geirrt habe, daß die Sache do ganz anders jei, wie er geglaubt have. Die Ubag. Schlutow und Büsing hätten behauptet, daß die Disponibili- tät der Mittel in friegerishen Zeiten eine Lebensfrage für den Staat sei, daß die Berliner Börse die Ma§t habe, An- leihen niht nur atzulehnen, sondern auch zu verhindern. Das have er noch gar nicht gewußt, daß die Berlinec Börse über Krieg und Frieden in Europa zu entscheiden habe. Das bringe ihn zum Nachdenken und werde auch das deutsche Volk zum Nachdenken bringen. Der Lbg. Sonnemann wolle seinen (des Redners) Antrag anständig in einer Kommission begraben, er danke ihm dafür, denn man wolle doch wenigstens anständig be- araben sein. Er glaube abex, daß in seinem Antrage so viel Leben stecke, daß, wenn das Haus ihn auch dieê2mal begrabe, derselbe immer wieder aufleben werde, bis derselbe in irgend einer Form Geltung gewonnen habe,

Der Antrag von Wedell wurde hierauf an eine Kom- mission von 21 Mitgliedern verwiesen.

Es folgte die zweite Berathung des Reichshaushalts- Etats pro 1883/84.

Der Etat für den Bundesrath wurde ohne D-:batte genehmigt. :

Die fortdauernden Ausgaben des Etats des Reichstags beliefen sich auf 407 670 M

Tit. 1—11 wurden debattelos bewilligt. —_

Bei Tit. 12: Ein Bibliothekar 6000 4, ein Assistent 3000 M, bemerïte der Abg. Dr. Lieber, die Reichstagsbiblio- thek, welche es s{on bis auf einen Bestand von 50000 Bän- den gebracht habe, würde mit immer größerem Nußen und in immer umfangreiherem Maße im Lande benußt. Es sci die Aufgabe des Hauses, aus derselben die erste politis@e Biblio- thek des Reiches zu machen. Als Mitglied der Bibliothek- kommission sprehe er dem Bibliothekar für die Fertigstellung des Katalogs, der in jeder Hinsicht ein Meisterstül sei, seine Anerkennung aus. , :

Ein Antrag des Abg. Dr. Braun (Wiesbaden), dem Bi- bliothekar den Dank des Hauses auszusprechen , wurde ein- stimmig vom Hause angenommen. i

Titel 12 wurde bewilligt, desgleihen der Nest dieses Spezial etats. e i

Der Etat für den Reichskanzler und die Reichskanzlei (Einnahme 2575 6, Au3gabe 126 970 (6) wurde ohne Diskuf- fion genehmigt. : i

Es folgte der Etat des Neichsamts des Fnnern (fort- dauernde Ausgaben 2 871 588 46). :

Bei Kap. 7 Besoldungen (Kap. 1 Staatssekretär 36 000 8) fragte der Abg. Neiniger an, ob die Staatsregierung Kenni- niß hade von dem schimpflihen Handel mit deutshen Mädchen, welche durch gewissenlose Agenten nah Frankreich, nah den russishen Ostseeprovinzen und weiterhin getrieben werde. Der betreffende, in einer süddeutshen Zeitung erschienene Artikel habe in Süddeutschland allgemein auf das Unangenehmste berührt. Auf die Anfrage des Nedners, ob die Reichsregie- rung schon Vorkehrungen getroffen habe, um diesem unwürdigen, den deutshen Namen besudelnden Handel ein Ziel zu seßen, erwiderte der Bundeskommissar Geheime Ober-Neg.-Rath Wey- mann, daß die Entrüstung über den s{hnöden Menschenhandel von der Reichsregierung in vollem Maße getheilt werde. Da die- selben Mißstände auch in anderen Ländern hervorgetreten seien, so habe die niederländische A a eine internatio- nale Konferenz zur Untersuhung dieser Mißstände vorge- schlagen. Auch deutscherseits werde eine Betheiligung an diesec Konferenz stattfinden. ; E L |

Titel 1 wurde genehmigt, desgleihen die übrigen Titel dieses Kapitels, desgl. Kapitel 7a. allgemeine Fonds 417 646 M6 Nur bei Titel 13 dieses Kapitels (Kosten aus Anlaß der Maßregeln gegen die Reblauskrankheit 5000 6) interpellirte der Abg. Dr. E die Reicheregierung darüber, ob der Erlaß eines Gesehes au ‘ian der internationalen Konvention in

älde erfolgen werde. : M O SPnbidtormißar erwiderte, durch die Publikation der Konvention sei das Neich und seien die Einzelstaaten ver- pflichtet, die Bestimmungen derselben in ihren Gebieten zur

Geltung zu bringen. So weit cs sih dabei um Maßregeln

ken. Andere Staaten follten eine solhe Börsensteuer nitt |

f 3,

internationaler Natur handle, um Ein- und Ausfußrverbote U. f. w., genüge für die Ausführung der Konvention der Verordnungêweg; so weit es sich um innere Nechtsverhält- nisse handele, bedürfe es eines Aueführungsgeseßes, weltes in kürzester Frist dem Hause zugehen werde.

Vom Kap. 7b. „Reichskommissariate“ wurden die Titel 1 und 2 „Auswanderungswesen“ einstweilen ausgeseßt, da der Bericht des Reichskommifsars noch nicht vorlag.

Bei Tit. 3 „Schulkommission“ 3600 M brach der Abg. Dr. Née eine Lanze für das System der allgemeinen Volksschule gegen- über dem jeßt in Deutsgland herrshenden Sysiem der Standes- \hulen, Das erstere System sei ohne Zweifel geeigneter, den Kulturzustand des ganzen Volkes zu heben. Man lebe jeßt in Deutschland in einer ernsten und bewegten Zeit; er meine mit Rücksicht auf die soziale Frage. Für die Lösung derselben sei gerade das Scu!wesen hervorragend wichtia, und er wundere sh, daß dieser Punkt noch nie zur Sprache ge- tommen sei, umsomehr, als zuräbst nur die äußere Organi- sation des Schulwesens einer Aenderung bedürfe. Man habe jeßt in Deutsczland zweierlei Schuler, bhößere und Volks- \Gulen. Jn welche dieser Schulen die Kinder aber fâmen, hänge nicht etwa von den Talenten, sondern von den Vermögensverhältnissen ab. Man habe also in Deutschland ein System der Standess{hulen. Dem- gegenüber gebe es nun ein andteres System, das der allge- meinen Volksschulen, wie es in den Vereinigten Staaten und im Kanton Zürich bereits bestehe. Dort jeien die SBulen nit nah den Vermögensverhältnissen der Eltern, sondern nach dem Lebensalter der Kinder getrennt; die Kinder be- suchten diese Voltëshulen bis zum 14. oder 15. Lebensjahr ; und daran ftnüpf si dann erst die höheren Schulen, fo daß diese also feine unteren Klassen hätten. Mit Rücksicht auf den Unterrichtestoff braucße also bei beiden Systemen gar fein wesentliczer Unterschied zu sein; aber wenn man frage, weldes System das Volk auf eine höhere Kulturstufe hebe, jo gebe er doh cntschieden der allgemeinen Volksschule vor der deutsGen Standesschule den Vorzug. Zunächst befördere jenes System in viel höherem Grade die Bildung der Maßen, und dies Mement sei gerade in einem Staate, wo das allge- meine direîte Wahlrecht bestehe, von größter Wichtigkeit. Als Napoleon TIL, der erstaunten Welt gezeigt habe, wie nan au beim allgemeinen Wahlrecht das Volk im Sinne der Regie- rung beeinflussen könne, hätten besonnene Schulmänner vcr- langt, che Deutschland das allgemeine Stimmrecht bekäme, müsse die allgemeine Volksschule zur Hebung der Volfks- bildung eingeführt werden. Jeßt, wo in Deutschland das all- emeine Stimmrecht eingeführt sci, müsse man dgs zweite, die Volksbildung, um fo mehr nachholen. Ein fernerer Vorzug des von ihm empfohlenen Systems sei die Gerechtigkeit. Ge- rade die ärmsten Leute, für welhe die Schulpflicht ihrer Kinder wirklich eine Last sei, erhielten für ihre Kinder in der Schule gegenwärtig die geringste Vortion Wissen angeboten. Fn einem Land, wo eine {rofe Kasteneintheilung bestehe, und der Sohn dem Stande des Vaters folgen müßte, wäre ein solches System richtig; in Deutschland aber bedeute es die giößte Ungerechtigkeit. Je höher die Jntelligenz entwicelt werde, desto größer werde im Allgemeinen die Erwerbsfähig- keit. Durch die allgemeine Volksschule erhalte der s{hwer arbeitende Mann die Aussicht, daß bas, was ihm se!bst das Leben verweigert habe, doch seinen Kindern zu erreichen mög- lih sein werde, derselbe erhalte die Aussicht, daß Noth und Elend in seiner Familie wenigstens nicht erblich bleiben würden.

Der Titel wurde bewilligt, desgl. Tit. 4 und 5, ebenso Kap. 7c. „Bundesamt für das Heimathwesen“ 29 700 4, Kap. 8 „entscheidende Disziplinarbehörden 1000 M“, und Kap. 9 „Ober-Seeamt“ 2c. 39 000 4

Bei Kap. 10 „Statistishes Amt“ 567 807 6 richtete der Nbg. Dr. Hirsh an die Regierung die Anfrage, ob die Nesul- tate der Berufs- und Betricbsstatistik dem Hause bereits vor- gelegt werden könnten, wenn es in die Berathung der großen jozialpolitishen Gesetze eintrete.

Der Bundeskommissar Direktor im Neichsamt des Fnnern Bosse erklärte, er hoffe, daß wenigstens, wenn das Unfallver- siherung8geseß zur Berathung komme, die ersten Resultate ver Berufsstatistik publizirt sein würden. Er füge hinzu, daß selten für eine Statistik so vorzüglihes Material geliefert worden sei, wie für diese Berufsstatistik, und daß dieselbe, auf deren baldige Fertigstellung auch die Regierung dränge, gewiß allen berechtigten Wünschen Rechnung tragen werde.

Der Abg. Frhr. Göler von Ravensburg betonte die Noth- wendigkeit einer Statistik über die Verschuldung des kleinen bäuerlichen Grundbesißes und behielt sih vor, diese Frage bei Berathung der sozialpolitishen Vorlagen zur Sprache zu bringen. |

Das Kapitel wurde genehmigt; ebenso das Kapitel 11: Normal-Aichungskommission.

Bei Kap. 12: Kaiserlihes Gesundheitsamt 125 850 6, beantragte der Abg. Dr. Möller, die Mehrforde- rung von 600 4/6 für ein Mitglied als Vertreter des Direk- tors abzulehnen, weil sonst jede andere Behörde, und zwar mit noch viel mehr Recht, ebenfalls solche Forderungen stellen könnte.

Der Bundeskommissar Direktor des Kaiserlichen Gesundheits- amts Geh. Ober-Reg.-Rath Dr. Struck erwiderte, weder im vorigen noch im vorvorigen Jahre sei die nunmehr auf den Etat ge- seßte Position für Vertretung des Direktors aufgeführt; die- selbe sei im Jahre 1879 als persönlihe Zulage bewilligt worden, für ein damals den Direktor vertretendes Mitglied, und sei gefallen, als dieses Mitglied aus dem Gesundheitsamt geschieden sei. Diese Position sei nicht wieder auf den Etat gebracht, weil in den ersten Jahren eine für die Vertre- tung des Direktors durhaus geeignete Persönlichkeit sich im Gesundheitsamt niht habe ausbilden können. Jeßt, wo dies der Fall sei, sehe er sich genöthigt, diefe Summe wieder auf den Etat zu segen. Jn sehr vielen Aemtern sei den ältesten Mitgliedern eine ähnliche, in der Regel höhere Remuneration gewährt für die Vertretung des Direktors. Jm Normalaichungsamt seien niht 600, son- dern 900 ( für Vertretung aufgenommen. Das Gesundheits- amt habe seine Arbeiten so gut wie jedes andere. Ob der