1883 / 26 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Jan 1883 18:00:01 GMT) scan diff

also absolut nothwendig, und wenn das Haus dazu erwäge, daß das Projekt der Erweiterung des Schießplaßes nicht nur die Schiffahrt auf dem Tegeler See unmöglich mache, son- dern selbst diejenige auf der Havel beunruhigen würde, werde das Haus gewiß den Antrag Richter annehmen.

r Abg. von Kardorff bemerkte, unter allen Parteien habe von Anfang an die Besorgniß bestanden, eine {höne und zur Erholung Tausender dienende Landschaft würde durh die Erweiterung des Schießplaßes in Tegel unzugänglich ge- macht werden. Nun sei auch augenscheinlih das Jnteress? der Wasserversorgung Berlins in der Kommission niht genügend gewürdigt worden; er beantrage daher Nückverweisung des Titels an die Kommission zur nohmaligen Berichterstattung.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode {loß sich dem An- trag von Kardorff an ; das Haus präjudizire der ganzen Frage durch Annahme desselben in keiner Weise.

Der Abg. Richter (Hagen) glaubte, es würde der Kommission unr1öglich sein, in der kurzen zur Disposition stehenden Zeit alle in Frage kommenden Jnteressen genügend klarzulegen, und ¿"n erörtern, deshalb sei sein Antrag demjenigen auf Rük- verweisung des Titels vorzuziehen.

Der Bundeskomniissar Hauptmann Rathgen erwiderte, dur die Eröffnung des Schießplaßes bei Zossen sei eine Er- weiterung der Uebungen auf dem Tegeler Schießplaße aller- dings ausgeschlossen worden. Eine solhe beabsichtige die Militärverwaltung aber auch keineswegs; sie wolle vielmehr die Uebungen dort nur im bisherigen Umfang fortseßen, und bedürfe hierzu einer Erweiterung des Terrains. Diese leßtere vorzunehmen, sei die Militärverwaltung von der Regierung in Potsdam ausdrüdlih aufgefordert worden, da shon dur die bisherigen Uebungen Adjacenten des Schießplaßes vielfach gefährdet würden.

Der Abg. Prinz zu Schönaich:Carolath erklärte, au er bitte, im Jnteresse der Erhaltung des für den deutshen Garten- bau so wichtigen dendrologishen Jnstituts auf Scharffenberg die Position abzulehnen.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode beantragte dieselbe Summe zu bewilligen, welhe Abg. Richter vorgeschlagen habe, aber ohne die einzelnen in Betracht kommenden Schießpläße namentlich aufzuführen.

Der Abg. Richter (Hagen) konstatirte, daß es nach diesem Antrage rehtlich gar niht ausgeschlossen sei, daß die Militär- verwaltung die bewilligte Summe auch für Tegel mit ver- wende. Der Rechnungshof halte si allein an die linke Seite 2 N und nicht an die Erläuterungen auf der rechten

eite.

Der Abg. von Bennigsen bedauerte, daß die Abgeordneten von Berlin und Umgegend niht {hon in der Kommission alle ihre Bedenken vorgebracht hätten; es würde sich dann das Abstimmungsresultat in der Kommission anders gestaltet haben. Wolle man aber diese Forderung ablehnen, so sei der einzig richtige Weg der Richtersche Antrag; dieser könne die Militärverwaltung niht in Versucsung führen.

Der Kriegs-Minister von Kameke erwiderte, die Militär- verwaltung würde auch durch Annahme des vom Abg. von Minnigerode gestellten Antrages keineswegs in Versuchung geführt werden.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, sein Antrag ließe dies auch völlig aus. Der Abg. Hermes habe ihm ohne Grund Animosität gegen die Stadt Berlin untergelegt. Seine Animosität richte sih allein gegen das fortschrittlihe Berlin.

Der Antrag Richter wurde darauf mit großer Mehrheit angenommen.

Bei Titel 16, Bau einer Kaserne für das Garde-Train- Bataillon bei Berlin, zweite Rate (zum Terrainerwerb und erste Baurate) 630 000 #4, deren Bewilligung die Budget- Fommission beantragt hatte, wies der Abg. Hermes darauf hin, daß zum Neubau eines Traindepots für das Gaxde-Corps bei Berlin für die Erwerbung des Terrains im Ganzen 360 000 gezahlt worden seien, von denen der eigentliche Besißer nur 270 000 6 erhalten habe, so daß der Zwischenhändler Ploeger eine Provision von 90000 A habe in die Tasche stecken können. Die Militärverwaltung hätte die Sachlage näher untersuchen sollen, damit es niht den Anschein gewinne, als wenn ihr an der Höhe des Preises nichts liege. Uebrigens sei mit der Kaserne auch eine Offizier-Speiseanstalt verbunden und da er dieselbe aus den Erläuterungen nicht herausstreichen, könne, so bitte er, die ganze Position nah dem Beispiele der Saganer Kaserne abzulehnen.

Der Bundeskommissar Oberst-Lieutenant Schulz ent- gegnete, nah den stattgefundenen Recherchen habe sih heraus- geftellt, daß der Ploeger vertragsmäßig das Verfügungsrecht Über das betr. Terrain gehabt habe; die Militärverwaltung habe also mit keinem anderen verhandeln können.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, die Abstimmung über die Speiseanstalt der Saganer Kaserne müsse konsequenter Weise au zur Ablehnung dieser Position führen.

Der Kriegs-Minister von Kameke erwiderte, in den früheren Jahren seien die Speiseanstalten stets bewilligt worden. Daß das Haus das Recht habe, die Forderung ab- zulehnen, sei unzweifelhaft, aber die Militärverwaltung zu zwingen, auf ihre Forderung der Speiseanstalt zu verzichten, das könne das Haus nicht. Die prinzipiellen Gegner der Speiseanstalten würden sie der Militärverwaltung immer ver- weigern. Diejenigen aber, welche niht prinzipielle Gegner derselben seien, bitte er, wie es sonst geshehen, für die For- derung zu stimmen.

Der Abg. Frhr. von Malzahn-Gültz erklärte, der Abg. Hermes bestreite das Bedürfniß dieser Kaserne niht. Warum stelle derselbe denn niht den Antrag, die Summe unter Ab- zug der geringen Kostendifferenz für den Bau der Speise- anstalt zu bewilligen? Der Bau sei ungemein dringend, denn bisher sei das Depot für das Garde:Corps und 111. Armee- Corps in der Köpenickerstraße in einem kleinen Häuschen ver- einigt gewesen, so daß bei Mobilmachungen bedeutende Hin- dernisse entstehen könnten.

Der Abg. Ahlhorn bemerkte, Kasernen seien leiht ge- baut, aber {wer bezahlt von- den Steuerzahlern.

Der Abg. von Kardo1ff entgegnete, Kasernen seien viel billiger als bürgerlihe Quartiere.

Der Abg. Richter (Hagen) beantragte, für den Terrain- erwerb 360 000 # zu bewilligen, den Rest der geforderten Summe aber abzulehnen, und führte aus: Er wäre gern be- reit, dem Vorschlage des Abg. von Malßahn zu folgen, wenn tehnish ein entsprehender Text im Etat möglih wäre. Da das nicht möglich sei, bliebe ihm nihts übrig, als von der Summe nur den Terrainerwerb zu bewilligen.

Der Abg. Dr. Baumbach konstatirte, daß die liberale Vereinigung ih in der Kommission gegen die Position erklärt habe, weil sie das Bedürfniß einer Speiseanstalt in diesem

Falle nicht anerkennen könne. Die Speiseanstalten seien übri- gens gar nicht so billig, wenn man die vielen daselbst abge- haltenen Festlichkeiten berüdsichtige.

Der Abg. Freiherr von Minnigerode erklärte, die Kom- mission arbeite în aller Ruhe, beschließe. die Bewilligung der Position, flugs komme die Fortschrittspartei im Plenum, werfe einen neuen Gedanken in die Debatte, und nun komme die ganze liberale Partei und lasse sich vom Fortschritt ins Schlepptau nehmen. Auch bei den Nationalliberalen habe er ein selbständiges Urtheil vermißt. Die Speiseanstalten seien im militärish-technishen Jnteresse zur Erziehung der jungen Offiziere geboten. Die liberale Seite sprehe immer von ihren militärischen Kenntnissen. Komme dieselbe doch einmal raus damit. Das Wohlwollen der linken Seite für die Armee scheine im Rückgange zu sein.

Der Abg. Dr. Windthorst wünschte, daß alle unverheira- theten Offiziere in der Kaserne wohnten. n den Spzise- anstalten müßten aber auch höhere Offiziere speisen, und so eine gewisse Aufsiht üben über die jüngeren, damit kein Unfug verübt werde.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, es handele si hier nicht um militärische Kenntnisse, sondern darum, wie man am besten zu Mittag esse. Da wäre der einzige Sachverständige der Koch. Die Anschauung des Abg. Windthorst über die Offiziere sei keine s{hmeichelhaste. Er habe eine bessere Mei- nung von den Offizieren. Dieselben würden auch ohne Auf- siht höherer Offiziere gutes Benehmen zu beobachten wissen. Die ganze Rede des Abg. von Minnigerode über die liberale Partei sei nur dazu bestimmt, die Nationalliberalen oder das Centrum graulich zu machen. Bei diesen sei es dem Abg. von Minnigerode auch gelungen. Dies sei ein Beweis, daß die Herren immer von Sparsamkeit redeten aber niht darnach handelten.

Der Abg. von Bennigsen bemerkte, die nationalliberale Partei habe in der Kommission für die Position gestimmt ; er sehe niht ein, warum sie dies niht auch heute thun solle. Bezüglich der Speiseanstalten stimme er dem Abg. Windthorst vollkommen bei. Eine Absonderung der Offiziere vom bürger- lichen Leben fürchte er niht. Namentlich für jüngere Offiziere sei der Mittagstisch billiger als in Wirthshäusern.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, seine politischen Freunde hätten bereits in der Kommission für die Position gestimmt. Sie ließen sih auch niht durch Personen, sondern durch sachlihe Gründe bewegen. Die Sparsamkeit übe das Centrum überall aus, wenn ein zweckmäßiger Vorschlag nicht gemacht sei; dies sei aber hier nicht der Fall.

Hierauf wurde der Titel gemäß dem Antrage der Kom- mission mit 117 gegen 111 Stimmen bewilligt.

Tit. 17: „30 000 #4 zum Neubau und Ausstattung einer Kaserne für das Jäger: Bataillon in Braunsberg“ ist. von der Militärverwaltung zurückgezogen worden.

Die Budgetkommission beantragte dementsprechend, den Titel abzulehnen.

Der Abg. Dr. Kolberg bemerkte, da die Militärverwaltung in der Kommission erklärt habe, daß sie auf den Bau der Kaserne in Braunsberg verzichte, so liege die Vermuthung nahe, daß sie das Bataillon aus Braunsberg fortlegen wolle. Jn der Bürgerschaft sei au diese Befürchtung bereits laut geworden. Die Stadt habe aber ein lebhastes Jnteresse, die Garnison zu behalten, denn sie habe für dieselbe erhebliche Opfer gebracht, und außerdem sci es von besonderem Werthe, daß die-Studfrèndeû des Lyceums Gelegenheit hätten, ihr Jahr in Braunsberg abzudienen. Er bitte den Kriegs- Minister, mitzutheilen, ob eine Verlegung der Garnison be- absihhtigt sei?

Der Staats-Minister von Kameke erwiderte, es sei shwer, solhe Erklärung abzugeben, bevor über die Sache Beschluß gefaßt sei. Er könne versichern, daß ohne Noth die Garnison nicht verlegt werden würde.

Der Titel wurde entsprechend dem Kommisjsionsantrag abgelehnt.

Ebenso wurde Tit. 28: „200000 4 für den Neubau einer Kaserne des Train-Bataillons in Magdeburg“ auf An- trag der Kommission gestrichen.

Tit. 42: „Neubau eines Kasernements für zwei Schwadronen in Wandsdbeckl“ beantragte die Kommission zu genehmigen.

Der Abg. Graf von Holstein, bat, die Position abzu- lehnen, damit niht durch die Verlegung von 2 Schwadronen nes Wandsbeck die Stadt Jhehoe ihrer Garnison beraubt werde.

Der Abg. Prinz zu Schönaich-Carolath erklärte, man dürfe sih durch Billigkeitsgründe nicht abhalten lassen, die Verlegung der Schwadronen nah Wandsbeck, für die mili- tärishe und finanzielle Rücksichten sprähen, vorzunehmen. Er bitte, die Position zu bewilligen.

Der Abg. Gerwig hielt die Nückverweisung des Titels an die Budgetkommission für geboten.

Der Bundeskommissar Oberst-Lieutenant Schulz erklärte, daß die Garnisonverhältnisse in Jtehoe keineswegs sehr be- friedigende seien. Vor allen Dingen habe man in Wandsbeck ja bereits das Bauterrain erworben, und könne daher nicht gut vom Bau selbst absehen.

Der Abg. Ritter (Hagen) erwiderte, er sei hon deshalb gegen diesen Kasernenbau, weil derselbe wieder Offizierswoh- nungen über das Bedürfniß hinaus, und eine Difiziers-Speise- anstalt enthalten solle. Aus èiesen allzemeinen Gründen, dann aber auch, weil er mit dem Grafen Holstein der Stadt Jhehoe ihre Garnison erhalten wissen möchte, bitie er das Haus, diese Position abzulehnen.

Der Titel wurde abgelehnt.

* aon vertagte sich das Haus um 41/4 Uhr auf Dienstag L.

In der heutigen (42) Sißung des Reichs- tages, welher der Staats-Minister von Kameke, der Staats- sekretär des Re!hs Postamts, Dr. Stephan, sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kom- missarien desselben beiwohnten, erstattete der Präsident von Leveßow dem Hause, dessen Mitglieder sih von ihren Sigßen erhoben, Bericht über die dem Vorstande des Reichttags gestern gewährte Audienz bei Jhren Kaiserlißhen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin: Jhre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin hätten gestern den Gesammtvorstand des Hauses empfangen und von demselben die ehrfurchtsvollen Glückwünsche des Reichstages zur Feier des fünfundzwanzigjährigen Ehe- jubiläums entgegengenommen. Se. Kaiserlihe und König- lihe Hoheit der Kronprinz, zugleich im Namen der Frau Kronprinzessin hätte mit dem Ausdruck besonderer

Freude darüber erwidert, daß die Theilnahme des gesammten deutshen Volkes an dem Famitienfeste in Seinem Hause zum Ausdruck gekommen sei, eine Theilnahme, von welcher aus der Nähe und aus der Ferne unzählige Beweise eingelaufen seien. Se. Kaiserliche Hoheit hätte ferner bemerkt, daß, sofern es hm vergönnt gewesen sei, an der Herstellung des Deutschen Reiches mitzuwirken, Er weiter nihts als seine Schuldigkeit gethan habe. Diese Seine Schuldigkeit werde er auh ferner jeder Zeit thun, wenn es sich darum handele, das Deutsche Reih zu erhalten und zu bef stigen. Se. Kaiserlihe Hoheit habe ihn beauftragt, dem Reichstage für seinen Glüdwunsh herzlihst zu danken. Demnachst habe Se. Kaiserlihe Hoheit noch jedes einzelne Mitglied mit einer Unterhaltung beehrt.

Hierauf scüte das Haus die Etatsberathung fort und p M dem Extraordinarium der Verwaltung des Reichs-

eeres.

Zum Neubau und zur Utensilienergänzung eines Kasernements für zwei Escadrons in Cassel werden 350000 M als erste Baurate verlangt. D:r Abg. Haerle bemängelte die Höhe der Gesammtbaukosten, welche sih auf 1 230 270 M stellen sollten ; für eine Gesammtsumme von 1 700 000 (A würde in Lüben eine Kaserne für vier Schwadronen gebaut. Redner beantragte die Zurückverweisung der Position in die Budgetkommission. Der Abg. Dr. Moeller glaubte, daß eine solche Zurücfverweisung kcinen Zweck habe; man solle lieber gleih die ganze Position ab- lehnen. Der Abg. von Kardorff wies darauf tin, daß der Bau einer Kaserne für vier Escadrons nicht etwa doppelt so theuer sei wie der einer Kaserne für zwei Escadrons. Der Abg. Richter (Hagen) plaidirte in demselben Sinne, wie der Abg. Moeller und zeigte an mehreren Beispielen, daß wie in Lüben für Kavalleriekasernen niedrigere Ansätze vor- gelegen hätten.

__ Der Bundeskommissar Oberst-Lieutenant Schulz betonte die Nothwendigkeit des Neubaues in Cassel; die Stallgebäude würden jeßt {hon gestüßt. Nachdem noch der Referent, Abg. von Koeller im Namen der Budgetkommission die Bewilligung der Position empfohlen hatte, wurde dieseibe abgelehnt.

Jm Tit. 47 werden für Neubau und Ausstattung eines Kasernements nebst Zubehör für zwei Eecadrons in Hof- geismar (zweite Rate) 300 000 # verlangt. N:h dem Vor- schlage des Abg. Richter (Hagen) beshloß das Haus bei Schluß des Blattes die Absezung dieser Summe.

Am 25. Januar d. J. hielt die Königliche Aka- demie der Wissenschaften ihre öffentlihe Sizung zur Feier des Geburtstages König Friedrichs 11, welcher der Herr Staats-Minister von Goßler mit den ersten Beamten seines Ministeriums beiwohnte. Der an diesem Tage vorsißende Sekretar, Hr. du Bois Reymond hielt die Festrede. Nah einigen einleitenden Worten, welche auf das mit der statuten- mäßigen Feier zu Ehren des großen Königs in diesem Jahre zufällig zusammenfallende Fest des Herrscherhauses sich bezogen, behandelte er die Frage nach den Ursachen, aus welchen Friedrihs Größe bei den Eigländern im Allgemeinen die verdiente An- erkennung nicht findet. Darauf berichtete derselbe über die seit der leßten gleichnamigen Sißung eingetretenen Personalveränderun- gen. Die Akademie verlor durch den Tod ihr ordentliches Mit- glied Fustus Olshausen; ihr Ehrenmitglicd, den Grafen Rudolph von Stillfried-Rattoniß; die auswärtigen Mitglieder der physikalish - mathematischen Klasse Charles Darwin in Down bei London, Joseph Liouvoville in Paris, Friedrih Wöhler in Göttingen; das cor- respondirende Mitglied derselben Klasse Theodor Lud- wig Bischoff in München; die correspondirenden Mit- glieder der philosophisch:historishen Klasse Reinhold Pauli in Göttingen, Karl Halm in München, Adolph Friedrich Heinrich Schaumann in Hannover. Gewählt wurden: zum Ehrenmitgliede Se. Majestät der Kaiser von Brasilien Dom Pedro; zu correspondirenden Mit- gliedern der philosophisch:historishen Klasse die Herren Ern Dümmler in Halle, Reinhold Pauli in Göttingen, welcher der Akademie nur wenige Monate angehörte, William Stubbs in Oxford, Franz Bücheler in Bonn, Wilhelm Dittenberger und Hermann Keil in Halle, An die Erwähnung des Ablebens Charles Darwins knüpste der Vorsißende einen kurzen, den Ver- diensten dieses Gelehrten gewidmeten Nachruf.

Zum Schluß las Hr. Conze einen Bericht über das von Hrn. Dr. Otto Puchstein im Auftrage der Akademie erforshte Grabdenkmal des Königs Antiohos von Kommagene auf dem Nemrüuddagh in Kurdistan, wozu Hr. Kiepert die Wandkarten angefertigt hatte.

Der Kommungal-Landtag der Kurmark er- ledigte in seiner Sizung am 27. d. Mts. nicht weniger als 20 Gesucke von Kleinkinder-Bewahranstalteu und Kinderspiel- \{hulen, von Rettungéhäusern für Knaben und Mädchen, von Mädchen- und Frauenbildungsanstalten und von anderen mildthätigen Jnstituten seines Bezirks. Bei dem nicht unbe- deutenden ständishen Dispositionsfonds der kurmärkischen Hülfskaßse konnten allen Petenten zum Theil recht nawhafte Be- träge zugewendet werden. Nur bei einem derselben mußte die Zuwendung von der Erfüllung weiterer Bedingungen abhängig bleiben. Den weiteren Theil der Sißung füllte die Diskussion des Reskripts des Ministers des Jnnern vom 28. Juli v. J. aus, welches die Anträge des 54. Kommunal- Landtages auf Einführung der relativen Gebäudezwangsver- siherung für die Landfeuersozietät der Kurmark und der Niederlausit abweist. Ein in der Diskussion zu Tage treten- der neuer Gesichtspunkt veranlaßte den Landtag, die Sache zur nohmaligen Berathung an den Ausschuß zurückzuverweisen. Die nächste Sitzung findet heute, Dienstag, Vormittags 11 Uhr, statt.

Der Kaiserliche Botschaster General-Lieutenant von Schweiniß ist nah St. Petersburg zurückge*ehrt und hat die Geschäfte der dortigen Botschaft wieder übernommen.

Der General-Lieutenant von Helden-Sarnowski, Inspecteur der 1. Feld: Artillerie-:Fnspektion, hat sih gestern nach Posen zurückbezeben.

Die General-Lieutenants von Kloeden, Komman- dant von Königsberg i. Pr., und von Nachtigal, Com- mandeur der 1. Division, sind zur Abstattung persönlicher oie uge auf einige Tage aus Königsberg i. Pr. hier ein- getroffen.

Bayern. München, 29. Januar.

(Allg. Ztg.) Die Erzherzogin Elisabet

von ODesterreich ist auf der

Rückreise von Madrid heute Vormittag hier eingetroffen und am Bahnhofe von * den höchsten Herrschaften herzlichst empfangen worden. Die hohe Frau nahm Wohnung im Palais des Prinzen Luitpold und beabsichtigt nähster Tage nah Wien weiter zu reisen, im Laufe des nächsten Monats aber wieder hier einzutreffen.

Frankreich. Paris, 28. Januar. (Fr. Corr.) Gestern Abend schien Alles in s{önster Ordnung zu sein: der poli- tishe Himmel war wieder klar, und alle drohenden Wolken einer Ministerkrisis waren verseucht, so glaubte wenig- stens Jedermann und durfte es glauben, nahdem ein Einver- nehmen zwischen dem Ministerium und der Kommission für die Prätendentenvorlage über das Gegenprojekt Fabre zu Stande gekommen. Allerdings hatten die Minister gehandelt, ohne sich zuvor der Zustimmung ihres Chefs, des Conseils- Präsidenten Duclerc, vergewissert zu haben. Die ernstliche Erkrankung des Hrn. Duclerc hatte eine Besprehung zwischen ihm und seinen Kollegen unmöglich gemacht. Allein Niemand zweifelte, und namentlich die Minister selbst gaben in den Couloirs der Kammern dieser Meinung Ausdruck, daß Herr Duclerc nicht anstehen werde, sich den übrigen Ministern in der Billigung der gefundenen Transaktion anzuschließen. Da versandte die „Agence Havas“ nach Mitternacht folgende Note: „Wir erfahren in der leyten Stunde, daß der Conseils-:Präsident das von der Kommission adoptirte Amendement Fabre nicht an- genommen hat. Er erklärte, stricte bei dem Projekt zu beharren, welches dur die Regierung auf den Tisch des Abgeordneten- hauses niedergelegt ist. Diese Entschließung wurde im Laufe des Spätabends durch den Kabinetschef des Herrn Duclerc zur Kenntniß des Präsidenten der Republik und der Minister des Innern und der Justiz gebraht. Wir glauben hinzufügen zu können, daß der Kriegs-Minister die Anshauung des Conseils-Präsidenten vollständig theilt und entschlossen bleibt, wie er es seit seinem Eintritt in die Geschäfte gethan hat, die Fundamentalprinzipien unserer militärischen Institutionen zu vertheidigen.“ Diese Note, die noch von einer Reihe Morgenklätter veröffentliht werden konnte, wirkte wie eine Bombe. Alles war wieder in Frage gestellt und die mühsam

erbeigeführte Eintraht von Neuem gestört, Der Präsident der

epublik ließ Angesichts dieser somit beinahe offiziell konsta- tirten Uneinigkeit des Kabinets heute früh sofort einen Ministerrath im Elysée zusammenberufen, welcher bis 1 Uhr deliberirte. Nah Schluß desselben begaben sih die Minister Fallières und Devès zu Hrn. Duclerc, um noch einmal mit ihn zu konseriren. Jedoch troy alles nsistirens wurden. sie von dem Conseils-Präsidenten niht empfangen, da die streng- sten Befehle der Aerzte dem shwer leidenden Hrn. Duclerc die absoluteste Ruhe auferlegt und jedwede Störung des Patienten durch amtliche Geschäfte unbedingt untersagt haben.

Das von der Minorität des Ausschusses über die Vorlage gegen die Prätendenten genehmigte Gegen projeft des Abg. Joseph Fabre lautet wörtlih: Art. 1. Die dur Wahlen zu erlangenden Funktionen sowie die Civil- und Militäárämter sind den Mitgliedern der Familien, welche über Frankreich geherr\{t haben, verschlossen. Art, 2. Ein im Ministerrath beschlossenes Dekret des Präsidenten der Republik kann jedem Mitgliede einer der ehemaligen Herrscherfamilien,

dessen Gegenwart geeignet wäre, die Sicherheit des Staates.

zu gefährden, die Weisung ertheilen, das Gebiet der Republik sofort zu verlassen. Art. 3. Jede im vorstehenden Artikel bezeichnete Person, welhe ohne Erlaubniß der Regierung, nachdem sie an die Grenze geführt worden ist und Frankreich verlassen hat, das Land wieder betritt, wird vor das Zuchtpolizeigericht gestellt und mit ein- bis fünfjährigem Gefängniß bestraft, sodann nach abgesessener Haft wieder an die Grenze geführt. Die Art. 2 und 3 dieses Gegenprojektes sind die Wiederholung der Art. 1 und 2 des Regierungsentwurfs. Der Art. 1 zielt, wie man sieht, darauf hin, die sofortige Entfernung der Prinzen aus der Armee herbeizuführen und damit dem Antrage Ballue-Lockroy und einer ollerdings in der republikanishen Mehrheit über diesen Punkt voxherrshenden Stimmung gerecht zu werden. 29. Januar. (W. T. B.) Jn der heutigen Sigung der Deputirtenkammer erklärte der Conseilé- präsident Fallières: das legte Kabinet habe in Folge von Meinungsverschiedenheiten seine Entlassung gegeben. Die Demission der Winister des Auswärtigen, des Krieges und der Marine sei angenommen worden. Der Prä- sident Gréoy habe ihm den Vorsiß im Ministerium übertragen. Obwohl das Ministerium noch nicht vollständig gebildet sei, stelle es si doch zur Verfügung der Kammer, denn die in Rede stehende Frage verlange im Jnteresse des Landes cine prompte Lösung. Cassagnac und Fanvier de laMotte beantragten, die Berathung der betreffenden Vorlage bis zur Ernennung eines Kriegs-Ministers, welcher bei der Frage sehr interessirt sei, zu vertagen. Der Conseils-Präsident erwiderte: es handele sich nicht um ein Militärgeseß, sondern um ein politisches Geseg, Die Kammer beschloß sodann die sofortige Berathung der Vorlage, betreffend Maß- regeln gegen Thronprätendenten. De Mun (Legitimist) sprach gegen alle Ausnahmemaßregeln und erklärte: die wirklichen Verschwörer gegen die Republik seien die Republikaner selbst. Fa bre (gemäßigter Republikaner) befürwortete seine Vorlage und nahm für die Republik das legitime Recht der Vertheidigung in Anspruch. Viette (von der äußersten Linken) bekämpfte die Vorlage Fabre's als unzu- reihend und gefsährlich und trat für den Antrag Floquets ein. Ribot (linkes Centrum) verwarf alle Aus- nahmemaßregeln und sprah sich anerkennend über die zurückgetretenen Minister wegen ihres Wider- standes aus. Die einzige Gefahr für die Republik bestehe in den zahlreichen Krisen, welhe an der Stabilität ihrer Jnstitutionen Zweifel erweckten. Die Kammer müßte die Republik durh eine Politik der Mäßigung und Be- \hwichtigung befestigen. Floquet vertheidigte seinen An- trag: er wolle die Republik s{hüßen, welche bedroht sei durch Prätensionen, die anfingen sih geltend zu machen. Die Debatte wird morgen fortgeseßt werden. (

Nach dem heute Vormittag ausgegebenen Bulletin hat Hr. Duclerc eine wenig befriedigende Nacht gehabt ; indeß macht sih doch das Eintreten ciner Besserung bemerkbar, die einen günstigen Ausgang der Krankheit erwarten läßt. Dem Kranken ist von den Aerzten absolute Ruhe anempfohlen worden. |

830. Januar. (W. T. B.) Die Besserung in dem Befinden des früheren Minister-Präsidenten Duclerc hält an, der Krästezustand des Erkrankten ist aber noh ein sehr

s{wacher, und es wird eine absolute Ruhe und Zurüdck- gezogenheit desselben für unumgänglih nothwendig erachtet.

Nach einer Meldung aus dem Creuzot (Departement Saone et Loire) wurde in der Nacht vom 28. zum 29. d. M. eine Gensd'armerie-Patrouille bei dem Einschreiten wegen eines unter italienishen Arbeitern entstandenen Streits durch einen aus etwa 200 Jtalienern bestehenden Haufen mit Steinwürfen angegriffen. 8 Personen wurden verhastet und gestern 12 weitere Verh-ftungen vorgenommen. Der Präfekt des Departements Saone et Loire ist hier angekommen.

Ftalien. Rom, 29. Januar. (W. T. W.) Zum apostolishen Delegirten und Patriarchatsvikar in Konstantinopel wurde NRotelli ernannt, der si in den ersten Tagen des nächsten Monats auf seinen Posten be- geben wird.

Ruland und Polen. St. Petersburg, 30. Ja- nuar. (W. T. B.) Die in auswärtigen Blättern enthaltenen Gerüchte, welche den Grafen Jgnatieff als möglicherweise zum Statthalter in Polen oder als event. Nachfolger des General Gouverneurs, Generals Albedinski designirt bezeichnen, für absurd erklärt. A4 | : Ó

Gestern hat vor dem hiesigen Bezirksgericht die Prozeßverhandlung gegen die St. Petersburger gegenseitige Kreditgesellshaft wegen Unregel- mäpigkeiten in der Verwaltung derselben ihren An- fang genommen. Die Zahl der Angeklagten beträgt 13; unter denselben befinden sich auh die früheren Verwaltungèdirektoren Sinebriuchos, Schadimerowski und Pogreboff. Nah Verlesung der umfangreichen Anfklage- afte befannte sich der mitangeklagte frühere Controleur der Gesellschaft, Jemeljanoff, für schuldig, während die übrigen Angeklagten ihre Schuld an den Unregelmäßigkeiten in Abrede stellten. Das Ende der Gerichtsverhandlung ist exst in einigen Tagen zu erwarten.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 27. Januar. Der König, die Königin und der Herzog von Gothland sind gestern Abend nah Christiania abgereist und dort, zu- folge telegraphischer Mittheilung, heute Mittag eingetroffen. Während der Abwesenheit des Königs wird eine interimistische Regierung unter Vorsiß des Kronprinzen die Verwaltung führen. Heute fand das feierlihe Seraphinengeläut für den Prinzen Carl von Preußen statt, der am 22. März 1873 zum Ritter des Seraphinen-Ordens ernannt wurde.

Amerika. Washington, 30. Januar. (W. T. B.) Im Nepräsentantenhause brachte der Ausshuß für die auswärtigen Angelegenheiten eine Resolution ein, in welcher der Präsident ersuht wird, Verhandlungen mit dem Deutschen Reiche anzuknüpfen, behufs Abschlusses eincs neuen Vertrages, betreffend die Rechte amerikanisher Bürger in Deutschland.

Afrika. Egypten. Kairo, 29. Januar. (W. T. B.) Das amtliche Blatt veröffentlicht ein Dekret, nah welchem die internationalen Gerichtshöfe bis zum 1. Februar 1884 fortbestehen sollen.

Zeitungsstimmen.

Das „Deutsche Tageblatt“ bringt unter der Ueber- {rift : „Troy der Zölle oder wegen der Zölle?“ einen Leit- artikel, in welchem es sagt : : :

Die liebste Zeit ist dem Deutschen die Bedenkzeit, bemerkt Jean Paul gelegentlich einmal. An diesen Ausspruch erinnert uns der jüngst erschienene Jahresbericht der Handels- und Gewerbekammer zu Plauen i. V., dessen Urtheil Über die Folgen der neueren Wirthschaftspolitik des NReihes man darum mit einiger Spannung entgegensah, weil. die Plauensche Handelskammer den wichtigen FIndustricbezirk des Zwickauer Kohlenbeckens, ferner einen großen Theil des industriereihen Erzgebirges und die gewerbfleißige Bevölkerung des sächsischen Voigtlandes vertritt und ferner, weil die Plauenshen Handelskammerberichte von jeher als besonders eingchend und sorgfältig gearbeitite Kundgebungen des gelehrten Manchesterthums gelten. Der vorliegende Bericht nun er- klärt, die Kammer habe Bedenken getragen, schon jeßt ein allzemeines Urtheil über die Einwirkung der deutschen Zollgeseßgebung abzugeben. Die Kammer also, die hon damals, als die neue Zollgeseßgebung yur erst in Sicht war, in ihren Jahresberihten sich mehr als fühl gegen dieselbe verhielt, s{chweigt jeßt ihrerseits, macht uns dafür aber die schr dankenswerthe Freude, die einzelnen Industrien selbst möglichst vollständig zu Worte kommen zu lassen, und damit ist jedenfalls mehr genüßt, als mit einem soge» nannten Urtheil der „Kammer“, das bei der sehr geringen Betheili- gung an den Waklen für diesen Vertretungskörper von der zufälligen Zusammensetzung derKammerund in seiner \{ließlihen Färbung wesent- lich von deren Bericht erstattendem Sekretär abhängt. Also die Kammer bedarf noch der Bedenkzeit und giebt dafür die Urtheile der einzelnen Industriellen, wie sie von diesen auf die Frage nach etwa beobachteten nachtheiligen oder günstigen Einwirkungen der Zölle eingegangen sind, und diese sind denn eine gründliche und \{lagende Widerlegung des Geredes von den verhängnißvollen Einwirkungen der gemäßigten Schut- politik, zu welcher die Reichsregierung sih entschlossen hat. Eine Fülle von Zeugnissen dafür, daß der Umschwung zum Besseren nicht blos nah Eintritt der neuen Zollgeseßgebung, sondern daß er infolge derselben E Woden a ist in dem 212 Seiten Großoktav umfassenden Berichte zu finden. l j

M sahen die Maschinenfabriken des Bezirkes ihren Umsay seit der Zollerhöhung beträchtlih steigen, die Maschincnwerkstatk der „Königin Marienhütte“ um 20%/, wobei der durchschnittliche Ver- faufspreis des Doppelcentners um fast 34% in die Höhe ging. Dabei hat sih die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen, wie die Mit- theilungen des Etablissements dieser Branche in Reichenbach besagen, auch und für Deutschland ganz besonders Nt indem dieselben M starken Bedarf hatten und Aufträge ertheilten, „Welche is zum Eintritt der neuen Zollgeseßgebung versicherten, daß sie M die nächsten Jahre keinen Bedarf und nur einen geringen Theil ihrer Mascinen in Betrieb hätten, deren Geschäfte aber, wie alle Branchen der Metall-Industrie und des Maschinenbaues, dieses besten Baro- meters der Gesammt-Industrie in Deutschland si entschieden ge- hoben haben.“ Das Geschäft versichert weiter (wir citiren wörtlich), daß „bei ihm und allenthalben in dieser Branche die Arbeitslöhne bessere geworden seien, wie denn {on jeßt ein Arbeitermangel konstatirt werden müsse, und daß, wenn es auh no nicht möglih sei, solider, guter Arbeit entspreVenvo Preise zu er- zielen, doch diese sich allenthalben gebessert hätten und sicher lohnendere werden würden, wenn die Reichsregierung auf dem betre- tenen Wege fortfahre, das deutsde Volk sich von dem Gängelbande idealistisber Wortführer vollends freimache und rüdkhaltóölos die {bon nach kurzem Bestande so segendreih si erweisenden Reformpläne unseres großen Reichskanzlers unterstühze.“

Von der Thonwaarenfabrikation wird die Besserung der Ge- \cchäftsverhältnisse wiederholt auf die neue Zollgeseßgebung zurü geführt und gleichzeitig auf die Thatsache hin ewiesen, daß der Kon- \sument, vielleicht mit Ausnahme der Küstenstädte, nicht darunter zu

leiden hat.

Der wenn auch geringe Gewichtëzol), welchen Kammgarn echielt, hat nach den Berichten der betreffenden Industriellen dazu beige- tragen, die franzöôsishe Konkurrenz in der Kammgarn/pinnereîi ganz wesentlih zurückzudrängen. E

Den Absay des Vigognegarnes bat der „neue Zolltarif günstig beeinflußt, indem einestheils sich die Webwaarenfabrikanten demselben mehr zugewandt haben, anderntheils aber und in der Haupts1ce die Trikotagefabriken dasselbe in den feineren Qualitäten a s Er'aß für das englisde Garn in bedeutenden Mengen verwenden.“ Von dem einen Geschäft wird namentlich eine günstige Einwirkung des neuen Zolltarifs auf den Abfay in Elsaß-Lothringen konstatirt. /

Scbubhgarn wird, troß der allerdings nur geringen Zollerböhung, jeßt mehr als je von Franfreich importirt, von desen Agenten an der Grenze verzollt und zollfrei an die Kunden abgeliefert. (Also einer der Zâlle, daß das Ausland unsere Zölle allein trägt.) /

Die Fabrikanten der stark \sich entwickelnden Budckskin-Industrie fühlen sid zu der Hoffnung beretigt, daß es ihnen „mit Hülfe der eingeführten Zölle gelingen wird, die für Neuheiten noch immer große Konkurrenz der Engländer und Franzosen mehr vom heimiscben Markt zu verdrängen.“ Die Einwirkung der Zölle auf diesen In- dustriezweig wird fast von allen Betheiligten als eine günstige aus- drücklih anerkannt, ebenso wird dieselbe hinsihtlich der Kammgarn- stoffe als im besten Sinne sehr fühlbar bezeichnet, insofern die frühere Konkurrenz von Roubaix fast ganz vershwunden, au die diversen Bcige- Artikel aus Frankrei infolge des Zolles vielfah durch das deutsbe Fabrikat verdrängt worden seien. E 1

Die Zollerhöhung auf Shawls und Tücher hat insofern günstig gewirkt, als z. B. in der Rheingegend, wo früher dergleichen Artikel meist aus Frankrei bezogen wurden, seit der Erhöhung der Verbrauch im einheimischen Fabrikat bedeutend gestiegen ift.

Bezüglich der Spinnerei der rein \{hafwollenen Streichgarne hat der geringe Schußtzzoll vermocht, den zum Absaß nah Reichenbach an- gewiesenen Spinner voll zu beschäftigen. / :

In Bezug auf die im Bezirk stark vertretene Mascinenstickerei wird betont, daß in Folge des neuen Zolltarifs mehr Festigkeit ins gesbäfilihe Leben gekommen sei, doch dürfe man die eingetretene Besserung nicht allein auf deren Rechnung seßen. Jedoch lasse sich „niht mehr binweglevgnen, daß unsere Industrie von dem Tage der neuen Schußzollpolitik an, dur welche sie einen Fingerzeig erhalten habe, daß fie nun beginnen solle, selbstständig zu arbeiten, er- ftarkft sei.“ e :

Der Einfluß der Zollgeseßgebung auf die Korsetfabrikation wird als günstig bezeichnet. s L

In der Kunstwollfabrikation ist seit der Zollerhöhung auf fertige Waare mehr Nachfrage in Deutschland entstanden. Neue Etablisse- ments konnten errichtet werden.

Wir haben den Bericht der Haudelskammer Plauen vom An- fang bis zum Ende genau ftudirt, aber gegenüber so vielen günstigen Stimmen der Industriellen über den neuen Zolltarif auch nit eine gefunden, welche: ihn als überwiegend nachtheilig für einen Industrie- zweig bezcibnet hätte. Nur der Spigenhandel klagt darüber, daß die Erböbung der deutshen Einaangszölle auf Spizen deren Bezug aus Böhmen zum Vertrieb ins Ausland erschwere, ein Nachtheil des Tarifs, der unserer einheimischen \spißenklöppelnden Arbeiterbevöl-

kerung \chlicßlich doch wohl zu gute kommen muß.

Verschiedene Industrien wollen keine Einwirkungen der neuen Zölle verspürt haben, einzelne neben den günstigen auc ungünstige erkennen. Diese letzteren wollen den Aufschwung der Industrie gar niht in Abrede stellen, diese erfreuliche Thatsache aber lieber andern Ursachen, z. B. den neuerdings hoch entwickelten Leistungen der deut- {en Industrie zuschreiben, als der Umkehr der wirthschaftlicben Pos linik. Es geht dem Reichskanzler hier wie dem Arzte so häufig: ge- lingt die Heilung nicht, so trifft den Arzt die Schuld, gelingt fe, nun, so soll die Natur si eben selbst geholfen haben!

Jn der „Politishen Wochenschrift“ lesen wir:

._. . Für die Ideen, welche in dem Kaiserlichen Erlasse über die Nothwendigkeit und Möglichkeit der Vecbcsserung der Lage der arbeitenden Klassen ausge1procyen sind, fehlte es den leßteren jelbst an Verständniß und an Vertrauen auf die ihnen eröffneten Aussichten. Denjenigen, welhe die Verbreitung einer richtigen Auffassung der Satlage durch Wort und Schrift versucht haben, wird die Erfahrung nicht erspart geblieben sein, daß die große Idee des Fürsten Reichs8- fanzlers, die revolutionäre Tendenz der Sozialdemokratie dur die Reform der Steuergesezgebung und der sozialen Verhältnisse des vierten Standes zu brechen und dessen Versöhnung mit den besißenden Volksklassen herbeizuführen, von den Arbeitern selbst am wenigsten verstanden und dadurch ihrer Verwirklihung näher geführt ist, Im Gegentheil machten die handgreiflihen Argumente der Gegner der neuen deutshen Wirthschafts- und Sozialpolitik einen größeren Eindruck auf die Massen, wenn ihnen billiges Brod und wohlfeiles Fleis versprochen wurde, als wenn ihnen die Ausficht auf Sicherung gegen die Folgen von Unglücksfällen und die VBerforgung in höherem Lebensalter in Aussicht gestellt wurde. .

Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 1. Inhalt: Aktenstücke und Aufsäße: Das erste Jahrzehnt der Reichs-Poit- und

Telegraphenverwaltung. Die Stadt-Fernsprecheinrichtung n Berlin. —- Das „Telegraphencorps*“ in Preußen, Kleine Mit- theilungen: Zum zehnjährigen Bestehen des „Archivs“. Projekt zu einem Donau-Elbekanal. Briefkasten an englischen Bahnpost- wagen. Volta-Preis für das Jahr 1887. Zeitschristen Ueber- hau. i U JFustiz-Ministerial-Blatt. Nr. 4. Inhalt: Erkenntniß des großen Disziplinarsenats des Königlichen Kammergerichts vom 26. Juni 1882. L

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 4. Inhalt : Amtliches: Personalnacbrihten. Nichtamtliches: Die, mit kompiti- mirtem Fettgas erleuhtete Balke auf der Noudermole în Pillau. Neue Bauordnung für den Distrikt Columbia in den Vereinigten Staaten. (Schluß.) —- Einführung kontinuirlicber Bremsen bei den preußishen Staatsbahnen. Zur Baustatistik, Ueber die Fabri- fation der cisernen Brücken und die praktishe Ausbildung der Eisen- constructeure. Stadtbahn und Marktverkehr in Berlin. Ver- mischte: Uebernahme von Regierungs-Baumeistern in die preußische allgemeine Bauverwaltung. Feldmesser-Prüfung in Preußen. Bergrutsh an der Bahnstrecke Bebra-Göttingen. Burg Dank- warderode in Braunschweig. M Monatsaufgabe des Architektenvereins in Berlin. Ober-Baurath Theophil Hansen. Theater-Konkurrenz. Theaterbrände. Arfenal des Philon in Zea. Theorie des Erddruks.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund- heits Tes sind in der 3. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern auf den Jahresdur|\chnitt berebnet als gestorben gemeldet: in Berlin 95 0, in Breslau 30,0, in Königsberg 26,2, in Cöln 23,6 in Frankfurt a. M. 21,2, in Hannover 18,8, in Cassel 23,1, in Magdeburg 33,1, in Stettin 31,4, in Altona 22,1, in Straßburg 26,3, in Mes 17,0, in München 26,2, in Nürnberg 30,7, in Augsburg 28,9, in Dres den 23,8, in Leipzig 25,3, in Stuttgart 21,2, in Braunschweig 28,4, in Karlsruhe 14,0, in Hamburg 26,6, in Wien 29,0, in Baye 29,1, in Prag 30,2, in Triest 36,2, in Krakau 27,8, in Basel 19,8, in Brüssel 31,1, in Paris 26,3, in Amsterdam 23,5, in London 91,9, in Glasgow 30,4, in Liverpool 30,7, in Dublin 25,5, in Edinburg 22,9, in Kopenhagen 26,4, in Stockholm 28,3, in Chri» tiania 17,5, in St. Petersburg 41,3, in Warschau 36,0, in

dessa 38,9, in Rom 26,5, in Turin 27,7, in Bukarest 29,1, in Madrid 44,1, in Alexandrien (Egypten) 45,9. In der Jeit vom 24. bis 30 Dezember in New-York 23,4, in Philadelphia 22,5, in Chicago 221, tin St. Louis —, in Cincinnati 19,7, in San Franzisko 19,5, in Kalkutta 41,4, in Bombay 25,0, in Madras 40,8,