1883 / 48 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 24 Feb 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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bishöflihe Allüren angenommen habe, sei ihm nicht bekannt. Der Vorredner habe \sih ferner über die Behandlung der Geistlichen beklagt. Aber nach der Novelle von 1880 sei ent- \cheidend, ob der Geisilihe bei Ausübung einer geistlichen Handlung die Absicht habe, ein geistlihes Amt zu übernehmen. Diese Entscheidung sei viclfah sehr shwer zu treffen, und daher seien gelegentliche Üeberschreitungen des betr. Gesezes unvermeid- lih. Jn Betreff der Kirhenbuhführung sei er soweit gegangen, als er vor seinem Gewissen verantworten könne. Die Sperre beruhe auf Geseß, zu dessen N chtanwendung allein das Ver- halten des Klerus Anlaß geben könne.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski bedauerte, daß der Kultus- Minister den von ihm vorgebrachten Klagen und Beschwerden so wenig Gehör geschenkt habe.

Bei Tit. 11 (Bisthum Cöln) erklärte der Abg. Biesen- bac, daß das von der Diözese Cöln ausgegangene Gesuch um Zurückberufung ihres Erzbischofs keine Kraftprobe gewesen sei, wieder Kultus-Minister behauptet habe; diese auf Zei- tungsncchrihten gestüßte Behauptung müsse er als völlig unbegründet zurückweisen. Die Bevölkerung sei zu diesem Schritt nur aus Liebe und Verehrung zu ihrem im Exil lebenden Erzbischof getrieben worden und habe dabei auf die Unterstüßung des Staats-Ministeriums gerechnet. Er felbst als Kirchenvorstand einer leider ver- waisten Gemeinde habe jene Petition untershrieben. Das System Falk sei zum Glück vorüber und gerichtet ; jeßt sei es an der Regierung, die Wunden, die dieses System dem Lande gesdlagen, zu heilen.

Bei Tit. 12 (Bisthum Trier) beklagte der Abg. Dr. Mosler, daß die Dotationssummen seit der Bulle de salute animarum, also seit etwa 60 Jahren nicht erhöht worden, dem jeßigen Bedürfniß gegenüber also unzureichend seien. Vei der evangelischen Kirche würden doch die Ausgaben den wahsenden Bedürfnissen angemessen erhöht. Er bitte den Minister, hier die Fonds im nächsten Etat zu erhöhen. Ferner beklagte Redner, daß zur Erhaltung des Doms zu Trier keine Mittel zur Verfügung ständen. Der Minister möge sich etwaigen, diesbezüglichen Gesuchen geneigt zeigen.

Bei Kap. 116 (katholische Geistlihe und Kirchen ; Besol- dungen und Zuschüsse) wünschte der Abg. Dr. Majunke, daß bei der Nachweisung der gesperrten Leistungen die \säch- lihen und persönlichen Ausgaben unterschieden, und in diesen Nachweisungen die einzelnen Ausgaben zifsernmäßig auf- geführt würden ; es könnte sonst vielfah scheinen, als ob ein der Kirche ungetreuer katholischer Geistliher Gehalt beziehe, wo nur sählihe Ausgaben rorlägen. Er habe diesen Wunsch {hon wiederholt, aber vergeblih ausgesprochen.

Der Staats-Minister von Goßler erklärte, sich nicht er- innern zu können, daß ein ähnlicher Antrag schon öfter ge- stellt worden sei. Uebrigens würde, selbst wenn diese Position in einzelnen Ziffern spezialisirt wäre, der von dem Vorredner erstrebte Zweck nicht erreiht werden.

Der Abg. Dr. Majunke hielt seinen Wunsch aufrecht ; wie er eben erfahren, sei an einem Orte der Rheinprovinz aus ua Mitteln sogar ein altkatholisher Geistliher besoldet worden.

Bei Kap. 116 a. (Bedürfnißzushü}sse und einmalige Unters stüßungen, insbesondere für einen Bischof) bat der Abg. Dr. Reichensperger (Cöln) um Ablehnung dieser Position, die jedoch vom Hause bewilligt wurde.

Bei Kap. 117 (Provinzial-Sculkollegien, Besoldungen) beshwerte sih der Abg. Steinbush über ein in den Regie- rungsbezirken Trier, Cöln und Coblenz eingeführtes Lesebuch für Volksschulen. Dasselbe habe einen völlig religionslosen Charakter und enthalte Stellen, die geeignet seien, das fkindlihe Zartgefühl zu verlegen. Auf seinen Wunsch um Beseitigung dieses Buches in den fatholishen Schulen habe der vorige Kultus-Minister von Puttkamer erwidert, daß er dieses Lesebuch sowohl für katholishe wie für evan- gelishe Schulen für ungeeignet halte. Er bitte den Minister um ret baldige Beseitigung dieses Buches.

Der Abg. Dr. Kropatschek bat den Minister, dafür zu sorgen, daß bei Abschluß der literarishen Konvention mit Frankreich auch künftig der Abdruck ganzer Werke für den Schulgebrauch gestattet sein möhte. Durch eine Aenderung dieser Bestimmungen würden sowohl die deutschen Verlags- buchhandlungen als auch der Schulunterricht geschädigt werden, denn man müßte dann in den Schulen wieder zu den ganz ungenügenden Chrestomathien greifen. :

Der Staats-Minister von Goßler erwiderte, daß er dieser Angelegenheit sein volles Jnteresse zuwende und, jo weit es an ihm liege, sih bemühen werde, den vom Vorredner aus: gesprochenen Wunsch zu erfüllen. Bezüglih der von dem Abg. Steinbush vorgebrahten Beschwerde bemerke er, daß ihm hierüber noch kein Gesuch zugegangen sei. Uebrigens lasse sih der Charakter eines Buches nicht aus einzelnen aus dem Zusammenhang gerissenen Stellen beurtheilen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, daß kein Grund zu erneuten Beschwerden gewesen sei, da ja der frühere Kultus- Minister von Puttkamer selbst die Beseitigung dieses Buches in Aussicht - gestellt habe. Er hoffe aber, daß die jetzige Anregung ihre Wirkung niht verfehlen werde. Die Königliche Regierung in Cöln habe auf ein Gesuch, betreffend den Kirchenbesuch der Schuljugend unter Leitung der Lehrer, erwidert, daß es kein Geseß gebe, welches die Lehrer und Lehrerinnen verpflichte, die Schuljugend in den Gottesdienst zu führen... Eines solhen Gcseßes bedürfe es nicht, da jene Pflicht der Lehrer unter die allge- meinen Erziehungspflichten falle. Auch habe keine andere Re- gierung das Beispiel der Regierung zu Cöln befolgt.

Bei Schluß des Blattes ergriff} der Staats-Minister von Goßler das Wort.

Wie wir hören, wird die unenigeltliche Beför- derxung freiwilliger Zaben an Lebensmitteln, Kleidungsstücken, Brennmaterial und Füllungsmaterial, welche zu Gunsten der Bevölkerung in den durch die jüngsten Uebershwemmungen heimgesuhten Bezirken auf den Staatseisenbahnen bewilligt war, mit Ablauf dieses Monats eingestellt werden, nahdem sih ergeben hat, daß die Voraus- seßungen für diese ganz exceptionelle Maßregel in Folge der aus Staatsmitteln und durch Privatwohlthätigkeit reihlih gewährten Hülfe jezt im Wesentlichen beseitigt sind.

Die von Staats- oder Kommunalbehörden sowie von Wohlthätigkeitsvereinen zu Gunsten bedürstiger Einwohner in den übershwemmt gewesenen Bezirken, wie auch in verschie- denen anderen nothleidenden Kreisefï der Rheinprovinz a n -

den Staatsbahnen noch bis zum 15. Mai d. J. zur Hälfte der tarifmäßigen Fracht befördert.

Nach der im Reihs-Eisenbahn-Amt aufgestellten, in der Ersten Beilage veröffentlihten Nachweisung über die im Monat Dezember v. J. auf deutshen Bahnen (aus- {ließli der bayerischen) beförderten Züge und deren Verspätungen wurden auf 45 größeren Bahnen beziehungs- weise Bahnkomplexen mit einer Gesammtbetriebélänge von 29 761,47 km befördert an fahrplanmäßigen Zügen: 13 160 Courier- und Schnellzüge, 96 771 Personenzüge, 55 152 gemischte Züge und 92 358 e an außerfahrplanmäßigen Zügen :

1566 Courier-, Scnell-, Personen- und gemischte Züge und 29 509 Güter-, Materialien- und Arbeitszüge. Jm Ganzen wurden 699 628 239 A@hskilometer bewegt, von denen

202 945 767 Achskilometer auf die fahrplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen. Es verspäteten von den 165 083 fahrplanmäßigen Courier-, Schnell-, Personen- und gemischten Zügen im Ganzen 3671 oder 2,22 pCt., (gegen 1,46 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, und 1,82 pCt. im Vormonat). Von diesen Verspätungen wurden jedoch 1815 dur das Abwarten verspäteter Anschlußzüge hervorgerufen, so daß den aufgeführten Bahnen nur 1856 Verspätungen (= 1,12 yCt. zur Lajt fallen (gegen 1,02 pCt. im Vormonat). In demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf den eigenen Strecken der in Vergleih zu ziehenden t Mei von 152 837 beförderten fahrplanmäßigen Zügen mit Personen- beförderung 1243, oder 0,81 pCt., mithin 0,34 pCt. weniger. Jn Folge der Verspätungen wurden 891 Anschlüsse versäumt (gegen 374 in demselben Monai des Vorjahres und 729 im Vormonat). Eine große Zahl dieser Verspätungen und Anschlußversäumnisse ist auf die durh das Hochwasser des Rheins und seiner Nebenflüsse am Anfang und Ende des Monats verursahten Betriebsstörungen zurüc{zufsühren. Wird eine Gruppirung der Verwaltungen nach dem Verhältniß der auf je eine Anshlußversäumniß ent- fallenden Zugverspätungen vorgenommen, so kommen in erster Reihe die Posen-Kreuzburger Eisenbahn (3 Anschluß-Ver säumnisse auf 1 Verspätung) mit 0,33 und die Dortmund- Gronau:Enscheder Eisenbahn (5 Anschluß-Versäumnisse auf 4 Verspätungen) mit 0,80, während die Berlin-Hamburger Eisenbahn (1 Anschluß-Versäumniß auf 12 Ver pätungen) mit 12,00, die Hessishe Ludwigs-Eisenbahn (30 Anschluß- Versäumnisse auf 477 Verspätungen) mit 15,90, die König- liche Eisenbahn-Direktion Cöln (rechtsrh.) (11 Anschluß-Ver- säumnisse auf 197 Verspätungen) mit 17,91 und die Elsaß- Lothringishen Eisenbahnen (13 Anschluß-Versäumnisse auf 233 Verspätungen) mit 17,92, die leßten Stellen einnehmen und bei 6 Eisenbahnen, welche im Ganzen 61 Zugverspätungen gemeldet haben, Anshluß-Versäumnisse niht vorgekommen sind.

An Zöllen und gemeinschaftlihen_ Ver- brauchs3steuern sowie anderen Einnahmen sind im Reich für die Zeit vom 1. April 1882 bis zum Schlusse des Monats Januar 1883, einschließlich der kreditirten Beträge (verglihen mit der Einnahme in demselben Vie A des Vorjahres), zur Anschreibung gelangt : Bôlle 176641 489 4/4 (+ 10 197 993 6), Tabacksteuer 6 880 681 Æ (— 893144 M), übenzuckersteuer 43 267 678 M (— 21 389 006 M), Salzsteuer 32 656 093

fi 872761 A), tBranntweinsteuer 29253 434 2829 095 M), Uebergangsabgaben von Branntwein 97770 #ÆM (— 584 M), Braujteuer 14592708

(+ 527 753 M6), Uebergangsabgaben von Bier 1 144 875 (+ 114343 6), Summe 304 534 728 A (— 13398979 M6). Spielkartenstempel 869 427 M (— 10754 A), Wechsel- stempelsteuer 5584146 # (— 40298 4), Stempel- abgabe sür Werthpapiere, Schlußnoten, Rechnungen und Lotterieloose 8 912 959 M (+ 5 132 386 A6), Post- und Tele- graphenverwaltung 126 115 350 M (+ 4503 507 M), Reichs- Eisenbahn-Verwaltung 36 751 500 M (+ 954 024 4).

Die zur Reichskasse gelangte Js - Einnahme, ab- züglih der Bonifikationen und erwaltungskosten, be- trägt bei den nachhbezeihneten Einnahmen bis Ende Januar 1883: Zölle 158 833 017 Æ (+ 7526 620 M), abadck- steuer 11186 932 # (+ 4921185 M), Rübenzuckersteuer 33 792152 M (— 32 674 033 A6), Salzsteuer 30 048 201 M (+ 560 093 M), Branntweinsteuer und Uebergangsabgabe von Branntwein 30 367 328 # (+ 987 832 H), Brausteuer und Uebergangsabgabe von Bier 13 340 304 M(6(—+ 545 337 4); Summe 277 567 934 M (— 18 132 961 A4). Spielkartenstempel 767 904 M (— 44197 M).

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich baye- rishe Staats-Minister Freiherr von Crailsheim is von hier wieder abgereist.

Bayern. München, 22. Februar. Wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, wird sih als Vertreter Sr. Majestät des Königs Se. Königliche Hoheit der Prinz Arnulf zur Nach- feier der Silbernen Hochzeit des Kronprinzlihen Paares nach Berlin begeben.

Hessen. Darmstadt, 24. Februar. (W. T. B.) Der Großherzog hat laut Erlaß ein Ehrenzeichen gestiftet für Verdienste während der Wassernoth 1882/83. Jn der von der „Darmstädter Zeitung“ veröffentlichten Liste der Beliehenen befinden sich Prinz Heinrih von Hessen und der Gouverneur von Mainz, von Woyna.

Me&lenburg. Schwerin, 23. Februar. Die heutigen „Medl. Anzeigen“ melden: Jhre Königliche Hoheit die Frau Großherzogin-Mutter tritt heute in das 81. Lebensjahr ein. Die tiefe Trauer, in welche die erlauchte Fürstin durch das vor fünf Wochen erfolgte Ableben Höchst- ihres Durchlauchtigsten Bruders verseßt ist, gestattet freilich am heutigen Tage keine lauten Feierlichkeiten. Aber viele treue mecklenburgishe Herzen gedenken mit innigen Segens- wünschen der greisen Hohen Frau, welhe jedem Mecklenbur- ger theuer ist als die Mutter des geliebten Landesherrn, jedem Deutschen als die Tochter der Königin Luise und die Schwester unseres erhabenen Kaisers. Jn Schwerin wird der 23. Februar seit 60 Jahren als hoher Festtag be- gangen, und in aufrichtiger Dankbarkeit erinnern si gerade heute die Bewohner der Residenz daran, welch reichen Segen die Erlauhte Tochter des Hauses Hohenzollern unserem Lande und vor Allem unserer Stadt in den leßten sechs Jahrzehnten gebracht hat. Hoffen wir, daß Jhre König: lihe Hoheit uns in der bisherigen geistigen und körperlichen Rüstigkeit noch lange erhalten bleibe zur Freude unseres Fürstenhauses und des ganzen Landes.

dur die mit Fahnen und Flaggen festlih geschmüdckten Stra- ßen der Stadt. Mittags 121/72 Uhr fand zu Ehren Jhrer Königlichen Hoheit eine Parade der hiesigen Garnison auf dem Alten Garten statt. Se. Hoheit der Herzog Ernst von Sachsen-Altenburg ist gestern Abend zum Besuch am Großherzoglichen Hofe hier eingetroffen. Schaumburg-Lippe. Bückeburg, 23. Februar. Am heutigen Tage wurde die Erbprinzessin zu Schaum- burg-Lippe, geborene Prinzessin von Sachsen-Altenburg, im Fürstlichen Schlosse zu Stadthagen von einem gesunden Prinzen glücklih entbunden.

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Niederlande. Haag, 23. Februar. (W. T. B.) Der König hat das Demissionsgesuh des Ministers der Kolouien, Stavenisse de Brauw, angenommen und den Marine- Minister van Erp Taalman Kip mit den Geschäften des Ministers der Kolonien beauftragt.

Großbritannien und Jrland. London, 22. Februar. (Allg. Corr.) Der Herzog und die Herzogin von Con- As g ht sind gestern, von Paris kommend, in Mentone ein- getroffen.

23. Februar. (W. T. B.) Jn der heutigen Unter- haussizung zeigte Northcote an, daß er dem- nächst die Ernennung eines besonderen Ausschusses zur Untersuhung und Berichterstattung über die bei der Freilassung Parnells, O'Kelly's und Dil- lons im Frühjahr 1882 stattgehabten Verhandlungen und vorgekommenen sonstigen Umstände beantrag.n werde. Der Ausschuß soll durch den Ernennungsausshuß bestellt werden und die abzuhörenden Zeugen eidlich vernehmen. Von Lord Hartinaton wurde mitgetheilt, daß der Premier Gladstone voraussihtlih im Laufe nähster Woche nah London zurückehren werde. Bei der hierauf fortgeseßten Berathung über Gorsts Amendement zu der Adresse nahm Parnell das Wort. Er erklärte, er glaube zwar, daß Alles, was er auch immer sagen möge, doch nur von der geringsten Wirkung auf die öffentlihe Meinung des Hauses und Englands sein werde; er habe indeß stets auch nur auf die öffentlihe Meinung derjenigen gezählt, denen er zu helfen gewünscht habe. Es sei ihm gegenwärtig nur darum zu thun, seine Stellung gegenüber den Jrländern in der Heimath und im Auslande klar zu stellen. Die von Forster gegen ihn er- hobenen Beschuldigungen seien vollständig ungerechte Ver- läumtungen; die von Forster erwähnten Artikel in dem Fournal „United Jreland“ seien erschienen, als er sich im Gefängniß befunden habe; er habe keine Kenntniß von denselben gehabt, Die Zeugenschaft Carey's in dem Dubliner Komplottprozeß beruhe auf Hörensagen. Seit seiner Freilassung habe er \ih wenig um Politik gekümmert ; von seinen Handlungen habe er keine zu vertheidigen. Er sehe die Unmöglichkeit cin, gegen Vorurtheile anzukämpfen, blie in die Zukunft Jrlands aber mit der Zuversicht, daß das Land die jevige Periode des Druckes überleben werde, wie es: auch frühere \{limmere Perioden überlebt habe. Das Amendement Gorsts wurde \c{ließlich mit 259 gegen 176 Stimmen abgelehnt und die Fortsezung der Adreßdebatte alsdann auf Montag vertagt.

den Mitgliedern des neuen Kabinets gehören zwei, nämlich Challemel-Lacour und Charles Brun, dem Senat, aht dém Abgeordnetenhause an; der elfte, General Thibaudin, sißt nit im Parlament. Von den acht Abgeordneten sind vier, Jules Ferry, Tirard, Cohéry und Méline bei der „Union démocratique“ (ehemaligen, Gauche républicaine“) eingeschrieben ; drei, Waldeck-Nousseau, Martin-Feuillée und Raynal bei der „Union républicaine“; Hérisson geht mit der radikalen Linken. Raynal isst Vorsißender der „Union républi- caine“’, Méline der „Union démocratique“ ; beide geben aber diese Ehrenämter auf, um sich der Regierung zu widmen. Was die Senatoren Challemel:Lacour und Charles Brun betrifft, so sind sie Mitglieder der republikanischen Union ihres Hauses. Nur vier von den neuen Ministern waren bisher noch niemals Jnhaber von Portefeuilles, näm- lich Challemel-Lacour, Charles Brun, Méline und Martin- Feuillée; der Leßtere bekleidete unter dem „großen Mini- sterium“ das Amt eines Unter-Staatssekretärs, während seine heutigen Kollegen Waldeck-Rousseau und Raynal das Jnnere und die öffentlihen Bauten verwalteten.

923, Februar. (W. T. B.) Die ministerielle Erklärung ist von den Journalen im Algemeinen günstig aufgenommen worden. Nach dem „Temps“ hätte Ferry die Absicht, als Präsident des Winister- raths an der Thätigkeit der Regierung in allen einzelnen Zweigen aktiven Antheil zu nehmen. Alle wichtigen Dekrete, alle wichtigen Ernennungen würden vor der Unterzeihnung durch den Präsidenten Grévy ihm vorgelegt werden, und ebenso werde er von allen diplomatishen Depeschen Mit- theilung erhalten.

Die Dekrete wegen Anwendung des Geseßes vom Jahre 1834 betreffs Verseßung der militärishe Posten be- fleidenden Prinzen in Disponibilität werden, wie versichert wird, vom „Journal officiel“ morgen veröffentlicht werden. Die Dekrete werden nur die Herzöge von Chartres und Alençon betreffen; niht davon berührt werden der Herzog von Penthièvre, der si bereits niht mehr im aktiven Dienste befindet, sowie der Prinz Roland Bonaparte, den man nit zu den als Prätendenten anzusehenden Prinzen zählt.

Ftalien. Rom, 23. Februar. (W. T. B.) Die „Agenzia Stefani“ meldet aus Tripolis: Der General- Gouverneur stattete auf Befehl des Sultans dem ita lie- nishen Konsul einen offiziellen Besuch ab und drüdte sein lebhaftes Bedauern über den leßt-n Zwischenfall aus.

24. Februar. (W. T. B.) Aus Konstantinopel berichtet die „Ag. St.“: Der Minister des Aeußern machte dem Grafen Corti Mittheilung von dem offiziellen Besuche des Generalgouverneurs von Tripolis bei dem italienishen Konsul und sprach die Hoffnung aus, daß Jtalien nah Beilegung des Zwischenfalles verzichten werde, ein Panzer- {if nah Tripolis abzusenden.

Griechenland. Athen, 23. Februar. (W. T. B.) Bei der von der Deputirtenkammer fortgeseßten Bé- rathung des Budgets erklärte der Minister - Präsident Tricupis den Rednern der Opposition gegenüber, daß eine Reduktion der Ausgaben und der Steuern unmöglich sei, die Herstellung des Gleichgewihts im Budget sei eine Nothwen: digkeit. Ferner spra si der Minister-Präsident mit Rück-

gekauften bezw. an diese Behörden 2c. adressirten Sendun- gen an Saatgut, Viehfutter und Brennmaterial werden auf

Zur Feier des Tages bewegte sih heute Morgens 8 Uhr eine aus sänmtlihen Militärmusikcorps gebildete Reveille

sicht auf die friedlihe Politik zu den Mächten für eine Bei-

Frankreih. Paris, 23. Februar. (Fr. Corr.) Von

behaltung der Gesandtschaften aus, auch die auf dem militäri- schen Gebiete für nothwendig erkannten Maßnahmen wurden von dem Minister-Präsidenten aufrecht erhalten.

Amerika. Washington, 21, Februar. (Allg. Corr.) m Senat ist eine Resolution eingebraht worden, welche um Auskunft ersucht über die angeblihe gemeinschaftliche Ver- ständigung zwischen den Vertretern der Vereinigten Staaten, Englands, Frankreihs und Jtaliens in Lima, eine Anstren- gung zu Gunsten des Friedens zwishen Peru und Chile zu mahen. Eine gemeinschaftlihe Resolution zu Gunsten der Kündigung der Fischerei-Paragraphen des Washingtoner Vertrages hat den Senat passirt, indeß mit dem Zusaze, daß das Gesez, welches den Waaren- transport in transitau durch Amerika gestattet, keine Verän- derung erfahren solle. (Wes. Ztg.) Jm Senat is, wie gemeldet, die Bill, betr. die Ermäßigung der Steuern und die Re- form des Zolles, mit 42 gegen 19 Stimmen durhge- gangen. Jn Folge der vom Senat beschlossenen Herabsezurg von Steuern wird die Steuerlast um 25 000 000 Doll. er- leihtert. Was die Aenderungen im Zolltarif angeht, so ist es kaum möglich, die Maßregel schon in Einzelnen zu carak- terisiren, da die endlose Zahl von Amendements die Uebersicht noch unmöglih macht. Die angenommene Vill ist dem Frei- handelsprinzip weniger günstig als bei ihrer Einbringung, aber dennoch sind die Shugzöllner unbefriedigt. Die Demo- fraten stimmten gegen sie, weil die Ermäßigungen ihnen nicht genügend erschienen. Was das Haus mit der Bill machen wird, ist ungewiß, Wahrscheinlih wird sie dort verschleppt werden, oder Schußzöllner und Freihäntler werden sie ge- meinsant verwerfen, da beide unzufrieden mit der Bill sind. New-York, 23. Februar. (W. T. B.) Eine von der republikanishenParteides Repräsentantenhauses abgéhaltene Versammlung beschloß gestern, der Tarifvor- lage des Senats nicht zuzustimmen. Der durch die Enthüllungen des Kronzeugen Carcy in Dublin der Theilnahme an den Dubliner Morden verdächtigte Jrländer Sheridan hat dem Redakteur des Journals „Jrish World“ gegenüber erklärt, daß er Carey niemals in jeinem Leben gesehen habe; Carey's Angaben über ihn seien pure Erfindungen:

industrie betrifft, so zeigt die Tuindustrie darGweg befrie- digende und zum Theil gesteigerte Betriebsverhältnisse. Aub die Sammet- und Seidenindustrie hat si in leßterer Zeit sehr gehoben und einer großen Anzahl von Hauswebern Beschäftigung und lobnenden Verdienst gebrawt. In rashem Aufshwunge begriffen ist die offenbar sehr einträglide Kunstwollfabrikation im dortigen Bezirke. Sie beschäftigt in sechs Anlagen bereits über 1000 Arbeiter. Die bedeutende Flasspinnerei zu Düren wird nach wie vor \ck{wunghaft betrieben, und die seit langer Zeit sehr ge- drückten Verhältnisse der Flachsbereitungsanstalten zeigen einige Besserung. Aub über die sonstigen im Bezirk vertretenen Industriezweige läßt sich, soweit dieselben von einiger Bedeutung sind, gleibfalls Günstiges berihten. Der Export der Papierfabriken nah Südamerika hat sich gehoben ; au aus Frankrei gingen in leßterer Bit Bestellungen von Bedeutung ein. Soweit nit, wie bei kleineren

iegeleien, eine Betriebsbesränkung durch die Jahreszeit herbeigeführt worden ift, befinden sich alle Anlagen der Thon- und Glasindustrie n Es O. L stark belGnfligi sind die in Folge

gesteigerten Bedarfs in den Hüttenwerken äußerst \{w

betriebenen Fabriken für feuerfeste Steine. B R

Aus dem Wolffschen Telegraphen-Bureau.

Dresden, Sonnabend, 24. Februar. Der Herzog von Genua traf geftern Abend um 10 Uhr von Münden hier ein, wurde auf dem Bahnhof vom Könige empfangen und stieg im Königlichen Schlosse ab. Heute Vormittag stattete der Herzog dem Prinzen Georg einen Besuch ab.

Paris, Sonnabend, 24. Februar. Die für heute erwartete Veröffentlihung der Dekrete betreffs der Verseßung der militärische Posten bekleidenden Prinzen in Disponibili- tät ist nit erfolgt. Wie es heißt, hat die Regierung die Veröffentlihung bis nah Erledigung der heute in der Depu- tirtenfkammer stattfindenden Jnterpellation über die Maßregeln gegen die Prätendenten verschoben.

Rom, Sonnabend, 24. Februar. Meldung der „Agenzia Stefani“: Die Anklagesektion des Appellgerihts verwies Rigatieri vor die Assisen, weil er dur Revolvershüsse auf das Wappenschild des öfterreichishen Botschaftshotels das Land der Kriegsgefahr ausgeseßt habe. Am 5. März findet die Verhandlung über die Appellation Valerianis statt, welcher mit Steinen nah dem Wagen des österreichishen Botschafters geworfen hatte.

Zeitungsftimmen.

Der „Germania“ wird aus dem westfälishen Kohlen-

revier Mitte Februar geschrieben :

In unserem Industriebezirk z. B., in welchem seit 6 Jahren so viel wie nichts gebaut wurde, dessen Bevölkerung aber ganz er- beblih' zugenommen hat, herrs{t effektive Wobnung8noth und der 1, Februar brachte bedeutende Miethsfteigerungen. Sicher wird und nicht allein hier die Bauthätigkeit in diesem Jahre groß, daher auf die Eisenindustrie von nügßlihem Einflusse sein. Die Maschinen- und Brückenbauanstalten sind noch immer gut be- schäftigt, ebenso haben feine Urfabe zu klagen die Kessel- {chmieden, Kleineisenzeugfabriken und Gießereien. Unsere Stahl- werke, die fortwährend Vergrößerungen anlegen, sind mit Auf- trägen wohlversehen, und für den einheimischen Eisenbahnbau, dessen Bedarf ihnen kein Ausland mehr streitig mat, auf lange Zeit be- [Beftat An dieser Stelle spre{hen wir den Wunsch aus, die deut- chen Rheder und Siffébauer möchten eben so patriotisch handeln, wie unjere Staatsbahnen; erstere mögen, da sie von Deutschen leben, ihre Dampfer im Inlande bauen lassen, leßtere abec ihr Eisen zu ihren Scbiffsbauten nicht aus England beziehen, {hon der besseren Qualität des deutsben Eisens wegen.

_— Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ schließt einen „eine Zolldebatte im Reichstage“ überschriebenen Artikel mit folgenden Sägen :

__ Was aber die angebliche Schädigung unseres Exports betrifft, so wies der Regierungskommissar na, daß alle Prophezeiungen der Gegner des Tarifs, die gerade in. dieser Beziehung seinerzeit alles erdenklihe M15 überstiegen, dur die Erportlisten der Jahre 1881 und 1882 voliständig wiederlegt seien. Aus den bezüglichen Mit- theilungen des Geheimen Regierungs-Raths Schraut e1tnehmen wir, daß der Erport im Jahre 1882 gegen das Jahr 1881, welches bereits eine fehr beträbilihe Steigerung des Erports gegenüber den früheren Jahren aufzuweisen hatte, weiter gestiegen ist:

bei Halbseidenwaaren um 4000 Doppel-Ctr. Wollenwaaren um 9 800

e Baumwollenwaaren um 8 989 ¿ e Baumwollengarn um : 2 900 j « Leinengarn und Zwirn um 2 400 F e Wollengarn um . . 5 400 B Halbfabrikaten von Eisen um 606 000 7 ¿Masi . L1682700 é « Eisendraht um . . . . . 168000 L e Hâuten und Fellen... 17000 5 v LoDeO S S 5 000 7 6: Sedan c (15 6 900 i Papier und Papiertapeten um 67 000 z

_ Außer diesen günstigen Erportnahweisen sprechen die forlwährende Steigerung der Erträgnisse unserer Eisenbahnen, Posten und der übrigen Verkehr8anstalten, die Zunahme der Einlagen bei den Spar- kassen und Rentenanstalten, der günstige Stand unserer Geldcourse gegenüber dem Auslande zu Gunsten einer erfreulichen Entwickelung unserer Produktiont- und Erwerbsverhältnisse. Die Thatsache einer wesentlichen Besserung gegenüber den früheren Jahren wird auch von jedem unbefangenen und unparteciishen Beurtheiler anerkannt, und nur die mit einer agitatorishen Thätigkeit verbundene Einseitigkeit des Urtheils neben einem Mangel an genügender sachliher Informa- tion führt zu tendenziösen Behauptungen und Schlüssen.

Die „Berliner Börsen-Zeitung“ schreibt :

Ueber die Lage der Industrie im Regierungëbezirk Aachen wird uns in Vervollständigung unserer neulichen Mittheilungen weiter be- richtet, daß namentlich der Bergbau sih der Fortdauer günstiger Verhältnisse erfreut. Die vortheilhaften Absaßverhältnisse für Stein- tohlen haben si erhalten. Sowohl Fett- als Flammfoblen fanden bei annehmbaren Preisen leihten Abgang, Am vortheilhaftesten ge- stalteten sib die Konjunkturen für Kokes, der von den Eisfenhütten- werken stark begehrt wurde, Auch der Blei- und Zinkerzbau blieb in gedeihliher Fortentwickelung. Einen besonders flotten und au lohnenden Betrieb zeigen alle Kalksteinbrühe des Bezirks, Die lebhafte Thätigkeit sämntliher Hüttenwerke blieb unverändert, und es sollen auch pekuniär günstige Resultate erzielt sein. Besonders gilt dies für die Groß-Eisenindustrie, die bei reihliden Aufträgen ersichtlich einer weiteren Betriebêsteigerung entgegengeht und auch mehr als andere Zweige eine Verbefserung der Löhne hat eintreten lassen. Recht Günstiges läßt sib auch über die Dampfkessel-, Metallwaaren- und Kratenfabrikation berihten. Die früher nicht unbedeutende, dann aber sehr eingeshränkte Eisenhütten-Intustrie des Kreises Schleiden geht immer mehr zur Fabrikation von Spezialitäten, be- sonders der Klein-Cisenwaarenbrane, über. So hat die Herstellung von Stiefeleisen dort einen ganz beträchtlichen Umfang erreiht. Ein zur Fabrikation von Heugabeln vor etwa zwei Jahren übergegangenes âlteres Werk beschäftigt heute in diesem Artikel bereits 50 bis 60 Arbeiter. Die Fabriken der chemishen Großindustrie arbeiten unver-

Centralblatt für da8 Deutsche Reich. Nr. 8. Inhalt Zoll- und Steuerwesen : Bestellung eines StationskontrolcUrs. Befugniß einer Steuerstelle. FKonsulatwesen: Ernennung. Excquaturertheilung. Finanzwesen: Nachweisung über Einnahmen des Reichs vom 1. April 1882 bis Ende Januar 1883. Marine und Schiffahrt: Erscheinen eines weiteren Heftes der Entscheidungen des Obersceamts und der Seeämter, desgl. der amtlichen Liste der Scbiffe der deutschen Kriecs- und Handel8marine für 1883. Polizei- we'en: Ausweisung von Aueländern aus dem Reichsgebiete.

: Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Die Lehre von den Schuldverhältnissen nah ge- meinem deutsben Recht. Mit Rücksibt auf partikulare und fremdländishe Gesetzgebung systematish dargestellt von Dr. Richard Ry ck, Landgerichtsrath in Berlin T. Berlin 1883, gr. 8. Preis 250 G R. v. Decker's Verlag, Marquardt & Schenk. Der Verfasser hat fich die Darstellung ‘des praktischen Verkehrsrechts (Obligationenrechts) zur Aufgabe gemacht und berücksichtigt hierbei niht blos die einheimishen Recbtëquellen, sondern auch das öster- reichisbe, französische und neueste \{chweizerische Reht. Die vor- liegende I. Abtheilung, welbe für si ein abgeschlossenes Ganze bildet, behandelt eine Reihe höcbst wichtiger Materien, welche bisher in der Theorie und Praxis große Schwierigkeiten verursahten und einen Tummelplay der widersprechendsten Auffassungen darboten. Verfasser, welcher das gesammte sablihe Material dem Leser vor- führt, kritisch beleubtet und die eigenen Resultate dur eingehende Beweisführung aus den Gecseßen, der Literatur und der Judikatur der hödbsten Gerichte rechtfertigt, subt überall die behandelten Necbts- institute auf sichere Prinzipien zurückzuführen und darüber neue Auf- schlüsse zu gewähren. Das klar geschriebene, von der Verlagshandlung trefflich ausgestattete Werk dürfte nit blos den Fahmännern, sondern auch in kaufmännischen Kreisen von Interesse sein und si nament- lih bei fomplizirten Rechtsstreitigkeiten als ein wichtiges Hilfsmittel erweisen, Dasselbe verdient auch wegen seines internationalen Charakters volle Beachtung.

Gewerbe und Handel. London, 23. Februar. (W. T. B.) Bei der gestrigen“;W]o l l- auktion waren Preise unverändert. Paris, 25. Februar. (W. T. B.) Prozeß gegen die Union générale. Die Schlußanträge des Generaladvokaten sind dem erstinstanzliben Erkenntniß konform; es wird die Annullirung der neuen Gesellschaft und die Ungültigkeitserklärung der Operationen, betreffs der zweiten Emission, endlih die Nichtauetlieferung der A, R, Das Gerich:surtheil wurde auf beute über 8 Tage vértagt.

Verkehrs-Anstalten.

New-York, 23. Februar. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Bohemia“ ist hier eingetroffen.

Berlin, 24. Februar 1883.

Verein für Geschihte der Mark Brandenburg. Sitzung vom 14. Februar 1883, Der General-Lieutenant von Redern - Wanédorf zeigte uad besprah eine durch seltenen Reich- thum wohlerhaltener Siegel ausgezeichnete Urkunde, eine Schuld- verschreibung des Markarafen Albrecht von Brandenburg aus dem Jahre 1548. Der Major Mar Jähns legte ein interessantes Kriegsbuch vor, welches die Jahreszahl 1453 trägt, dem Kriegsarchive des Großen Generalstabs angehört und nah Provenienz wie Cinband- ausfstattung vermutbhlich aus der Büchersammlung des Kurfürsten Friedri 1I., des Eisernen, herstammt. Es beginnt mit einer schönen Copie des sogenannten alten Feuerwerksbubes, das, Anfangs des 15, Jahrhunderts entstanden, die gesammte Artillerieliteratur dieses Zeitabschnittes beherrscht. Daran reiht sch Hans Hart- liebs Onomatomantia, d. h. eine Lehre der Kunst, je nah dem Namen, den man trägt, einen siegverkündenden Tag zum Kampfe zu wählen. Dann folgt das „Buch von den Iconismis bellicis“, d. h. eine jener großen Bilderhandschriften, welche als der charakteristischste Bestandtheil der Militärliteratur des 15. Jahrhunderts bezeichnet werden müssen und welche die* mannigfaltigsten Gegenstände der mili- tärischen und technisben Künste in mehr oder minder guten, oft nur \fizzirten, zuweilen aber aub mit fünstlerisher Vollendung ausge- führten Darstellungen zu veranshaulihen suden. Das Manuskript des Generalstabs gehört zu den minder sorgfältig hergestellten Werken dieser Art und erweist sich als abgeleitet aus dem herrlichen, „Belli- fortis“ betitelten gleihartigem Werke, welches ein verbannter fränfisher Edelmann, Konrad Kyeser, im Jahre 1405 in Böhmen vollendete und dem Könige Rupreht von der Pfalz widmete. Von dem Inhalte dieses „Bellifortis“, der in Göttingen aufbewahrt wird und der als Grundtypus dieser militärishen Jkono-

ändert flott. Gegen früher wesentlid gebessert hat sich der Betrieb der Erxrplosivstoffe, sowie der Seifenfabriken, Was die Tertil-

Rede. schrift wahrscheinli erscheint, wer hat sie denn dem König Hein- rih VIII. geschenkt? kaum war damals ein Anderer dazu im Stande und in geeigneter Lage, Keinem auch lag gerade diese Gabe mit dieser Widmung näher als dem Kardinal Wolsey. York und ohne Zweifel in der Lage, über diesen Schatz zu verfügen. Wir dürfen nicht vergessen, daß Handschriften dieser Art, welche man in späterer Zeit nicht mehr zu verfertigen im Stande war, als kostbarste Heiligthümer betrachtet und verwahrt wurden. alten Klöster und Domkapitel, und nur ganz besondere Umstände konnten die Möglichkeit gewähren, ein soldes Kleinod dem König darzubringen. mögli gewesen sein. {chrift wissen wir nur, daß sie sich in der Bibliothek des Marquis of Douglas und Clydesdale befunden hat. Daß sie ein Geschenk des Papites Leo X. gewesen, ist eine ganz haltlose Vermuthung.

Kodex. Dieser enthält überdies noch ein „Hern Albrechbts L - bergks Kunst“ überschriebenes Kapitel, rel S Durb- einander pyrotechnische und poliorkatishe Vorschriften bringt, die aub großentheils illuftrirt sind. Offenbar hat man 8 hier aber mit einem Nactrage zu thun. Der brandenburgise Koder hat besonders deshalb Intereffe, weil er zu den wenigen Resten der altkurfürstlien Bücberbestände gehört, die in der Mark zurückblieben, wäh-

rend die Hauptmasse derselben in Franken aufbewahrt

ie f | . L 1 war. Der Oberlehrer Fisbder berichtete über Hâädickes Arbeit: „Die Reichsunmittelbarkeit und Landsässigkeit der Bisthümer

Brandenburg und Havelberz.“ Von den drei märkisben Bisöfe waren der Brandenburger und der Havelberger von Anfang M anerfanntermaßen des Reiches Fürsten ; der Lebuser blicb landfässig wie er es als polnifcber Unterban zuerst gewesen war, bis in den Wirren des 14. Jahrhunderts dieser Unterschied sid allmäblich zu seinen Gunsten verwischte. Der Umstand, daß die Bischöfe vielfa genöthigt waren, den landeSherrliden Schuß zu sucen, erleiterte es Karl 1V. sie in das Vasallenverkältniß, ihre Reichsfreihcit tn die Formen des böhmisben Fürstenstandes herunter zu drüfen. Die Hohenzollern änderten nidts Wefentlibes an dem Bestande, welchen sie thatsäch- lich vorfanden ; die Reichskanzlei dagegen behandelte nab wie vor die Bischôfe als Reichëfürsten, was zwar zu einigen Streitigkeiten, jedo zu keinem den Bischöfen günstigen Erfolg mehr führte. /

: „Neuen Archiv der Gesellschaft

ältere deutshe Gescbihtskunde zur Sa nee Gesammtausgabe der OQuellenscbriften deutsber Geschichten des Mittelalters“ ist kürzlih das 2. Heft VIII. Bandes ausgegeben worden (Hannover, Hahnsche Bubhandlung). Besonders bemerkenäwerth ift in diesem Heft ein Referat über die Handscriften der Hamiltonscen Sammlung, von W. Wattenbach. Derselbe beschränkt i bei der Besprechung der tostbaren Sammlung allerdings auf diejenigen wele die Gescbichte des Mittelalters betreffen oder valäo- graphisch ein besonderes Interesse darbieten. Diese sind darin zusammengestellt, jedech ohne Besbränkung auf das deutshe Mittelalter und möglist vollständig. Ausfübhrlih besprochen werden die Collectio conciliorum aus dem 8. Jahr- hundert und in cinem Anhange die Purpurbandschrift. Ueber diefe sagt Wattenbab: Unter den vielen Prachthandscriften der Hamiltonihen Sammlung ist eine von besonderer Schönheit und Seltenheit: eine Abschrift der Evangeli-:n in lateiniswer Uebersetzung auf Purpur-Pergament in Golds{rift. Wunderbar fris ist noch beute die Farbe des Purpurs, und das Gold strahlt in völliger Frisbe. Man hat das {nte frischbe Pergament von großem Folio- format genommen, tief und nachaltig gefärbt mit der echten Purpur- farbe, wie es wobl nur in Constantinopel zu finden war. Hier hat man diese Kunst \chon früh geübt und mit großer Vorliebe Prachthandshriften dieser Art hergestellt. Auch in Rom blühte diese Kunst, und unter den Karolingern sind au im Franfkenrei berrlihe Kunstwerke dieser Art entstanden. Die Färbung unferer Handscrift ist niht überall glei; sie geht von dunklem Violett in Blau und lebhaftes Roth über, und man fönnte sih versubt fühlen zu glauben, daß fie verstümmelt gewesen und durch etwas verschiedenes Material wieder ergänzt sei. Eine genauere Prüfung zeigt jedo, daß daran nit zu denken ist, und ebenso zeigen sich in der Scbrift gewisse Verscbiedenheiten, aber in solcher Weise, z. B. auf den beiden Seiten desselben Blattes, daß nur eine ein- heitliche Entstehung angenommen werden fann. Allerdings aber sind verschiedene Schreiber dabei beschäftigt gewesen, und jedes einzelne Evangelium ist von etwas vers biedener Färbung. Man darf dabei aber nit außer Acht lassen, daß vor mehr als tausend Jahren der Anblick wohl doch nob etwas anders gewesen sein mag, so ausge- zeihnet gut au die Erhaltung der Handschrift ist. Die Ungleich- heit wird damals nit so auffallend gewesen sein. Ueber die Her- kunft der Handschrift ift auf einem eingeleaten Papierblatt die Ver-

mutbung ausgesprocen, daß Papst Leo R. sie dem König Heinrich VIIT.

Von dem

gesenkt habe, als er ihm den Titel Defensor fidei verlieh. Diese Vermuthung stüßt sich auf die Widmung, welche auf der Innenseite des ersten, ursprüngli®b leergelass fenen Purpurblattes ebenfalls mit Goldschrift ceingeschrie-

ben ist. Ueber den Versen ist das Königlihe Wappen von England angebrat, und es ist kein Grund zu bezweifeln, daß cin aus diesem Anlaß dem König überreichtes Gescbenk vorliegt. Aber durchaus nicht so gesicert ist die Herkunft. Für italienishe Humanisten vom Hofe Leo's R. sind die Verse nicht gut genug; der Styl des Wappens i} durchaus cin englischer, und das unter den Versen angebrachte Ornament kann nicht italienisber Herkunft sein. Nun trifft es sib, daß wir gerade aus England Kunde von einer solden Evangelienhand|rift haben. Es war der Erzbishof Wilfrid von York, welcher die vier Evangelien mit reinstem Golde auf Purpurpergament schreiben ließ. Als ein in unseren Zeiten bis dahin unerhörtes Wunderwerk preist es sein Biograph, und auc in seiner von Beda uns aufbewahrten Grabscrift wird es rühmend erwähnt. Die Zeit feines Glanzes, in welcher er in der Lage war, ein solches Werk ausführen zu lassen, fällt in die Jahre 670 bis 680. Er hat in dieser Zeit große Summen auf kostbaren und prächtigen Kirchenswmuck verwentet, und ein längerer Auf- enthalt in Rom hat“ ihm ohne Zweifel Gelegenheit gegeben, Künstler für diese Zwecke zu gewinnen. Dieses Prachtftück schenkte er seinem Kloster Ripon, wo er es in einem kostbaren Behältniß verwahren ließ. Wie es ausgesehen haben mag, wissen wir nit, da wir nichts zur VergleiZung haben. Auch wissen wir ja niht, ob einheimische oder vielleicht rômisbe Kalligraphen das Werk zu Stande braten. An die Eigenthümlichkeiten irisher oder angelsätsisher Schrift erinnert in unserer Handschrift durcbaus nichts, höcbstens eine Form des U, wo der vordere Theil einen Winkel mit abwärts geneigtem Unterschenkel bildet. Nicht ohne Bedenken alfo, ob die Schrift so alt sein kann, bemerkt Wattenbach do, daß, verglihen mit Werken karolingischer Zeit, dieselbe eine sehr feste geübte Hand zeige. Die Buchstaben find wirklich geschrieben, nicht gezeichnet oder gemalt ; ihre Form ift einfach und anspruhslos, die Anfangébucbstaben nur wenig vortretende, etwas größere Kapitalschrift; niht die geringste Spur von den reichen Ornamenten, welche in karolingishen Handschriften niht zu fehlen pflegen. Eine Vergleibung mit dem großen Werke des Grafen Bastard führte nur dazu, den Eindruck eines höheren Alters unserer Handschrift zu verstärken. Merk- würdiger Weise ist später nie wieder von Wilfrieds Werk die Wenn aber nun einheimischer, englisher Ursprung der Hand-

Darüber kann faum ein Zweifel sein, denn

Und dieser Kardinal war Erzbischof von Noch bestanden die Aber eben dem Kardinal Wolsey wird es in Ripon

AugH über die weiteren Swicksale der Hand-

Iulius von Pflugk-Harttung handelt in diesem Heft von den

Registern Gregors VIII. fowie über das Arcbiv und die Bibliothek der Päpste im im 11. Jahrhundert, und giebt dann ein Register der Papsturkunden im General-Lande8archiv zu Karlsruhe, welches nah dem Münchener und neben dem Coblenzer die meisten Papsturkunden vor 1200 im Deutschen Reiche besißt. Theodor Lindner veröffent- liht als Nadbtrag zu seinem-Buch über das Urkundenwesen Karls IY. und seiner Nachfolger eine Reibe von Urkundenauszügen, welche sich in den von Huber herausgegebenen Regesten des Kaiserreichs unter Karl IV. nicht finden; die bezüglichen Originalurkunden gehören den Archiven

graphien zu betraten ist, gab Major Jähns eine Uebersicht, unter stetem Hinweis auf den Inhalt des vorgelegten brandenburgischen

in Coblenz, Cöln und Dresden.

Als Beilage dazu wird cine inter-