1904 / 16 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 Jan 1904 18:00:01 GMT) scan diff

zur Unterlassung

sahen haben die Regierung zu anderer Me n Rücksichten ge-

der Kündigung geführt? Da wird von politis man dürfe keine unfreundlihen Akte gegen die Oesterrei hat aber doch \chon seinen Vertrag fündigt; der Vertrag zwishen Italien und der ündigt; die mitteleuropäishe Zollunion des Grafen Marschall existiert nicht mehr. auch die, welhe von Frankreih und Gngland Störung der Beziehungen erfolgt; wir Kündigung von seiten Englands mit dem größten Wohl-

Man hat ja ganz neuerdings von einem Regierung sogar gegenüber der Kolonie Canada wurde diese auffallende Nachricht bisher daß lediglih Nücksichten auf die Industrie d zeigt sie an neuen Verträgen auch ihrer- daß eine Neihe den neuen Verträgen würde herabgeseßt werden ucht nur den vertragélosen Zustand so vie Ich aber frage: soll der Bauer leiden, damit nur der Gewinn nit ges{mälert wird? Es muß dech Gee ist es Gerechtigkeit, daß wir Bauern zu Gunsten Ich weiß, daß es

neue Periode von

waffnen ih die betreffenden Kampf mit Deutschland. Die gestellt, ebenso Oesterreich, auch Rußland hat einen neuen, auß Der neue russische Tarif soll Erhöhun eine Zuschrift aus kaufmännischen niht ernst zu nehmen wären.

dem Abschluß eines wenn der ersehnte Ausgleich dw stande kommt, ist die Situation no Verhältnisse haben

Staaten bis an die Zähne zum Schweiz hat einen neuen Tar dessen Tarif aber noch nit in Kraft i erordentlih hohen Tarif en bis zu 300 9% enthalten; en bestätigt, daß sie überhaupt Schwierigkeiten ähnlicher Art stehen arn entgegen. Selbst ischen Oesterreich. und Ungarn zu- d keineswegs geklärt, denn die 2 Jahren seit 1891 sehr hat Oesterreich das Interesse von damals an n nicht mehr. Herr von Koerber gibt für die Verständigung sehr s{chwierig sowohl auf hohe Getreidezölle, sondern , wir sollen unsere as ist doch geradezu sere Viehbestände der Ver- hoffe, diese Forderung wird bei unserer Aber auch die lehnende Haltung, wie dies {hon te erklärt die Industrie die gar nicht notwendig. Abschluß des Vertrags baus und der deutschen Gärtnerei

taaten vollziehen. mit Jtalien Schweiz ist g von Caprivi und des Herrn von Durch die Kündigungen,

Vertrages mit Oesterreih-Un ist nirgends eine

ausgingen, sich eben in den 1 ufgenommen.

gelesen; amtlich dementiert

niedrigeren deutshen Getreidezölle Es scheint mir,

aber auch zu, daß die Aussichten wären; er weist dabei au niht auf die Veterinärpolitik hin, das hei Grenze für die österreihishe Viehein eine unmöglihe Forderung, euchung preisgeben, und ih auf den striktesten Widerspruch stoßen. österreihishe Industrie zeigt eine ab einigermaßen 1891 der Fall war. Einfubr deutscher Industrieerzeugnisse für Ih halte es für selbstverständli die Interessen des deutshen Wein berüdcksihtigt

aufgenommenen

noch nicht. hier vorwalten. eits kein besonderes Juteresse ndustrieller Zölle in müssen, fie | hinauszuziehen. Großindustrie der rehtigkeit walten ; der Industrie diese Last weiter zu tragen haben ° der Allerhöchste Wille ist, daß nunmehr eine 30 Jahren einzutreten hat, in der die Interessen der Landwirt Wir verlangen nicht einmal, daß die Inter- wir verlangen nur Gleich-

t, er verlan denn fie weiß,

daß wir un wie möglich

ch, daß bei maßgebend sein sollen. essen der Landwirtschaft vorangehen sollen, berechtigung. verträge werden von den Industriellen vielfach übers Länder haben einen noch ganz anderen industriellen Aufschwung auf- Fh habe dieser Tage Veranlassung gehabt, mich mit der niht mit der, wie sie vom fondern wie sie von den Da findet sich eine inter- [len Entwickelung

Schutzölle für die Gärtnerei ja ohnehin motivierte der Reichskanzler Graf von Caprivi daß dem italienishen Weine

französischen

llkonzessionen auch erhalten, ‘Maßnahme uhr nah Deutschland an der ch Deutschland hat etwa ein Ein gleiches Interesse und die österreichische Bertrag mit Italien gekündigt, Jn richtiger Erkenntnis der

geschlossen wurde, unsere Weinzölle mit den Worten, auf deutschem Schlachtfeld canadischen Statistik zu beschäftigen, hiesigen Statistishen Bureau bearbeitet, canadischen Behörden heraus essante Darstellu

aller Länder der

egeben wird. triellen und kommerzie Da wird zum Beispiel angeführt, daß die Nordamerikanishe Union mit ihrem Außenhandel in den leßten fünf /9 aufweist, Deutschland aber eine ll man da behaupten, daß die Tarif- ellem und industriellem Gebiet gün)tig eingewirkt fondern die Preisbildung auf dem Weltmarkte ist hier maßgebend, und die ist hier unabhängig vßn den Tarifverträgen. Unser ganzer Handelsverkehr mit den fremden Staaten beträgt nur ein Drittel unseres ganzen Handels, f blick auf unsere Finanzlage möchte ih den l gekündigt werden,

dem Frankfurter Frieden alle unsere Zo Frankreih den t gehabt, es steht jeßt bei der Weineinf Spite, und der italienishe Export na Achtel des französishen Quantums betragen. an den deutschen Weinzöllen hat Oesterreich, Regierung hat vor 14 Jahren den um seine Weinbauer besser zu hüten. Gefahr, daß die deutschen Winzer in eine noch trübere L fönnten, baben die rheinischen entsprechende Resolution an die Regierung die Negierung wird ihren Wünschen Gebör schenken. dem Abschluß mit Italien en

Fahren eine Zunahme von 480 \folhe von nur 32 9/% i verträge auf kommerilt haben? Nicht Handelsverträge, age kommen MWinzervereine {on vor Monaten etne elangen lassen; ih hoffe, Es mögen ja noch tgegenstehen. Herr sich Deutschland befindet. ash mit Jtalien ab- Tasche stecken

Auch im Hin- Wunsch aussprechen, und der neue Zoll- Als Graf von Caprivi diese Verträge absloß, berechnete er den Zollausfall auf jährlich 9 Millionen Mark. Fn Wirklichkeit sind die Zolleinnahmen im ersten Jahre nah dem VBertragsabs{hluß um 284 Millionen, im ¿weiten um 42 Millionen daß diese Verträge nicht allein in nanzieller Hinsicht großen Schaden je zwingt uns dazu, neue CEin- en kein Tabakmonopol, keine wir haben nur den Zolltarif, und ter wird, wie Es ift wirklich Da sehe ih zufällig den Herrn

alten Verträge

andere Schwierigkeiten l tarif bald voll in Kraft tritt.

Luzzatti \prah von einer Zwangslage, in der Er meinte, Deutschland sei genötigt, möglichst r weil Deutschland feinen Generaltarif in die Chamberlain in England mit seinen Plänen durchdringe. Herr Luzzatti befindet sih mit dieser Argumentation im einen Vertrag mit Italien unge

zuschließen, Éonne, wenn Es sleht außer Zweifel, wirtschaftliher, sondern auch in fi getan haben. Unsere s{hlechte Finanzl nahmequellen i Neichsbiersteuer usw., ofe, ganz erheblihe Mehreinnahmen bringen. bobe Zeit, ihn in Kraft zu seßen. Nbg. Kaempf auf seinem Plate, der neulich den Wunsch äußerte, daß unsere Reichs8anleihen cinen besseren Kursstand aufweisen möchten. Er enwärtigen, daß in der Zeit vor dem Erlaß des ; ere 3prozentige Reichsanleihe zum Kur den Markt gebracht wurde, und erst als die Gesundung der das Börsengesetz erfolgte, fand eine Steigerung der Kurse der Reichs- anleibe bis zu 95 9/6 statt. Wenn gesagt wird, die Zollsäße unseres neuen Tarifs seien zu hoch, als daß sie praktisch zur Anwendu werden könnten, nun, fo stelle man neben dem neuen Mindestzolltarif auf mit einer dur{chs{nittlihen Ermäßigung aller Zollsäße um 20 bis 25 9/0. politishen Beziehungen zum In Summa fasse ih die Situation dahin au Kündigung der Verträge finanzielle Notwendigkeit ist. baldige Befreiung von diesen

fähr auf der Handelspolitik ist ja angslage be-

wird ja sehr leiht sein, bisherigen Grundlage abzuschließen, denn unsere gegenüber Italien sehr pafsiv ; finden wir uns doch nicht,

Chamberlains{e Politik uns dahin bringen könnte. bödsten Grade für wahrs im Interesse Englands die allein richtige ist, aber teranlassung, uns dur langfristige Tarifverträge e gerade unser Interesse erfordern, | rn freie Hand zu behalten. deutsche Erwerbs-

in einer folhen Zw und erst recht unbegreiflich ist, daß die Ich halte es ja im ceinlich, daß er durchdringt, weil seine Politik s auch dann haben wir um so weniger L die Hände zu binden, und es würd keine Verträge abzuschließen, sonde alledem drängt ih uns die Frage auf, ob derjenige der die Kosten zu tragen hat, wenn sich die Verhandlungen gleihfalls auf unabsehbare Zeit in seiner be- Landwirtschaft kann längst 1 In Ostpreußen wurden bung 1891 30231 Wehrpflichtige festgestellt, 99 813, also eine Abnahme von 25 9/0, lem Maße auch die noch niht wehr- Unter den Reservisten mehr abgewandert als sich hieraus

Dieser Ab-

wolle sih verge ; Bösörsengesetzes un se von 85# auf

Börse durch

so in die Länge ziehen, l \{hränkten Lage gelassen werden soll. Die niht mehr mit der Jr bei der Nekrutenaushe 10 Jahre später nur noch woraus man pflichtigen Arbeiter ihre Heimat verlassen, und Landwehrleuten sind 39 809 Mann zugewandert. au für den Fall der Mobilma wanderung der länd Damm gesetzt werden. \fozialdemokratischen die Zahl der po von 244 000 auf 348 000 vermehrt. der Anteil des deutshen Besißes an Grund und Boden in den polnischen Als Fürst Bismarck diese Polenpolitik gleichzeitig für einen intenfiven landwirtschaftlichen Der Nachfolger des Fürsten ehr weitsichtige Politik die |

1g gebracht

dustrie konkurrieren. Tarif cinen

Dann werden wir auch Auslande auf einen besseren Fuß stellen. f, daß die alsbaldige tschaftlihe und auch ür die Landwirtschaft aber ist die | t erträgen geradezu eine Lebensfrage. E {haft hat in den leßten Jahren {wer genug gelitten, es ift {wer genug an ihr gesündigt worden. Was wir verlangen, ist nur die ausgleihende Gerechtigkeit.

Lur Beantwortung der Interpellation erhält das Wort der

Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Als am 29. April v. J. die gleiche Frage der Kündigung der Handelsverträge hier im hohen Hause behandelt wurde, richtete sich Ihre Frage an die Zukuaft. Man fragte uns, wann wir geneigt sein würden, die Handelsverträge zu kündigen. Heute wird eine Frage an die Vergangenheit gerihtet ; wir werden gefragt, warum wir die Handelsverträge niht gekündigt haben. Sachlich decken sich also beide Interpellationen meines Erachtens vollkommen; es besteht zwis(en ihnen nur der Unterschied, daß uns damals ein und uns jeßt ein

sieht, in we

eine politische, Schwierigkeiten N chung ergeben würden. | lkerung muß nunmehr alsbald ein Bei der leßten Wahl stieg die Zahl der Stimmen von zwei auf drei Millionen. lnishen Stimmen hat si in denselben fünf In den letzten fünf Jahren ist

lichen Bevö Die Landwirt

Gebiet3teilen zurüdgegangen. begann, sforgte er Schutz des deutshen Ansiedlers im Osten. Bismarck hat dur seine nit gerade \ landwirtschaftlihen Schußzölle ermäßigt und damit den Deutschen die Lebensbedingung abgeschnitten. Da kann man ih nicht wundern, das Germanisierungswerk zum Stillstand kommt, ür nußlos verausgabt find. Das ganze Ansie ist vergeblich ohne genügenden Zollsuß für die Landwiite. wirte empfinden namentlich den Tiefstand der Get bei weitem nicht die Protuktionsfkosten deckt, w Landwirt bezeugen kann; aber ih berufe mich dafür au auf den Führer der französishen Sozialisten Faurès. Der hat 200 A für die Tonne als den Minimalpreis für Weizen bingestellt. Heute stehen unsere Preise um 30—40 4 unter diesem Da muß der deutsche Landwirt mit Verlust arbeiten. Nun könnte er sich ja mehr auf die Viehzucht legen; aber die Folge würte eine sofortige Ueberproduktion von Vieh sein, und die heutigen Niebzüchter würden Rücksichten

Millionen daf dlungswerk reidepreise, der heute ie ih als praktischer

ausgedrückt wurde mindestens leiser

unverdächtige Autorität, Verhandlungen des die Zolltarifnovelle beigewohnt hätte, und dann durch irgendwelche unvorhergesehenen weiteren Entwickelung der Sache irgendwelhe Kenntniß zu nehmen, so würde er kaum annehmen, daß die heutige Snterpellation und ihre Begründung an dieselbe Regierung gerichtet ist, die den Zolltarif nach harten- Kämpfen eingebraht und hier im hohen Hanse in harten Denn es kann nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, daß die Regierung ihrerseits die shwierige Lage der Landwirischaft ohne jeden Vorbehalt anerkennt und deshalb ernstlich bemüht ist, diesem Zustande durch Gewährung eines erhöhten Zoll- \hutes abzuhelfen. In der Sache sind wir also vollkommen einig; der Unterschied zwischen der Regierung und den Vertretern der Inter- pellation besteht lediglih in der einzushlagenden Taktik.

Ih möchte die Lage, in der wir uns gegenwärtig befinden, mit Wer jemals in einer Glashütte oder in einem Eisenwerk gewesen ist, wird vielleiht gesehen haben, wie ein Arbeiter lachend die Hand in die weißglühende Masse steckt und des Zuschauers der Beurteilung des Zustandes der Masse würde diese kühne Hand in ihrer Aktions- So, meine Herren, berühren Sie hier mit dieser Interpellation auch einen Kreis glühend heißer aktueller Fragen (Widerspruch rechts), die man nicht mit der leisesten Tangente streifen sollte (Unruhe rechts), wenn man niht Gefahr laufen will, unsere Aktionsfähigkeit zu beeinträchtigen, die Sie do unzweifelhaft Meine Herren, Sie wollen sich dieser Erwägung offenbar verschließen. Ih muß aber doch bemerken, daß wir nie ingend eine Erklärung abgegeben haben in der Nichtung, daß wir die Verträge zu einem bestimmten Termine kündigen würden. Als im hohen Hause der Antrag eingebraht wurde, daß der Zolltarif zu einem bestimmten Zeitpunkte in Kraft treten sollte, haben wir uns vielmehr gegen diesen Antrag mit dem größten Nachdruck ausgesprochen, weil wir eben dadurch mittelbar, entgegen der staats- rechtlihen Stellung der Exekutive, gezwungen werden sollten, die Ver-

Minimalpreis.

Aber auch die Getreideproduktion Deutscblands erbalten wird; wir dürfen uns niht vom Auslande ab- hängig machen, damit wir nicht im Kriegsfalle au?gehungert werden und favitulieren müssen. In anderen Ländern widmet man dieser so in Frankreih, wie in England. Hat des einbeimishen Getreidebaues erkannt, so muß es befremden, daß man den heutigen verderblichen Zustand ruhig fortdauern läßt und sih nicht entschließen kann, wenigstens die Ver- träge zu fündigen und die besceidenen tarifs zu gewäbren.

betroffen werden.

TLN eri] Kämpfen verteidigt hat. s l Ble Furlorge, die Regierung die Bedeutung

des alten General- MWieviel besser wird da in Frankrei vorgesorgt ! Nckerbau und Viehzucht haben \sich dort der forgjamsten Pflege zu er- freuen; erst vor furzem hat eine Grhöhung der Biehzölle stattge- Der deutsche Landwirt ist mit viel höheren Lasten beshwert Ich erinnere nur an die sozialpolitishen, die

als der auéländische. : Fcch würde es bedauern,

Schul- und Wegebaulasten. d Bauern das Handel8objekt zwischen Regierungen abgeben gestellt in den Tarif, rung in der Kommission,

ih namentlich im Hinblick Auf welche Kräfte will fi die ländliche Bevölkerung nicht zu Feind überwinden, denn aub für Deut ländliche Bevölkerung ; ohne sie wird nichts zu erreichen sein, weder noch gegen einen die Kündigung sei als dringlih Das hat die

Bilte andeuten. wenn unsere

unserer und den ausländischen Wir haben ja hohe Zolljäße ein- aber immer waren es die Vertreter der Regie- die dagegen eintraten, und das bedauere auf das Anwachsen der Sozialdemokratie. ch der Reichskanzler verlassen, wenn ihm r Seite steht? Dann wird er keinen \hland gilt, wie für Frank- die die Kraft des

herauszieht. Das gerinzste Versehen aber

fähigkeit für immer lähmen.

Landes ausmacht ; einen äußeren , aben in der Inter auh von ten ver freihändlerishe Presse und zahlreiche

ellation gesagt,

ündeten Regierungen anerkannt. angezweifelt.

Aeußerungen

stärken wollen. (Unruhe rechts.) Ich weise des Kanzlers von 1901 owie des Grafen von Posadowsky, die das von uns Gesagte (Redner verliest diese Aeußerungen.) Wenn der Kanzler,

eine Erhöhung der Getreidezölle für un- ch auch in Kraft geseßt werden und dürfen frage den Grafen der Handels- prah. Es kann darunter

später hin, f

wie er ausgesprohen hat, erläßlih hält, müssen fie do l dem Papier stehen bleiben. von Posadowsky, was er unter dem natürlichen Ende vertragsperiode verstanden hat, von dem er \

doch nur der 31. Dezember 1903 verstanden werden; w

träge zu einem bestimmten Zeitpunkt zu kündigen. Wir haben hierbei immer als Programm unserex Handelspolitik aufgestellt, die alten Verträge möglichst in neue Verträge zu konvertieren, um das deutsche Wirtschaftsleben vor möglichen Erschütterungen zu bewahren. (Zuruf rechts.) Jch würde aber niemandem raten, aus der Taktik, die wir jeßt befolgen und im gegenwärtigen Augenblick zu befolgen für richtig halten, irgend welche Schlüsse auf die Zukunft zu ziehen. Deutsch- land- hat befanntlih eine große passive Handelsbilanz. Ich ziehe aus dieser wirtshaftlihen Tatsahe niht die Schlüsse, die wiederholt von Rednern der reten Seite des Hauses daraus gefolgert sind. Aber eins ecgibt sich aus unserer passiven Handelsbilanz mit unzweifel- hafter Sicherheit, daß Deutschland ein großer, sehr leistungsfähiger und zahlungsfähiger Kunde ist. (Zuruf rets.) Und wir sind für den Bezug unserer meisten Rohmaterialien oder unserer Nahrungsmittel keineswegs nur auf einen bestimmten Markt angewiesen. Wir fönnen uns vielfachß auch andere Bezugsquellen eröffnen; der Handel ist in dieser Beztehung elastis{, und auch die Verbraucher können \ih unter Umständen andere Bedürfnisse aneignen. Wenn wir also bisher die Taktik befolgt haben, den Versuch zu machen, die alten Verträge in neue Verträge überzuführen, so folgt daraus für die Zukunft keines, wegs, daß wir niht au zu Entschlüssen gedrängt werden tönnten, die uns eine andere Taktik gebieten. (Hört! hört! links, Zuruf und Un, ruhe rechts.)

Meine Herren, Verträge zu {ließen ist sehr leiht; es kommt aber darauf án, wie die Verträge aussehen (fehr richtig! rechts und links), und zum Vertragss{ließen gehören bekanntlich zwei Vertrag- scließende. (Auch richtig! rechts.) Gerate daraus, daß wir Ihnen bisher neue Handelsverträge n i cht vorgelegt haben, sollten Sie schließen, daß wir gewisse elementare Forderungen im Interesse unserer wirt: \{haftlichen Entwidkelung festhalten, und daß wir nur bei Erfüllung dieser clementaren Forderungen neue Verträge abschließen wollen.

Wenn viese Interpellation in dem gegenwärtigen Standpunkt der Verhar dlungen an uns gerichtet ist, so kann ich nicht annehmen, daß die Herren Interpellanten kcabsihtigt haben, daß von dieser Stelle aus irgend welche sahchlichen Mitteilungen gemacht werden denn diese sachlihen Mitteilungen würden nicht nur Jhrem sachlichen Interesse, sondern dem Interesse des ganzen Landes ge- fährlih fein —; ih nehme vielmehr an, daß die Herren nur das Bedürfnis empfanden, ihre eigene politisGe Ansicht zur Sache zu äußern. (Sehr gut! und Heiterkeit links.) Wenn mir hier von der reten Seite des Hauses zugerufen wird, rir sollten \chneller arbeiten, so hängt eben auch der Fortgang der Arbeit von zwei Seiten ab; roir lassen es an Eifer und Nachtruck, das Ziel zu erreichen, nit fehlen.

Meine Herren, der Reichékanzler steht kraft seiner verfassungs mäßigen Stellung am Steuer des Reichéschiffes; nur er kann auf Grund dex ihm bekannten Tatsachen den Kurs berechnen, den er zu steuern hat, und er kann sich von diesem Kurse unter keinen Umständen, auch niht durch eine Intcrpellation, abbringen lassen, insbesondere nicht bei der shwierigen Fahrt in fremden Gewässern!

Auf Antrag des Abg. von Kardorff tritt das Haus darauf in eine Besprehung der Jnterpellation ein.

Abg. Herold (Zentr.): Eine vorsihtig geführte Diskussion kann unseren Vertragêverhandlungen nichts s{aden. Es freut mi, zu bôren, daß die Sache sich in Fluß befindet, aber befremdlich ist, daß wir keinen Schritt vorwärts kommen. _ Nicht nur die Landwirtschaft, au die Industrie sehnt sich nah definitiven Zuständen. Sie wüns{en dringend, daß keine Unterbrehung des Vertragszustandes eintrete. Es hätte wenigstens dem einen oder ar deren Staate gekündigt werden können. Berträge ohne jede Konzession sollten überhaupt nicht abges{losfen und beim Abs{luß neuer Verträge müßte sehr forgfältig rerfahren werden. Graf von Kanitz ist im Zusammenhange mik der Frage der Landwirt- schaft auch auf die Polenpvolitik eincegangen, und er hat das wertvolle Geständnis gemacht, daß das Ansiedelungsgeseß bisher vollständig fruchtlos gewesen ist. Wir haben also den richtigen Standpunkt ein genommen, als wir die Genehmigung dieser Hunderte von Millionen ablehnten, damit sie besseren wirtschaftlichen Zwedken nußbar gema würden. Zu den elementaren Forderungen, von denen der Staals sekretär spra, gehört mindestens die Festlegung von Zollsägen auf bestimmte Getreidearten. Für andere Erzeugnisse haben wir eine Bindung nit festgelegt, weil wir_ vertrauten, daß die Regierung uns auch so den notwendigen S{huy gewähren würde. Speziell auch die Interessen des deut)chen Schälwaldes und die Gâärtnereiprodukte bedürfen intensiven Schutzes, ebenso der gegenwärtig außerordentlich s{chwer leidende Weinbau. Für gewisse tierishe Er- zeugnisse und für das Vieh haben wir den Bereich der Mindestzölle erweitert und hoffen, daß die verbündeten Regierungen bei den Unter- handlungen {on mit Rücisidt auf un}eren heimischen Vichbestand nit daran rütteln lassen werden. Weiter muß darauf Nüksicht ge- nommen werden, daß unsere Exportindustrie durch die hohen Einfuhr- zölle des Auslandes nicht zu sehr ges{chädigt wird. Cins steht felt: die neuen Verträge müssen zur Förderung der deutschen wirtschaftlichen Interessen gereicen; ist dies nicht der Fall, so wird der Meichètag nicht davor zurückschrecken, derartige Verträge abzulehnen. Mehr als ein Jahr ist verflossen, ohne das Kampfmittel der Kündigung zur Anwendung zu bringen. Wir hoffen, daß jeßt die Regierung bald die ihr gegebene Waffe in die Hand nehmen wird, um zu günstigen Verträgen zu gelangen. Mit gleicher Entschiedenheit, Festigkeit und Unbeugsamkeit, wie in ihrem politischen Handeln, möge die Regie rung au auf diesem Gebiete vorgehen. i

Abg. Bernstein (Soz.): Wir haben uns zuerst gefragt, ob es überkaupt für uns ter Mühe lohnte, uns in diesen häuslien Streit und in die Unterhaltung zwischen Regierung und Konservativen zu mischen. Graf von Kaniß hat uns die alten Ladenhüter der Shub- zöllnerei in {öner Vollständigkeit vorgesührt; sogar die fozialifstische Autorität für die Rechte, Jauròs, mußte herhalten, Im ganzen war die Rede des Grafen von Kaniß und der größte Teil der Rede des Grafen von Posadowsky das beste Zeugnis ül die Berechtigung der von uns an dem Zolltarif L t Kritik. Der Staatssekretär hat die Debaite als eine höchst figlige be- zeihnet und das Lied vom beschränkten Untertanenverstand gesungen. Graf von Kani hat am 12. Dezember gesagt, das ganze Land erwar! die Kündigung, und die ländliche Bevölkerung sei über ihr Ausbleiben erbittert. Das stimmt nun nicht; die ländlihe Bevölkerung nur mil Ausnahmen, und „das ganze Land“ {hon gar niht. Jedenfalls nit die drei Millionen Sozialdemokraten; aber nicht diese allein fordern niht die Kündigung, sondern ebenso weisen weite Kreise der bürget- lihen Bevölkerung, des i prag usw. diese Forderung ab. Vel Jahresberiht des „Ehrbaren Kaufmanns“ in Hamburg [egt abermals dafür Zeugnis ab. Herr Herold, der sich sonst im Sinne des Grafen von Kaniß aussprach, wünscht seinerseits niht einen vertragslosen Zustand, sondern will neue Verträge a eshlossen haben. Die Herren Wortführer der Landwirtschaft sind ch also über diese Hauptfrage nicht einig. Offenbar denkt Hert Herold daran, daß eine plößlihe Kündigung geeignet wäre, Hunderb- tausende deutscher Arbeiter außer Tätigkeit und ae Brot zu seßen. Von der großen Bevölkerung is bei allen diesen Betrachtung meistens niht die Rede, sondern nur von dem Interesse gewisser, dazu privilegierter Stände; fo auch bei der Erörterung E wirtshaftlihen Beziehungen zu Rußland, Ein so großes Intere an der Ausfuhr von Roggen hat Rußland gar niht. Die Ausfuhr ist im Verhältnis zur Produktion gering ; dabei sind ganze Gouvernt-

ents unterernährt. Diese Umstände müssen bei der Beurteilung des ortsritts der Unterhandlun; en in Rehnung gestellt werden. Ebenso einseitig wird die Frage der Zölle auf Gemüse und andere Gärtnerei- produkte gegenüber Italien behandelt. n seiner Begeisterung für die Schußzölle preist Graf von Kani sogar Herrn Chamberlain, Nach unjerer Meinung sind die Erfolge Chamberlains in England sehr problematischer Natur; die Gegenströômung wächst stark an. ch erinnere nur an die jüngste Wahl in Norwich. Wenn Graf von Fanihz auf Ostpreußen hinwies, so wird er niht leugnen können, daß die alte Behauptung von dem Uebergewicht der Ergebnisse der länd- sien Aushebungen über die städtische längst widerlegt ist. Sorgen Sie für menschenwürdige Lebensbedingungen der Arbeiterbevölkerung in Ostpreußen, und die Landflucht wird dort bald aufgehört haben. Redner suht die Behauptungen des Grafen von Kaniß über die französische Getreidezollpolitik als unrichtig und wertlos darzustellen ; er erórtert_ dann die {were Gefahr, die ein Zollkrieg mit den Ver- einigten Staaten über Deutschlands Fndustrie bringen müßte, ins- besondere, wenn doct etn Ausfuhrzoll auf rohe Baumwolle gelegt würde. Wenn es, fo {ließt er, bei den Mindestzöllen bleiben foll, heim Abshluß von Verträgen, so muß doch die Industrie die Kosten tragen; ein anderes gibts niht. Qui trompe-t-on ici? muß man also E Ae wenn man die Herren Graf von Kaniy und old höôrt. Ey

Ga Abg. Gothein (Fr. Vgg ): Wir befinden uns zur Zeit in einer ir Landwirtschaft und Industrie glei unbequemen Situation. Sehr anschaulich hat Graf von Kaniß die Lage geschildert ; cin drastischeres Bild von der Sacgasse, in die uns der neue Zolltarif geführt hat, hâtte feiner von uns geben können. Wo sind die Zeiten hin, da man jedem, der es hôren wollte, mitteilte, daß der russische Handelsvertrag lo gut wie fertig sei! Ich habe die Naivität der Menschen bewundert, die das glaubten. Im preußischen Staatsministerium, ih wußte es, war die ganze Frage gar nicht zur Verhandlung gekommen. Die Ver- hantlung geriet ins Stocken, und cs begann ein Wettlauf der Staaten in der Crhöhung der Ga veranlaßt dun die Erhöhung unseres Zolltarifs. So geschah es in der Schrociz, in Rußland und \chlicß- li auch in England. Die Herren von rechts wollen die jeßige un- günstige Situation dur Kündigung der Handelsverträge verbessern. Wenn wir aber den autonomen Tarif ausführten, ‘so würden wir selbst in eine Zwangslage kommen, was auch die verbündeten Regie- rungen anerkannt haben. Der neue autonome Tarif ist so voll von „Unstimmigkeiten“, S er gar nicht ausgeführt werden kann. Durch vie bekannte große Ramschabstimmung über den Zolltarif wurden alle diese Unstimmigkeiten den verbündeten Yegierungen ausf- gezwungen. Sie (rechts) wollen ja am liebsten Kampfzölle. Graf zu Umburg-Stirum hat darüber keinen Zweifel gelassen. Der Zollkrieg mit Italien und der Scweiz ist Frankreih sehr \{chlecht bekommen, ebenso Oesterreih der mit Rumänien, und uns der Zollfrieg mit Spanien; wir haben alfo alle Veranlassung, uns vor einem Zollkriege zu hüten. Graf von Kaniß sagte: „wir Bauern“. Es scheint

so, als wenn Sie (nah rets) den Bauer bei einem recht grozen Grundbesiß anfangen lassen. Sie wollen die Borteile des neuen Tarifs für den Grundbesig einstreichen, was aus

den andern wird, ist Jhnen gleichgültig. Sie treiben hier lediglih ein Hazardspiel. Eine Regierung, die nur einen Funken Lia o rtliSfetsgelühi hat, kaun nicht kündigen, bevor nit neue Verträge gesichert sind. Graf von Posadowsky hat darauf hingewiesen, wie gefährlih solche Debatten find. Er mag sich bei den Agrariern dafür bedanken, daß sie in diesem Fall die Agenten des Auslandes sind, was man uns in anderen Fällen vor- geworfen bat. Die Rechte sagt, fie wolle der Negterung den Nüken stärken. Wenn man mir das sagte, so nmürde ih das für eine Be- leidigung halten. Ich glaube, die Herren werfen vielmehr der Regierung Knüppel zwischen die Beine. Wir wollen keinen BYorteil vom Auslande erkaufen dur Ervortprämienklauseln, die der deulschen Exportindustrie haden könnten. Der Reichskanzler ist heute s{chon zu der Ueberzeugung ekommen, daß es besser gewesen wäre, die Zolltarifvorlage nicht zur Annahme zu bringen, den damaligen parlamentarishen Staatsstreich nicht mitzumachen. Handelsverträge ohne Mindestverträge will die Rechte und das Zentrum nicht annehmen. Dann bleibt für uns nur das übrig, was man in Oesterreich tut, das Fortwursteln, wenn auch das Fortwursteln mit den alten Verträgen immer noch besser wäre als ein Zollkrieg, dem uns Graf von Kaniß zuführen möchte. Sn einem jolhen Zollkrieg wäre auch ein Crfolg die \{chwerste Schädigung weiter Volkskreife, da wir darauf angewiesen sind, bestimmte Artikel vom Auslande zu kezichen. Wir müssen Masenartikel exportieren, nachdem wir unserem jährlichen großen Arbeiterzuwachs Arbeit verschaffen müssen. Der jähr- lie Bevölkerung3zuwachs beträgt jeßt {on 300 000 Seelen, und bald wird eine Million erreicht sein. icht die Großindustrie, sondern die Kleinindustrie, der Handelsstand und die Arbeiter haben ein großes Interesse am Export und damit an den neuen Handelsverträgen. Mit den Bedingungen der Nechten und des Zentrums können Handels- verträge überhaupt nit ges{chlossen werden. Die Landwirtschaft ift do nicht allein da. Die Zeiten der höchsten Getreidepreise sind auch die Zeiten der größten Auswanderung und der größten Landflucht. Wir treten dafür ein, daß niht durch hohe Zölle der Großgrundbesitz begünstigt, sondern dafür, daß der Kleinbesiß und die innere Koloni- sation gefördert und dem kleinen Mann nicht tas Brot verteuert wicd.

Abg. Graf von Shwerin-Löwihy (d. kons.): Die Rede des Herrn Abg. Gothein war etwas post festum gehalten; denn der Tarif ist bereits vor 13 Monaten beschlossen worden. Es war vorauszusehen, daß er und Herr Bernstein hier wieder dic Höhe der Getreidezölle als Grund für das Nichtzustandekommen neuer Tarifverträge ins Gefecht führen würden. (Sehr ritig! links.) Sie sagen: sehr richtig ; aber es wird doch nicht ganz leiht sein, auch wenn Sie, Herr Gothein, irgendwelhe Beziehungen zu Rußland haben sollten, die mir nicht zur Verfügung stehen, zu ermitteln, welche Umstände dem Vertrags- abshluß Schwierigkeiten bereiten. Wenn überhaupt, so könnte doch die Höbe der Getreidezölle nur für Rußland und allenfalls noch) für Rumänien maßgebend fein. Oesterreih-Ungarn legt {hon niht mehr das Hauptgewiht auf die Getreidezöle; Spanien, Italien, Belgien, die Schweiz haben ebenso wenig ein Interesse an der Höbe der deutschen Getreidezölle, und doch find auh mit diesen Staaten Tarifverträge nit zustande gekommen. Für die russischen Landwirte ist der Schwerpunkt absolut nit die Höhe der Getreide-

zôlle, sondern lediglich die anderen Staaten, vor allem den Ver- einigten Staaten, eingeräumte unbedingte ' Meistbegünitigung. HVerc Gothein hat fein Recht, uns vorzuwerfen, daß wir durch unsere

Snterpellation die internaticnalen Verhandlungen ers{chweren, an- statt fie zu fördern; dazu hätte er nur ein Recht, wenn er seine leiden- \haftliße Gegnerschaft gegen die Durchführung der Tarifreform auf- E hätte. Au wenn man feine Erwartungen auf sachliche wirkl iche Aufschlüsse seitens der Regierung noch so sehr herabgestimmt hat wie ih, so mußte einen doch die Antwort, der jeder positive Inhalt gefehlt hat, enttäushen. Wenn der Tarif unter solchen Kämpfen, nah ÜPeberwindung aller möglihen Opposition und Obstruktion im Reichs- tage durchgeseßzt worden ist von den Zollfreunden und wenn diese Zoll- freunde der Regierung eine so auégiebige Unterstüßung gewährt haben, so sollte sh Graf von Posadowsky doch überlegen, ob seine jeßige Taktik richtig ist. Als einen der s{wersten Fehler unserer Handels3- politik in den legten Jahren müssen wir die immer mehr zunehmende Sdhwerfälligkeit bezeihnen. Wir haben dieser {on dadur abzu- helfen gesuht, daß wir im Wirtschaftlichen Aus\{huß einen vollständigen Doppeltarif vorshlugen. Die Zeit wird kommen, wo die verbündeten tegierungen es noch sehr bereuen werden, daß sie unserem Vorschlage niht gefolgt sind, der die Hauptschwierigkeit ohne weiteres über- wunden hätte. Wir sollten doch wenigstens das Tempo, mit dem wir unsere Reform zur Durchführung bringen, etwas beschleunigen, um nicht in dieser Beziehung hinter unferen Konkurrenten im Auslande Mee (Redner ist im weiteren Verlaufe seines Vortrags nur sehr hwer verständlih.) Früher aing man bei den großen Tarifreformen schneller vor. 1901 hatte der Wirtschaftliche Aus\huß seine Arbeit beendet. Seitdem sind drei Jahre vergangen, ohne daß wir einen Schritt vorwärts gekommen und neue Handelsverträge abgeschlossen

\

langjährige Erhebungen über

sind. Ist es nicht cin barer Unsinn, i einen neuen Zolltarif zu machen, den man erst in acht Jahren ein- führt? Dann müßten wir darauf bestehen, daß ein neuer, den neuen Verhältnissen entsprechender Tarif vorgelegt würde! Wir haben es als

einen {weren Fehler betrachtet, daß in die neue Vorlage kein fester Termin für das Inkrafttreten des Gesetzes eingefügt wurde. Wir waren allerdings gegenüber der Regierung in einer Zwangslage, Die bisherige Entwickelung der Dirge hat unsere damaligen Befürch- tungen lediglich bestätigt. Die auswärtigen Unterhändler könnten den unsrigen sagen : Eure Regierung ift ja gar niht aebunden, den neuen Tarif in Kraft treten zu lassen. Aber die Regierung sollte die Handelsverträge kündigen oder wenigstens die Kündigung für einen ganz bestimmten Zeitpunkt ankündigen. Wir brauchen das nicht zu scheuen, wir {ind ja der beste Käufer der Welt, wir können ruhig den autonomen Tarif in Kraft treten lassen. Damit hat die Regierung eine gute Waffe in der Hand. Zum mindesten müßten wir die Meistbegünstigungen kündigen. Ich kann mir denken, daß der Neichs- kanzler vorher wenigstens einen einzigen Vertrag abschließen möchte ; i kann mir aber nicht denken, daß die Kündigung mit dem aus- gesprochenen Zweek, neue Verträge zu s{chließen, im Autlande irgendwie anstoßen könnte. Jeder Aufshub unserer Tarifreform bringt ganz außerordentliche Gefahren mit ih, wofür die Megierung unmöglich die Verantwortlichkeit übernehmen kann. 4

Abg. Kaempf (fr. Volksp.): Ich stehe im Gegensaß zum Grafen von Kaniy auf dem Standpunkt, daß, solange Verhandlungen von der Bedeutung und der Schwierigkeit der Handelsvertragsverhandlungen (weben, es unzulässig ist, die Negierung nah dem Stande dieser Verhandlungen zu fragen. Wenn die Interpellauten den Wunsch haben, den Zolltarif mit den erhöhten Säpen für Getreide und Reis so bald wie mögli in Kraft treten zu sehen, so verstehe ich vollständig die Scheu der Reichsregierung vor der Verantwortung, diese unerhörten Erhöhungen in Kraft treten zu lassen, bevor fie nicht abschen kann, was aus dem Ganzen bei den Zollverhandlungen wird. Die be- \{lossenen Zölle auf Roggen, im Maximum 7, im Minimum 5%, bedeuten einen Zuschlag von 50 bis 7009/9 auf den. Weltmarktpreis. Die 105 Millionen, die daraus für Deutschland sich ergeben würden, bekommt nur die Landwirtschoft, bezahlen muß J das gesamte deutshe Volk, das auch ein Interesse daran hat, auch einmal billiges Brot und billige landwirtschaftlihe Produkte kaufen zu können. Nur wenn Sie (rechts) eine kaufkräftige industrielle Bevölkerung haben, werden Sie avgemessene Preise für die landwirtschaftlihen Produkte bekommen. So hoh Sie au die landwirtschaftliden Zölle normieren, auf die Dauer können Sie der Landwirtschaft damit doch nicht helfen. Der Einführung des neuen Zollta:ifs hätte eine gründ- lihe und unparteiis@e Unterfuhung der einschlägigen Verhältnisse vorangehen müssen. Der Tarif ist ja ncch gar nicht in Kraft, es gibt aber fein größeres Unglü für Deutschland, als das Inkrafttreten dieses Zolltarifs.

Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ich glaube, die Herren Interpellanten werden ih aus den Erörterungen, die heute hier geführt find, überzeugt baben, wie bedenklich es ist, während des Gangcs interrationaler Verhand- lungen solche Fragen anzuschneiden. (Sehr richtig! links.) Wenn hier in diesem hohen Hause jeßt, wo wir mit anderen Staaten verhandeln, erklärt wird, dieser Zolltarif könnte nie in Kraft treten, er wäre ein ganz ungeeignetes Instrument, um damit zu verhandeln, fo kann das die Stellung der deutshen Regierung nicht stärken (Sehr richtig! rechts.) Aber abgesehen davon, ist es ein sahlicher Irrtum, in einem derartigen autonomen Zolltarif eine Drohung zu erblicken und ein Instrument, welhes deshalb nicht geeignet zu Verhandlungen ist. Wenn man auf diesem Standpunkt steht, müßte man die Zolltarife einer ganzen

| Reihe anderer Staaten ganz unter demselben Gesichtspunkte betrachten.

(Sehr richtig!) Die Schweiz hat zum Beispiel bie Zollsäge in ihrem neuen Tarif zum Teil viel mehr erhöht als wir, und sie hofft doh aud ob mit Recht, kann ich zur Zeit nicht beurteilen —, damit zu neuen Verträgen zu kommen ; fie denkt doch auch, insbesondere mit uns einen günstigen Vertrag abzuschließen. Ja, wenn die Staaten so edel wären, wie vielleiht manche Individuen sind, daß sie alles in Freude und Güte abmahen wollen, daß jeder sofort seia Herz auéschüttet und seine lezten Absichten kundgibt, dann wären wir mit dem Abs- sdluß der Handelsverträge {on längst fertig. Sehr richtig !) Aber auch in anderen Staaten gibt es Parlamente, auch ta gibt es verschiedene Richtungen, und auch in anderen Staaten hält man die Taktik für richtig, sich nicht sofort çanz zu erschließen, fondern ganz allmählich zu cinem möglichst günstigen Vergleih zu kommen. Daß wir ebenfalls zu soldjem Abs{chluß kommen, das glaube i, das hoffe ih, und zu dieser Hoffnung berechtigt uns die starke Stellung, die Deutschland wirischafstlit inne hat. (Sehr richtig! rechts.) Meine Herren, Sie verlangen, daß unser Wirtschaftsleben bald. zur Beruhigung komme: dann müssen Sie aber auch alles tun, um die Stellung der deutschen Negierung zu stärken.

Der Herr Graf Schwerin hat eine gewisse Ungeduld geäußert über tie Antwort, die ih gegeben habe. Ich frage Sie, was würden Sie? von cinem Vertreter des Deutschen Reichs denken, wenn er,

während geheime Verhandlungen mit anderen Staaten geführt werden, hier irgend welche sachliche Mitteilungen machte? (Sehr

rihtig!) Wenn wir das täten, würden wir fofort tas Ver- trauen aller anderen Regierungen versherzen; denn wir ver-

langen von den anderen Regierungen sogar, daß fie dieses Ver- trauen dritten Regierungen gegenüber bewahren, daß sie auch dritten Regierungen gegenüber Stillschweigen beobachten über den Gang ter Verhantlungen, und, das haben sie bisher auch getan. Und weil wir das von anderen Regierungen verlangen, können wir unsererseits eben- falls keinerlei sachlihe Mitteilungen machen.

Herr Graf Schwerin hat auch jeßt {hon wieder die Aenderung des bestehenten oder vielmehr des in Kraft zu sezenden Zolltarifs angedeutet. Jch glaube, die Herren haben die Zukunft doch etwas zu rosig betrahtet. Unser alter Zolltarif stammt aus dem Iahre 1818 und hatte in der Bismarckschen Periode für ganz wenige Nummern Aenderungen erfahren. Der Zolltarif, der jeßt in Kraft geseßt werden soll und auf einer ganz neuen Gruntlage aufgebaut ift, ist in der Nacht vom 13. zum 14. Dezember 1902 bes{chlossen. Weil nun nach Verlauf cines Jahres dieser völlig neue Zolltarif noch nit in Kraft çeset ist, kann doch unmöglich die Rede davon sein, jeßt eventuell ein so großes Werk {on wieder ändern zu wollen. Sie wissen ja selbst, mit welchen Schwierigkeiten dieser ganze Zolltarif durchgeführt ist.

Eine Aeußerung des Herrn Grafen Schwerin kann ih schließlich nit unwidersprohen ins Land hinausgehen laffen. Er hat erklärt, der Erfüllungstermin für den neuen Zolltarif wäre der 31. Dezember 1903 gewesen. Einen bestimmten Erfüllungstermin konnten wir nie versprechen: erstens, weil wir nicht wußten, wie lange die Verhandlungen über den Tarif selbs dauern würden. Wir konnten nit glauben, daß der Zolltarif, der vorber so gründlich durchgearbeitet war, der in allen Positionen in der Oeffentlichkeit er- örtert worden war, ein Jahr zu seiner Verabschiedung brauchen würde.

Wir konnten aber auch deshalb keinen bestimmten Erfüllungstermin

dasür angeben, wann dieser neue Zolltarif in Kraft treten. würde,

wann neue Handelsverträge geschlossen werden würden, weil

wir selbstverständlih niht voraussehen konnten, wie lange die

Verhandlungen mit den anderen Staaten dauern würden. Und, meine Herren, das natürliche Ende für die bisherigen Verträge, wenn ih von dem einmal sprechen will, wäre der 31. Dezember 1903 gewesen; wir schreiben heute den 18. Januar 1904, und Sie wollen uns deshalb eine mora, eine Verzögerung nachweisen, weil wir in der Zwischenzeit seit Verabschiedung des Tarifs mit sieben Staaten keine neuen Verträge zustande gebracht haben. Als ich vorhin spra, hat man mir aus der Mitte des Hauses zugerufen, wir sollten s{chneller arbeiten. Meine Herren, mit der Schnelligkeit is es allein nicht gemacht, fondern bei Ver- trägen handelt es sich um Zähigkeit und Geduld, handelt es sich darum, wie gut oder s{lecht man seine Sache vertritt, und ih muß den Vorwurf mit allergrößtem Nachdruck zurückweisen, daß in dieser Beziehung seitens der verbündeten Regierungen das Geringste ver- säumt ist. Wir verfolgen immer noch dasselbe Ziel, wir wollen unser wirtshaftlihes Leben auf neuen Grundlagen fest- stellen, wir wollen der Landwirtschast helfen ; aber, meine Herren, wenn Sie dem Lante und Ihren Wählern einen Dienst tun wollen, dann sagen Sie ihnen, daß es sih dabei um ein so großes und so \ckchwieriges Unternehmen handelt, den veralteten Tarif von 1818 turch einen unserer gegenwärtigen Entwickelung mehr entsprehenden Tarif zu erseßen, taß es sih dabei niht um Tage, nicht um Wochen und nicht um Monate hecndeln kann, sondern um ein Werk, welches auf Jahrzehnte hinaus unserem wirtshaftlichen Leben Gestalt und Richtung geben soll.

Abg. Dr. Paasche (nl.): Die Schwierigkeiten für die Regierung sind dur die Verhandlungen vermehrt worden, und zwar nicht von der Rechten, sondern ron der Linken. (Oho! links.) Das hat der Staatésekretär eben gesagt, und er hat recht, wenn man die Aus- führungen der Abgg. Gothein und Kaempf berücksi{tigt. An der Höhe der Getreidezölle sind die Verhandlungen bieher nicht gescheitert. Meénn der Konsument den Zoll trägt, wie die Linke behauptet, dann

fann es doch dem Auslande gleih sein, ob der Zoll boch oder niedrig ist. Das Ausland wird aber keine große Lust haben, Verträge zu schließen, wenn die Linke ihm die Position ver- tärft dadur, daß fie den Tarif für unausführbar erklärt. Meine Partei hat den Tarif mit seinen Minimalsäten an- genommen, aber auésdrüdcklich erklärt, daß wir festhielten an dem System langfristiger Handelsverträge. Wir wollten eine Kontinuität dec Verträge. Das wollen wir auch heute; wir wollen

einen ausgiebigen Schuß der Landwirtschaft und der Industrie. Wir haben die hwere Arbeit nit gemacht, damit dieser Tarif nun liegen bleiben soll und nur in der Gesegsammlung steht, sondern damit er die Grundlage zu neuen Handelsverträgen bildet. Diesen Standpunkt hat auch die Regierung eingenommen. ir haben damals dringend gewünscht, daß die Regierung diese Waffe zum Schuß der Landwirtschaft und der gesamten wirtschaftlichen Berhältnisse dazu benußen möge, um zu langfristigen Handelsverträgen zu gelangen. Es ift der Wuns der Mehrheit des Hauses nicht nur, sondern des Volkes, daß höhere Zölle eingeführt werden. Das Volk hat sich nicht von dieser Zollpolitik abgewendet ; die Nationalliberalen, das Zentrum baben ihre Vertretung in derselben Stärke wiederkehren sehen, wir baben im Reichstage dieselbe agrarische, \chußtzöllnerishe Mekbrheit wie früher. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Fawohl, die Stimme des Volkes hat für diese Politik gesproßen DBVer- \chiebungen sind lediglich auf der Linken eingetreten. Nachdem die Stimme des Volkes so gesprochen hat, muß die Regierung diesem Willen auch nachkommen. Ueber die Folgen der Kündigung eines Vertrags denke ih freilich nicht so optimistisch wie Graf von Schwerin. Die Unsicherheit, die beim bloßen Kündigen ohne die Gewißheit eines neuen Vertrags für alle Erwerbéfreise entstehen würde, ist außerordentli bedenklih. Aber als ultima ratio müßten die Regierungen auch die Kündigung ins Auge fassen, denn ih nehme an, daß sie in Er- wägung darüber einireten werden, wenn es nicht gelingen sollte, baldigst neue, günstige Handelsverträge zu schaffen. Um günstige Ber- träge handelt es sich, niht um Handelsverträge überhaupt; folche, die nicht einen Schuß ‘der Landwirtschaft enthalten, würde die Mehrheit des Hauses ablehnen.

Abg. Dr. Wolff - Württemberg (Wirts. Vgg.) ist auf der Journalistentribüne anfangs nur {wer verstäntlih. Er glaubt, Deutschland werde auf keinen grünen Zweia in der wirtschaftlichen Politik kommen, so lange man nicht den Mut besie, einmal die Handelsverträge zu kündigen. Tue man gar nichts, rühre man nicht Hand noch Fuß, so könne man damit dem Auslande unmöglich imvonieren. Die verbündeten Regierungen hätten sich in zahlreichen offiziellen Erklärungen, die Graf von Kani {hon angeführt habe, und die sich ncch vermehren ließen, für den erhöhten und baldigen Schutz der Landwirtschaft festgelegt. Es sei avch wohl niht Rücksichtnahme auf die Intustrie, sondern vielmehr Konnivenz gegen das Ausland, was die Regierung zu ihrer zaudernden Haltung bestimme. Für die fleinen Bauern in Württemberg seien die Viehzölle von hervorragender Bedeutung; in bezug auf die Viebzölle dürfe kein Zugeständnis an das Ausland gemacht werden. Leider seien amtliche Aeußerungen, auch von württembergishen Ministern gefallen, die Befürchtungen in dieser Hinficht rege machten. Desgleichen müsse der württembergishe Winzer gegen die italienische Konkurrenz wirksamer ges{üßt werden ; auch hier sei aber leider zu befürchten, daß die deutsche Regierung zu viel nachgebe. Wenn soldhe Befürhtungen im Süden in weitesten Kreisen vorhanden seien, so werde man sih dech nicht verhetlen, daß ein derartiger Zustand nicht geeignet sei, dem Reichegedanken im deutschen Süden neue Anhänger zu werben.

Abg. von C zarlinski (Pole): Die Debatte bat fih auch auf den Zuwachs der polnishen Stimmen und die Fruhtlofigkeit der Ansiedlungépolitik crstreckt. Auh wir Polen verlangen mit dem Grafen von Kani Erleichterung für die Landwirtschaft, aber wogegen wir Einspruch erheben, das ist die Verquickung der Interessen der Landwirticaft mit der Antipolenpolitik, diese Verquitung macht die Liebe des Grafen von Kanitz für die Landwirtschaft nicht ganz un- verdächtig. En mangeant l’'appétit vient. Schon hat man fast eine kalbe Milliarde geopfert für eine Politik, die die Rechtsgleichheit untergräbt.

Hierauf wird ein Vertagungsantrag angenommen.

Schluß nah 61/4 Uhr. Nächste Sizung Dienstag 1 Uhr. (Erste und zweite Lesung des Nachtragsetats, betreffend Forderungen für Südwestafrika; Jnterpellation Auer wegen der Umtriebe der russishen Geheimpolizei in Deutschland; Geseßentwurf, betreffend die Kaufmannsgerichte.)

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 2. Sigzung vom 18. Januar 1904, 1 Uhr.

Von dem Chef des Zivilkabinetts Seiner Mazestät des Kaisers und Königs ist folgendes Telegramm eingelaufen:

Seine Majestät der Kaiser und König haben mih be- auftragt, Allerhöchstseinen Dank auszusprehen für die freundliche Mitteilung des. Oinscheidens des Reichsgerichtepräsidenten a. D. Dr. von Oehlshläger und nehmen Allerhöchst lebhaften Anteil an dem Verlust, den das Herrenhaus durh den Tod dieses bewährten,

trefflihen Mannes erlitten hat. von Lucanus.

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