1883 / 55 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 05 Mar 1883 18:00:01 GMT) scan diff

die Bochum. A eine sechsklassige höhere Bürgershule ohne Latein und die genannte Anstalt getreten, zu den Kosten der Unterhaltung der leßteren trägt der Staat nicht bei; die erstere ist von der Stadt Bochum ins Leben gerufen und der Staat hat sich durch Vertrag vom 1. Oktober 1881 verpflichtet, zu ihrer

Rheinish-Westfälishe Eisenhüttenshule zu An die Stelle der dortigen Gewerbeschule sind

Unterhaitung einen für die nächsten 12 Jahre vom 1. April 1882 ab auf 14 000 M jährli fixirten Beitrag zu leisten. Sie ist bestimmt zur Ausbildung tüchtiger Meister für G und Maschinenfabriken und enthält zwei aufsteigende Klassen, von denen die untere, vorbereitende, einen halbjährigen Kursus hat, die obere aus zwei Parallelabtheilungen (für Metallurgie und Konstruktion) mit je einjährigem Kursus be- steht. Das die Anstalt verwaltende Kuratorium ist gebildet aus dem ersten Vürgermeister zu Bochum als Vorfißenden, dem Direktor der Anstalt, zwei von der Staatsregierung, drei von er Stadtverordneten - Versammlung und zwei von dem Vorstande des Vereins Deutscher Eisenhüttenleute gewählten Mitgliedern; alle Wahlen und Anstellungen von Lehrern werden 29n der Unterrihtsverwaltung genehmigt, ebenso der Lehrplan, der Etat und die M aber zur Kenntniß des Unterrichtsministers gebraht. Obgleich das Schulgeld nur 10 M. halbjährlih betragen soll, haben doch gegen 70 größere und kleinere Hüttenwerke und Maschinenfabriken in Rheinland und Westfalen und der Bochumer Verein für die nächsten 5 Jahre 10 600 H jährlih gezeihnet, um das Kuratorium in den Stand zu seßen, bedürftigen Schülern monatlich 20 M. und mehr neben freiem Unterricht zu gewähren. Von 26 Schülern zahlen augenblicklich 6 das volle Schulgeld, 19 beziehen ein Stipendium.

Neuerdings hat ih das Bedürfniß nah der Errichtung von Fachshulen für Dampfschiffmaschinisten als ein besonders dringendes herausgestellt. Durch die Bekannt- machung des Herrn Reichskanzlers vom 30. Juni 1879 (Reichs - Centralblatt S. 427) sind nämlich für die Maschi- nisten auf deutshen See-Dampfschiffen Prüfungen erster, zweiter und dritter Klasse, dur deren Bestehen dem Umfang nach verschiedene Befugnisse, insbesondere hinsichtlich der Aus- dehnung der Fahrten, erworben werden, vorgeschrieben worden. Diese Prüfungen werden vor besonderen Kommissionen in Danzig, Stettin und Flensburg außerdem in Rostock, Hamburg und Bremen abgelegt. Bei diesen Prüfungen, insbesondere bei denen der Maschinisten 111. Klasse, hat si Bas eine völlig unzulängliche Vorbildung der d Meldenden, welche größtentheils aus dem Stande der Schlossergesellen und Maschinenheizer hervorgehen und feine Gelegenheit gehabt haben, sih durch Privatunterricht die unent- behrliche theoretische Vor- und Fachbildung im Zusammenhange anzueignen, herausgestellt. Dies hat in den betheiligten Kreisen den Wunsh nah Einrichtung von Unterrichtskursen, in welchen die angehenden Maschinisten für Seedampfer ih möglichst rasch und billig auf ihrey Beruf und die Prü- fungen theoretisch vorbereiten und auch die für die leßteren nöthigen Kenntnisse, soweit sie in der Volksschule erworben sind, wieder auffrischen und erweitern können, hervorgerufen. Es handelt sih hierbei nicht allein um die Maschinisten ITIT. Klasse, von denen im Fahre 1881 dreiunddreißig und 1882 neunundsechszig, 11. Klasse aber 1882 zweiundzwanzig in Preußen zur Prüfung sich gemeldet haben, sondern es ist zu befürchten, daß es der in erfreuliher Zunahme begriffenen großen Dampfschiffrhederei binnen Kurzem an Maschinisten der höheren Grade fehlen wird, wenn diese Wünsche unberück- sichtigt bleiben. Denn das auf Grund des §8. 5 jener Be- kanntinachung aus der Zeit vor 1880 übernommene Maschi- nilstenpersonal befindet sich in festen Stellen oder ist hon verbraucht, während die gut gestellten Maschinisten der Kaiserlichen Marine (§8. 6 ibid.) nur sehr selten zur Handels- marine übertreten und die Zulassung zu den Prüfunger I. und T. Klasse durch die niht unerheblichen Anforderungen, besonders der legzteren, und den Mangel an Gelegenheit zu einer geeigneten Vorbereitung für dieselbe noch sehr erschwert wird. Da es in hohem Grade zu beklagen sein würde, wenn der in unserer Handelsflotte sich jeßt beshleunigende Ersatz der Segelkraft durch den Dampf durch den Mangel an be- fähigten Maschinisten der höheren Grade gehemmt werden sollte, hat auch der Herr Minister für Handel und Gewerbe die auf die Errichtung von Fachschulen abzielenden Wünsche der betheiligten Kreise, denen die Handelskammer zu Flens- burg und die Neue Dampferkompagnie zu Stettin Ausdruck gegeben haben, zu den seinigen gemaht und darauf hinge- wiesen, daß die zu errichtenden Schulen nicht blos bestimmt sein müßten, für die Prüfungen II1. und 11. Grades vorzu- bereiten, da der Umstand, daß Maschinistenprüfungen T. Klasse bei den preußishen Prüfungskommissionen bisher nur zwei im Jahre 1882 abgelegt sind, nicht zur Annahme bercchtige, daß kein Bedürfniß vorliege, den jungen Leuten Gelegenheit zu bieten, um sich auf die legte Prüfung vorzubereiten, jondern eher das Gegentheil, wenn man die Schwiegkeit der- jelben berücssihtige. Jn Hamburg hat der Staat bereits einen dreiklassigen, gleih im ersten Winter von 16 Schülern besuchten Tagesunterriht für Seedampfmaschinisten an der großen allgemeinen Gewerbeschule, an welcher Kurse für viele verschiedene technishe Fächer bestehen, eingerichtet. Die jungen Maschinisten, welche sih der Ganges Schule zuwenden, ver- bleiben indeß der dortigen Rhederei. Die rasche Befriedigung, welche dem in Hamburg ebensogut wie in Preußen empfundenen Bedürfniß dort zu Theil geworden ist, kommt daher der preußischen Rhederei nicht oder fast garnicht zu Gute. Die Unterrichtsverwaltung hat sich nicht verhehlt, daß zwei Schulen mit ganztägigem Unterricht in Flensburg und Stettin, den beiden Seeplätzen, welche die größte Dampfschiffrhederei und Werften für Dampfer besißen, erforderlich sind, und den Zu- chuß, welchen jede derselben bei einer Frequenz von ca. 25 Schülern bedürfen wird, auf ca. 8000 /# jährlich ermittelt. Die einmaligen Ausgaben für die erste Ausstattung mit den nöthigen Lehrmitteln und Apparaten werden ca. 6000 M für jede Anstalt betragen. Leider hat die allgemeine Lage der Staatsfinanzen nicht gestattet, die Errihtung der Schulen für das nächste Etatsjahr in Aussicht zu nehmen, und es ist daher auch mit den Städten Stettin und Flensburg über die Leistung eines Beitrages zu den Kosten nicht verhandelt worden, da die Unterrichtsverwaltung nicht in der Lage ist, ihrerseits die Durchführung des Projekts zusagen zu können. Es wird nicht möglich fein, die Kosten durch Verbindung des Unterrichts für Maschinisten mit dem an den Navigationsschulen zu vermindern, da die letzteren ausschließlich für die Ausbildung von Schiffs- offizieren in der Steuermannskunst und Navigation bestimmt find und dadurch völlig in Anspruch genommen werden. 2

Vaterländisher Frauen-Verein.

Nah Allerhöchster Bestimmung Ihrer Majestät der Kaiserin

und Königin findet die dieëjährine Generalversammlung des Vaterländischen Frauen-Vereins am i Mittwocb, den 4. April d. I., Abends 64 Uhr, im Saale des Ministeriums für Landwirthschaft, Domänen und Forsten hierselbst, Leipzigerplaß Nr. 8, ftatt, wozu wir die Mit- Er des Hauptvereins und der Zweigvereine hierdurch freundlichst einladen.

Zugleich bemerken wir, daß nach §8. 5 und 6 des Vereinsftatuts zur Aufnahme in den Verein als ordentliche Mitglieder unbe- sholtene Frauen und Jungfrauen ohne Unterschied des Glau- bens und Standes befähigt sind, welche für die Dauer ihrer Mitglied- schaft sih verpflichten, einen Beitrag von monatlich mindestens 50 „S zur Vereinskafse zu zahlen und weiblihe Handarbeiten für die Zwede des Vereins unentgeltlichß auszuführen oder font für den Verein nah Maßgabe der Umstände thätig zu sein.

Außerordentliches Mitglied des Vereins wird ein Jeder, der einen regelmäßigen Geldbeitrag zur Vereinskafse zu zahlen sich verpflichtet.

Etwaige Gesuche um Aufnahme in den Verein mit Angabe dés zu zahlenden Geldbeitrages bitten wir an unser Bureau, Wilhelm- strafe 73, hierselb zu richten.

Der Vorstand des Vaterländischen Frauen- Vereins.

Charlotte Gräfin von Jtenplit. a Im Kunstgewerbe-Museum i seit gestern wieder eine Ausstellung neuer Arbeiten der Königlicben

Porzellanmanufaktur eröffnet. Dieselbe zeigt höchst erfreuliche Fortschritte sowobl in der fünstlerishen Behandlung als au in der Erweiterung der Technik. Der von dem kommissarischen Direktor, Geheimrath Lüders verfaßte Bericht, welber unentgeltlich verab- folgt wird, giebt ausführlidbe Nachriht über die neu gewonnenen Farben. Die Chemiker und Techniker der Manufaktur Dr. Sarnow und Dr. Heinecke, und der VersucbEanstalt Dr. Seger und Stein baben Glasuren von kerrlicher Leuchtkraft gesaffen ; das tiefe Roth des alten cinesischen Porzellans, und das zarte Rose Dubarry des alten Sèvres wird mit vollkommener Sicherheit hergestellt, das Zerlaufen und Ge- rinnen verschiedenartiger Glasuren zu überrashendea Wirkungen ge- staltet. Der artistishe Direktor Professor Sußmann-Hellborn hat die Malerei in kürzester Zeit wieder zu der Höhe der besten Periode der alten Manufaktur erhoken und eine erheblihe Anzahl neuer vor- züglicher Dekorationen geschaffen.

__ Zu gleicher Zeit sind die Arbeiten der keramischen Fach- schule in Grenzhausen-Höhr (bei Coblenz) ausgestellt, Stein- zeugkrüge und Geräthe, in denen sich sehr erfreulihe Fortschritte gel- tend machen.

___ Die Berliner Stadtmi sion feierte gestern Abend im Dom ihr diesjähriges Jahresfest. Die Festpredigt, die sid an Ebräer 10, 36 anschloß, bielt der geisilihe Inspektor der Stadtmission, Pastor Schlegel; den Bericht, dem als Tert der Schbmerzens\chrei des ge- kreuzigten Jesus: „mich dürstet“ zu Grunde lag, hatte Hofprediger Stöcker übernommen, Das Werk der Berliner Stadtmission hat, wie er hervorhob, im abgelaufenen Jahre einen ruhigen Fortgang ge- vommen ; es ist auf alter Höbe stehen geblieben, aber es ist eben stehen ge- blieben, ohne weiter zu wahsen. DieZabl derBcsuche ist ungefähr die gleiche gemesen, 61 167 gegen 61 3C0 im Iahre vorher; mit 26 675 Familien steht die Stadtmission in dauerndem scelsorgerliben Verhältniß; 39 000 Familien find ncu aufgesubt worden. Gerade dieses persönlice Aufsuchen ist der Boden, auf dem die Stadtmission ihre besten Früchte erntet. Im Weiteren hat sie durch Veranstaltung von Bibelstunden und Kindergotteëdienst, durch Unterstükung der Jünglingsvereins - Thätigkeit, durch Unterhaltung von Flick- und Nähscbulen, vor Allem aber dur Schriftenverbreitung zu wirken gesucht; in einer einzigen Gemeinde sind 26 842 heilige Scbriften, Traktate und Predigten vertheilt worden. Etwa 159 Mal haben die Stadtmissionare auch die naÞch Amerika Auswandernden auf den Bahnhöfen aufgesut. Cin Zweig der Thätigkeit, der im vergange- nen Jahre besonders reih aufgeblüht ist, ist die Gefangenenpflege. 3 Asyle und 3 Arbeitéstätten sind bereits für die Entlassenen er- ribtet worden. Die auf Erwerbung eines eigenen Stadtmissions- hauses geribteten Bestrebungen sind von bestem Erfolg begleitet ge- wesen. In Folge des kürzlich erlassenen Aufrufs sind bereits 20 000 M gesammelt worden. Die Einnahmen der Stadtmission selbst belaufen fich auf 61 000 Æ; fie ermöglicten es, daß man ohne Stulden aus dem alten in das neue Jahr eintreten konnte. Wesentlih unterflütßt wurde das Werk der Berliner Stadtmission auch im verflossenen Jahre durch die Mithülfe der Vereine in den Provinzen.

Der Gesellscchaft für Erdkunde, die am Sonnabend im Festsaal des Arcditektenhauses tagte, lag eine Reibe interessanter Nach- richten vor. Licutenant Wißmann hat, nachdem cr in Kairo vor der dortigen ceographisden Gesellshaft cinen bcifallsreihen Vortrag über seine denkwürdige Reise gehalten, sich in der ersten Hälfte des Ja- nuars nach Arabien begebcn, um, einem Wunsche Sr. König- lichen Hoheit des Prinzen Fricdrih Carl nacbkommend, diesen bei seiner Sinaibesteicung zu begleiten. Die dadurch be- wirkte Verzögerung dcr Rückkehr war dem erfolggekrönten Reisenden, dessen Brust der Khedive mit dem Medf\cbidjeh- Orden geshmüdckt hat, um so lieber, als er von cinem gar zu fchnellen Klima- wechsel Gefahren für seine Gesundheit befürchtete. Sobald der Rei- sende bierber zurückgekehit, wird die Gesellschaft zu einer Erx.ra- sikung zusammentrcten, um seinen Bericht entgegenzunehmen. Wißmann hofft, auch dcm Geographentag beiwohnen zu föônnen. Von dem in Ostafrika weilenden Dr. Stecker, der, seinen leßten vom Februar v. J. datirten Nachrichten zufolge, von Abessinien aus über Käâba nah dem Samburusee vordringen wollte, ist cine indirekte Kunde nach Europa gelangt. Wie nämlich der französische Reisende Paul Sauléllicr an die Pariser Gesellschaft ge-

meldet hat, ist cr im November v. J. mit Strecker in Sc{oa zusammengetroffen. Diese Thatsache läßt es frei- lich nur um fo wunderbarer erscheinen, daß von den

Reisenden selbst noch kcine Nachricht hierher gelangt ift. Die Zahl Derer, die der Erforsbung des Nordpols ihre Kräfte zu widmen ge- denken, wird in nächster Zeit durch einen jungen Berliner Gelehrten, den Dr. phil. Boas, vermehrt werden, der beabsictigt, im Juni d. J. mit dem Schooner „Germania“", welcher die Mitglieder der deutschen Station vom Cumbkerlandsund abzuholen bestimmt ift, dorthin auf- zubrecchen. Er will ctwa 2 Jahre im nordwestlichen Inselarchipel Amerikas zubringen. Dem verstorbenen Dr. Kaiser, dem Leiter der teutswen Station am Tangarjikasee, widmete der Vorsitzende, Freiherr von Swleinit, einen sein Wirken voll anerkennenden Nacbruf. Den Havuptvortrag des Abends bielt Hr. Dr. Uhle vom Ethnogra- phisden Museum in Dresden über die Gottheit Batara Gusu, welche die Malayen verehren.

Stettin, 5. März. (W. T. B.) Auf der Schiffswerft und Maschinenbauanstalt des „Vulkan“ zu Bredow brach in der vergangenen Naht eine Feuersbrunst aus, die mehrere große Baulichkeiten des Oberhofes, in welcen sich auch Modelle be- fanden, in Asche legte. Das Feuer is} heute Morgen gelöscht worden. Ueber den angeribteten Schaden und die Becthciligung der Versiche-

kannt; im Betriebe der Schiffswerft ist durch die Feuerébrunst keinerlei Störung eingetreten.

5. Mârz. (W. T. B.) Der dur die Feuersbrun st auf der Werst des „Vulcan“ verursahte Schaden beträgt ca. eine ai 14 es sind dakci im Ganzen 23 Feuerversicerungs- Anstalten etheiligt.

Der soeben erschienene „Statistisbe Rücckblick auf dîte Königlichen Theater ¿u Berlin, Hannover, Cassel und

(Fortsezung fo!gt )

Wiesbaden im Jahre 1882" legt wiederum für das Streben der

runas8gesellschaften an dem Feuerschaden ist Näberes no& nicht bc-

General-Intendantur, die Königliche Böhne auf der Höhe der Kun zu erbalten, ein rühmlihes Zeugniß ab. vab s

In den Königlichen Theatern zu Berlin wurden im verfl-\ssenen Jahre 536 Vorstellungen gegeben, 278 vom Schauspiel, 206 von der Oper, 19 vom Ballet und 33 gemischte Vorstellungen, außerdem 4 Matinéen; im Opernhause 254 Vorstellungen, unter diesen 2 den Abend füllende Schauspiele, im Schauspielhause 282, darunter 6 den Abend füllende Opern. An verschiedenen Stücken kamen 90 zur Dar- tellung, an verschiedenen Opern 58, an verschiedenen Ballets, Diver- tissements und Solotänzen 19. Zum erften Male wurden 10 Stüdte mit zusammen 33 Akten und 3 Opern aufgeführt. Unter den Schau- spielen waren Kriemhild von Wilbrandt, Strohhalm von Hedberg, Harold und Opfer um Opfer von E. von Wildenbruch, Fräulein Kommerzienrath von Michacl Klapp; unter den Opern: Alfonso und Estrella von Fr. Schubert, der betrogene Kadi von Gluck, Raimondin von Perfall. Neu ein- studirt wurden 8 Stücke, 3 Opern und 1 Divertissement. Unter den Gästen, die in der Oper erschienen, sind Hr. Niemann (50 Gastrollen), Frl. Tagliana (32 GarSon, Fe. von Wurzbach-ESrossi (7 Gast- rollen) und Fr. Lucca (6 Gastrollen) hervorzuheben, unter den ausge- \biedenen Sängerinnen Frl. Brandt und Fr. Mallinger. Von den Scauspielen erzielten die häufigsten Aufführungen die Geier-Wally, von Hillern (18), Harold, von Wildenbruch 12, der Sommernachts- traum und Kriemhild, von Wilbrandt je 10; von Opern: Carmen (22) und Lohengrin; von Ballets: Coppelia. Klassishe Scauspiele gelangten 71 mal (Shakespeare 25, Sciller 21, Lessing 10, Goethe 9, Kleist 3, Sophokles 2, Moreto 1), klassische Opern 67 mal (Mozart 28, Gluck 16, Auber 14, Beethoven 6, Spontini 2, Cherubini 1) zur Darstellung.

__ Am 13. Januar wurden die „Räuber“, zur Erinnerung an die erste Aufführung dieses Trauerspiels auf der Nationalbühne in Mannheim am 13. Januar 1782, mit einem Prolog von F. Wolff, dargestellt.

Im Königlichen Opernhause fanden vier Benefiz-Matinéen ftatt: am 8. Januar für die bei dem Brande des Ring-Theaters in Wien Geschädigten; am 19. März für das St. Josef-Krankenhaus in Pots- dam; am 21. Mai für die Unterstüßungskafse des Vereins „Berliner D Es am 17. Dezember für das engagirte Königliche Opernchor-

ersonal.

__ Am 30. Mai veranstaltete die Königliche General-Intendantur cine Vorstellung zum Vortheile der Pensionsanstalt der „Genossenschaft deutsber Bühnenangehöriger.“

Das Scauspiel „Die Grille“ von Charl. Birch-Pfeiffer wurde am 30. Oktober zum 100. Male, die Oper „Tannhäuser“ von Wagner am 16. September zum 200. Male und das Ballet „Flick und Flo“ von Paul Taglioni am 30. Dezember zum 400. Male aufgeführt.

_ 27 bereits angekündigte Vorstellungen mußten abgeändert werden

(17 Opern, 10 Schauspiele; 14 Vorstellungen am Tage vorber, 13 an demselben Tage). In dem Königlichen Theater zu Hannover wurden 215 Vor- stellungen gegeben: 56 Trauer- und Schauspiele, 104 Opern und 55 Lustspiele, Possen mit Gesang und Vaudevilles. An verschiedenen Trauer- und Schauspielen kamen 28 zur Aufführung, an verschiedenen Opern 42, an verschiedenen Lustspielen 2c. 36, an verschiedenen Ballets 6, Zum ersten Male wurden 10 Stücke mit zusammen 40 Akten, 3 Opern und 1 Ballet aufgeführt, neu einstudirt wurden 2 Stücke, 2 Opern und 2 Gesangspossen. Es erzielten die meisten Auffüh- rungen: von Scauspielen: Wildenbruchs Menonit (7) und Harold (5); von Opern: Carmen (8) und Figaros Hochzeit (5); von Ballets die Tänzerin auf Reisen (4). Von Vaudevilles u. dgl. wurde keins mehr als zweimal aufgeführt. Vorstellungen klassisher Werke fanden 53 statt, und zwar 27 Schauspiele (10 Swiller, 8 Shakespeare, 4 Kleist, 3 Lessing, 1 Goethe, 1 Moreto) und 26 Opern (13 Mozart, 5 Beethoven, 4 Gluck, 3 Weber, 1 Mehul). Fünfmal wurden Wohl- thätigkeitsvorstellungen gegeben. 20 bereits angekündigte Vorstel- lungen mußten abgeändert werden.

In Cassel wurde an 245 Abenden gespielt (97 S{au- und Lustspiele, 100 Opern, 26 Schwänke, Possen, Volksftücke und Zauber- märchen, 22 gemischte Vorstellungen). An verschiedenen Stücken ge- langten 99, an vershiedènen Opern 40 zur Darstellung. Zum ersten Male kamen 6 Stüdcke mit zusammen 23 Akten, 3 Opern, 1 Genre- bild, 1 Posse, 1 Schwank, 1 Singspiel und 1 dramatisches Gedicht zur Aufführung; neu einstudirt wurden 16 Schau- und Lustspiele, 2 Opern, 1 Scwauspiel mit Gesang, 1 Zaubermärchen, 2 Schwänke, 1 Posse und 1 Operette. Im Scauspiel brahten Gaßmanns und Krügers Inspektor Bräsig, Mosers und Schönthans Krieg im Fricden und Wilbrandts Robert Kerr es zu 4 Aufführungen, in der Over Carmen zu 7, Mignon zu 6, in der Posse 2c. Reif-Reiflingen zu 5 Auf- führur gen. Von klassishen Werken wurden ö6 dargestellt, und zwar 39 Schauspiele (12 Schiller, 12 Shakespeare, 5 Goethe, 4 Molière, 3 Lessing, 1 Kleist, 1 Moreto, 1 Sophokles) und 17 Opern (8 Mo- zart, 5 Weber, 2 Gluck, 1 Cherubiri, 1 Mébul). Ar Wohlthätig- feitévorstellungen fanden 5, an Woblthätigkeitêconcerten 6 statt. Zum 100. Male wurden die Opern Tannhäuser, Fra Diavolo und Martha aufgeführt. 14 bereits angekündigte Vorstellungen mußten abgeändert werden.

Auf der Königlichen Bühne zu Wiesbaden wurden 246 Vor- stellungen gegeben und zwar 114 Schauspiele, 111 Opern und 21 gemisck{te Vorstellungen. An verschiedenen Stücken kamen 92, an verschiedenen Opern 37, an verschiedenen Ballets 19 zur Darstellung. Zum erst.n Male wurden 17 Stücke (56 Akte), 1 Oper und 1 Ballet aufgeführt, neu einstudirt 15 Stücke, 6 Opern und 2 Ballets. Im Schauspiel erlangten die Lustspiele Krieg im Frieden und JIourfir die meisten Aufführungen (6 bezw. 5), von den Schwänken Reif-Reiflingen (9), in der Oper Carmen (6). Klassishe Werke wurden im Ganzen 44 Mal aufgeführt, und zwar 25 Schauspiele (7 Scbiller, 6 Shake- speare, 3 Goethe, 3 Molière, 2 Byron, 1 Lessing, 1 Kleist, 1 Calderon, 1 Moreto) und 19 Opern (8 Mozart, 5 Weber, 4 Beethoven, 1 Gluck, 1 Méhul). An Woblthätigkeitsvorstellungen fanden 6 statt. 13 be- reits angekündigte Vorstellungen mußten abgeärdert werden.

Um dem heimgegangenen Altmeister des Zitherspiels Mar Albert in würdiges Grabderkmal seten zu können, hatten sich die hier be- stehenden Vereine „Berliner Zitherklub“ und Zitherklub „Harmonie“ vereinigt und gestern Mittag im Saale des Concert- hauses eine Matin éé veranstaltet, die sich des lebhaftesten Besuches zu erfreuen hatte. In pietätvoller Anerkennung der Verdienste des Heimge- gangencn hatte man das Programm meist aus Piecen zusammengestellt, die von Max Albert für Zither arrangirt waren. Wir hörten so das von 20S wlagzithern ausgeführte Vorspiel'aus „König Manfred“ vonReinecke, den Hochzeitsmarsch aus dem „Sommernachtstraum“, den 22 Scblag- und Streichzithern zur besten Wirkung brachten, Becthovens Adagio aus Op. 81 b. für Diécant- und Alt-Zither geseßt und den von einer Streich- und zwei Schlagzithern ausgefübrten Nachgesang von J.

‘Vogt. Als Solisten präsentirten si auf der Streichzither Hr. Nikkel mit

einem „Nocturno“ von Field, auf der Alt-Zither Hr. Conrad mit Schu- berts „Am Meer“ und der Dirigent der Matinée und geistige Nach- folger Alberts, Hr. Gustav Herrmann, der u. A. die Begleitung zu Pughs Melodram „Tannkönig“ auéführte. Die Mitwirkung der Sängerin Frau Meinhold-Henneberg, des Cellisten Hrn. Schmidt und des Schauspielers Hrn. Beer erhöhten den Genuß der Matinée.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage), (275)

außerdem die Zichungsliste der L. Serie der Ulmer Münsterbau- Lotterie.

Berlin:

W Necht sagen:

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 0D.

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 5. März

1,

Nichtamtliches.

reußen. Berlin, 5. März, Jm weiteren Ver- wt E vorgestrigen (40.) Sißung des Hauses der Abgeordneten trat das Haus in die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufhebung der beiden untersten Stufen der Klassensteuer, ein.

Jn der Generaldiskussion bemerkte der Abg. Lohren, er sei kein Gegner des direften Steuersystems an si, aber einer Personalsteuer, die wenig einbringe, und die ärmeren Klassen belaste. Er sei sür eine hohe Kapitalfteuer. Der Abg. Wagner habe nun in der zweiten Lesung Grundsäge vertreten, welche si mit denen des Freihandels decken, und von der Linken mit Jubel begrüßt seien. Er wisse nicht, ob die Deutichkonjerva- tiven für die Anihauungen Wagners eintreten würden, die Mehrheit seiner Partei theile sie nicht. Der Abg. Wagner have gemeint, daß die indirekten Steuern nach unten progresstv auf den Preis der Konsumtibilien wirkten, und daß sie deshalb durch eine starke Progression der direkten Personalsteuer auêge- gliczen werden müßten. Könnten da nicht die Liberalen mit lieber den Erlaß an indirekten als an direiten Steuern. Er zweifle niht, daß die Rusführungen Wagners in dieser Richtung von den Liberalen, namentlich vom Abg. Meyer (Breslau) im Reichstage würden ausgebcuket werden, Er behaupte dem Abg. Wagner gegenüber: es set vollständig unwabr, daß die Zölle auf die Preise der nothwendigen Lebensmittel wirken. Er konstatire vor dem Lande, und das Land werde in diesem Punkte auf seiner Seite stehen, daß die Steuern auf Getreide und Mehl nicht das Volk bedrüten, und daß die Lage der Arbeiter seit 1879 sich nicht vershlech- tert habe. Die Zölle drückten nicht den Arbeiter, sondern den

Arbeitgeber. Die Jndustriellen wüßten sehr wohl, daß, wenn das Brot theurer würde, sie die Löhne erhöhen müßten. Daher die Opposition der Fn-

dustriellen gegen die Landwirthschastszölle. Die indirekten Steuern seien nicht so hart wie die direkten, welche aus Er- sparnissen, die die Mehrzahl der Arbeiter nicht mache, an be- stimmten Terminen gezahlt werden müßken. Dater die Noth und dec Exekutor. Der Abg. Wagner habe die Bismarcksche Neform angegriffen. Er erinnere dens.lven daran, daß Fürit Bismarck die direkten Steuern womöglih abschaffen und fie nur bei den höheren Klassen als eine gewisse Anstandssteuer beibehalten wolle. Der Abg. Wagner habe dann gemeint, Ui- dem derselbe für den Antrag Hammerstein eingetreten sei, daß die Konservativen ja die schärfere Heranziehung des Einfom- mens nicht nux mt Worten, sondern auh_ durch die That sördern wollten und bereit seien, höhere Steuern auf den Altar des Vaterlandes niederzulegen. Was komme denn nun wirklich bei dem Antrage Hammersteins heraus? Zusammen ein Mehrertrag von 3879203 #&& Damit lô}e man auh nit einen Zipfel der sozialen Frage. Was sei das im Vergleih mit der Steuerpolitik des Reichs- kanzlers, der durch seine Steuerresorm eine gewaltige Steigerung des Einkommens aus den Arbeitslöhnen herbei- geführt habe. Wenn er für diejenigen Censitcn, welche weniger als 420 6 Einkommen haben, einen Mehrverdien|t von 20 H pro Woche annehme, so mache dies jährlich 41 357 555 M; bei den 3 741 618 Personen, welche ein Ein- kommen von 420 bis 900 M haben, bei 40 S wöchen!lihen Mehrverdienstes jährlih 77 625 654 4 Das sei zusammen eine Mehreinnahme von etwa 120 Millionen. (Abg. von Hammerstein: Woher kommen denn diese Summen ?) Dieje Summen kommen aus dem unversiegvaren Quell der Arbeit. Den Satz, daß die indirekten Steuern nah unten hin drücken, sprehe der Abg. Wagner zu einer Zeit aus, wo alle Jndustriezweige blühen. Die indirelten Steuern nähmen niht den Reichen, um den Armen zu geben, sondern fie schaften selbst Mittel aus dem unerschöpflihen Born des Fleißes und der Arbeit. Sie bereicherten nicht blos die Ar- beiter, sondern auch die Arbeitgeber, sie scien deshalb das beste Mittel, die sozialen Gegensäße auszusöhnen. Die direkten Steuern dagegen müßten dem einen nehmen, um dem andern zu geben, sie erregten den Massen- und Klassenhaß. Die Worte Wagners seien die äußerste Konsequenz des liberalen Steuer- systems. Der Abg. von Bennigsen habe seine Freude ausge- drüdct, daß die Konservativen so energisch für die Beibehaltung und scärfere Einshäßung der klassifizirten Einkommensteuer einträten. Wie Jronie habe es geklungen, die Liberalen würden gern auf das Verdienst der Priorität verzichten und den Konservativen die Ausarbeitung der Reform der Klassensteuer überlassen. Er möchte den Abg. Wagner fragen, ob diese liberale Zustimmung denselben doch nicht etwas stußzig mache. Sowie es einen geistlihen Jnqui- sitor gebe, der das Messelesen und Spenden der Sakramente kontrolire, so wolle man auch einen Jnquisitor der einzelnen Häuser einführen, der kontrolire, was man ein- nehme und ausgebe, was man esse und trinke, welcher alles profanire, was dem Manne bis jeßt heilig, und theuer in seinem Hause gewesen sei. Wer das Wort richtig würdige my house is my castle, werde ihm Recht geben. Der Abg. Wagner nenne diese seine Bestrebungen Staatssozialismus, er nenne es unerträgliche Staatstyrannei, Unterdrückung der persönlichen Freiheit, Verlesung des Rehtsbewußlseins, Zer- störung des muthigen Schasfens. Woher nun diese Ueberein- stimmung zwischen den Abgg. Wagner und von Bennigsen ? Dafür habe der Abg. Rickert eine vorzügliche Erklärung ge- geben, wenn derselbe gesagt habe, alle Parteien des Hauses hätten das gemeinsame Jnteresse an der Er- haltung des direkten Steuersystems, das sih an das staatlihe Pflichtbewußtsein der Bevölkerung wende. Jn der That könne er sih keinen Organismus denken, welcher eine bcssere parlamentarische Handhabe gebe, als das direkte Steuersystem. Es gebe nicht blos eine Macht bei der Be- rathung der Ausgaben, sondern auch der Einnahmen. Der Abg. Rickert habe niht Recht, wenn derselbe sage, die Steuerfrage sei keine Machtsrage. Wie der Abg. Wagner dazu komme, diesen liberalen Parlamentarismus in das konservative Lager herüberzunehmen, verstehe er nit. Nur wer eine shwache Regierung wolle, werde die Bewilligung der Einnahmen dem Parlament übertragen wissen wollen,

der thue gut alles daran zu seßen für die Erhaltung und Verschärfung des direkten Steuersystems. Für ein Parlament gebe es keine besseren Bundesgenossen, als die unzufriedenen Leute. Jeder Vorschlag, welcder neue Mittel an die Hand gebe, diese Unzufriedenheit mit dem Steuer fiskus zu steigern, könne den oppositionellen Par- teien des parlameitariichen Regimes nur erwünscht sein. Da- her die berechtigte Zustimmung auf der Linken, daher auch der Wunsch des Abg. Rickert auf Deklarationspflicht, damit die unteren Klassen erführen, was die besser Situirten einnehmen. Solche sozialistishen Rezepte könnten nicht zur F:stigung des sozialen Friedens dienen. Es si unvegreijlih, daß axrrade Konservative die unteren Klassen unzufrieden machen wollten. Seine Partei wolle bei der nêd.sten Dreiklassenwahl sehen, wohin sich die Mehrzahl der Wähler hingezogen fühle. Die projektirte Art der ver chârsten Einschatßung sei niht durchführ- bar, ohne zu dem s{limmsten System des Derunziantenthums uno der Verveimlihung zu komn:en. Er stimme in dieser Be: ziehung volifommen dem Ubg. Hänel bei, der die Wirkung der Dr klarationepflichteine demoralisirende genannt habe. Der Steuer zahler möge sich so hoh schäßen wie er wolle, die Einschäßungs- Kommission wirde sagen: uelogen habe derselbe doch. Der Steuerinquisito: sei viel s{limwmer als der Steuerexekutor. Es sei nicht so schlimm, zum B:ttler gemacht zu werden, als von Staatéwegen zum Betrüger Und was käme denn her- aus, wenn man von der 9. Stufe ab die Einkomm?nsteuer soa: verdopp-:lte? 15 Millionen! Und für diese kleine Sun me solle nan die persönliche Freiheit verkaufen? Das Kapital wolle er treffen, nicht die Person. Wolle man ein wirksames Mittel, fo erhöhe man die Erbscha:tssteuer etwa um das Zehnfahe. Eigland beziehe aus dieser Steuer 140 Millionen, Preußen nur 5 Millionen. Dann führe man eine Börsen- steuer ein nicht jür Zeitgeshäfte, sondern eine prozentuale Börsensteuer für ale Umsäße. Ds seien Steuergrundsäße, welche die moralische Freih-it und allgemeinen Meiischenrechle nicht verletßten. Ér sei wohl für einen Steuererlap, aber nicht für die verschärste Einkom! neuer. . Der Abg. Dr. Wogner erklärte, er müsse zunächst seine Verwunderung aussprechen, daß er heute von den: Vorredner angegriffen sei als Verireter liberaler Wirthschasts- und Finanzprinzipien, während ihm sonst vorgewo:fen werde, er sei ein Vertreter sozialistisher Prinzipiea. Beides sei untich: tig. Er stehe der Auffassung des Vorredners bei den indirek- ten Steuern sehr nahe, Der Vorredner habe gegen ihn pole- misirt aus dem Gesichtspuntt der indirekten Shußzollabgab-n, während er nur von denjenigen indirekten Steuern gesprochen

habe, bie einen finanziellen Charakter hätten, wie die Getränkesteuer und die auf Kolonialwaaren u. dergl. Darin stimme er der liberalen Auffassung bei. Es sei dies niht liberal oder konservativ, sondern stimme überein mit den Ansihien der Wissen-

schaft und Praxie. Es sei ihm nicht im Traum eingefalen, gegen die Politik des Fürsten Bizmarck von 1879 zu sprechen, wenn er auch glaube, daß sie in einigen Fahren einen wirth- schaftlicen Rückschritt erfahren werde. Er sei scgar für die Getreidezölle eingetreten, weil er sie niht für Finanz- sondern sür Schußzölle halte. Er sei von dem Vorredner darin nicht w:derlegt worden, daß zur richtigen Gestaltung des indirekten

Stcuersystems auch die wohlhabenden Klassen heran- gezogen werden müßten, Kein moderner Staat könne die direkten Steuern ganz entbehren. Man müsse ste

in Preußen festhalten als Nülkgrat in schweren politischen Krisen. Die indirekten Steuern träfen aber den Wohlhaben- den über einen gewissen Punkt seines Wohlstandes hinaus niht mehr, daher wolle er die stärkere Heranziehung der Wohlhabenden zur direkten Steuer. Bestreiten müsse er, daß die indirekten Steuern auf den Arbeitgeber abgewälzt würden. Das gehe wohl bei Dienstboten u. st. w., aber nicht bei städtishen und industriellen Arbeitern. Der Lohn hänge ab von Angebot und Nachirage. Nur so könne eine Erhöhung der Löhne eintreten. Auf ein solhes Mittel sei aber nicht zu rechnen, und deshalb habe der Arbeiter nicht die Gelegenheit die Steuer auf Andere zu wälzen. Auf das sozialistishe Prinzip gebe er hier nicht ein. Müsse sih doch selbst der Abg. Rickert gefallen lassen, des Sozialismus angeklagt zu werden, weil der- selbe für direkte Steuern sei. Der Abg. Lohren sehe: „heute mir, morgen dir“; das könne allen pa}hren.

Die Generaldiskussion wurde geschlossen. S

Der Abg. Dr. Meyer (Breslau) bemerkie persönlich, der Abg. Lohren dürfe versichert sein, daß, wenn “er das Bedürf- niß empfinden sollte, sich im Reichstage auf Aucoriläten von der rehten Seiten zu berufen, er sih nicht nur Wagners, sondern auch seiner Nede (des Abg. Lohren) mit Dankbarkeit und Freundlichkeit erinnern werde. | i

Jun der Spezialdebatte kam es zu einer Debatte nur bei 8. 2, welcher bestimmt, daß die Wohlthat des §. 20 des Ge- sches vom 25. Mai 1873, wonach in Krankheitsjällen und bei starker Familie die Censiten der ersten und zweiten Ein- kommensteuerstufe um eine Stufe niedriger besteuert werden, als sie veranlagt sind, bis einschließli der fünften Stufe der Einkommensteuer Anwendung findén soll.

Die Abgg. Dr. von Heydebrand und der Lasa und Frhr. von Zedliy und Neukirch konstatirten unter Zustimmung des Regierungskommissars General-Direktors der indirekten Steuern Burghart, daß der §. 2 von dem Augenblicke an, wo das Ge- seß Gesetßeskraft bekomme, auf alle Aîte der diesjährigen Ver- anlagung, die noch nicht abgeschlossen seien, Anwendung fin- den müsse.

Die übrigen Paragraphen des Gescyes wurden ohne Diskussion angenommen und darauf das Gesez im Ganzen.

Das Haus fuhr darauf in der zweiten Berathung des Sta atshaushalts-Etats pro 1883/84 fort und ge- nehmigte ohne Debatte den Etat der direkten Steuern.

Zu Tit. 17 der Einnahmen des Etats der indirekten Steuern (Gerichtskosten und gerichtliche Geldstrafen 46 500 000 M) lag vom Abg. Dr. Köhler folgender An-

trag vor: N L Das Haus der Abgeordreten wolle beschließen :

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und das Ergebniß dem Landtage in der nähsten Session desselben mitzutheilen. i: E Der Antragsteller empfahl seinen Vorschlag mit Rücksicht auf die zahlreihen Nachtheile des jegt bestehenden Zustandes. Das Publikum werde außerordentlich belästigt, es en:tiänden eine Menge unnügec Kosten, namentlich an Portoauëgaven. Nach einer Notiz des „Hannövershen Couriers“ vom De- zember v. J. solle ja die ganze Frage bereits im Justiz- Ministerium erwogen worden sein, und der Landger ic-ts-Prä- sident von Bardeleben in Berlin solle sich im fiskali\hen Interesse in derselven Richtung, die er vertrete, ausge)proczen aben. N : Der Abg. Günther erklärte sh gegen den Antraa. Man solle an den mit der neuen Justizorganisation überkommenen Einrichtungen nicht jeßt shon wieder ändern, Jm Lande habe man allgemein ein dringendes Bedürfniß nah Ruhe. Der Abg. Hansen befürwortete den vom Abg. Dr. Köhler gestellten Antrag. Da die jetzige Einrichtung sh nicht dbe- wähct have, müsse man sie so shn:ll als möglich aus der Welt schaffen. : _ : Der Regierunaskommissar Geheime Ober-Finanz-Rath von Pommer-Esche entgegnete, die Sache werde vom Minister in Erwägung gezogcn, und das Resultat dem Hause mitge- theilt werden. Der Abg. Dr. von Cuny erklärte sih ebenfalls gegen den Antrag wesentlich aus denselben Gründen wie der Abg. Günther. E j Der Abg. Dr. Hammacher wünschte bei dieser Gelegenheit eine nähere Spezialisirung des Titels im nächsten Etat, damit man erkennen könne, wie viel von den eingehenden Gerichts- kosten auf die Erträge der Stempel für Akte freiw:Uiger Ge- rihtébarkcit entfalle. Namentlich sei über die Höhe des Jm- mobilienstempels Klarhe t dringend wünschenswerth; damit sei Material zur Beurtheilung wichtigec wirthichaftlicher Fragen gegeben.

Der Antrag Köhler wurde mit großer Meh heit Ange- nommen; der Titel sowie das ganze Ordinarium ohne weitere Debatte bewilligt.

Der Etat des Herrenhauses wurde ohne Diskussion unter Erhöhung des Gehaltes des Haus-Jnspektors von 2100 auf 2400 6 bewilligt, desgleichen der Etat des Hauses der Abgeordneten 1201 270 M : y

Hierzu lag folgender Antrag des Gesammtvorstandes vor:

„Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen : :

Die Königlicbe Staatsregierung unter Bezugnahme auf den Bes(luß vom 2. März 1882 aufzufordern, der Angelegenheit wegen des Baues eines neuen Geschäft8gebäudes des Hauses der Abge-

ordneten unter thunlichster Beschleunigung Fortgang zu geben.“

Der Abg. Dclius befürwortete den Antrag Namens des Gesammtvorstandes. Der vorjährige Beshluß des Hauses in dieser Frage (den Redner verlas) sowie der Umstand, daß die Geschihte der Unzulänglichkeit des jeßigen Dienst- gebäudes so alt sei, wie die Verfassung selbst, begründe den Antrag genügend. ; |

Der Abg. von Zitewiß erklärte, er habe im vorigen Jahre dem Antrag aus Sparsamkeitsrüksichten nicht sympa- thish gegenüber gestanden habe, inzwishen aber habe er an seinem eigenen Kö: per erfahren, daß der Neubau eine sanitäre Nothwendigkeit für die Abgeordneten sei. Die Ventilation des Sizungssaales sei schlecht; manche Sitze seien wegen Raumuangels an die Wände angeklebt wie Vogelnester ; die Vertreter der Regierung säßen eingepferht in erbarmungswürdiger Lage. Komme man angestrengt und er- {öpst nah der Sißung aus dem Gebäude, so empfange die Abgeordneten im Vorgebäude eine solhe Zugluft, daß man ausfliegen könnte. Die Fraktions- und Kommissionszimmer seien viel zu klein“ und dabei {lecht ventilirt. Jm Vorder- haus beginnen bereits die Balken zu faulen, und werde die Baufälligkeit dieses über 100 Jahre alten Gebäudes immer lebensgefährliher. Endlich sei die Feuersgefahr außerordent: lih groß; brehe einmal Feuer aus, so habe man nur die einzige Netraite über die berühmte Zugbrüce am grünen Graben, welche so schmal sei, daß er allein die ganze Breite ausfülle. Er bitte daher, den Antrag anzunehmen.

Der Abg. von Bennigsen {loß sich im Wesentlichen dem Vorredner an, und gab hinsichtlih der Feuersgefahr noch zu bedenken, daß, selbst wenn das Feuer zu einer Zeit, wo das Haus nicht tage, also nicht gesährdet sei, ausbrechen sollte, die werthvollsten, vielfa unerseßlichen Aktenstüke, die hier aufbewahrt werden, rettungslos verloren seien. Die Var gebäude seien so ineinander verbaut, daß sie von Feuer- lóôschapparaten gar nicht erreiht werden könnten. Die Re- gierung habe ja auch längst {hon die Bedürfnißfrage anerkannt, und sich früher ihre definitive Erklärung nur bis zur Entscheidung über den Reichstagebau vorbehalten. Nun diese Entscheidung getroffen sei, komme es nur noch

darauf an, dem Abgeordnetenhaus den Play hinter der chemaligen Porzellan-Manufaktur und dem Herrenhaus zu sichern, den alle Parteicn bereits einmüthig für geeignet erklärt haben. Der Play liege so, daß derselbe auch von der Königgräterstraße her zugänglih sei, und daß dort gebaut werden könnte, auch während der Reichstag noch in jeinem jeßigen provisorischen Gebäude tage. Die Regierung brauche nur fiskalishe Grundstücke herzugeben und mit dem Herren- hause zu verhandeln, daß es dem Abgeordnetenhause einen Theil seines Gartens zur Verfügung stelle. Der schönste Theil des Herrenhausgartens bleibe dabei intakt; auch sonst habe das Herrenhaus alle Veranlassung dem Abgeordneten- hause in dieser Frage entgegen zu kommen. Auch er empfehle daher den Antrag des Gesammtvorstandes anzu- nehmen. j F 1

Hierauf ergriff der Vize-Präsident des Staats-Mini. steriums, Minister des Junnern von Puttkamer das Wort.

Meine Herren! Jh habe von denjenigen Erklärungen, welche ih im vorigen Jahre in dieser Angelegenheit im Namen der König- lihen Staatsregierung abzugeben die Ehre gehaët habe, nichts zurüd- zunehmen oder zu modifiziren. Es wird diesseits unumwunden die sehr erhebliche Ünzulänglichkeit des jeßigen Zustandes anerkannt, in welchem das hohe Haus mit den seinen Arbeiten gewidmeten Räumen einschließlich der Staatsregierung {sich befindet, und wir glauben au,

W Die Staatsregierung zu ersuchen; die Ueberweisung der Ge- rihtsfostenerhebung an die Justizverwaltung in Erwägung zu ziehen

&

daß eine auf unbestimmte Zeiträume ausgedehnte Fortdauer desselben