1883 / 59 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Mar 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Berlin, 9. März 1883.

Denkschrift

über die Entwidckelung der gewerblichen Fach- schulen in Preußen.

(Fortseßung.)

Wenn au eine besondere Schule zur Ausbildung von Malern und Modelleuren in Verbindung mit der Königlichen Porzellan-Manufaktur zu Berlin, welche die mehrfah erwähnte Denkschrift Seiten 9 und 10 empfiehlt, bisher nicht hat errichtet werden können, so ist do in dem Etat der Manufaktur die Summe von 4800 #. ausgeworfen worden, um den Lehrlingen und älteren als Maler oder in der plastishen Abtheilung E Leuten den zu ihrer Ausbildung oder Weiterbildung bisher entbehrten Unterricht gewähren zu können. Dieser wird theils in der “Manufaktur selbst, soweit die sehr Ten Räumlichkeiten dies gesta ten, theils am Kunstgewerbe-Museum und an der Königlichen Kunstschule ertheilt, auch haben sich einige junge Leute, welche schon die Kunstakademie besuchen, entschlossen, indem sie ihre Studien an dieser Anstalt fortseßen, einige Tage in der Woche gegen Entgelt oder die an dessen Stelle tretenden Stipendien für die Manufaktur zu arbeiten. Anderen Fabriken würde gestattet werden, hinreichend begabte und vor- gebildete Maler in der Manufaktur zu placiren, soweit das eigene Bedürfniß der leßteren dies angängig macht, damit sie durch Theilnahme an den auf einer höheren Stufe als die der Privatfabriken stehenden dekorativen Arbeiten des Jnstituts und an dem eben erwähnten Unterricht leistungsfähiger werden. Die Annahme von bloßen Lehrlingen ohne alle Vorbildung, die sich nur darum der Pozellanmalerei zuwenden, weil sie zufällig dazu Neigung haben oder ein Angehöriger sich damit beschäftigt, ist auch an der Porzellan-Manufaktur bisher üblich gewesen, wird aber als A und finanziell höchst kost- spielig für die Zukunft ausgegeben. Gegenwärtig werden an der Kunstschule und dem Kunstgewerbe-Museum 4 Modelleure wöchentlich 12 resp. 6 Stunden und drei Maler je 4 Stunden, sehs je 6, zwei je 8, drei je 10, zwei je 14 und einer 24 Stunden wöchentlih im Zeichnen und Malen unterrichtet. Außerdem besuchen neun jüngere und ältere Maler den für sie besonders eingerichteten Unterricht eines hiesigen Künstlers im Blumenmalen nach der Natur. Die E eines den

anzen Tag in Anspruch nehmenden Unterrichts, bei welchem ediglih die vollkommenste und schnellste Ausbildung der Schüler und das Bedürfniß der Fabrik erst in zweiter Linie berüdsichtigt werden sollte, würde, abgesehen von den erst her- zurihtenden Unterrichtsräumen und zu beschaffenden Lehr- mitteln, welche zusammen 10: bis 12000 4 kosten würden, einen jährlichen Zuschuß von ca. 12000 # bedürfen.

Im leßten Jahre haben die Erfolge, welche die Korb- flechtschule in Heinsberg im Regierungsbezirk Aachen (siehe Denkschrist von 1881 S. 8) auf der Düsseldorfer Ge- werbe-Ausstellung und sonst mit ihren Arbeiten erzielt hat, und die guten Erträge, welche die Weidenkultur in den Kreisen Heinsberg und Jülich, in der Niederung wie in höheren und rauheren Lagen, geliefert hat, vieler Orten die Anregung zum Anpflanzen von Korbweiden gegeben und den Wunsch Raa. daß gleichzeitig eine Fachschule errichtet werden möge, um die gute und solide Verarbeitung des Materials zu lehren. Auf dem rechten Rheinufer hat der Taunusklub, um nah dem Nothstande des Winters von 1879 auf 1880 der Bevölkerung des hinteren Taunus eine neue Verdienstquelle zu eröffnen, \sih die Einführung der Korb- weidenkultur und ihrer Verarbeitung angelegen sein lassen, nachdem statistish ermittelt war, daß der Bedarf der Provinz Hessen-Nassau an Flechtmaterial und an Körben, deren die Obfstkultur und Ausfuhr in großer Menge bedarf, innerhalb derselben nicht befriedigt wird. Jm Taunus sind Tausende von Morgen saurer Wiesen vorhanden, welche für die Land- wirthschaft geringen Werth haben, aber für die Korbweide \ih eignen. Den Bemühungen des Klubs und seiner Mitglieder, welche die Regierung zu Wiesbaden möglichst unterstüßte, ge- lang es im Frühjahr 1881, die Besißer von 21 kleinen Grundstücken zu bewegen, mit den ihnen gelieferten, vom Nieder- und Oberrhein, aus der Mark Brandenburg und aus hochliegenden Gegenden in Württemberg bezogenen Stecklingen Versuche zu machen und außerdem auf einem von dem Verein

epahteten größeren Grundstü bei Königstein 24 verschiedene eidensorten anzupflanzen und deren Entwickelung sorgfältig L beobachten. Troy der ungünstigen Witterungsverhältnisse es Frühjahrs und Vorsommers waren die Ergebnisse der Kulturen im Herbste 1881 auf den günstiger gelegenen Ter- rains sehr befriedigende, über die unter aan Verhält- hen gemachten Anlagen läßt sich erst nah dem dritten Fahre bestimmt urtheilen. Da der Weidenzüchter und Flechter er- fahrungsgemäß an anderen Orten bei weitem niht immer die- selben Personen sind und für eine blühende Flechtindustrie nit einmal die eigene Produktion der Gegend ausreicht, so hat der Taunusklub kein Bedenken getragen, {hon im vorigen Sommer die Errichtung einer Flechtschule im hinteren Taunus im Dorfe Graevenwiesbach, welche von diesem und sieben anderen Ortschaften des Amtes Ujingen unter- nommen worden ist, dadurch zu unterstüßen, daß er auf ein Jahr, bis zum 1. qu 1883, für das 2000 M betragende Gehalt des Flechtlehrers gutgesagt hat. Von da an wird die Unterrichtsverwaltung für den Klub in dieser Hinsicht ein- treten, da der leßtere sih auf die Förderung der Weidenkultur beshränken muß.

Die Schüler erhalten nach einiger Zeit ein ihren Leistungen entsprehendes Arbeitslohn, wovon ein Theil zurücbehalten und bis zu ihrem Austritt verzinst wird, aber verfällt, wenn sie eigenmächtig die Schule verlassen. Sie s, wenn sie die Feinflechterei erlernen, drei Jahre, sonst 6 Monate, ununterbrochen im Flechtsaal der Anstalt nah Anweisung des Lehrers arbeiten. Nach Ablauf der Lehrzeit wird den Schülern für gewöhnliche Flechtarbeit solche ins Se gegeben und nach dem Stück unter Anrehnung des

ohmaterials bezahlt. Mit diesem Austritt des Schülers aus der eigentlichen Flechtshule wird das von ihm benugte Arbeitsgeräth sein Eigenthum.

Im Kreise Bitburg nördlih von Trier hat die Ver- waltung der von der Heydenshen Waisenstiftung und der Landrath des Kreises, um die gedrückte Lage der ländlichen Bevölkerung zu verbessern, mehrere Jahre hindurh fih be- müht, den Anbau der Korbweide in Einl me zu bringen. Da diese Bemühungen von Fem besten Erfolg gekrönt worden sind, hat man, um der Bevölkerung des ebenbenannten Be- zirks und der benachbarten Kreise Prüm und Daun Gelegen- heit zu geben, durch Verarbeitung des gewonnenen Materials

7 gröberen Waaren Eman Verdienst zu erzielen, im ver- ossenen Sommer einen Korbflehter Baba sih in der Ortschaft Bettingen versuchsweise als Flechtlehrer niederzu- lassen. Die Staatsverwaltung gewährt hierzu zunächst den

niht bedeutenden Zuschuß von 1000 H.

; L Oberschlesien hat der land- und forstwirthshaft- liche Verein zu Oppeln die Absicht, in der Stadt Shur- gast eine Korbflehtshule zu errichten, ist dazu jedo ohne Gewährung einer fast dem ganzen Bedarf gleich- fommenden Staatsunterstüßung außer Stande. Die Stadt Schurgast erklärt sih bereit, die nöthigen Unterri tslokale in einem vorhandenen Gebäude einzurichten, verlangt aber Miethe für dieselben. Um bei der Anlegung von Weiden- kulturen Rath ertheilen und den um die Einführung der- selben sich sehr bemühenden Abgeordneten Herrn von Schalscha unterstüßen zu können, sind einem jüngeren Forstbeamten die Mittel zu einer Jnformationsreise an den Niederrhein ge- währt worden. Die Stadt Schurgast ist zum Sig der Flecht- schule gewählt worden, weil in ihrer Umgegend schon jeßt sehr viel Korbmacherarbeit angefertigt wird. Da dieselbe aber außer- halb des sogenannten Nothstandbezirkes im Kreise Falkenberg, niht weit von der südöstlichen Grenze des Regierungsbezirks Breslau, liegt, so ist es nicht thunlich, zur Unterhaltung der- selben einen Theil der durch das Gesey vom 23. Februar 1881 zur Linderung des Nothstandes, insbesondere zur Förderung der Hausindustrie und des gewerblichen Unterrichts bestimmten Staatsmittel zu verwenden. Da Schulgeld nit erhoben, vielmehr manchen, wenn nicht -allen, Schülern eine Unter- stüßung zu Theil werden muß, um thnen den regelmäßigen Besuch der Schule möglich zu machen, so wird man den Zu- \{chuß, dessen die Anstalt bedürfen wird, auf 6000 H an- \hlagen können, da die allerdings größere Anstalt in Heins- berg, welcher es niht an Absay für die Arbeiten der Schüler fehlt, jährlich einer 7000 M betragenden, theils vom Staate, theils vom Aachener Verein zur Beförderung der Arbeitsam- keit gewährten, Unterstüßung bedarf. Leider fehlen der Unter- rihtsverwaltung zur Zeit die Mittel, um die Anstalt in Schurgast in der erforderlichen Weise zu unterstüßen, so daß diejelbe shwerlih ins Leben treten wird.

Die Anstalt in Heinsberg wurde im vorigen Sommer von 34 Schülern besucht und ist N Dafürhalten der Bezirksregierung nah wie vor eine Wohlthat für den Kreis Heinsberg. Sie ist von nicht geringem Einfluß darauf, daß die gröbere Korbflechterei als lohnende Hausindustrie in dortiger Gegend sich immer mehr ausdehnt und daß die Kultur der Korbweide auf früher wenig ertragreihen Län- dereien auch in den benachbarten Kreisen immer größere Fortschritte macht. Die Leitung der Anstalt wird zu Rathe ezogen, wo man die Weidenzuht und die Korbflechterei ein- führen will, und man bemüht sih, Leute, die in ihr aus- gebildet sind, als Lehrmeister zu erlangen,

Auch in der Provinz Ostpreußen, im Kreise Sen s- burg, werden von einem Verein dieselben Ziele angestrebt ; bis zur Voclegung eines ausgearbeiteten Planes is} es aber noch nicht gekommen. Da der Herr Minister für Landwirth- hast, Domänen und Forsten in diesem Falle wegen des kon- kurrirenden Landeskultur-Jnteresses seine Mitwirkung bei der Ausführung des Gedankens zugesagt hat, so ist zu hoffen, daß dieselbe niht an den Ansprüchen, welche sie an die Fonds der Verwaltung des E Unterrichtswesens und an die eigenen Mittel des Vereins stellen dürfle, schei- tern wird.

Fachshulen mit Lehrwerkstätten zur Bear- beitung des Holzes sind bis jeßt kaum vorhanden. Aller- dings sind die Mittel zur Eröffnung der Holzbildhauer- und Tischlereischule in Magdeburg seit zwei Jahren vorhanden und die Stadt hat die nöthigen Lokalitäten im Souterrain des Gebäudes der Kunst- und Zeichenschule her- gestellt, aber die Bemühungen, einen Leiter zu finden, welcher in der Holzbildhauerei und in der Tischlerei gleich tüchtig ist, in: beiden Ausgezeichnetes leistet und zugleih Unterricht im Fachzeichnen, im Freihandzeichnen und im Modelliren geben kann, sind bisher erfolglos geblieben. Die wenigen Persönlichkeiten, welche als so vielseitig gebildet ermittelt worden sind, haben von vornherein. abgelehnt, eine kündbare nur mit 3700 dotirte Stelle O in welcher sie von früh bis spät, als ein- ziger Lehrer, bald im Zeichen- oder Modellirsaal , bald in der

erkstätte unterrihten sollen, oder sie Man ihre Zusage zurückgezogen, als ihnen namhafte Verbesserungen in ihren Aafegen Stellungen angeboten wurden. Es gewinnt den Anschein, daß nichts übrig bleibt, wenn die Anstalt ins Leben treten soll, als den Unterricht im Zeichnen zum größten Theil an der Kunst- und gewerblichen DOG en Me ertheilen zu lassen und für die Kunsttischlerei und Holzbildhauerei besondere Lehrer anzunehmen.

(Fortseßung folgt.)

Ausstellung von Arbeiten der Schüler der keramishen Fachbschule

zu Grenzhausen-Höhr, Regierunasbezirk Wiesbaden im Kunstgewerbe-Museum.

Die keramische Fahsbule zu Grenzhausen-Höhr besteht seit No- vember 1879. Sie bezweckt die Hebung und Förderung des Kunst- handwerks, zunächst dur Heranbildung theoretisch und praktisch ge- \hulter junger Leute zu Drehern, Modelleuren , Gefäßmalern u. \. w. für die Thonindustrie, insbesondere die Steinzeugfabrifation der Ort- \haften Höhr und Grenzhausen und deren Umgegend, Die Kosten der Unterhaltung der Anstalt nen fast ganz der Staat, die beiden Gemeinden leisten nur einen geringen Beitrag. Die Anstalt stebt unter der obern Leitung des Kultus-Ministeriums und wird von der Königlichen Regierung zu Wiesbaden und dem Centralvorstand des nassauishen Gewerbevereins beaufsichtigt.

An der Schule sind thätig: der Hauptlehrer und Leiter der An- B ein Hülfelehrer für Zeichnen, ein Vorarbeiter für Drehen und

ormen.

Frequenz am Slusse des verflossenen Jahres:

Abendshüler. . . . 23, Tages|chüler . 159, Mädchen . 20

im Ganzen . . 59 Schüler, von denen 41 vierzehn bis zwanzig Jahr, 16 zwanzig bis dreißig Jahr und 2 über dreißig Jahr alt sind. : 12 Schüler haben vor ihrem Eintritt eine höhere Schulbildung,

30 einige Vorbildung im Zeichnen und 1 A im Modelliren nacgewiesen. Von den 15 Tagesschülern sind aus dem Regierungs- bezirk Danzig 1, aus dem Regierungsbezirk Cöln 1, aus dem Re- L Cassel 2, aus dem Großherzogthum Sachsen 1, aus

ußland 1.

Sämmtliche Gegenstände sind aus\ch{chließlich Schülerarbeiten. Bei den einzelnen Arbeiten war die Herstellungsweise folgende :

Der Schüler ferligte

Sre nung an, wona der Gegenstand „aufgedreht* wurde.

erstellung der nöthigen Mod-lirungen, Stempel und Belegformen erfolgte das „Abdrehen* des Befäßes, worauf die verzierten Beleg- theile auf den Kern aufgelegt und die eingedrückten oder geschnittenen Verzierungen mittelst kleiner Zinkshablonen Eisen, Rädchen und Stempel hergefstelt werden konnten. Bei denjenigen Gegenständen welhe ohne Gipsform hergestellt sind, Nr. 12 bis 18, 20 und 23 war damit die Arbeit bis zum Anseyen der Henkel und dem Auftragen der R a VBerviel fäl L @

o Gipsformen zur Vervielfältigung der Gefäße angew sind, Nr 1 bis 11, 21 und 22, wurde Tunacbst zum Guß ber Fdet geschritten. Die Vervielfältigung selbst geshah dur „Einformen* (Cindrehen) in die von dem fertigen Thonmodell genommene Gips, form. Uebelstände, wie das Aufblähen oder Abblättern der Beleg, theile, die Risse an den Ansaßitellen der Henkel, die übermäßige Die des Scherbens bei einzelnen Stücken, find dadurch veranlaßt daß den Schülern Vorsicht und Geschicklichkeit noch mehr oder weniger mangeln.

Selbständige Entwürfe der Scüler sind Nr. 1 und 2, 3 (daz Ornament nach einer Vorlage), 4, 5, 6 (das Ornament nach einer Vorlage), 7, 8 (das Figürliche nach einer Vorlage), 9, 10, 11 (das Ornament nach einer Vorlage), 13 (das Wappen nach einem alten Serben), endlih Nr. 24. Dagegen find Nr. 12, 14 bis 17 und 20 bis 23 nach älteren Originalen oder Abgüssen von solchen gearbeitet, bei Nr. 21 die Mittelfigur und bei Nr. 23 das Ornament neue Arbeiten der Schüler. Die Masse von Nr. 21 und 23 if von besonderer Feinheit.

Die deutsche Adelsgenossenschaft hielt am 17. Fe bruar cr. im Sitzungssaale der zu Berlin ihren diesjährigen ordentlichen Adelstag ab, der aus allen Theilen des Reichs zahlrei besuht war. Außer Preußen war das Königreih Sachsen am stärksten vertreten. Der Vorsitzende der Genossenschaft, Graf von der Schulenkurg-Beeßendorf, Mitglied des Herrenhauses, eröffrete die Sißung mit einem Rückblick auf die zerseßende Tendenz der Gegenwart, welcher erst die Kaiserliche Bot- \haft ein Halt geboten, und {loß mit einem Hoh auf Se. Ma- jestät den Kaiser.

Zu dem ersten Gegenstande der Tagesordnung: „Antrag des Oberst z. D. von Arnim auf Begründung einer Genossenschaftsspar- kasse in Anlehnung an die ritterschaftlihe Darlehnskasse“ bescbloß die Versammlung, den Vorstand zu ermächtigen, über die zweckmäßige Anlage des Genossenschaftsvermögens mit der Kur- und Neumärkischen Ritterschaft in weitere Verhandlungen zu treten und zugleich den Mitgliedern der Genossenschaft zu empfehlen, im Falle sie eines lau- fenden Conto-Corrents bedürften, si dasselbe bei den landschaftlichen Kassen eröffnen zu lassen, Sodann referirte der Schriftführer, Frhr, von Roëll, über das abgelaufene Verwaltungsjahr.

Mit lebhaftem Interesse nahm die Versammlung zuglei davon Kenntniß, daß vom 1. April ab die Herausgabe eines deutschen Adels- blattes, Wochenschrift für die Interessen des deutshen Adels beider Konfessionen, geplant ist, dessen Probenummer am 17. März cr. in 30— 40 000 Exemplaren zur Versendung kommen wird, und welches es sih zur Aufgabe gestellt hat, für die Bestrebungen des deutschen Adels geistiger Mittelpunkt und Fahne zu fein.

Nach Decharge-Ertheilung wählte die Versammlung für den aus dem Vorstande geschiedenen General-Lieutenant von Redern Hrn. von Zieten-Brunne in denselben, um sich demnächst der Hauptfrage der Tagesordnung zuzuwenden, in welcher Weise den Nachtheilen entgegen- zutreten, welche das S Über die Aufhebung der Lehne. neuerdings dem Adel zugefügt. Die eiden Referenten, Hr. von Puttkamer-Glo- vit und Graf Bredow-Liepe, begründeten eine Resolution, welche, indem sie den Standesgenofsen generell die thunlihste Begründung von Fidei- fommissen empfiehlt, zugleich den Vorstand beauftragt, in einer Ein- gabe an die Staatsregierung einerseits die Verlängerung der 4jährigen Frist zu beantragen, welche bei Aufhebung der Lehne den biéherigen Besißern von Lehngütern behufs Umwandlung ihres Lehnes în ein E gegeben ist, andererseits in dieser Eingabe das dringende

esu auszusprechen, darauf Bedacht zu nehmen, daß hinsichtlich der Erbfolge in ländlihen Grundstücken ganz allgemein ein Erbrecht ein- geführt werde, durch welbes entweder nach dem Rechte der Erst- geburt, oder bei Errichtung eines Testaments durch testamen- tarishe Bestimmung eines Anerben , die Vererbung des Grundbesißes in der Familie unter Abfindung der Miterben nach einer niedrig be- messenen Taxe gesichert werde. L

Im Anschluß an die ‘vorerwähnte Resolution beantragte Vorsitzende, Graf von der Schulenburg-Beetendorf , die Absen- dung einer Petition an Se. Majestät den Kaiser, welche zu dem neuerdings den preußischen Landtag ea Entrourfe einer Landgüterordnung für die Provinz Brandenburg Stellung nimmt.

Nachdem der Adelstag sodann 60 neue Mitglieder gegen 30 des Vorjahres aufgenommen, referirte Hr. von Prittwiß und Gaffron über die Genossenschafts-Matrikel und Brunners genealogi- \ches Taschenbuch der adligen Pruler Sodann sette der Adelstag das Eintrittsalter in die Genossenschaft auf das 24. Jahr herab und empfahl auf Antrag des Hrn. von Braunschweig-Lübzow denjenigen seiner Mitglieder, welche der A Konfession angehören, den Beitritt zu dem „Verein zur Erhaltung der cvangeliiden Volks- \chule* in Düsseldorf.

Die diesjährige (37.) Hauptversammlung des Gesammt- vereins der Gvstav-Adolf-Stiftung wird in den Tagen des 25, bis 27. September in Lübeck abgehalten werden. Rüdssichten auf lokale Verhältnisse sind bei der Bestimmung dieses etwas späten Termins maßgebend gewesen.

Hamburg, 8. März. (W. T. B.) Die dänischen Taucher, welde das Wrack der „Cimbria“ untersuchten, konnten wegen trüben Wassers und starker Strömung nichts ermitteln. Dieselben glauben, daß von der Ladung nichts geborgen werden könne, da die drei Decks gesprengt werden müßten, worauf fih. die Taucher aber nicht einlassen wollen.

Concerthaus. Auf dem Programm des morgigen Symphonie- Concerts stehen die drei ersten Sâte der 9. Symphonie von Beethoven.

Gestern, Donnerstag, brahte das 3. Abonnements- conscert der Herren Hasse und Jacobowsky im Arcitekten- hause das A-moll-Quintett von Saint-Saëns. Die charakteristische Arbeit, vornehmlich das vortrefflich instrumentirte Andante, gelangte durch die Concertgeber, Hrn. Dr. Bischoff, die Kgl. Kammermusiker Scbuly und Gerhardt zu wirkungsvollster Ausführung. Die Streich-

uartettpartien hoben sich in sauberster Weise heraus. Von den Veieren Gaben des Abends sei besonders rühmend erwähnt der Vor- trag des Violinconcerts vou Gade durch Hrn. Hasse, der sich in Hinsicht der Technik wie des Ausdruckls von Neuem als einer der gediegensten Künstler unter den jüngeren Violinisten be- währte. Die übrigen Spenden des Abends waren zunächst Kiels A-dur-Trio, dessen Klavierpartie von Hrn. Dr. Bischoff sicher durh- geführt wurde, und die Beethovensbe Sonate op. 102, Nr. 1, für Cello, von Hrn. Jacobowsky in Technik angemessen vorgetragen. Frl. Th. Zerbst brachte verschiedene Leder in gefälliger Weise zum Vortrag. Der Kunstgenuß wurde am Schlusse des Concerts dur das gerne, vorzeitige Aufbrehen eines Theils des Auditoriums bes einträchtigt.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Grpedition (Kes\ el). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (ein\s{hließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

erst eine Skizze oder bei Kopien cine

Kur- und Neumärkischen Ritterschaft |

Erste Be

ilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

M 59.

Berlin, Freitag, den 9. März

Deutsches Neich.

Uebersiwht h i - der in den deutschen Münzstätten bis Ende Februar 1883 stattgehabten Ausprägungen von Reich8-Gold- und -Silbermünzen.

1) Im Monat Februar Goldmünzen

Silbermü

n zen

Halbe Kronen

Doppel-

1883 sind geprägt wor- Kronen

den in:

Kronen

iervon auf} Fünf- rivatrech- \Markstüde| Markstüe d T E E k

Ein- Markstücke M Mh. S

Zwei-

Zwanzig- Pfennig-

Bart, stücke M.

ra tüde | A

Berlin. 11838 14 p

11838 140 _

Summe 1 11 838 140

9) Vorher waren geprägt*) .

11838 1401 A8 1 304 121 980|455 613 170/27 969 925|467 517 240/71 653 095/101 026 942/167 217 879

3) Gesammt-Ausprägung 4) Hiervon wieder einge-

zogen -. 494 000 381 800 6 220

D315 960 1201155 613 170/27 969 925/479 355 380/71 653 095101 026 942 167 217 879

2 881

3 585 4034

; T 31S 166 120(455 231 370/27 963 (05 1798 661 195 A

5) Bleiben . Berlin, den 7. März 1883.

35 717 922 80 35 717 922 80

1505/50] 5 000 727/40

7T 619 510¡10T 023 908/167 214 9981 71 185 046/50] 30 717 195/40

Hauptbuchhalterei des Reihs-Schaßamts. Biester.

*) Vergl. den „Reichs-Anzeiger“ vom 8. Februar 1883 Nr. 34.

Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abwehr und Unterdrückung der ReblauskranLkheit.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c.,

ordnen zur Ausführung der Bestimmungen im Artifel 1 der (l aalionälen Reblaus- Konvention vom 3. November 1881 (Reichs- Geseßbl. für 1882 S. 125) im Namen des, Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt:

Sh Alle Rebpflanzungen unterliegen der Beaufsichtigung und _ Unter- suhung durch die von den Landesregierungen ermächtigten Organe. Die letzteren sind befugt, behufs Vornahme von Nachforschungen nach der Réblaus (Phylloxera vastatrix) die Entwurzelung einer dem Zwecke entsprechenden Anzahl von Nebstôcken zu bewirken.

Die Maa A die Rebpflanzungen in geeigneter ¡Weise wirksam überwachen la}jen. | ionen sind diejenigen Rebschulen, in welchen Reben zum Verkaufe gezüchtet werden, einer regelmäßigen, mindestens alljährlichen Untersuchung zu unterwerfen. Die höheren _Verwaltungösbehörden können Ausnahmen zu Gunsten derjenigen kleineren Rebschulen ge- statten, in welchen ausschließlich in der Gegend übliche Rebsorten ge- züchtet werden.

8, 3. ;

Im Falle der Ermittelung des Insekts liegt den Landesregie- rungen ob, nab Möglichkeit Verfügungen zu treffen, wel(e eine Ver- breitung desselben zu verhindern geeignet sind. /

Zu diesem R können die Landeêregierungen namentli

q verbieten, daß Reben und Rebtheile oder Erzeugnisse des Meinstocks, ferner au, daß andere Pflanzen oder Pflanzentheile von dem betreffenden Grundstück entfernt werden ; :

9) die Vernichtung der angesteckten oder dem Verdabt einer An- steckung unterworfenen Rebpflanzungen und die Unschädlichmachung (Desinfektion) des Bodens anordnen; :

3) die N des Grundstücks zur Kultur von Reben für cinen bestimmten Zeitraum untersagen. : .

Die vorbezeihneten oder sonst erforderlihen Maßregeln können einzeln oder in Verbindung mit einander angeordnet werden ; dieselben können auf Theile des Grundstücks beschränkt, aber auch auf mehrere Grundstücke und erforderlichenfalls auf größere "Bezirke erstreckt werden.

8. 4. : i

In den Weinbau treibenden Gebieten des Reichs ist der Ver- fehr mit bewurzelten Reben zwischen verschiedenen Weinbaubezirken untersagt. Die höheren Verwaltungsbehörden können Ausnahmen zu Gunsten Desjenigen gestatten, welcher Rebpflanzungen in benachbarten Bezirken besißt. : e j

Die Versendung und die Einführung bewurzelter Reben in einen Weinbaubezirk ist untersagt. Ebenso ist innerhalb des ein- zelnen Weinbaubezirks der Verkehr mit Reben aus Rebschulen ver- boten, in welchen andere als in diesem Bezirk übliche Rebsorten gezogen werden oder innerhalb der leßten drei Jahre gezogen worden sind. i l i:

Die Grenzen der Weinbaugebiete und Weinbaubezirke , auf welhe die Bestimmungen dieses Paragraphen Anwendung finden, werden von den betheiligten Landesregierungen festgeseßt und durch den e im Zentralblatt für das Deutsche Reich bekannt gemacht.

Unter Weinbau im Sinne dieses Geseßes is die Pflanzung fich Kultivirung der Rebe zum Zwedle der Weinbereitung zu ver- ehen.

8. 5,

Der Reichskanzler wird die Ausführung dieses Geseßes und der auf Grund desselben erlassenen Anordnungen überwachen. j

Tritt die Reblauskrankheit in einer solhen Gegend des Reichs- gebiets oder in solcher Ausdehnung auf, daß von den zu ergreifenden mgn die Gebiete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden müssen, so hat der Reichskanzler oder ein von ihm bestellter Reichs- kommijsar für Herstellung und Erhaltung der Einheit in den feitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Maßregeln zu forgen und das zu diesem Zweck Erforderliche anzuordnen, nöthigenfalls auch die Behörden der betheiligten Bundesstaaten unmittelbar mit An- weisung zu versehen.

6.

Von jedem Auftreten der Reblaus, sowie von jeder einen drin- genden Verdacht des Vorhandenseins des Insekts begründenden Er- scheinung innerhalb eines Bundeéstaats wird die Regierung des leßteren, unter eingehender Darlegung aller in Betracht kommenden Verhältnisse, namentlich auc der ermittelten oder muthmaßlicben Ur- an der Ansteckung, dem Reichskanzler stets unverweilt ittheilang machen. L

8. 7.

Die Regierungen der Bundesstaaten, in welhen das Vorhanden- sein der Reblaus festgestellt ist, werden in einem dem Zweck ent- \prechenden Maßstabe eine Karte aufstellen und richtig erhalten, welche den Stand der Krankheit jederzeit ersichtlich macht.

Auf Grund der bezüglichen Mittheilungen wird der Reichs- kanzler eine das ganze Reichsgebiet umfassende Karte herstellen lassen und die Grenzen der als angesteckt oder wegen der Nähe von gnsteckungsherden als verdächtig zu betrahtenden Bodenflächen be-

mmen.,

Ebenso werden die Regierungen der Bundesstaaten dem Reichs- kanzler im Laufenden zu erhaltende Verzeichnisse derjenigen Garten- au- oder botanishen Anlagen, Schulen und Gärten mittheilen,

442 089 657,90 6

welche regelmäßigen Untersuchungen in angemessener Jahreszeit unter- liegen und amtlich als den Anforderungen der internationalen Reblaus- Konvention entsprechend erklärt POEN sind.

Der Eigenthümer oder Nuzungsberectigte eines Grundstüs, auf welcem die Reblaus auftritt oder Anzeichen für das Vorhanden-

sein des Insekts sich finden, ist verpflicht behörde unverzüglich Anzeige zu Ren,

et, hiervon der Ortspolizei-

Die Kosten der auf obrigkeitliche Anordnung ausgeführten Ver- nihtung von Rebpflanze: und Desinfektion des Bodens fallen dem-

jenigen Bundesftaat zur Last, pflanzung belegen ist. 8. 10

in dessen Gebiete die infizirte Reb-

Derjenige, dessen Rebpflanzungen von den in den 88. 1 bis 3

bezeihneten Maßregeln betroffen worden,

ist befugt, den Ersaß des

Werthes der auf obrigkeitliche Anordnung vernichteten und des Minder-

werths der bei der Untersuchung beschädig langen. N Die Bestimmungen darüber:

1) von wem diese Entschädigung zu aufzubringen ist ;

ten gesunden Reben zu ver-

gewähren und wie dieselbe

9) nach welchen Normen die Entschädigung zu ermitteln und festzustellen ist, sind von den einzelnen Bundesstaaten zu treffen.

ber den Ansyruch auf Entschädigung und deren A Klage muß bei Verlust des

Rechtsweg zulässig. Die binnen 180 Tagen nah Empfang der forderung endgültig sich aussprechenden Verwaltungsbehörde bei dem zuständigen

Höhe ift der Klagerechts Über die Entschädigungs- Verfügung der zuständigen Gericht angebraht werden.

Welche Verwaltungsbehörde zuständig ist, richtet sih na landes-

rechtlichen Bestimmungen. 2

L Der Anspruch auf Entschädigung (§. 10) geht der Eigenthümer oder Nußungsberechtigte der im erlegten Verpflichtung wissentlich oder aus einem

sehen nicht nachgekommen ist.

2: Zuwiderhandlungen gegen die Vors

verloren, wenn 8. 8 ihm auf- vertretbaren Ver-

riften dieses Geseßes, gegen

die auf Grund desselben erlassenen Anordnungen oder gegen die zur

Verhütung der Verbreitung der Reblausk

rankheit erlassenen Einfuhr-

und Ausfuhrverbote werden mit Geldstrafe bis zu 150 4 oder mit

aft bestraft. Y Urkundlich 2c. Gegeben A.

Begründung.

Die internationale Reblaus-Konvention vom 3, November 1881

(Reihs-Geseubl. für 1882 S. Behörden und Angehörigen der

125) hat nit den Zweck, für die einzelnen betheiligten Staaten

unmittelbar verbindlihe Rechtsnormen aufzustellen, sondern sie ver-

pflichtet vielmehr die Regierungen dieser Staaten zur

Herstellung

eines mit den Grundsäßen der Konvention übereinstimmenden Rechts-

zustandes. Insoweit daher der auf dem

fragliben Gebiete in Deutschland

zur Zeit bestehende Rehtszustand den Anfordegungen der Konvention

niht bereits entspricht, i führungsvorschriften herbeizuführen.

ist die nöthige Uebereinstimmung dur Aus-

Zur Autführung der Artikel 2 bis 8 und 10 der Konvention,

welche die Ordnung der internationalen den Erlaß theils unbedingter, theils

Beziehungen betreffen und

bedingter Ein- und bezw. Aus-

fuhrverbote erheischen, genügt der Verordnungsweg.

Die Ausführung

des Artikels 1 hingegen, welcher die Regelung

der Angelegenheit innerhalb des einzelnen Staatsgebiets zum Gegen-

de hat, macht geseßgeberishe Maßnahmen erforderlich. B M a O 1 der Konvention haben die Vertragsstaaten

ih gegenseitig verpflichtet, | „ihre innere Gesetzgebung,

sofern sie es nit bereits ge-

than habcn, zu vervollständigen, um ein gemeinsames und

wirksames Vorgehen gegen

die Einschleppung und Ver-

breitung der Reblaus zu sichern. E i: Diese Geseyßgebung wird hauptsächlich ins Auge

fassen:

1) Veberwachung der Weinberge, der Pflanzshulen jeder

Art, der Gärten und Gewächshäuser ;

Untersuchungen

und Nachforschungen na A Reblaus, um dieselbe oviel wie möglih zu vernihten;

2) Feststellung der angesteckten Bodenflächen und der Aus- dehnung der wegen der Nähe von Ansteckungsherden als

verdächtig erscheinenden B

ezirke, nah Maßgabe des

Auftretens und der Verbreitung des Uebels innerhalb

des Staatsgebiets ; 3) R des Versandts ne

Pflanzen,

und der Verpackung der

en, der Abfälle und Erzeugnisse derselben, sowie der Sträuher und sonstigen

Erzeugnisse des

Gartenbaues zu dem Zweck…, um eine Verschleppung der

Krankheit von den AÄnsteckungsherden aus oder nah den übrigen Staaten

Lande hüten; 5 4) Vorschriften für den Fall ordneten Maßregeln.“

Der vorliegende Geseßentwurf ift

Verpflichtung deutscherseits zu erfüllen. ie bekannt, sind der Reblau Reichswegen durch den Erlaß der Verbot der Einfuhr von Reben 11 Februar 1873 (Reichs-Geseßbl. S. 43 worden, noch bevor das Insekt sich bei u Auftreten desselben erging das Gese, M

Verordnung,

im eigenen zu ver-

der Verleßung der ange- bestimmt, die eingegangene

skrankheit gegenüber von betreffend das zum Verpflanzen, vom ), Schußmaßregeln ergriffen ns gezeigt hatte. Nach dem aßregeln gegen die Reblaus-

1883.

frankheit betreffend, vom 6. März 1875 (Reis-Geseßbl. S. 175), über dessen Ausführung in einer Reihe von Denkscbristen eingehend Rechenschaft abgelegt worden is. Später hat die Verordnung vom 11. Februar 1873 durch die Verordnung vom 31. Oktober 1879 (Reiws-Geseßbl. S. 303) dahin eine Erweiterung erfahren, daß die Einfuhr niht nur von Reben ohne Unterschicd der Art, sondern au von allen sonstigen Theilen des Weinstockes blätterlose Trauben ausgenommen verboten worden ift. i:

Auf die gedachten Maßnahmen hat die reihsrechtlihe Regelung der Materie bisher sich besbränkt. -

Das Gesetz vom 6. März 1875 bewegt sich in engen Grenzen. Alsbald na den ersten Erscheinungen der Reblaus auf deutsÞbem Boden in der Absicht erlassen, zunächst nur die nothwendigsten Maßnahmen zur Erforsbung und Feststellung der Krankheit în Verdachtsfällen zu ermöglichen, dagegen die Ergreifung der alsdann nöthigen Schußmaßregeln den «inzelnen Bundes- staaten zu überlassen (Steaog'aphischer Bericht, Ps vom 9, Fanuar 1875 S. 915 und 919) hat jenes eseß ih auf die Ermäcbtigung des Reichskanzlers beschränkt, innerbalb der MWeinbaugebiete Untersuchungen über das Auftreten der Reblaus und über Mittel zur Vertilgung des Insekts durch Reichsorgane zu bewirken, welben die Befugniß beigelegt worden ist, im einzelnen mne eine dem Zwecke der Untersuchung «ntsprechende Anzahl von Rebstöcken zu entwurzeln und diese, insoweit sie etwa mit der Reb- laus behaftet sind, zu vernichten. :

Dieser Zustand genügr weder der von Deutschland im inter- nationalen Vertrage übernommenen Verpflichtung, noch dem eigenen Bedürfnisse des Reichs. : n

Denn die Wirksamkeit des gedachten Gesetzes ist, strerg ge- nommen, auf die eigentlichen Weinbaugebiete beschränkt, während viel- fach au außerhalb der letzteren namentli Rebschulen, Handels- gärtnereien und ähnliche Institute sich befinden, welbe, wenn he in- fizirt find, durch den von ihnen ausgehenden Pflanzenverkehr eine Ver- breitung des Insekts in weit größ.rer Ausdehnung bewirken, als és dur die uatürlihe Entwickelung des letzteren geschieht. E

Das Gesetz verflichtet ferner die Bundesstaaten nicht zu Maß- nahmen, welche dem Uebel vorzubeugen oder zu steuern geeignet 1nd ; es sieht namentlich eine regelmäßige, auf weitverzweigter Organisation beruhende Ueberwachung und Beaufsichtigung der Weinberge 2c. durch \sacbkundige und geübte Personen nicht vor; es gewährt die Mittel nit, um wider den Willen der Berechtigten eine infizirte Reb- pflanzung ihrem ganzen Umfange nach auszurotten ; den Boden un- \chädlich zu machen ; die Entfernung von Pflanzen aus dem betreffen- den Grundstücke und aus dem Umkreise desselb:n, soweit er dem Ver- dachte der Ansteckung unterliegt, zu verhüten ; die einstweilige Wieder- benutung der Inf-ktionsitätten zur Rebkultur zu verhindern, 10 daß es hat geschehen können, daß ciner der unfangreihsten und gefahr- drohendsten Reblausberde, welhe in Deutschland bisher ermittelt worden, in Folge des Wid rspruhs des Besißers mehrere Jahre hin- durch hat unangetastet bleiben müssen. S / i

Endlich hat das Geseß vom 6, März 1875 eine Anzeigepflicht der Besiker solcher Grundstücke. welche von der Reblaus offenbar oder muthmaßl ch befallen sind, nicht festgeseßt; wegen der Entschädigung der im allgemeinen Interesse von nachtheiligen Verfügungen der Obrigkeit betroffenen Personen Bestimmung nicht getroffen, au die wichtige Frage der Regelung des inneren Rebverkehrs unberührt gelassen. :

Der vorst:hend angedeuteten Maßnahmen bedarf es, nicht blos um den Anforderungen der internationalen Konvention gerecht zu werden, sondern auch um, so weit. wie möglich, eine Bürgschaft dafür zu gewinnen, daß nicht, wie in anderen Ländern, die Reblauskfrankheit bci uns überhand nehme und mit den Weingeländen eine reiche Quelle des Volkswohblstandes je länger je mehr zerstöre.

Unter den Bundesstaaten sind bisher nur Preußen, Baden, Hessen auf dem in Rede stehenden Gebiet geseßgeberis vorgegangen. Das preußisbe Gese, Maßregeln gegen die Verbreitung der Reb- laus betreffend, vom 27. Februar 1878 (preußische Gesetz-Samml. S. 129), welch m das unterm 16. April 1880 erlassene badisbe und das unterm 30. Mai 1880 ergangene hessische Gesez*) nacgebildet sind, hat namentlih auch bei der Bekämpfung der inzwischen im Ahrthale umfänglich aufgetretenen Krankheit sich durhaus bewährt, so daß der vorliegende Gesetz-Entwurf, unter Berücksichtigung der durch die internationale Konvention gebotenen Erweiterungen und Abweichungen, ebenfalls an jenes preußi1he Geseß sich anlebnt.

Im übrigen ist zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs Folgendes zu bemerken:

S

spricht die Befugniß der Landesregierungen gegenüber ihren Staats- ande) bvlgen aus, deren Rebpflanzungen ohne Unterschied der Art und des Umfangs zu beaufsihtigen und zu untersuchen, während 8, 2 die entsprechende Verpflichtung der Landesregierungen dem Reich gegenüber fe\tseßt. :

Wie weit die Befugnisse zu der Untersubung von Rebpflanzungen ermächtigten Organe sih erstrecken sollen, läßt sich nicht für alle Fälle im voraus bestimmen; räthlich aber wird es fein, ausdrülih festzustellen, daß die Organe der Landesregierungen, gleich den Or- ganen des Reichs, befugt find, die Entwurzelung von Rebstöcken in solcher Zahl zu bewirken, wie die Ermittelung eines etwaigen Reb- lausherdes und seines Umfangs es erfordert.

8. 2.

Die Anordnungen darüber, in welcher Weise die Ueberwachung der Rebpflanzungen zu organisiren und durchzuführen ist, sind in Betracht der Mannigfaltigkeit dec Verwaltungseinritungen, der örtlichen Verhältnisse und Bedürfnisse in den einzelnen Bundetstaaten, namentli in den Weinbaugegenden, ferner auch mit Rücksicht auf die Ver- \hiedenheit in Art und Maß der an Vereinen oder sonst verfügbaren freiwilligen Kräfte, den Landesregierungen zu überlassen. Es empfiehlt si dies um so mehr, als aub innerhalb solber Bundes- staaten, welche bezügliche geseßgeberische Maßnahmen nicht getroffen haben, meist unter Vermittelung der Aufsichtsorgane des Reichs und im Ans\({luß an die von den leßteren geübte Thätigkeit, örtliche Beob- actungsfommissionen , U berwachungs - und Bezirkskommissionen, oder ähnliche zweckmäßige Einrichtungen bereits bestehen, welche der

F tärken, nicht stören will. e Reit l en ein Auge darauf zu haben, daß

Dem Reich wird nur oblie j geeignete Veranstaltungen übera vorhanden sind und erhalten bleiben, daß ferner die Ueberwachung der Weinberge 2c. unter Betheiligung einer binlänglichen Anzahl sahkundiger Personen auch praktis durch-

eführt und daß namentlich das Interesse und Verständniß, die Wach- famkeit und Mitwirkung der unmittelbar Betheiligten gepflegt und efördert werde. De t

gef Besonders sorgfältiger Beobachtung und regelmäßiger Untersuchung bedürfen wie aus dem oben Gesagten hervorgeht diejenigen Rebschulen, in welen Reben zum Verkaufe gezogen werden, möge die einzelne Revschule in sich abgescblossen sein oder den Theil einer lheint, entspre oder ähnlichen Anlage bilden. Im Allgemeinen er-

e

eint, entsprechend dem bisher seitens des Reis bcobachteten Ver- P, eine alliährliche gründlihe Untersuchung zu geeigneter Jahres- Ermittelungen

zeit als dem Zwecke genügend; häufiger wicderholte

2) Der Wortlaut der gedachten drei Geseße ist aus der Anlage zu ersehen. N