1883 / 73 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Mar 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Großbritannien und Jrland. London, 26. März. (Allg. Corr.) Die Königin ist so weit wieder hergestellt, daß sie am Sonnabend eine furze Spazierfahrt machen konnte. Am nödfien Mittwoch wird sih die Monarcin, begleitet von der Prinzessin Beatrice, nah Sandringham begeben, um drei Tage im Kreise der Familie des Prinzen und der Prinzessin von Wales p" verweilen.

Belfast, 27. März. {W. T. B.) Die Jury hat die übrigen {s Personen, welche angeklagt waren, der Gesell- stajt „Patriotische Verbrüderung“ anzugehören, eben- folls schuldig befunden. Der Urtheilsspruch wurde vertagt.

Frankreih. Paris, 6. März. (Fr. Corr.) Der

Conseils:Präsident Jules Ferry ist, von Arcahon ?om- mend, heute Morgen in Paris wieder eingetroffen und hat bereits im Laufe des Vormittags eine Delegation der Pariser Möbelfabrikanten empfangen, mit welcher er sih des Lönçeren über die Mittel und Wege unterhielt, wie der Krisis, die auf diescr Jndustrie so schroer lastet, entgegen- getreten werden tönnte. 27, März. (W. T. B.) Auf Grund des von den Kammern votirten Geseßes über die Gerichtsorganisa- tion in Tunis hat der Puäsident Grévy heute die Dekrete über die Ernennung der richterlihen Beamten für Tunis unterzeihnet. Durch diese Dekrete werden ernannt: Pontois, Appellationsgerihts-Rath in Bourges, zum Präsidenten des Gerichtshofes, Boerner, Generaladvokat in Algier, zum Prokurator. Die übrigen Mitglieder des Gerichtshofes und die Friedensrichter sind vornehmlich aus den richterlichen Beamten von Algier genommen wokden.

Dem „National“ zufolge theilte der Arbeits-Minister den übrigen Mitoliedern des Kabinets den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen mit den großen Eisen- bahngesellshaften mit und bemerkte dabei: es seien allerdings Schwierigkeiten vorhanden, doch zweifele er keines- wegs daran, daß shließlih ein Einvernehmen erzielt werden würde. Wie der „National“ weiter erfährt, beabsichtige der Finanz- Minister gegenwärtig weder eine Konvertirung der öproz. Anleibe noch eine neue Anleihe. Die Frage wegen Aufnahme eirer neucn Anleihe werde erst bei Feststellung des Bud- gcts für das Jahr 1884 zur Sprache kommen, wenn ein Einvernehmen mit den Eisenbahngesellshasten nicht erzielt wäre.

Dcr „Telegraphe“ weldet, der Finanz-Minister und der Minister des Jnnern hätten mit dem Credit foncier ein Atckommen getroffen, um die Wohnungs- krisis zu mildern. Der Credit foncier soll bereit sein, solden Unternehmern, welde Häuser für kleine Miether bauen wollen, Darlehen bis zur Höhe von 65 Proz. des Werths der Grundstücke zu gewähren.

L E L E vet A T r T5 L P T

Amerika. Washington, 27. März, (W. T. B.) Der f2ühere Präsident von Mexico, Porfirio Diaz, wurde heute vom Präsidenten Arthur in Audienz empfangen.

Nach einer Meldung der „New: York World“ aus Lima, vom 3. d. M,, hätte der Präsident von Peru, Calderon, die Friedenépräliminarien mit Chile unterzeichnet. Canad e “14 Ri 7 i L C A m O ie t, P A Er T N E __ Afrika. Egypten. Alexandrien, 13, März. Jn einer an die „Pol. Corr.“ geri&teten Zuschrist wird gesagt:

Nath langen Beratkungen ist der Ministerrath über den Modus ver Geldbescbaffung zum Zwecke der Liquidirung der Entschädigungen und Ofkupatiorékosten {chlüssig acworden. Durch eine fünfprozentige Herabsetung der Ausgaben in allen Verwaltungszweigen follea an dem bcstehenden Budget 250000 eg. L. in Ersparung gebracht werden, ein Betrag, welcher d-r Verzinsung eines aufzuneh- menden Anlehens von fünf Millionen eg. L. entspricht. Das Ministerium des Acußeren hat mit ver Reduktion seiner Ausgaben bereits den Anfang gemacbt, und ebenso hat der Khedive 3000 eg. L. aus seiner Civilliste dem Staate zur Verfügung gestellt. Der erwähnte Ministerrathébeswluß bat zu ciner beftigen Polemik zwischen einigen Journalen Veranlassung gegeben. Während die Einen be- Eouvteten, €s sei auf cine Reduktion der Beamtengehaltie abgesehen, laubten die Arderen dies bestreiten zu s\sollen Die Wahr- et eal n der Mille. In han ai die - Direktoren ergangenen Cirkular wurden diese von dem Beschlusse in Kerrtniß gesckt und ihnen anheimgestellt, die fünfprozeatigen Ersrarurgen nad ihrem eigenen Ermessen entweder durch Herab- mirderurg der allgemeinen Autgaben oder durch Auflassung von un- nüten Postcn, äuße: stenfalls dur# Reduktion der Beamtenbezüge zu berertstelligen. Thatsätlib haben run cinige Verwaltungen in Er- mangelung einés anderen Auêëwegeë von dec leßten Alternative Ge- brau gemadi.

Die Entschätigungékommission hat der Société anonyme des YMonts-de-Piété egyptiens (egvpti!cher Pfandleihanftalt) eine Entschä- digung von 1054409 Fr. zuerkannt; hiervon ist jedo der S4äßungéë- werth ter wieder aufgefundenen Pfandstückde per 330685 Fr in Ab- zug zu bringen.

Zeitungs®stimmen.

Der „Deutsche Deconomist“ bringt eine statistische Arbeit über „die intustriellen Gesellschaften vor fünf Jahren und jett“, dessen einleitendcs Resumé lautet:

Mir bringen ratbstebend cine Zusammenstellung der Course und Ceuréwectbe, welde die an der Berliner Börse gehandelten In- dustriexapiere zu Anfang der Iahre 1878 und 1883 repräsentirt

. haben. Aus beiden Jahren haben wir die Course vom 15. Januar zur Vergleichung berangezogen. Unsere Liste umfaßt 108 Gesell- idaften mit cinem nominellen Aktienkapital von 340411 609 Æ; der Ceuréwerth desselben war zu Anfang des Jahres 1878 auf 166 194 600 M bcrabgesunken, d. i. auf dur@snittlih 48,8 °/6 des Nemiralwerthes, Daë Resultat der fünfjährigen Entroickelung ist run eine Hibung des (Courérwerthes um 123 958 800 M, d. i. 36,4 °/9 des Nemiralfapitals, Der Couréwerth dcs Letteren ftellte sich arm 15. Fanuar 1883 auf 290153400 M, d. i. im Durchschnitt 85,2 °/o. Vom Ceuréstande einzelner Geselliaften Schlußfolgerungen zu ziehen auf die Lage der Industrie im Allcemeinen oder spezieller Branchen im Besonderen ist siwer unstatthaft; wobl aber muß eine solche S{luftclgerung auf Grund ter Dur(schnittébewegung der großen Anzabl aller an ter Berliner Börse eingeführten Gesellschaften be- rebtigt scin. Und da spcicckt sib in der bedeutenden Steigerung des &oritalwertbeë dieser Unternehmungen sehr unzweideutig die That- sate aué, taß sich tas Durtichnitténireau unserer gesammten indu- striellen Wirtbschaft in den leßten fünf Jahren mächtig gehoben hat.

_— Dem „Deutschen Tagebiatt“ wird aus Mühl: haujen i. Th. geschrieben :

_ Von Setiten der (Hegner unserer nationalen Wirtbschaftspolitik wird gegenwärtig au auf die Lage der biesigen Strumpfweberei, der Fier entwideltisten Brande der Textilindustrie, hingewiesen, und das Mißlice derselben alé Folge der Schutzöl!le bingestellt. Nicts ist falscher als bat; die Sache hängt ganz anders zusammen. Nachdem die Strumpsweberei längere Zeit ino den Händen eines einzigen Fabrifarten gewesen war, der ein starkes Exportgeschäft nach Belgien, Holland und England machte und den ron ihm beschäftigten Bewohnern tes von der Natur so stief- müitterlih begabten EGittfeldes einen in Anbetrabt der Verßältnifse

reckt guten Verdienst bot, bat si neuerdings sowohl in Mühlhausen selbst, als in den benabarten Orten Konkurrenz erboben, wele überwiegend zu Sleuderpreisen verkauft, um nur den Markt an si zu reißen. Infolge dessen sind aub die Webe- resp. Stricklöbne nicht unbedcutend herabgeseßt worden. Daß an diesen für die Eicbsfelder ja rect beflagenswerthen Verhältnissen die Schußzölle vollkommen unschuldig sind, lieat klar auf der Hand L: :

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ meldet aus Hagen, 26. März:

Noch \{limmer als in Crefeld, von dem kürzlich beribtet wurde, daß die Steuerzahler 476 %/% Kecmmunalsteuerzushlag zur Klafsen- und Einkomwensteuer aufbringen müßten, geht es denselben in unserer Stadt, da hier der Zusclag 500 9/9 beträat, woneben noch 509%, der Grund- und Gebäudesteuer zur Einhebung gelangen.

Centralblatt für die gesammte Unterrichts-Ver- waltung in Preußen. März-Heft. Inhalt: Erstattung von Miethe bei Versetzung von Staatébeamten. Zeitpunkt für den Eintritt ter Suspension und der Dienstentlassung eines Beamten be- zügli der Gehaltszahlung. Ausführung des Gesetzes, betreffend die Fürsorge für die Witiwcn und Waisen der unmittel- baren Staatsbeamten. Auss{chluß der Zahlung von Witt- wen und Waisengeldbeiträgen während der Stellenerledigung. Nichtanwerdung des Gesetes auf die Lehrer an den nicht auëschließ- lih vom Staate unterhaltenen böheren Unterrichtztansialten. Die Versicherung bei einer Privat-Lebens-Versicherungsbank \ch{ließt die Anwendung des Gesctes nit aus. Ausführung des Gesctes über die Verjährungéfristen bei öffentlichen Abgaben in den neuen Provinzen in Beziehung auf Schulabgaben. Termin für die Einreichung der der Supcrrevision vnterliegenden Bauprojekte, auf Grund deren An- weldungen für den Staatshaushalts-Etat gemacht werden sollen, Termin für Anträge auf außerordentlibe Zuschüsse zum Patronats- baufonds. Beibringung eines Kostenüberschlazes, eines Nachweises über die Handdierste und die Fuhren, sowie einer Individual- Repartition bei Anträgen auf Bauunterstüßungen. Kontrole über die Auéführung von Schul- 2c. Bauten, für welbe Gnaden- geschenke gewährt sind; Termine für Zahlung der Staatsgelder ; Mitwirkung der Staats-Baubeamten bei fsolwen Bauten. Auëf{luß einer Vermittelung von Versicherungé-Gesellshaften bei Versendung der Werthpapiere an die Seehandlung bei An- und Ver- fäufen von Cffekten für Recbnung des Staates. Bestätigung der Rektorwahl bei der Universität zu Kiel. Vertretung des Ministers der geistlihen 2c. Angelegenheiten im Kuras torium der Humboldt - Stiftung. Große akademisbe Kunst- aus\tellung zu Berlin. Ergänzung der Verfassungsstatute der tehnisden Hot&schulen zu Hannover und zu Aachen. Vorkehrungen bei den technischen Hochschulen für das Studium der Elektrotechnik. Erläuterung und Ergänzung der Bestimmungen über den Ersazunterricht für die vom Griecischen dispensirten Schüler an Gymnasien. Gegenstände ter Gymnasial-Reifeprüfung, zu welcher Inhaber des Reifezeuanisses eines Realgymnasiums oder einer Ober-Realscule zugelassen werden. Zulässigkeit der Ausstellung des Scbulzeugnisses für den einjährig-freiwilligen Militärdier.st nach anderthalbjährigem Besuche der Untersecunda einer höheren Unter- ridtsanstalt, bei welder nur Jahreéversetzungen stattfinden. Ter- min der Prüfung der Zeichenlehrer für höhere Lehranstalten, sowie der Zeichenlehrerinnen für höhere Mädwenschulen. Beibringung des Reifezeugnisses Seitens der Aspiranten der Prüfung für das landwirthshaftlide Lehramt an Landwirthschaftsschulen. Stellung der Scbulfommission, bezw. des Kuratoriums einer böberen Unterricbtsanstalt, inébesondere in Hannover, zu der An- stalt und zu der staatliben Aufsihtsbehörde. Bestätigungsrecht der staatliden Schulaufsichtsbehörde bei Anstellung oder Beförderung von Lebrern an städtischen oder stiftishen höheren Unterrihtsanstalten. Anwendbarkeit des Pensiontgeseßes vom 31. März 1882 auch auf die Lehrer an städtischen s Unterrichtsanstalten; Berechnung der Dienstzeit, Aufbringung der Vension für solche Lehrer. Pflege einer guten Handschrift in den höheren Unterriht?anstalten. Mitwirkung der Volksschullehrer bei der allgemeinen Viehzählung am 10. Januar 1883, Erweiterung der Vereinbarung mit der freien Hansestadt Bremen wegen gegenseitiger Anerkennung der Prüfungézeugnisse für Lehrerinnen. Verzeicniß der Lehrer und der Lehrerinnen, welche die Prüfung für das Lehramt an Taubstummenanstalten im Jahre 1882 bestanden haben. LBefähiaurgszeugnisse auz der Turnlehrerinnen-Prüfung im Herbste 1882, Der sür die Kinder aller preußischen Staatéangebörigen obligatorisde Schulunterriht soll denseiben_ in einer preußischen Schule zu Theil werden. Regelung der Ortëschulverwaltung in Städten der Provinz Westfalcn. Zusammenseßung des Schulvor- standes im Geltungétbereide ter Provinzial-Schulordnung vom 11. Dezember 1845. Berechtigung der Bezirksregiecung zur Er- bebung des Kompetenzkonfliktes. Gutsberrlihe Leistungen, welche auf einer allgemeinen gesetßlihen Verbintlihkeit beruhen. Zu- lässigkeit des MRecbtswegcs binsichtlih dieser Leistungen. Der Gutsberr des Schulortes gehört nicht zu den Hauévätern; eine Beitragépflicht für angekaufte bäuerliche Grundstücke liegt demselben ni&@t ob. Begriff der „Hauéväter® im Sinne des §. 29 Theil Il. Tix. 12 Allg. L. R. Nicbtverpflichtung der Ortsarmenverbände, für unbeibringlihes Schulgeld aufzukommen. Vorautseßungen für den Anspruch cines Lehrers auf Ersaz von Sctulgeldautfällen. Ver- leihung von Orden und Ehrenzeichen. Perfonalchronik.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlibungen des Kaiserlivben Gesunds- berts amts sind in der 11, Jahreswoce von je 10900 Bewohnern auf den Jahresdurchichnitt berechnet als gestorben gemeldet: in Berlin 95,0, tin Breslau 28,0, in Königsberg 28,7, in Cöln 29,4, in Frankfurt a. M. 28,9, in Hannover 26,3, in Cassel 23,3, in Magdeburg 31,9, in Stettin 29,6, in Altona 29,9, in Straßburg 33,5, in Mey 30,2, in München 32,1, in Nürnberg 27,2, in Augsburg 38,5, in Dres- den 26,7, in Leipzig 26,6, in Stuttgart 18,2, in Braunschweig 29,3, in Karlsruhe 16,0, in Hamburg 28,7, in Wien 33,0, in Budapest 31,1, in Prag 40,6, in Triest 370, in Krakau 27,1, in Basel 29,4, in Brüffel 30,0, in Paris 28,1, in Amsterdam 27,3, in London 245, in Glasgow 33,7, in Liverpool 34,3, in Dublin 35,4, in Edinburg 22,9, in Kopenhagen 27,0, in Stockholm 27,5, in Chri- stiania 19,2, is St. Petersßurg 42,2, in Warschau 29,4, in Odessa —, in Rom 30,9, in Turin 28,5, in Bukarest 39.0, in Madrid 53,1, in Alexandrien (Egypten) 41,5, Ferner aus der Zeit vom 17, bis 24. Februar in New-York 29,2, in Philadelphia 21,7, in St. Louis 20,6, in Cincinnati 17,3, in Chicago 20,7, in San Franzisfko 24,6, in Kalkfuita —, in Bombay 39,9, in Madras 39,9.

Beim Beginn und in den ersten Tagen der Berichtswoche berrs{ten an den ostdeutshen Beobachtungsortzn und in München westliche und südwestlice, an den mittel-, norcd-, und westdeutschen Statioren nordweitlide, in Karlsruhe veränderliche, bis na Nord umlaufende Windrichtungen, die um die Mitte der Woche au an den Osftstationen nah Nordwest und in Karlsruhe sturmartizen Charafter annebmend, nav Südwest gingen. In Ost- und Mittel- deutshland sowie in Bremen ging der Wind in den leßten Tagen der Wocte nah Ost und Südoît und blieb aus dieser Richtung webend, nur vorübergehend mit Nordost wechselnd, bis zum Schluß der Woche überwiegend. Die Temperatur der Luft war allgemein eine niedrige und lag bis zu C. unter der normalen. An allen Stationen berrshte bis zum Schluß der Wocbe strenges Frostwetter. Nicdershlôge, meist S&nee, waren häufig. Der beim Wochenbeginn niedrige Druck ter Luft nahm in den erften Tagen der Woche noch mehr ab, stieg vom 12. an, sanf am 15. und 16. von Neuem, zeigte aber am Schluß der Woche steigende Tendenz,

Die Sterblichkeit hat in den meisten größeren Städten Europas auch in dieser Berichtéwoche zugenommen und zwar in Folge der bes deutend gesteigerten Zahl der Todeéfälle an (rkrankungen der Lungen

und anderer Athmunaéorgane. Deshalb erscheint au die Sterblih- keit in den höheren Alterskflassen (besoaders vom 20. Jahr an) ge- steigert, während die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterb- lihkeit eine geringere wurde. Vcn 16000 Lebenden starben aufs Jahr berebnet 84 Kinder unter 1 Jahr aegen 85 der Vorwoche, (in Ber- lin 77, ia München 111). Die allgemeine Sterblichkeitsverhältniß- ale ee deutschen Städte stieg auf 27,9 (von 26,9) pro Mille und Jahr.

Unter den Infektionskrankheiten wurden Todesfälle an Masern und Croup häufiger, an Scharlach, Diphtherie und Keucbhuften etwas seltener. Masern traten besonders in Würzburg und Greiz sehr bösartig auf, auch im Regierungsbezirk Aachen, sowie in Lon- don, Glasgow, Stoholm herrshen Masern in großer Ausdehnung. Scbarlachfieber wurden in Gotha, Berlin, Hamburg, Barmen, Glber- feld, St. Petersburg häufig Todesveranlaffung, obwohl ihr Vor- fommen im Allgemeinen etwas scltener geworden ist. Diphtherie und Croup riefen zwar gleichfalls etwas weniger Todesfälle hervor, doch ist ihr Vorkommen in Berlin, Elbing, München, Königéberg, Dresden, Magdeburg, Neustadt-Magdeburg, Hamburg, Königshütte, Potsdam, Hannover, Wien, Budapest, Amsterdam, Warschau, St. Petersburg u. a. noch immer ein bâäufiges. Auch in den Re- gierungsbezirken Stettin und Scbleë#wig waren Erkrankungen an Diphtherie zahlrei. Der Keuchbusten zeigte eine verminderte Zahl von Todesfällen, nur in Hof, Remscheid, Berlin, Wien ift ihre Zahl eine größere. Sterbefälle an Unterlcibstyphus wurden aus Schweid- nit, Metz, Prag, Lieverpool, St. Pzteréburg, Alexandrien häufiger gemeldet. An Flecktyphus_ kam aus deutschen Städten kein Todesfall, aus Warschau, Malaga, Saragossa, Granada je 1, aus St. Peters- burg und Valencia je 4 zur Anzeige. Aucb in Moskau waren Er- franfungen an Flecktyphus zahlreich. Darmkatarrhe der Kinder zeigten im Allgemeinen keine wesentlihe Veränderung fu der Zahl der Todesfälle; auch die Zahl der Dpfer an Kindbettfieber blieb fast die gleiche, wie in der Vorwoche. An Podten kamen aus deutschen Städten 4 Todesfälle zur Meldung (ie 1 aus Stuttgart und Zittau und 2 aus Heilbronn). Auch aus London, Krakau, Brüssel, Lissabon kamen je 1, aus Budapest, Prag, Birmingham je 2, aus Warschau, Malaga, Valencia, Rotterdam, Philadelphia, Alexandrien, Paris, St, Petersburg mehrfah Poentodesfälle zur Anzeige. In Baltimore und in Rio de Janeiro hat die Zahl der Pockentodetfälle etwas nacbgelassen, in New-Orleans und in Bombay zugenommen. In Rio de Janeiro erlagen in der ersten Februarbälfte 10 Personen dem gelben Fieber.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Lehre Kants von der Idealität des Raumes und der Zeit, im Zusammenhange mit seiner Kritik des Erkennens allgemein verständlich dargestellt von Dr. Kurd Laßwiß. Gekrönte Preis\rift Berlin, Weidmannshe Bucbhandlung, 1883. Pr. 6 Die vorliegende Schrift verdankt ihre Entstehung einer Konkurrenz, welche Hr. Julius Gillis in St. Petersburg im Fahre 1880 veranstaltete, „um gleichgesinnte pbilosophisch durhgebildete Männer zu veranlassen, eine Popularisirung des wichtigen Lehrsates Kants von der Idealität von Zeit und Raum zu versuchen“, und seßte einen Preis von tousend Guldcn aus für die beste Beant- wortung folgender Fragen, welche dazu dicnen follten, die Ricbtung und den Inhalt des gewünschten „populär-philosophishen“ Werks anzudeuten. Es wurde gefordert: 1) eine Hervorhebung und Ver- deutlihung der Punkte, wo die materialistishe Weltanschauung nit mehr genügt; 2) eine klare Darstellung der Lehre von der Idealität von Zeit und Raum seltksst mit einleuhtenden Beweisen; 3) eine Darlegung der Fortschritte, welche in dieser Lehre enthalten sind, und der Resultate des Denkens und der Sittlichkeit, zu welchen sie hinlcitet, zuglei mit einer Erklärung der Lehre Kants vom Zu- sammenbestehen der Freibeit mit der Nothwendigkeit und der Lehre vom empirishen und intelligiblen Charakter. Dieses Programm ver- langte also eine klare, allen Gebildeten verständlihe Darstellung der Kantschen Lehre, und zwar unter Auss{luß aller gelehrten Untersuchungen sowie Vermeidung fremder Sprachen und Citate. Die Scþrift sollte „dem immer mehr in allen Sichten sih aus- breitenden Materialismus gegenüber die idealistishe Richtung Kants zur Geltung bringen, sie durch Mittheilung zu einem Einfluß, einer Mat in der Wirklichkeit gestalten“ und zu dem Zweck „allen Denen, die nach ciner ernsteren, tieferen Lebensauffassung verlangen, eine klare und vollkommene Einsicht verschaffen in das Wesen der Lebre selbt sowohl als in die Konsequenzen, die daraus hervorgeben". Mit den vorstehend gekennzeineten Hauptpunkten des Programms, dem der Verfasser in de:in Maße genügte, daß ihm von den Preisrichtern (Professoren Laas in Straßburg, Wundt und Heinze in Leipzig) der Prcis zugesprochen werden fonnte, ist auch der Werth und die Be- deutung der Srift selbs binreiwend charakterifirt. Wie schon das Urtheil der Jury hervorhebt, genügt dieselbe zunächst der Haupt- anforderung an eiue populâre S creibweise, sodann ist aber au die geforderte Widerlegung des Materialismus in feiner und gründlicher Weise durGgeführt, und find die beiden anderen Theile der Aufgabe in zweckentsprehender Weise gelöst. Daß der Verfasser in einzelnen Punkten von der Lehre Kants ab- weit, gesteht er selbst zu (so z. B. in der Ableitung der Grundlagen

der theoretishen Physik) und hat diese Meinungsverschiedenheiten auch.

deutlich dargelegt, jedo ift die Darstellung im Allgemeinen durchaus im Geiste Kants gehalten. Der Verf. beweist zunächst die Unzuläng- lichkeit der materialistisben Weltanschauung und gruppirt dann dea Stoff ia folgende Abschnitte: Die Welt als Inhalt des Bewußtseins, Die Idealität des Raums, Die Idealität der Zeit, Der Verstand und die Bedingungea der Erfahrung, Die Existenz von Gegenständen und die empirische Realität von Raum und Zeit, Die Dinge an sib, Die Apriorität des Raumes und die mathematishe Spekulation, Naturgeseß und Naturerkenntniß , Die Schranken des Erken- nens (Verstand und Vernunft), Die Idee der Freiheit, Scele Unsterblichkeit Gott, Die Metaphysik und die Philosophie. Das am Schluß angehängte alphabetishe Verzeichniß der wichtigsten Begriffe und Erklärungen wird dea popularijirenden Absichten der Scrift besonders förderli sein. Aber auch den Fachmann dürfte mande originelle Ansicht und Auffassung interessiren und die Schrift namentlich dem Anfänger in der Philosophie eine willkommene Pro- pâdeutif für das Verständniß der Hauptwerke des großen Königsberger Denkers darbieten, auf dessen gewaltige, nur vorübergehend verkannte und dur evbemere Erscheinungen verdunkelte Errunger schaften die neuere Philosophie nit ohne Grund mit dem größten Eifer wieder zurükgreift. Wie Lafßwitz, ten Ueberhebungen mancher Neuern gegenüber, die sich zu jenem Riesen wie Pygmäen ausnehmen, mit Recht hervorbebt, ist dies ein teutlies Zeichen dafür, daß man sich der unüberschreitbarea Grenzen unscres Intellekts erinnert und wieder auf eine besonnene Entwicfelung der Philosophie hoffen darf, welber sich ja innerhalb des Erfahrungsgebiets jeßt ein unermeßlihes Feld der Forschung er- ¿fnet. Je weiter sich die Gebiete dcr einzelnen Wissenschaften aus- dehnen, je tiefer und sorgfältiger der Verstand in die Geseße der Er- \cheinungen eindringe, je freisinniger die ästhetishe Empfindung, je kräftiger das ethishe Gefühl, je reicher sih der ganze Inhalt des Lekens gestalte, um so mehr mate sich_ das Bedürfniß des menschbliden Geistes nah Einheit der Erkenntniß geltend. Und hier bleibe es stets die sich ecneu:rnde Aufgabe, alle die Kräfte, die im großen Weltprozesse arbeiten, übersichtlih um ein gemeinsames Centrum zu gruppiren und auf einen einheitlichen Gesichtspunkt zu beziehen, so val Wissenschaft und Leben getragen werden von der gleihmäßigen Befriedigung vertiefter Einsicht, welche allein die Philo- \ophie zu geben vermag. Das vortreffliche, fesselnd und aründlih belehrend ge\{riebene Werkchen bietet ein {äßbares Hülfsmittel zur Ecreichung dieses hohen Ziels.

Nach dem Jahresbericht des Friedrichs - Gymna- fiums in Berlin über das Schuljahr 1882—83, erstattet von dem Direktor Prof. Dr. Kempf, betrug die Zahl der Schüler des Gym- nasiums und der mit demselben verbundenen Vorschule bei Abfassung des vorigen Jahresberichts 803. In diesem Schuljahr besuchten die Anstalt, die aus 15 Gymnasialklassen und 3 Vorschulklassen besteht

Frequenz mehrte sih zu Michaelis v. F.

89, die Vorschule aber im Sommersemester 190, im Wintersemester 6" die ganze Anstalt also im Sommersemefter 769, im Winter- fmester 785 Scüler. Nach der Religion theilten sid die Schüler des sommersemesters in 484 evangelische, 25 fatholishe, 259 jüdiscbe, 1 Dissident, die des Wintersemesters in 491 evang., 28 fathol., 265 dishe uod 1 Dissident; nab dem Wohnort der Eltern dec Schüler A des Sommersemesters in 736 Berliner, 30 von auswärts, 3 Aus- & finder, die des Wintersemesters in 761 Berliner, 21 von auêwärts, Ausländer. Unter diesen befanden sich neu aufgenommen im Som- nersemester im Gymnafium 61, in der Vorschule 44; im Winter- emester im Gymnasium 61, in der Vorschule 42 Scbüler. Mit Beginn des Schuljabres wurden in allen Klassen voa Serta bis üUntersefkunda Wechselcôten eingeführt. N2ch den zwei Entlafungs- prüfungen, verließen die Anstalt mit dem Zeugniß der Neife zu Ostern v. J. 11, zu Michaelis 6 Abiturienten. Dem Pro- ¡ramm des Friedrihs-Gymnasiums für Ostern 1883 ist als wissenscaft- ice Beilage die Abhandlug des Oberlehrers Johannes Müller : „Luthers reformatorishe Verdienste um Swule und ünterriht“ beigefügt. In derselben handelt der Verfasser ein- gebend zuerst von den Bemühungen Luthers um Aufri@tung und Ein- rictung criftliber Scbulen, besonders Seitens dec Bürgermeister und Rathsherren der Städte, und sodany von Luthers Anschauungen in Bezug auf die einzelnen Unterrichtsgegenstände und hat dur diese seine verdienstiihe Arbeit ohne Frage zur Würdigung der Leistungen Luthers auf vem Gebiete der Pädagogik nicht unwesentlih beigetragen. Das Königliche Luisen-Gymnafium zu Berlin, dessen diesjähriges Programm soeben erschienen, wurde am 24. April v. I. mit 5 cigentliben Gymnasialklassen (Ober- und Unter-Tertia, Quarta, Quinta und Sexta) und einer Vorsbule von 3 Klassen er- öffnet und im Sommersemester von 243 Scbülern besucht, und zwar das cigentlihe Gymnasium ven 132, die Vorschule von 111. Tie und stieg auf 330 S@üler, und zwar betrug selbige im Gymnasium, das zu den bereits vorhan» denen Klassen no eine 2. Serta erhielt, 174, in der Borscbule 150 Schüler. Von diesen Schülera waren evangelisch 288, Tathbolis 22, jüdish 15, Dissidenten 5. An dem eigentlichen Gymnasium unterricteten 7 ordentliche Lehrer, 1 wissenscaftlicher Hülfslehrer und 2 Kandidaten, an der Vorshule 3 Vorschullehrer. Den Scbulnachrichten geht in dem Programm ein Bericht über Eröffnung und Einrocihung der Anstalt im verflofsenen Jahre vorauf. In dem- selben wrden die Rede des Geheimen Regierungs- und Provinzial- Sdculraths Dr. Klix zur Einführung des Direktors und Lehrer- Follegiums sowie die Antrittsrede des Direktors Professor Dr. W. Schwartz mitgetheilt. 2 Das Kaiserin - Augusta-Gymnasium in Char- lottenburg wurde während des Wintersemesters 1882—83 in 10 Klassen von 304 Schülern besucht; die dreiklassige Vorschule zählte 129 Schüler. An der Anstalt, deren Direktor Dr. Schult ist, wirken 20 Lehrer. Der JIahresberidt des Gymnasiums enthält außer den SHhulnachrichten eine Abhandlung von Dr. Paukstadt über den „Begriff des Schönen bei Schiller“.

B zwar das Gymnasium im Januarsemester 579, im Wintersemester

Veterinärwesen.

Als Termin für die Eröffnung des in Brüssel stattfindenden 4. internationalen Kongresses für Thierarzneiwe]en ist der 10. September d. I. festgeseßt worden.

Gewerbe und Handel.

Der Cours für die jeßt hier zahlbaren österreichischen Silbercoupons ist heute auf 171 4 für 100 Fl. österr. Silber erhöht worden. i E

Glasgow, 27. März. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 12421 gegen 12 375 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres. :

New-York, 26. März. (W. L. B.) Weizenverschif- fungen der leßten Woche von den atlantishen Häfen der Ver- einigten Staaten nah Großbritannien 118 000, do. na Franks rei) 40 000, do. na anderen Häfen des Kontinents 30 000, do. von Kalifornien und Oregon nah Großbritannien 60 000 Quarters.

Verkehrs-Anstalten.

New-York, 27. März. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Westphalia*“ ist hier eingetroffen.

Berlin, 28. März 1883.

Sitzungen der ständigen Kommission für das technische Uiterrihtswesen.

Die ständige Kommission für das technische Unterrichts- wesen, welche auf Grund eines Beschlusses des Abgeordneten- hauses, dem die Staatsregierung ihre Zustimmung ertheilte, seit 3 Jahren in Wirksamkeit steht, trat am Montag, den 12. März, Abends 6 Uhr, im Neubau des Unterrichts-Mini- steriums (Unter den Linden 4) zu einer Sißung zusammen.

Anwesend waren die Herren: Rathszimmermeister Balß, Baurath Böckmann, Graf Dönhoff-Friedrichstein, Mitglied des Herrenhauses, Baumeister Felish, Direktor des Kunst-

ewerbe-Museums Grunow, Freiherr von Heereman,

ize-Prösident des Abgeordnetenhouses, Unter - Staats- sekretär a. D. Dr, Jacobi, Direktor der Ber- liner Handwerkershule FJessen, Geheimer Kommerzien- Rath Henschel, Fabrikbesißer Kalle, Direktor der Berliner Maschinenfabrik Kaselowsky, Graf Limburg-Stirum, Mitalied ‘es Abgeordnetenhauses, G. heimer Kommerzien-Rath Mevissen, Mitglied des Herrenhauses, Kunstschlossermeister Puls, Bau: rath Professor Raschdorff, Bergrath Dr. Schult, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Graf Udo zu Stolberg - Wernigerode, Mitglied des Herrenhauses, Stadtrath Dr. Stort, Professor Dr, Windckler und Freiherr von Zedlig-Neukirh, Mitglied des Abgeordnetenhauses. Außerdem war in der Kominission ver- treten : das Ministerium für Handel und Gewerbe durh den Unter-Staatssekretär von Möller, das Ministerium der öffent- lien Arbeiten durch die Geheimen Oberbau: Räthe Giersberz und Schwedler, das Ministerium für Landwirthschaft 2c. dur den Geh. Regierungs-Rath Dr. Thiel. Als Referenten für das Unter- rihts-Ministerium fungirten die Geh. Ober-Regierungs-Räthe Lüders und Pr. Wehrenpfennig; als ProtokoUführer Regie- rungs-Assessor von Bremen. Entsczuldigt waren meist wegen Krankheit, Geh. Kommerzien-Rath Heimendal, Landrath gessen, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Ober-Bürgermeister

iquel und Stadtverordxeten-Vorsteher Dr. Straßmann, Mitglied des Abgeordnetenhauses. f

Der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten von Goßler eröffnete die Sizung nah 6 Uhr unter Be- grüßung der erschienenen Mitglieder und leitete persönlich die Verhandlungen. Auf der Tagesordnung standen die beiden der Kommission vor einigen Wochen Übersandten und auch dem Landtag mitgetheilten Denkschristen, von denen die eine die Fortbildungs- schule und deren Statistik, die andere die Entwickelung der gewerblichen Fahschulen in Preußen betrifft.

Die Diskussion über die Fortbildungëschulen wurde dur ein Resumé des Referenten Geheimen Ober-Regierungs-Raths Dr. Wehrenpfennig im Anschlusse an die Denkschrift eingeleitet. Nach derselben bestehen gegenwärtig in Preußen 1261 Fort- bildungssculen rut zusammen 68 766 Schülern. Von jenen Anstalten sind 644 gewerbliche, 617 ländliche Fort- bildungs\hulen, jedoch fallen auf die ländliben nur 10395 Schüler, während die gewerblihen Anstalten 58 371 Besucher zählen. Von den kehteren hat etwa die Hälste auf Grund von Ortsstatuten, welhe in Gemäßheit der Gewerbeordnung vom 21. Juli 1869 erlassen sind, einen obligatorischen Charakter, während die andere Hälfte, darunter die Anstalten fast aller größeren preußishen Städte, mit der verhältnißmäßig zahlreiheren Frequenz und ausgedehn- terem Stundenplan, auf freiwilligem Besuch beruhen. Der Referent sührt aus, daß die Ergebnisse der Statistik im Ganzen nicht unerfreulih feien, daß aber die Erfolge, welche beispielsweise in Württemberg auf diesem Gebiet erzielt wür- den, in Preußen noch nicht hätten erreicht werden können, da die verfügbaren Staatsmittel hier viel geringer sei-n als die, welhe Württemberg aufwende. Es wurde dann an der Hand der vorgelegten Statistik dargestellt, in welchem Umfang der Sonntag sür den Unterriht der gewerblihen Forts bildungsshulen zur Zeit verwandt werde, welche Gesichts- punkte die Unterrichtsverwaltung seit 1850 bci der Zulassung des Sonntags-Vormittags-Unterrichts geleitet hätten, und warum die Benußung des Sonntags-Vormittags uneingeschränkt nur für solche Anstalten zugelassen sei, deren Besuch auf dem freien Willen dex Schüler, resp. ihrer Eltern und Lehrherren beruhe.

In der nun folgenden Diskussion wurde die Frage des Sonntagsunterrihhts zuleßt behandelt, und zunächst die sonstigen duch die Denkschrift angeregten Punfte zur Besprechung gezogen. Einmüthig erklärte sich die Kommission dahin, daß, wie man auch über die Durhführbarkeit oder Nüßlichkeit einer allgemeinen obligatorishen Fortbildungsshule denken möge, doch die hier zur Verhandlung stehenden gewerb- lihen Saulen, welche der fahlihen Ausbildung der ver- chiedenen Zweige des Handwerks und der Gewerbe dienen sollten, nur fatîultativ eingerihtet werden könnten. Das Kapital, welches der Staat in diesen gewerblichen Anstalten anlege, werde sich durch die Hebung der Gewerbe und das Wachsen des Wohlstandes wohl verzinsen. Jn dieser Richtung wurde von dem Fabrikbesißer Kalle der nachstehende An- trag eingebracht: „Die ständige Kommission für das technische Unterrichtswesen spriht dem Herrn Unterrichts-Minister für die in Ausführung ihres Antrags vom 24, Februar 1881 auf- gestellte und durch eine Denkschrift erläuterte Statistik der Fortbildungëshulen ihren Dank aus, fowie den Wunsch, daß die Unterrichtsverwaltung auh in den folgenden Fahren be- strebt sein möge, den im Vergleih zu dem Umfang der Auf- gaben und zu den Leistungen anderer Staaten, insbesondere Würiteu:bergs, auf diesem Gebiet nicht zureihenden Staats- fonds zu Zuschüssen sür gewerbliche Fortbildungëshulen zu verstärken.“ Der Antrag wurde von der Kommission ein- )stimmig angenommen.

Bei der Besprehung der Frage des Sonntagsunterrichts lagen folgende Anträge zum Grunde:

1) von dem Abgeordneten Freiherrn von Heereman :

„Die Kommission wolle beschließen sich dahin auszusprechen, daß es erforderlich ersheine, an den Vormittagen dex Sonn- tage diejenigen Stunden von dem gewerblichen Unterrichte frei zu lassen, in welche der kirhlihe Hauptgottesdienst fällt, so daß also der Besuch dieses Gottesdienstes dur den Unterricht nicht gestört werde ;“

9) von dem Abgeordneten Graf Limburg-Stirum und dem Grafen Udo zu Stolberg-Wernigerode :

„Die Kommission spricht ihre Ansicht dahin aus, daß der Unterricht während des Sonntags Vermittags an cewerb- lichen Fortbildungs\hulen nur insofern zu gestatten ist, als LE für den Bestand der betreffenden Schulen nothwendig erscheint ;“

3) von dem Abgeordneten Bergrath Dr. Schult:

„Die Kommission hält die Benußung des Sonntags Vormittags für den gewerblichen Fortbildungs Unterricht nicht entbehrlih, is indessen der Meinung, daß dieser Unterricht der Regel noch auf das Zeichnen zu beschränken sei ;“

4) von dem Direktor Kaselowsky :

„Die Kommission \priht nah Einsicht in die Statistik des Sonntagsunterrihts an den gewerdblihen Fortbildungs- {Gulen und verwandten Anstalten ihre Ansicht dahin aus, daß unter den heutigen Verhältnissen eine Beschränkung des Sonntags-Vormittags-Unterrichts auch an solhen An- stalten, welhze auf freiwilligem Besuch beruhen, den Bestand und die Entwickelung dieser Anstalten, sowie ihre Wirksam- keit für cine bessere fahlihe Ausbildung der jungen Leute aus dem Handwerker- und Gewerbesiande voraussichtlich {chwer schädigen würde,“

5) von dem Abgeordneten Freiherrn von Zedliß-Neufkirch: „Die Kommission erklärt: der Unterricht am Sonntag-Vor- mittag kann zur Zeit für die gewerblichen Fortbildungeschulen und verwandten Anstalten nicht entbehrt werden.“

Nacz mehrstündiger Diskussion wurde dieser leßtere Antrag bei der Abstimmung, bei welcher die Kommissarien der be- theiligten Ministerien sich meist der Abstimmung enthielten, mit 17 gegen 5 Stimmen angenommen. Von den vorher zur Abstimmung gekomnienenu Anträgen hatte der Abg. Frhr. von Heereman 1 Stimme, der der Grafen Limburg-Stirum und Stolberg-Wernigerode 3 Stimmen erhalten. Ein Mit- glied, welches sih im Uebrigen für eine möglichst baldige Be- seitigung des Unterrichts während des Gottesdienstes aus- gesprochen hatte, enthielt sih dei beiden Anträgen der Abstim- mung. Die Anträge des Direktors Kaselowsky und Abg. Bergrath Dr. Schuly waren zu Gunsten des Zeolißshen An- tcags zurückgezogen. Seitens der Mitglieder, welche den Verhältnissen des Handwerks und der Gewerbe, mit Ein- {luß des Kunstgewerbes, näher stehen, war durchgängig die Ansicht vertreten worden, daß der gegenwärtige Zustand, bis es etwa gelinge, einen halben Wochentag für den betresfen- den Unterricht zu gewinnen, beibehalten werden müsse, wenn nicht die heute segensreih wirkenden gewerblichen Anstalten in ihrem Bestande bedroht werden sollten. :

Da für den zweiten Gegenstand der Tagesordnung, die Entwickelung der gewerblihen Fahshulen, am Mon- tag Abend nur noch wenig Zeit blieb, so wurde die Diskus- sion zwar begonnen, aber gegen 10 Uhr auf Dienstag, den 13. März, Abends 6 Uhr, vertagt.

Die Sizung wurde an diesem Tage von dem Ministerial- Direktor Greiff, welcher an Stelle des dur andere dringende Dienstgeschäste verhinderten Ministers von Goßler den Vorsiß

übernahm, eröffnet. Gegenwärtig waren im übrigen dieselben Mitglieder wie am Tage vorher. Die Grundlage der Diskussion, an welher die Mehrzahl der Anwesenden sih betheiligte, bildete die vom Referenten Geheimen Ober-Regierungs-Rath Lüders in einzelnen Punkten näher erläuterte „Denkschrift über die Entwickelung der gewerblichen Fachshulen in Preußen, soweit dieselben zum Ressort des Ministeriums der gzistlihen und Unterric@tsangelegenheiten gehören, während der Jahre 1881/82“ und ein bereits am vorigen Tzge von dem Unter- Staatssekretär a. D. Dr. Jacobi eingereihter und mittler- weile vervielfältigter Antrag, dessen Worlaut hier folgt :

„Die ständige Kommission für das tehnishe Unterrichts- wesen spriht nach Kenntnißnahme von der Denkschrift aus dem Februar 1883 wiederholt die Ueberzeugung aus, daß zufolge eines dringenden Bedürfnisses für die Errihtung und Subventionirung von Fachschulen größere Mittel als bisher zur Verfüpung gestellt werden müssen. Unerläßlih erscheint zu diesem Behuse eine wesentlihe Erhöhung des Dispositions- fonds für das technishe Unterrichtswesen.

Die Baugewerksshulen würden nach Ansicht der Kom- mission in der Weise von dem Staate zu übernehmen sein, daß die Gemeinden außer den Baulichkeiten und der ersten Beschaffuig des Jnventars nur ein-n festen Zuschuß von eiwa 6000 M zu leisten hätten. Das Schulgeld auf den Baugewerksschulen wird wesentlih verringert werden müssen.

Bei anderen als Baugewerks\{hulen wird von einem be- stimmten und gleihmäßigen Beitragsverhältniß der Stadt- gemeinden abgesehen werden müssen. Tüchtige Lehrkräste sollten auch mit Aufwendung außerordentlicher Mittel ge- wonnen werden.

Die reichere Doticung des Kunstgewerbe-Museums in Berlin zur Vervollständigung der Sazammlung und der Bibliothek, fowie zur Verfolgung der S. 30 der Denkschrift bezeichneten ferneren Zwecke liegt im Jnteresse der gesammten deutshen Jndustrie. Auh würde sih die Uebernahme dieses Museums als Staatszanstalt unter Beibehaltung eines sach- verständigen Beiraths empfehlen.“

Während der Verhandlung wurde von dem Bergrath Dr. Schuly und dem Baumeister Felisch noch der folgende Antrag gestellt :

¡ie Kommission spriht dem Herrn Minister ihren Dank aus für die ihr vorgelegte Denkschrift über die Entwick-lung der gewerblihen Fahschulen und beantragt :

). Königliche Staatsregierung wolle Vorsorge treffen,

1) daß an allen vom Staate unterstüßten und beaufsih- tigten gewerblichen Fachschulen niedrige Schulgelder erhoben, sowie für ärmere und würdige Schüler derselben ausreichende Stipendien bewilligt werden können,

2) daß den Lehrern dieser Schulen, soweit nicht die be- sondere Art des Gewerbes eigenthümlth2 Bedingungen der Anstellung nöthig macht, die den Lehrern gleicher oder ähn- liher Vorbildung eingeräumten Kompetenzen zugestanden werden,

3) daß bei Heranziehung der Gemeinden zu den Shul- lasten die Verpflihtung derselben niht darüber hinausgehe, Schulgebäude und Jnventar zu stellen, sowie ein Viertel des Defizits zu tragen,

4) daß bei denjenigen gewerblihen Unterrichtsanstalten, welche ihre Schüler zu Meistern ausbilden wollen, mehrjährige Praxis als Aufnahmebedingung gefordert, Abgangsprüfung und Zeugniß unter staatlicher Kontrole gestellt werde,

5) daß bei den vom Staate beaussihtigten und unter- stüßten Baugewerkschulen insbesondere soweit Solches nicht chon geschehen die IV. Klasse und Somnerkurse eingeführt werden.

IT, Königlihe Staatsregierung wolle erwägen die Er- rihtung und Unterstüßung von Fahshulen in solchen Landes- theilen und für solhe Gewerbszweige, welche dieselben bisher entbehren, endlich

ITI, die für die bezeihnete Entwike!ung des gewerblichen Fachshulwesens in Preußen erforderlichen Mittel bei den maß- gebenden Faktoren baldthunlichst nahzusuche!n.

Von allen R:dnern wurde anerkannt, daß der bisher von der Verwaltung des tehnishen Unterrichtswesens eingeschlagene Weg der rihtige sei und daß bei der Beschränktheit der zu ihrer Verfügung stehenden Mittel mehr nit habe gethan werden köanen, daß aber die Aufwendung größerer Mittel im Fnteresse der deutschen Industrie und zur Hebung des Nationalwohlstandes unerläßlich sei, sowie daß diese Mittel zum größten Theile staatsseitig gewährt werden müßten, da die seit einer Reize von Jahren gemachten Erfahrungen bewiesen hätten, daß das Festhalten an dem Verlangen, die Gemeinden sollten sür eine gewerbliche Fachshule das Gebäude herstellen und unterhalten und außerdem die Hälfte des jährlich erforderlihen Zuschusses tragen, die Ent- wickelung dieses Zweiges des Unterrichtswesens gegen andere Zweige, deren volle B.rechtigung übrigens allseitig anerkannt wurde, und gegen den Stand desselben in anderen Staaten bisher in bedaucrliher und nicht länger zu ertragender Weise zurück chalten habe. Es wurde dabei hervorzehoben, daß nah der in der Daikschrift S. 3 und 4 mitgetheilten ZU- fammenstelung die für den tehnishen Fachunterricht der in Rede \t: henden Gattung bestimmten Fonds des Unterrichts- Ministeriums in den drei Etatsjahren vom 1. April 1881 bis 31. März 18834 um 4215708 4 im Ordinarium verstärkt seien und zu einmaligen Ausgaben für den gleihen Zweck im Extraordinarium 543 800 M bestimmt worden seien. Ziehe man von jener Summe “aber den Be: trag von 148 430 M. av, um welchen die Dotation des Kunst- gewerbemuseums in Berlin übrigens zum größten Theil zur Bestreitung reiner Verwaltungsausgaben, welh2 durch die Verlegung desselben in ein neues größeres Gebäude noth: wendig geworden sind, erhöht worden ist, so bliebe der ver- \{hwindend kleine Betrag von 67 278 # 1m Ocdinarium übrig, und wenn man von den Ausgaben des Ertra- ordinariums den unter besonderen, außerhalb des technishen Unterrihts liegenden Unständen der Stadt Düsseldorf gewährten Zuschuß zur Herstellung eines Gebäudes für ein Kunstgewerbe-Museum und eine Kunstgewerbeschule von 180 000 \ und den Antheil des Staats an den Kosten der Erbauung und Einrichtung der neuen Webeschule in Crefeld mit 325000 M abrehnz, so seien extraordinäc nur 38 500 M verfügbar gemaht worden. Von dem Referenten wurde auf die Anfrage eines Mitgliedes der Kommission mit- getheilt, daß die Befriedigung der in dec Denkschrift erwähn- ten, von keiner Seite in Abrede genommenen Bedürfnisse und eine mäßige Verstärkung des Dispositionsfonds für das tech- nische Uaterrichtswesen, welch2 nothwendig sein würde, um

die Unterrichtsverwaltung in den Stand zu seß2?n, wie aliseitig gewünscht wurde, auch die versuchsweisen Bestrebungen voi

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