1904 / 52 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Mar 1904 18:00:01 GMT) scan diff

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zu leben. Aber wenn ih die Wahl haben follte,_ ob ih in dem sozialistishez Zukunftsstaat der Herren Bebel und Haase oder unter der zarishen Regierung leben wolle, so würde ih die leßtere wählen ; denn in dieser würde mir ein arôsßeres Maß von perfönliher Freiheit gewährleistet sein. Wir haben alle Veranlafsung, Rußland nicht zu ärgern. Wir haben feine follidierenden Intere)jen,

wobl aber gemeinsame, auf die ich jeßt niht näher eingehen

will Der Vertrag mag vielleicht etwas \charf_ gefaßt sein. Wollten wir aber jeßt, wo Rußland in einen {weren Krieg

verwickelt ist, den Auslieferungsvertrag abändern, }o würde dies ein Heraustreten aus der Neutralität sein, die wix Rußland gegenüber zu beobachten haben. Es ist mir zweifelhaft, ob die preußischen Minister bier bâtten erscheinen sollen. Ihr Forum 1k das preußishe Ab- geordnetenhaus. Wenn auch die Minister aller anderen Einzelstaaten hier Nechenschaft geben müßten, so würden die Reichstagsverhandlungen {ließli überhaupt kein Ende mehr nehmen. C8 würde lein wie mit dem beim Aufwinden kein Ende nahm, sodaß einer von den Umstehenden bemerkte: da wird das Ende wohl ab- geschnitten sein. Wir könnten einen zweiten Reichstag errihten, der fi besonders mit diesen Dingen zu befassen bätte. Die Sozialdemokratie weist stets fo scharf jede Verbindung mit dem Anarchismus zurü und kann ihn immer nit genug brandmarken. Aber in dem sozialdemokratisch- historischen Kalender sind alle Fürstenmorde mit ihrem Datum auf- geführt. Die Wichtigkeit und die Notwendigkeit eines gemein]amen deutschen Fremdenrechts sehe ih niht ein. Ih habe es tmmer unrecht aefunden, daß die Ausländer zu un]eren deutschen hervorragenden Techniscen Hochschulen und Universitäten, die von dem Gelde unserer Steuerzabler eingerichtet und unterhalten werden, zu den ganz gleichen

as eine ist daher

L 4 M Tau, das

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Bedingungen Zutritt finden, wie die Inländer. - ist d selbstverständlich, daß sie si unserer Disziplin fügen und sich jeder

21 und na unserem Lande hin enthalten. iert, daß wir nicht cin freies Alsylrecht haben

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Agitation nach ihrem ei Herr Haase hat es beda1 | 1) Le Sind: ‘Aber England ist eine Insel, und dadurch sind dort hon gewisse Schranken geseßt, man darf auch nicht verge}}en, daß dort eine durch Jahrhunderte gefestigte monarcische Verfassung be- steht. Von den von sozialdemokratisher Seite erhobenen „Ans \huldigungen ist au niht das mindeste erwiesen. Unsere preußische Regierung ift in der Tat den russischen Nevoluttonaren init großer Humanität begegnet. Abg. Haase (Soz): Den Vorwurf, daß ih den Königsberger Gebeimbundprozeß hier vor setner Entscheidung zur „Sprache brate, muß ih auss allerentshiedenste zurückweisen. Ich Habe diesen Prozeß nur erwähnt , inwieweit geseßliche Bor- riften des Verfahrens nicht beachtet worden Jeien; das haben bei verschiedenen Anlässen alle Parteien getan. Wenn _jeßt erklärt wird, daß von allen meinen Behauptungen und Beschuldigungen nihts übrig geblieben üt, 10 sind die Nationalliberalen, und Konservativen gar fehr bescheiden _geworden. _ Bei der egierung besteht natürlich der Wuns, daß folche Erklärungen abgegeben werden; darum sind sie erfolgt. Das russische Spionagesystem be- teht in Deutshland, wenn auch der Chef der preußischen Polizei nichts davon hat erfahren können. Herr von Hammerskein hat von vornberein unsere Behauptung im Abgeordnetenhau}e sür Flunkereien erklärt; wenn man auf solhem Standpunkt steht, ist man schr {chlecht zur Erforschung der Wahrheit geeignet. Die Feststellung, daß in Stettin Briefe an den Abg. Herbert auf der Post von fremder Seite weggenommen find, ist dem Herrn von Hammerstein E un- angenehm gewesen. Im Abgeordnetenhause meinte er, das sei {on vor zwei Jahren geschehen also darüber jet Gras gewachsen; hier wurde ihm nachgewiesen, daß es erst im vorigen Sommer geiwe|en sei, und da meinte er, das sei gleichgültig. Herr Spahn hat sih in diesem Punkte auf unsere Seite gestellt. Ferner heißt es, es fei nicht nachgewiesen, daß die Postbeamten in Königsberg voa E zur Auslieferung der Schristen veranlaßt worden seien. Natürlich nit, weil man unterlassen bat, das zu untersuchen. Ich habe von meinen Ausführungen nihts zurückzunehmen gehabt, „dagegen hat der preußische Justizminister seine Giflärung vom 22. Februar ganz erheblich einschränken müßsen. Immer und immer wieder hat man uns beute das Lied gesungen: aus politischen Rücksichten muß so verfahren werden, es gilt, Nußland bei guter Stimmung zu erhalten. Um Vertrauen in St. Petersburg _zu erweden, wie es der Zar verlangt, weist und liefert man dle Rufsen aus, begeht man Taten, die aller Kultur Hohn sprechen. Mit Hohn und Spott hat der Kanzler von „Schnorrern®“ ge|prochen , ‘die Deutschland sh nit gefallen lajjen durfe; mit „solchen Urteilen glaubt man diesen Elementen gerecht zu werden. Muß uns denn nit die S&amröôte ins Gesicht steigen, wenn wir _hôren, daß cin Staatsanwalt in Oberschlesien die rufs\1\{e Polizei besuht, um ihr die Namen von Personen mitzuteilen, die den Tranêpor illegaler, d. h. nad russis&er Anschauung illegaler, in Deutscbland erlaubter Schriften hon? Der Kanzler hat keine Ehre beute g

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a Qubland hetrôöthen 2

N R bestätigt, was wir längst ‘wußten, daß die deutsche Regierung vor Rußland kriecht.

Preußischer Justizminister Dr. Schönstedt:

Meine Herren! Jch habe mich auf diese Seite begeben, um den Herrn Abg. Haase besser zu verstehen, weil ich annahm, er würde noch sehr erbebliche und wesentliche Dinge vorbringen. In dieser Erwartung sehe ih mi vollständig getäuscht. (Zuruf von den Sozial demokraten.) i

Der Herr Abg. Haase ist heute wie Hauptsache herumgegangen und hat sh in

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vorgeßern um die allerlei Neben-

betrachtungen ergangen, die den Hauptgegenstand kaum be- rübren. Ih möchte auch bezweiseln, day der Herr MReichs- kanzler noch Veranlassung nebmen wird, auf die Exkursionen

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des Herrn Abg. Haase einzugeben. I babe ihm jedenfalls nur noch zu widerlegen versuckht, am Sonnabend gesagt habe. Der erste Puntl betraf ein Geständnis oder ein Zugeständnis des Beschuldigten Nowcgrodzki in Königsberg. Ich habe ledialich- gesagt, daß diefer Beschuldigte na cirem mir erstatteten Bericht zugegeben habe, daß die bei ihm beslagnahmten Schriften von einem gewissen Skubik in Zürich nah vorberiger Ankündigung ihm zugeschickt seicn. Der Abga. Haase hat mir etwas ganz anderes in den Mund nach seiner Dar- siellung bätte ich gesagt, Now ogrodzki habe zugegeben, sich die \ämtliden, au die terrorislishen Schriften von Skubik bestellt zu baben. Das will ich also richtig stellen. Der Herr Abgeordnete meint, daß Nowogrotzki sich die Zusentung anarc;istischer Schriften dem Sfkubik gegenüber ausdrüdlich verbeten habe. Zuruf von den Sozialdemokraten.) Selbstverständlih, wie Sie sagen. Nach tieser Aeußerung tes Herrn Abg. Haase scdeint der Be- \{uldigte mit der Möglichkeit gerechnet zu haben, daß ihm Sfkubik nit bloß sozialdemokratische, sondern auch terrorislische Sriften übersenten werde oder wolle. Ich lasse es dahingestellt, welche Folgerungen hieraus zu ziehen sind.

Dann ist der Herc Abg. Haase am S({blusse seiner Ausführungen mit einer Zeitungsnotiz hervorgetreten, die mir auch vor- liegt: sie findet sch in der sozialdemokratischen „Breslauer Volkéwacht*. Es wird darin die Behauptung aufgestellt, ein deutscher Staatsanwalt habe sich mit russischen Polizeiagenten in Verbindung gesetzt, ihnen die Namen ùver deutschen Untertanen genannt, die in tas Königéberçer Versahren verwielt find, und zuglei um Mitteilung gebeten, ob etwa dort bekannt sei, welche Perfonen, Russen oder Preußen, an diesem Zeitungss{hmuggel beteiligt seien. Jch kann auf Grund des mir von der Staals-

Fn zwei Punkten hat er

wenig zu erwidern.

was ih

gelegt ;

anwaltschaft in Königsberg erftatteten Berichts erklären, daß diese Behauptung unwahr ist. (Hört! hört! rets.) Die Staatsanwalt- schaft is niht mit irgend welchen russischen Polizeiagenten oder Polizeibehörden in Verbindung getreten, sondern mit russishen Pro- furatoren. Sie hat dabei die Beschuldigten nambaft gemacht, und hatte um so weniger Veranlassung, hiervon Abstand zu nehmen, als diese Namen der russishen Regierung {hon bekannt gegeben waren und bekannt gegeben werden mußten, als diese Negierung ihre Straf- anträge gestellt hat. Sie hat an die Prokuratoren die Anfrage ges rihtet, ob dort die russishen Untertanen bekannt seien, welche gemeinshaftlih mit den Beschuldigten den Schriften-

\{chmuggel betrieben hätten, und um Auskunft hierüber gebeten. Fa, meine Herren, das ist bei einem Verfahren, wie das vorliegende, durchaus natürlich und selbstverständlich. (Sehr riGtig! rechts.) Es handelt sch eben um die Ueberführung der Ançeshu digten, denen zur Last gelegt wird, mit den Russen gemeinschaftliche Sache gemacht zu haben. Wie darin also etwas Verfänglißes gefunden werden fann, daß um die Namen der Russen gebeten worden ist, ist mir un- verständlich. (Rufe links: Der Schlußsaß!) Der Schlußsaßz lautet :

Zum Schluß hat der Staatsanwalt gebeten, die Namen der Personen, welche von dar russishen Regierung des Transports illegaler Schriften verdächtigt worden sind, zu nennen.

Das ist der Schlußsaß, der meines Erachtens keine weiterere Er- läuterung erfordert. Dahinter steht allerdings noch ein Sag, wenn der vielleiht Gegenstand Ihres Zwischenrufes bildete, so will ih ihn verlesen, er lautet :

Die Einigkeit mit dem Zarenreich.

(Heiterkeit.)

Nun habe ih mich noch mit dem Herrn Abg. Bebel zu be- \{äftigen. Auch da will ih nicht seinen uferlosen Abschweifangen folgen, von denen der Herr Abg. von Kardorff, wie ih glaube, mit Recht, angenommen hat, daß sie keinen anderen Zweck haben konnten, als die Aufmerksamkeit von dem Kern der Sache abzulenken.

Der Herr Abg. Bebel hat mit der Aeußerung begonnen, daß meine Haltung in der Sitzung des Abgeordnetenhauses eine unangemessene gewesen sei. Diese Aeuß&ung weise ih als eine durchaus ungehörîge Ucberhebung des Herrn Abg. Bebel hiermit zurück. (Sehr richtig! rechts.)

Der Herr Abg. Bebel hat ferner behauptet, ih hätte am Sonn- abend hier einen Rücfzug angetreten und das abgeschwächt, was ich im Abgeordnetenhause gesagt habe. Auch das wird, glaube ih, unter den Mitgliedern des hohen Hauses wenig Zustimmung finden. Ich habe keinen Rückzug angetreten, ih bin nur einer mißverständlicher Auffassung dessen, was ih im Abgeordnetenhause gesagt habe, ent- gegengetreten und habe den Sa(verhalt weiter klar gestellt. Das ilt fein Rückzug und keine Abschwächung.

Dann bat der Herr Abg. Bebel mich wiederum gefragt, woher mir denn die Kenntnis des Afkteninhalts gekommen sei, wenn die Akten doch niht nah Berlin geschickt worden seien. Er hätte fich das eigentlich selbst sagen können. Ich habe ja hon gesagt, daß ich meine Kenntnis auf Berichte der Königsberger Behörde, d. h. alfo natürli der Königsberger Staatsanwalt stüße, daß bie Königs- berger Staatsanwaltschaft mir Abschriften der in Frage kommenden Schriften und Briefe im Auszug mitgeteilt hat. Selbstverständliß hat mir die Staatsanwaltschaft niht alles mit- geteilt. Eine ganze Reihe von Einzelheiten und Kleinigkeiten konnten nicht den Gegenstand ihrer Berichterstattung bilden und find mir daber unbekannt geblieben, und deshalb babe ih auch diese Dinge nit verschweigen können. Der Vorwurf ift also unbegründet, daß ich Einzelheiten absichtlich verschwiegen habe, die mir bekannt gewesen wären oder mir hätten befannt gewesen sein müssen. Was mir be- fannt war und was ich für wesentlich hielt, habe ich ganz offen und ehrlich mitgeteilt. O

Nun hat der Herr Abg. Bebel auszuführen gesubt, daß die Beschuldigten sich zweifellos bei ter Annahme und dem Weiterbetrieb dieser Schriften in gutem Glauben befunden Lätten, fie hätten nur annehmen können, daß es sich lediglich um Schriften sozialdemokra- tischen Inhalts Handelte, Russisch verständen sie nicht, fönnten es weder lesen noch schreiben, und er hat weiter Tatsachen angeführt, für welchen seiner Meinung nach der gute Glauben der Angeschuldigten zu folgern sei. IG weiß nicht, was der Herr Abg. Bebel damit bezweckt hat, ob er mi vielleiht zu Gegenausführungen dahin hat veranlassen wollen, daß die Beschuldigten si nit in gutem Glauben befunden haben. Wenn das seine Absicht gewesen ist, so kann ih nur sagen: auf den Leim gehe ih nit, darauf lasse ih mich nit ein. Ih spreche weder für die Schuld noch für die Unschuld der Beschuldigten, ich habe mi überall nur an objeftive Taisachen gehalten und habe es sorgfältig vermieden, für die Schuld oder Nichts{uld der in das Verfabren hineingezogenen Personen irgend eiwas anzuführen. Der Herr Abg. Bebel ist es also gewesen, der Deduktionen hierüber gemacht hat, niht ih, und i folge ibm auf diesem Wege nicht.

Dann ist es dem Herrn Abg. Bebel offenbar tarum zu tun gewesen, seinerseits jede persönliche Beziehung zu dem Ernst Skubik und zu den Personen, die diese terroristishen Schriften nah Deutschland gebracht baben, in Abrede zu stellen, bezw. Sie zu überzeugen, daß er oder der Parteivorstand damit gar nihts zu tun gehabt babe. Ich babe in der Verktandlung vom 22. Februar einen Brief ver- lesen, worin Skubik an Treptau, mit dem er nach dessen Angabe vor zwei Jabhbren versönliß bekannt geworden ist wenn ich nit irre auf dem sozialdemokratishen Parteitage in Memel, \ckreitt, daß er im vorigen Jahre dem Abg Bebel zu dem Falle Kugel Miiteilupgen gemacht, und folche Mitteilungen wieder- bolt aemadt habe. Ih habe mi lediglich auf den Inhalt des Briefes bezogen, weiter nichts. Wenn der Akg. Bebel in der Lage ist, zu béhaupten, daß Skubik ihm vollkommen unbekannt sei, fo widerlegt das nicht die Tatsache, daß Sfkubik in seinem Briefe von den erwähnten Mitteilungen spriht. Wer die Wahrheit gesagt hat, bezw. fich geirrt hat, ist eine Sache für ih; ih habe jedenfalls nur gesagt, was dem Akteninhalt entsprach.

Die Beziebung der Parteileitung in Berlin zu dem Schriften- \{muagel ist ja auch cffenbar dem Herrn Bebel etwas unbequem. (Lebhafte Zurufe von den Sozialdemokraten.) Eben, fie wird ja abzeleugnet! (Stürmische Zurufe von den Sozialdemokraten : Ab geleugnet! Kann sid denn dcr Ministcr alles gestatten! Glecke des Prâsidenten. Vizepräsitent Dr. Paasche : Darüber habe ih allein zu ents&eiten. Ich würde eingeguiffen haben, wenn der Herr Minister

etwas Unstatthaftes gesagt hätte.)

Meine Herren! Diese Erklärung des Herrn Präsidenten genügt

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mir und überhebt mi der Notwendigkeit eigener Erwiderung.

Also es handelt \ich dabei einmal um den Angestellten deS „Vorwärts“, von dem ich gesagt habe, daß er insoweit in die Sackhe mit verwickelt sei, als auch durch seine Vermittelung Schrifteu- sendungen gegangen find, und daß es immerhin ein eigentümliche® Licht auf die Sache werfe, wenn dieser Herr, als er als Zeuge ver- nommen werden sollte, ob er Schriften unter falscher Deklaration, nämlich als Schuhwaren, an einen der Beschuldigten ge- {chick habe, sein Zeugnis verweigert mit der Begründung, daß er bei wahrheitsgemäßer Aussage sich der Gefahr strafreht- lier Verfolgung ausseßen würde. (Hört! hört! rechts.) So liegt die Sache, und nicht, wie Herr Bebel sie dargestellt Hat. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Der beschuldigte Mertens in Tilsit hatte angegeben, er habe die bei ihm und. etnen anderen Bes(uldiglen vorgefundenen Schriften von den Angestellte des „Vorwärts“ erhalten (Zurufe von den Sozialdemokraten), und daraufhin hat der Untersu(ungsrichter in Königsberg das hiesige Amtsgericht ersuht, den Angestellten des „Vorwärts" als Zeugen darüber zu vernehmen, ob er solche S{riften unter der Deklaration als „Schuhwaren“ abgesandt habe. Darauf hat der Angestellte mit der erwähnten Begründung sein Zeugnis verweigert. Schlüsse aus diefer Tatsache ziehe ih nicht. Ich habe sie angeführt, weil fie mir nit obne Interesse erschien.

9 habe ferner am 22. d. M. mih auf Briefe bezogen, aus in Berlin von einzelnen Beschuldigten mit bineingezogen ist, daß derex Entscheidungen angerufen sind, daß Entscheidungen in gewissem Mèaße in dieser Angelegenheit getroffen sind. Weiteres habe ih nicht gefagl.

Meize Herren, die Hauptsache bleibt für die Herren immer die Behauptung, diese anarchistishen Schriften könnten nur dur rusfische Spitel aus der Schweiz an die barmlosen und gutgläubigen Empfänger geshickt sein. Jh würde den Herren außerordentlich dankbar sein und möchte geradezu zu die Bitte an Sie richten, uns dabei zu helfen, diese Spitzel zu ermitteln. (Sehr richtig! rechts. Zurufe von den Sozialdemokraten.) Sie haben ja wiederholt erklärt, daß Sie viel größere Erfolge haben in der Entdeckung russischer Polizeispißzel, als sämtliche preußischen Polizeibehörden. (Zurufe von den Sozial- demokraten.) Also wenn Sie sich in den Dienst der guten Sache stellen wollen, so tun Sie es do, der Justizbehörde kommt es anf nichts mehr an als auf die Ermitielung des wahren Sachverhalts. Fch wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihre Bemühungen auf die Sr- mittelung dieser Spitel, d. h. der Absender jener Schriften, richteten, nit nur hier, sondern au in der Schweiz, wo sie eigentlich steckdex \follen und wohin ja Ihre Beziehungen auch reihen. Wenigstens hat der Herr Abg. Haase ja die Bezichungen zu Herrn Skubik in gewissem Sinne zugegeben; er fennt ihn doch, es is doch wohl der „maßvolle" Mann, von dem er gesprochen hat (Zurufe von den Sozialdemokraten; Glocke des Präsidenten.) also wenn Sie diese Ihre Beziehungen in den Dienst der Sache stellen und uns über die Absender der Schriften irgend welches Material erbringen wollen, das wir verwerten können, wie gefagt, dann verspreche ih Ihnen, die Sache soll mit aller Sorgfalt weiter untersuht werden und wir werden Ihnen dankbar sein; denn wir wollen nichts ermitteln als die Wahrkeit. (Bravo! rets.)

Meine Herren, dann will ih nur ncch mit einem Worte auf die Acußerungen zurückommen, die Minister hätten sich am Sonnabend entschuldigt, daß fe hier erschienen seien. Ich habe allerdings ein folches Wort gebraucht, das ist ganz rihtig und das erklärt sih aus meiner Auffassung über die Stellung ter Minister in derartigen Fragen denz Reichttage gegenüber. Ich vertrete den Standpunkt, den, wie ih es aufgefaßt habe, auch der Abg. Schrader und der Abg. von Kardorff als den richtigen und korreften ansehen, daß an und für sih für die preußishen Minister eine Verpflichtung nicht besteht, hier im Reichs- tage in solhen Sachen Rede und Antwort zu stehen, die ledigli preußische Angelegenheiten betreffen. (Sehr richtig! rechts.) Auf der

anderen Seite haben die Minister das Recht dazu, und dafür, ob sie von diesem Recht Gebrauch machen wollen, sind Zweckmäßigkeitsg1ünde entscheidend. Und dann, meine

Herren, habe ih es für eine Pflicht der Höflichkeit gehalten, hier dem Reichstage gegenüber gewissermaßen um Entschuldigung zu bitten, daß wir Sie unterhalten wollten mit Dingen, die niht hierher gehören. (Sehr uichtig! rechts.) Diese Entschuldigung muß ih heute um so mehr als berechtigt anerkennen, als Sie sich jet bereits andert- halb Tage mit rein preußischen, also Sachen befassen müssen, die nicht vor das Forum des Reichstags gehören.

Prcußischer Minister des Jnnern Freiherr von Hammer- stein:

Meine Herren! Der Herr Abg. Haase hat in feiner längeren Nede, die mir zum Teil allerdings unverständlich geblieben ist, wiederum geklagt, daß ih die Nichtigkeit seiner Schilderung der einzeluen Fälle, die er in seiner Rede vom 19. Januar und von vorgefteru gegeben hat, noch immer nit anerkannt habe. Meine Herren, ih fonstaticre nohmals, es handelt sih darum: Ft nachgewiesen, daf ein russiser oder sonstiger Agent sich Amtéhandlungen angemaßt hat, die nur einem preußischen Beamten zusiehen? oder daß preußische Staatsbeamte ihre geseßlihen Befugnisse überschritten baben? oder endlih daß dritte Personen Verbrechen bei den in Rede stehenden Vorfällen begangen haben ? Ich habe darauf erwidert, daß von keinem der Fälle erwiesen sei, daß eine unter diese Kategorien fallende Handlung vorliege. Jch habe das im Abgeordnetenhaus eius gehend dargetan und werde Ihre kostbare Zeit gewiß nicht mit der Wiederholung dieser eingehenden Ausführungen in Anspruch nehmen. Wenn aber der Herr Abg. Haase sagt, daß die preußische Polizei und die preußishe Verwaltung niht sorgfältig genug untersuchten, so ist er zu cinem solchen Urteil gerade am allerwenigsten be» rufen. (Sehr richtig! rechts.) Ich habe hier die Akten eines Straf- verfahrens gegen „Unbekannt“ vor mir, das in Königsberg anhängig war. Ich verlese:

In der Strafsache gegen Unbekannt wegen Verlezung des Briefgeheimnisses erschien der nahgenannte Zeuge, Herr Rechts- anwalt Haase.

I heiße Hugo Haase, bin 40 Jahre alt, mcsaischer Religion, eidesfähig. Ich habe von einem Fall gesprochen, der in Charlotten» burg und nicht in Königsberg sich zugetragen hat; es liegt ein Shreib- oder Druckfehler vor. Zur Sache selbst lasse ih. mi nicht aus.

(Hört! hört! rechts und bei den Nationalliberalen.) Meine Herren, ich würde eine sole Erklärung verstehen von

dem Anwalt des Beschuldigten, aber do nicht von demjenigen, derx

M seine Partei in der Tat Schriften anarcistischer Natur vecsendet

denen hervorgeht, daß in diefen Angelegenheiten au die Parteileituug.

Ï elbst hier vor dem versammelten Deutschen Reichstag die Beschul-

digung erhebt. Dieser darf nicht versagen, wenn er über die von ihm Er mußte sagen, (Hört!

öffentlich erhobene Beschuldigung gehôrt wird. was er wußte, oder aber die Beschuldigung unterlassen. hört! und Sehr gut! rets.) Meine Herren, die Schuld daran, daß nichts festzustellen war, liegt also an dem Abgeordneten Haase, aber nit an der Negierung. Der Herr Abgeordnete Haase hat sih dann darüber aufgehalten, daß ih alle Fälle, die von ihm vorgebracht seien, als Flunkereien und Rlatsch so waren meine Worte im Abgeordnetenhause be- zeichnet habe. Ja, meine Herren, was waren sie denn anders? Mein Urteil war ein vollständig begründetes; von allen angeblihen Tatsachen ist in der Tat nichts geblieben als Flunkereien und Klatsh. (Sehr richtig! rets.) So weit der Herr Abg. Haase! Nun möchte ih mich noch mit einigen Worten an den Herrn Abg. Bebel wenden; ih folge ihm niht auf das hochpolitische Gebiet, sondern rede zur Sache. Ich kann dabei aller- dings die parteipolitishe Stellung des Abg. Bebel nicht gänzlih unberührt lassen. Der Herr Abg. Bebel hat erklärt, wenn

hätte, so würde das nur unter der Vorausseßung möglih gewesen sein, daß diese Schriften nicht den Terror begünstigen; wenn es anders gewesen wäre, so würden die Genossen einfah aus der Partei herautfliegen. Ja, meine Herren, das glaube ih niht (Heiter- keit recht8s), oder es würde vielleicht auf einen oder zwei Tage geschehen, um die Macht der Parteiorganisation zu beweisen, alter nah ein paar Tagen würden die Ausgewiesenen wiederum Parteigenofsen fein. (Unruhe bei den Sozialdemokraten.) Fch will Ihnen auch sagen, weshalb ih das glaube: Es ist nichts Neues, daß die Sozialdemokratie mit der revolutionären Idee buhlt. Als im Jahre 1878 Wera Sassulitsch ihr absheuliches Verbrechen verübt hatte, begrüßte das damalige offizielle Organ der deutschen Sozialdemokratie die Tat mit folgenden Versen :

Wo man ein Bollwerk hergestellt

Für gicrige Despotenmacht,

Wo um den Herrscherthron gesellt

Sich Habsucht, Bosheit, Niedertracht,

Dort ist der Vorkampf nun entbrannt

Und fordert unsern Beifallsgruß,

Dort an der Newa eis’gem Strand

Da fiel bereits der erste Schuß.

Yu Petersburg da eili? herbei

Die Rächerin mit festem Mut

Und badete das harte Blei

Fn fließendem Tyrannenblut.

Diesex Beifallsgruß charakterisierte Sie {on damals. Sie werden mir nun sagen, das ist lange her. Ih habe indessen noch ein anderes Beweisstück aus dem Jahre 1902. Als der russische Minister Schipjagin dur den Studenten Balmaschew ermordet wurde, brahte ein russishes sfozial-revolutionäres Flugblatt eine Verherr- lihung des Mörders, die mit den Worten \{ließt:

Das ist ein Mensch, der im Kampf für die Befreiung den Tod

auf sich nahm. Dieses Flugblatt der russishen Sozialdemokratie ist ohne Zusaß und obne jeden Kommentar in die von dem deutschWen Reichstag8- abgeordneten Eduard Bernstein herauêtgegebenen „Dokumente des Sozialismus* aufgenommen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie sich nicht mit dieser Auffassung identifiziert hätten, so wäre die Aufnahme jenes Artikels in Ihrem Parteijournala niht erfolgt. Meine Herren, die deutsdhe Sozialdemokratie ist nicht mehr die deutsche Arbeite: partei, die sie zu sein vorgibt, und ih hoffe, daß zahlreiche Arbeiter au auf Grund dieser Debatte (Lachen bei den Sozial- demokraten) zu der Ueberzeugung kommen werden, daß Sie weniger das Wobl der Arbeiter im Auge haben, als vielmehr hinarbeiten auf den Umsturz alles Bestehenden.

Wte von anderer Seite». mit Net hervorgehoben ift, find in Deutschland früher viele starkliberale Anschauungen zur Geltung ge- bracht worden, ohne daß die Regierung ihnen entgegengetreten ift. Fa, wir Deutschen können uns dessen rühmen, unser Land ist ein frei- finniges Land (Lachen bei den Sozialdemokraten), und die politischen Gegensäte, die die Welt, solange sie steht, immer bewegen werden, konnten und EBnnen in Deutschland frei erörtert roerden. Selbst fremden Nationen gegenüber befähigt uns die deutsche Kultur, auch ihrem Gedankengang zu folgen und von ihnen anzunehmen, was sch von ihrem Ideenkreise für uns wverwerten läßt. Aber, meine Herren, an einer Grenze haben wir diesen Ideen Halt geboten, da wo der gewaltsame Umsturz in die Ersheinung tritt, und darum bandelt es sih auch im gegenwärtigen Falle.

Der Herr Abg. Bebel ist dann auf den Fall Wetscheslaff besonders eingegangen. Von dem, was ih hierüber gesagt habe, solle kein Wort wahr sein; ih meinerseits behaupte, von alle dem, was Herr Bebel gesagt hat, (Zuruf rets)

nein, meine Herren, das sage ih nicht, aber ih habe mir jedenfalls nit die Ueberzeugung verschaffen können, daß die Tatsachen, die er angab, richtig sind. Es bleibt dabei, meine Herren, für die preußische Polizei lag kein Grund vor, auf die bloße Angabe hin einzuschreiten, daß ein Einbruch in Hermsdorf erfolgt sci. Wo, wann und wie die Tat verübt sei, darüber wissen wir nichts. Der Mann, bei dem an- geblih eingebrochen ist, hat erklärt, weggenommen sei ihm nichts, es sei niht einmal versucht worden, etwas zu entwenden,* er hat eben nur die Vermutung ausgesprochen, es sei eingebroen, und hat nit einmal den Tag des Cinbruchs angeben können; es sei vor mehr als drei Monaten gewesen. Mit Recht hat ihn deshalb einer meiner Be- amten darauf hingewiesen, daß, wenn bei ihm nichts entwendet, auch ein Versuch hierzu niht unternommen sei, so liege nicht der Tat- bestand eines Einbruchs vor, sondern höchstens der eines Haus- frieden8bruch8, und zu dessen Strafverfolgung bedürfe es eines An- trags innerhalb dreier Monate. Ist der angeblich Geschädigte über- haupt zu ter nächsten Polizeistelle gegangen ? Nein. (Hört, hört! rechts.) Das ift die Wahrheit über den Fall Wetscheslaff. Der Herr Abg. Bebel hat gesagt, bei den Erklärungen der Regierungen \tände ihm der Verstand till. Nun, meine Herren, nach dem Auftreten des Herrn Abgeordneten hier auf der Tribüne, möchte ih ihn einmal sehen, wenn ihm der Verstand nicht ill steht. (Heiterkeit.) Der Herr Abg. Bebel hat auch einen Fall aus Breslau angeführt, dessen Nichtigkeit ich

ist darauf zurützuführen, daß ein Student, der längst Breslau ver- lassen hat, vor 14 oder 2 Jahren um Mitternacht aus einer Kneipe kommend, einem Dritten erzählt hat: eben habe ihn jemand auf der Straße angesprochen und, ihm abgeraten, in ein bestimmtes Lokal zu gehen, das sozialistich sei. Diesen angeblihen Erzählungen eines Studenten, von dem wir niht einmal wissen, wo er ist fönnen wir um so weniger Glauben beimessen, als selbst der- jenige, dem er die Mitteilung von jenem Gespräh gemacht hat, es ift der NRedakteuc einer freisinnigen Zeitung gar keinen Wert auf die Sache gelegt hat. Er hat es als Studentengeshwäß an-

gesehen und ist erst daran durch die Neichstagsverhand- lungen dieser Tage wieder erinnert worden. Meine Herren,

endlich hat der Herr Abg. Bebel meine Aeußerung über die Studenten, die eine Demonstration gegen den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amts in Szene geseßt haben, kritisiert. Wenn Herr Bebel etwas weniger erregt und sein Verstand noch etwas stiller ge- wesen wäre, so hätte er diese Kritik vielleiht unterlassen. Jch hatte ausdrückli@ß mein Nichteinschreiten damit motiviert, daß das Verhalten der jugendlihen Studenten als kindish aufzufassen set. Der Herr Abg. Bebel hat sich nun die erdenklichste Mühe gegeben, die Saße so darzustellen, als ob es die reifsten, erfahrensten, gescheitesten und kElügsten Leute wären, die nah reiflicher Ueberlegung sih zu dieser Demonstration entschlofsen atio S4 o Vel n oe Ce [0 L dann werden wir sie uns doch noch einmal ansehen und prüfen, ob wir diese 394 Studenten noch bei uns dulden können.

Meine Herren, der Herr Abg. Bebel hat im Einzang seiner Rede hervorgehoben, ih würde, wie im Abgeordnetenhause, vielleicht au) hier von der rechten Seite des Hauses niht an den Pranger gestellt werden ; dies sei für ihn kein maßgebendes Urteil; das Urteil fälle die Geschichte. Meine Herren, ih sehe dem Urteil der Geschichte mit Zuversicht entgegen und in Erinnerung an den Ausspruch eines großen Deutschen sage ih mit absihtlicher kleiner Aenderung: wer den Besten seiner Zeit genug getan, der hat genug gelebt! (Heiter- keit bei den Sozialdemokraten.) (Zu denselben gewendet :) Meine Herren, für die Besten halte ih Sie nicht! (Lebhafter Beifall rets und bei den Nationalliberalen.)

Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Nichthofen:

Der Herr Abg. Bebel hat so oft und mit so viel Emphase und Liebenswürdigkeit meinen Namen zitiert, daß ich mir wohl die Frei- heit nehmen darf, für einige ganz wenige Minuten Ihre Aufmerksam- keit in Anspru) zu nehmen. Der Herr Abg. Bebel hat sich dahin ausgesprochen, ich hätte den Fall Wenceslaw in die Diskussion ge- zogen. Das ift nicht richtig; er ist in die Diskussion gezogen worden von dem Herrn Abg. Haase. Herr Bebel hat ferner gesagt, ih bâtte Herrn Wetscheëloff als Anarchisten bezeihnet. Das ist eben- falls nit richtig. Mir war seine Parteistellung damals gänzlich un- bekannt; ich muß aber sagen, daß sie mir seitdem ziemli verdächtig geworden ist. Ferner hat Herr Abg. Bebel von Angriffen von meiner Seite auf die russishen Studenten gesprochen. Ich habe den Aus- spruch „russishe Studenten“ niemals gebraucht; ih habe lediglih von russischen Anarchisten gesprochen, und ich werde durch die künstlih in diesen Kreisen hervorgerufene Aufwallung erinnert an das Wort: nqui s’excuse, s’accuse“.

Der Herr Abg. Bebel hat auch gesagt, der Staatssekretär habe eine schwere Niederlage erlitten. Ih muß sagen : ‘nah dem, was hier und im Abgeordnetenhause vorgekommen ift, liegt die Niederlage nah dem allgemeinen Empfinden doch auf einer ganz anderen Seite. Herr Bebel hat endlih gefragt, wer denn eigentlih hier den Sieg davon- tragen werde. Ja, meine Herren, das will ich Ihnen auh sagen, wer den Sieg davontragen wird: das ist die Regierung, und das heißt: es bleibt alles beim alten (sehr rihtig!), und Sie werden sehen, daß Sie auch in dieser Angelegenheit eine zielbewußte Ne- gierung vor sih haben, die, wie die amerikanische Regierung, die Einroanderung von Anarchisten verboten hat, zu Jhrem und zu unserer aller Bestem ih diese Gesellshaft vom Leibe zu halten wissen wird! (Bravo! rechts.)

Abg. Werner (Reformp.): Das deutsche Volk ift zwar nicht so freisinnig, wie der Reichskanzler meinte, aber es ist gegen die Aus- länder zu gutmütig. Die Herren Bebel und Haase haben heute nichts neues angeführt. Ich begreife niht, warum sich Herr Haase so sebr über das Wort „Schnorrer“ aufgeregt hat. Schnorrer und Strolche sind doch meist dasselbe. Der Reichékanzler hat durchaus recht darin, daß wir es nicht notwendig baben, Leute zu dulden, die die Geseize des Landes nicht respektieren. Wohin foll es kommen, wenn wir die russishen Juten übernehmen sollen? Wenn mana Namen wie Mendelssohn, Veilchenfeld oder ähnlihe hört, dann wird einem allerdings manches klar. Es ist doch nicht zufällig, daß diese Leute dem Judentum angehören. Solche Leute müssen dahin ge{ickt werden, wober sie gekommen sind. Den Ministern des Innern und der Justiz ist es vollständig gelungen, die Vorwürfe der Sozialdemokraten zu entkräften. Auch ih muß erklären, daß ich den Gegenwartéstaat mit seincn NRechtéanshauungen dem fozialdemokratishen Zukunftsstaat mit den Rechtsanshauungen des Abg. Haase entschieden vorziehe. Wir wollen au in diesem Falle das nationale Deutshtum hochhalten und Herren im Hause bleiben.

Abg. Haase: Daß ih mein Zeugnis in Königsberg niht abs gegeben babe, dafür habe ih meine Mctive hier am Sonnabend ausfübhrlih dargelegt. Wollte Herr von Hammerstein, daß ih mich zu einer Denunziation hergäbe, deren sich ein anständiger Mensch nicht \{uldig machen darf? Der Minister hat meine Worte rabulistisch umgedeutet. (Vizepräsident Dr. Paasche rügt diese Ausdruck2weise.) Der Justizminister hat sich beute auf einen Auszugsberiht der Staatsanwaltschaft berufen; das hätte er auch im Abgeordnetenhause mitteilen sollen, damit die Einseitig- keit seiner Informationen klar rourde. Der in der Buchhandlung des „Vorwärts* angestellte Expedient wird von ihm ohne weiteres als Parteimitglied angeschen. Die Herren haben sich alle nah der Reihe sehr entrüftet über unjer Verhalten, weil es Rußland betrifft; aber gegen alle die Gewalttaten gegen Serbien is kein Wort der Ent- rüstung gefallen. Da regt sih kein Wölkhen des Unwillens. Herr von Hammerstein wird einst dem Urteile der Geschichte verfallen, wenn es von ihm heißen wird: er glaubte den Besten seiner Zeit genug getan zu haben, wenn er vor Nußland auf dem Bauche rutihte.

Abg. Bebel: Der Staatssekretär hält sih für den Sieger und uns für die Unterlegenen. Herr von Kardorff reitet uns wieder den bistorisden Kalender des „Vorwärts“ vor. Hat er den je gelesen? Er hâtte dann gefunden, daß seine Anklage ungerechtfectigt ist. Es eben die erwähnten Tatsachen darin, weil sie gewisse Marksteine in der Geschichte bilden; aber unsinnig ist die Meinung, daß damit zu ähnlichen Taten aufgereizt werden soll. Unterm 3. Januar steht in diesem Kalender zu lesen: Einführung der Schwurgerichte in Preußen; unterm 9. Januar: Yorks „Treubruh", Treubruh in Gänseflüßchen.

bereits im Abgeordnetenhause nachgewiesen habe der Herr Abg. Bebel hat #63 vielleiht nicht gelesen —. Die ganze Angelegenheit

Unterm 4. Februar: Wilbelm 11. Arbeiters{chußerlaß usw. usw. (Redner liest noch eine Reihe dieser Daten vor.) Selbst der Todestaz

leugnet heute, einen Nückzug angetreten zu haben. Im preußischen Abgeordnetenhause \sprah er davon, daß mit hoher Wahrscheinlichkeit die deutsche Sozialdemokratie diesem Schmuggel nit fecnstehe. Das ist genau fo aufgefaßt worden im Hause dort und in der Presse, wie ih es hier wiedergab. Gegenüber dieser denunziatorischen Aeußerung hat er hier einen ganz anderen Ton angeschlagen und hat festgestellt, daß zu einem Borgeben keine Veranlassung vorliegt. Persönlihe Beziehungen zwishen S*ubik und mir haben nit bestanden; hat er sich an mich wenden wollen, fo fann das nur dur dritte Personen geschehen sein.

Ich sage nochmals: wenn derartige Dinge in einem anderen Lande vorkâmen, wäre nur ein Schrei der Entrüstung. In Paris hat man zwei russishe Spitel, die in einer Versammlung

russisGher Studenten entdeck wurden, durhgeprügelt. Für solche Handlangerdienste, wie diese, mit denen man \i{ch bei uns geradezu brüstet, hatte man ‘dort kein Verständnis. In dem Deutschen steckt eben immer noch die alte Bedientenhaftigkeit. Herr Schönstedt hat sich nicht beim Reichstag, sondern nur bei der Rechten entschuldigt, daß er im Reichstag erschien. Wir haben es herbeigeführt, daß er hier auf die Anklagebank kam. Es war für ihn eine Art Gang nah Golagatha, daß er bier erscheinen mußte, um \ich vor uns zu verantworten. Wenn der preußische Staat mit seinem Bedarf an Intelligenz im Ministerium bis auf den Herrn von Hammerstein kommen mußte, so ist er wahrlich niht zu beneiden. Die blasse Angst vor der deutschen Arkeiterpartei hält Sie ja nur ab, in Preußen das elende, niederträhtige Wahlrecht zu ändern. Drei Sozialdemokraten im Abgeordnetenhause würden genügen, ihnen die Hölle heiß zu machen. Herr von Richthofen stellt heute in Abrede, den Herrn von Wetschesloff als Anarchisten bezeichnet zu haben ; feine Worte am 29. Januar brachten diesen Nussen aber direkt mit den Anarchisten in Verbindung.

_Preußisher Minister des Jnnern Freiherr von Hammer ein: :

—_.

) L

Meine Herren! Es wird mir eine Freude sein, sobald wie möglich wieder die Gelegenheit zu haben, mit dem Herrn Bebel die Klinge zu kreuzen. Ich auch habe ja die Freude, Sie bei diesen Verhandlungen ennen zu lernen in der Nube und in der Bewegung. (Heiterkeit.) Ich rwoûrde nicht mehr das Wort ergriffen haben, wenn Sie nicht mit einer gewissen, ich will sagen, Unhöflichkeit, die Sie wahrscheinlich nicht gewollt haben, ausgesprochen hätten, ih fei ein Muster von Inkapazität, wie Sie es von einem preußischen Minister noch nit erlebt hätten. Gott sei Dank, ist mein Kopf nicht so vollgepfropft von phantastishen Ideen über den Zukunftsstaat und den großen Kladderadatsch wie der Ihrige das ist. (Heiterkeit.) Aker so viel Kapazität habe ih heute und vorgestern do gezeigt, um Ihnen und dem ganzen Hause nachzuweisen, daß die hier erhobenen Anklagen un- erwiesen und unbegründet sind.

Damit schließt die Diskussion.

Nach persönlichen Bemerkungen der Abgg. Fürst Radzi- will, Dr. Müller-Meiningen und Werner wird darauf der Antrag Auer gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen abgelehnt.

Üm 71/5 Uhrz.-wird die Fortsezung der Etatsberatung auf Dienstag 1 Uhr vertagt.

Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 30, Sißung vom 29. Februar 1904, 11 Uhr.

Ueber den Beginn der Sigung ist in der Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus scht die zweite Beratung des Staatshaus- haltsetats für das Rechnungsjahr 1904 im Etat der Bauverwaltung fort.

In der Debatte über die Einnahme aus den Ver- fehrsabgaben (Brücken-, Fahr- und Hafengelder, Strom- und Kanalgefälle), 7 500 000 Æ, 1 Million mehr als im Vor- jahre, und über die Titel der Ausgaben im Extraordinarium, die auf die Ems und den Dortmund-Ems-Kanal Bezug haben, bemerkt der

gestrigen

Minister der öffentlihen Arbeiten Budde:

Meine Herren! Ich kann nur meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß von den verschiedenen Herren Rednern die Staatsregierung angeregt worden ist, die Verbesserung der Schiffahrtsverhältnifse auf der unteren Ems zu beschleunigen und mit Energie durchzuführen. Es entspricht dies auch meinen eigenen Wünschen.

Was nun die einzelnen Fragen anbetrifft, die angeregt worden sind, so bemerke ih, daß die Anregungen, die ih in der Budget- kommission erhalten habe, mir Anlaß gegeben haben, an den Herrn Negierungspräsidenten in Aurich eine Verfügung des Inhalts zu er- lassen, daß die Untersuchungen über die Möglichkeit und Nütßlichkeit der Herstellung der Durchsticke an der unteren Ems, also zum Zwecke ciner Begradigung des Fahrwassers, nah Möglichkeit zu bes \hleunigen sind.

Die Arsichten darüber, ob die Schädigungen, namentli durch Hochwasser, nicht sehr große sein werden, besonders hinsichtlih der vor- handenen Deiche, sind verschieden. -Es bedarf eingehender und forg- fältiger Untersuhungen, die aber, wie ich wiederhole bes{leunigt werden sollen, sodaß ich hoffe, daß recht bald mit dem ersten Durh- stih zwischen Hilgenburg und Mark begonnen werden kann. Dieser Durbstich stellt einen Versuch dar, bei dessen günstigem Ausfall dann auch die Begradigungen stattfinden jollen.

Was die Verbesserung der Fahrtiefe der Ems unterhalb Leer an- betrifft, so bemerke id, daß in dem Vertrage mit der Stadt Leer aus- drücklich die Fahrticfe auf 5,5 m festgelegt worden ift. Cs ist arin auch gesagt worden, daß eine plan- und vertragsmäßige Vertiefung seitens der Königlichen Staatsregierung niht zugesichert wird. Auch babe id Lei ciner Fesifeier in Leer nihts anderes versprochen. agegen bin ich gern bereit, nah Möglichkeit den Wünschen dadurch entgegenzukommen, daß durch Baggerung versucht werden soll, ob man vielleicht die Fahrtiefe ohne erheblihe Unkosten von 9,9 auf 6 m erhöhen kann.

Berichterstatter Abg. Brütt referiert über die Verhandlungen der

Budgetkommission über die Verkehrsabgaben bei den ai u B

Abg. von Pappenheim (kons.): Ih möchte fragen, ob und wann denn nun die Königlihe Staatsregierung ihrer Erklärung über die Abgaben auf den Wasserstraßen eine praktische Wirkung verleihen und die \{webenden Verhandlungen zum Abschluß bringen wird, und ob wir bofen dürfen, in dieser Beziehung bald zu einem Ergebnis zu gelangen. Wir verfolgen diefen Gedanken seit zehn Jahren und haben eine Geduld gezeigt, wie sie überhaupt nur eine große Partei zeigen fann. Im Jahre 1896 haben wir eine wohlwollende Erklärung von der Negierung zu hören bekommen, wie auch jeßt wieder in der Budgetkommission. In den Erklärungen von 1896 wurde ausdrüdck-

lih anerkannt, daß es vom Standpunkt der auêgleihenden Gerectig- Es ist betnabe einzig

keit aus nôtig wäre, hier etwas zu tun.

des Grafen von Klinckowstrôöm steht in diesem Kalender. Herr Schönstedt

dastehend, daß der Staat Vittel ohne

jede Gegenleiftung für eine