1883 / 82 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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C S ga fin wie GR 06 B e E A

E a E T E aae E e E

det sind, wirken von den Arbeitern aus ihrer Mitte gewählte Vor- ftandsmitglieder mit; über einzelne Punkte beshließen nur die Gene- ralversammlungen der sämmtlichen Betheiligten.

Betreffs sonstiger Wohlfahrtseinrihtungen wird angeführt, daß mehrere Fabriken Suppenanstalten unterhielten. In diesen wurde den Arbeitern gegen den Betrag von 20, vereinzelt au s{on für 10 -, etwa ein 1 fräftige Suppe mit etwa ks Fleisch, bisweilen au mit Zu- emüse, verabreicht. Die meisten dieser Fabriken lieferten au Morgens und

admittags für einen den Herstellungspreis kaum erreihenden Betrag etwa 4—} 1 Kaffee, sowie ein leibtes, aber durchaus preiswürdiges Bier. Die Besitzer felbst legten bei diesen niedrigen Preisen regel- mäßig größere oder kleinere Summen zu, die meistens ein Viertel, in einem Falle sogar die Hälfte der Summe betrage, welche die be- theiligten Arbeiter selbst entribteten. Konsumvereine würden von mebreren Fabriken unter Theilnahme der Arbeiter an der Verwaltung unterhalten und gewährten neben dem Vortheil, daß die Lebensmittel in tadelloser Beschaffenheit verabfolgt würden, bis zu 13 % Nugen, bezw. Gewinnantheil im Vergleicbe zu den ortsüblichen Preisen. Mebrere größere Unternehmungen gewährten einem Theile ihrer Arbeiter Familienwobnungen in Einzelwohnhäusern oder für mehrere zusammen in größeren Wohngebäuden, viele aber bätten für unverheirathete oder solde Arbeiter, welcbe entfernter von der Fabrik wohnen, Sblafsäle eingerichtet. Die leßteren erschienen für die Zahl der darin Slafen- den immer binlänglih geräumig, und es habe sih nach keiner Rich- tung hin eiwas zu bemängeln gefunden. Einzelne Anlagen unter- ftüßten ihre besonders zuverlässigen Arbeiter in humaner Weise bei Erwerb von Wohnhäusern oder auch sonstigem kleinem Grundbesiß. Bade-Einrichtungen würden mehrfa da unterhalten, wo die Art der Beschäftigung eine starke Verunreinigung nit blos der Hände verursache; überall da, wo tiese nicht ausreichend erschienen seien, sei auf Vermehrung und, wo sie nit gut genug ausgestattet worden, auf Verbesserung hingewirkt worden.

Breslau, 7. April. (W. T. B.) Die Einnahmen der Recbte-Oder-Ufer-Eisenbahn betrugen na vorläufiger Feft- stellung im Monat März d. I.: 1) im Perionen- und Gepäckverkehr 100140 Æ# 2) im Güter- und Viehverkehr 747 950 , 3) außerdem 60000 #, mithin in Summa 908 090 M Nach der definitiven Feststellung pro Monat März 1882 beliefen i die Einnahmen ad 1 auf 89711, ad 2 auf 640001, ad 3 auf 60000 M4, in Summa 789 712 Æ ; mitbin ergaben tie Ein- nabmen pro Monat März d. J. ad 1. 10429 # mebr, ad 2. 107 949 M mehr, ad 3) unverändert, in Summa mehr 118 378 M Die Gesammteirnahmen vom 1. Januar bis ult. März 1883 be- trugen 2631090 Æ, ergaben mithin gegen den gleichen Zeitraum des Vorjahres cine Mehreinnahme von 272 187 6

Verkehrs-Anstalten.

Das Centralbureau für den Weltverkehr (die Herren Brasch und Rothenstein hier, W.) veröffentlicht mit dem Prospekt des In- ftituté die Schiffsliste für April, Mai und Juni 1883, Das Heft enthält aub gleiczeitig das Verzeibniß der im Bureau auséliegen- den Zeitungen, Landkarten, Atlanten und Adreßbücher, die Billetpreise sowie die Parceltarife für die Vereinigten Staaten von Nordamerika, für Südamerika und Australien.

Southampton, 6. April (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda®* ist hier eingetroffen.

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VBerlíu, 7. April 1883. Konsulatsbericte.

Sydney, den 14. Januar.

Verhältnisseder Deutschen und deutsheJnteressen in Neu-Seeland.

Ueber tie Stellung der Deutshen auf Neu-Seeland läßt sih im Allgemeinen dasselbe sagen, was von der deutschen Be- völkerung in den Kolonien des australishen Festlandes gilt. Dieselben werden besonders als Ackerbau treibende Kolonisten geshäßt und haben sich in den Städten als Handwerker und Inhaber von Détailgeschäften eine geachtete Stellung errungen. Dagegen giebt es unter den Großkaufleuten und den großen Grundbéesißzern nur sehr wenige Deutsche. Auch in sozialer und poliisher Beziehung spielt das deutsche Element, wenn man von einigen dem Gelehrtenstande angehörigen Persönlich- feiten absicht, keine hervorragende Rolle.

Zahl der deutschen Bevölkerung. Einwande- rung und Naturalisation. Die Zabl der in Neu-See- land lebenden Deutschen ist geringer als diejenige in Queens- land, Süd-Australien, Victoria oder Neu-Süd-Wales, troßdem das Klima der Kolonie für Nord Europäer angenehmer ist, als das des Festlandes von Australien, und die wirth: \chastlihen und staatlicen Verhältnisse Einwanderern minde- fiens die gleihen Vortheile bieten. Die Ursache hierfür ist zunächst wohl darin zu suchen, daß Neu-Seeland von Europa aus s\c{;werer zugänglich is, als die übrigen australischen Kolonien, welhe von den regelmäßigen englishen Dampfer- linien berührt werden, und sodann darin, daß die dortige Regierung bei der staatlichen Unterstüßung der Ein- wanderung sih faft ausschließlih auf das englische Element beschränkt hat. Eine einigermaßen nennenswetthe Einwande- rung aus Deutschland fand nur in den Jahren 1874—77 statt, wo Slomansche Segelschiffe von Hamburg eine Anzahl Emigranten übe: brachten, deren Passage auf Grund eines mit der Kolonialregierur g geschlossenen Kontraktes bezahlt wurde.

Amtliche Angaben liegen nur über die Zahl der in Deutschland geborenen Pcrsonen vor, welchze in Neu-Seeland ansässig sind. Deutsche in diesem Sinne gab es im Upril 1878 4649, im April 1881, wo zuleßt ein Census stattfand, 4819, in drei Jahren hat somit eine Zunahme von nur 170 Personen stattgefunden. Mit staatlicher Unterftüßung sind während der genannten Jahre eingewandert 93 Deutsche,

nämlich in 1878 15, S S 1880 13.

Rechnet man nun, daß von dem 1878 vorhandenen Be- flande in 3 Jahren etwa 120 Personen verstorben oder weg- gezogen sind, so würde sich für das besprochene Triennium eine weitere Einwanderung von etwa 200 Deutschen ergeben, die wohl meistens aus den übrigen auftralishen Kolonien nah Neu-Secland gekommen sind.

Wie viele der in Neu-Seeland ansässigen Deutschen ihre hein ische Staatsangehörigkcit bewahrt haben, läßt sih natür- li nidt ermitteln. Bezüglidt-e Eintragungen in die Matrikeln der Kaiserlichen Konsulate finden nit stalt. Dagegen werden jährlich statistishe Nachrichten über die Anzahl derjenigen Per- sonen veröffentlicht, die ausdrüdlich ihre bisherige Staats- angehöric.keit aufgegeben haben und als Neu-Seeländer natu- ralisint worden sind. Unter dieser Kategorie befanden sich

1878: 26 Deutsche, 1879: 8 „, U: 6 y

i zusammen 81.

Nimmt man nun rag der obigen Berehnung an, daß während dieser drei Jahre etwa 300 Deutsche eingewandert

find, und berücksihtigt fernec, daß die Naturalisation eines verheiratheten Mannes ohne Weiteres die Naturalisation der Frau und minderjährigen Kinder nah sih zieht, so kommt man zu dem muthmaßlichen Resultat, d: für mindestens 40 Proz. der Eingewanderten der formelle Veclust der deutschen Staatsangehörigkeit eingetreten sein wird.

Vertheilung der deutshen Bevölkerung. Numerisches Verhält niß zu den anderen Nationa- litäten: Von den 481 9 in Deulshland geborenen Personen, welhe nach dem neuseeländer Census vom April 1881 vor- handen waren, gehörten 3188 dem männlihen und 1631 dem weiblihen Geshleht an. Dieselben vertheilten sich über die einzelnen Theile Neu-Seelands, wie folgt :

Nord:Jnsel . 2135 Personen, Süd-Jnsel . . . 2678 2 __ Chatam-Jnseln . . 6 Z

Distrikte mit vorwiegend deutsher Bevölkerung, wie man sie in Queensland und Süd-Australien, vereinzelt au in Reu-Süd:Wales und Victoria findet, kommen auf Neu-See- land nicht vor, vielmehr sind die dortigen Deutschen so zie m- lih über das ganze Areal der Kolonie zerstreut. Diejenig en Grafschaften (counties), wo das deutshe Elem?znt numeri \ch am stärksten ist, sind die nah stehenden :

Auf der Nord-Jnsel : Baise: SERR atte

Manawatu Taranaki 225 6 820 Wellington 114 20 563 Waipawa 143 5 867 Audckland 105 16 664 Auf der Süd-Jnsel: Selwyn 260 34 323 Waimea 203 7 535 Ashley 196 11 955 Dunedin 185 24 372 Southland 140 13 215 ofitifa 125 2 600 Shristhurch 103 15 213

Wie in allen australischen Kolonien hat sih auch in Neu- Seeland die Mehrzahl der eingewanderten Deutschen auf dem Lande angesiedelt. Bei dem Census von 1881 zählte man in boroughs, das heißt Ortschaften über 1000 Einwohner 1587 und außerhalb der boroughs 3232 Deutsche.

Der Prozentsaß der in Deutschland geborenen Personen im Verhältniß zur Gesammtbevölkcerung betrug 0,98 Proz. So geringfügig dieser Antheil ist, so ist derselbe doch größer als der irgend einer anderen fcemden Nationalität in Neu- Seeland, ausgenommen der chinesischen, welche 5033 Personen oder 1,03 Proz. zählte. 45,60 Proz. der Bevölkerung waren in Neu-Seeland selbst geboren, 3,53 Proz. in den anderen australijhen Kolonien, 48,50 Proz. in England und englischen Besißungen, so daß für alle fremden Nationalitäten nur 2,37 Proz. nachbleiben. Von den europäischen Völkern sind nächst den Deutschen die Skandinavier am stärksten vertreten, nämlich mit 0,97 Proz. Auf Frankreich fallen 0,17, auf Jtalien und Oesterreich je 0,10, auf die Schweiz 0,7 Proz. Diese Zahlen

beweisen hinlänglich für den exklusiv englishen Charakter der

Kolonie.

Deutsche Kirchen, Schulen und Vereine. Bei der geringen Anzahl und der räumlihen Trennung der in Neu-Seeland lebenden Deutschen haven kirhlihe Gemeinden, wie solche in andern australishen Kolonien bestehen, bisher keinen besondexs günstigen Boden gefunden. Unter den größe- ren Städten besizt nur Christhurch eine deutsche Kirche, welhe jedoh gegenwärtig niht zum Gottesdienste be- nußgt wird, da die Gemeinde in Folge von Zwistig- keiten mit dem Prediger sih vorläufig aufgelöst hat. Außer- dem giebt es zwei kleinere Landgemeinden in der Provinz Nelson und zwei in der Provinz Wellington, welche alle nur ein ziemlih fümmerlih:s Dasein fristen. Die größte und älteste derselben in Moutere wurde vor 25 Jahren gegründet und zählt gegenwärtig 50—60 Familien, meistens dem Stande der Farmer oder der ländligen Arbeiter ange- hörig. Die beiden Gemeinden zu Marton und Halcomve (Provinz Wellington) wurden im Jahre 1875 durch einen Missionar gegründet, welher mit zwei Gefährten von der Missionsanstalt zu Herrmans burg in Hannover zur Verbreitung des Christenthums unter den Maoris nah Neu-Seeland ent- sandt war. An beiden genannten Diten ertheilt der Pfarrer auch den Kindern der Gemeindemitglicder Elementaruntei richt, do sind gegenwärtig zusammen nur etwa 40 Schulkinder vorhan: den. Bei dem vortrefflich geleiteten Staatsshulwesen der Kolonie Neu-Seeland tritt das Bedürfniß besonderer Lehranstalten für die Kinder der deutschen Einwanderer natürlih wenig hervor, obgleih vom nationalen Standpunkte aus zu beklagen ist, daß lehtere in den englishen Schulen den Gebrauch ihrer Muttersprache bald ganz verlieren, und unter einander und im Familienkreise stets das englishe Jdiom vorziehen. Wo deutsche Prediger wirken, wird wenigstens noch der Konfirma- tionsunterriht in der heimishen Sprache ertheilt und dadurch einem vollständigen Vergessen derselben vorgebeugt.

Das Vereinsleben hat unter den Deutschen Neu-Seelands bieher niht reht gedeihen wollen. Ein geselligen Zwedlken dienender Verein, dessen Mitglieder wöchentlih in einem be- stimmten Vereinslokale zusammen kommen und statuten- mäßige Rechte und Pflichten haben, besteht nur noch îia Auck: land. Jn Wellington und Chrifthurch haben sih ähnliche Vereine aus Manael an Betheiligung nicht halten fönnen. Jn Dunedin ist kürzlich eine deutsche Liedertafel gegründet, welhe aber nur musifalishe Ziele verfolgt und au zahlreihe engli:che Mitglieder besißt. Der Grund dieses mangelnden Zusammenhaltens mag zum Theil in der geringen Anzahl und der verschiedenen Lebensstellung der in den Städten überhaupt vorhandenen deutschen Bevölkerung zu suchen sein, zum Theil haven auch zufällige Umstände mitgewirkt, die sich bei gutem Willen und bei kräf- tiger Jnitiative der gebildeteren und angejeheneren Deutschen wohl beseitigen ließen. Den Einzelnen fehlt es weder an Patriotismus noch an Selbstgefühl gegenüber den englischen Kolonisten, doch scheinen sie niht im Stande zu sein, sih unter einander zu vertragen, und die den Deutschen auch im Aus- lande anklebende Neigung zu kleinlihen Zänkereien und Eifer- süchteleien zu unterdrüden.

(Fortseßung folgt.)

Der Verein Berliner Künstler feierte gestern Abend den vierhundertsten Geburtstag Rafael Sanzio's durch ein Festmabl in den Sälen seines eigenen Künstlerheims. Nachdem der Direktor der National-Galerie, Geheimer Regierungë-Rath Dr. Jordan, den unsterblichen Künstler geschildert und mit einem Hoch auf die hohe, die heilige, die ewige Kunst geendet hatte, verlas der Vorsitzende des Vereins, Professor Karl Becker, nachstehendes Schreiben :

„Sehr geehrter Herr Professor! Jbre Kaiserlichen Hokeiten de Kronprinz und die Kronprinzessin leauftragen mi, beifolgend Exemplar der zur Feier der silbernen Howzeit Ihrer Kaiserlida Hoheiten gestifteten Gedenkmürzge zu übersenden. Dankerfül; für die liebenswürdige Art, mit welcher der Verein Berliner Künstly dazu beigetragen hat, in treuer Verehrung für das kunstliebende be Jubelpaar und in sinnigem Geschmalke die fünfundzwanzigjät Feier der Hochzeit Ihrer Kaiserliden Hoheiten des Krovprinzen R der Kronprinzessin zu verhecrlihen und zu cinem unvergef liden Tage zu machen, haben Höchstdieselben mich ky, auftragt, Ew. Hochwohlgeboren, als den Prâses dieses Vereins, y bitten, das beifolgende Andenken als Zeichen höchsten Wohlwollen für den Verein Berliner Künstler gütigst annehmen zu wolle, Mit dem Ausdrucke vorzüglichster Hohatung: Graf von Seckendorf' Die also geehrten Künstler brachten dem Erlauchten Paare tj dreifahes Hoch dar.

Von Wien aus findet seit Kurzem durch den Kunsthandel eix Reihe vorzügli gelungener Farbendruckblätter Verbreitung, di in ungleih höherem Maße als die Mehrzahl sonstiger Erzeugniffe der: selben Tenik Beachtung verdienen. Statt der Wiedergabe beliebige Staffeleigemälde begegnet uns in ihnen der glückliche Versu, in den Farbendruck ein neues, zugleih wirkungsvolles und wohlfeiles Mittz dekorativer Kunft zu gewinnen. Bleiben die Blätter au jedes fir si und in beliebiger Verbindung, glei den bisher gewohnten O, druckbildern als beweglicher Wands{chmuck verwendbar, so beabsidtiga sie do in erster Linie, sih der Arcitektur selber, der Dee des Zimmer! dem Thüraufsay oder einer sonst gecigneten Fläcbe als farbige Füllunza fest einfügen und fo einen Ersaß für die nur bei reihem Aufwand roz Mitteln ermöglibte Auss{mückung der Wohnung mit Plafort, malereien, mit Friesen und Sopraporten darzubieten. Die v: \ciedenen, theils annäßernd quadratisben, theils Langg.streckta Formate der Bilder sind ebenso mit Rücksiht auf diefen Zwet q wählt, wie die Gegenstände der Darstellung. Neben Landschaft na Originalen von J. Varrone in Wien, dessen Capri mit dem i Sonnenglanz leuctenden Meere von treffliher dekorctiver Haltun ist, sind es vor Allem vier heiter anmuthende Schilderungen de Jahreszeiten von Franz Lefler, gefällig bewegte Gruppen zier!ite, bald in idealer Nacktheit, bald in phantastisbem Koftüm si tummelnder Kinderfiguren von lustig naiver Auffassung, ti ia Komposition und Erfindung wie in Ton und Farbe ein i hohem Grade frishes und graziöses Talent bekunden. Von demselbæ Maler rührt ferner eine Anzahl kleiner Blätter ber, die in je zwä Kindergestalten gleider Art Jagd und Fischfang, Obstlese und frèb libe Mablzeit im Fr.ien, Musik, Gesang und Tanz zur Darstellun bringen und jenen größeren Kompositionen an Liebenêwürdigket keineswegs nacstehen. Schon durch einfade Umrahmung lassen si aus den oriaginellen Blättern, die in Berlin in der Kunsthandlung von Edmund Gaillard zu schen sind, obne weitere Mühe an jeden Ort verwendbare Sopraporten 2c. herstellen; von Architekten und Bay herren bei der inneren &inribtung von Neubauten von vornherei neben dem heute auss({ließlih üblichen Stuckornament als Dekorationk mittel herangezogen, würden sie der modernen Wobnungsauëftattun eine gelegentlih sehr erwünshte Abwechselung binzufügen und zuglei dem Farbendruck ein neues und dankbares Produktiontgebiet eröffner, Gerade der Umstand, daß bei ihnen von vornherein eine dekoratin Haltung ins Auge gefaßt und damit der reproduzirenden Tewnik cin ihr angemessene Aufgabe geftellt ist, unterscheidet die Blätter Lefler sehr vortheilhaft von der Menge der gewöhnlichen Erzeugnis des Farbendruds und weit leßteren von neuem statt auf die R produktion realistisch durchgeführter Oelgemälde vielmehr auf das biet dekorativer Kunst hin, auf welhem er in kleineren Arbeiten, i Tis&karten, farbigen Enveloppen, Etiketten u. dgl. m. bis jeyt tz weitaus Vorzüglichste geleistet hat.

Unentageltliche ftenographishe Lehrkurse beginnen die biesiga Rollershen Stenographen-Vereine wieder für Herre, Damen und Schüler am Dienstag, den 10. April im „August-Garten', Auguststraße 24, Mittwoch, dea 11. April im „Café Jäger“, Linter strafe 106, und im „Louisenstädtishen Vereins-Salon“, Kottbusw straße 4, überall Abends 84 Uhr. Die Kurse erfordern bei tel [eiten Erlernbarfkeit des Rollershen Svftems nur 4 Lehrstunde, wödentlih eine. Für die vollständigen Lehrmittel hat jcder Theil nehmer 2 H, zu den Unkosten der Bekanntmachung 2c. nur 1 beb zutragen. Weitere Unkosten erwa{sen den Theilnehmern nit; aut die si an den Lehrkursus schließenden Uebungsftunden find unentgelt f li. M:ldunger zur Theilnahme werden an obengenannten Abende: in den betreffenden Lokalen von den daselbst anwejenden Lehrern ert gegengenommen.

„Ornis“, Verein für Vogelkunde und -Lieh ha bert! Montag, den 9. April, in Knorrs Restaurant, Unter den Linden Berathung über die Vogelschußgeseßvorlage im Reichstage. Beit von Dr. Karl Ruß. Gäste sind willkommen.

Danzig, 7. April. (W. T. B.) Nachdem die Weichsel geftert Nacmittag bei Bohnsack den Damm durchbrochen hatte, versuä! inan mittelst Granatenbombardements die Stopfung in der Mündus bei Neufähr zu sprengen, wat mißlang. Spät am Abend wurde aber 1 Dampfern mit großer Gefahr die Stopfung durbbrechen. Seitdem | das Wasser, und die Gefahr für den Danziger Hafen und die Holzlager d todten Weichselarmes, die 15 Millionen an Werth repräsentiren, (8 als beseitigt. Heute meldet die „Danziger Zeitung*®* mittelst Eri blattes neue große Gefahren, nämlich eine abermalige StopsuiB unterhalb Dirscaus und. eine 6C00 m lange Eisverpackung unterbal Thorn. Man ift hier in großer Sorge. Die Dörfer Bohn] und Neufähr sowie die ganze Nehrung bei Neufähr und 1 Theil des Danziger Werders sind noch vollständig unter Wah.

Rom, 7. April. (W. T. B.) Die gerihtlihe Untersuhung # Feststelung des Thatbestandes über eine bei Moricone (in der N von Passocorese) stattgehabte Explosion ist im Gange. Die lle sache der Explosion ist noch nicht festgestellt. Wie es heißt, soll t Katastrapbe durch Unvorsichtigkeit herbeigeführt worden sein, int cin Arbeitec mit einem offenen Lichte sich in den Keller des betre den Hauses, in weldem Pulvervorräthe lagen, begab, um Werks zu holen. Die Zahl der sämmtlich aus den Abruzzen gebürti® Arbeiter, welche si in dem Hauje befanden, betrug 47; von tielt wurden 18 getödtet, 24 verwundet. Das Haus gehörte ted Maire von Moricone. Diescr sowie der Ingenieur Wasserleitung am Orte sind wegen Fahrlässigkeit unter Anklage stellt und vor den Untersuhungsrichtker geladen worden. Von N wurden unter Beihülfe der Gesellswaft vom Rothen Kreuz 5, möglihen Hülfemittel an den Ort der Katastrophe gesandt. 2 Kardinal Bilio, zu dessen Diözese der Ort gehört, traf geftern 5 cin und gestattete, die Verwundeten in die Kirche zu bringen. “, Behörden sind bemüht, Hülfe zu schaffen; es ift bereits einc Sam" n für die Verunglückten resv. die Hinterbliebenen derselben ero! worden.

Am Bußtaçe (den 18. d. Mts.), Abends 7 Ubr, führt Sing-Akademie, zum B:-sten des Vereins für arme Wöchnerin®, den ,Messias8“ von G. F. Haendel auf. Einlaßkarten zu 49 (Loge 3 #, Balkon 2 A), sind bei dem Hauswart der S? Akademie zu haben.

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Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druckt! W, Els6né!

Fünf Beilagen (cins&ließlîch Börsen-Beilage).

Berlin:

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Nichtamltliczes.

Preußen. Berlin, 7. April. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (59.) Sißung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die A b- änderung der Gewerbeordnung, fortgeseyt. Der- Abg. Dr. Blum befürwortete seinen Antrag. Dur die Anträge der Kommission werde niht, wie der Abg. Richter meine, die freie Beweaung der Gastwirthe eingeschränkt, sondern die polizeilihe Willkür enger begrenzt. Ueber das Unwesen der Tingeltangel habe in der Kommission volle Uebereinstimmung bestanden, auch Seitens der Parteifreunde des Abg. Richter sei in dieser Beziehung den Ausführungen des Bundeskom- missars in der Kommission beigepflichtet worden. Der natio- nalliberale Antrag wolle die Musikaufführungen und die im §. 33a, nicht spezialisirten „sonstigen“ Lustbarkeiten ihrer Ungefährlichkeit halber der besonderen polizeilihen Kon- zession entziehen. Zu seinem Antrage sei er besonders aus dem Grunde gekommen, weil es wünschenswerth sci, an Stelle der polizeilihen Gewalt feste Rehtssäße zu stellen ; dazu genüge aber der Kommissionsvorshlag niht. Gerade die Konservati- ven müßten von ihrem Standpunkt aus besonders die einmal ertheilte Konzession als ein wohl erworbenes Recht hüten.

Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, die vom Vorredner

betonte Einstimmigkeit in der Verurtheilung der Tingeltangel sei in der Kommission allerdings vorhanden gewesen ; anderer- seits frage es sich jedoch, ob eine Nothwendigkeit für das in der Vorlage und den Kommissionsbeshlüssen beliebte Verfahren gegen die Tingeltangel - Mißwirth- {hast noch vorliege. Die Vorlage komme seiner Ansicht nach hier mit ihren Vorschlägen etwas post festum ; die Tingel- tangel schienen ihm mehr und mehr aus der Mode zu kommen. Jn Berlin seien na der citirten amtlichen Quelle deren nur noh 8; wie es in den anderen großen Städten und nur diese kämen ernstlih in Betraht stehe, darüber wünsche er vom Bundesrathetishe Auskunft. Jedenfalls könne es sih nur um eine so unbedeutende Zahl handeln, daß das Haus ihretwegen nicht geseßgeberish einzushreiten nöthig habe. Bezüglich der übrigen Lustbarkeiten gehe ihm auch der Antrag Blum noch nit weit genug; derselbe enthalte zu viel unbe- stimmte, dehnbare Ausdrücke. Am besten verbleibe es eben bei den bestehenden, {hon ohnehin sehr zahlreichen lanbespolizeilihen Vorschriften. Die öffentlihen Lust- barkeiten seien ein sehr wichtiges Element für das öffent- lihe und Privatleben des deutshen Volkes, und sollten aus so einseitigen Gründen niht prinzipiell verstümmelt werden. Sehe man si die beshränkenden Polizeiversügungen der Einzelstaaten an, so könne man über .die Gefährdung der Sittlichkeit, über die Begünstigung der Völlerei 2c. ganz ruhig sein. Auch der Antrag Blum gehe noch zu weit und deswegen bitte er, den Kommissionsbeshluß und den Antrag Blum ab- dap Wohin die jeßt {hon geltenden Polizeigewalten ühren könnten, sehe er aus einem landräthlihen Erlaß aus Ofipreußen, wo das Ausschänken von Getränken gegen Kredit Grund zum Verfahren auf Konzessionsentziehung geben solle. Wenn das allgemein werden sollte, was würde z. B. aus den Gastwirthen in manchen Universitätsstädten werden ? Er bitte also die Vorlage und den Antrag Blum abzulehnen, oder wenn dieselben angenommen würden, werde man zu einem embarras de richesse in Bezug auf Polizeigewalt kommen.

‘Hierauf ergriff der Kommissar zum Bundesrath, Geheime Regierungs-Rath Boed iker das Wort:

Meine Herren! Der erste Herr Redner hat damit angefangen zu sagen, es seien von den verbündeten Regierungen die Tingeltangel herangezogen, um eine weitergehende Beschränkung der Gastwirth- schaften und Schankwirthschaften eintreten zu lassen, Meine Herren! Die verbündeten Regierungen, bezw. deren Zentralbehörden, sind aus sh auf die hier fraglichen Gedanken der Vorlage gar nit gekom- men; es sind die Anregungen, eine Vorlage, wie der È 33a. fe ver- förpert, vor das Haus zu bringen, ausgegangen von Seiten der Ver- tretungen größerer Städte. Ih bin von verschiedenen Seiten provozirt, derartige Mittheilungen zu machen und erlaube mir, den Bericht der Verwaltung einer großen Stadt soviel ich weiß, ist der Chef derselben felbst liberal hier zu verlesen, soweit er hier in Betracht kommt. Wenn die Herren vielleiht die Motive der Vorlage zur Hand haben sollten, so werden Sie finden, daß die Motive in dieser wibtigen Beziehung aus diesem Berichte wörtlich abgeschrieben sind. Der Bericht lautet: „Dem von der öffentlichen Meinung und in der Presse zur Genüge und mit vollem Rechte ge- brandmarkten, der öffentlihen Moral im höchsten Grade \c{âdlihen und insbesondere solben Aufführungen und Vorstellungen, bei denen ein wirkliches Interesse der Kunst oder Wissenschaft obwaltet, sebr nadbtheiligen Unwesen der sogenannten Singjpielhallen, Tingeltangel, Salons Varietés, Cafés chantants, kann nur dann wirksam gesteuert werden, wenn solche Unternehmungen auch da, wo sie als stegendes Gewerbe betrieben werden, von der polizeilihen Erlaubniß ab- hängig sind. Selbst bei der strengsten polizeilihen Ueber- wahung if es äußerst \{wierig, Un ittlichkeiten und anderen bei Vorstellungen untergeordneten Ranges vorkommenden Unzu- träglichkeiten an der Hand der allgemeinen bestehenden Bestim- mungen wirksam entgegen;utreten. Werden aber derartige Unter- nehmungen ganz allgemein von der polizeilichen Erlaubniß abhängig

emacht, so kann bei deren Konzessionirung sowohl die Bedürfniß- age, als auch die Persönlichkeit des Unternehmers in einer dem sffentlihen Wohle ersprießlihen Weise in Betracht gezogen werden. Es dürfte si daher empfehlen, für Unternehmungen der im §. 59 der Gewerbeordnung bezeichneten Art die ortspolizeiliche Erlaubniß au dann als erforderlich zu erklären, wenn das Gewerbe als ein stehendes. betrieben wird.“ Ich werde Ihnen weitere ähnliche Zeug- nisse nicht zu verlesen brauchen. Nur aus einem anderen Kreise, aus dem Kreise einer Handelskammer in einem hocentwidckelten indu- striellen Bezirke, wo der Uebelstand ebenfalls empfunden wird, tro polizeilicher Maßnahmen, troy der Maßnahmen der Kommunalverwal- tungen auf steuerlihem Gebiete, aus dem leßten Jahresbericht der andelskammer in Essen, will ih Ihnen einen Saß vorlesen: „Die esteuerung der Musikaufführungen, Schaustellungen u. \. w., bei denen ein höheres Interesse der Kunst oder ifsenshaft niht ob- waltet, welche seit einigen Jahren Seitens der Kommune unseres Bezirks eingeführt worden, hat dem Unwesen der sogenannten Tingel- tangel nit genügend zu steuern vermoht. Eine shärfere geseßliche Beschränkung sie nt deshalb wünschenswerth.“ j /

Ich knüpfe an diese Bemerkungen sofort eine Erwiderung auf die testen Worte des Hrn. Abg. Dr. Baumbach, der da sagte, man solle dem Volke seine Vergnügungen niht verkümmern. Meine Herren, -am allerwenigsten werden das die verbündeten Regierungen, denen die Fürsorge für die arbeitenden Klassen in erster Linie am Herzen

Erste Beilage

erlin, Sonnabend, den 7. April

liegt, wollen. Aber in diesen s{lechten, versumpften Lokälen verbringen die jungen Leute die Groschen, die sie die Woche über mühsam verdienen ; statt ihren Verdienst ihren armen, vielleiht darbenden Eltern abzu- geben, verprafsen sie ihn dort, und es ift durhaus nothwendig, daß Angesichts solcher Kundgebungen von Magistraten großer Städte, die sagen, wir kommen mit den Bestimmungen nit aus, daß Angesichts der Kundgebungen von Handelskammern aus solchen industriellen Kreisen, die dieje Verhältnisse tägli vor Augen seben, daß Angesichts jouber Kundgebungen die verbündeten Regierungen wenigstens den uns eshäftigenden Vorschlag Ihnen machen. Db Sie derselben annehmen, muß der hohe Reichêtag wissen. Die verbündeten Regierungen ibrer- seits genügen mit der Vorlage nur ihrer Verantworiliwkeit. Es fällt also vollfommen damit der Eingangepassus in ter Rede des Hrn. Abg. Richter hinweg, die verbündeten Regierungen hätten diese Ver- bältnisse nur mit den Haaren herbeigezogen, um auch sonst noch die Gastwirtbe weiter unter die Knute der Polizei zu bringen. Meine Herren! Ist das überhaupt der Fall ? Werden die Gafiwirthe übtert:aupt, die fünfzigtausend, von denen der Hr. Abg. Richter sprach, dur diese Vorlage chikanirt? Sind denn die sämmtlichen 50 000 Gastwirthe in der Lage, derartige Tingeltangel, bezw. die unter §. 33 a. fallenden Lustbarkeiten 2c. zu veranstalten ? Die große Masse der Krugbesißer auf dem Lande denkt niht daran, derartige Vorstellungen 2c. zu geben. Die sind gar ni{cht in Frage; die Vorlage kehrt si gegen die Wirtbschaften, in welchen folche un- sittlide und gemeinschädliche Aufführungen vorkommen; diesen Wir- then will die Vorlage entgegentreten. Meine Herren! Es wäre geradezu unpolitisÞ von der Regierung, wenn se die 50 000 Wirthe pes si aufbringen würde, bei dem großen Einflusse, den dieselben

aben. Dann if gesagt worden, die Tingeltangel sind aus der Mode. Meine Herren! Damit ist {on ausgedrückt, daß der Saß nichts be- weift. Die Mode kommt und gebt. Was heute aus der Mode ift, kann morgcn wieder in der Mode sein, und die Gesetzgebung muß sich doch auf allgemeine Prinzipien stüßen und kann keine Mode- gesetgebung sein. Uebrigens ist die fraglide Mode augenblidlich viellcibt nidt mehr so stark, wegen der seit längerer Zeit ungünstigen Erwerbsverdbältnisse der Bevölkerung. Wenn si diese Erwerbéverhbält- riffse wieder bessern, und sie haben sich ja {on gebessert, so wird, leider Gottes, für diese Art unsittliher Vergnügungen wieder Geld ausgegeben werden. Es ist an der Zeit, jeßt dem Unwesen zu fteuern, daß nit wieder eintritt, was na den Gründerjahren hervorgetreten ist. Bei Zeiten foll man vorforgen. Meine Herren! Der Hr. Abg. Richter hat besonders betont, es sei möglih, an der Hand der be- stehenden Geseßgebung das Nöthige zu leisten. Auch hier in Berlin habe man genügend Abhülfe auf dem Gebiete geschaffen. Ja, meine Herren, Berlin hat zum Theil \ich vielleibt den Vorwurf gemerkt, den der Herr Abg. Ritter vor drei Jahren gegen die Behörden richtete bei der Debatte über diesen Gegenstand; er hat: in der Sitzung vom 26. April 1880 gesagt, daß man gegen den Tingeltangel gar nicht streng genug vorgehen könren (Abg. Nichter : Gewiß, das habe i auch heute gesagt !), aber die Behörden passen nicht auf, die Gewerbe- ordnung bâtte nit \{chlechter ausgeführt werden können. (Abg. Richter : Das babe ih aub heute gesagt !) Nun werden vielleicht nicht sämmtliche Bebörden der Meinung gewesen sein, daß Angesichts der in den leßten Jahren veränderten Strömung sie nun auch schärfer vorgehen fönnen. Ich kann uur konstatiren, andere Behörden sind der Meinung, die Gesetzgebung genüge nicht, um mit der nôthigen Schärfe einzuscreiten. Wenn der Herr Abg. Richter glaubte, lokalpolizeilihe Verordnungen würden das Uebel heben, so haben: {hon die Motizz erwidert, daß es besser sei, diese prinzipielle ‘Frage generell zu ‘ordnen, und auch von dem Hrn. Abg. Ackermann ist, wenn ih recht verstanden habe, dies betont worden.

_ Auf diesem Punkte steht eben die Vorlage, und gerade von der linken Seite des Hauses ist anerkannt worden, daß nur dann, wenn man eine geseßliche Basis schaffe, die Sache genügend geordnet werde, statt ledigli einer polizeilichen Verordnung die Sache anheimfallen zu lassen. Der Abg. Richter hat dann auf die Vorstellung des Ver- bandes deutsher Bühnenangehöriger Bezug genommen in Be- tref der Frage, was Vorstellungen höherer Kunst seien. Meine Herrea! Er hat aus der Broschüre ein paar «Säße vorgelesen, aber sih wohl gehütet, das Petitum der Broschüre mitzu- theilen, welches allerdings darauf ging, diese Tingeltangel und niederen Theatervorstellungen vom Theater überhaupt avszuscheiden, und dann darauf abzielte, die allerstrengsten Bestimmungen in Bezug auf das Theatergewerbe selbst zu treffen, so strenge, daß sie niemals von jener Seite des Hauses angenommen werden würden. In derselben Broschüre wird auch auf das Mißfälligste hervorgehoben, wie in der Vechandlung vom 5. Mai von liberaler Seite über diese Frage ab- geurtheilt worden sei: „Der deutshe Schauspielerstand mag sich bei diesem Manne es ist ein Redner von jener Seite (links) gemeint d die wahre Sympathie, die in diesen Worten liegt, angelegent- list bedanken“; so heißt es dort in bitterster Ironie! Also auf diese Vorstellung können \sich die Herren im Allgemeinen auf mich berufen. Der Abg. Richter hat noch gesagt, es ist gut, daß die Tanilustbarkeiten ausgescbieden worden sind. In der Kommission wurde von Freunden des Hrn, Abg. Richter um- gekehrt verlangt, es sollen auch die Tanzlustbarkeiten in das Gesetz aufgenommen werden. Sie sehen, wie s{wer es ist, es den Herren vollkommen recht zu mahen, Der Eine lobt das, was der ndere tadelt. Sie können nit verlangen, daß wir unter allen Umständen treffen, was auf jener Seite erwünscht ist. Ein au von liberaler Seite ausgegangener Antrag, bezüglich der Tanzlustbarkeit, der in der Kommission gestellt wurde, ging dahin, die Tanzlustbarkeit von dem Ermessen der Ortépolizeibehörde abhängen zu lassen. Dadurch wäre eine außerordentlihe Verschärfung in die Vorlage hineingekommen, denn augenblicklid stechen die Verhältnisse in Deutschland durchweg fo, daß an ‘vielen Tagen des Jahres ohne weitere polizeilie Er- laubniß getanzt werden darf. Wäre sener Antrag in der Kommission durchgegangen, dann wäre jede Tanzlustbarkeit unter das Ermessen der Lokalpolizeibehörden gestellt. Jh habe mih damals im Interesse der Gastwirthe dagegen ausgesprochen, als in der Kommission dieser Ge- danke auftauchte.

Es liegt nun der Antrag Dr. Blum-Heydemann vor, welcher die Vorlage der Regierung abschwächt, einmal, was den Gegenstand an- langt, und dann auch in der Richtung , da die Entziehung der Kon- ession unter Umständen nicht eintreten soll, die die Vorlage vorsieht.

ch bin natürlih nicht befugt, meinerseits einen Theil der Vorlage der verbündeten Regierungen fallen zu lassen und entgegen der Vor- lage mich für einen Antrag auszusprechen. Auf der anderen Seite aber nehme ich Abstand, diesen Antrag besonders scharf zu bekämpfen, indem i glaube, daß, was den ersten Theil des Antrags anlangt, durch denselben dem Uebel im Großen und Ganzen doch E wird, und was den zweiten Theil anlangt, der §. 33 in Verbindung mit §. 53 der Gewerbeordnung doc eine gewisse Abhülfe {aft , in- sofern als wegen ungeeigneten Lokals eventuell dem Gastwirth selbst die Konzession entzogen werden kann, und damit fällt dann auch der Betrieb dieser Vorstellungen hinweg. Selbstverständ- li kann es den verbündeten Regierungen nur sehr viel lieber sein, wenn die Vorlage mit der Modifikation der Herren Abgg. Dr. Blum und Heydemann angenommen wird, als wenn sie ganz zu Falle fommt. Zum Schlusse habe ich noch dem Hrn. Abg. Richter ein paar Worte zu erwidern in Bezug auf die außerordentlich heftigen Angriffe, welche sich derselbe gegen die Polizei gestattet hat. eine

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußishen Staats-Anzeiger. B

1883.

Herren, die Worte „Paschawirthshaft*, „Knute“, „Botmäßigkeit“ u. \. w. sind alle gefallen und sind doch im Allgemeinen geeignet, einen sonst geachteten Beamtenstand etwas in der allgemeinen Achtung berunterzuseßen, wenigstens nicht dazu geeignet, die Ahtung vor dem- selben zu hcben. Meine Herren, wer ist denn nun die Polizei ? Ist die Polizei, d h. die Verwaltung in ihren verschiedenen Instanzen, nicht anz genau fo gut, wie der Stand der Justizbeamten, der Stand der Aerzte, der Geistliden u. |. w., genau eben so gut, wie die Nation überhaupt selbst, ‘der die Polizei angehört; denn geht die Polizei nit aus der Nation, aus dem Volke hervor ? (Lacben links.) Meine Herren, das sind Thatsachen, wir haben zanz genau die Polizei, die wir werth und würdig sind, zu haben. (Sehr richtig! und Laden links3.) Meine Herren, die Polizei: entspriht nit nur dem Durcbscnitt der Nation, fie ift insoweit noch besser, als, um in die Polizei und den polizeilichen Organismus aufgenommen zu werden, mèön besonderen Prüfungen in jeder Beziehung unterliegt, in sittliher Beziehung, in Hinsicht der Befäbigung und in körperlicher Beziehung. Mögen immerhin cinzelne Pflichtvergessene au in diesem Stande sein, im Großen und Ganzen ist die Polizei Deutschlands aewiß so gut, daß es durcbaus ungehbörig ist, ic bitte den Herrn Präsidenten es mir

. niht übel zu nehmen, daß id diesen Auëdruck gebrauche (Oho links),

in dieser Weise über die Polizei zu urtheilen, (Zuruf: Ungehörig ! Glote des Präsidenten.) E lten

Der Präsident von Leveßow erklärte, darüber zu urtheilen, ob etwas ungehörig sei, stehe allein dem Präsidenten zu. (Abg. von Vollmar ruft: Die nehmen sich immer mehr her- aus!) Er müsse die Herren, die nit das Wort haven, bitten, keine Bemerkungen zu machen.

__ Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs-Rath Bödiker (fortfahrend):

__ Meine Herren! Die Klagen über die Polizei sind eine berechs tigte oder unbere@tigte Eigenthümlichkcit aus den ôstliben Provinzen Preußens. In der Kommission ist ausdrücklich konstatirt worden, daß man in den neuerworbenen Provinzen im Westen, in Baden, Bayern und Sacsen für diese Art von Klagen kein Verständniß habe. Jch berufe mich in dieser Beziebung auf das Zeugniß der Kommission. Im Großen und Ganzen ift dort ausdrücklih hervor- gehoben, man möge mit diesen Klagen gegen die Polizei nit gene- rell fommen. Nun würde es ih also nur noch um die östlichen Provinzen handeln, meine Herren, und da glaube ich, daß die Kla- gen, die da gegen die Polizei vorgebracht sind, antiguirt zu nennen find. Meine Herren! Jh berufe mib in dieser Beziehung auf einen ganz gewiß klassischen Peugen, auf den Hrn. Abg. Gneist, der in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 15. Januar d. J. zur Bekämpfung der Vorlage der Königlich preußishen Regierurg in Bezug auf die Verwaltungbgeseßze Folgendes sagte: Mit jener Ver- waltungéklage ist es uns gelungen und Sie wissen, daß man gegen eine Verfügung polizeilider Art in Preußen entweder an den Land- rath Beschwerde oder die Verwoltungsklage bei dem Ausschuß er- heben kann also: „Mit dieser Verwaltungsklage ist cs uns ge- lungen, das Problem zu lösen, an dem wir uns hier und außer dem Hause ein ganzes Menschenalter abgemüht haben, die Legalität und das Vertrauen auf die Geseßlichkeit der Polizeiverwaltung zu gewinnen. Nah wenigen Jahren überzeugt sich davon auch das Publikum und ih meine, man kann der Polizei keine größere Wohlthat erweisen, als in dieser Weise ihre moralische Autorität zu stärken, sie allmählich zu ciner populären Macht zu macen (Oho! und Lachen links.) Meine Herren, der Hr. Abg. Gneist, dessen Rede ih verlese,- sagt dies: was in Deutschland sehr langsam geht. Nun sollte man meinen, durch eine so allgemein gestaltete Klage würde die Verwaltung überschüttet mit Verwirklihungen. Allein der ganze Apparat dieser Rectskontrole beruht zur Zeit auf 32 Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerihtes im Jahre und 15 oder 16 Entschei- dungen im Dur(schnitt der einzelnen Bezirksgerichte.*“ Meine Herren, der Hr. Abg. Guneist hat also gesagt: Mit Hülfe dieser veränderten Organisation sei es gelungen, das Pro- blem zu lôsen, an dem so lange gearbeitet sei, die Lega- lität und das Vertrauen auf die Geseßlichkeit der Polizeiverwal- tung zu gewinnen. Angesichts dieses Zeugnisses ist cs irre- levant, wenn nach wie vor irgend eine Polizeiverwaltung irgend einen Mißgriff begeht; das fann bei dem voll- endetsten Organismus der Fall sein, dafür sind auch die Polizei- beamten Menschen, und Irren und Fehlen ist mens{li. Meine Herren! Hiernah aber kann ih do nur in der That bitten, die au heute wieder so scharf geführten Waffen, womit die Polizei be- fämpft wird, an den Wänden ihrer Rüstkammern aufhängen zu wollen und nicht bei dieser Vorlage wieder hervorzubolen. Nach meiner Ansicht sind die Waffen Angesichts dieses Zeugnisses zum Ge- brauche niht mehr geeignet. :

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, troß der vor- züglihen Ausführungen des Regierungskommissars müsse er dem Abg. Richter zeigen, wie derselbe solche Sachen, wie die vorliegende, nah Außen hin darstellen wolle. Gejtern habe man hier gehört, wie die Kantinen, die doch im Interesse der Soldaten nöthig seien, aufgefaßt würden als Schädigung des freien Gewerbebetriebes, heute benuße der Abg. Richter die Gelegenheit, die Gastwirthe als geschädigt zu bezeichnen; na seinen (des Abg. Richter) Ausführungen habe man den Eindruck, das Vaterland sei in Gefahr. Die Wirthe als solche seien dur das Geseg nicht getroffen, es handele sih nur um die ganz b:e stimmten Lokale, in denen die öffentlihen Schaustellungen vorgesührt würden. Der Abg. Richter sage, die Wirthéehäuser seien gewissermaßen der Mittelpunkt des öffentlichen Lebens ; wäre das wahr, so würde er die Nation ihres öffentlichen Lebens wegen bedauern, denn dies öffentliche Leben wäre sehr kostspielig; nah sciner Erfahrung konzentrire sih das öffent- lihe Leben in Deutschland in den geschlossenen Gesellshasten. Die Fortschrittspartei beklage sich Über die Stärkung der Polizeigewalt, sie selbst habe aber nach manchen Versamm- lungen nah dem Schuß der Polizei gerufen. Er sehe nicht ein, wieso dur dies Geseß das Interesse der Liberalen ver- an werde; oder hänge dies Interesse etwa mit dem der Tingeltangel zusammen? Die Vorlage sei auch insofern wichtig, als sie dem tur die Gewerbesreiheit geschaffenen und den wirklihen Künstlern selbst sehr peinlihen Künstlerprole- tariat ein Ende machen werde. Er sei, wie der Abg. Blum dafür, die Polizeigewalt möglichst durch feste Rechtsnormen zu er- seßen. Wenn der Abg. Baumbach sage, die Tingeltangel een aus der Mode, so könnten sie do bald wieder in die

ode kommen; die Geseßgebung habe aber mit der Mode überhaupt nichts zu thun. Sollte etwa, weil heute die \{chwindelhasten Aktiengesellschaften niht in der Mode seien, die Reform der Aktiengeseßgebung unnöthig sein? Er finde es sehr richtig, daß das Getränkevershänken gegen Kredit Grund zur Konzessionsentziehung sein solle; der Abg. Baun- bah habe keine Kenntniß davon, wie dies Kreditgeben wirke, weil bei ihm in Thüringen nicht, wie es in Ostpreußen der Fall sei, das Aufdrängen des Kredits in Schänken häufig zur