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Quksor, das Ramesseum, die Tempel von Abydos, Medinet Habu, Kurna, Elephantine, Ipsambul 2c. eingehend würdigt sowie in ihren Grundrifsen und Details zur Anschauung und sorgfältigen Beschrei- bung bringt. In der 10. Lieferung wendet si die Darstellung sodann dem Prirat- und Befestigungsbau zu. Dieser Abschnitt enthält u. a. sebr inftruktive u-d_ mit großem Fleiß nab den naiven, unbehülfliden Ansidten (wie sie sih auf alten Neliefs und Malereien, z. B. in Tell-el-Amarna finden) ausgeführte Rekonstruktionen von alten Palast- und Villenanlagen, welck&e ein lebendiges Bild von der bäutliwen Einrichtung der alten Egypter darbieten. Auch der Fortififkationsbau und die Art der Belagerung und Vertbeidigung einer Festung werden in anschaulichster Weise be-
{rieben und abbildlich vor Augen geführt. j i — Joseph Baer & Co., Bubkbändler und Artiquare in Fran k-
furt a. M, Paris und London, hakcn vor Kurzem wiederum 2 Ka- taloge, den Lagerkatalog 125 undden Antiquarischen Anzeiger Nr. 330, autgegeben. Kat. 125 entbält unter der Ueberschrift : “ Anctores Latini. Lateinise Schriftsteller, Gram- matik, Litcraturgescbicbte. (Zum Theil aus der Bibliothek von H. Köhl)“, ein Verzeichniß von 1501 Striften, von denen 1284 die verscicdenen Auégaben der lateinischen Scriftsteller des Altcrthums nebft Erläuierungss&riften enthalten. 217 aber sih vorzugsweise mit
Tateinisder Spviade und Grammatik, mebrere auchb mit der alten
rômiscen Literatur beschäftigen. Der antigu. Anzeiger bringt eîn Verzeichriß von 373 die Philoscpbie betrcffenden Scristen. Man findet bier u. A. die Werke von Plato, Aristeteles, Cicero, Spinoza, Leibrit,, Kant, Fichte, Hegel, Scelling, Schleiermawer, Schopen- bauer, Hartmann, I. I. Rousseau u. A.
Land- nud Forstwirthschaft.
Das bercits erwähnte im Verlage von Duncker und Humblot er- schiencne Buch: „Bäuerliche Zustände in Deutschland. Berichte, veröffentli&t vem Vercin für Sozialpolitik“, enthält u. A. cu eine Abhandlung über diz Verbältnisse von drei Bauerngemeinden tkn der Umgebung Müncbhens von Profeffor Dr. Heinrich Ranke in München. Der Verfasser hat die Hypothekenbücber von fünf An- wesen jener Gemeinden durbgeseben und faßt das Resultat der dar- aus gewonnenen Aosickt kurz in folgende Säße zusammen:
Es cristict in dieser Gegend no cin Bauernstand, der si seinen alten Besitz und seine alten cinfa(en Gewohnheiten bis auf diejen Tag erhalten hat. S
G Unsere moderne Geldwirtbschaft A aber a der Arkhcit, diese alte esellscaftlide Ordnung zu zerseßen und zu zerstören. : ad Bie VersGülduni der bâuerlidcn Wirthschaften hat wöhrend der leßten 50 Jahre beträchtlih zugenommen. l
Notb, als Foloe der veränderten landwirthscaftliGen Konjunktur, dürfte in unseren Fällen als Ursace der Verschuldurg auszuschließen sein, obagleid die Steigerung der Arbeitélöhne eine bedeutende ift. Auch produktive Anlehen zu Bauten, Meliorationen 2c. fommen kaum in Betracht. :
ls Ursachen dec wahsenden Versculdung siad dagegen zu nennen: die Eintragung boher Erbportionen, die neuerdings allgemein gewordene Sitte der Verzinsung der leßteren, während sie früher unvcrzinélich waren, die Eintragung bober Kaufschilling8reite. E
8 liegt bereits cine Gefahr für den Bauernstand in der Höbe ter Summen, mit welchen er seinen Grundbesiß kelastet bat.
Die bankmäßige Verzinsung einer Hypothek bis zur Hälfte des Gutéwertbes dürste so ziemlich die ganze Bodenrente vers{lingen, jo daß dem Besitzer nur fein Arbeitêverdienst verbleibt. 4
Die Hauptgefahr für den Bauernftand liegt aber in den wucheriscen Maripulationen gcwissenloser Spekulanten, die ih die Geschäfts- unerfabrenheit des Bauern zu Nuße machen. N
Die wucerisden Spekulationen, dur welche alte Eäuerlihe Wirtbsckaften zu Grunde gehen, bestehen hicr erstens in Güterzer- trümmeruna, Güterschlächterci, wobei es hauptsächlich auf Veräuße- rung des Waldes abgesehen ist, welcher bisher die festeste Stütze der Wirtbschaft bildete; zweitens in Finanzmanipulationen, wobci anstatt des Wectsels, der in hiesiger Gegend unter Bauern noch wenig in Gebrauch ift, die Darleihung von Hypothekfapitalien mit kurzem Zahltungstermin, cuf Grund vollstreckbarer Urkunde, die Hauptrolle spielt. Der Swbuldner gelangt bierdur meist ras in tie Hand jeines Gläubigers. i i i
— Dem kürzlich erscienenen „Jahresbericht des Großherzoalid ba- dischen Ministeriums des Inrern über seinen Gescbäftékreis für die Fabre 1880 und 1881* entnehmen wir aus dem Abschnitte Land - wirths\caft Folgendes: Die gesammte landwirthscaftlice Fläche des Großherzothums kann zu 839 309 ha angenommen werden, worunter tie mit landwirthsckoftliden Früchten bestandenen Theile der Reutkerge und des Halwaldes mit 57 948 ha inbegriffen sind. Die landwirtb\cbaftlide Sesammtfläche sett sih wie folgt zusammen: Ader 5764€0 ba 68,7 "/, Wiese 191590 ha 22,8 °/o, Rebland 21870 ba 2,69%), Graëégarten 14810 ha 1,8 9%, Kastanienwald 950 ha 0.1 9/6, ftäntdige Weide 33820 ha 4,09%/0. Von der Akerfläcte befanden si im Zustande der Brace rund 4,6 °/o. Etwas über dic Hälfte nebmen im Anbau die Körner- und Hülsenfrüchte (51,4°/a der Acer-Ernte- fläche) cin, Futtcrkräuter und Futter-Hoäfrüchte annähernd ein Drittel (30 9%), deu Rest die Kartoffeln (14 °/6) und Handelsgewächse mit Gemüse (4,2 %/). Im Ganzen genommen weisen gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 1865/79 Körner- und Hülsenfrüchte eine Ab- nabme um 2220 ha, die Handelegewädfe eine Abnahme um 4630 ba, die übrigen Kulturgewöcse dagegen (Kartoffeln, Futteriräuter und Futter-Hackfrüchte) eine Zunabme um 10 970 ha auf. Es ist nit ohne Interesse, diese Bewegung an den Hauptkulturgewäcbsen im Einzelnen etwas näher zu verfolgen. Danach hat der Spelz seit Miite der se&ziger Iabre beständig an Terrain verloren (1865 rund 93 000 ha, 1880 77 190 ha), der Winterweizen dagegen seit Anfang der Siebenziger Jahre ebenso bestä:.dig an Terrain gewonnen (1865 33 £00 ha, 1870 31780 ha, 1880 37940 ha); Winterroggen ist ziemlich unverändert geblieben, ebenso Gerste, Hafer weist eine erhebliche Zunabme auf (1865: 2750, 1880: 59 810 ba). Es erbellt aus diesen Zahlen, daß der Anbau des Wintergetreides im Ganzen etwas abgerommen, der des Sommergetreides etwas zugenommen bat; gegenüber dem Durchschnitt der Sahre 1865/79 beträgt jene Abnahme 5900 ha, die Zunabme 2980 ha; woraus fi als Gesammtabnahme des Anbaues der Körner- und Hülsenfrüchte die oben berecnete Fläâhe von 2220 ha ergiebt. Von den weiteren Kulturgewäcsen baben die Kartoffeln seit 1865 (Anbaufläche: 76550 ha) bis 1880 (86 700 ha) um rund 10000 ha, Futterkräuter und Futter-Hackfrüchte in tem gleiden Zeitraum (1865 rund 160000 ha, 1880; 188490 ba) um fast 300€0 ba und gegenüber dem Durtbschnitt 1865/79 um tund 7000 ha zugenommen. — Eine erstmalige Erhebung der vorhandenen Obstbäume wurde im Herbst 1880 zu dem Zwecke vorgenommen, den Umfang der durch die SRinterfälte 1879/80 angerihteten Schäden näher festzustellen. Das Ergebniß dieser Erbebung war, daß die Gesammtzahl der Obstbäume auf 10 048 928, die Zahl der dur den Winter 1879/80 vernichteten Obstbäume auf 2268 269 oder 22,6 °/o, und der Bestand im Iahre 1880 guf 7 780 659 berednet wurde. Jedoch bemerkt der Bericht hierzu: „Da mittlerweile cine nidt unerhebliche Anzahl der dur die Kälte des Winters 1879/80 beschädigten Baume weiter eingegangen sind und viele solcher kränkeln, also vorauésihtlich nacbträglih ab- sterben werden, so bleibt die ermittelte Verlustzahl jedenfalls be- träcbilid binter ter Wirklichkeit zurück. Man wird in der An- rabme nit fehl gehen, daß der Gesammtverlust rund 3 Viillionen Obstbäume in si begreift und daß der Bestand an gesunden Bäumen dermalen nit höbßer als auf 7 Millionen im Ganzen sich beziffert.“ Die obfireichsten Kreise sind die Kreise Baden, Offenburg, Karlsruhe, Heidelberg, d. h. die Nectargegend, sowie der Landeëtheil zwischen Pfinz und Kinzig; die obstärmsten Villingen, Waldshut, Konstanz, also die hobgelcgencn Gegenden des Schwarzwaldes und des Donau-
ebiets. Bezirkéweise zeigen si die mannisfaliigsten Abstufungen.
elativ am ärmsten dürftz der Amtsbezirk Neustadt mit Obstbäumen
ausgestattet sein (2,5 Obstbäume auf 1 ha Aer- und Gartenfläe),
aro X reisten der Amtsbezirk Wolfach (39 Obstbäume auf 1 ha er 2c.).
Die Zahl der Pferde hat \ch im leßten Dezennium langsam verminderk. Sie betrug im Jahre 1869 71 807, 1871 68319, 1875 67 310, 1880 65 048, 1881 64446. Diese Verminderung be- rubt aber nit ctwa auf einem Rückgang der Pferdezut, denn die Zahl der nacgezogenen (ein-, zwei- und dreijährigen) Fohlen ift in der- elben Zeit beständig gestiegen; sie betrug 1871 7145, 1875 8160, 1880 8884, 1881 9177. Auf das Quadratkilometer (100 ha) fommen durch- \cnittlid 4,3 Pferde. Den relativ flärksten Pferdebestand hat der Kreis Mannheim mit 12 Pferden auf das Quadratkilometer, den relativ geringsten dagegen der Kreis Mosbach mit 2 Pferden auf das Quadratkilometec aufzuweisen. Die Zuchtbengste be- finden sich theils in der Hand einzelner Landwirthe, theils werden sie von Pferdezuht-Vereinen oder Gemeinden gehalten. Der bedeutendste dieser Vereine befindet si in Karlsruhe, der mit seinen Hengsten die Pferdezucbt-Bezirke des Riedes, des Hanauerlandes und der Haardt versieht. Der weitaus größte Theil der Hengste ift aus Staatémitteln anaekauft und den Privaten und Vereinen gegen Ersaß eines Theils der Ankaufskosten überlaffen worden; daneben werden Futtergelder verwilligt. Der Werth der im Großherzogthum befind- lichen Pferde kann bei einem Durtbscbrittêwerth des einzelnen Pferdes von 550 A zu 35—36 Millionen Mark angenommen werden. — Der Rindviehbestand zeigt in den leßten 10 Jahren große Schwankungen. Es wurden g2zäblt: 1871 579 608, 1872 621 888, 1873 660405, 1874 654946, 1875 626 026, 1876 568 046, 1877 590158, 1878 648 732, 1879 665 279, im Jahr 1880 (Zählung vom 30. November) ist die Zahl von 630 480, im Jahr 1881 die Zahl von 597 351 ermittelt worden ; der Zunahme des Viehstandes seit 1876 bis 1879 um 97 233 Stü ist also wieder eine Abnahme um 68 926 Stück gefolgt, so daß das Fabr 1881 binter dem zehnjährigen Dur(schnitt (1870/79) um etwa 34000 Stúück zurüdbleibt. Neben der günstigeren oder minder aunstigeren Lage des Viehhandels und der dur denselben bedingten Preiskonjunkturen sind cs vornehmli®% tie jeweiligen Ergebnifse der Futterernte (an Heu, ODebmd und Grünfutter), welche ibren Einfluß auf den Umfang der Viehhaltung geltend machen und die Scwankungen in der Größe der letzteren beeinflussen, Die Skala ter Sdlachtviebpreise des leßten Jabrzehnts zeigt analoge Stwarnkungen, z. B. bei Ochsen ein Steigen der Preise von 58 A für den Centner im Fahre 1871 auf 74 A tîm Jahre 1873; gute Futterjahre und lebhafte Nachfrage nach Fleisch bei günstiaer wirthsbaftlider Lage fielen hier zusammen. In den Fahren 1875 und 1876 sinken die Durscnittspreise per Centner auf 60 K her- unter, um si in den Jahren 1877 und 1878 wieder auf 70 # zu beben; tas Iahr 1879 und die folgenten Jahre bringen wieder sinkende Preise, wobei die Wirkung der minder oünstigen Futterernte durch eine Stockung des Viebbandels auf dem süddeutshen Markt noch verschärft wurde. Die Skala der Slat- viehpreise für Scbmalvieh verläuft in ähnlider Weise. Im Jahre 1881 wurden ermittelt: Sprungfarren 5230, Küße und sprungfähige Kalbinnen 384233, Owsen über 13 Jahre 5d 116, Thiere unter 14 Sahr 152772, zusammen 597 351. Auf das Quadratfilometer (100 ha) fommen Ende 1881 39,8 Rindviebstücke. Am dichtesten ist der Viehstand in den Kreisen Lörrach und Heidelberg (46 und 45 auf das Quadratkilometer), am wenigsten dicht in den Kreisen Mosbach und Villingen mit auf das Quadratkilometer. Etwa die Hälfte der vorhandenen Kühe (178 201) wicd als Gespannrvieh benutzt, in einzelnen Landestheilen, namentli da, wo der Kleinbcsiß überwiegt (Kreise Mcébach und Heidelberg) steigt diese Zahl bis auf 80%. Das jährliche Milcherzeugniß kann zu 460—48 Millionen Liter mit einem Werth von rund 30 Millionen Mark veranschlagt werden. Durcbscbnittlib 209 060 Stück werden alljährliÞh în den Sclächtereien ausgeshlahtet. Bei der Annahme, daß das aus- geführte und das in das Land eingeführte Sblachtvieh annähernd sich fompensiren wird, berechnet \ich daher das jâhrlie Erträgniß von Fleisch aus der Rindviehhaltung (beim durchscnittliden Werth cines Stlactrindviebstückes von 175 #4) zu etwa 37 Millionen Mark. Die Einnabmen aus der Rindvichtaltung sind mithin sehr beträcht- liche und der Geldwerth derselben (60—70 Mill. Mark) kommt etwa dem vierten Theil des Werths der Gesammternte des Großbeczog- thums glei. Der Gesammtwerth des Rindviehbeftandes Ende 1881 ift zu rund 120 000 000 MÆ anzunehmen. Unter den badishen Vieh- {lägen nimmt, wie der Bericht hervorhebt, die bervorragendite Stellung das Meßkircher Vieh (gelb- oder rothsceckia) ein, das sich im Amtsbezirk Meßkirh und Umgebung findet und durch planmäßige Züchtung mit guten Vaterthieren aus dem Simmenthal allmählich zu einem konstanten, dur Mastfähigkeit und Milckergiebigkeit sib au8zeihnenden Sblag entwidckelt babe. Wege?! der kräftigen Ent- widelung des Sfkelets und der Muékulatur, inébesondere auch wegen der guten Gliedmaßenstellung liefere dieser S&lag nebenbei vorzüg- lihe Arbeitéthiere. Eben wegen dieser Eigenschaften erfreue sich das Meßkircher Vieh au außerhalb Badens eines bedeutenden Rufs und die Ausëfuhr von Zuchtthieren, insbesondere na Norddeutscbland habe in dena legten Jahren beständig an Ausdehnung gewonnen. — Eigentlicbe Schafzucht wird vornehmlih nur in der Vaar und im südlichen und nördlichen Hügelland betrieben, in den übrigen Landes» theilen überwiegnt die Schafbaltung ohne Zut. Viele Heerden ziehen durch das Land, um die Weiden zu benüßen und bierauf als Swladtoieh ausgeführt zu werden. Ein Theil der Schafe wird jährlid aus den Nacbbarländern (Bayern und Württemberg) jung eingeführt. Das Schaf is ein mittelgroßes Fleishschbaf mit ziemli grober Wolle. Auf das Quadratkilomter kommen im Durchschnitt Ente 1881: 8 Schafe; . am höchsten stehen die Kreise Mosbach und Heidelberg mit 25 und bezw. 18 Schafen auf das Quadratkilometer ; am niedrigsten der Kreis Baden mit 0,5 Schafen auf das Quadrat- tilometer. — Die Zahl der Scweine ist in den einzelnen Jahrgängen je nah dem Ausfall der Kartoffelernte und der wirthschaftliden Lage, welche zur mehr oder minder raschen Leerung der Ställe Ver- anlassung giebt, eine \chwankende und beziffert sich beispielwcife 1870 auf 384 552, 1875 auf 344 326, 1880 auf 299 125, 1881 auf 363 949. Unter den im leßten Jahr gezählten Schweinen befinden si Zut- eber 1973, Muttershweine 31 691, Mastshweine 51 107, Ferkel und Sdtweine bis zu einem Jahr 289178. Die Schweinezucht steht hinter der Séhweinehaltung zurück und ist am stärksten in den Kreisen Frma Offenburg und Karlsruhe vertreten. Da3 Landswein, ein hochbeiniges und flachrippiges Thier, wird mehr und mehr dur Kreuzung mit englishen und norddeutshen Ebern zu ver- edeln gesut und verwerthet dann wesentli besser das Futter, wäh- rend mit der Veredelung die Frucbtbarkeit eine geringere zu werden pflegt, und der Weidegang der veredelten Thiere wegen ihrer Schwere häufig nicht mehr mögli ist; auch erfordera dieselben in Wartung und Pflege größere Sorgfalt. Wo der Weidegang der Schweine eine Rolle spielt, lann daber die Veredelung des Land- \{weins nur langsame Fortschritte machen. Auf das Quadrat- filometer kommen durcschnittlib etwa 24 Sthweine, welhe sid ziemlih gleihmäßig über das Land verbreiten. — Die Anzahl der Ziegen hat seit Anfangs der Siebenziger Jahre cine nit unerhebliche Vermehrung gefunden: sie betrug im Jahr 1870 60 471, 1875 82 661, 1880 91 612, 1881 92094. Die Ziege ist das Hausthier des kleinen Mannes, der landwirthschaftlichen Tage- löhner, der Fabrikarbeiter, kleiner Gewerbetreibender auf dem Lande ; au minderbegüterte Landwirthe, welche Gelegenheit haben, die Kuh- milch anderweit zu verwerthen — sei es durch Verbutterung oder Verkauf der Milch in der Stadt — pflegen nicht selten zur Deckung des eigenen Bedarfs an Milh neben den Kühen einige Ziegen zu balten. Bei dieser Satblage braucbe, so bemerkt der Bericht, die
. Zunahme der Ziegenhaltung an si nit als ein Zeichen besonderer
Ungunst der Verhältnisse angesehen zu werden. Veterinärwesen.
Amilicen Nacrichten zufolge sind folgende Ortschaften von der im Gouvernement Petrikau ausgebro-nen Rinderpest (vergl. .R.-A.* Nr. 84 vom 10, April cr.) betroffen: im Kreise Petrikau die Ortschaften Maidany und. Gonsfi, im Kreise Lodz die Ortschaften Ruda-Pabianicka, Rzgoro, Huta-Wiskitska und Grodzisfo.
Verkehrs-Anstalten.
Dresden, 12. April. (W. T. B.) H:ute wurden hier die Konferenzen von Vertretern der deutschen und öster- reichisch-ungarischen Eisenbahnverwaltungeu in der Güter-Jastradirungs-Angelegenheit fortgeseßt. Es fanden heute die- jenigen Instradirungsfragen ihre Erledigung, an welcher die #äch- sischen Staatsbahnen interessirt sind. In einer gestern stattgehabten Vorkonferenz wurden die neuen Statuten für den deuts&-ungarischen Eisenbabnverkehr berathen.
Bremen, 13. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Nord- deutsben Lloyd „Hannover“ hat am s. d. M. Teneriffa passirt, der Dampfer des Norddeushen Llovd „General Werder* ist am 8. d. M. in Montevideo eingetroffen.
Triest, 12. April. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Aurora * ist heute Abend aus Konstantinopel bier eingetroffen.
Berlin, 13. April 1883.
Die Berliner Sport-Saison nimmt am künftigen Sonn- tag ihren Anfang. Der „Verein für Hindernißrennen“ wird den Reigen auf der Rennbahn zu Hoppegarten eröffnen und sein Frühb- jahrs-Mecting an den Tagen des 15. und 22. April abhalten, wäh- rend das Frühjahrs-Meeting des Unionklubs am 29. April kteginnt und dann am 6., 14. und 27. Mai weiter abgehalten werden wird. Am künftigen Sonntag werden die Rennen um 14 Uhr Nachmittags ihren Anfang nehmen. Es werden 4 Konkurrenzen gelaufen werden, welche sämmtli gut besetzt sind und das lebhafteste Interesse beim Publikum hervorrufen dürften.
Das Eröffnungsrennen, welches um 15 Uhr um den Preis von 709 Æ gelaufen werden wird, ist ein Hürdenrennen auf 2009 m Distanz (für Joeys), zu dem 13 Pferde argemeldet sind. Zu dem hieran fich ans{licßenden Offizier-Jagdrennen um den Preis- von 709 X bei einer Distanz von 3000 m sind 15 Pferde angemel- det, während zu dem Verkaufs-Jagdrennen um den Preis von 600 M auf die gleibe Distanz — zu welchem die Anmeldungen noch ofen sind — bis jept 5 Pferde genannt sind. Den SH#luß des Tages bilder um Ubr ein Versucbs - Hürdenrennen für Herren um den Preis vin 700 Æ auf einer Distanz von 2000 m, zu welchem 15 Pferde angemeldet sind. Es steht somit ein überaus interessanter Eröffnungêtag den Sportliebhabern in Aus- sit, der sie für einige Stunden des Nacbmittags angenehm unter- halten dürfte.
Zu den Rennen werden am Sonntag zwei Extrazüge vom Bahnhof Charlottenburg abgelassen, von denen der erste auf dem Bahnhof Friedrichstraße um 11 Uhr 48 Minuten, der zweite um 12 Uhr 24 Minuten eintrifft. Die Rüdckfahrt erfolgt um 3 Uhr 45 Min. bezw. 4 Uhr 5 Min., so daß aut die leßten Theilnehmer um 5 Uhr in der Stadt wieder angelangt sein können.
__Bordeaux, 12. April, Abends 104 Uhr. (W. T. B.) Das hiesige mil itärishe Proviantgebäude wurde durch eine Feuersbrunst, die heute Abend 6 Uhr ausbrach und deren Ent- stehungsursahe noch unbekannt ist, vollständig in Asche gelegt und eine sehr große Menge von Lebensmitteln sowie militärischen Proviant- vorräthen ein Raub der Flammen. Der Brand dauert noch fort.
— 13. April. (W. T. B.) Der dur den Brand des militäris {en Proviantgebäudes angerichtete Schaden wird auf eine Million Francs geschätt, ungerehnet die Beschädigungen, die das in den beiden obersten Stockwerken verbrannte Gebäude erlitten hat. Personen sind niht zu Schaden gckommen. Die Flammen brachen gleichzeitig an zwei entgegengeseßten Stellen hervor, so daß auf Brandstiftung ges{lossen wird. j
Im Saale der Sing-Akademie gab Hr. S. Monroc Fabian gestern Abend ein Concert, in welchem neben dem Concertgeber das belicbte Mitglied unserer Königlichen Hofopec, Frl. Anna Driese, künstlerisch mitwirkte. Hr. Fabian, der als tüchtiger Pianist bereits bekannt ist, brachte mit Umgehung unserer klassishen Musik solche moderne Piccen zum Vortrag, welche ihm Gelegenheit gaben, seine technische Fertigkeit, seine virtuose Behandlung seines Instru- ents zu zeigen. In dieser Bezichung verdient denn aub das Spiel des Künsilers unbedingte Anerkennung; aker nicht in gleihem Maße findet bci Hrn. Fabian die musikalische Seite des Vortrags volle Würdigung; es fehlt zuweilen an Wärme und Empfin- dung. Das Publikum zeichnete den Künstler ganz besonders nah der Chopinshen Po'onaise und dem Hochzeitsmarsh und Elfenreigen von Mendelssohn (in der Bearbeitung von Liszt) tur reihen Beifall aus. Frl. Anna Driese beschränkte mit feinem Taft ihre gesangliden Vorträge auf Werke unserer beliebtesten Lieder- fomponisten; der helle, volltônende Wohllaut ihrer Stimme ver- \chmolz mit der Gefühlsinnigfkeit und der launigen Vortragsweise zu einem abgerundeten {chönen Ganzen. Stürmischer Beifall war der Lohn für ihre anmuthigen Leistungen und veranlaßte die Sängerin, zwei Lieder: „Im Volkëton“, von Hans Smidt, und das bekannte Taubertsche Lied: „Der Vogel im Walde“ da capo zu singen.
Am Sonntag giebt das Philharmonishe Ortester unter Musikdirekior Prof. Ludwig von Brenner's Leitung im Krollschen Saale scin erstes Sonntags-Concert. Die Herren Andersen (Flôte), Hekking (Cello) und Baudot (Violine) werden Solostücke vortragen. Diese Concerte beginnen um 6 Uhr. Der Billetverkauf findet nur an der Abeadkasse statt. Eintrittspreis 75 -Z. Die großen populären Concerte, unter Litung von Prof. Klind- worth, beginnen am 19. d. M,
Literarische Neuigkeiten und periodisheSchriften-
Politische Gesellshaftsblätter. 26. Heft. — Inhalt : Volksvertretung. — Die Grundsteuer als Abschäßzungs-Maßstab. — Der Nordamerikaner Charakter. I. — Berliner Wandlungen (Fort- setzung). — Vermischtes. — Cvrrespondenz. j
Die Vivisektions-Gaukler. Von Adolf Graf Zediwiß- Wien, 1383, Im Selbstverlage des Verfassers.
Gutachten über die Strafbestimmung in §. 360 Nr. 13 des Reihs-Strafgeseßbucbes in ihrer Anwendung au die Vivisektion. Dresden, R. v. Zahns Verlag. 1883.
Monatsscrift für das Turnwesen, mit besonderer Be- rücsichtigung des Schulturnens und der Gesundheitspflege. Her- ausgegeben von Prof. Dr. C. Euler, Unterrits-Dirigent, und Gebb. Eckier, Oberlehrer der Königlichen Turnlehrer-Bildungsanstalt in Berlin. R. Gärtners Verlagsbuhhandlung (Hermann Heyfelder). 11. Jahrgang. Heft 4. — Inhalt: Gymnasial-Nudervereine. Von Oberlehrer Dr. C. ampe-Dhlau. — Die Menuett-Geschriite und ihre Verwendung beim Mädchenturnen. Von A. Hermann-Braunshweig. — Die Heizanlage der städtischen Turnhalle in Ansbach. Von G. Eckler. (Hierzu eine lith. Tafel.) — Einiges aus dem Schulturnen in Harburg. Von P. Hagelberg. (Fortsezung.) — Vermischt-8.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Exrp:dition (Kessel). Druck: W. Elsner- Fünf Beilagen (ein‘ch"icßlib Vörs2n-Beilage).
Berlin:
Abhandlungen: Für
Erste Beilage
zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Siaals-Anzeiger.
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Berlin, Freitag, den 13. April
1883.
Nichtamtliches.
Preußeu. Berlin, 13. April. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (64.) Sißung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs cines Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund der Berichte der V1. Kommission (Art. 5 §. 42) fortgeseßt. 8. 42 lautet nah der Fassung der Kommission :
er zum selbständigen Betriebe eines \stebenden Gewerbes be- fugt ist, darf dasselbe innerhalb und unbesÆadet der Bestimmungen des dritten Titels aub außerhalb des Gemeindebezirks seiner ge- werblihen Niederlassung autüben.
Eine gewerbliche Niederlassung gilt nit als vorbanden, wenn der Gewerbetreibende im Inlande ein zu dauerndem Gebrauche eingeritetes, beständig oder doc in regelmäßiger Wiederkehr von ihm benußtes Lokal für den Betrieb seines Gewerbes nicht besißt.
Hierzu hatten die Abgg. Dr. Baumbah und Genossen folgenden Antrag gestellt :
Der Reichstag wolle beschließen :
Zu Art 5 §. 42. a. Die erste Zeile des ersten Absatzes wie folgt zu fassen: „Wer ein stehendes Gewerbe betreibt, darf u. |. w.“;
b. den zweiten Absay zu streichen,
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, worin ein Gewerbe- betrieb bestehen müsse, sei der Entscheidung des Richters zu überlassen. Das Kriterium im zweiten Absaÿ sei von zweifel- haflem Werth, denn es gebe viele Gewerbe, bei denen das Lokal mit der Wohnung zusammenfalle.
Der Abg. Ackermann entgegnete, die Schädlichkeit der Wanderlager werde allgemein anerkannt. Eine Besteuerung derselben allein reiche niht aus, denn die Steuer müßte so hoch sein, daß sie für den Jnhaber des Wanderlagers uner- \chwinglih wäre, um von Erfolg zu sein. So bleibe nichts anderes übrig, als die Wanderlager wenigstens in die Kate- gorie der Gewerbe einzureihen, in welche sie ihrer Natur nach gehörten, und das geschehe in diesem Artikel. Ec bitte, denselben anzunehmen.
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, die Wanderlager sol- ten nur gestattet sein, wenn ein stehender Gewerbebetrieb da- mit verbunden sei. Dieser Zweck werde aber durch das Kri- terium im 8. 42 nit erreiht, denn die Bezeihnung „Lokal“ sei eine zu weite. Die Thatsache des Betriebs müsse vom Richter geprüft werden. Es sei noch nie geglüdckt, für den N „Niederlassung“ oder „Betrieb“ bestimmte Kriterien zu finden.
Der Kommissar zum Bundesrath, Geheime Regiérungs- Rath Bödiker erwiderte, die Motive erörterten, weswegen man es für erforderlich gehalten habe, wenigstens ein Kri- terium zur Unterscheidung des stehenden _Gewerbebetriebes vo:n Gewerbebetriebe im Umherziehen aufzunehmen. Eine sharfe Unte: scheidung sei ja niht mögli, aber man könne einer Abgrenzung doch wenigstens nahe kommen, und habe dann einen gewissen Anhalt. Eine Anpassung an die thatsächlichen Verhältnisse sei allerdings immer noch nothwendig, aber der Abg. Richter werde do nicht behaupten wollen, daß nit dem Nichts, welches derselbe wolle, mehr anzufangen sei, als mit dem Etwas der Vorlage. Der Abg. Richter sage, die Bestimmung treffe nicht Alles. Es dienten aber die weiteren Bestimmungen in den 88. 44 und folg. und §. 55 zusammen mit diesem Pa- ragraphen dem Zweck, etwas mehr Licht in die außerordent- lihe Dunkelheit bezüglich der stehenden und Hausirgewerbe zu bringen. Es bildeten diese Paragraphen ein wohldurchdachtes Ganzes. Er bitte deshalb, den Absaß 2 anzunehmen. Was die im Antrag Baumbach vorgeschlagene redaktionelle Aenderung ra e so werde dieselbe von der Reichsregierung aus nicht
mpt.
Der Abg. von Kleist-Rezow {loß sih den Ausführungen
Bundeskommissars vollständig an. |
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, man brauche kein be-
mtes Kriterium, wenn dasselbe vom Richter entschieden
In 8. 44 heiße es ja auch einfa: Wer ein Gewerbe ibe. Das genüge auch hier.
Der Abg. Dr. Blum plaidirte in demselben Sinne und glaubte, daß die Hausindustrie unter diesen Paragraphen fallen werde.
er Abg. Büchtemann bemerkte, durch die neue Geseßz- gebun sei der Wanderlagerbetrieb so getroffen, daß ein Miß- brauch} desselben nicht mehr zu befürchten sei. :
Dker Bundeskommissar Geh. Regierungs-Rath Bödiker
e, die Interpretation des Abg. Blum, daß die Haus- unter diesen Paragraphen falle, tref} nur in)oweit ie Hausindustrie unter Umständen ein gewisses Lokal ihre Geschäste betrieben würden. Daß aber nun ein ndustrieller darum, unbeschadet aller anderen Bestim- mungen Les Gesetes, mit seinen selbsterzeugten Waaren hau- siren dürf, treffe niht zu. Diese Hausindustrie, soweit sie aus dem hause herausgehe, unterliege dem §. 59 über das Hausiren. F Es handele sih hier nur um die Fälle, wo nit Seitens deÎc Behörde ein fiehender Gewerbebetrieb angenom- men werden soll», wenn Jemand 3—6 Tage oder noch länger an einem Oërte als Wanderlagerbesizer u. #. w. sih etablirt habe. Die Söteuergeseze hätten ja hon ausgeholfen. Aber als die Steuelrgesezgebung preußischerseits berathen sei, sei von den Freu?!1den des Vorredners gesagt: die Steuer esete sollten hier eint?xeten? Er verneine dies ; denn wenn Mißitände Und Auswüchse beinzj Wandergewerbebetrieb zu befürchten seien, so würde man beim s Reichstag eine Verschärfung beantragen. Das geschehe nun, un d nun sollten wieder die Steuergeseße herhalten! Allerdings h.:4be zum Theil die Wanderiagersteuer eine Verminderung des ¿Betriebes dieser Art herbeigeführt, allein nicht in dem Maßck», wie der Abg. Büchtemann zu meinen scheine. Die Want herlagersteuer in Preußen habe 1880—81 rund 36 000 f betrckgen, im Jahre darau 30 000 M Das Berliner Beispiel spreche agt für den Abg. Ritter, in Berlin sei es um 50 Proz. gestieg,z£Nn- : _ Der Abg. Richter (Hagen) erw iiderte, es werde ihm doch 1hwer, ernsthaft auf die leßte BemertnéUng zU antworten. Wenn in einem Jahre in Berlin aus der AMWanderlagersteuer 100 4 eingegangen seien, weil vielleicht ein Waniederlager zwei Wochen hin- dur betrieben sei, imanderen Jahre 150 é, weil es drei oder vier Wochen in der Millionenstadt betrieben sei, „ "ann sage der Bundes-
fommissar, wie man sche, habe der Wanderlagerbetrieb um 50 Proz. zugenommen. Wenn alle übrigen Argumentationen für die Gewerbeordnung und die Regierungsvorlage ebenfalls so hwach seien wie diese, dann sehe man, mit welcher Sach: kenntniß diese Dinge vorx. dem Hause vertreten würden. Ein Wanderlagerbetrieb sei in gewissen Kreisen ebenso möglih nach der Kommissionsvorlage, als nach dem Antrage der Fort- schrittspartei. Ein kleiner Schneider z. B., der allein arbeite, und auf dem Lande umherziehe, und auh ein Bishen Geschäfte mache, falle nicht unter §. 59, denn ein Produkt des Garten- und Obfstbaues, des Wochen- marfktverkehrs sei seine Waare niht. Nun verlange man in diesem Paragraphen, der Schneider solle ein zum dauernden Ge- brauche eingerichtetes Lokal für seinen Gewerbebetrieb haben. Worin unterscheide fih aber eine folche kleine Schneiderwerk- stätte von den übrigen Wohnzimmern? Entweder solle der zweite Absag nur no von Wohnungen fprehen, dann sei gar keine Schranke vorhanden, denn der Wanderlagerinhaber müsse doch irgendwo wohnen, solle es aber mehr sein, dann sei es unter Umständen eine lästige Beschränkung.
Der Bundeskommissar betonte, es sei nitt anzunehmen,
daß nat der Streihung des Alinea 3 irgend welche materielle
Nenderungen der Rechte der Hausirer, der Handwerker, der Hausindustriellen eintreten würden. Alinea 2 ent- halle nur eine gewisse Jnterpretation und einen Anhalt für die Behörden, die diesen Paragraphen auszuführen hätten. Wenn z. B. ein Schneider den Markt mit Waaren beziehe, die niht zu den Gegenständen des Wochenmarktes gehörten, werde derselbe, wenn nicht §8. 59 auf ihn Anwendung finde, dem §. 55 unterliegen, auch wenn derselbe einen offenen Laden habe. Es werde also durch die vorgeshlagene Streihung materiell nihts gewonnen. Dann habe der Vorredner aus den von ihm mitgetheilten thatsäch- lihen Verhältnissen den Shluß gezogen, wenn überall mit solhen Gründen die Vorlage verfohten würde, wie er fie vorgebracht habe, so seien diese Gründe sehr schwahe. Es habe fi dabei natürli seinerseits nur um Scherz gehandelt, die Steuer sei heruntergegangen von 36 000 auf 30 000 F, und das sei eine Thatsache, aus der die Herren Schlüsse ziehen könnten; aber aus scherzweis vorgebrachten Bemerkungen Schlüsse zu ziehen, halte er niht für berehtigt. Der Vor- redner habe es wohlweislih übergangen, dem prinzipiellen Gegensage, dem die preußishe Regierung am Dönhofsplaß und hier von Seiten der Freunde des Vorredners begegnet sei, näher zu treten. Er nehme überhaupt Veranlassung gegenüber diejer Manier, den Vertretern der verbündeten Regierungen gegen- über aufzutreten, zu protestiren. Die Erklärungen des Re- gierungsfommissars sollten völlig gleihgültig, und für das Sens ohne Werth sein. Wozu würden dann überhaupt noch
¡klärungen verlangt, und wozu sollten solche diesseits abge- geben werden? Weitere Fälle ähnliher Art vorzutragen, könne er sih wohl ersparen. Fm O E er, daß er sahlih von dem Vorredner in keiner Weise widerlegt worden set.
Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Abg. Baumbach habe gesagt, derselbe lege auf die Erläuterungen des Kom- missars einen gewissen Werth, aber er bitte das Haus prinzipaliter die Sache abzulehnen, da die Gerichte — habe ein anderer Redner hinzugefügt, — an die einseitige Erklärung eines Regierungskommijsars über Auslegung eines Geseßes gar nicht gebunden seien. Daraus suche der Kommissar einen Widerspruch der Redner herzuleiten. Er könne ih das nur daraus erklären, daß dem Kommissar in solchen Diskussionen noth die nöthige Uebung fehle, um überhaupt diese Unterschiede zu würdigen. Jedenfalls sei das keine geeignete Manier, wie man sachlih dieje Dinge behandele.
Der Präsident von Leveßow erklärte, es sei nicht Sache des einzelnen Redners, zu entscheiden, ob die Manier, wie ein anderer Redner eine Sacie behandele, geeignet sei.
Der Abg. Ritter (fortfahrend): Er habe den Ausdruck nur gebraucht, weil der Kommissar in derselben Weise vor- gegangen sei, und der Präsident keine Veranlassung gefunden habe, diesen Ausdruck zu rügen, und er werde jedesmal, wenn ein Regierungskommissar derartige Wendungen mache, durch Wiederholung derselben dem Herrn das Abschreckende folhen Gebrauchs klar machen.
Der Präsident von Leveyow bemerkte, der Kommissar habe nit gesagt, daß irgend ein Abgeordneter in nit geeigneter Manier gesprochen habe.
Der Abg. Richter (fortfahrend): Genau in der Art, wie der Kommissar das Wort gebraucht habe, sage er auÿ: das sei nicht die Manier , die Debatten in dieser Weise sahlih zu behandeln. Uebrigens sei es ein gewisser Unterschied, ob ein Abgeordneter spreche, oder ein Regierungskommissar. Ein Ab- geordneter spreche seine eigene Meinung aus, ein Kommissar sei nur das Spratlhrohr seiner vorgeseßten Behörde. Ob ein Geheimer Rath hier seine eigene Meinung ausspreche, oder ob derselbe gerade mit der entgegengeseßten Meinung überein- stimme, die derselbe bekämpfe, wisse er niht. Der Kommissar müsse einfa sagen, was ihm vom Reichskanzler aufgetragen sei. Der Kommissar habe mit großer Emphaje gesagt : ja die Wanderlager hätten abgenommen im Verhältniß von 36 000 zu 30000 F Steuerertrag, in Berlin aber hätten sie um 50 Proz. zugenommen. Nun solle es auf einmal ein Scherz gewesen sein. Vielleiht sei Manches Scherz gewesen in früheren Reden, die Mehrheit habe es nur nit gemerkt, und in Folge solher Scherze sih verführen lassen, mit so kleiner Mehrheit so tief einschneidende Bestimmungen für das Ge- werbe anzunehmen. Der Kommissar sage nun, es komme hier 8. 55 in Betracht, danach sei der Schneider ein Haufirer, wenn derselbe fertige Röcke und Hosen anbiete, aber nicht, wenn derselbe bei den Landwirthen arbeite.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, in den Wor- ten des Abg. Richter liege etwas Herabseßendes für den Kom- missar. Ein Regierungskommissar äußere hier nicht seine eigene Meinung, sondern vertrete den Bundesrath, die ver- bündeten Regierungen, und derselbe habe genügende Achtung von jedem Mitgliede dieses Hauses zu verlangen. Der ein- zelne Abgeordnete bilde nur einen Stein zur Majorität diejes
Hauses, der Kommissar vertrete den Bundesrath als einen maßgebenden Faktor.
Der Bundesfkommissar entgegnete, von seinem Stand- punkt aus köune er nur erklären, daß er die Rehte der Kom- missarien des Bundesraths hier gegenüber den Ausführungen des Abg. Richter in jeder Weife wahre, und dvr diese Aus3- führungen durchaus nicht geshmälert wissen wolle. Daß hier eine scherzhafte Begründung vorgebracht werde, könne er nit anerkennen. Der Abgeordnete werde zu unterscheiden wissen, ob man mit voller Ueberzeugung und sachlichen Gründen eine Sache vertheidige, oder die verschiedenen Positionen der Herren bekämpfe. Die Kommissare müßten in der Regel gegen zwei Fronten vorgehen. Der Abg. Baumbach z. B. wünsche eine Wiederholung der von dem Regierungskommissar in der Kom- mission abgegebenen Erklärungen, damit diese Jnterpretation als diejenige der verbündeten Regierungen festgestellt würde. Unmittelbar nachdem er diesen Wunsch erfülle, habe nun sein Nachredner, in Bezug auf ein minimales Faktum, das als Argument gegen die Vorlage angewendet werde, eine \scherz- haste Wendung gebraucht. Es bestehe gar keine Beziehung zwischen diesen 150 und den fsahlihen Ausführungen, die im Uebrigen von diesem Tische aus zur Vertheidigung der Vorlagen Seitens der Herren, die die Ehre haben, Namens des Bundesraths dieselben zu vertheidigen, hier vorgebraht würden.
Der Abg. Ricter (Hagen) crklärte, die Stellung des Regierungékommissars fei eine so durchaus abhängige, nament- lih unter der heutigen Regierung, daß es Niemandem ein- fallen könne, die Nechte der Regierungskommissare noch weiter s{hmälern zu wollen. Der sahlihen Ausführung der Kom- missare gönne er ja das volle Gewicht als einer Ansicht des Bundesraths. Wenn aber daneben die eigene Person des Kommissars in persönlichen Wendungen in den Vordergrund trete, dann sei es allerdings angezeigt, darauf hinzuweisen, daß die Herren als Personen, als Geheimer Rath Bödiker, gar nicht hier in Frage kämen, sondern nuc als Beauftragte der Regierung. Sachlih möchten die Dinge gewogen werden, dazu habe man Parlamente, um nit Autoritäten entscheiden zu lassen, sondern was eine Meinung einer anderen gegenüber sahlih mehr werth sei, das folle hier erwogen werden.
8. 42 wurde unter Ablehnung der Anträge des Abg. Dr. Baumbach nah dem Koinmisjionsbeshlusse angenommen.
§8. 42a, wurde ohne Debatte unverändert nah dem Kom- missiontvorschlage genehmigt.
8. 42b. lautet nah den Kommissionsvorschlägen :
„Durch die böhere Verwaltungsbehörde kann auf Grund cines Gemeindebesclußes für einzelne Gemeinden bestimmt werden, daß Personen, welce in dem Gemeindebezirke einen Wohnsitz oder eine gewerbliche Niederlassung besißen und welche innerhalb des Gemeinde- bezirks auf öffentliden Wegen, Strafen, Pläizen oder an anderen e Orten oder obne vorgängige Bestellung von Haus ¿u Vau
3 Waaren feilbieten, oder
2) Waaren - bei anderen getlonene als bei Kaufleuten oder solden Personen, welde die Waaren“ produziren, -odêr an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen zum Wiederverkauf ankaufen , oder Waarenbestellungen bei Personen, in deren Gewerbebetriebe Waaren der angebotenen Art keine Verwendung finden, auf- suchen, oder
3) gewerbliche Leistungen, hinsihtlih deren dics nicht Landes8- gebrauch ist, anbieten wollen,
der Erlaubniß bedürfen. Die Bestimmung kann auf gewisie Kategorien von Waaren und Leistungen beschränkt werden,
Auf die Ertheilung, Versagung und Zurücknahme der Er- laubniß finden die Vorschriften der §8. 57, 57 a., 57b., 58 und 63 Absatz 1, und auf die Ausübung des Gewerbebetriebes die Vor- schriften der 28. 60b., 60c., 60d. Abjay 1 und 2, 63 Absay 2 entsprechende Anwendung.
__ In Betreff der im §.59 Ziffer 1 und 2 bezeibneten Erzeug- nisse und Waaren, auch wenn dieselben nicht zu den selbstgewonnenen oder selbst verfertigten gehören, sowie in Betreff der vom Bundes- rath in Gemäßheit des §. 44, Absay 2 und 3 gestatteten Ausnah- men darf der betreffende Gewerbebetrieb in dem Gemeindcebezirke des Wohnsitzes odex der gewerblichen Niederlassung von einer Er- laubniß nit abhängig gemat werden.“
Die Abgg. Dr. Baumbah und Gen. beantragten, in Abs. 3 auch die „Druckschriften, andere Schriften und Bild- werke, insoweit der Gewerbebetrieb hiermit von Haus zu Haus stattfindet“, aufzunehmen.
Der Abg. Richter (Hagen) wies darauf hin, daß §. 42 þ. die Preßfreiheit erheblih beeinträchtigen würde, wenn man das Amendement Baumbach niht annehme. Man könne es doch nit dem diskretionären Ermessen der Gemeindebehörden anheimstellen, ob und in wie weit sie den Verkauf und Ver- trieb von Zeitungen und Broshüren und das Auffuchen von Abonnenten am Orte gestatten wollten.
Der Abg. von Kleist-Reßow ersuhte um Ablehnung des Antrages Baumbach. Es erhelle niht, warum man für den Verkehr mit Druckschriften eine Ausnahmebestimmung erlassen wolle. Von einem diskretionären Ermessen der Gemeinde- behörden sei keine Rede, da ja die höhere Verwaltungsbehörde noch den betreffenden Gemeindebeschluß bestätigen müsse, ehe derselbe Geltung erlange.
Der Bundeskommissar, Geheime Regierungs-Rath Bödiker, bat gleihfalls, den Antrag Baumbach abzulehnen, da derselbe das Prinzip des Geseßes durchbreche, insbesondere auch mit den allgemeinen Vorschristen der Vorlage über Kolportage im Widerspruch stehe.
Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, er werde diesmal für den Antrag Baumbach stimmen, da die Magistrate der Ge- meinden keine Garantie für unbefangene Beurtheilung der Frage “Sis wann die Konzession zu ertheilen oder zu ver- jagen sei.
Der Abg. Büchtemann bemerkte, er werde überhaupt gegen das Prinzip des §. 42 b. stimmen. ;
Nath einigen weiteren Erörterungen wurde der Antrag Dr. Baumbach und mit demselben §. 42b. angenommen.
8. 43 lautet nah dem Kommissionsvorschlage : Auf die Ertheilung, Versagung und Zurückn1hme der Erlaub- niß finden die Vorschristen der §8. 57, 57a, 57b,, 58 und 63 Absau 1 cntsprebende Anwendung. Auf das bloße Anheften und Ans@blagen findet der Versagungsgrund der abschreckenden Entstellung feine Anwendung.