Die „Frauenverband-Zeitung* hat ganz vorzugsweise den Zweck, die Cirkulare und sonstigen amtliden Kundgebungen des Vaterländi- shen Hauptvereins. sowie des preußisben und. deutschen Central- comités zur Kenntniß der Mitglicder der Zweigvereine zu bringen und ibnen als Sammlung folcer Aktenstücke zu dienen. Dies Organ soll ferner über die Interessen dir Fraucnvereine orientiren und von ibnen selbs zu Aeußerungen und Mittheilungen benußt
werden. s
Deshalb erscheint es uns nothwendig, daß das Blait von allen Seiten gehalten und idt blos unter den Vorstandsmitgliedern, son- dern, wenn irgend möglich, im größeren Kreise der Vereinsmitglieder zur Einsicht in Cirkulation geseßt werde. : C RE,
Au für den Generalberiht des Hauptvereins, welcer alljährlich, nach Abbaltung der Generalversammlung des Vaterländischen Xrauen- vereins, über dessen Gesammithätigkeit vexöffentliht wird, wäre eine solche Cirkulation sebr wünschentwerth. Diese ausführlihe Publika- tion erfolgt in der Absicht, um über das große Ganze unseres Vereins- wesens cinen möglichst umfassenden und zuverlässigen Aufs{luß zu ge- währen und ist deshalb mit einem reilichen statistishen Material ausgestatet. Sie entkält ein Verzeichniß der Vorstände sämmtlicher Naterläa1disben Frauenocereine in Preußen (nah Provinzen und Re- gierungsbezirken geordnet), sowie derjenigen der verbündeten außer- preußischen Vereine, ferner eine Vereinéstatistik für das beschlossene Jahr in Bezug auf cas Vermögen und die Thätigkeit der Vereine, cine Zusammenstellung der mit denselben in Verbindung stehenden MWobithätigkeitsanstalten und deren Leistungen. Endlich den Abdrud der wichtigsten auf die Gesammtorganisation der deutschen Frauen- vereine bezügl iden Aktenstücke. i i : 5
Der Hauptverein versendet an alle Zweigvereine diese umfäng- lie Drvcksrift in cinem oder mehreren Exemplaren. Er ist aber nit in der Lage, die Sendung auf die große Anzahl aller Nereins- mitglieder auszudehnen und giebt \sich deshalb der ens hin, daß die Voistände der Zweigvereine für die Bekanntgebung des Inhaltes irgend cine praktishe Vorkehrung treffen werden. In einigen unjerer größeren Zueigvereine ist dies in der That aub schon geschehen. Der Generalbericht wird von ihnen nicht nur dur Cirkulation bei den Vorstandémitgliedern, sondern au in weiteren Kreisen dadur zur Kenntniß gebracht, daß die wichtigsten Mittheilungen desselben în den Generalversammlungen zum Vortrag kommen.
Mit der vorjährigen Delegirtenversammlung war von uns eine Aus- stellung der Hausindustrie des Vaterländischen Frauenvercins verbunden worden, deren hervorragendste Vertreterinnen die Vorsitzenden der Ver- eine Tost-Gleiwit und Sorquitten sind. Auf Anregung Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, Allerhöchstwelce den Leistungen huldvolle Anerkennung zu Theil werden ließ, wurde in unserem Vorstande die Gründung einer Central-Verkauféstelle für diese Industrie in Aus- idt genommen und in dem Formular des Jahresberichts an die Zweigvereine die Frage gerichtet, „ob und in welcher Weise sich die- selben an einem solchen Unternehmen zua betheiligen gedähten.* Die Antworten der Vereine lassen bis jeßt keine bedeutende Betheiligung erwarten. Auch hat sich für die Entwickelung der Hausindustrie in unseren Vereinen nur hier und da ein fruchtbarer Boden gezeigt. Die Provinz Stlesien tritt dabei ausnahmsweise hervor, und wollen wir hier im Vorübergehen erwähnen, daß u. A. die altbewährte Industrie unseres Zweigvereins in Ratibor, die Knopfhäfelei, sich cines fortdauernden Aufschwungs erfreut. Das Absatzgebiet dafür ist Amerika und der Arbeitsverdienst des vorigen Jahres nahezu 10 000 #6
Bemerkenêwerth ist, daß aus den Jahreëberihten cine sehr ge- theilte Ansicht über die Vortheile der Hausindustrie hervortritt. In einem Falle werden ihre bedenklichen Seitea für die ländliche Bevöl- kerung da, wo sie niht aus dem dringenden Bedürfnisse des Noth- erwerbs hervorgeht, mit großer Wärme besprohen. Es wird nament- lih ausgeführt, daß sie Frauen und Mädchen den Aufgaben des hâäus- lichen Heerdes, also ihrem eigentlichen Beruf entfremdet und die Ausbildung der weiblihen Jugend für diesen Zweck und für den Dienst in den Haushaltungen verhindere. Auch auf die Männer übe Fe leiht den Einfluß, sie von den s{heinbar minder lohnenden länd- lien Arbeiten abzuziehen. S | :
Bei dem Gefammtüberblick der Vereinsthätigkcit erscheint die Belebung der Beziehungen unserer Zweigvereine zu den Männer- vercinen vom Rothen Kreuze diesmal recht beahtenswerth. Sie ist hervorgerufen durch die für den Mobilisirungëplan an die Vereine herangetretenen Aufgaben. In Magdeburg haben die beiderseitigen Provinzialverbände durch eine besondere Vereinharung ihre gemétin- same vorbercitende Thätigkeit für den Krieg geregelt. In Hannover hat sih die Vereinigung nicht blos in den Provinzialverbänden, son- dern au in mehreren Zweigvereinen vollzogen. Achnlih \{eint fi das Verhältniß im Bezirk Cassel und in Schlesien zu gestalten. Die Anzahl der Zweigvereine, vorzüglich in den alten Provinzen, welche ihre Kriegsleistungen {on jeßt in Verbindung mit den Männer- vereinen in Aussit nahmen, ist nicht unbeträchtlih. Diese Ver- bindungen innerhalb dcs preußischen Landeëvereins, welcher ein orga- nisches Ganzes zu bilden hat, sichern immer mehr die Grundlagen der Organisation des preußischen Rothen Kreuzes. Ebenso wird dazu beitragen der sch fortwährend vermehrende Grundbesiß der Vereine, ihrer Anstalten und Stiftungen und der Erwerb der Korporation®s rechte für diese Anstalten oder die Vercine sclbst. Dasselbe Ziel der
Befestigung unseres Vereinswesens verfolgen unsere unausgeseßten Bemühungen um dessen Ausdehnung und Gliederung.
Seitdem Ihre Majestät die Kaiserin und Königin im Jahre 1876 einen besonderen Impuls zu dieser Organisation gegeben, sind darin wesentliche Erfolge erreicht. Provinzial-Vereine sind in Han- nover, Sachsen, Westfalen, Brandenburg, Schlesien, Bezirksverbände
in Gumbinnen, Cassel ins Leben getreten und- in Danzig, Marien- werder, Elsaß-Lothringen in der Bildung begriffen. i
Von uns ist unablässig danach gestrebt worden, durch Gründung von Fonds innerhalb dieser Verbände das Interesse für die gemein- same Thätigkcit zu fördern und zu stärken. Die Landtage, die Pro- vinzial- und Kreisaus\hü}se, auch andere ständische Körperschaften baben, wie wir mit Genugthuung erwähnen können, unseren Verbänden für ihre provinziellen Zwecke namhafte Unterstüßungen zugehen lassen und wenden sie ihnen auch noch zu.
Es liegt bisher nur ein Fall vor, in welchem, und zwar ganz vor Kurzem, eine solche Zuwendung auédrücklih abgelehnt worden ist von Seiten des Landtags einer Provinz, wo wir unserem neubegrün- deten Provinzialverbande, um seiner Thätigkeit eine fruhtbare Grund- lage zu geben, aus Mitteln des Hauptvereins einen Fonds von 5000 M bewilligt hatten. : :
Die Zahl unserer Vereine hat \ich im vorigen Sabre um 10 vermehrt und beträgt jeßt 532, wogegen die Mitgliederzahl um mehr als 5000 gestiegen ist und sih auf 56 422 beläuft. a
SFhr Vorstand war unausgescßt bemüht, neue Zweigvereine ins Leben zu rufen. Es boten sich ihm Anlässe dazu in der Regel in Gegenden, welche besonderen Heimsuchungen ausgeseßt und wo un} ere bestehenden Vereine nur wenig zahlreih waren. Neuerdings ist ein solcher Versu, und zwar mit Unterstüßung der Königlichen Land- rathsämter, in der Rheinprovinz und der Provinz Hessen-Nafsau ge- macht worden. L
Es ist ein charafteristischer Umstand, der unsere Aufmerksamkeit wohl vertient, daß die bei weitem überwiegende Anzabl unserer Zweig- vereine dem Osten unseres Vaterlandes angehört, und daß die Her- vorrufung von Zweigvereinen im Westen mit viel größeren Scbwierig- keiten verbunden ist. Der Grund liegt nicht nur in der größeren Wohlhabcnheit und der größeren Dichtigkeit der Bevölkerung im Westen, sondern vorzugsweise in dem Umstande, daß außer den zahl- reiben altbegründeten Stiftungen die Städte und auch das Land mit
Wohlthätigkeitévereinen aller Art in reiber Fülle versehen sind.
_So wird es erklärlib, daß in mehreren Kreisen und Orten der erwähnten Provinzen die Gründung vaterländischer Frauenvereine Vf tv) aus dieser Ürsache geradezu als unausführbar erwies. Wir nennen beispielsweise Gersfeld, Heréfcld, Saarburg, Mülheim a. Rh, Im leßten Kreise bestehen nicht weniger als 65 Woblthätigkeitêvereine bei
einer verhältnißmäßig wohlhabenden Bevölkerung.
114 Zweigvereine bestchen hier und haben bei den un ünstigen Kul- turverhältnifsen, bei der Armuth des überwiegenden T eils der noch dazu in größerer Zerstreuung lebenden Bevölkerung Aufgaben zu er- füllen, die mit ihren Mitteln in gar T ; Hieraus erklärt sich die aus den Jabresberichten hin und wieder nur zu deutlich ersibtlihe Lähmung der Vereinethätigkeit.
zu die Klage hören, daß keit fehle, liegen in Ostpreu j da aub in den Nabbarprovinzen dringende Anforderungen der Noth meist vielgestaltig vor.
Lage unserer Vereinsentwickelnng nicht allein vom Hauptverein ins Auge gefaßt werden. Es ift dazu vor Allem ein engeres Zusammen-
feinem Verhältniß ftehen.
Während wir von einzelnen Vereinen im Westen wohl ab und es ihnen an Aufgaben für ihre Wohlthätig- en und nit blos dort, sondern hier und
Ein Ausgleih solcher Verhältnisse kann in der gegenwärtigen
\chließen der Kräfte innerhalb des Provinzialverbandes und eine arößere Belebung des Gemeinsinnes im großen Ganzen unseres Vaterländischen Frauenvereins erforderlih. Dem leyteren Zwecke besonders zu dienen ist die Bestimmung unseres Vereinsorgans, des „Frauenverbandes“, welches deshalb nit blos von allen Vereinen gehalten, sondern aus ihrer Mitte au mit orientirenden Nachrichten über die Vereinszustände versehen werden muß. Wir empfehlen diesen Gesichtspunkt unseren Zweigvereinen recht anägelegentlich.
Der atme Theil unseres Generalberihts enthält den Nach- weis der Einnahmen und Ausgaben nnd des Vermögensbestanded unserer Zweigvereine pro 1882 nah Provinzen geordnet. : Die Gesammteinnahme der Zweigvereine betrug dana ein- \clicßlich des Restbestandes von 1881. 1806011 M, die Gesammtausgabe. . . . E 743705 ,
so daß cin baarer Vermögenéstand von . . . . 1062 306 A am Schlusse des Jahres 1882 vorhanden war. Dazu kommt der allerdings nur unrollständig angegebene Werth von Grundstüden, Anstalten und Einrichtungen mit 1 166 254 H, so daß sih das Ver- mögen der Zweiavereine auf etwa zwei und eine viertel Miüion Mark schäßen läßt. Von diesem Vermögensbetrage fällt auf die in Norddeutschland uns verbündeten 35 außerpreußischen Vereine mit ihren 5237 Mitglicdern ein Antbeil von 323 453 H Der Hauptverein hatte im Jahre 1882 eine Einnahme von 37207 M 12 S, seine Ausgabe betrug . ; O D, so daß cine Mehrausgabe von... , 15505 M 39 S und damit eine Vermögensverminderung zu verzeibnen t, Von den Ausgabesummen des Hauptvereins ist der weitaus be- deutendste Betrag unmittelbar den Zweigvereinen und deren Anstal- ten zugeflossen, nämlich die Summe von 35 691 H 20 K, wogeaen an Beitragsquoten von den Zweigvereinen noch nicht die Hälfte, nämli 17 104 A 40 S, an den Hauptverein gezahlt worden sind. Der statistische Theil enthält die Einzelnheiten. Eine Anzahl von Zweigvereinen entzieht sch noch immer der ftatutenmäßigen Leistung dieser Beitragsquote, über deren Bere{bnung an manchen Stellen Unsicherheit obwaltet. Wir bemerken deshalb, daß nach §. 15 der Statuten nur von den Jahresbciträgen der Mitglieder, nit von anderen ordentlichen oder außerordentlichen Einnahmen der zehnte Theil an den Hauptverein abzuführen ist. . In sciner Eigenschaft als Ortsverein für Berlin hat der Haupt- verein für die Armenpflege folgende Beiträge bewilligt : i Dem Verein für vershämte Arme 500 4, dem Frauen-Groschen- verein 1200 4, dem Paul Gerhardtstist 500 , dem Elifabethstift in Pankow 300 #, der Kinderpflegeanstalt Zionshülfe in Scöne- berg 200 M, dem Verein zur Unterstüßung von Wöchnerinnen 300 M, für Kinderpflege an den Verein für die Kinderheilstätten an den deutschen Sceküsten 150 6, Kurkostea der Kinder Hennig und Pankrath 231 M, in Summa 3381 H Wie in früheren Jahren versammelten si die ordentlichen Mit- glieder des Hauptvereins an den Donnerstagen in den von der furmärkishen Ritterschaft gütigft bewilliaten Räumen und beschâf- tigten stb mit Anfertigung von R ge Leibwäsche und Ver- bandmitteln. Arme Frauen erhielten bei diesen Arbeiten Beschâf- tigung; und von den angefertigten gegen 4000 Stück betragenden Gegenständen fam cin großer Theil an Berliner Arme und Armen- anstalten zur Vertheilung. ; : : Der Preußische Frauen- und Jungfrauen-Verein und der Verein zur Unterstüßung armer Handwerker haben uns in der Wohlthätig- feitspflege aus eigenen Mitteln beigestanden. Wir sagen ihnen wie den anderen uns zu gleicem Zweck verbündeten Vereinen un}seren herzlihen Dank. : i ;
Aus der Stiftung „Frauentrost“, dem gemeinschaftlichen Eigen- thum aller deutschen Ma ape vom Rothen Kreuz, sind îm vorigen I N 1960 M zum dritten Male tatutenmäßig zur Vertheilung gelangt. | Das Vermögen des Hauptvereins belief sich am Scblusse des Sabres 18S S 368 890 M. 14 S und beträgt nah Abzug der Mehrausgabe
S E 10000 39 » am Schlusse des Recnungsjahres 1882 . 353 384 M. (5 Der Rechnungsabschluß ist Ihnen gedruckt vorgelegt worden, und be- antrage ih Namens des Vorstandes auf Grund dieser Vorlage die Decharge. Wenn kein Widerspruch erfolgt, dürfen wic auf deren Er- theilung {ließen Ich konstatire dieselte hiermit,
JFhr Hauptvorstand war im vergangenen Vereinsjahre zu neun Situngen vereinigt; außerdem haben mehrere Sißungen des Geschäfts- aus\chus}ses stattgefunden. An den Vorstandssißungen_ beehrten uns mit ibrer Gegenwart von den auswärtigen Mitgliedern: Frau
erzogin von Ratibor Durchlaucht, Frau Landesdirektor von Leveßow, O Major Gotthardt aus Hannover, Frau Präsidentin Nöldechen aus Magdeburg, Frau Kommerzien-Rath Hensel aus Cassel. Zu den witigsten Angelegenheiten, wele uns beschäftigten, gehörte die von Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin wiederholt angeregte Frage der Herstellung einer einheitlihen Einrichtung für die statuten- mäßige gemeinsame Thätigkeit des Vaterländischen Srauenvereins mit dem preußishen Centralcomité zur Pflege verwundeter Krieger. Diese organische Einrichtung wird, wie der badishe Landcsschuß- verein, in ciner ständigen Kommission bestehen. In der gestrigen Delegirtenversammlung sind einige vorläufige Mittheilungen Über die nod im Gange befindlihen Verhandlungen gemacht worden, deren günstiger Verlauf wohl gesichert erscheint. -
Die zuerst in der Delegirtenversammlung vom 19, März 1880 von Seiten des Hamkurger Zweigvereins angeregte Frage: „Wie der Mißbrauch des Vereinsabzeibens des Rothen Kreuzes im weißen Felde beseitigt werden könne?“ ist durch den Schriftwecsel des deutschen Central-Comités mit dem Reichs-Justizamt zur vorläufigen Erledi- gung gelangt. : E :
Nach einer Miitkeilung des leßteren wird ein geseßliher Schuß jenes, von der Genfer Konvention eingeführten Abzeichens nicht ohne eine vorherige Verständigung der Vertragsftaaten herbeizuführen sein. Die geeigneten Schritte dazu sind dem Auéwärtigen Amte anheim- gestellt worden. A, N
Von dem Kaiserlichen Militärinspecteur der freiwilligen Kranken- pflege ist nunmehr über die festgeseßten Uniformen der Delegirten und des Sanitätspersonals des freiwilligen Rothen Kreuzes dem deutschen Central-Comité eine definitive Mittheilung gemaht worden. Ueber die Tracht der Krankenpflegerinnen des Rothen Kreuzes ist danach jedoch eine Bestimmung nit getroffen. Vielmehr hat Ihre Majestät die Kaiserin und Königin eine solche vorbehalten, sofern es niht bei den von den verschiedenen Vereinsinstituten cingeführten Trachten und Abzeichen sein Bewenden haben könnte, die nur für den Kriegsfall ciner anerkannten Tracht anzupassen sind. : i
Unser Zweigverein in Montreal (Canada) hat uns mitzetheilt, daß dort ein woblthätiger Verein zum Schuße der nah Canada aus- wandernden Frauen und Mädchen gegründet worden ist, der einem dringenden Nothstande abbilft. Derselbe sorgt für den Empfang der Einwandernden in Quebeck und behält sie sodann unter Aufsicht in einer Heimstätte in Montreal, bis sich eine passende Beschäftigung für sie gefunden bat. Wir haben diese Einrichtung bereits dur den
bei der Bedeutung dec Sache für Deutschland jedoch nit, hier noh- mals darauf hinzuweisen. i »
Die Verbindung der Kriegerverein: mit den Vereinen vom Rothen Kreuz ist von dem preußishen Central-Comité geregelt wor- den. Ihr Vorstand hat deshalb auf Antrag des Geschäftsaus\hufses von einer weiteren Verhandlung darüber absehen können. Es bleibt na unserer Ansicht am besten den einzelnen Vereinen anheimgestelt, inwiefern sie in gegebenen Fällen, namentlich bei außerordentlichen Nothständen, cine Mitwirkung der Kriegervereine, ähnlich wie bei anderen uns verbündeten Vereinen, in Anspruch nehmen wollen.
Von Seiten Ihres Vorstandes hat mit dem Herrn Minister der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal-Angelegenheiten ein Schrift- websel darüber stattgefunden, ob in den Fällen, wo staaitlicherscits die Bildung von Sanitätskommissionen angeordnet wird, eine Theil- nahme der Vaterländischen Fravenuereine wünschenswerth erscheine. Der Herr Minister hat cine solche Verbindung gutgeheißen und die Königlichen Ober-Präfidenten davon in Kenntniß geseßt. Jhr Vor- stand beschloß in Folge dessen, den Zweigvereinen das möglichste Ent- gegenkommen anzuempfehlen, falls bezüglih der Bildung derartiger Sanitätskommissionen Anforderungen an sie gestellt werden sollten,
__ Als eine seiner bedeutendsten Aufgaben betrabtet Jhr Vorstand die dauernde Sicherstellung unseres großen Verein8wesens durch feste Grundlagen in der Organisation. Ihre Majestät die Kaiserin und- Königin hat in der Situng vom 14. März d. I., zu welc(er Aller- hôchstdieselbe den Hauptvorstand um fich versammelte, die maßgeben- den Gesichtspunkte dafür eingehend darzulegen geruht. Der Schwer- punkt der Organisation wird danach in die Provinzial- und Bezirks- verbände zu legen und deren Aufgabe, die Entwickelung einer inten- siven Thätigkeit der hier zusammengefaßten Vereinékräfte, vom Mittel- punkt des Hauptvereins aus möglihst zu fördern \cin. Der leßtere findet seinerseits in der organischen Vereinigung mit dem preußischen @ “4e als zweites Glied des preußischen Lande8vereines, seinen ¿sten Halt.
Bei dcr Gründung der größercn Verbände des Vaterländischen Frauenvereins werden niht nothwendig die administrativen Eintheis lungen in Provinzen und Bezirke den Ausslag zu geben haben. Es soll vielmehr den Vereinen die Freiheit belassen werden, alte Tradi- tionen und gewohnte Verbindungen bei ihrem Zusammenscbluß zu berüdsicbtigen. Die Stiftungen von Fonds in den fic bildenden Ver- bänden für ihre gemeinschaftliben Zwecke und Interessen, welcbe mit den provinziellen und Bezirksinteressen in der Regel zusammenfallen, wird vom Mittelpunkt des Hauptvereins möglichst zu unterstüßen sein, Das sind, kurz angedeutet, die leitenden Gedanken Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin nach dieser Seite hin. Wir wollen uns der Ausführung dersclben mit ernster Hingebung widmen.
Möchte uns bei diesem Werke noch recht lange die ungebeugte Kraft des mächtig belebenden Geistcs unserer erhabenen Protektorin zur Seite stehen, deren tiefgreifende Einwirkung auf die Gesammt- entwickelung des Rothen Kreuzes weit über die Grenzen Deutschlands hinaus in ihrer vollen Bedeutung gewürdigt wird.
__ Eine ehrenreiche Friedenspalme neben dem Kriegslorbeer bedeutet diese Anerkennung für unser deutsches Vaterland. Uns aber wird sie dazu antreiben, în dem deutsben Rothen Kreuze ein Werk schaffen zu R i dauernder ist, als ein Denkmal von Erz! Das walte Gott! ;
Der unter dem Protektorat Jhrer Kaiserlichen und Kö- niglichen Hoheiten der Kronprinzlihen Herrscbaften stehende Verein für Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten hielt heute Vormittag im Saale des Architektenhauses unter Vorsitz -des Professors Dr. Ewald-Berlin seine dritte General- versammlung ab. Der Verein zählt zur Zeit 512 Mitglieder und hat seit seiner Gründung eine Einnahme von 165 126 4 und eine Aus- gabe von 111996 # zu verzeihnen, so daß ihm auzenblidcklich ein Vermögen von 53 130 #4 zur Verfügung steht. Zur Zeit unterhält der Verein 3 Anstalten: Das provisorische Kinder-Hospiz zu Norderney ist am 1. Juni v. J. eröffnet worden ; in ihm wurden bis zum 16, Oktober in drei sechêwöchentlichen Kurperioden 73 Kinder ver- pflegt. Die meisten der Kinder litten an Skrophulofe., Geheilt wurden 39%, wesentlich gebessert 58%, nicht gebessert 3/6. Für die Gesammtzahl der Verpflegten kommt annähernd dasselbe Verhältniß heraus. Auch im Winter wurden hier einige Kranke ver- vflegt. Die beiden Kurperioden der Wycker Kinderheilanstalt dauerten je 4 Wocbenz im Ganzen kamen 34 Kinder zur Aufnahme, 14 Kna- ben und 20 Mädchen. Auch bier sind gute Erfolge zu verzeichnen. Das dort im Bau begriffene definitive Hospiz ist im äußeren Aufbau vollendet. Die dritte Station in Groß-Mürit in Mecklenburg wurde im leßten Sommer zum dritten Mal seit ihrer Gründung E Auf- nahme in der ersten vorjährigen Kurperiode fanden 8 Mädten, in der 2. 11 Knaben und 2 Mädcwen. In allen Fällen hat sih auch hier eine wesentliche Besserung konstatiren lassen. Der definitive Bau des Hospizes wind noch in diesem Jahre begonnen werden. Zur Zeit schweben Unterhandlungen, die bezwecken, in Zoppot cine 4. Station zu begründen. An Stelle des verstorbeuen Prof. Dr. Benecke wurde von der Versammlung der banseatische Ministerresident Dr. Krüger zum Vorsitzenden gewählt.
In dem Garten des Belle-Alliance-Theaters herrscht ein xeges Leben. Maler, Tapezierer, Gasarbeiter, Gärtner, Tischler sind aufs Eifrigste beschäftigt, die Toilette desselben für seine Anfangs Mai bevorstehende Eröffnung so glänzend als möglich herzustellen, Im Theater selbst bleibt der unterhaltende Shwank „Der Zugvogel vorläufig auf dem Repertoire.
Im Wilhelm- Theater findet morgen, A statt; zur Aufführung kommt die Posse: urger“.
Sonntag, die leßte „Die Motten-
Gestern gab der auf der Rückreise von St. Petersburg begriffene Hr. Francis Planté in der Sing-Akademie ein zweites Con- cert, in welchem seine eminente Begabung noch glänzender hervortrat als in dem ersten. Hr. Planté verbindet in der That mit vollendeter Technik eine außerordentliche Feinheit im Schattiren und Pointiren, und wie er si in seinem ganzen bescheidenen Auftreten von allem Gesuchten fernhält, so meidet er auch im Spiel Alles, was den rein musikfalishen Genuß durch Effekt oder Aeußerlickeiten beeinträchtigen könnte. Des Künstlers Veranlagung entsprechen die Chopinschen Komyosi- tionen am besten, und deshalb trug gestern aub Chopins E-moll-Goncert den Preis des Abends davon, so gewaltig auch der ECindruck war, den Mendels\sohns G-moll-Concert und die anderen Nummern des gé° wählten Programms dur den meisterh1ften Vortrag auf die Hôrer machten. Dem stürmischen Beifall, welcher den Künstler lohnte, dankte derselbe in liebenswürdiger Weise durch die Zugabe von noch 2 Num- mern zu dem ohnehin schon reihen Programm. Das Philharmoniscke Orchester führte unter des Professor Karl Klindworth sicherer Lel- tung die Orcesterbegleitung mit Verständniß und Präzision, aué, konnte aber dem Meister auf dem Flügel nit immer in die feinsten Tonnuanzirungen folgen.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Erpedition (Kessel). Druck: W. Elsner-
Fünf Beilagen (einschlicßlich Börsen-Beilage).
Berlin:
In welchem Gegensatze steht hierzu das Bild, welches unser „2Zereinswesen in der Provinz Ostpreußen bietet! Nicht weniger als
„Frauenverband“ zur Kenntniß unserer Vereine gebract, unterlassen
M S,
j Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Sonnabend, den 14. April
183.
Nichtamflihes.
Preußen. Berlin, 14. April. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (65.) Sißzung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund der Berichte der V1. Kommission (Art. 5 §. 44) fortgeseßt. : : j
Nach dem Abg. Rèe ergriff der Bundeskommissar Geheime Regierungs-Rath Bödiker das Wort:
Meine Herren! J bitte Sie, die Vorlage der verbündeten Regierungen in dec. Fassung der Kommissionsbeschlü}se annehmen zu wollen. Hiermit entfällt bereits ein Haupttheil der Ein- wendungen des Herrn Vorredners gegenüber der Vorlage, info- fern dieselbe nämlich dahin hätte gedeutet werden können , als ob die verbündeten Regierungen es dem einzelnen Kaufmann verwehren wollten, in verschiedenen Geschäftszweigen ihr Geschäft zu betreiben. Es wird na wie vor dem Kaufmann freistehen, Thee, Holz, Klaviere, Spielzeug u. #. w., wovon der Herr Vorredner spra, in seinen Handel aufzunehmen; den Kapitänen wird es nicht verwchrt sein, alle diese Sacken zu sammeln, und an die Malayen abzu- seßen; die Feste der Malayen werden also auch nicht durch die Vor- lage verkümmert werden. Absay 3 des §. 44 lautet :
„Das Aufkaufen von Waaren bei anderen Personen als bei Kaufleuten oder solen Personen, welche die Waaren produziren, oder an anderen Orten, als in offenen Verkaufsstellen, sowie das Aufsucen von Bestellungen auf Waaren bei anderen Personen als bei Kaufleuten und Gewerbtreibenden, in deren Gewerbebetrieb die Waaren der angebotenen Art Verwendung finden, unterliegt den Bestimmungen des Titels 3.“
Damit sind also die kaufmännischen Betriebe, wie sie si bisher entwickelt haben, nah der vom Hrn. Abg. Rée angedeuteten Richtung vollständig frei. , E j
Dem Hrn. Abg. Buhl erwidere id im Ansclusse hieran, daß es gar nit darauf ankommen fann, einen Betrieb untersagen zu wollen, einen Gewerbebetrieb „todt zu schlagen“, einen Stand herabzudrücken und die besseren Elemente von demselben auszuschließen. Ich habe in dieser Hinsicht Bezug zu nehmen auf die von mir vorgestern verlesene Erklärung des früheren Gewerbeordnungs-Refe- renten Hrn. Dr. Friedenthal vom Jahre 1869, w.lche diesen Punkt näher erörtert. N
Dann hat Hr. Abg. Buhl zwci prinzipielle Einwendungen gegen den 8. 44 erhoben, die eine nähere Erörterung erheischen.
Ein Einwand ift hergenommen aus den Handel8verträgen, und der andere aus Artikel 26 des Zollvertrags vom 8, Juli 1867. Meine Herren! was den Einwand, der auf den Handelsverträgen basirt, anbetrifft, so kommt zunächst der Handelsvertrag mit Dester- rei in Frage. Nach §. 10 der österreibischea Gewerbeordnung vom 20, Dezember 1859, welche ja zu Recht bestand, als der Handelsver- trag vom 23. Mai 1881 abges{lossen wurde, ist die Zulassung von Handelsreisenden für ausländishe Handels- und Industrie- Unternehmungen durch eine besondere Vorschrift geregelt. Diese Vorschrift befindet sih in der Verordnung des Handels - Mini- steriums vom 3. November 1852, betreffend die wandernden Han- delsagenten. Zufolge dieser Verordnung ist den Handelsreisenden der Geschäftsbetrieb mit Personen, welche dem Handel- und Fabrikstande niht angehören, also den bei uns sogenannten Detailreisenden, ver- boten. Hinsichtlih der inländischen öfterreichishen Handels8reisenden ist das Verbot durch §. 50 der Gewerbeordnung vielleiht als auf- gehoben zu betrahten. Nach §. 10 der Gewerbeordnung aber besteht dieses Verbot für die autländishen Handelsreisenden fort, und fo erklärt sich aud die auf der Rückseite des diesseitigen Gewerbelegiti- mationsfarten - Formulars befindlibe Notiz, indem nach. Art. 19 des Handelsvertrages vom 23. Mai 1881 die Angehörigen der vertrags- \cließenden Theile hinsihtiih des Gewerbebetriebes im Umher- ziehen einschlicßliÞ des Hausirhandels gegenseitig den JInländern niht gleichgestellt sind. Der Gewerbebetrieb der auéländiscben Detailreisenden aber gilt in Oesterreih als ein Gewerbebetrieb im Umherziehen, als cin Hausirbetrieb, und insoweit sind die Oesterreicher na dem Wortlaut der Handelsverträge an der Hand ihrer eigenen Gesetzgebung dur die Handelsverträge nit gchindert, die Detail- reisenden als Hausirer zu behandeln, so wie die Vorlage es thun will. Und wir werden das Gleiche unbeschadet des Handelsvertrages thun dürfen. Die angezogene österreichische Bestimmung lautet wörtlih: „Ein Handelsagent ist nicht berechtigt, in Agentiegeschäfte mit Personen zu treten, welche dem Handels - oder Fabrikstande niht angehören,“ : :
Aehnlich liegen die Verbältnisse in Betreff der Schweiz. Dort wird der Geschäftsbetrieb derer, die wir Detailreisende nennen, nit als ein Gewerbebetrieb eines Handelsreisenden angeschenz die Schweiz besteuert den Gewerbebetrieb des Detail- reisenden sehr hoch in ihren Geseßen, die vom Hausiren handeln. Ich habe z. B. das Geseß vor mir, — ic könnte noch andere an- führen — des Kantons St. Gallen, in Kraft getreten am 13, Jänner 1879, Da heißt es Abschnitt T: „Marktverkehr“, D IT: „Hausirer“, In diesem Abschnitt IL., Art. 4 heißt es dann:
„Als Hausiren oder Gewerbebetrieb im Umherziehen ist aufzu- fassen 2) das Aufsuchen von Bestellungen bei anderen Personen als solchen, welche mit dem betreffenden Artikel Handel treiben oder denselben in ihrem Gewerbe verwenden.“
Diese Personen unterliegen nach Art. 16 einer Steuer von 10 bis 49 Fres. monatlich. Es ift klar, daß, was in der Schweiz gegenüber den cigenen Landsleuten hier Rechtens sein soll, an der Hand der Handelsverträge und neben den Handelsverträgen auch für die Ausländer, die in die Schweiz kommen, Rechtens ist. Daß die letzteren nicht günstiger gestellt sein können, als die eigenen LUndeskinder, liegt auf der Hand.
Der zweite Einwand ist hergenommen aus Art. 26 des Vertrages vom 8, Juli 1867. Absay 3 dieses Artikels lautet:
_ „Desgleichen sollen Kaufleute, Fabrikanten und andere’ Gewerbe- treibende, welche sich darüber ausweisen, daß sie in dem Vereins- staate, wo sie ihren Wohnsiß haben, die geseßlihen Abgaben für das von ihnen betriebene Geschäft entrichten, wenn sie per- \önlih oder durch in ihren Diensten stehende Reisende Ankäufe machen oder Bestellungen nur unter Mitführung von Mustern suhen , in den anderen Staaten keine weitere Abgabe hierfür zu entrichten verpflichtet sein.“
Was hier unter den Kaufleuten, Fabrikanten und anderen Ge- werbetreibenden zu verstehen ist, sagt der Art. 26 niht. Der Art. 26 spricht einen Grundsatz aus zu Gunsten der kaufmännischen Betriebe.
enn man die Interpretation des Hru. Abg, Dr. Buhl gelten lassen wollte, so fönnte dieselbe auch geltend gemaht werden zu Gunsten der Hausirer im bisherigen Sinne. Auch die Hausirer können zu den Kaufleuten u. \. w. gehören, welhe im Umherziehen eine Bestellung aufsuchen; es ist aber Niemandem bisher eingefallen, auf Grund des Art. 26 einen Hausirer, der in einem Staate die Landessteuer entrihtet hatte, in einem anderen Staate hausir- steuerfrei de lassen. Es giebt in der That Hausirgeschäfte, die in gobem aßstabe faufmännisch betrieben werden, die z. B. in reußen besteuert werden mit einer Steuer, die derjenigen der großen Geschäfte nahe kommt. Was unter diesen Art. 26 fällt oder nicht,
was Hausirer sein soll oder nit, darüber sagt die Bestimmung nicts, und es handelt sih jeßt gerade darum, zu beschließen, daß ein Handlungsreisender, welcher bei Privaten Geschäfte von Haus zu Haus mat, den Hausirbestimmungen unterliegen foll.
Der Hr. Abg. Dr. Buhl sagte, die Schäden, die in den Motiven hervorgehoben seien, seien etwas zu schwarz dargeftellt. Die Motive sind entnommen aus Eingaben, die unter Angabe von Thatsachen an die verbündeten Regierungen gelangt sind. Eine Scädigung der Be- treffenden in geschäftliber Hinsicht kann nur insoweit zugestanden werden, als etwa die Hausirsteuer für die betreffenden Kreise eine höhere sein könnte, als die jeßt auf den Handlungsreisenden lastende. Niemandem wird verwehrt auf Grund des §. 44 der Vorlage, dem- nächst sein Geschäft nah wie vor fortzuseßen, Keiner wird geschäft- lih materiell geschädigt. j
Die Abhülfevorshläge des Hrn. Abg. Dr. Buhl bestanden in steuerlichen Auskunftsmitteln. Er hatte zwei Steuerauswege. Meine Herren! Die sedes materiae dieser Frage ist nun aber die Gewerbe- ordnung, und i stelle anheim, ob Sie auf dem Gebiete des Ge- werberechts durch steuerliche Maßnahmen der Satte einen besseren Anstricd geben wollen. J glaube, wir lassen lieber die Gewerbe- ordnung selbt, als daß wir cinen Steuerflicken auf das Low seten.
Meine Herren, ich kann im Anschluß hieran nicht unterlassen, noch mit zwei Worten auf die Entstehungsgeshichte unserer Vor- lage einzugehen. Die Vorlage, wie sie jeßt lautet, entspricht in ihrer Intention der Vorlage der verbündeten Regierungen vom Jahr 1869, Es hieß damals:
„Die Landesgesetgebung kann bestimmen, daß derselbe (Hand- lungsreisende) Bestellungen nur bei Gewerbetreibenden suchen darf. Bestellungen auf Wein dürfen jedenfalls auch bei anderen Per- sonen als Gewerbetreibenden gesucht werden.“
Die Motive sagen zur Erläuterung dieser Bestimmung auf Seite 72: G
„Die am Schluß des Paragraphen vorbehaltenen landesgeseß-
lichen Bestimmungen finden sich für Preußen in der Kabinetéordre
vom 8. Dezember 1843, für Oldenburg in Art. 51 des Gewerbe- gefezes vom 11. Juli 1861. Sie sind hervorgerufen durch Klagen des Publikums über Belästigung durch Handelsreisende, und es kann für ihre Wiederaufhebung ein Bedürfniß um so weniger an- erkannt werden, als bei der heutigen Entwickelung der stehenden
Gewerbe eine aus der in Rede stehenden Veschränkung hervor-
gehende Benachtheiligung der Konsumenten nicht vorausgeseßt
werden kann.“
Meine Herren! Es ist das also ein altes Recht, und wenn der Hr. Abg. Dr. Rée das alte Net aufrecht erhalten wissen wollte, so geht die Vorlage nur einen Schritt weiter zurück auf das wirkli alte Ret, welches in Preußen seit dem Jahre 1843 bestanden hat, auh z. B. in Oldenburg gegolten hat. Der Hr. Abg. Dr. Rée wird also gestatten, daß der Ruf na dem alten Recbte durbaus acceptirt, nur ein wirkli altes Recht aufgenommen wird, während er ein neues Recht nimmt. Meine Herren, die Bestimmung fand damals nit die Billigung des hohen Hauses. Warum? Weil man si, wie die Debatten klar ergeben, vorstellte, es handle sich um die Geschäftsreijenden großer Firmen. Es ist bei den Verhand- lungen immer die Rede von den Prinzipalen, von den Chefs u. f. w. Man ahnte gar nicht, welche Ausdehnung der Gewerbebetrieb auf Grund des §. 44 nebmen würde, in anderer Gestalt. Es hat sich namentlich eine große Anzahl von Hausirern, die bis dahin éinen Hausirscbein nicht bekommen fonnten, dieses Paragraphen bemächtigt und, vom Hausirgewerbe ausgeschlossen wie sie sind, gingen sie nun nah S. 44 als Handlungsreisende in das Land.
Meine Herren! Es kann das nicht s{charf genug betont und es kann nicht dringend genug varauf aufmerksam gemacht werden, daß es sih gerade darum handelt, die Elemente, die zu {let sind, um einen Hausirshein zu erlangen, von dem Stande der Handlungsreisenden, der Kaufleute, auszuschließen. “ Wenn Sie der Aenderung, die hier vorgeschlagen ift, niht zustimmen, so wird der Erfolg der sein, daß sih alle diese Elemente, welchen der Hausirschein versagt wird, sei es, weil fie aus dem Zuchthause kommen, sei es aus anderen Gründen, jeßt als ihre eigenen Reisenden oder als Reisende für Helfershelfer, die ebenso \{chlecht sind, wie sie, reisen können. Es braucht Jemand nur irgend einen Ladea für irdenes Zeug oder sonst etwas aufzuthun, um für alle möglichen Gegenstände bei aller Welt Bestellungen aufzusuchen. Jch habe den Fall erlebt, daß einem Mann, der einen Legi- timations\s{ein als Reisender verlangte, der eben wegen Kuppelei be- straft worden war, einem Manne, der den Schein unter allen Umständen mißbrauben wollte — das wußten wir ganz sicher — daß diesem Manne der Schein nicht versagt werden konnte. Der Mann beïam den Schein; einen Haufir- schein hätte er niht bekommen. Wie ist es nun möglich, Angesichts dieser Sachlage, wenn sie in den betheiligten Kreijen bekannt wäre, daß diese sagen: die Bestimmungen sind bestimmt, unseren Stand herab- zudrücktten? Meine Herren, es kann nur angenommen werden, daß die Kreise, aus denen diese Aeußerungen verlautbaren — und sie werden ja in gutem Glauben sich so äußern —, daß sie über die Be- stimmungen, wie sie vorliegen, völlig im Unklaren sind. Wer die Bestimmungen liest und kennt, kann nur sagen: die Bestimmungen nüßen unserem Stande, und die verbündeten Regierungen sind fich bewußt, dem Stande als solchem, cinem ehrenwerthen Stande, nur dienen zu wollen. Aber dahin zu kommen, zu sagen, weil einige \{lechte Elemente sollen ausgeschlossen werden können, darum sei der ganze Stand geschädigt. Meine Herren, dabei hört die Logik auf.
Meine Herren! Auf den §. 44a. will ih in dieser Hinsicht nicht weiter eingehen. Da der Herr Vorredner diesen Paragraphen aber mit hineingezogen hat, habe ich doch nicht die Gelegenheit vorüber- gehen lassen zu sollen geglaubt, seiner Darstellung die Auf- fassung der verbündeten Regierungen sofort auf dem Fuß ent- gegenzuseten, in der Hoffnung, daß die Erklärung, die ich Namens der Regierungen hier abgegeben habe, auch von Seiten derer, die bis- her aus solchen Gründen die Vorlage bekämpft haben, gewürdigt werde. Die Erklärung steht lediglih auf dem Boden der Vorlage.
Meine Herren, daß eine Aenderung eintrete, ist ein allgemeines Verlangen. Die Entwickelung, die die Verhältnisse genommen haben, war, nah den Io zu s\{ließen, die die Herren im Jahre 1869 abgegeben haben, von diesen selbst nicht vorausgesehen. Jch will Sie nicht damit belästigen, Ihnen zahlenmäßig nachzuweisen, wie sehr, gerade zum Theil mit in Folge der jeßigen geseßlichen Be- stimmungen, die Zahl der Handlungsreisendea gestiegen ist. Die Steigerung ist eine außerordentlicbe, eine sprungweise, weil man er- kannte, daß mit den Legitimationskarten das zu erreichen ist, was mit den Hausirscheinen nicht zu erreichen ist.
Meine Herren! Das Verlangen, daß eine Aenderung eintrete, ist ein allgemeines. Ich habe hierfür keinen klassisheren Zeugen, als den Herrn Vorredner selbs, Auf Seite 21 der Motive des Kommissionsberichtes finden Sie einen Antrag, und dieser Antrag rührt von dem verehrten Herrn Vorredner her, — welcher lautet :
„Die Detailreisenden haben sih in denjenigen Gemeinden, in denen sie ihr Geschäft betreiben wollen, bei der Gemeindebehörde zu melden und können zu den Gemeindesteuern wie die Eingesessenen herangezogen werden. “
eine Herren! Das ist also „die Meldung der Detailreisenden
bei der Gemeindebehörde“ ; der Herr Vorredner geht also bezüglich der Detailreisenden so weit, wie die verbündeten Regierungen nicht
einmal wegen der Hausirer haben gehen wollen. Der Herr Vorredner, dem die englischen Verhältnifse genau bekannt sind, hat damit einen Gedanken ausgesprocben, der ibm von den englischen Verhältnissen her nabe liegt, indem in England die Hausirer in der That bei der Ortspolizeibehörde fi melden müssen , und er hat damit in seinem Gedarkengange eine Gleichstellung der beiden Arten von Gewerb- treibenden vorgenommen.
__ Meine Herren! Die Regierungsvorlage will nur die Gerech- tigkeit auf diesem Gebiete herstellen, und das ledigli aus sachlichen Gründen, obne alle politisben Nebenabsichten. Bisher ist dur die SS. 42, 44 und 55 der Gewerbeordnung ein fsolches Durcheinander eingetreten, daß irgend welche Scheidung nit mehr zu erkenven ift; wir befinden uns gewissermaßen in einem Urwald, wo Alles ver- wacbsen ist. Es sollen nur gewisse Schneusen geschlagen, ein gewisses Licht in die Verhältnisse gebraht werden, wodurch die materiellen Interessen nit weiter geschädigt werden, als es die Gerechtigkeit erheisht. Die Gerechtigkeit verlangt aber, daß niht länger die Fiftion aufrecht erbalten werde, daß Jemand aus dem Grunde, weil er irgend ein stehendes Gewerbe . treibt, nunmehr in Ausübung des stehenden Gewerbes alle möglichen Befugnisse im Umbkberziehen hat, Befugnisse, die mit dem stehenden Gewerbe an und für fi in feinem Konner stehen, die Befugniß, überall geschäftlicch umherzuziehen, bei allen Privatpersonen Bestellungen auf ales Mög- lide zu suchen, Befugnisse, die früher nit bestanden und die erst fraft einer durch das Gescß aufgestellten Fiktion in das Leben ein- geführt worden sind.
___ Meine Herren! Jch sagte, das Verlangen nach Aenderung sei ein allgemeines, und ih bezog mich dabei auch auf den Hrn. Abg. Rée. Ich könnte mich an der Hand des Petitionsberichtes und son- \tiger Vorlagen auch beziehen auf die Eingaben von Augsburg bis Flensburg, von Halberstadt bis Braunschweig, Lüneburg und Osnabrück. Das sind Alles Handelskammer-Eingaben bezw. Eingaben von Ver- tretungen größerer kaufmännischer Korporationen, die dem dringenden Wunsdbe Ausdru geben, es möchte eine Aenderung eintreten. Diese Aenderung s{lagen Ihnen die verbündeten Regierungen vor, indem sie davon ausgehen: Alle Gewerdtreibenden haben Anspruch auf aleiben S&uß; es kann der eine Theil verlangen, daß nicht die natürlibe Geschäfts- und Konkurrenzlage durch eine geseßliche Fiktion zu Gunsten des anderen Theils verschoben werde.
Wenn der Herr Vorredner vorhin sagte, „die Probesendungen werden nicht aufhören“, so ift das richtig; darum handelt es sich gar nicht. Es handelt sih ja überhaupt nit um Konkurrenzrück- sichten, sondern um die Herstellung der Gleichheit vor dem Gesetz, um gleiwes Licht und gleiche Sonne für alle Betheiligten, um die Beseitigung einer, kraft des Gesetzes bestehenden Begünstigung durch das Gesetz: in Folge der Beschwerden und Klagen Derer, die auf den Schuß des Gesetzes denselben Anspruch haben, wie Diejenigen, welche das Gesez mit dieser Fifktion, mit diescm Privilegium zu ibren Gunîten aufrecht erhalten wissen wollen.
Ich bitte missionsantrages.
Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, es sei niht zu leugnen, daß die Abstimmungen in dieser Berathung mehr oder minder Zufallsabstimmungen seien, es sei höchst bedenklih und be- flagenswerth, daß gerade bei Bestimmungen von der aller- höchsten Bedeutung die Würfel mit so shwachen, schwankenden Majoritäten fielen. Die Aenderung einer so großen Arbeit wie der Gewerbeordnung bei so {wachen Mehrheiten sollte eigentlich niht angezeigt erscheinen. Vieles werde hier ge- macht, worüber das Leben später lahen und spotten werde, — es sei doch im Allgemeinen jammervoller Kleinkram, um den das Haus jeßt verhandele! Eigenthümlih sei ihm in dieser Art der Gejeßgebung, in dieser Rückkehr zum Kleinen und Kleinlichen, eine Rückkehr vom Großstaat zum Kleinstaat, ein indirekter Protest gegen die Entwickelung Deutschlands zu einem großen Kulturreih! Das sei recht deutlich bei jener Verhandlung hervorgetreten, wo es sich darum gehandelt habe, ob die Verordnungen der Einzelstaaten vom Reichstage ge- nehmigt werden müßten. Möchten doch Diejenigen, welche ein Deutsches Reich mit erkämpft hätten, sih überlegen, ob sie mit dieser Art der Gesetzgebung sih nicht in eine Linie mit Denen stellten, die das Zustandekommen eines Deutschen Reiches überhaupt beklagten! Jm 8. 44 handele es sich um drei Bestimmungen, welche man beseitigen wolle; einmal, daß der Reisende nicht nur eine bestimmte Waare, nicht nur bei einer bestimmten Kategorie von Kaufleuten, niht nur an be- stimmten Orten solle aufsuchen können. Gründe für die be- abjichtigten Beschränkungen habe er nicht in den Motiven, niht in dem Kommissiousbericht gefunden; es sei ja auch, alle diese Einzelheiten gesondert zu besprechen, kaum möglich. Jn den Motiven heiße es, das Publikum werde belästigt; sei denn die Gewerbeordnung ein Gesey zum Schuyz des Nach- mittagsschlafes der ruhigen Bürger, der Grundbesißer im Be- sonderen? Schie der General:Postmeister in seiner Dienst- willigkeit für die ruhigen Bürger den Briefträger niht acht- mal täglih ins Haus? Das seien selbstverständliche Folgen des immer immenser sich aufshwingenden Verkehrs; wer in \chauriger Einsamkeit verharren wolle, müsse sih heut zu Tage einen großen Play aussuchen. Für die Weinreisenden solle man eine Ausnahme beabsichtigen; warum nicht für den Cigarrenreisenden und die anderen? Erst neulich habe der Abg. Windthorst betont, baß es sehr wünschenswerth sei, daß die Militärkasinos si direkt versorgten; werde das mit diesem Paragraphen etwa begünstigt? Man stehe leider noch sehr vielfach auf dem naiven Standpunkte einer Zunftgeseßgebung, wo eine von Gott und Rechtswegen alles besser wissende Be- hörde Käufern und Verkäufern vorschreibe, was gut und \chlecht sei. Leider hätten sich auch einige Handelskammern auf die Seite der Gegner geschlagen, so die sonst freisinnige Braunschweiger Handelskammer. Aber wie liege denn die Sache? Die Braunschweiger Handelskammer rühme sich ihres Eintretens für den kleinen Mann; er und seine Freunde kämpften hier im eigentlihsten Sinne für den kleinen Mann. Gerade die kleinen Geschäfte seien es, wie die Württemberger Petitionen zeigten, die, um nicht ganz von der Konkurrenz erdrückt zu werden, für ihre Gespinnste Bestellungen von Haus zu Haus aussuchten, sie würden mit der Annahme der neueren Bestimmungen erdrüdkt werden. Es werde immer von einer Berechtigung gesprochen, daß derjenige, der ein Ge- werbe betreibe, niht beeinträchtigt werden solle. Der Reichstag solle mithelfen , im Interesse Einzelner ihre Konkurrenten, ihre Nebenmenshen zu hindern, ihrem Gewerbe nachzugehen. Nicht bessere Leistung solle
also noch einmal um die Annahme des Kom-
mehr entscheiden, sondern die beste Art, sih bei der Regierung lieb Kind zu machen. Jett solle plößlih das stehende Ge-