1883 / 93 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

die größere Lebhaftigkeit aub diejenigen Zweige der Giseninduftrie ünstig beeinflussen wird, welche heute noþ über eine fühlbare Ge- cbâfts\tille zu klagen haben. Auf Grund der Geschäftsbewegung im Monat März dürfte mit ziemlicher Sicberheit anzunehmen fein, daß mit dem Eintritt der besseren Jahreszeit die Lebhaftigkeit sich steigern wird. Außerdem ist gerade in dem r gp daß auf den meisten Gebieten die Nafrage mit der Produktion gleichen Schritt hält, ein charakteristis{es Merkmal für eine günstigere Lage der Eisenindustrie zu sehen, so daß die Hoffnung auf eine befriedigende Gestaltung der Preise berechtigt ist, obwohl der Verkehr am Eisenmarkte noch nicht jene Dimensionen angenommen hat, welche zur Erzielung einer allgemein guten Marktordnung erforderlih sind. Besonders für Walzeisen ist eine gesteigerte Nachfrage eingetreten, so zwar, daß von einzelnen Produzenten Preiserhöhungen angestrebt werden.

Eine ähnliche Besserung zeigt au das Geschäft in Blechen und hat in der leßten Zeit zu den bisherigen Preisen die Nacfrage für Kesselbleche wesentlih zugenommen, woran Jn- und Ausland gleich- mäßig betheiligt sind. Auch für dünne Bleche ift eine, wenn immer- bin noch unbedeutende Besserung eingetreten. Für Eisen-Walzdraht mat si dagegen der Ausfall des Exports nach Rußland noch an- vauernd redt fühlbar und können sich die Preise deshalb noch immer nit erholen. Eine Aufbesserung erwartet man jedoh dem- näbst ia Folge der beshlossfenen Ermäßigung des Eingangs- zolles der Vereinigten Staaten, welche, was man niht be- zweifelt, auf die Ausfuhr nach dort erheblich fördernd ein- wirken wird. Wenn run auch die Einzelheiten der Abänderung des amecrikznishen Tarifs nochþ nicht in allen Punkten uns übersichtlich sind, so daß hier weder für Amerika noch für unsere einzelnen Ex- portindustrien ein bestimmteres Urtheil über die zu erwartenden günstigen oder ungünstigen Erfolge bisher gewonnen werden kann, so steht doc heute zweierlei hon fest. Erstens hat fich die amert- kanische Tarifreform nit in einer ausgesprochenen handelspolitischen Tendenz bewegt, Zollerhöhungen “stehen Herabseßungen gegenüber ; es ist also weder der freihändlerishen Theorie ein Sieg zu Theil geworden, voch is eine s{ärfere Ausprägung protektio- nistisber Tendenzen dabei erfolgt. Zweit:ns wird unsere deuts@e Industrie in ihrer Gesammtheit weder Grand zur Klage über die Tarifreform haben, da für unsere Nationalwirth\chaft Bor- theil aus Herabsekungen und Schaden aus Erhöhungen sich fo ziem- lid decken werden; noÞ werden einzelne Jndustrien bei uns aus den Zollherabsctzungen erheblihen Vortheil ziehen, da neben ihnen sehr erheblihe Herabseßzungen inländisher Abgaben und Taxen her- gehen, welde die Konkurrenzfähigkeit Amerika's gewiß ebenso viel 1 werden, als sie durch Zollherabseßungen geschädigt werden

nnte. Die „Neue Preußische Zeitung“ schreibt „Zum Schweine-Einfuhrverbot“: : E

Der Staats-Thierarzt in Hamburg hat seine Statistik für 1882 über die Untersuchungen auf Trichinen in Hamburg herausgegeben ; dieselbe giebt für das amerikanishe Produkt wahrhaft vernich- tende Zahlen. Es wurden im Jahre 1882 von 48 Untersuchern im Ganzen 79146 Stücke untersucht. iervon entfallen auf amerifka- nische Herkunft 18 619 Stück (13 507 Schinken und 5112 Sped- \seitcn). auf europäische 60527 Stück (15469 Schweine, 43 975 Schinken, 1043 Speckseiten und 409 diverse Stücke), und von diesen sind von ersteren, den amerikanischen, 175 Stück, von den europäishen aber gar keine trichinös befunden, das macht also für erstere 0,95%, wobei für sie noch erschwerend ins Gewicht fällt, daß die Summe der europäischen untersuhten Stücke diejenige der amerikanischen um mehr als das Dreisache übersteigt. Greifen wir auf die vergangenen Jahre zurü, so zeigt sich dasselbe Resultat, ja die Jahre 1879 und 1880 weisen für das amerikanishe Produkt noch ungünstigere Zahlen auf. Die Statistik der früheren Jahre ist höchst interessant und lassen wir die- selbe deshalb auszugsweise hier folgen:

Es wurden untersucht:

N e |8 S E 2E E SE S SE E S S5 (E S| S E 1878 28 173 | 3! 0,01] 49 513 | 382 0,7 | 77686 | 385 1879 47247 | 3| 0,006 | 102 662 1290 1,16] 149 909 1293

, 1 1880 49 943 —| 0,06] 78597 | 8361

1881 55 799 | 2/ 0,000 | 73113 695 0,9 1882 60 527 —| 0,00 |_18 619 | 175 0,9

den fün! | |

128 912 | 697

9 6

D 128 540 | 836 51 79146 | 175

in den fünf || 941 689 | 8| 0,03] 322 504 3378| 1,05] 564 193 (3386 Jahren | N | Von 241 689 in den leßten fünf Jahren untersuhten Stücken europäischen Schweinefleishes wurden also nur 8 Stücke trichinös befunden, dagegen von 322504 Stücken aus Amerika importirtem he Sebles Besser kann nichts für das Einfuhrverbot \prechen als ese Zahlen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Denkmäler der Kunst. Zur Uebersicht ihres Entwickelungs- ganges von den ersten künstlerishen Versuchen bis zu den Stand- punkten der Gegenwart. Bearbeitet von Prof. Dr. Wilh. Lübke und Prof. Dr. Carl v. Lüßow. 193 Tafeln quer Folio nebst 30 Bogen Tert in Lex.-8%, Ca. 2000 Darstellungen der Architektur, Skulptur und Malerei. Klassikerausgabe. Stuttgart, Verlag von Paul Nef. Vollständig in 30 Lieferungen zu 1 #6 3.—10 Lieferung. Von der bereits angekündigten neuen außerordentlich wohlfeilen - Ausgabe dieser in der That fklassisch zu nennenden Ikonographie der bildenden Künste liegt nun das erste Drittheil nebs dem Textbande vor. Der leßtere bietet in gedrängten Erklärungsworten zu jeder einzelnen Darstellung einen Kommentar und somit eine handlihe Encyklopädie der Kunst, welche neben dem unendlih reichhaltigen Anshauungsmaterial, das der Atlas enthält, dem Kunstfreunde und Kunstbeflissenen cin willklommener Be- rather sein dürfte. Aber auch als Hausbuch zur Unterhaltung und Erholung im Anschauen des Edelsten und Schönsten, was Menschen- geist und Menschenhand geschaffen hat, werden die „Denkmäler“ \ich in dieser auch dem minder Bemittelten lieferungéweise mit geringen Opfern zugänglichen Auëgabe gewiß immer mehr einbürgern und die Freude an dem Schönen weiter verbreiten helfen.

Gewerbe und Haudel.

Elberfeld, 21. April. (W. T. B.) Die Dividende der Vaterländischen Feuerversiherungs-Gesellschaft ist für 1882 auf 4009/6 festgeseßt. Die Versicherungssumme pr. 1882 betrug 2 768 624 628 M, mithin eine Mehreinnahme von 90 460496 4 gegen das Vorjahr. An Prämien wurden 4703 675 # eingenom- men. Kapital- und Prämienreserven betrugen 4 919 922 #; denselben wurden pro 1882 288 300 M zugeschrieben. 7

Antwerpen, 20. Upril. (W. T. B.) Wollauktion. An- geboten 2370 B. Laplatawollen, verkauft 1532 B. Das Geschäft war animirter, Preise unverändert.

Paris, März 1883, In einer kürzlih stattgefundenen Ver- sammlung der hiesigen Weinhändler, welcer auch zahlreidbe Depu- tirte und Gemeinderaths-Mitglieder, sowie Abgesandte der Syndikats- kammern von Dijon, Toulon, Montpellier und Marseille beigewohnt haben, ist der Beschluß gefaßt worden, die Deputirtenkammer und die Regierung um Abänderung des angeblich zu strengen Geseßes vom 27. März 1851, betreffend die Bestrafung gewisser Waaren- fälschungen, zu ersuten, welches Geseß unterm 5, Mai 1855 auch auf Getränke anwendbar erklärt Worden ist. Gleichzeitig wurde im hiesigen Gemeinderathe, geslüßt auf einen dahin gehenden früheren Beschluß der Pariser Handelskammer, der Antrag eingebracht, dem städtishen Laboratorium die üblichen Veröffentlichungen über seine

Weinuntersuhungen im „Bulletin municipal* in Zukunft nicht mehr zu gestatten.

Diese Anregungen haben der Pariser Presse Gelegenheit gegeben, die französishe Weinzubereitung einer für diese wenig \chmeichelhaften Erörterung zu unterziehen.

Einem Artikel des „Journal des Débats“ sind nachstehende Daten über die vorzugsweise angewandten Fälshungsmittel entnom- men. Schon beim Keltern beginnt man den Wein zu verseßen, um ihn klarer und zur Konservirung geeigneter zu maben. Beim Ab- ziehen pflegt man denselben fast immer mit Eiweißstoff, Gallert, Blut oder Mil abzuklären. Diese Stoffe vermischen sih mit der Gerbsäure und heben sie auf ; es ist daher ein soles Verfahren zwar für die herben Weine ganz gut; unnüß und s{ädlich aber für die besseren Sorten. Jst Gerbsäure niht in genügender Menge vorhan- den, so seßt man ein Absud von Gallnüssen oder zershrotenen Wein- traubenkernen zu. :

Sehr häufig wird auch dem Weine, um seinen Geshmack zu heben, Alaun beigemisht. In Südfrankreich gypst man den Wein, um ihm die Weinsteinsäure zu nehmen und salzt ihn, damit er nicht sauer wird. Um das Gähren zu verhindern, ver- wendet man geringe und s{ädliche Alkoholsorten. An Stelle des Alkohols scht man sogar bisweilen Salicylsäure zu. Man fälscht ferner dur Zusätze von Bleiglätte oder Bleioxyd, um die Säure zu vertreiben; von Kornalkohol, um den Alkoholgehalt zu erhöhen; von Fusin, selbst arsenikhaltigem Phosphor oder Weinsteinsäure, um die Färbung zu beleben und den Geshmack herber zu machen; endlich durch Zusay von Farbstoffen, wie fochenilleroth, indigoroth, und be- fonders von Anilinsalzen.

Die Weinverdünnung wird im größten Maßstabe betrieben und entzicht den Staats- wie den Gemeindekassen eine namhafte Summe. Nimmt man den durhschnittlichen Wafserzusaß von nur 89/6 an, so ergiebt sib, daß allein in Paris, bei einem Weinverbrauche von un- gefähr 5 Millionen Hektolitern, niht weniger als 415000 hl Wasser jährlih als Wein verkauft werden. Um den Wasserzusaß zu ver- decken, ist man gezwungen, zu weiteren betrügerisben Mitteln seine Zuflubt zu nehmen. Verdünnter Wein enthält daher meist außer künstlichen Farbstoffen, geringwerthigen, oft sogar mit Amvyloxryd- hydrat verseßzten Branntwein und gesundheitsgefährlihe Essenzen, durch welhe Blume und Wohlgeruch hervorgebracht werden sollen.

Von 3361 Weinproben hat das oben erwähnte Gemeinde-Labora- torium im Jahre 1881 387 (also 10,63 9%) als gut, 1093 (32,50 9%) als mittelmäßia, 1709 (50,84 9%) als \chlecht aber nicht schädlich, 202 (6,03 9/0) als E bezeichnet. Daß die Fortdauer derartiger Zustände dahin führen muß, den durch die Reblaus ohnehin {on \chwer geshädigten Weinhandel Frankreihs noch mehr in Verfall zu bringen, wird von den Blättern aller Schattirungen anerkannt.

New-York, 20. April. (W. T. B.) Baumwollen- Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 66 000 B. Ausfuhr nah Großbritannien 57 000 B., Ausfuhr na dem Konti- nent 34 000 B., Vorrath 749 000 B.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 29. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Baltimore“ ist heute in Bahia ein-

getroffen.

Hamburg, 21. April. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Gellert“ ist gestern Abend*von Havre nah New- York abgegangen.

New-York, 20. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Oder“ ist heute Vormittag 11 Uhr bier eingetroffen.

New-York, 20. April. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda“ ift heute Abend 9 Ühr hier eingetroffen.

Verlin, 21. April 1883.

hre Majestät die Kaiserin und Königin hat dem Vaterländischen Frauen-Zweig-Verein in Danzig eintausend Mark zur Verwendung für die durh den Weichseleisgang Beschädigten überweisen lassen.

Am morgigen Sonntag findet auf der Rennbahn zu Hoppe- garten der zweite Meetingstag des Vereins für Hinderniß- rennen statt. An diesem Tage werden folgende fünf Rennen abgehalten werden, zu denen die Nennungen bereits erfolgt sind. Zu dem April- Hürdenrennen, einem Verkaufsrennen um den Preis von 700 #4. auf 2000 m Distance sind bis jeßt {on 10 Unterschriften eingegangen; das Wellington-Jagdrennen, ein Offizierreiten um den Preis von 800 M4 auf eine Distance von 400 m trägt 9 Unterschzisten, das Flarennen, ein Herrenreiten um den Preis von 500 #4 auf eine Distance von 2500 m, zeigt 6 Unterschriften. Zu dem Lauriston - Jagd- renuen, einem Verkaufsrennen um den Preis von 700 #4 auf 3000 m, find bis jet erst 5 Pferde genannt, und das Frühjahrs-Jagdrennen, ein Herrenreiten um den Preis von 900 # auf eine Distance von 4000 m trägt 8 Unterschriften. Es sind somit für alle Konkurrenzen eine ergiebige Anzahl von Pferden an dem Pfosten zu erwarten. Zu den Rennen gehen um 11 Ühr 48 Minuten und 12 Uhr 24 Minuten Mittags vom Bahnhof „Friedrichstraße“ Exrtrazüge ab. Die Rülk- fahrt von Hoppegarten erfolgt um 3 Uhr 45 Minuten resp. 4 Uhr 5 Minuten Nachmittags.

Außer den bereits mitgetheilten, auf der Großen allgem einen Gartenbau-Aus stellung verliehenen Auszeichnungen, erhielten noch die große goldne Ausftellungs-Medaille der Handelsgärtner M trießen bei Dresden für eine Kollektion 50 niedriger Rosen, / die kleine goldne Ausftellungs-Medaille der Kom.-Rath Dellsshau (Obg. Schmidt) für 1 Azaleen-Gruppe, Hr. Garten-Direktor Runßler- Ne bei Hannover für 1 Sortiment Croton und der Garten- Inspektor Hampel-Koppiyß für getriebene Gurken, :

Das Ausstellungsterrain selbst zerfällt in 3 Theile, von denen das Arrangement für die oberen Säle der Garten-Inspektor C. Wredow, das für den unteren inneren Raum der Garten- nspektor Perring, das für den Außenraum (Hallen und Garten) der Hof- gärtner Hoffmann übernommen hatten. Wenn die Ausftellung dies- mal so hervorragende Leistungen aufzuweisen hat, so tragen namentlich auch von außerhalb gesendete Produkte einen bedeuten- den Theil dazu bei. So u. A. Bromeliaceen, Agaven, Orchideen Sarracenien, wie seltene Neuholländer des Garten- Insp. Kircbhoff, Donauescingen ; Blattpflanzen, Croton, sowie Agavengruppe des Gart.-Dir. Runßler-Hardenberg ; das Alpinensortiment des Botanischen Gartens, Inspektor Kolb-München; die getriebenen Rosen von Harms u. Spieß - Hamburg, Haubold - Dresden, Kühne - Halberstadt ; blühender Citrns chinensis von Stange - Hamburg, Runbtler, Camellien von Bartheldes-Dreöden, Caladien von Grouel-Bremen, Immatopbyllum-Kreuzungen von Neubert-Hamburg, Primeln-Coleus- Züchtungen von Benary-CErfurt, Wrede-Lüneburg, Agaven von Haage und Schmidt-Erfurt, Dracaenen von Sultze-Weißenfels, Coniferen- Gruppen von Sciebler u. Sohn-Celle, Jacgq. Jurrissen u. Sohn- Naarden, Peter Smith u. Co.-B.rgedorf-Hamburg, Weiße-Camenz, Weigt-Dresden, Gräflih von Pücklershe Gartenverwaltung, G.-Jnsp. Bleicher: Branitz, Premier-Lieutenant von Härtinger-Ingolstadt, Ges bôlz und Baumschulartikel der Freiherr von Friesenshen Gärtner- Lehranstalt-Rötha, Hafner-Kadikow, Harms-Hamburg, veredelte Gichen der Tharandtschen Forstakademie, Obstsortimente des Kniep- Duderstadt, Duwe - Hoopte, Kammerherr von Behr - Schmoldow, Freiherr- li von Friesenshe Gärtner-Lehranftalt, diverse Gemüse, theils fris, theils konservirt, die Kollektion der Hamburger Gemüsezüchter, getriebene Gurken von Hampel-Koppitz, diverse Kartoffel-Sortimente

von Behr-Cöthen, Verein Pambucger Gemüsezüchter, Versuch8garten- rankfurt a. M., diverse Sêmereiprodukte von Gartendirektor charrer-Tiflis, von Claude-Servan-St. Remis (3000 Sorten), Arrangements aus abgeschnittenen Blumen von Seyderhelm und Wangersheim-Hamburg, Fischer und Feuersänger-Königsberg, Shlag- Düsseldorf, Pressel-Hannover, EGngelhardt-Thorn, diverse teh- nisbe Artikel und Instrumente, wie mikroskopische Pilzpräparate von Göfsel-Strehlen, Jnstrumente von Mayer-Görliß, Herberts-Cöln, Krannt u. Co.-Wien, Helm-Hannover, Wellmann-Altona, \sowie Ge- wächshausbauten von Mosenthin-Eutriß\ch-Leipzian. Neben diesen Firmen glänzten die Leistungen hiesiger Züchter in nicht minderer Weise und wir nennen hier nur die Namen eines Späth, Schulz, Kaehler in Baumschulartikeln, die eines G. A. Schulz, Ebers, Bluth, Kommerzien - Rathes Dellshau, Haak mit Azalcen, die Croton und Caladien des Kommerzien-Rathes Spindler, Primeln und Cyclamen von Scchmerwit und Lenz in Potsdam, Wiehle u Kaeding hier, blühen- der getriebener Gehölze des freien Landes von Weckmann u. Sohn, Marktpflanzen von Neumann, getriebener niedriger Rosen von Gude u, Röstel-Hasenhaide, Amaryllis-Züchtungen von Hoffmann, Nelken von Janicki, Hortensien von Kommerzien-Rath Dellshau (Ober- ärtner Schmidt), Bacher-Pankow, Blattpflanzen von Brandt-Char- ottenburg, Warmhauspflanzen wie Baumfarren von Gartendirektor Gaerdt-Moabit, Arrangements aus abgeschnittenen Blumen die Herren Thiel, Speck, Schmidt, Dreser, Dehn, Bluhm, Meyer. Technische Artikel, wie Geräthshaften, Bänke, Tische, Stühle, Mist- beetfenster, Ampeln, Vasen, Statuen, in großer Auswahl, sowie Gartenbüher und Pläne in allen Formen und Farben; interessant und lehrreih zuglei eine Zusammenstellung exotisher Nutpflanzen in ihrem Wachsthum wie ihren Produkten an Holz und Früchten, Universitätsgärtner Lindemuth.

Alle diese Gegenstände sind in geshmackvollster Weise geordnet und gewähren einen besonders anziehenden Anblick, sobald das magische Licht der elektrishen Flamme über dies Meer von Blumen und Pflanzen seine bläulihen Strahlen ergießt.

(D. Landw. Zta.) Der vierte hannovershe Bauerntag wird voraus\ichtlih bereits am 29. April zu Burgdorf (Station der Lehrte-Harburger Bahn) stattfinden und die Tagesordnung, außer den Kornzoll- und Steuerfragen, auch die Presse behandeln.

Von Seiten des Vorstandes der Hygiene-Ausstellun g geht uns die Nachricht zu, daß Ihre Majestät die Kaiserin und Königin genehmigt hat, den B-suh der Hygiene- Ausstellung mit dem 10. Mai beginnen zu lassen. Die Eröffnungsfeier wird erst na Rückkehr Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen von Höhstdessen bevorstchender Reise stattfinden.

Hugo Lubliners Schauspiel „Aus der Großstadt“, über dessen erfolgreihe erste Aufführung an dieser Stelle gestern bereits berihtet wurde, verdankt seinen Titel weniger dem Chaxakter der Handlung, welche sih vor uns abspielt, als vielmehr der eigen- thümlichen a von Personen, welche handelnd vor uns erscheinen. ir lernen in dem Schauspiel allerdings eine so zahl- reiche und bunt gemischte Gesellshaft kennen, die mehr oder weniger an der Handlung betheiligt ist, daß der Dichter selbst in der „Groß- stadt“ gewiß lange herumgesuct hat, bis er diesen Kreis von Menschen zusammengebracht und eine shickliche Art gefunden hat, sie alle um die Person, welhe im Mittelpunkt der Handlung steht, um Ruth von Loveland l zu gruppiren, daß jeder seinen Antheil an den Lebens\chicksalen des jungen ädhens gewinnt. A dem Autor diese Gruppirung vortrefflich gelungen ist, giebt aufs Neue Zeugniß von seinem, auch in früheren Stücken {hon bewährten sceni- Then Geschick. Menschen aus allen Klassen der modernen Gesellschaft, Beamte, Gelehrte, Schriftsteller, Künstler, Kaufmann und Handwerker, Weltdame und Bürgersfrau , e alle spielen ihre Rolle. Es kann nicht Wunder nehmen, daß dieser Vielheit der Personen ge- genüber die Zeichnung der einzelnen Charaktere niht immer eine voll- ständige und abgerundete werden konnte, ganz abgesehen davon, daß einige ganz verzeichnet sind. An den Hauptfiguren aber, die Lubliner uns vorführt, kann man in der That seine Freude haben; da berührt Form und Inhalt gleich \sympathisch; alles hohle Wort- geklingel, soweit es niht in dem Rahmen der Salon - Unter- haltung natürlich erscheint, ist glücklich vermieden, und aus Wort und That treten lebendige, seelenvolle Be giA vor unser geistiges Auge. Leider treten diesen Vorzügen ret chlimme Mängel gegenüber; niht allein, daß man, wie erwähnt, an die Existenz einiger von den gezeichneten Personen gar nicht glauben kann, sind auch wesentliche scenishe Vorgänge höchst unwahrscheinlich und unglaubhaft. Ueber diese Schwächen der Komposition kann der glatte und gefeilte Dialog ebensowenig wie das sceniscbe Geschick des Dichters hinwegtäushen. Jedenfalls nimmt das Schauspiel, wenn die etwas fomplizirte und darum \chwerfällige Exposition über- wunden ist, das Interesse des Zuschauers mehr und mehr in Anspruch und bleibt fesselnd bis zum Schluß. Der Jnhalt dec Handlung ist kurz folgender: Ruth von Loveland, cin in bescheidenen Verhältnissen im Hause des Schlossermeisters Gebhardt als Pflegling lebendes junges Mädchen, liebt seinen Vetter, den Grafen Karl Arenburgz sie hält diese Liebe für aussihtslos und wendet ihr Herz, um den Grafen zu vergessen, Georg Brüning, einem jungen Schriftsteller, zu. Brüning, welcher der Ruth Anfangs herz- lih zugethan ist, kann den Verlockungen einer Weltdame, der jungen Wittwe Adele von Orosti, niht widerstehen; er giebt Ruth auf. Ruth aber, von doppelter Seelenqual gefoltert, erfährt auf dem Höhe- punkt der Verwicklung, daß der Graf, ihr Vetter, sie wirkli wieder liebt, und diese Erkenntniß führt zum versöhnenden Schluß. Neben dieser Haupthandlung entwickeln ih die Schicksale einiger anderer Personen in fast selbständigen Nebenhandlungen. Nicht ohne Interesse sehen wir, wie Frau von Orosti vom Hangen und Bangen durch den energischen jungen Gebhardt zu festem Selbstbewußtsein geführt wird; aber ganz kalt läßt uns der einfältige Liebeshandel zwischen dem jungen Merck und Adelens Schwester, Martha Corbah. Die Darstellung war in allen Theilen und im Ensemble eine wohl gelungene. Von den Damen verdienen Frl. Meyer (Ruth und

rau Kahle- Keßler (Adele) in erster Linie genannt zu werden; Fr. Frieb- lumauer (Frau Gebhardt) batte in einer Nebenrolle Gelegenheit, ihre gemüthvolle \chauspielerishe Kraft zur Geltung zu bringen. Unter den Herren zeihnete sh Hr. Liedtke (Graf Arenburg) in ge- wohnter Weise durch maß- und doch wirkungsvolles Spiel aus; Hr. Krause gestaltete den Schlosser Gebhardt mit kräftigem Humor ret charafkteristisch{; auch Hr. Keßler (Brüning), Müller (der junge Geb- hardt), Kahle (Lihtenegg), Johannes (Polizei-Präsident) und Vollmer (Gesandtschafts-Sekretär) haben verdienstlihe Leistungen zu ver- eichnen. : ) M Belle - Alliance - Theater. Die Mitglieder des Wallner- Theaters beschließen in der nähsten Woche ihr erfolg- reihes Ensemble-Gastspiel mit demselben Stück, in welchem sie begannen, mit den „Kläffern® von H. Wilken und Ad. L'Arronge. Diese Posse geht am Montag zum 43. Mal in Scene.

Das zweite Sonntags - Concert des Philharmon ischen Orchesters im Krollschen Etablissement unter Musikdirektor Professor Ludwig von Brenners Leitung findet morgen statt.

Redacteur : Ried el.

Verlag der EGrpedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

M 93.

Nichtamfklices.

Preußen. Berlin, 21. April. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (68.) Sißung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesehes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter auf Grund des Berichts der VIll. Kommission (§. 1—3) fortgeseßt. 8. 3

lautet nach der Fassung der Kommission :

Auf Beamte, welche in Betriebsverwaltungen des Reichs, eines Bundesftaats oder cines Kommuralverbandces mit festem Gehalt

angestellt sind, findet dieses Gese fzine Anwendung.

Auf ihren Antrag sind von der Versicberungspflicht zu befreien Personen, welche herfömmlid im Krankheitsfall Rb na für dreizehn Wochen auf Verpflegung in der Familie des Arbcitgebers

oder auf Fortzahlung des Lohnes Arspruch haben.

Zunächst ergriff} der Bevollmächtigte zum Bundesrath

Geheime Ober-Regierungs-Rath Lohmann das Wort:

Meine Herren! Wenn ich mir gleich beim Wiederbeginn der Berathung das Wort erbeten habe, fo ist es hauptsächlich geschehen, weil ih es für ersprießlih halte, die Stellung, welche die verbündeten Regierungen zu dem §. 1a. der Kommissionsbesch!üsfe und zu dem Antrage des Hrn. Abg. Frhrn. von Hertling einnehmen, {on jeßt darzulegen. Vorher aber möchte ich mir gestattcn, noch mit einigen Worten auf die Ausführungen des Hrn. Abg. Richter von gestern zurückzukommen. Soweit dieselben sih in dem Kreise des höheren Gesichtspunktes bewegten, von dem er am Schluß feiner Rede s\prach, haben Sie bereits gestern vom Bundes- rathstishe aus die erforderliche Beleuchtung erfahren. Auch soweit sie sih im engeren Kreise der Sache, um die es sih handelt, be- wegten, sind ihnen von verschiedenen Rednern aus dem Hause gestecn schon, wie mir scheint, zutreffende Entgegnungen geworden. Nichts- destoweniger glaube ich, daß einige der Ausführungen auch von dieser

Stelle aus nicht unerwidert bleiben dürfen, und namentlih werde i mir gestatten, die Zahlen, welhe der Hr. Abg. Richter in seinem Vortrage vorgeführt hat, etwas näher zu beleuchten. Der Hr. Abg. Richter hat gestern bemängelt, daß die Motive der Vor- lage für den allgemeinen Versicberungszwang eine eigentliche Begründung nicht enthielten, und er hat namentlich dargelegt, daß die Zahlen, welce in den Mctiven zu dieser Begründung hätten dienen sollen, eigentlich doch mehr das Gegentheil bewiesen, nämlich die Unnöthigkeit eines allgemeiren Versicherungszwanges. In dieser Beziehung hat der Hr. Abg. Richter zunächst die Zahlen der Orts- statute, die seit dem Jahre 1876 errichtet sind, einer Beleuchtung unterzogen, er hat darauf aufmerksam gemacht, daß zwischen den An- gaben der Motive und den Angaben der Statistik, welhe der Kom- mission später überreiht und auch dem Kommissionsbericht beigefügt ist, si cine Differenz befinde; die Motive er- geben 278 Ortsstatute und die Statistik 342. Hr. Abg. Richter fragte: welche Zahl ist nun die rihtige, die erste oder die zweite ? oder wenn sie beide richtig sind, so muß in dem kurzen Zwischenraum do eine sehr starke Vermehrung der Ortsstatuten stattgefunden haben. Meine Herren! Zwischen den beiden Erhebungen, auf welchen diese vershiedenen Angaben beruhen, liegt ein Jahr, und in diesem einen Jahre ist eine Vermehrung eingetreten von 64 Ortsftatuten, das ift die Differenz zwischen den Angaben der Motive und den Angaben der Statistik. Wenn man nun ausrechnet, wieviel Ortsstatute überhaupt in den erften vier Jahren, worüber die Motive Auskunft geben, durchschnittlih jährli errihtet worden sind, so kommt man auf die Zahl 69; das Jahr 1881, welches bei der Statistik hinzu- gekommen ist, ergiebt 64, erreicht also niht einmal mehr den Durch- \hnitt der früheren Jahre. :

Nun, meine Herren, will ih auf die Bedeutung dieser Zahlen noch etwas näher eingchen und Ihnen darzulegen versuchen, daß der Schluß, den die Motive aus diesen Zahlen ziehen, keineswegs falsch ist.

enn man die Gesammtzahl von 342 Ortsftatuten vorführt, so mat das vielleicht einen gewissen Eindruck, es ist toch immer eine niht ganz kleine Zahl; indessen dieser Eindruck wird fehr erheblich abgeschwächt, wenn man unterscheidet zwischen den neu- errihteten und den blos revidirten Ortsstatuten. Neu- errichtete Ortss\tatute giebt es 152, die übrigen 190 sind nur revidirte Ortsfstatute. Der Mehrzahl nach sind also die 342 Ortsstatute folhe, welche {on unter der Herrschaft der früheren preußischen Gesetzgebung entstanden sind. Das Geseß vom 3. April 1854 er- mächtigte aber die höheren Verwaltungsbehörden oder die Regierungen, da, wo die Gemeinden nicht selbs dem vorhandenen Bedürfniß durch Errichtung von Orts\tatuten genügten, ihrerseits den Zwang zur Er- richtung von Hülfskafsen auszusprehen und die Ortsstatute, welche unter der Herrschaft dieses Gesches errichtet sind, sind immer unter dem Eindruck des im Hintergrunde stehenden Zwangs zu Stande ge- kommen. Also, wie gesagt, die Zahl der wirklich neuerrihteten Orts- statute beträgt in diesen 5 Jahren nur 152. 4

Noch weniger Eindruck aber machen diese Zakblen, wenn man die Vertheilung der Gesammtzahl auf die preußischen Pro- vinzen ins Auge faßt. Jn dieser Beziehung bitte ih die Zahlen zu vergleichen, welche in der Statistik auf Seite 166 des Kommissions- berihts gegeben sind. Da ergiebt si, daß für die ganze Provinz Ostpreußen in den 5 Jahren 5 Ortsf\tatute errichtet, beziehungs- weise revidirt sind, 2 davon find alte und nur 3 neue; für die Provinz Westpreußen sind 8 Ortsstatute vorhanden, davon sind 6 alte und2 neue ; für die Provinz Brandenburg 37, davon 35 alte und 2 neue; für die Provinz Pommern 9, 1 altes und 8 neue; für die Provinz Posen 23, 11 alte und 12 neue; für die Provinz Schlesien 64, 46 alte und. 18 neue; für die Provinz Sachsen 79, 51 alte und 28 neue; für die Provinz Schleswig-Holstein 17 neue; für die Provinz Hannover 32, 1] altes und 31 neue; für die Provinz Westfalen 34, 16 alte und 18 neue; für die Provinz Hessen-Nassau 6 neuerrichtete ; für dic Provinz Rheinpreußen 25, 20 alte und 5 neue; für die Hohenzollernschen Lande 3, 1 altes und 2 neue.

Nun, meine Herren, ist ferner versucht auf Grund der Zahlen über die Hhestehenden Krankenkassen darzuthun, dan doch die Frei- willigkeit auf diesem Gebiet {on sehr erheblihe Resultate erreicht habe und daß auch deshalb ein Zwang in der Weise, wie ihn die Vorlage wolle, nit gerechtfertigt sei.

In dieser Beziehung möchte ih nur verweisen auf die Statistik, die gleichfalls dem Kommissionsberiht auf Seite 170 und 171 beige- eben ist. Sie finden da für Preußen die Gesammtzahl der eingeschrie- enen Hülfskassen angegeben in Spalte C. 1 und 2 und zwar in Sumna 989 eingeschriebene Hülfskassen. Die Mehrzahl derselben, 589, sind sol%e, welhe nur in eingeschriebene Hülfskassen umgewandelt sind, also bereits bestehende, größtentheils auf Grund der früheren

preüßisben Gesetzgebung errichtete Kassen. Nur die Minderzahl von 400 besteht aus neu errihteten eingeschriebenen Hülfskassen. Diese leßte Zahl seßt sich nun zusammen aus den Zahlen, welche in

palte A. 1 und B. 1 der Statistik gegeben sind. Nun, meine Herren, fragt es si, wie viele von diesen Kassen beruhen wirklich auf Freiwilligkeit? Es beruhen nicht auf reiwilligkeit diejenigen, welhe in der Spalte B. 1 aufgeführt find, 172, die sind auf Grund von Ortsstatuten errihtet; ferner nicht die in Spalte A. 1 b. a aufgeführten 76 Kassen, das sind Fa- brik-Krankenkassen, welbe nun in die E solche E a ungeeignete Form der eingeschriebenen Hülfskassen e ngewängt sind; sie beruhen gleihfalls auf Zwang. Es blieben also übrig die in Spalte A. 1 a.

L Erste Beilage zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 21. April

und A. 1 b. S mit je 76 aufgeführten Kassen.

Kassen sind aber die in Spalte Von diesen 152

Kassen sind A. la. aufgeführten 76 nicht aus- {ließli für gewerbliche Arbeiter errichtet, E ist auch T An- nabme, daß die Mitglieder dieser Kasscn größtentheils gewerbliche Arbeiter seien, keineswegs berectigt. Es handelt sih dabei im Gegentheil meistens um solche Kassen, welche Anhängsel irgendwelcher freien Vercine für sonftige Zwecke sind und in denen die Mehrzahl der Mitglieder aus selbsländigen Leuten besteht, namentlich aus Handwerkern, aus Privatbeamten, auch niederen Staats- und Gemeindebeamten. Also das ganze Ergebniß der freien Jnitiative it seit 1876 76 freie Kassen. oder, wenn man es ganz ho rechnen will, 152.

Nun ist von dem Hrn. Abg. Richter gesagt: gebung von 1876 nicht {on größere auch wesentli 0 Od der Behörden, indem 1g verscchlepÞp langwierige Verfahren die Sache zuwider gemadt ist. dieser Vorwurf ist auch {bon in der Kommission erho damals auch noch der weitere Vorwurf hinzugefügt, auc die Errich- tung von Ortéstatuten würde einen viel rascheren Fortgang genom- men baben, wenn hier au nur das Interesse der Behörden mit- gewirkt und man die Errichtung dieser Ortskassen in der Weise ge- fördert hätte, wie man sonst andere Institutionen, die man von oben gern sähe, zu fördern pflege.

i „Dem gegenüber muß ih nun behaupten, daß die Behörden gerade bei Ausführung der Gesetzgebung. von 1876 mit voller Loyalität verfahren sind, nämlich im vollen Anerkenntniß desjenigen Stand- punktes, den damals der Reichstag bei der Beschlußnahme über dieses Geseß eingenommen hat. Der Standpunkt von 1876 war der, daß jeßt eigentlih das Prinzip der Freiwilligkeit an die Spitze gestellt werden solle. Man sagte: Jeßt wollen wir für die freiwillige Kassen- bildung eine geseßliche Grundlage schaffen, und es geschah das in der offnung, daß die freiwillige Kafsenbildung nun sich er durh Ortsftatute Es wurde da-

" ja, daß die Gesetz- rücbte getragen hat, ist do

Meine Herren, ben und es ist

ausgesprochenen bedeutend entwickeln und dec Z noch vorgesehen war, völlig überflüssig werden würde. mals die Ermächtigung der Gemeinden, Ortsstatute zu erlassen, von 1 in N be- : egierung in Anspru enommene Befugniß der höheren Verwaltungsbehörden, in diu ihrerseits einen Zwang auszuüben einfah aus dem Gesetzentwurf gestrichen ; man wollte also die Freiwilligkeit in den Vordergrund stellen; und dementsprechend haben auch die Regierungen gehandelt. preußische Handels-Minister

Fortschritt der Arkeiter

einem großen Theil dieses

willigt und

Namentlich

auêdrüclih darauf zunächst von der freien ative [rbeiter zu er und daß nur da, wo eine solche Jnitiative nit eintrete und sich ein dringendes Be- dürfniß herausstellt, von Seiten der Behörden auf die Errichtung von Ortsstatuicn hinzuwirken set.

_ Meine Herren! wenn nun jeßt der Vorwurf erhoben wird, daß die Behörden die Bildung von neuen Ortsstatuten nit genügend befördert haben 1876 „würde man das genannt haben, daß sie nicht mit dem bureaukratischen Hochdruck gearbeitet hätten, so liegt doch darin ein ganz entschicedenes Zugeständniß, daß die Geseß- gebung von 1877 ihren Zweck nicht erreiht hat, auch den Zweck nicht erreicht hat, welcher von jener Seite au gewollt ift.

Einige Aeußerungen des Hrn. Abg. Richter \hienen auch die An- das Ziel eigentlih bereits erreicht nöthig habe,

vor, er habe si sagen lassen, es gebe 1 700 000 gewerbliche Arbeiter, und davon seien schon jeßt 1 400 000 Arbeiter Mitglieder von Kranken- , Wahrscheinlich hat der Hr. Abg. Richter si das von seinem Fraftionsgenossen Dr. Hirsch sagen lassen, denn in der Broschüre des letzteren über diese hier zur Berathung stehende Vorlage ist aller- dings angegeben, es seien 1 700000 Arbeiter vorhanden, und davon scien Hr. Dr. Hirsch kommt zu diesen Zahlen auf d Er rechnet 869 000 Mitglieder der in den Motiven aufgeführten Krankenkassen, dann rechnet er 320 000 Mitglieder der Knappscaftskassen hinzu und endlih 200000 Mitglieder von freien Hülfskassen, die aber nicht eingeschriebene Hülfskassen seien, welche er im Wege der Privatstatistik ermittelt habe.

Hierzu will ich nun zunächst bemerken, daß der Hr. Abg. Richter nicht ganz genau gehört oder gelesen hat, wenn er in seinem Vortrage annahm, daß die auf freien Vereinen beruhenden Kassen 700 000 bis 800 000 Mitglieder zählen, „also das zehnfahe“ von den ortsstatutarischen Kassen. In Wahrheit verhält sich die Sache gerade umgekehrt. ortsstatutarishen und die sonstigen nicht eingesbriebenen Zwangs- fassen zählten Ende des Jahres 1880 717 000 Mitglieder und die eingesbriebenen Hülfskassen zählten 123 000 Mitglieder, wie dies ) _ i Die Mehrzahl der einge- {riebenen Hülfskassen sind aber nicht freie Hülfskassen, sondern es sind Zwangskassen, die nur in die Form der freien Hülfskassen ein- o zum Allerhöchsten die Hälfte dieser assen gerechnet werden.

führungserlassen

erwarten sei,

nahme begründen zu wollen, da

einzuführen.

1 400 000 versichert. folgende Weise:

aub in den Motiven angegeben ist.

getreten sind. Es kann al 123 000 auf die freien Hülfs __ Was nun die Privatstatistik des Hrn. Dr. Hirs anbetrifft, so will ich die Richtigkeit seiner Ermittelungen garniht in Zweifel ziehen; aber ih muß do die Annahme für sehr gewagt halten , daß die 200 000 Mitalieder der von ihm ermittelten Kafsen lauter gewerbliche Im Gegentheil, man hat allen Grund anzunehmen, daß nur der kleinere Theil dieser Mitglieder aus gewerblichen bef unzweifelhaft Menge Mitglieder aus dem Handwerkerstande und anderen klein- bürgerlichen Berufskreisen, welche nicht unter dies Gesey fallen. Auf diese Weise kommen die 1 400 000 Mitglieder von Krankenkassen allerdings zur Noth heraus; aber ih glaube, man wird nicht fehl- greifen, wenn man diese Zahl um 1—

Nun, meine Herren, wie steht diese Zahl wirkliher Mitglieder von Krankenkassen zu der Zahl gewerblicher Arbeiter, welche unter die allgemeine Krankenversicherung fallen werden? Nach der Berufs- statistik beträgt die Zahl der unselbständigen gewerblichen Arbeiter in Industrie und Hand- auf welche

Arbeiter seien.

000 ermäßigt.

üttenwesen , also in denjenigen Berufskreisen ,

gemeine Versicherungszwang ausgedehnt werden soll, 4 Millio-

dem Verhältniß von 3/5 und 2/5, so komme ih auf die Zahl selbst bei der günstigsten An- nahme der Zahl der Mitglieder von Krankenkassen beträgt dieselbe immer do nur sehr wenig über 50%.

Fragen wir nun, meine Herren, wie sind denn überhaupt diese etwas mehr wie 500%/% zur Versicherung gekommen? Mindestens 750 000 von den 869000, welche in der Vorlage angegeben sind, sind Mitglieder von ortstatutarishen und Fabrikkrankenkassen, da beruht kommen ferner die 320000 Mitglieder der uf Zwang beruht. Es 000 des Hrn. Dr. Hirsh mit

im ganzen für Versicherte in freien Kassen die Zahl

Meine Herren! J daß weder auf die B i

000, also, meine Herren,

Knappschaftskassen, deren Versicherun bleibt also, wenn ih die vollen 200 pinzureone,

aube hiermit genügend gezeigt zu haben, der Gemeinden, Ortsftatute zu errichten, noch auf die Freiwilligkeit die Hoffnung zu gründen ift, daß die Krankenversiherung in der Weise allgemein werden würde, wie wir

13.

Ic komme nun zu dem Vorwurf des Hrn. Abg. Richter, welce

er der Vorlage in ihrem ganzen Aufbau gemacht bat. Da O N gn noch R Gesetz iotgeronizen, welches, wie diese

e am grünen Tisch ausgearbeitet und nah bureaukratisccher Schablone zugeschnitten ift. q j E

_ Und an ciner andern Stelle sagte er: das senschaftéprinzi

t «S aufgegeben. sag Genossenschaftêprinzip

etne Herren! Hr. Richter hat diesen Vorwurf allerdings nur dur die Annahme begründen können, daß die im Entwurf a als äußerst subsidiär hingestellte Gemeinde-Krankenversiberung die Regel bilden werde, und ih glaube daran erinnern zu dürfen, daß diese

Üverra!cende Wendung, die ihm nur möglich wurde dur die Be- LE au da und Jndolenz“ der Gemein de-

? lele schon v Bi gest hinrei gewürdigt it le d on Hra. Dr. Buhl gestern hinreichend

_ Aber auf die Vorwürfe selbst gestatte ih mir meizerseits zu er- widern, daß das System von organisicten Kassen, welches na dem Entwurf zur Durchführung der Krankenversicherung dienen soll, unter der sorgfältigsten Venußung alles dessen, was auf diesem Gebiete bisher gescäftlich geworden ift, und ebenso unter der sorgfältigsten Berücksichtigung aller aus den verschiedenen Verhältnissen si er- gebenden Bedürfnisse konstruirt ist, und ferner, meine Herren, daß der Entwurf das Prinzip der Genossenschaft so weit durchführt, als es mit den nothwendigen Anforderungen einer rationellen Krankenversicberung irgendwie verträglich ist. Ich aa mir gestatten, dies im Einzelnen noch ctwas näher nabzu-

Meine Herren, was zunächst die Berücksihtigung des Bestehen-

den anbetrifft, so machen wir in unserm Entwurf nicht E did wle es der Antrag des Hrn. Abg. Blos und Ges nossen thut, welcher! außer dec Gemeindekrankenversiherung nur die neuen berufégenossenschaftliden Krankenkassen stehen lassen, alles andere aber wie mit einem Schwamm wegwischen will. _ Meine Herren! So verfährt der Entwurf nit, sondern na ihm soll alles das, was auf diesem Gebiete seither si gebildet hat, erhalten werden; es soll dur die Bestimmungen des Gesekes nur soweit geändert werden, als es nothwendig ist, damit auch diese Bil- dungen den neuen Anforderungen genügen können. Jch mae Sie darauf aufmerksam, meine Herren, daß keine Art der organisirten Krankenkassen im Gntwurfe vorkommt, welche nicht jeßt schon in der Praxis ihre zahlreihen Vertreter fände, Die Ortskranken- fassen entsprehen durchaus denjenigen Kassen, die gegen- wärtig theils auf Grund von Ortsftatuten, theils auf anderen Grundlagen örilih sür einzelne Gewerk8zweige bereits bestehen. Die Fabrik-Krankenkassen bestehen ja bekanntlich {on jetzt in großer Zahl und mit sehr erfreuliher Wirksamkeit. Dasselbe gilt für die Knapp- schaftskassen. Ebenso sind die Innungskafsen bereits vorhanden; und sie sind erst neuerdings durch neue geseßlihe Bestimmungen in dem Titcl der Gewerbeordnung über die Innungen neu geordnet.

Endlich, meine Herren, auch die Baukrankenkassen sind keines- wegs etwas so ganz neues, sondern sie finden sich im Keime schon in dem preußischen Eisenbahngeseße vom Jahre 1838.

Was nun ferner das Prinzip der genossenschaftlichen Bildung anbetrifft, so habe ih vorhin gesagt: der Entwurf berücksichtige dasselbe soweit, als es mit den Anforderungen einer rationellen Krankenversicherung überhaupt vereinbar ist. Meine Herren, man kann eine Krankenversichcrung nicht lediglich auf die Grundlage der Genossenschaft stellen; es würde das auf die Schwierigkeit stoßen, daß nicht an jedem Orte so viele Versicherungspflichtige eines Berufs ee G Gewerbes vorhanden sind, um eine Krankenkasse bilden zu

Für eine rationelle Verwaltung der Krankenkassen ist es aber fast noch wichtiger, daß die Mitglieder demselben örtlichen Freise E als daß sie demselben Berufe angehören. Außerdem würde die Bil- dung lediglih auf Grundlage der Berufsgenossenschaft, namentlich in Deutschland, nur für wenige Berufsarten mögli fein, denn der Wesel der Arbeiter zwiscen den verschiedenen Berufsarten ist bei uns in noch viel höherem Maße wie in England so groß, daß die Leute doch wieder heute der einen und morgen einer anderen Kranken- kasse angehören müßten, wenn lediglich nah Berufsarten geschieden werden sollte. | Meire Herren! Auch die „nationalen Kassen“ der deutschen Gewerkvereine können das Prinzip der berufsgenossenscaft- lihen Bildung nit rein durchführen. Wollten fie das, so müßten sie jeden aus der Kasse ausschließen, der in einen anderen Beruf übergeht. Das thun sie nicht, sondern fie lassen solhe, welhe in einen anderen Beruf übergehen, Mitglieder ihrer Kassen bleiben, und dur{brechen dadurch schon das berufs- genossenschaftliche Prinzip.

Also, meine Herren, der Entwurf hält an der örtlichen Be- grenzung der Krankenkassen fest, in Ucbereinstimmung mit der ge- schichtlihen Entwickelung; aber innerhalb dieser Begrenzung wird das genossenschaftlibe Prinzip soweit ausgestaltet, wie es irgend möglich ist. Hinsichtlih der Fabrikkassen, der Innungskassen und der Knapp|chaftskassen braube ich das ja niht weiter auszuführen; aber au hinsihtlih der Ortskrankenkafsen ist das der Fall.

_ Nach der ursprünglihen Vorlage sollten die Gemeinden ver- pflihtet werden können, Ortsfrankenkassen überall da zu errichten, wo die erforderlihe Anzahl von Mitgliedern vorhanden seî, und zwar sollten nah §. 14 Ortskrankenkassen auc für die einzelnen Gewerks;weige errichtet werden müssen, sobald die Zahl der in den Gewerkszweigen vorhandenen Arbeiter das irgend zuläßt.

__ Nun, meine Herren, hat die Kommission dieses Prinzip aller- dings abgeschwäht und zwar einmal dadurch, daß sie die Minimal- zahl der organisirten Kassen erhöht hat, und ferner dadurch, daß sie die Autonomie der Gemeinden zu einem entscheidenden Faktor für die Kassenbildung gemacht hat in einem höheren Grade, als die Vor- lage der verbündeten Regierungen das thun wollte. Immerhin, meine Herren, ist aber auch bei den Beschlüssen der Kommission das Prinzip der genossenschaftlihen Bildung noch zum Ausëdruck gebracht und bei verständigem Vorgehen der Gemeindebehörden läßt es sid auch noch in weitem Maße durchführen.

__ Meine Herren! In den Baukrankenkassen wird eine Institution geschaffen, die eigentlich für eine große Anzahl von Arbeitern die Krankenversicherung überhaupt erft möglich macht, nnd das ist au Le Kommission, so viel ich weiß, ziemlih einstimmig an- erkannt.

Was aber die Gemeindekrankenversiherung anbetrifft, so habe ih {hon vorhin erwähnt, daß diese Form der Kranken- versiherung in dem Entwurfe der verbündeten Regierungen

als eine äußerst sudsidiäre gedacht ist, die nur da plagzgreifen soll, wo für eine Bildung von organisirten Kassen überhaupt keine Möglichkeit mehr gegeben ift. Auch în dieser Beziehung hat nun Ihre Kommission a

herbeigeführt und zwar wesentlich in dem Gemeinde-Autonomie einen größeren Spielraum zu geben, als die ver- bündeten Regierungen das wollten. Wenn das au na der Aufs fassung der verbündeten Regierungen bedauerlih ist, so bleibt do au jeßt der subsidiäre Charakter der Gemeindeversicherung prinzipiell erhalten, und ih kann auch dem Hrn. Abg. Dr. Buhl zugeben, daß die Kommission wieder andere Bestimmungen in das Gesetz hinein-

erdings eine Eben Ie Fe Merungtuorlage nteresse, au er der

es wünschen müssen.

erag hat, welche dazu dienen, diesen subsidiären Charakter der

emeindeversicherung aufrecht zu erhalten.