1883 / 96 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 25 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

soweit sie der statistisben Wissenschaft bisher zugänglih geworden, angefügt. Die kleine Schrift, welche die erfte Abtheilung der vor- theilhast bekannten größeren Arbeit des Verfassers „Statistische Skizze der europäisben Staaten“ bildet, ftellt sich mit dieser als eine Sagnuemng zu der siebenten Auflage von Steins und Wappäus' Hand- bub der Geographie und Statistik dar. Wir verfehlen nicht, auf diese neue Auflage alle Diejenigen aufmerksam zu machen, welche zuverlässige und eingehende ftatistiide Mittheilungen über die Oester- reichis-Ungarishe Monarie zu haben wünschen. :

Der General-Arzt Dr. Publmann hinterließ außer der berühmten Menzel-Sammlung (von der KönieliGe Nationalgalerie erworben) auch eine kleine aber werthvolle Kollektion von Manuskripten, Autographen, Drucken, die am 8. Mai d. J_ bei

rn. Rud. Lepke hierselb zur Versteigerung kommen. Wir hren als beahten8werth an: Watéêtafeln mit Rechnungen aus dem 14. Jahrhundert, eine Anzahl „Livres d'heure“, zum Theil mit \{önen Miniaturen, eine Sammlung von Predigten in der Mechoacan- jprache, Manuskript aus dem 16. Jahrhundert, Kostümwerke, zum Theil Handzeihnungen, einiae der jett so selten gewordenen Stamm- bücher, Handeremplare dcs Horaz, Livius und Florus aus dem Be- sit? des Reformators Melancbthon, mit eigenbändigenRandbemerkungen, alle Spielkarten, Drucke von Fust, Schoeffer, Koburger, alte Scbrot- blätter, interessante Einbände, wie der der Marie de Medicis. Eine große Kostvarkei: ist aub die Quartausgabe der Oeuvres de Frédéric le Grand in 33 Bänden mit den Jllustrationen von Menzel, die nie in den Handel kam. Ferner enthält der Katalog unter den ca. 1000 Nummern viele alte und neuere Kupfer- und Holzschnittwerke. Eine Liebbaberei des Dr. Publmann waren alte medizinishe und alchy- mistisde Werke, wovon ca. 100 verzeichnet sind. Unter den Büchern der romanis®en und slavisber Literatur befindet sch man(he Seltenheit.

Von der illuftrirten Prachtau8gabe von Theodor Körners sämmtlichen Werken, hberauégegeben von Heinri Laube (Verlag von Sigmund Bensinger in Wien, Leipzia und Prag) sind die Lieferungen 9—11 erschienen.” Nr. 9 und 11 bringen die Fortseßung und den Schluß der vermishten Gedichte (Band T.), Nr. 10 die Fortseßung des Zriny (Band IkI.). Die cinzelne Lieferung dieses mit Illustrationen reib ges{chmüdckten und in reichster Aus- stattung dargebotenen Werkes kostet nur 50 - oder 30 Kr. :

Von Brodckhaus' Konversations-Lexikon, das in neuer vollständig umgearbeiteter 13. Auflage mit zahlreichen Abbil- dungen und Karten in 240 Heften von je 4 Bog. Text oder in 16 Bdn. von je 60 Bog. Text erscheint, sind wiederum 5 Hefte, Heft 61—65, vor Kurzem au®gegeben worden. Dieselben führen den Tert von „Deidesheim“ bis „Dicbitsb-Sabalkansky“ fort und enthalten außer- dem 4 Karten (Bevölkerungsdichtigkeit im Deutschen Reihe nach der Volkszählung von 1880 und in den Grenzgebieten ; geologisdbe Karte von Deutscblandz; politishe Uebersichtskarte des Deutschen Reiches ; historishe Karte von Deutscland, 1) zur Zeit der Karolinger, 2) unter den fähsisben und fränkishen Kaisern, 3) unter ten Hobenstaufen und dem Interrearum 1138—1273, 5) um die Mitte des 14. Jahrhun- derts) und 4 Bildertafeln (Fossile Thiere aus der Silur- und Devon- formation, Drainirung, Destillation, Einhufer). Aus den Artikeln, welcbe diese 5 Hefte bringen, heben wir die über Deutscbland (deutscher Krieg von 1866, deutschcs Heerwesen, d. Literatur, d. Musik, d. Recht, d. Sprache, d. Theater, deutshes Volk, deutsb-französischer Krieg von 1870—71, Deutscland und Deutsches Reich in geogra- vbis-statistisber Hinsicht, in Verfassung, Gesetzgebung, Reichs-Ver- fafsungsrecht und Geschichte) besonders hervor.

Gewerbe und Handel.

Im Jahre 1884 findet in Turin “cine allgemeine italienische National-Ausstellung statt. Zu der Abtheilung für Elek- trizität werden aub ausländiscche Ausëfteller zugelassen.

Der Cours für die jeßt hier zahlbaren Oesterreichischen Silber-Coupons ift auf 170,50 A für 100 Fl. österr. Silber herabgeseßt worden. -

Dortmund, 23. April. (Cf. Ztg.) Auf dem Roßbeisen- markt besteht die feste Stimmung der Vorwocen fort und ift auch kaum cine Veränderung zu Ungunsten der Produzenten zu erwarten, da die Produktion im Einklang mit dem Bedarf fteht und somit eine Anhäufung von Vorräthen vermieden wird, die einen Druck auf die Notirungen ausüben könnte. In Walzfabrikaten nimmt die Nachfrage in erfreuliher Weise im Allgemeinen zu, namentlich in Stabeisen und Baueisen, so daß die Werke wieder längere Liefer- fristen bei neuen Abschlüssen bedingen. Die Preise werden daher fest behauptet, aub sind die Käufer williger, die bestchenden Notirungen anzulegen. In Feinblehen i ebenfalls ein reger Verkehr ¡u fonstatiren, während in verschiedenen Grobble{bsorten, insbesondere aber in Kesselblechen, eine Verminderung des Bedarfs eingetreten ift, was wohl zu dem Schlusse berechtigen dürfte, daß mande Werke mit der Erneuerung und Erweiterung ihrer Kesselanlagen zu Ende sind. Die Drahtwalzwerke find meist stark engagirt, auch gehen neue Bestellungen ziemli regelmäßig ein, so daß sie den bestehenden flotten Betrieb für längere Zeit fortseßen können. Leider sind die Preise wie überhaupt die Walzeisennotirungen gegenüber den Preisen der Rohmaterialien zu niedrig und daber wenig lohnend. Auch in der Stablbranche dauert eine lebhafte Beschäftigung an und ist namentli uoch immer viel in Eisenbahnmaterial, wie Stahlschienen, Lang- und Quershwellen, Räder, Awfen, Bandagen 2c., zu thun. Neue Submissionen auf Lieferung von Oberbaumaterialien sind indessen noch immer selten. Die Mascinen-, Lokomotiv- und Waggonfabriken sind meist befriedigend beschäftigt, dob wird wie au bei den Gießereien über zu niedrige, wenig lohnende Preise geklagt. Im Kohlengeschäft dauert eine günstige Stimmung an, da die Nacfrage rege bleibt und der Absaß denjenigen in der entsprehenden Periode des Vorjahres weit übertrifft. Die Preise sind fest und dürften aub wegen der im Allgemeinen günstigen Resultate der kürzlich abgehaltenen großen Koblenfubmissionen in Hannover und Elberfeld eîne Abschwächung nit leidt erfahren.

_ Wien, 24. April. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Länderbank genehmigte einstimmig die Anträge des Verwaltungs- raths, betreffs der Verwendung des Reingewinns von 3 240261 Fl. s Erhöhung des Aktienkapitals werden 2 373 750 Fl. verwandt, zur

otirung des Reservefonds 82768 Fl., für Tantièmen ebenfalls 82 768 Fl. Von den restirenden 700974 Fl. wird eine Super- dividende von 3# Fl. per Aktien-Interiméschein gezahlt und dec Reft- betrag von 36 324 Fl. auf die neue Rechnung vorgetragen. Die beantragten Statutenänderungen, welche si auf die Organisation der Verwaltung und die Verzinsung dcs außerordentlichen Reservefonds beziehen, wurden ebenfalls einstimmig angenommen.

Antwerpen, 24. April. (W. T. B) Wollauktion. Angeboten 2440 B. diverser Woller, verkauft 1547 B. Preise un- verändert.

New-York, 23. April. (W. T. B) Weizenverschif- fungen der [leßten Woche von den atlantishen Häfen der Ver- einigten Staaten nah Großbritannien 46 000, do. nach Frank- reib 40 009, do. nach anderen Häfen des Kontinents 15 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 40 000 Qrtrs.

Verkehrs-Anstalten. Hamburg, 25. April. (W. T. B.) Der Hamburger ger „Frisia“ ist heute früh in der Elbe und der amburger Postdampfer „Borussia“ am 18. April in Hayti an- gckommen. Southampton, 2. April, (W. T. B.) Der Dampfer des Ten Lloyd „Donau * ist heute früh 7 Uhr bier ein- New- York, 24. April. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „,Hammonia*® ist heute Morgen 8 Uhr hier einge-

troffen. L Sauitätswesen und Quarautänewesenu.

Nah amtlihen _Natricten hat..der egyptishe Gesund- heitsrath besblossen, diejenigen von der Westküste der Insel Sumatra kommenden Sciffe, die keine Pilger an Bord baben und weder von Baros roch einem anderen durch die Gholera infizirten

Hafen kommen, bei ihrer Ankunft in einem egyptishen Hafen ledig- lid einer ärztlihen Untersuhuna zu unterwerfen. Im Uebrigen bleiben die früher angeordneten Maßnahmen *) in Kraft.

Nab einem weiteren Beschlusse derselben Behörde sollen alle aus Shanghai und Bombay kommenden Schiffe wegen der in diesen Bien berrshenden Blatternepedemie und ferner Schiffe, die dem

esundheit8zamt Grund zu Zweifel in Betreff des Gesundheits- E an Bord geben, einer ärztlihen Untersuhung unterworfen werden.

*) cfr. „Reichs-Anzeiger“ vom 12. d. M. Nr. 86.

Berlin, 25. April 1883.

Der Deutsche Verein zur Beförderung der Fluß- und Kanalfci ffahrt, der z. Z. 1000 Mitglieder zählt und der allein im lezten Jahre deren 102 neu gewonnen hat, hielt geftern Abend seine 15. Generalversammlung ab, die, einer Bs des Hrn. Emil Meyer Folge gebend, einstimmig die Annahme folgender vom Ober-Bürgermeister Fürbringer-Emden formulirten Resolution beshloß: „Die Versammlung des Centralvereins tritt dem Beschluffe des Aus\cbusses vom 15. November v. J. in Bezug auf den Geseß- entwurf über die Anlegung eines Scbiffahrtskanals von Dortmund nach den Emshäfen bei und begrüßt diese Vorlage mit Freuden als den ersten wichtigen Schritt zur Anlage von großen Schiffahrts- kfanâlen, und zwar troßdem, daß die gleichzeitige Ausführung des Binnenkanals zur Verbindung des Rheins mit der Weser und Elbe zvr Zeit niht zu erreihen gewesen ist. Sie be- dauert die Ablehnung der Regierungsvorlage von Seiten der Kanal- kommission des Abgeordnetenhaufes, und bittet das hohe Haus, dessen ungeactet die Regierung8vorlage anzunehmen, in der sicheren Erwar- tung, daß die Regierung die Vorarbeiten für die Fortseßung des Ka- nals na der Weser und Elbe sofort in Angriff nehmen und thun- litt bald einen Gesetzentwurf über diese Kanallinie vorlegen werde.“ Dem alsdann erftatteten Kassenberiht war zu entnehmen, daß einer Einnahme von 7813 Æ eine Ausgabe von 6701 M4 gegenüberftand, so daß der Verein, der außerdem 8000 4A Effekten besißt, über ein Baarvermögen von 1112 Æ zu verfügen bat. Nachdem die 111 Mitglieder des Aus\{ufses den proponirten Vorschlägen gemäß ge- wählt waren, sprach Prof. S{liting in längerem Vortrage über die Mittel gegen Ueberschwemmungen der Flußthäler.

Als Hr. Gust. H. Sch ul z e im Juni 1882 seine erste Broschüre „Denkschrift über die Anlegung eines Nordkanals in Berlin“ veröffentlihte, hatte er damit eine Verbindung der Spree, etwa gegenüber dem Eierhäuschen, mit dem Tegeler See im Auge. Nach den öffentlichen Diskussionen, die im Herbst v. J. über das erste Projekt stattgefunden haben, hat \sich der Verfasser nunmehr in seiner soeben erschienenen zweiten Publikation: „Generelles Projekt zur Anlage eines Nordkanals von Berlin“ (Berlin bei Fr. Luckhardt) für eine kürzere Strecke entschieden. Die Gesammtlänge des Kanals würde hiernah 141 kw, alfo nahezu ¡wei deutsche Meilen betragen. :

Die Hauptschwierigkeit dieser Anlage besteht darin, daß es i dabei darum handelt, das Diluvialplateau der Mark Brandenburg zu durchs{neiden. Man sieht si deshalb vor die Alternative gestellt, entweder Profileinschnitte zu machen, welche die Höhe eines fünf- stôckigen Wohngebäudes erreichen, also Steilböshungen von bei uns ungekannter Tiefe und Brückenübergänge von riesenmäßiger Länge, oder, wie es Hr. Gust. H. Schulze gethan hat, einen unterirdischen gemauerten Kanaltunnel von in diesem Falle neun Kilometer Länge zu projektiren.

Es ift Hrn. Gust. H. Schulze der Einwand nit vorenthalten worden, daß es in tecnisher und finanzieller Beziehung überaus \chwierig sei, sein Projekt auszuführen. Er bemüht sich, in seiner zweiten Publikation das Gegentheil zu erweisen. Der Kanal beginnt nah seinem Plane am Rummelsburger See, überschreitet, nördli nch erstreckend, die Schlesishe und Ostbahn fowie die Frankfurter

lee. Hier beginnt der Tunnel, welcher sich nach Nordwesten unter- halb der Landsberger Allee, der Greifswalder Straße, der Prenzlauer und Schönhauser Allee bis zur Stettiner Bahn hbinzieht, wo der Kanal wieder zu Tage tritt, um 4} km westlich und südwestlich bis zum Spandauer Swiffahrtskanal fi hinzuziehen. Die Gesammt- anlage würde 28 Millionen Mark kosten.

Gestern wurde die große Kaëkade am Haupteingange der Hygiene-Ausftellung zum ersten Male in Betrieb geseßt. Das Ergebniß war sehr befriedigend. 6000 1 Wasser per Minute führt ein 70 m entfernter Neuhaussher Pulsometer dem oberen Reservoir zu, von welchem aus die Wassermenge sich zwischen Felsblöcken in den vor dem Ausftellungsgebäude gelegenen Teich ergießt. Prof. Hertel (Berlin) ift seit einigen Tagen mit der Aufstellung seiner Panoramen- bilder beschâstigt. Sein Gastein mit den beiden Nebenthälern ift vorzügli gelungen. Den Gartenanlagen Mächtigs fehlt zu ihrer Entfaltung warmer Regen und milde Nachtluft. Die gärtnerische Auss{mückung des weiten Ausftellungsterrains konkurrirt mit den schönsten Shmuckpläßen der Stadt. Im Ausftellung8gebäude sind bunderte von Menschen mit der inneren Ausstattung beschäftigt ; an Umfang und Inhalt wird die neue Ausftelung die vor Jahresfrist zerstörte weit überholen.

Seit langen Jahren wird zum erften Mal wieder die gegen- wärtig bevorstehende Kunstausstellung dem Berliner Publikum ein ansehnlihes Werk der lange vernaclässigten Holzbildhauerei vor- führen. Es ist die überlebensgroße Figur cines Moses, in dem Mo- ment aufgefaßt, in welhem er, vom Sinai niedersteigend kommend, den Abfall seines Volkes vor sich sieht. In lang herabfließender Ge- wandung, über die fih der Mantel in reihen Faltenmafsen drapirt, das in _den Nacken fallende Kopftuch von einer Stirnbinde gehalten, schreitet die Gestalt zürnenden Blickes in kräftiger Bewegung daher, die Gesetzestafel mit beiden Händen zum zershmetternden Wurf hoh über dem Haupt emporhbebend. Die gelungene Erfindung stammt von dem Bildhauer Herter, die meisterlih vollendete Ausführung in Holz nah dem in halber Größe hergestellten Gipsmodell dagegen von defsen Kunstgenossen Matthias Vordermayer, einem früheren Schüler des Kunfstgewerbe-Museums, der die in Süddeutshland niemals ganz erloshene Vorliebe und Befähigung für die Holz- bildhauerei aus seiner bayerishen Heimath mit nach Berlin brate. Bisher nur in engeren Kreisen als tüchtiger Künstler be- kannt, wird er bei seiner vielversprehenden Begabung voraussichtlich bald zu unseren geshäßteften Meistern zählen. Beruht bei der eben vollendeten Arbeit sein Verdienst nur in der mit gründlichem Geschick und Verftändniß durgeführten Uebertragung des Modells in das beutzutage für größere ftatuarishe Aufgaben in Berlin wenig gewohnte Material, fo hat er in der präHtigen, mit frishem und kühnem Wurf komponirten Figur des posaunenblafeuden Engels, der seit Kurzem die Orgel der restaurirten Neuen Kirche s{müdckt, \sich doc au bereits als selbständig {öpferisher Künstler in glückliher Weise eingeführt. Ein anderes, in seinem Atelier eben in der Ausführung begriffenes Werk aber, dessen noch unfertiger Zustand Gelegenheit giebt, die Holzscbniterei in den verschiedenen Stadien der Arbeit zu verfolgen, zeigt {on in dem kleinen Gipsmodell nicht minder deutlich, was der noch junge Meister in ciner malerish bewegten, im beften Sinne des Worts dekorativ wirksamen Plaftik im Charakter der heu- tigen Münthener Sthule, eines Gedon, Seit u. A., zu leisten ver- mag. Es ist die mit geschlofsenen Füßen und vorgeneigtem Köpfchen zierlih dastehende Figur eines eben aufblühenden Mädchens, das mit der Rechten den Spinnrocken gegen die Hüste ütt und in der Linken den mit der Spindel beshwerten Faden dreht. Jn ein keck drapirtes ideales Gewand gekleidet, das die jugendlihen Formen nur um so anmuthiger zur Geltung bringt, mag sie als eine Allegorie häuslichen Fleißes angesehen werden; ihre eigenfste Bedeutung aber beruht in der

liebenswürdigen Frisde der Erfindrng, in dem zarten und dabei durchaus gesunden Reiz der graziósen Gestalt. Wie bei dem Moses und bei jenem Engel, so verschmäht der Künstler au bier als echter Perzbilk auer in der Zus neun ‘ede {wädblihe Raspelarbeit; er eshränkt sich vielmehr ausschliezlich auf das Schnipßmefser, mit welchem er die elastishe Spannung des blühenden Fleisches ebenso lebendig zu charafkterisiren versteht, wie das leihte Gelock des Haars und die flüssige Bewegung des feinen, die Glieder weib um- shmiegenden oder in faltigem Gebaush zurüdflatternden Gewandes.

Der Verein zur Förderung des Kunstgewerbes in Braunschweig schreibt eine Konkurrenz zur Erlangung ftilvoller Entwürfe zu teien Zimmeröfen aus, für welche die Eisen- hütte Westphalia bei Lünen an der Lippe zwei Preise von 400 und 200 M mit der Bedingung aussett, daß die prämiirten Bewerber die für die Fabrikation etwa erforderliben Aenderungen nachträglih vor- nehmen. Die Ausführung der Oefen soll aus\{ließlich in Gußeisen erfolgen und mit ihnen eine Zimmerventilation verbunden sein. Für die Formengebung wird der Stil der Renaissance und die Rücksicht darauf gefordert, daß die Entwürfe dem Guß keine Schwierigkeiten bereiten. Die Zeichnungen, eine Vorder- und eine Seitenansiht, ein Längsscnitt und ein Grundriß über dem Rost, im Maßstabe von 1 : 4, O bis zum 15. Juni an den Schriftführer des Vereins, Bankier

agnus in Braunschweig, einzusenden und mit Motto und ver- \{lofenem Couvert mit der Adresse des Autors zu begleiten, Nach der Beurtheilung dur die Jury werden sie öffentli ausgestellt wer- den. Den Ankauf geeigneter nihtprämiirter Entwürfe behält si die obengenannte Firma vor.

Im Aprilheft von Petermanns Mittheilungen aus Justus Perthes' Geographischer Anstalt in Gotha bespricht F. von Richthofen die bisher fast unbekannt gebliebene Handschrift des Reise- beribts des Venezianers Marco Polo in der Königlichen Bibliothek zu Stocholm, welche der bekannte Polarforsher Frhr. von Nordenskjöld in beliographishem Facsimile (in 200 Eremplaren) veröffentlicht hat, und gelangt in diescr Kritik zu dem Resultat, daß der Stocholmer Coder als Manuskript durch sein hohes Alter fast allen anderen vor- ansteht, als Tert aber in Bezug auf Bollständigkeit eine der besseren Stellen einnimmt, die nur dur die etwas nachlässige Wiedergabe der geographif{chen Namen von dem ungelehrten Kopisten beeinträhtigt wird. Der Verfasser stellt in dankenêwerther Weise Proben aus 4 anderen bemerkens8werthen Handschriften der Stockholmer gegenüber und ermöglibt dadur den unmittelbaren Verglei der verschiedenen Terte. In dem zweiten Beitrage handelt H. Rink, eines der Mit- glieder der Kommission zur Leitung der geologish-geographishen Untersuhungen in Grönland, die neueren dänishen Forshungs8- reisen in diesem noch so wenig bekannten Lande. Er bespricht zuerst die allgemeine Geographie auf Grund der bisherigen Resultate, dann die Ergebnisse der Beobachtungen, welche die cigenartigen Eisbil- dungen Grönlands, die Gletsher, das Vinneneis und die s{wim- menden CEiéeberge zum Gegenstande hatten, endli die Botanik und die Archäologie. Was die Flora Grönlands betrifft, so dürfte es von Interesse sein, zu erfahren, daß das vermeintlih so ôde Land dennoch 378 Phanerogamen und etwa doppelt soviele Kryptogamen aufzuweisen Hat. Prof. Lange, welher mit der Bear- beitung der Flora Grönlandica beschäftigt ist, hofft dieselbe in nädbster Zeit der Oeffentlichkeit übergeben zu können. Am Swluß des Auffaßzes entwirft Rink einen Plan zu einer arâologisden Untersuhung der Ostküste. Bekanntlih hat man es schon feit 50 Jahren, und zwar besonders auf die Resultate der Reise des Kapitäns Graah gestüßt, als erwiesen betrachtet, pas Oesterbygd, jene öftlihe Kolonie der alten Skandinavier, westli vom Kap Farewell gelegen habe. In neuerer Zeit sind nun aber wieder Zweifel dagegen erhoben worden. Man hat gemeint, daß die gefundenen Ruinen nicht genug Beweise lieferten, und verlangt In- schriften oder andere unzweideutige Kennzeichen zur Jdenti- fizirung dec în den uralten Sagas erwähnten Lokalitäten. Obgleich diese Zweifel bis jeß1 nur wenig Anklang gefunden haben, wird doch allerseits eingeräumt, daß die Fortseßung der vom Kapitän Graah begonnenen Untersuchungen der Ostküste Grönlands und na- mentlich des, Island am nächsten liegenden, noch völlig unbekannten Theils derselben, eine Aufgabe sei, der man si bei dem jeßigen Stande der geographisben Forshung niht mehr entziehen könne. Inzwischen hat Lieutenant Holm auf seinen Reisen in den Jahren 1880 und 1881 Erkundigungen für die projektirte Erpedition einge- zogen. Es gelang ihm dabei, bis zum Eingange in den Fjord Kan- gerdlugsuatsiaf an der Ostküste vorzudringen. Ferner fügte es der B daß der Missionäâr Brodbeck von der Hercnhuter-Station

riedrich8thal in demselben Sommer das Innere dieses Fiordes be- suchte und, wie seiner Zeit mitgetheilt, so glücklich war, daselbst eine \kandinavishe Ruine, die erste auf der Ostküste, aufzufinden. Auch diese interessante Entdeckurg wird den Eifer für die wei- teren Untersuhungen dieser unbekannten und .Jsland doch so nahe liegenden Gegenden das IJIkhrige anfeuern. I. Kuijper im Haag legt sodann in dem darauf folgenden Aufsaß den Plan der Anlage einer neuen Maaëmündung dar. Für dieses Pro- jekt sind bereits 135 Millionen Gulden geseßlih bewilligt, und man hofft mittelst dieser Anlage die Uebershwemmungsgefahren zn besei- tigen, denen die nördlichen Distrikte von Nord-Brabant dauernd aus- geseßt sind, da bisher die Maas und der Hauptarm des Rheins, der Waal, sich in einen gemeinsamen natürlihen Abflußkanal, die Mer- wede, ergießen und diesem ungeheure Wassermassen zuführen. Der Lauf des neuen Mündungskanals der Maas ist aus einer in den Text eingedruckten Karte zu ersehen. Weiter finden wir in diesem Heft die Fortseßung der interessanten Beschreibung, welche Dr. B. Hagen über seine 1881 in Central - Sumatra ausgeführte Reise nah dem Tobah-See verfaßt hat. Wie aus dem „Geographishen Monats- beriht* erhellt, wird übrigens Dr. Hagen es bei dieser Reise nicht bewenden lassen, sondern derselben eine zweite Expedition an den Tobah-Sece und zwar nach dem südöstlichen Theil desselben folgen lassen, wozu ihm die Bataviasche Genootschap bereitwilligst die Mittel gewährt hat. Dem Heft, welhes gewohntermaßen mit der geo- grapbischen Literatur-Uebersicbt \{chließt, ist eine Karte der Westküste von Grönland, zwishen Godhavn und Pröven, nah den Aufnahmen von Hammer und Steenstrup, beigefügt.

Bremen, 24. April. (W. T. B.) Die Station Kur- haven der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiff- brücbiger telegraphirt: Am 24. April von dem deutschen Ewer „Emanuel“, Kapitän Hauscildt, gestrandet auf Kleinvogelsand, drei Personen, darunter eine Frau, gerettet durch das Rettungsboot des 3. Elbleuchtschiffes. Wind stürmisch. Schif unter Wasser.

Stodckholm, 25. April. (W. T. B.) In der gestrigen Ver- sammlung der Gesellschaft für Anthropologie und Geo- graphie wurde die aus Anlaß der Rückkehr dec „Vega“ gestiftete Vegamedaille dem Afrikareisenden Henry Stanley zuertheilt. Der anwesende amerikanishe Gesandte empfing dieselbe für ihn. Der Postdampfer „Sofia“, welher Nordenskjölds Grön- landserpedition (24 Perfonen) an Bord nehmen foll, geht am 20. Mai von Gothenburg ab. Nordenskjöld selbft {ift sich später im nördlihen Schottland auf der „Sofia“ ein und bofft im Oktober mit der Erpedition zurückehren zu können.

Redacteur: Ried el.

Verlag der Erpedition (Kessel). Druck: W. Elsner. « Sechs Beilagen (einschließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

zum Deutschen Reihs-An

M 96.

Erste Beilage zeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 25. April

13,

Deutsches Neie.

R : der Einnahme an Wecselftempelfteuer im Deuts{en Reiche fr t Seit 4

L 2,

Einnahme im Monate März.

Tas

Ober-Post-Direktions-Bezirke.

Hierzu Einnahme in den Vormonaten.

3.

ot. e)

4. Zusammen.

k S

5. Berichtigte Einnabme in dem- selben Zeitraume des Vorjakres (Spalte 4).

b 3

In 1882/83

6.

—+ mebr

weniger

g 1. April 1882 bis zum Schlusse des Monats März 1883.

I. Im Reich8-Postgebiete.

1) Königsberg .

2) Gumbinnen

3) Danzig .

4) Berlin . .

5) Potsdam …. rankfurt a./D. . i R

5 ay s e,

j Bromberg .

12 318

3011 ; 11856 ! 59 211

2965 ! 6 419 | 7285 |! 1783 | 4110

3213 | 15 399

8159 : 5078 ! 15 229 7142 | 10 650 ! 5 037 5 423 1443 4497 ; 17048

4 267 28 102» 14 560

7125 î 3103 | 34 803

3216 | 11 197 ' 39 231 | 16 966

5 256

11 602 3 289

3197 ! 5 644 ! 16 449

11) Breélau

12) Liegniß .

13) Oppeln. .

14) Magdeburg

15) Halle a./S.

16) Erfurt .

17) Kiel . ¿

18) Hannover .

19) Münster

20) Minden .

21) Arnsberg .

2)GMdA .

23) Frankfurt a./M.

R

25) Aachen . .

26) Coblenz

27) Düffeldorf .

28) Trier

29) Dreéden

31 Leipzig .

31) Karlsrube .

32) Konstanz .

33) Darmstadt

34) Schwerin i./M. .

35) Oldenburg

36) Braunschweig Den n

38) Hamburg .

0 traßburg i./E.

A 21 782 | 20 40) Metz G

3815 |

653 497 | 48

174 279 | 303 039 ! 160 347 | 390 656 | 10 128 936 |

402 269 |

197 609 | 80 123 692 40 168 842 | 90

64 887 | 10 723 141 | 197 009 |

139 071 | 70 29 650 | 60 135 501 | 65

33451 |' 40 68 314 | 25 78 130 |' 25 17491 | 80 47 557 | 05 35 355 | 50 157 131 | 90 79 877 | 60 57 588 | 9 161 175 | 15 78 474 | 25 110 518 ! 90 65551 | 40 55 941 | 50 20 277 | 30 50 539 ! 90

| 30 40 544 | 20

10

| 45 77 746 | 60 35 023 | 40

25 520 | 70 20 85 60 091 | 60 24 676 |

35 738 | 60 57 293 | 30

43 196 |

151 399 | 55 32 661 | 70 147 357 | 75 712 708 | 58 36417 | 30 74734 | 05 85415 | 55 19 275 | 60 51667 | 85 38 568 | 80 172441 | 45 88 037 | 62 666 | 50 176 405 | 05 86 216 | 85 121169 | 30 70588 | 60 61365 | 35 21 720 | 50 55 037 | 40 191 327 | 45 44811 | 30 331 141 | 40 174 907 | 95 84 871 | 80 38 126 | 50 425 459 } 50 28737 | 85 140134 | 441 501 214 576 65 347 | 135 295 ! 27 965 | 41936 | 62 937 ! 185 292 ' 788 028 | 218 791 | 47 011 |

|

158713 | 15 35 337 | 90 144 595 | 2 746 507 | 36 364 | 90 76 499 50 90 974 65 21091 75 53 706 75 37480 40 173 341 | 25 86 764 | 75 72 888 | 35 197 589 | 25 79 296 | 80 118 932 | 20 72516 | 75 69 058 | 10 21 609 | 90 686 710 | 40 181 830 | 69 43112 | 75 317 064 | 70 174 331 | 15 85 705 | 95 36193 | 35 420 730 | 75 25 064 | 35 144 626 | 95 426 541 | 194 686 | 65 66 303 | 10 126 291 | 20 25 036 | 10 45 972 | 70 60610 | 95 207 519 | 10 822 023 | 203 102 | 75 48 127 | 30

S

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60 20

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2 | 75

| 60

98 | 55 | 70 80

33 994

15

15

| 75 50 2 [85

_ -

(D 85 29 80 90

2d

| 85

9 688 '

1116

10

90 45 39

506 295 | 59 43 833 | 25 19 061 | 70

Summe [. El Bayern... ; S III. Württemberg .

5447 751 | 28 459 932 | 40 210 104 | 65

5 954 046 503 765 229166 |:

6020 853 35 481 078 | 60

219 095 | 50

H I H T F+HFT+EEFT+FEFT+FEFEFTET T+F+FT TETETTTIELENL

66 806 | 05

22 687 10 070

92 85

Ueberbaupt Berlin, im April 1883.

269190 | 50] 6

117 788 33

T T

Haupt-Buchhalterei des Reihsshaß-Amits. Biester.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 25. April. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (71.) Sigung des Reichstags wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter auf Grund des Berichts der ŸIIL. Kommission mit §. 13 fortgesegt. §. 13 lautet nah den Beschlüssen der Kommission:

___ Die Gemeinden sind berechtigt, für die in ihrem Bezirke be- sdäftigten versiherung®pflihtigen Personen Orts-Krankenkassen zu errichten, sofern die Zahl der in der Kasse zu versichernden Personen mindestens ein Hundert beträgt. e E Die Orts-Krankenkassen sollen in der Regel für die in einem Gewerbszweige oder in einer Betriebs8art beschäftigten Personen

erribtet werden. O Die Errichtung gemeinsamer Orts-Krankenkafsen für mehrere

Gewerbszweige oder Betriebsarten ist zulässig, wenn die Zahl der in den einzelnen Gewerbszweigen und Betriebëarten beschäftigten Personen weniger als ein Hundert beträgt. j Gewerb8zweige oder Betriebtarten, in welchen einbundert Per- sonen oder mehr beschäftigt werden, können mit anderen Gewerb8- zweigen oder Betriebsarten zu einer gemeinsamen Orts-Kranken- kasse nur vereinigt werden, nachdem den in ihnen beschäftigten Per- sonen Gelegenheit zu einer Aeußerung über die Errichtung der gemeinsamen Kasse gegeben worden ist. Wird in diesem Falle

Widerspruch erhoben, so entscheidet über die Zulässigkeit der Er-

rihtung die höhere Verwaltungsbehörde. -

Die zu dem §. 13 eingebrahten Anträge Blos und

Ausfeld waren zurückgezogen worden.

__ Der Abg. Dieß (Hambura) führte aus, man habe gerade die Paragraphen, welche die Orts- Krankenkassen betreffen, ge- mat, ohne die betheiligten bereits bestehenden Jnstitute zu befragen. Mit solhen Bestimmungen werde man nicht die Sympathien der Arbeiter gewinnen, dieselben seien nit im Stande, einen Zwang auszuüben, und ständen in ihrer Orga- nisation den freien Kassen weit nah. Auch hier wolle seine Partei nit die Mitwirkung der Arbeitgeber. Seine Partei habe aus Nüzlichkeitsgründen jeßt ihren Antrag zurückgezo- gen, sei aber überzeugt, daß man über kurz oder lang auf diese Vorschläge zurückommen werde, daß man nämlih an Stelle der Orts-, Berufs-Krankenkassen treten lassen werde.

Der Kbg. Dr. Hirsh erklärte, es sei zweifelhaft, ob die

Bestimmung, daß eine Orts- Krankenkasse von dem Vorhanden- sein von mindestens 100 zu versihernden Personen abhängig gemacht werde, fich auch auf Personen beziehe, die bereits ver- sichert seien, oder überhaupt auf Verficherungspflihtige. Nah Teiner Meinung dürfe die leßtere Auffassung durhaus nicht gelten, und bitte er um Bestätigung seiner Ansicht vom Regie- rungstis{ch.

__ Der Geheime Ober-Regierungs-Rath Lohmann entgegnete, die Regierung theile diese Auffassung niht. Ausgenommen könnten nur Diejenigen werden, welche einer der vom Ver- siherungszwang ausgeshlossenen Kafsen angehörten.

8,13 wurde nach dem Kommissionsvorschlage angenommen.

Die

bezeicbnen.

list, wenn sie die Beiträg lungsterminen nit geleistet haben. Der Abg. Dr. Hirs wollte im vierten Absatz statt „Rech: nungsjahres“ segen „Quartals“. Die Abgg. Dr. Gutfleish und Dr. Paashe wollten am

ean

6721027 £5 |

S. 14

S, 14a.

34 048

G2

Die §8. 14 und 14a, welhe nah dem Kommissions- beschlu}se lauten : F. .

Dur Anordnung der höheren Verwaltungsbehörde kann die Gemeinde verpflihtet werden, für die in einem Gewerbêzweige oder in einer Betriebsart beschäftigten Personen eine Orts-Krankenkasse zu erricwten, wenn dies von Betheiligten beantragt wird und diesem Antrage, nahdem sämmtlichen Betheiligten zu einer Aeußerung darüber Gelegenheit gegeben ift, mehr als die Hälfte derselben und mindestens ein Hundert beitreten. Dasselbe gilt von der Errichtung einer gemeinsamen Orts- Krankenkafse für mebrere Gewerbszweige oder Betriebsarten, wenn dem Antrage mehr als die Hälfte der in jedem Gewerbszweige oder in jeder Betriebsart beschäftigten Personen und im Ganzen min- destens ein Hundert beitreten. Gegen die Verfügung der höheren Verwaltungsbehörde, durch welche die Errichtung einer gemeinsameu Orts-Krankenkasse an- geordnet wird, steht der Gemeinde innerhalb vier Wochen die Bes fchwerde an die Centralbehörde zu, __ Gemeinden, welce dieser Verpflichtung innerhalb der von der böberen Verwaltungsbehörde zu bestimmenden Frist niht nadkom- men, dürfen von denjenigen Personen, für welche die Ecrichtung einer Orts-Kraukenkafse angeordnet ist, Versicherungsbeiträge zur Gemeinde-Krankenversicherung (§8. 5 Absatz 2) nit erheben.

, Beträgt die Zahl der in einem Gewerbszweige oder einer Be- triebsart besbäftigten Personen weniger als ein Hundert, so kann die Errichtung einer Orts-Krankenkasse geftattet werden, wenn die dauernde Leistungsfähigkeit der Kasse in einer von der höheren Ver- waltungsbehörde für ausreicbend erahteten Weise sicergestellt ift.

wurden nach dem Kommissionsvorshlage unverändert ohne Debatte angenomnien.

8. 15 lautet nach dem Kommissionsbeschlu}e :

) Gewerb8zweige und Betriebsarten, für welbe eine Orts-Krankenkasse errihtet wird, sind in dem Kafsenstatut zu

Die in diesen Gewerbszweigen und Be'riebs8arten beschäftigten Deines werden, soweit sie versiderungspflihtig sind, mit dem age, an welhem sie in die Beschäftigung eintreten, Mitglieder der Kasse, sofern sie niht nachweislich einer der übrigen in §8. 4 benannten Kafsen angehören. Soweit sie niht versierungêpflihtig sind, haben sie das Ret, der Kasse beizutreten. Der Beitritt erfolgt dur \chriftlie oder mündliche Anmeldung bei dem Kassenvorstande oder der erri- teten Meldestelle. Der Austritt is versicberuncspflicßtigen Personen mit tem Swblusse des Rechnungsjahres zu gestatten, wenn sie denselben spätestens drei Monate zuvor bei dem Vorstande beantragen und vor dem Austritt nabweisen, daß sie Mitglieder einer der übrigen in §. 4 bezeichneten Kassen geworden sind. Die Mitgliedschaft ni

(tversiherungspflihtiger Personen er-

zwei auf einander folgenden Zah-

Ende des dritten Alineas hinzufügen: „gewährt aber keinen

Anspruch auf Unterstüßung im Falle einer bereits zur Zeit dieser Anmeldung eingetretenen Erkrankung.“

Der Abg. Lohren beantragte, Absayz 4 ganz zu streichen und Absatz 2 w e folgt zu formuliren :

„Die in diesen Gewerbszweigen und Betriebs8arten beshäftig- ten Personen werden, soweit sie versiberungspflihtig sind, mit dem Tage, an welcem_ sie in die Beschäftigung eintreten, Mitalieder der Kasse, fofern fie nidt na&weislih einer Innungskafse (§8. 67) oder einer Knappschaftskafse (8. 68) angehören. Mitglieder ein- gescriebener oder auf Grund landesre{tliher Vorschriften errih- tetecr Hülfskafsen (8. 69) sind nur dann von der Beitrittépflicht zur Or1s-Krankenkasse befreit, wenn sie nahweisen, daß ihnen în Krankkeitsfällen freie ärztlide Bebandlung, Arznei und sonstige Heilmittel nah den Vorschriften der 88. 6 und 7 von der Hülfs- kasse gewährt werden.“

Der Abg. Lohren befürwortete seinen Antrag. Dieser Paragraph beziehe \sih auf das Verhältniß der freien Hülfs- kassen zu den neuen Zwangskassen, namentlih zu den Orts- Krankenkassen und der Gemeinde-Krankenversicherung. Alle Bemühungen, die Mindestleistungen der Hülfskassen denen der Orts: Krankenkassen gleiczustellen, seien vergebens gewesen. Die Hirsh-Dunckershen Gewerkvereine, gegen welche sein An- trag 1h richte, zahlten als Krankengeld-Entschädigung nur 1/; des ortsüblihen Tagelohns, also etwa 25 A, was nicht ent- fernt ausreihe, um Recept und Apotheke zu bezahlen. Er begreise niht, wie die Regierung den Anspruch auf ärztliche Behandlung für diese 25 „H an die Hirsh'shen Gewertvereine habe verhandeln können. Fabrik:Etablissements, Knappschafsts- kassen u. f. w. zahlten mindestens 1,40 A täglih Krankengeld für ihre Arbeiter. Was hätten nun diese freien Hülfskassen Großes ge- leistet für das Vaterland, um solches Privilegium zu beanspruchen ? «Im großen Halberstädter Knappschaftsverein hätten die Ausga- ben für Arzt und Arznei im Jahre 1873 zweimal soviel als die Ausgaben für das Krankengeld betragen, 1875 sogar L1/; Mal so viel, Jn anderen Kassen würden für Arzt und Medizin 14/7; Mal so viel als für Krankengeld ausgegeben, und es gehe daraus hervor, daß der Sag von einem Sechstel ein vollständig vershwindender sei, der für die Arbeiterverhält- nisse überhaupt niht in Betracht kommen könne. Die Kosten für Arzt und Arznei hätten bei dem Halberstädter Gewerk- schastsvereine durhshnittliG 1,40 # pro Krankentag be- tragen, also etwa die Hälfte eines Tagelohnes. Auf Grund dieser Erfahrung möchte er fragen, ov das Haus in der Lage sei, die Wohlthaten des Gesetzes für /; des Betrages an die Hirsh:-Dunckershen Vereine zu überlassen. Starke Agitation in Politik und bei Strikes könne man diesen Ver- einen nidt ab}prechen, sie seien aber keine Krankenkassen, sonst müßten fie doch wenigstens 1 Æ pro Tag an Krankengeld geben, das thäten sie aber niht. Jede andere Kasse zahle mehr als die freie Hülfskasse, und solchen miserablen Leistungen gegenüber habe der Abg. Dr. Hirsh die Kühnheit, hizr zu be- haupten, daß die Leistungen der Fabrikkassen nur mit Verach- tung zu behandeln seien, daß hier der Zustand objektiver Heuchelei vorwalte, habe er die Kühnheit zu verlangen (der Präsident bat den Redner, das Wort «F zu unter- lassen), habe er den Muth zu verlangen, daß die Fabrikkassen ganz verboten werden sollten. Die s{h!lechteste Fabrikka}se leiste nit so wenig als die Gewerkvereine des Abg. Hirsh. Die Arbeiter über 40 Jahre nehme man in diese Vereine nicht auf. Das Angeln nah gesunden jungen Arbeitern sei hier in ein System gebraht. Die Kassen kämen nicht den kranken Arbeitern, sondern der Verwaltung zu Gute, die sehr theuer bezahlt würde. Die Basis des ganzen Geseßes sei der Zwang für alle Theile. Dieses Prinzip werde hier durhbrochen zu Gunsten von Vereinen, wie er fie gekennzeichnet habe; dieses zu verhindern, empfehle er die Annahme seines Antrages.

Der Abg. Dr, Lasker bemerkte, die Angriffe des Vor- redners auf -die Gewerkoereins:Hülfskassen könnten ihn nitt bewegen, die Freiheit in der Auswabl der Kassen, die die Kommijssionsbeshlüsse noch bestehen lafse, aufzuheben. Wären die Gewerkvereine so s{limm, wie der Abg. Lohren sie \chil- dere, so würden die Arbeiter sih selbst von ihnen abwenden und in die Zwangskassen eintreten. Der Schrecken, der bei Annahme des Antrages Lohren dur Beseitigung der freien Kassen angerichtet würde, wäre so groß, daß derselbe dur den Nugzen, den das Gesez den Arbeitern gewähren werde, niht ausgegliizen würde.

Der Abg. Dr. Hirsch erklärte: die Heftigkeit der Angriffe des Abg. Lohren gegen die von ihm geleiteten Gewerkvereine bewiesen schon, daß sie sahlih niht begründet seien. Der Abg. Lohren hade Unreit, denn derselbe werde zorniag. Die tragikomishe Rede desselben sei im Uebrigen geeignet, Reklame für die Gewerkvereine zu inachen, und die Arbeiter über die Bestrebungen und wahre Gesinnung gewisser Parteien aufzu- klären. Der Angriff gelte wohl hauptsächhlich seiner be- scheidenen Person, obwohl das, was der Abg. Lohren über die Gewerkkfassenvereine gesagt habe, auf die meisten andern freien Kassen zutref:. Der Abg. Lohren gehe von dem Saße aus, daß die Gewährung freier ärztliGer Be- handlung und freier Arznei für den Arbeiter werthvoller sei, als baares Geld, das die Gewerkvereinskassen böten. Ec sage dem Abg. Lohren aber, die Arbeiter legten Werth darauf, ihren Arzt selbst zu bezahlen, um damit selbst zu entscheiden, ob und was für einen sie zu Rathe ziehen wollten. Die Sta- tuten der Hülfskassen seien doch nicht theoretish konfstxuirt. Die Arbeiter selbst hätten fie erwogen und festgeseßt. Warum habe der Abg. Lohren von der Statistik der Knappschafts- vereine des ganzen preußishen Staates, die dem Hause vor- liege, nur eine cinzige, die Halberstädter, herausgegriffen ? Es habe dem Abg. Lohren eben nicht gepaßt, denn hätte derselbe es gethan, so hätte er gefunden, daß Arzt und Kurkosten \sih pro Woche auf 4 M, niht 7 # belaufen hätten. Der Abg. Lohren sei also hiermit eines groben FJrrthums überführt, und es stelle sich heraus, daß die Gewerk- vereinskassen mehr leisteten, als die Gemeindckaßsen leisten wür- den. Der Abg. Lohren habe die Gewerkvereinskassen ange- griffen, weil sie niht nur für Krankheit, sondern auch für Strikes und andere Zwecke Unterstüßung gewährten. Er: fordere den Abg. Lohren hiermit auf, ihm einen Fall zu nennen, wo die Gewerkvereinskassen einen Strike unterstüßt hätten.

Der Abg. Lohren habe, wenn derselb2 eine solhe Behauptung