1883 / 97 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Ö reußischen Staats-Anzeiger. und Königlich P ßiscch R j 1883.

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| Zweite Beilage | zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M D Berlin, Donnerstag, den 26. April 18G,

23. 24. | 25. | 26. | 27, s | 29, | 30. |

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Nicchtamflites.

Preußen. Berlin, 26. April. Jn der gestrigen (57.) Sißung des Hauses der Abgeordneten fand zunächst auf der Tagesordnung die erste Berathung des An- trages des Abg. Dr. Windthorst auf Annahme eines Gesez- entwurfs, betreffend die Straffreiheit des Sakrament- spendens und des Messelesens. Derselbe lautet: |

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, dem - stehenden Geseßentwurfe die Zustimmung zu n S es

; Entwurf eines Geseßzes, betreffend die Straffreiheit des Sakramentspendens und de3 Mesfselesens.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

{ Einziger Paragrapb.

Den Strafbestimmungen der Gesetze: vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung der

Geistlichen, vom 12. Mai 1873 über die kirchliwe Disziplinargewalt und die

Errichtung des Königlichen Gerichtshofes für kirchlihe An-

gelegenbeiten,

vom 20. Mai 1874 über die Verwaltung erledigter katholischer

Bisthümer, vom 21, Mai 1874 wegen Deklaration und Ergänzung des Ge-

seßes vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung

dec Geistlichen,

vom 22. April 1875, betreffend die Einstellung der Leistungen aus

Staatsmitteln für die römisch-katholishen BVisthümer und

Geistlichen,

E das Spenden der Sakramente und das Lesen der Messe ntr. Hierzu waren folgende Anträge gestellt :

von den Abgg. Althaus und Gen. :

„Das Haus der Abgeordneten wolle für den Fall der Ab- lehnung der Anträge Dr. Windthorst beschließen:

Die Erwartung auszusprechen : Die Königlibhe Staatsregierung wolle, sobald es die nit der Kurie {webenden Verhandlungen angezeigt erscheinen laffen, dem Landtage der Monarcbie einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher eine organische Revision der bestehenden kirhenpolitishen Gesetzgebung enthält,

und in Erwägung ziehen, ob nicht in Uebereinstimmung mit den Grundgedanken dieser organischen Revision vorweg Vorsorge zu treffen sei, daß diejenigen Bestimmungen beseitiat werden, in Folge deren Geiftlibe wegen Spendens der Sakramente und

esselesens in Strafe gezogen werden.“

vom Abg. Dr. Hänel :

Das Haus der Abgeordneten wolle bes{ließen :

„In Erwägung, daß der Antrag Windthorst nur im Wege einer organischen Revision dcr Maigesectze seine Erledigung finden kann, zur Tagesordnung überzugehen.

vom Abg. Richter (Hagen):

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, den Antrag Windthorst in folgender Fafsung anzunehmen:

„Den Strafbestimmungen der pp. Geseße unterliegt das Spenden der Sakramente und das Lejen der Messe nicht, sofern diejenigen, weiche diese geistlißen Handlungen vornehmen, sich im Besitze des deutschen Staatsbürgerre{ts8 und der bürgerlichen Ehrenarcchte befinden und den Na{weis ihrer wissenschaftlichen Vor- bildung nah den Vorschriften des Geseßes vom 11. Mai 1873 zu führen vermögen.“ :

__ Der Abg. Frhr. von Schorlemer-Alft erklärte, es sei ihm die Aufgabe zugefallen, den ersten Antrag des Centrums zu begründen; er werde es thun mit der Mäßigung, die das Haus bei ihm gewohnt sei, aber auÿ mit der Entschiedenheit und Offenheit, die der Sache allein dienen könne. Wer nah 50 Jahren oder auch früher die preußische Geschichte lesen und finden werde, daß das Lesen der heiligen Messe und das Spenden der Sakramente unter Strafe gestellt fei, werde das für un- möglich halten oder, wenn derselbe an hohgradigem Patrio- tismus leide, für eine Verleumdung; studire derselbe aber in den Quellen der Geseßgebung, so finde er, daß in den Jahren des Heils 1873 bis 1875 in dem Staat, der sih der Humanität, Paritär, Freiheit und Frömmigkeit vor allen rühme, Geseße gemacht seien, welche so die Kultusfreiheit der- selben Katholiken beshränkt hätten, die kaum zwei Jahre vor- ber in blutigem Ringen für die Größe, Unabhängigkeit und Freiheit des Vaterlandes Gut und Blut mindestens ebenso geopfert hätten, wie alle anderen Mitbürger. Der Kontrast sci überraschend; Unglaube und Gottesleugnung könnten frei ge- lehrt werden, Türken, Japaner und selbst Samoaner ihre Re- ligion frei ausüben nur den 8 Millionen Katholiken sei es beshränkt. Dabei könne das katholishe Volk nicht an Ge- rehtigkeit und Wohlwollen glauben. Jn Folge der Maigescße seien die Pfarreien verwüstet; die geisilihen Körperschaften, die der Sozialdemokratie erfolgreih entgegengetreten seien, seien vertrieben, wie die barmherzigen Schwestern. Die bureaukratische Willkür und Staatsomnipotenz wase, das Verfassungswerk welke hin. Das seien die Folgen, aber auch die Strafen des Kulturkampfs; denn das sei das Furchtbare der göttlichen Gerechtigkeit, daß sie die einzelnen Menschen wie die Völker an den Konsequenzen ihrer Handlungen bestrafe. Mit den Bestimmungen, gegen die der Antrag des Centrums sih richte, glaube man das Ansehen und die Macht des Staates zu fördern, aber man kompromittire ihn vielmehr damit. Mit der Religionsfreiheit sinke die bürgerlihe. Man bekämpfe die Sozialdemokratie, wo sie sich dokumentire, aber an ihren Quellen kooperire man mit derselben. Er erinnere das Haus an die großartigen Ovationen, die in den lcgten Tagen dem Erzbishof von Cöln, Paulus Melchers, sowohl von seiner, als auch von anderen Diözesen bei seinem fünfundzwanzig- jährigen Jubiläum dargebracht seien. Er sehe daran, wie treu das Volk an seinen Bischöfen hänge, und wie nihtssagend ein Abseßungsdekret des Gerichtshofs für kirhliche Angelegen- heiten sei. Der Liberalismus glaube, das Vaterland sei ge- rettet, wenn nur die Kirche in Fesseln liege. Täusche man sich nit darüber, daß, so sehr dem Liberalismus der Kultur- kampf am Herzen gelegen habe, derselbe darin doch nur die Dienste des Handlangers geleistet habe, daß dem Liberalismus selbst nahher Handschellen angelegt und das Programm der bürgerlichen Freiheit zerrissen sei. Eine weitere Aufgabe der Maigeseßgebung sei gewesen, Rom zur Nachgiebigkeit zu zwingen; das heiße, der Staat, den man immer als Vater und liebevollen Fürsorger hinstelle, hindere seine katholischen

Unterthanen an der Ausübung ihrer rj pr i t und nehme ihnen den Troft in der Sterbestunde, lasse die Pfarreien verwaisen und verwildern, um Rom zu beugen; heiße das niht nah dem Grundsay handeln: „der Zweck heiligt die Mittel?“ Aber der Kampf liefere auch den Beweis, daß der Zweck nicht einmal erreiht sei. Der Kulturkampf habe bis jeßt nur Ruinen geschaffen, und die jeßt herrshende Ruhe, von der man glaube, daß ihr bald die Unterwersung Roms folgen werde, sei die vom verstorbenen Abg. von Mallinckrodt vor- bergesagte Ruhe eines Friedhofs, und Gott gebe, daß sie nicht auch die Ruhe auf einem Vulkan sei. Man stehe an einem Abgrund, man erkenne allerseits an, daß man viel zu weit, nament- lich in den Bestimmungen gegen die si der vorliegende Antrag richte, gegangen sei danach müsse man solhe Fehler aber wieder gut machen. Seine Freunde und er hätten bei allen Gelegenheiten slets die Rechte der nichtkatholishen Mitbürger wahrgenommen, und zum Dank hätten sie vereint mit der Re- gierung die Katholiken geshlagen; akatholishe Majoritäten hätten über die inneren kirchlichen ¿Fragen entschieden, und die dur die Verfassung verbrieften Rehte den Katholiken ge- nommen, Er sei dankbar sür jede eingetretene Milderung, aber es sei charafteristish, daß diese nur da erfolgt sei, wo es si um das Jnteresse des Staates und der Protestanten han- dele, als Faden gehe durch: die katholische Kirche in Preußen müsse in Fesseln liegen, das sei aber weder kirhlih gedatt, noch konservativ, noch auch nur schön. Heut spiele man das Centrun gegen Rom aus, morgen Rom gegen das Centrum, heut sei das Centrum, morgen sei Rom der Friedensstörer, heut würden beide gestreichelt, morgen feindjelig behandelt; in rein politischen Fragen, wié beim Tabackmonopol und der Samoafrage sage man, Rom solle über die Abstimmung entscheiden. Das sei weder der Regierung, noh sonst cines der daran Betheiligten würdig, und das Volk müsse sih fragen: Wie müßten die Jntentionen sein, wo solche Kampfesmittel verwendet würden ! Die aus dem Kulturkampf folgenden Nothstände seien \creiend. Jn seiner heimathlihen Diözese Münster seien von 326 Pfarreien jetzt 140 verwaist; von 700 000 Katholiken entbehrten gegen 300 000 der pfarramilichen Seelsorge; man habe dort feinen Bischof, keinen Weihdvischof, keinen Domprobst, keinen Domdechanten, 300 geistliche Stellen seien vakant. Anderswo stehe es meist noch shlimmer, und da dieser Abgang an Seelsorgern immer schneller und intensiver werde, ein Ersaß aber überhaupt nicht er- folge, so könne die Versorgung der nachbarlichen Pfarreien wegen körperlicher Erschöpsung der Geistlihen nicht statt- finden, und die Geistlichen stürben wegen dieser Ueberlastung früher als fonst. Sei es nah dem, was man bisher gesehen habe, der Regierung Ernst, diesen Nothstand zu beseitigen, und Frieden zu s{hließen? Er habe si diese Frage sehr ge- wissenhaft vorgelegt, und wenn sein Glaube in dieser Be- ziehung bis jeßt sehr gering gewesen sei, so sei der- selbe jeßt ziemli abhanden gekommen. Die Ausführung des Geseßes vom 31. Mai 1882 sei ein Beweis dafür, noch mehr die dafür beigebrahien Gründe. Könne er Friedenshoffnung hegen, wenn er eine Deklaration der Note vom 4. Oktober 1882 so sehe, wie sie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ veröffentlihe. Ec wolle annehmen, daß diese Deklaration den Fntentionen der Regierung nicht ent- spreche, denn es liege eine jtarke Beleidigung für den heiligen Stuhl darin. Aber der heilige Vater in Rom habe troy alledem den stärksten Beweis seiner Friedenéliebe gegeben, indem derselbe den Briefwechsel eröffnet habe. Er habe für seine Person wenig oder kein Vertrauen auf dieje Verhandlungen, und komme durch dieselben der Friede niht zu Stande, so müsse der Antrag des Centrums angenommen werden, da derselbe ein Nothstandsgeseß vorschlage, wie es dringender kaum je einge- bracht sei. Die Gesege gegen die Katholiken seien nicht lax interpretirt worden. Wenn heut sür den Haushalt eines Waisenhauses barmherzige Schwestern erbeten würden, so würde das als staatsgefährlih versagt, und ebenso der Wunsch, barmherzigen Schwestern den Unterricht im Stopfen und Nähen zu übergeben also auch dicséêr Unterricht solle kon- fessionell sein! Ein anderes Beispiel: Nah dem Gesey sci das Duell und auch die Studentenmensur strafbar; andererseits werde fie obligatorisch gefordert, und nach den neuesten Reden des Kultus-Ministers greife sie immer mehr um sich, ja schon bis in die Gymnasien erstrecke sie sih, Die Maigeseße wirkten ver- heerend ; er wisse, daß darauf die gewöhnliche Antwort folgen werde: wer die Zustände so schildere, das sei ein Reihs- und Staatsfeind ; namentlich die offizióse Presse werde sih so ver- nehmen lassen, aber das lasse ihn kalt ; von einer Presse, die wie die „Provinzial-Correjpondenz“ und die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ im Nachruf an Gambetta sage, jeder Deutsche lege an seiner Bahre den Kranz der Hochachtung nieder; von dieser beshimpft zu werden, rehne er sich zur Ehre. Das Centrum habe imnier auf die sozialen Gefahren als Folgen des Kulturkampfes hingewiesen, und er sei über- rast durch die Erwiderung, die der Kultusminister im anderen Hause darauf abgegeben habe. Derselbe habe zunöchst be- merkt, dur solh2 Drohungen lasse sih die Regierung nicht shrecken; das Centrum wolle die Regierung weder \{hrecken, noch bedrohen, halte es aber für seine patriotishe Pflicht, auf die Gefahren hinzuweisen. Mache die Regierung sih nichts daraus, dann sei es gut. Er bitte tägliÞh Gott, daß er Thron und Vaterland vor der Revolution bewahre. 1848 habe er auch die Erfahrung gemacht, daß manche, die von der nahenden Revolution nichts hätten sehen wollen, als sie eingetreten sei, vollständig den Kopf verloren hätten. Der Minister habe damals gesagt, daß die Gefahr, die dem Staate drohe, auch die Kirche erschüttern werde. Diese doppelte Gefahr sollte ein doppelter Grund sein, die Anträge des Centrums anzunehmen. Die Geschichte lehre, daß die revolutionären Strömungen sih zunächst gegen den Altar, dann gegen den Thron gewandt hätten, aber wenn die Revolution ermüdet nah der Religion verlangt habe, so habe sie do nie oder nur höchst selten vertriebene Dynastien wieder eingeführt. Die einzige Antwort dem gegenüber sei das Kaiserwort: Dem Volk müsse die Religion erhalten werden. Die heranstürzende Revolution (Lachen links) lache die Linke nicht, sonst gehe es den Liberalen wie denen vom Jahre 1848

könne man nur mit dem Kreuz bekämpfen. Dem gegenüber mit bureaukratisher Aengstlichkeit die Autorität des Staates aufreckt erhalten zu wollen, halte er für eine kleinlihe Auf- fassung. Jn dem heutigen Antrage handele es sih niht um das Ganze der Maigeseße —- Vieles bleibe noch bestehen aber zur dringendften Abhülfe \{chlage das Centrum einen legislatorishen Akt vor,. und hoffe auf eine zustimmende Er- klärung der Regierung. Lehne das Haus diesen Antrag ab, so habe es die Verantwortung für das Weiterbestehen der Noth zu tragen, nehme das Haus den Antrag aber an, so übe es Berechtigkeit und eine gute That, und die Geschichte e La Tag Ehen leuhtenden nennen.

_ Hterauf ergriff der Minister der geistlihen 2c. Angelegen- heiten von Goßler das Wort. S ee

Meine Herren! Der geehrte Herr Vorredner hat seine Auefühs- rung mit der Erwartung und dem Wunsche ges{losen, daß die Staatsregierung auf den Antrag, der hier zur Diskussion steht, eine entgegenkommende Erklärung abgeben werde. Ich bin bereit, es zu thun, Der Herr Vorredner wird mir aber in seinem Gerechtigkeits finne wohl zugeben, daß, wenn mir Jemand die Lösung dieser Auf- gabe erschwert hat, er es gewesen ift, indem er so viele Differenzpunkte zu- sammengebäuft bat, als in einer Diskussion überhaupt nur gesehen kann. Da der Herr Vorredncr aber bereits eine Eigenschaft an mir bemerkt haben will, die ic, wie er sagte, in der Diskussion im Herrenhause bewährt babe, so will ih seine gute Meinung rechtfertigen und werde den Weg, den ih mir vorgezeicnet habe, fest innehalten, obne auch nur îm geringsten auf die Angriffe und Verlockungen zu reagiren, die er in feinen Ausführungen gemacht hat. Ich glaube, das wird das- lentge sein, was er am dankbarsten in meinen Ausführungen anzuer- kennen Gelegenheit haben wird.

Der Herr Vorredner bat selbt in dem mittleren Theil seiner Auxfüßrungen anerkannt, daß die Diskussion diescs Antrages nicht eine sreie sei, sondern daß sie beherrscht sci dur die Situation, in der wir uns befinden. Er ging allerdings über die Schwierigkeit dieser Situation damit lei&t hinweg, daß er sagte, er habe zu der diplomatischen Aktion, welche die Gegenwart mehr behberrst, als die parlamentarise, kein Vertrauen oder nur ein geringes. Das mag ja für die Perfon des einzelnen Abgeordneten ribtig sein, aber Sie werden für das Parlament in seiner Gesammtheit diese Anschauung nidt als begründet und als gegeben anerkennen wollen, jeden- falls trifft sie nit zu für die Regierung. Sie alle wissen, meine Herren, daß die diplomatischen Unterhandlurgen, in denen wir uns gegenwärtig in voller Lebendigkeit bewegen, eingeleitet sind dur einen Briefwecsel von Souverainen, einen Briefwecsel, der si nit etwa in allgemeinem Höflichkeitéaustaush bewegt, sondern in kurzen Worten ein ganzes erkennbares Programm enthält. Den Herren ist ja die Möglichkeit gegeben, das Urtheil selbständig zu fällen, denn die sämmtlichen mafigebenden und grundlegenden Stüe die/es Briefwechsels, von dem ersten Briefe Sr. Heiligkeit des Papstes an, insbesondere das S(reiben Sr. Majestät des Königs vom 22, Dezember 1882, das Antwort- shreiben Sr. Heiligkeit des Papstes vom 30. Januar und die Note vom 19. Januar, auf welche in dem Schreiben vom 30. Januar Be- zug genommen isi alle diese Schriftstücke, sage ich, sind ja zu Ihrer Kenntniß gekommen. Bei dieser Sachlage wird doch zuge- standen werden, daß, wenn auf diese Weise das Verhandlungsgebiet so klar abgestecki ist, cs doch immerhin ein erheblihes Maß von Selbstvertrauen auf das eigene Urtheil bekundet, wenn man sagt, daß man fein Vertrauen zu dem glücklihen Verlauf der Verhand» lungen haben könne. Ift tenn aber damit die game Angelegen- heit abgeschlossen? Ist dem Herrn Vorredner niht bekannt aus den Publikationen, sowohl den in Rom als den in Berlin erfolgten, daß auf die Note vom 19. Januar und auf das väpstlibe Handschreiben vom 30. Januar Antworten erfolgt sind? Jit es nicht bekannt, daß auf die Erwiderungênote der preußiscben Regierung vor ungefähr acht Tagen eine erneute Antwort Seitens der römischen Kurie hier einge- gangen ist? Meine Herren, was erwarten Sie denn jeßt von der Regierung? Bor abt Tagen ift die Note hier eingegangen. Wollen Sie den Anspruch erheben, daß ich die Note hier vor Ihnen beant- worten soll ?

Der geehrte Herr Vorredner, wie seine Parteigenossen, haben immer auf das Bestimmteste betont und den lebhaften Wunsch aus- gesprochen, die Regierung möge nur mit Ernst verhandeln, dann werde sie zum Ziele gelangen. Und jeßt, wo die Regierung mit Ernst verhandelt, wird von dem Herrn Vorredner gesagt, daß Sie kein Bertrauen zu den mit Ernft geführten Verhandlungen haben. Das sind meines Erachtens Widersprüche oder wenigstens Zirkelgänge.

__ Meine Herren! Die Aeußerungen des geehrten Herrn Vorredners wären möglich und verständlich, wenn er nach der leßten Note, welche vor ungefähr 8 oder 9 Tagen hier cingetroffen ist, die Verhandlungen als dem Abbruch nahe bezeihnen könnte. Jch weiß nit, ob der Herr Vorredner diese Note kennt? Auf die preußis&e Res gierung hat die Note absolut nidt den Eindruck gemacht, und es wird interessiren ich bin ausdrücklid ermächtigt, dies zu erklären —, daß auf diese Note bereits cine Antwort redigirt ift, vero faßt vom Herrn Reichskanzler, im vollen Einverständniß mit dem preußischen Staats-Ministerium, und daß diese Note gegenwärtig zur Genehmigung und Beschlußfassung Sr. Majestät vorlicgt. j -

Meine Herren! Wenn nun nach dieser ganzen formellen Lage der Dinge, wie i sie Ihnen angeführt habe, die gegenwärtige parla- mentarishe Aktion neben und vielleiht sogar mit Ausschließung der diplomatishen Aktion Schwierigkeiten schaft, so wachsen diese Schwicrigkeiten nah der Auffassung des Staats-Ministe- rium noch durch den materiellen Inhalt des Antrags, denn dieser Antrag umfaßt und betrifft unmittelbar dasjenige Ge- biet, Über welhes gegenwärtig die Verhandlungen \{chweben. Nehmen Sie an, daß der Antrag, welchen Sie heute hier zur Dis- kussion gestellt haben, {on Geseß geworden wäre; was wäre dann die Folge, wenn man sih auf den Standpunkt der ver- handelnden Parteiea stellt? Es würde die unvermeidliche Folge fein, daß unter den beiden Mächten das Ver- trauIn auf den Fortgang der Verhandlungen absolut {winden müßte, denn der vorliegende Antrag erstreckt sich voll und ganz auf das Gebiet der Anzeigepfliht. Die Anzeigepfliht aber ist derjenige Punkt, welber in dem Kaisferliten Handschreiben vom 22. Dezember hingestellt ist als das Thema, bei welcem die Kurie bereit ist zu Konzessionen, wenn es gelingt, rücsihtlih gewisser vor- bandener Differenzpunkte auf anderen Gebieten der Kirchenpolitik sich zu verständigen. In dem Momente, wo diese Unterlage, über welche beute die beiden Mächte miteinander verhandeln, hinwegfällt, ist überhaupt cine Diskussion zwischen ihnen garniht mehr mögli; der Staat würde sib auf den Standpunkt eines polizeiliden Wächters der katholishen Kirche, auf den Standpunkt der Repressivmaßregeln zurückziehen, und die Kurie hätte aub nit die geringste Handhabe mehr, um daëjenige zu erreihen, was sie auf anderen kirchenpolitischen Gebieten zu crlangen erhofft; man würde sih fremd gegenüberstehen und in großer Verlegenheit si befinden, ganz neue Objekte für die Anbahnung einer Verständigung, ganz neue Wege, um dazu zu gelan- gen, aufzufinden.

Meine Herren! Ich will den weiteren Beweis von der den Wünschen der Antragsteller entgegenkommenden Gesinnung, von der ih beseelt bin, dadur geben, daß ih in eine cingehendere materielle