1883 / 97 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

vorliegenden Antrags nicht eintrete, und nur erinnere an die - Erklärungen der Staatsregierung vom Jabre 1880 und 1881. Ich würde ja im anderen Zu- Jammenhange noch eine Reibe neuer Gesichtépunkte finden fönnen; glaube aber das möchte id doch nicht unbemerkt lassen daß es jelbst vom Standpunkte der Kurie, und über deren Auffassung glaube ib doch einigermaßen unterrichtet zu scin, nicht leiht sein würde, sh mit einem derartigen Antrage abzufinden, der, wenn er Geseß würde, die preußishe fkatholishe Geistlibkeit in die Missionsthätigkeit bineindrängen würde, da, wo sie früher in vollgeglieder- tem firhlichen Organismus gelebt und gewirkt hat einem Antrage, der aud dadurh besonders bedeutsam ersceint, daß în ihm die ersten Ansätze zur Einribtung einer Freikircbe erkennbar B) Und welhe Schwierigkeiten würden Sie Zhrem Priesterstande

ereiten? Die Geistlichen würden, wenn dieser Antrag Gesetzesfraft erlangte, zwar Messe lesen, aber nit predigen können, sie würden Saframente spenden, aber nicht Seelsorge üben können. Das find Aufgaben, denen, glaube ih, auch ein sehr geschulter katholiscer Priester \%werlich wird gerecht werden können, ganz abgeschen davon, daß au bei Ausführung des Gesetzes Aufgaben an die Staatsbehör- den berantreten würden, denen zu genügen über die mensblihe Kraft Fast hinarsgeht. Ich glaube daher, derWeg,den dieHerren mit ihremAntrage gu beschreiten geneigt sind, führt nicht zum Ziele. Indem ich aber den Weg für ungangbar erkläre, will ih auédrücklih anerkennen, daß in dem Ziele, welches si die Herren Antragsteller gestellt haben, die Notbstände zu beseitigen, welche für die Katholiken auf dem Gebiet der Seclsorge in Folge des kirhenpolitis%en Konfliktes bestehen, die

Kritik! des

Staatsregierung mit den Antragstellern sich begegnet. In der Motivirung des Antrages liß der Hr. Abg. Freiherr von Storlemer durchblickten, als ob die Staatsregierung

für das scelsoraerische Bedürfniß der katholishen Mitbürger unzu- gänglih sei. Meine Herren! Ich will die Diétkussion nicht vertiefen, weil die Vertiefung sehr leiht zu einer Verschärfung führen könnte, aber das möchte ich doch dem Hrn. Abg. Frhrn. von Schorlemer-Alst gegenüber erwähnen, daß es entscbicden ungerecht ist, wenn man be- hauptet, das Maigeseß vom 11. Mai 1873 stelle das Spenden der Safkramente als solches unter Strafe. Unter Strafe stellt e3 die

Ausführung von Amtshandlungen, welhe entgegen gewissen Vorschriften vorgenommen werden. (Lacen im Centrum.)

Meine Herren! Sie lesen alle Tage natürliv in FJhrer Presse das Gegentheil. Mir find ja auch die Deduktionen Ihrer Blätter nicht fremd, aber Sie werden durch Ihr Gelächter doch nicht verhindern, daß in der Diskussion auch eine andere Auffassung zum Nuédruck gelangt. Im Grunde handelt es si ja bei unseren entgegenstehenden Auffassungen nur um die Vovausfehuntèo, unter Denen die Strafbarkeit eintreten soll und diese Vorausseßungen können allerdings Gegenstand der Diskussion sein; ein Theil dieser Voraus- Fctungen unterliegt auch vom Standpunkt der Curie gar keinem Be- denken, z. B. die Vorbildung der Geiftlichen, das Indigenat. Das, was allein s{wierig und umstritten ist, ist der Umfang der Anzeigepflicht; in diesen Beziehungen {weben die wesentlichen Differenzen. Man kann also in der That nur sagen, daß die Voraussetzungen, welche der Staat in der Gesetzgebung gestellt hat, Über das Ziel hinausschießen. Daß nicht das Spenden der Sakra- mente, das Messelesen als soldes Gegerstand der staatlichen Repression fein kann, meine Herren, das hat vor zwei Jahren mein Herr Amts- vorgänger in den beredtesten Worten Jhnen vorgeführt, ih hätte also nur dasselbe zu wiederholen! E :

Nur will ih dazu noch ergänzend auf einige Gesichtepunkte hin- weisen und zunächst an die Thätigkeit der Staatsregierung zur Behebung der kirchlihen Mißstände erinnern. Meine Herren, ic babe son bei anderer Gelegenheit auszuführen die Ehre gehabt, daß seit ungefähr 15 Jahren, soweit es in der Möglichkeit der Staatsregierung liegt, - die patronatishen Stellenbeseßungen mit der größten Sorgfalt ausgeführt werden, daß wir auf diesem Gebiete den Wünschen der Bischöfe in jeder mögliben Weise ent- gegenkommen, namentlich auch indem wir vermeiden, solche Geistliwe zu berufen, deren Wegberufung an der Stelle, wo sie gerade wirken, eine \chwer erseßbare Lücke herbeiführen würde. Jch bin hierbei nie- mals zu der Auffassung gekommen, daß, weil ich den Bischöfen eine Einwirkung gestatte, nunmehr die patronatishe Beseßung der Stellen in den Händen der Bischöfe liege. Nein, es ist das nur ein freund- lides Zusammenwirken zwischen staatlichen und kir{liben Organen, welches zu einer befriedigenden Regelung des einzelnen Falles führen fann und regelmäßig führt.

Außerdem will ich noch daran erinnern, daß rücksi{tlich der An- stellung von Religionslehrern an den - höheren Lehranstalten ganz außerordentliche Fortschritte gemacht worden sind. Meine Herren, ist denn ferner hinwegzugehen über Artikel 5 des Geseßes vom Juli 1880, eine Bestimmung, welcbe doch, wie es vielfah ausgesprochen ist, soweit es irgend möglich war in wirksamer Weise dem feel- forgerishen Bedürfniß Abhülfe geschafft hat, E die weitgehendste Erleichterung gewährt? Und was die Auéführung des Artikels 5 betrifft, meine Herren, \o ist es doch kaum ein Ge- heimniß mehr, daß die Regierung im Anschluß an eine gerichtliche Entscheidung auf diesem Gebiete so weit gegangen ist, wie es ühber- Haupt nur möalih ist. Und, meine Herren, wollen Sie bei der ganzen Diskussion die Geseßesvorlage des vorigen Jahres unberück- sichtigt lassen? War nicht in deren Artikel 4 und 5 in einer meines Eradbtens au in ihrer umhüllten Form deutlich verkennbaren Weise die Brücke geschlagen, auf der man zu befriedigenden Zuständen hâtte gelangen können? Und nun, meine Herren, wo sind denn damals

diejenigen entgegenkommenden Erklärungen geblieben, die uns die Erreichung dieses Zieles möglich gemaht hätten ? Meine Herren, wer gerecht urtheilen will, wird anerkennen

müssen, daß, man mag die Anstrengungen der Regierung für fo klein halten, wie man wolle, doch jedenfalls das Urtheil ungerechtfertigt ist, als ob die Regierung kein Verständniß habe für das feelsorgerisde Bedürfniß Ihrer Mitbürger. Es ist aub wohl kaum Jemandem in diesem Hause unbekannt, daß nach den Verhandlungen des vorigen Sahres sich in weiten Kreisen ein sehr ausgesprochener Pessimismus geltend machte, daß auch von Seiten, welche dem geehrten Herrn Vorredner nahe ftehen, wiederholt die Auffassung der Regierung entgegengetragen worden ist, die Regierung ershöpfe {ih in ihren Anstrengungen, fie könne zwar die Ausübung der Seelsorge erleichtern, aber sie nit selbst übernehmen, sie solle der Sathe ihren Lauf lassen, wenn ihr nicht von der anderen Seite ertgegengekommen würde. Diese pessimistishe Auffassung, meine Herren, vom Standpunkt des menslichen Urtheils ungemein nahe- liegend, ist niht die Auffassung der Staatsregierung gewesen. Jch kann versihern Sie müssen in diesem Falle allerdings meinen Worten glauben, weil ih Ihnen die Akten nicht vorlegen kann daß vom ersten Moment an, nachdem die Hoffnung, welche sie auf die Art. 4, 5 der vorjährigen Vorlage geseßt hatte, nit in Erfüllung gegangen war, die Staatsregierung bemüht gewesen ist, immer neue Kom- binationen zu finden, und daß bereits vor Monaten ein wihtiger Scritt in derselben Richtung geschehen wäre, wenn die gesammte politische Lage einen solchen Schritt der Regierung hätte gerechtfertigt erscheinen lassen. Aber, meine Herren, es ist ein neuer und fehr bezeibnender Swritt gethan durch das Kaiserli&e Handschreiben vom 22, Dezem- ber v. J.; denn wenn in demselben die Erwägung von kirchenpvliti- \{en Geseßen in Aussicht gestellt wird, fo ist jedenfalls das Gebiet der Erleichterung der Seelsorge das erste, das in Erwägung gezogen werden muß. Und nun, meine Herren, knüpfe ib an das wieder an, was vorher {hon anzudeuten ich mir erlaubte, daß gerade die leßte Note, welbe im gegenwärtigen Moment Sr. Majestät zur Prüfung und eventuellen Genehmigung vorliegt, ih mit dem vorliegenden Gebiete auf das eingehendste ke- {chäftigt und bestimmte Vorschläge enthält, von denen wir hoffen, daß sie die Möglichkeit gewähren, zu einer Verständigung zu gelangen, und daß auf diese Weise ein Boden für weitere geseßgebe- rische Reformvorschläge geebnet werden möge. :

Meine Herren! Indem ih diese Erklärung abgebe, bin ih mir bewußt, bis an die äußerste Grenze dessen gegangen zu sein, was ohne Verleßung der Rücksichten gegen eine Macht, mit der die preußische

Regierung in Unterhandlung steht, und ohne Gefährdung der Interessen des Staates zulässig erscheint. Jch habe dies nur aussprehen können und aussprechen dürfen, um dem Vorurtheil zu begegnen, als ob es einen Moment gâbe, mag er auch der shwierigste sein, in welchem die Regierung sich scheuen Fönnte, den vorliegenden Antrag zu disfuliren, und um Zeugniß ab- zulegen von den friedlihen Absichten, von denen sie beseelt und bei den Verhandlungen mit der Kurie geleitet ist, Meine Erklärung kann ih nur mit dem Wunscte s{ließen, daß die iy 7 Diss kussion von einer gleichen Gesinrung getragen sei und die Schwierig- keiten der augenblicklihen Situation nicht durch Konteftationen und Beschlüsse vermehren möge.

Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, er werde den Standpunkt einer größeren Zahl feiner politishen Freunde durch eine kurze Erklärung feststellen. Der Kulturkampf sei nicht aus der Jnitia- tive irgend einer Partei hervorgegangen, seine Partei habe den Kanzler dabei unterstüßt, aber niemals vorbehaltlos. Seine Partei sei jeßt in der s{wierigen Lage, daß, nachdem sie die Regierung seiner Zeit nah Möglichkeit unterstüßt habe, und gerade den Jnten- tionen des Fürsten Bismarck gefolgt sei, erkennen zu müssen, daß es jeßt der Reichskanzler selbst sei, der diese seine Politik voll und ganz aufgegeben habe aufgegeben nach allen Seiten hin, formell und materiell. Formell, indem der Kanz- ler das von ihm vertretene und auch vom Hause gebilligte Prinzip verlassen habe, daß die Souveränität der Geseygebung es sein müsse, die über die Grenze zwishen den Befugnissen von Staat und Kirche zu entscheiden habe. Der Kanzler habe das früher namentlih bei den Verhandlungen zum Konkordat ganz bestimmt betont, jeßt finde man beim Kanzler die Anerkennung eines anderen Standpunktes, den seine Partei auth heut noch nicht theile. Nicht minder seien die materiellen Bestimmungen der Gesezgebung von dem Fürsten Bismardck, der preußishen Staatsregierung und der deutschen Reich3- regierung nach dieser Nichtung hin aufgegeben worden. Der ganze Verlauf der Kirchengeseßgebung habe das ergeben, und die Aeußerungen des Kultus-Ministers hätten es au heute bestätigt. Daß seine Partei eine Revision der Maigeseßgebung, anfnüpfend an ihre früheren Jntentionen, für durhaus ge- boten erachte, könne er hier besonders erklären. Es sei un- möglich, sih in der gegenwärtigen Lage der kulturellen Ver- hältnisse den gerechten Anforderungen zu entziehen, eine Revision werde unter allen Umständen stattfinden müssen, und zwar an einer ganzen Reihe wichtiger und wesentliher Punkte. Wenn seine Partei aber dies anerkenne, und ihren Standpunkt in dieser Weise präzisire, so sei sie troydem nicht in der Lage, nunmehr einseitig dem Antrag Windthorst zuzustimmen. Der Abg. von Schorlemer habe ausdrüdlih erklärt, daß dieser Antrag der erste Schritt sein solle in der Nichtung, die das Centrum weiter zu befolgen gedenke, nämlich der Beseitigung der Maigeseße überhaupt. Demgegenüber Habe er ein- fah zu erklären, daß seine Partei dieses leßtere Ziel nicht billige. Seine Partei halte ses an den Grundzügen dieser Geseßgebung, und könne daher das Ziel einer vollständigen Beseitigung \{lechterdings nit zugestehen. Die Antragsteller würden wohl selbst niht bestreiten wollen, daß der Antrag Windthorst so tief in die ganzen Verhältnisse des Staats ein- greife, daß ein apodiktishes Zustimmen zu demselben absolut niht möglich sei. - Seine Partei, wolle die Verantwortlichkeit für die Konsequenzen. dieses Antrages nit auf sih nehmen. Den Erklärungen des Kultus-Ministers gegenüber habe seine Partei sich an die Thatsache zu halten, daß die Staats3regie- rung selbst eine Revision der Maigeseßgebung vorbereite, und da würde er es nicht für rihtig halten, gegenwärtig mit einem positiven Programm vorzugehen, und dadur den Standpunkt der Regierung gegenüber einseitig zu fixiren. Man habe einen so verschiedenartigen Wechsel der Meinungen bei der preußischen Regierung, und der Meinungen des Kanzlers selbst zu verzeihnen gehabt, daß es nicht gut wäre, in solcher Lage sich dur positive Programme zu binden, und er wolle dies um so weniger jeßt, wo es gelte nah allen Seiten absolut freie Hand zu haben. Der Standpunkt vertrauensvoller Unterstüßung, den seine Partei früher zur Politik der peußishen Regierung und dem Fürsten Bis3marck gegenüber stets beobahtet habe, diesen Stand- punkt werde seine Partei niemais wieder einnehmen, denn dem Vertrauen auf eine konsequente Politik sei von jener Seite kein Dank geworden, man habe kurz gesagt, den libe- ralen Gesitspunkten seiner Partei sei niemals Rechnung ge- tragen. Er wiederhole: Das Vertrauen sei bei seiner Partei so tief erschüttert, wie nur das Vertrauen des Centrums dem Fürsten Bismarck gegenüber erschüttert sein könne, Er reka- pitulire zum Schluß: Seine Parutei könne dem Antrage Windthorst nicht beistimmen; sie sei eber bereit, falls eine Kommissionsberathung nicht beliebt werde, diesen Standpunît in zweiter Lesung dadurch Ausdru zu geben, daß seine Pariei dem Hause eine motivirte Tagesordnung vorschlage, welche die Bereitwilligkeit zu einem Eingehen auf die Jnten- tionen im Sinne des Antrages Windthorst aussprehe. Er bitte, in Erwägung, daß der Antrag Windthorst seine Ver- wirklihung nur in einer organischen Nevision der Maigeseßze abe fönne, über diesen Antrag zur Dagesordnung über- zugehen.

Der Abg. Dr. Stern erklärte, die demokratishe Partei sei von Anfang an eine Gegnerin des Kulturkampfes in Bezug auf Jnhalt wie Methode, nicht als wäre sie eine verkappte ultramontane gewesen, sondern von dem alten demokratishen Standpunkt aus, der voll und ganz in der Reichsverfassung von 1849 und nur zum Theil in der preußishen Verfassung niedergelegt sei. Schon 1872 habe seine Partei vorausgesagt, daß die Mittel des Kampfes nie zum Ziele führen würden, daß sie das Centrum nicht schwächen, sondern stärken würden, eine ungeheure Rechtsverwirrung in die Nation bringen, und die Freiheit schwer shädigen würden. Habe denn nun die Regierung, hätten diejenigen, welche sie damals so begeistert unterstüßt hätten, etwas erreiht ? Und es habe nichts erreiht werden können, weil der Kampf gegen die Freiheit des Geistes stets ausfihtslos sei. Daß man mit der Maigeseßgebung in ein Gebiet eingegriffen habe, welches der weltlihen Geseßgebung entzogen sein müsse, beweise der Verlauf dieses ganzen Kampfeszur Evidenz. Derselbe habe auch in weiterer Beziehung den traurigen Erfolg gehabt, daß wichtige Bestimmungen der Verfassung dadur aufgehoben seien. Es werde nie zu cinem vollen Frieden zwishzn Staat und Kirche kommen, wenn man niht eben eine vollständige Trennung beider als erstes Prinzip aufstelle. Wenn man die Verhält- nisse zwischen jezt und früher betrachte, so sehe man allerdings, daß bei allen Parteien eine große Veränderung in der Gesinnung eingetreten sei. Vor zehn Jahren habe man noh den Fanatismus der Religionsparteien gegen einander auszu- spielen gesucht, jeßt habe \sich die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“, und das Groß der Nationalliberalen, die namentlich

| standung des einzelnen Geistl

an der falshen Politik der Maigeseßz: mit Schuld trügen, gewaltig verändert; der größte Theil derjenigen, welche die Unabhängigkeit von Rom als bereits erreihte Thatsache an- gesehen hätten, habe bereits crkannt, daß dieser Zustand auf dem bezeihneten Wege nicht zu erreichen sei. Mit den Mitteln der Polizei und Gewalt, die man hler spielen lasse, habe man noch nie die Unterdrückung von mißliebigen Religionsformen, sondern nur die Stärkung der- selben erreiht. Den H Antrag Windthorst an- langend, so stimme er demselben völlig zu. Er verlange für die Katholiken eben nur dasselbe, was die Juden bereits hätten! Wenn die Majorität dieses Hauses nun den Katho- lizismus auf dem bisherigen Wege nah ihrem Sinne nicht modifiziren oder unterdrücken könne, so müsse sie darin auf- gehen, so müßten Alle \{ließlich fatholish werden. Man müsse hier wieder gut machen, was früher gesündigt sei. Krast der Souveränität der Gesege habe man den katho- lishen Mitbürgern Unrecht gethan, kraft dersclben Souverä- nität müsse man das Unrecht sühnen. Es stehe für ihn nicht so schr das Zurückbringen von Religion in das Land in Frage, als vielmehr das Zurüdlführen der Freiheit und das Aufhören der Unterdrückung der katholishen Mitbürger.

Der Abg. Freiherr von Zedliy und Neukirch bemerkte, der Mahnung des Kultus-Ministers entsprewend, alles von der Debatte fern zu halten, was den Frieden stören könnte, wolle er auf eine nähere Erörterung der Gründe nicht eingehen, welche seiner Partei die Annahme des Antrags Windthorst in dieser Form zur Zeit unmöglih mache. Diese Gründe seien wiederholt eingehend, auch von dem Amtsvorgänger des Kultus-Ministers erörtert worden. Er habe blos das Wort genommen, damit niht aus der ablehnenden Haltung seiner Partei gegenüber dem Antrag Windthorst, und der Resolution der Konservativen der Schluß gezogen würde, daß seine Partei sih solchen geseßgeberishen Vorschlägen prinzipiell entgegen- stelle, die zur Milderung der vorhandenen Nothstände in der Folge etwa eingebraht werden möhten. Seine Partei habe an der Novelle von 1880 mitgewirkt, und sih zu der Vorlage von 1882 zum Theil wenigstens niht ablehnend verhalten. Wie weit es möglich sei, unter Wahrung der Rechte des Staates die Verhältnisse der Kirche und des Staates zu ordnen, ohne das Fundament des leßteren zu beeinträhtigen, werde die Zukunft lehren. Momentan wäre taktish nichts falscher als Beschlüsse zu fassen, welhe der Vereinigung zwischen der Kurie und dem Staat entgegentreten könnten. Durch Annahme des konser- vativen Antrags aber würde diese Vereinigung auf unabsehbare Zeit hinausgeshoben werden.

Der Abg. Marcard erklärte, für seine Person für den Antrag Windthorst stimmen zu wollen. Dem Sterbeuden müßten die Sakramente gespendet werden können, dafür zu sorgen, sei ChristenpfliGzt. Der Abg. von Schorlemer habe gesagt, nah fünfzig Jahren würde es Niemand verstehen, wie dies habe verboten werden können. Er behaupte, daß dies auch jeßt nicht verstanden werde. Er stimme dem Jnhalt des Antrags aus vollem Herzen bei. Er bitte seine Fraktions- genossen wie jeden, dem die Freiheit der Kirche am Herzen liege, insbesondere seine evangelische.n Konfessionsbrüder aus Westfalen, in derselben Weise zu stimmen. Wenn die Fortschritts: partei und die Fsraeliten diesen Antrag unterstüßen würden, so glaube er, daß sie dadurch die Sache nicht gerade sördern würden. Ohne Uebereinstimmung des Centrums und der Konservativen sei eine konservative Reform niht möglich, Er bitte seine Freunde, sih in ihrer Abstimmung nicht dadur beein- flussen zu lassen, daß sie in dieser einzelnen Sache mit der Fortschrittspartei zusammengehen müßten. : j

Der Abg. von Eynern erklärte, seine Partei habe nitt die Absicht, sich an den Debatten zu betheiligen, da ihr Stand- punkt in dieser Frage genügend deklarirt sei. Der Antrag Windthorst habe das Haus schon wiederholt beschäftigt. Er begnüge \sich darauf hinzuweisen, welhe Stellung die konser- vativen Parteiführer zu demselben eingenommen hätten. Der Abg. Holz habe im Jahre 1880 gesagt, daß er, als dieser Antrag als Unterparagraph gestellt gewesen sei, im Namen sämmtlicher Mitglieder seiner Fraktion in Begründung der motivirten Tages- ordnung erklären müsse, die Annahme dieses Antrages würde eine Freikirhe schaffen, wozu die Konservativen nie und nimmer ihre Hand bieten würden. Und der Kultus-Minister habe 1882 gesagt, das Spenden der Sakramente sei der Regierung nur erwünscht, aber was sie niht wollen dürfe, sei, daß durch diesen Antrag Thür und Thor geöffnet würde für eine voU- ständige Umgehung oder Beseitigung der wesentlichen Bestim- mungen der kirhenpolitishen Gesezgebung. Er habe diesen Ausführungen nichts hinzuzusegen. Was den konservativen Antrag betreffe, so habe er Namens seiner politishen Freunde zu erklären, daß sie sich nit für berufen erachten könnten, einen Antrag auf organische Revision der Maigeseße zu unter- stüßen, scine Partei müsse vielmehr auf diesem schwierigen Gebiet die Verantwortlichkeit für eine zu ergreifende Jnitia- tive in der Gesezgebung, und für die Wahl des dafür geeigne- e D es vollständig der Königlichen Staatsregierung

erlassen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Antrag Windt- horst betreffe nur ein beschränktes Gebiet der gesammten sog. Maigeseßgebung. Er habe ih für den Antrag einschreiben lassen, weil er im Wesentlichen ‘und im Grundgedanken diesen Antrag für rihtig halte. Er wolle keine Einmischung des Staates in die Personalien der niederen Geistlichkeit, kein Be- stätigungs- und Konzessions{ystem in Bezug auf Anstellung der unteren Geistlihen. Als das Geseß von 1873 gegeben sei, hätten die Geistlihen noch staatlihe Funktionen als Civil- standsbeamte gehabt. Hiermit sei damals auch wesentli die Anzeigepflicht der Geistlihen im Geseß von 1873 gerechtfertigt. Seitdem habe die Civilehe die standesamtlihen Funktionen der Geistlichen aufgehoben. Er sei {hon 1873 Gegner der An- zeigepflicht gewesen, und habe deshalb niht für das Gefeß von 1873 gestimmt, und während er für die Abänderung des Artikels 15 der Verfassung gestimmt habe, habe er gegen die Abänderung des Artikels 18 gestimmt. Die seitdem gematen Erfahrungen hätten ihn in der Richtigkeit seiner damaligen Auffassung nur bestärkt. Wenn die Regierung niht im Frieden mit den Bischöfen lebe, so bringe die Geschlossenheit der Hierarchie der katholishen Kirche es mit sich, daß die Anzeigepfliht wegen neuer Anstellungen von Geistlichen überhaupt unterbleibe, und die Wirksamkeit dieser Para- graphen in einzelnen Maßregeln zum Auedruck komme, die, weil gegen Persönlichkeiten gerihtet, überhaupt gehässig im Volke wirke und für die Betroffenen als Märtyrer Sym- pathien erwecke. Wenn aber umgekehrt Staat und Bischöfe im Frieden lebten, seien diese „Paragraphen vollständig wir- kungslos, weil die Mogteratts sih alsdann n durch Bean-

hen in einen Kampf mit der

die Anzeigepflicht insofern bestehen lassen,

Geistlihen, und habe kein Jnteresse, ihnen diese NPrivileai zugänglicher zu machen. Um in diesen reten die Aren pfliht durchzuführen, bedürfe es keiner Strafbestimmung denn, würden die Geistlihen niht angezeigt, so trete die Virkung von selbst ein. Die besondere staatlihe Berüek- fihtigung finde nicht statt. Gewiß umfasse diesec Antrag indem derselbe von der Sakramentspendung handele, das Wesentliche des geistlißen Berufs, insbesoudere na fatholisher Auffassung. Man dürfe daher die Straf- barkeit niht soweit aufgeben, wie man im Uebrigen Be- \{ränkungen bestehen lassen wolle. Er sehe keinen Grund ein die geseßlihen Anforderungen an die wißenschaftlihe Vorbil- dung der Geistlichen an den Besiß der bürgerlihen Ehren- rehte, und des Staatsbürgerrehts aufzugeben. Er halte es nit für angezeigt, auch die Bestimmung beizubehalten, wona ein Geisiliher durch Spruch des allgemeinen Gerichts für unfähig erklärt werden könne zur Ausübung des geistlichen Amtes, wegen \{hwerer Verleßung der Staatsgeseße. Auch für diese einzelnen Fälle müsse die Strafbarkeit dec Ausübung geisiliher Befugnisse im Widerspruch mit dem Gerichtsurtheil aufreht erhalten werden. Er komme also zu gewissen Be- shränkungen des Antrages Windthorst, wie sie im vorigen jahre durch einen Antrag Virchow zu dem au damals vor- iegenden Antrag Windthorst formulirt worden seien. Er halte es für richtiger, dergestalt genau zu sagen, was er wolle und was er niht wolle, als gewissermaßen fortgeseßt Art- Hiebe auf die Kirchengeseßgebung im Ganzen zu führen, und nur allgemein zu sagen, daß dieselbe organish revidirt werden müsse. Unter dem Ausdruck „organische Revision“ denke sich Jeder etwas Anderes. Er halte es dagegen für sehr efährlich, einen Antrag anzunehmen, der eine „organische evision” bezwecke, da dabei etwas ganz anderes heraus- Tommen könne, als da3, was man ursprünglich beabsichtigt habe. Unter Umständen könnte man dabei auch zur Abschaf- fung der Civilehe gelangen. Er halte also das Binden an diese „organische Reform“ sür gefährlih, und sei mit dem Antrag Windthorst auch infofern einverstanden, als er dafür halte, es [e am Besten, zuerst die drückendsten Mißstände ins Auge zu fassen. Aus den konservativen Anträgen habe er nun den Eindruck, als wenn die Herren von der rechten Seite damit ausdrüdcken wollten: „wir möhten wohl gerne, aber dürfen nit“. Er halte überhaupt die ganze Sache nur für eine interne Frage, nit eine solche, die vor das diplomatische Leun gehöre. Dieselbe gehöre vielmehr durchaus vor die Abgeordneten des Volkes. Was sei denn auch bei den diplo- matishen Verhandlungen seit fünf Jahren herausgekommen? Ein ewiger Notenwechsel, der die Sache niht um einen Schritt weiter gebraht habe. Den Standpunkt nun im Hause an- langend, fo dränge ja allerdings die Haltung des Centrums immer mehr nah rets, und es sei deshalb zu verwundern, daß die Unterstüßung der reten Seite eine nur so \{üch- terne sei, ätten ja doh die Herren des Centrums auf vielen Gebieten der Geseßgebung dem Abg. von Kleisi-NRevow und Genossen außerordentlih große Kon- zessionen gemaht. Er wolle auf diesem Gebiet aber keinen Tauschhandel und stehe nicht auf dem Standpunkt des do ut des. Der Handel mit Gesezesvorshlägen ziehe insbesondere auf fkirhenpolitischem Gebiet, die Autorität des Gesetzes herab, Der Abg. von Zedlig wolle allerdings die politisck;e Konstellation nicht entscheiden lassen; sein Fraktionsgenosse von Kardorff wolle aber dem Centrum, falls es die Vismarksche Politik unterstüße und damit eine reihstreue und nationale Partei werde, die weitgehentsten Konzessionen machen. So komme man zu einem Tauschhandel der kirchen- polilishen Geseße mit dem Tabackmonopol, dem Militär- pensionsgeseß, den Holzzöllen, oder was sonst gerade auf dem Markte sei. Der Reichskanzler sei seit 1878 in der Form äußerst Yöflih und zuvorkommend gegen das Centrum und derselbe gebe dem Centrum kleine Stüce von der Geseßgebung preis ; zuweilen zeige der Kanzler auch ein größeres Stück, aber immer in der gehörigen Entfernung und diese s{höne Aussicht umgebe ein Gestrüpp diskretionärer Vollmachten. Er wünsche mit allen seinen Fraktionsgenossen eine Kom- missionsberathung des Gesehentwurfs. Wenn die Centrums- partei mit ihrem Antrag mehr als eine bloße JFnterpellation bezwecke, müsse sie seinen Antrag auf Kommissionsberathung unterstüßen. Jn einer Kommission könnten gewisse Modali- täten zum Antrag Windthorst vorgeshlagen werden. Die Kommission könnte sih überzeugen, ob die Annahme des An- trags Windthorst in der That gewisse kirchenpolitishe Gegen- säße ausgleihen würde, d. h. eine Einigung in der Anerken- nung der bestehenden Geseßgebung bewirken würde. Ein solcher Friedens\chluß würde niht die Gegensäße auf dem Ge- biet der Schule z. B., noch weniger den Ge tals zwischen katholisch und evangelisch aufheben. Diese Gegensäße seien natürli und tiefgehender, als es hier die Reden des Abg. Stöter einerseits und des Abg. Majunke andrerseits bekundet hätten, Er beklage es, daß die Diskussion sich vielfa zu einem Gegensag zwischen evangelisch und katholish zugespigt habe. Baut müsse die Geseßgebung in Preußen darauf einrichten, daß alle mit einander in Frieden leben könnten und daß Jeder in seiner Weise selig werden könne, welcher dem andern ein gleiches einráume. b Die Diskussion wurde ges{lossen. Der Abg. Dr. Majunke emerkte persönlich, dem Abg. Richter habe es beliebt, ihn mit Stöter zu identifiziren. Er könne niht leugnen, daß er in vielfacher g mit Stöcker übereinstimme, glaube aber noch vielme r Berührung mit dem Kcllegen Richter zu haben. D Als Mitantragsteller erhielt das Schlußwort der Abg. r, Windthorst. Derselbe erflärte, der Verlauf der Debatte fi für ihn ein befriedigender gewesen, weil er hier im Hause De Einverständniß daraus ersehen habe darüber, daß die Lnge nicht so bleiben könnten, wie sie jeßt lägen. Das erfülle d mit Freude und Hoffnung. Der Kultus-Minister habe p Bedeutung des Antrages, glaube er, niht erkannt. Der ntrag wolle nihts Definitives schaffen, derselbe wolle nicht die Ufhebung der Maigeseße, sondern lasse dieselben unversehrt, di sei nur eine provisorische, temporäre Maßregel. Je eher Revision der Maigeseße erfolge, desto eher werde dies othstandsgesey bedeutungslos. Nehme das Haus aber den ntrag niht an, dann könne es wohl sein, daß, wenn die

geshlossenen Hierarchie verwickeln werde. Er wolle die An-

zeigepf idt bestehen lassen, aber in einem beschränkten Umfaree

und ohne Strafen an die Unterlassung zu knüpfen. Er wolle

als die Gei

den Anspruch erhöben auf besondere staatliche Vortheile 1e ey wie z. B. kommunale Steuerfreiheit, Unter-

ftüßung aus Staatsmitteln, Anstellung in einer Staats- anstalt. Er sei überhaupt gegen besondere Privilegien der

au für die protestantische Kirche eintreten. Da mödtten di Pereen aus dieser Kirche sih doch überlegen, welchen Se le damit entgegengingen. Das Centrum habe solchen Antrag bisher nit gestellt, weil es demselben zweifelhast sei, ob die protestantische Kirche eine solhe Trennung vertrage. Der Abg. Stern sei zur Erkenntniß dieser Dinge gekommen und habe einen Blick in die Zukunst gethan. Derselbe sei sih der exolgen klarer bewußt, als sonst die Liberalen, den Abg. Hänel nicht ausaenommen, und leider müsse er heut au den Abg. Richter in dieselbe Reihe rangiren. Der Abg. Richter verweise das Centrum auf den dilatorishen Weg einer Kommissionsberathung, wenn er aber den Abg. Hönel höre, und den Abg. voz1 Eynern, der die Jnitiative von der Regierung erwarte, sodann die Konservativen mit ihrer Resolution betrachte, und die Freikonservatien, die eigentlich gar nichts wollten und nur zu eizem negativen Resultat ge- ommen seien so könne er von der Kommission nichts er- warten. Es freue ihn aber, daß der Abg. Richter vom Reichs- kanzler dilatorische Politik gelernt habe. Das Centrum habe no nie mit seinem Votum Handel getrieben, es habe in jach- lihen Fragen niemals Rücksicht auf die Kirchenpolitik ge- nommen. Aber das Centrum benuge die Konstellation des Parlaments, um seine Anschauungen zur Geltung zu bringen. Der Abg. von Ludwig handle ni6;t so, deshalb bleibe derselbe mit seinen Anträgen auch immer in der Minorität. Auf die Einwände des Abg. Richter betreffs der anderweitigen Po- litik des Centrums habe er theilweise im Reichstage geant- wortet, theils werde er es hier bei den Verwaltung3geseßen not thun. Er wünsche, daß das Centrum mit den Konservativen in noch engerem Armeeverbande stände als jeßt. Der Minister habe die Hoffnung ausgesprochen, die Verhandlungen mit Rom würden vielleiht zu einem Resultat im Sinne jeines Antrags führen. Das sei gleichsam ein delphischer Orakelspruch, aus dem die Regierung machen könne, was sie wolle. Er verlange die Er- klärung, daß die Regierung unter allen Umständen das Messe- lesen und Sakramentespenden freigeben wolle, das wäre besser als eine so dilatorishe verklausulirte Erklärung. Nachdem, was jegt über die Anshauungen des Reichskanzlers verlaute, hätte er heute ein klares, freies Wort erwartet, aber das hätte der Kanzler ja nur selbst abgeben können, und deshalb beklage er, daß derselbe krank sei. Es sei dur diese Ver: handlungen von Neuem das geschehen, was das Centcum in Beziehung auf die Grundlage für die Kenntniß der Verhand- lungen habe erwarten können. Der Minister habe das Cen- trum auf allerlei Briefe verwiesen, die zwischen der Regierung und der Kurie gewechselt werden sollten, und gewechselt wor- den sein sollten, niemals aber seien die Briefe hier ver!esen worden. Etwas Authentisches liege bis jezt überhaupt nicht vor, man sei über den Fortgang der Verhandlungen absolut nicht unterrichtet. Er fürchte, daß auch die von dem Minister abgegebenen Erklärungen einen ähnlichen dilatorishen Charakter hâtten, wie der Antrag des Kollegen Richter. Der Weg, auf welchem die Freigebung des Messespendens und der Sakramente geschehen könne, sei ja ein sehr verschiedener. Es könne dur jeinen Antrag am einfachsten geschehen, dann aber auch dur Revision der Anzeigepflicht, dur die in der Jakobinischen Note ausgesprohenen Vorschläge 2c. Damit aber gehe unend- liche Zeit verloren, und große Eile sei nöthig, weil die fatho- lischen Gemeinden mehr und mehr verwaisten, und weil die Noth derer, die das Heil in den Sakramenten nicht finden könnten, täglih größer werde. Der Nothschrei werde größer, und wenn man es hier in Berlin auch nit merke, die Schil- derungen seiner Freunde, die aus den Provinzen kämen, seien so, daß einem das Herz erfrieren könnte. Er wiederhole es, große Eile sei nöthig, nehme das Haus deshalb seinen Antrag an, der sofort Hülfe schaffe, sowie die Regierung denselben zur Publikation bringen werde. Jm Uebrigen werde ja dur denselben auch nichts geändert. Sehr erstaunt sei er gewesen, von Minister zu hören, daß das eigentliche Messelesen und Spenden der Sakramente gar nicht unter Strafe stehe. Noch täglih würden die Priester deshalb bestraft, mit Geldstrafen sowohl wie mit Gefängniß, das scheine fast, als ob gerade in neuerer Zeit wieder eine Verschärfung jener Maßregel angeordnet worden fei. Ein solches Vorgehen sei nicht verträglih mit den eFriedensversiherungen, die dem Centrum gemaht würden. Die nationalliberale Partei habe erklärt, sie habe keinen An- laß, auf eine organische Revision anzutragen, und überlasse die Jnitiative der Regierung. Diese Partei verneine die Revision also an sich nit. Dasür könne er si einen Grund denken, wenn die nationalliberale Partei gleih formulirte Vorschläge machen wollte, was allerdings etwas3zu viel von derselben verlangt sei. Sie müsste doh auch begriffen haben, daß es so nicht länger mehr fortgehe. Wenn das der Fall sei, so habe jede Partei vit nur das Recht, sondern die Pflicht, die Faitiativ2 der Regie- rung zu fordern, Auch bei dem Abg. Hänel habe der Ge- danke der Revision Anklang gefunden! Auf einen zustimmen- den Nuf des Abg. Dirichlet wandte sich Nedner zu demselben, er dankedem Abg. Dirichletdas ganz besonders, derselbe sei stets ein Gegner der Maigeseße gewesen. Jede augenblickliche Hülfe sei für das Centrum von größerer Wichtigkeit, als eine in der Ferne gezeigte. Er habe gemeint, daß die alte historische preußische Tradition, welhe Gewissensfreiheit sür Alle ver- lange, bci dem Hause ‘auch gegenüber den katholishen Mit- bürgern maßgebend sein dürfte. Ein solher Ausdruck der Anerkennung dieser Tradition von diesem Hause würde auch nah anderer maßgebender Seite Eindruck machen. Wenn man in einer Nothlage sei, eine Nothlage, die zum Himnel schreie, dann nehme man auch die shwächste Hülfe an. Wenn die Linke auch seinem Antrage niht zustimmen könne, so danke er do für die leisen Anklänge der Sympathie, die ihm hier begegnet seien. Allerdings hätte er Besseres erwartet, aber auch diese leise Wendung zum Besseren begrüße er mit Dank. Ec werde noch Gelegenheit nehmen, einige Expli- kationen der Abgg. Hänel und Richter später zu widerlegen, und schließe in der Hoffnung, daß man es \cließlih do niht abweisen werden könne, für den Gewissensdrang der Katholiken ein Auskunftsmittel zu finden. Die Diskussion wurde geschlo}sen. _ Der Abg, von Ludwig bemerkte persönlih: Der Abg. Windthorst habe gesagt, seine Anträge hätten die Eigenthüm- lichkeit, daß sie niemals angenommen würden ; - er erwidere dem Abg. Windthorst mit dem Wort eines großen Dichters: „Verstand is nur immer bei Wenigen!“ Der Abg. Windt- horst habe ferner gesagt, er treibe unpraktishe Politik. Ec ebet praktische Politik von dem Gesichtspunkt, daß die katholishe Kirche eine große Jnstitution sei, die stets am

egierung auf ihrem Wege beharre, sie das Centrum zwinge,

seine Gedanken zu erweitern und die vollständige Tre von Staat und Kirche zu fordern, etwa wie fit in England und Amerika bestehe. Die Trennung würde dann allerdings

Windthorst fei leider vott der linea directa öfters abgewi Im Uebrigen wolle er, gerade weil er prakti fil treibe Put abbrecten. „6 praktische Politik treibe, er Abg. Richter (Hagen) erklärte, der Abg. Windt habe seinen Antrag dilatorisch genannt. Er habe E gesagt, daf, wenn das Centrum nicht ein auss\chließlich nega- tives Resultat dieser Verhandlung vorziehe, die Kommissions- berathung in dessen eigenen Jnteresse liege. ß er persön- ps A ZMereno M einer Nes Behandlung habe, er Antrag, den er beirn Beginn der i art boo eiyer 4 g der Verhandlung in

Der Abg. Dr. Windthorst entgegnete, er fordere den Atg.

t at ct auf, ne E einen See Hama moiser:, wo er 1 inea directa abgewichen sei. Solche Bes i weise er mit Entrüstung zurü. utte an

Damit loß die erste Berathung ; die Ueberweisung des Antrages an cine besondere Kommission wurde abgelehnt.

Es begann „sofort die zweite Berathung.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein erklärte, auh, wenn er sih für den Antrag hätte einshreiben lassen, würde er, wie das Beispiel des Abg. Richter beweise, kaum den Beifall des Abg. Windthorst erlangt, sondern als einzigen Genossen den Abg. Stern gehabt haben. Der Antrag sei so häufig und ausführlih behandelt worden, daß nur wenig noch zu sagen bleibe. Er bekenne sih auch jeßt zu seinen früheren, jeßt von der katholishen Presse ihm in Erinnerung gerufenen Aeußerungen, und werde aus den Gründen, die der Abg. von Holt vor zwei Jahren vorgebracht habe, aezen den Untrag stimmen ; gegen den Antrag in seiner Form, nicht aegen Das von demjelben vertrctene Prinzip. Das System der Maigefeße verurtheile seine Partei, man könne es aber nicht dur mecha- nisches Eingreifen in irgend einen Punkt verbe}sern. Ein System der Maigescz2 sei eigentlih ein Widerspruch, s\zine Systemlosigkeit trete am schärfsten auf dem Gebiet zu Tage, das der Antrag Windthorst bekämvfe. Auf die Dauer seien die Jeßigen Zustände mcht beizubehalten, am wenigsten in einem paritätischen Staat, welcher ein großes Maß von religiöser ¿Freiheit zupebe. Wer das nicht meine, müßte gerade, wie eine fürzlih erschienene Broschüre über die Crefelder Simultan}ulen, die Parität in der größtmöglichen Schonung der Religionen so sehen, daß der Religions- unterriht die einzelnen Konfesjionen möglichst wenig berühre. Er gebe dem Abg. Richter zu, daß über die Gesichispunkte einer organishen Reform der Maigeseße die Ansichten der Fortschritts- und der konservativen Partei sehr divergirten, aber er hoffe, daß für den Antrag seiner Partei sih hier eine Majorität finden werde. Dies umfassende Werk könne nur das Resultat langer Vorbereitung sein, und eine Vereinba- rung zwischen Staat und Kirche sei sehr wünschenswerth dazu, wenn auch ohne dieselbe die Revision niht unmöglich sei. Das sci der Sinn des konservativen Antrags. Jm Noth- falle würde seine Partei ein Nothgeseß gutheißen, ohne daß dadurch die organische Revision unnöthig wäre. Die Nevision müßte ansezen bei der Avrzeigepfliht; nicht diese Vflicht als solche veranlasse die Beschwerden, sondern das Verbot des Messelesens für Geistliche, die dieser Pflicht nit genügt hätten. Erst durch das ertheilte Amt sei zu bestimmen, welche Haltung ver Geistliche zum Staate einnehmen werde. Durch eine Revision der Maigesege trete man der Autorität des Staats seiner Ansicht nah nicht entgegen. Am 6. Dezember 1880 habe ein hervorragendes Mitglied dieses Hauses gesagt, in Zeiten, in denen gewisse Elemente der Bevölkerung gegen die Grundlagen von Staat und Kirche ansiürmten, müsse man dem Menschen die Religion näher bringen, Die Wahrheit dieser Worte leite dadur nicht, daß der Abg. von Bennigfen sie ausgesprochen habe, der si für unbedingte Unterordnung der Angehörigen einer Kirche unter die Anordnungen ihrer Oberen ausgesprochen habe. Die Thatsache bestehe, daß die Gesellschast bedroht sei, und daß dagegen die Macht des Staates nicht ausreihe, sondern von der Kirche unterstügt werden müsse, und E gehöre eine freie Bewegung der Or- gane, denen die Seelsorge obliege; der Regierung diz Er- wägung darüber zu empfehlen, wie weit sie di:sem Ziel schon jeßt si nähern könne, sei die Absiht des Antrags der Kon- servativen. Darin liege kein Mißtrauen gegen die Maßregeln, die die Regierung, wie er vorher zu seiner Freude gehört habe, shon unternommen habe, aber in einem konstitutionellen Staate müßten die Verhandlungen der Souveräne die Zustim- mung der Fo elungen haden. ;

__ Darauf nahm der Minister der geistlihen 2c. An - heiten von Goßler das Wort : O E __ Meine Herren! Diejenigen von Ihnen, welche meinen Aus3- führungen in der ersten Lesung mit Aufmerksamkeit gefolgt sind werden es begreiflich finden, wenn ih bemerke, daß na den von mir abgegebenen Erklärungen für eine jpezielle Diskussion Seitens der Staatsregierung cin Play nicht mehr vorhanden ist. Ih muß es mir daher auch versagen, denjenigen Wünsche zu entsprechen, welche der Hr. Abg. Dr. Windthorst an mi richtete, Erläuterungen zu geben zu einer Reihe von meinen Aus- führungen mit der Bitte, sie nöthigenfalls richtig zu stellen. Denn wenn i selbst im Stande wäre, denselben Gedanken mit verschie- denen Worten auzzudrücken, so muß ih doch in der gezenwärtigen Situation auf das Festhalten des Wortes cinen ge- wissen Werth legen. Der Grund hierfür is einfa, denn diejenigen Erklärungen, die ih abgegeben habe, liegen nur zu einen Theil auf dem Gebiet des Kultuë-Ministeriums, sie sind zum erheb- lichen Theil Ressortsahe des Ministers der auswärtigen Angelegen- heiten, und enthalten Momente, bezüglich deren das Auëtwärtige Amt mit Recht besonderen Werth darauf legt, daß in keiner Weise dic Linien verschoben werden, die für die diplomatisbe Aktion gezogen sind Man fkann vielleißht von den Mitgliedern des Parlaments nicht verlangen, daß sie diesen Standpunkt absolut theilen; aber soweit werden Sie meinen Ausführungen gefolgt sein, daß Sie den Standpunkt der Regierung verstehen und in meinen Aeußerungen nit eiwa nur eine Unlust meinerseits finden, in die Diskussion weiter einzutreten. Von demselben Standpunkte aus, von welchem ich in der ersten Lesung die Erklärung abgegeben habe

will i jeßt ferner das Folgende erklären : Wenngleich i anerkenne, daß nachþ den entgegenkommenden wohlwollenden Erklärungen des leßten Herrn Vorredners der Verdacht Scitens der Regierung nit gebegt werden kann, als folle in der vorgeschlagenen Rejolution, welche den Namen Althaus und Genossen trägt, eine Spigze oder cin Druck gegen die Staatsregierung gerictet oder geübt. werden i sage also, während i das anerkenne, muß ih vom diplo-

matischen Standpunkte aus doch bitten, dem Antrage nicht Folge zu geben

Schon vorhin hat ciner der Herren Vorredner in anderem Zusammen ange angedeutet, daß wenn man einen solchen Antrag, wie er hier vorliegt,

ershövfend in Bezichung auf die Tragweite seiner cinzelnen Sätze und Worte fcstitellen will, man doch erheblich tiefer in die ganze

Materie hineinstcigen muß. Es würde aber von Bedeutung sein, wenn ic

gegenwärtig in diese Einzelheiten eintreten wollte und damit gewifser-

maßen im Voraus Erklärungen abgäbe, für welche vom Standpunkt der

Regierung erft dann ein realer Anlaß vorliegt, wenn es sich um Er-

örterungen fonfreter Vorlagen handelt. Wenn ih sodann au

besten fahre, wenn sie den ganz geraden Weg gehe. Der Abg.

und das ift die Bemerkung über den zweiten Absayz der Resolution

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