1883 / 98 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Apr 1883 18:00:01 GMT) scan diff

länger die Ehe gedauert hatte. Von den in den Jahren 1867 bis 1881 durch den Tod gelösten Ehen geschah dies von 1000 Fällen in 562,9, durch den Tod des Mannes, in 437,1 durch den der Frau, und namentlich seit dem Jahre 1874 is die Trennung der Ehe durch den Tod des Mannes noch häufiger geworden als in früheren Jahren. Dur(bscbnittlih hat jede im Jahre 1882 durch den Tod getrennte Ehe 23,1 Jahre bestanden, und zwar 23,7 Jahre, falls dieselbe durch den Tod des Mannes, und 22,2 Jahre, falls dieselbe durch den Tod der Frau ihre Lösung fand. : ;

on 1000 im Jahre 1881 Gestorbenen (mit Aus\{luß der Tot tge- borenen) waren im Alter bis zu 5 Jahren bei dem männlichen Geschlecbt 464,76 (1880 494,08), bei dem weiblichen 440,67 (1880 469), von 5—10 Jahren 43,03 m. und 46,69 w., 10—15 Jahren 16,16 m. und 18,75 w., 15—20 Jahren 18,45 m. und 18,64 w., 20—25 Jahren 24,81 m. und 23,30 w., 25—30 Jahren 23,10 m. und 25,79 w., 30—40 Jahren 53,80 m. und 55,12 w., 40—50 Jahren 64,59 m. und 54,57 w., 50— 60 Jahren 80,66 m. und 73,53 w., 60—70 Jahren 97,84 m. und 105,30 w., 70—80 Jahren 79,65 m. und 94,90 w., 80—90 Jahren 29,17 m. und 38,82 w., 90—100 Jahren 2,17 m. und 3,70 w., über 100 Jahre 1,68 m. und 0,63 w.

Unt-r den Gestorbenen (ohne Todtgeborene) folgender Berufs- klassen katten sich während der ganzen Beobachtungszeit 1877 bis mit 1881 mehr als drei Fünftel Kinder von unter 15 Jahren befunden: Bergbau, Hütten» und Salinenwesen (769 pro Mille), ftädtische Fabrik- arbeiter ohne nähere Bezeichnung (714), Verkehrëgewerbe (679), Bau- gewerbe (646), Industrie der Steine und Erden (639), Metallverar- beitung (636), Gewerbe für Bcherbergung und Erquickung (632), per- Ee Dienstleistungen aller Art mit Ausnahmc des ländlichen Ge- indes (627), Industrie der Nahrungs- und Genußmittel (626), Fabri- kation von Maschinen, Werkzeugen und Instrumenten (620) und In- dustrie der Holz- und Scnittstoffe (608). i

Die Sterblichkeitsverhältnisse bei den ehelichen Kindern stellten si im Jahre 1881 etwas günstiger, als in allen früheren Jahren, denn von 1000 Geborenen überlebten 957,86 Knaben, 965,46 Mäd- den die ersten Stunden (1880 957,20 bzw. 965,33), 948,37 bzw. 958,19 den ersten Tag (1880 947,74 bzw. 957,89), den ¿weiten Tag 942,85 bzw. 953,96 (1880 942,22 bzw. 953.75). Dagegen überlebten von den unehelichen Kindern nur 943,38 Knaben und 949,32 Mäd- cen die ersten Stunden (1880 943,65 bzw. 951,28), 931,63 bzw. 940,34 den ersten Tag (1820 932,28 bzw. 941,30) und 923,33 bzw. 933,95 (1880 924,92 bzw. 935,06) den zweiten Tag. Nach einem Jahre lebten von den chelihen Kindern pro Mille noch 765,29 Kna- ben und 799,16 Mädt&en (1880 747,47 bzw. 782,89), von den uneche- s 589,95 Knaben und 639,30 Mädchen (1880 579,01 bzw.

Die allgemeine Sterbeziffer stellt sich im Jahre 1881 auf 26,51 (im Mittel 1868—81 auf 28,28) pro Mille. Ueber dem Mittel waren besonders die Regierungsbezirke Oppeln (31,04), Breslau (30,33), Liegniß (29,63), Danzig (29,25), Stadt Berlin (29,21), Re- E Gumbinnen (28,91), Cöln (28,79) und Sigmaringen

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Die Düsseldorfer Malerschule hat wieder cin namhaftes Mit- e durch den Tod verloren. Am 21. ds. starb der S(hlachtenmaler

hristian Sell.

Die Geschichtsblätter fürStadt und Land Magd e- burg (Mittheilungen des Vereins für Geschichte und Alterthums- kunde des Herzogthums und Erzstifts Magdeburg), herau®gegeben vom Vorstande des Pg Geschichtsvereins (Magdeburg, Verlag der Schäfershen Buchhandlung, A. Rüdiger) beginnen mit dem ersten Heft 1883 bereits ihren 18. Jahrgang. Das vorliegende Heft bringt weitere Auszüge aus dem Kopialbuh im Stadtarchiv zu Burg ( welches Begebenheiten aus der Zeit des Scbmal- kFaldishen Krieges erzählt), mitgetheilt vom Stadtrath Wolter; ferner eine Untersuchung über die Bibliothek des Klosters Berge, vom Prof. Dr. Holstein, Mitthcilungen über die wüsten Marken des Stadtfeldes von Aken, vom Pfarrer W. Zahn, und, als Beitrag zur Vorgeschichte der Reformation, eine von dem Lie. theol. Pastor Ernst Breest, meift na handschriftlichen Quellen bearbeitete Biographie des Dom- herrn zu Magdeburg, Dr. Heinrih Toke. Von dem unermüdlichen Sammler alter E Volksgebräuhe und Lieder, Ph. Wegner, enthält auch dieses Heft einen interessanten Beitrag, nämlich eine Sammlung von Spielen aus dem Magdeburger Lande. Die mitgetheilten Spiele, denen auch solche aus anderen Gegenden Norddeutschlands hinzugefügt sind, bilden cine willkommene Er- gänzung der volksthümlichen Liedersammlung. Den übrigen Inhalt des Hefts füllen die Vereins{ronik, das Protokoll der VIII. Sitzung der Historishen Kommission für die Provinz Sachsen und literarische Besprechungen. Die leßteren haben das von Dr. E. Jakobs heraus- gegebene Urkundenbuch der Deutsh-Ordens-Commende Langeln und der Klöster Himmelpforten und Waterler in der Grafschaft Wernige- rode (YV. Band der Gescbihtéquellen der Provinz Sachsen) sowie das 2 Gau Islebiense von H. Größler und Fr. Sommer zum Gegen-

ande.

Altpreußisbe Monatsschrift, neue Folge. Der Neuen Preußischen Provinzial-Blätter vierte Folge. Herausgegeben von Rudolf Reicke und Ernft Wichert. Der Monatsschrift 20., der Provinzial-Blätter 86. Band. 1. und 2. Heft. Januar bis März. (Mit 3 autographirten Tafeln). Königsberg i. Pr. Verlag von e Beyers Bucbhandlung, 1883. Auch in dem neuesten

eft dieser Zeitschrift wird die höchst interessante Publikation des un- gedruckten naturphilosophishen Werks von Kant aus seinen letzten Lebensjahren, welches Rudolf Reicke in dieser Form als Manuskript herausgiebt, fortgeseßt. Diese Fortseßung enthält zunä(hst eine Ginleitung, in welcher von dem Gebiet, der Methode und dem Begriff der Naturwissensbaft sowie von dem Unterschiede der- selben von der Mathematik und der empirischen Physik gehandelt und gezeigt wird, daß sie Prinzipien a e haben müssen. Dann folgt eine Eintheilung der bewegenden Kräfte der körperlichen Natur in Ansehung ihres Ürsprungs, ihrer Richtung, des Plaßes der Be- wegung und ter Erfüllung des Raums, endlich eine Eintheilung des Fee der Naturforschung nach den bewegenden Kräften der Materie. ls Urftoff und Basis aller bewegenden Kräfte im Raum und der Pei bezeibnet Kant den Wärmestoff. Die beiden leßten Bogen be- châftigen sih mit der Flüssigkeit und Festigkeit der Materie. Ferner wird in diesem Heft auch das von J. Gallandi gesammelte erzeihniß Königsberger Stadtgeschlebter mit dem Namen „Kalau* fortgeseßt und bis „Lübe“ weiter geführt. Drei beigegebene Tafeln veranschaulichen eine Reihe von Wappen alter Königz: berger Familien. Unter dem Titel „Ueber die Verbreitung eintger Ortsnamen in Ostpreußen“ bat Adalbert Bezzenberger eine interessante etymologische Untersuchung beigetragen, die, \sich an den Aufsas über die auf -kehmen endigenden Namen anschließend, diesmal diejenigen untersucht, welche die altpreußishen Wörter garbis (Berg) und ape (Fluß) sowie die ihnen begrifflich entsprechenden lithauishen Wör- ter kalnas und upe enthalten. Die Reihe der größeren Ab- handlungen {ließt mit dem Nachweise urkundliher Spuren einer Kirchengründung zu Bladiau, von Adolf Rogge. Unter den Kriuiken und Referaten finden wir eine E e oreana des von Dr. F. A. Brandstäter versa Danziger Sagenbuchs und die Sißungsberichte der Alterthumsgesellschaft Prussia; unter den Mit- theilungen und im Anhange eine Untersuchung über den Namen Memel, von A, Thomas; eine Mittheilung von Gustav Link über Napoleons I. Aufenthalt in Landsberg i. Ostpr. nah der Schlacht von Pr. Eylau, die Universitätéhronik für 1882/83 und die alt- preußische Bibliographie des Jahres 1882. /

Württembergische Jahrbücher für Siatiftik und Landeskunde, herausgegeben von dem Königlichen ftatiftisch- topographischen Bureau, Jahrgangs 1882, I. Band, 2. Hälfte und II. Bond. Stuttgart, Verlag von W. Kohlhammer. Der speziell fat lse 2. Halbband des Jahrgangs 1882 dieser Publikation bringt eine statisti]ce Uebersicht der Bewegung der Bevölkerung im Jahre 1881, dann die Stotistik der landwirthschaftlihen Bodenbênußung und der Ernte-

Wollmärkte von 1881 und 1882, die Aus- und Einfuhr von Wein, Obstmost, Branntwein, Bier und Mal; nach und von anderen Bundesstaaten in den Étatsjahren 1879/80 und 1880/81, die Ausfuhr von Früchten und Möhlfabrikaten über den Bodensee in den Jahren 1880/81 und endlich den Schiffs- und Waarenverkehr in den Jahren 1879, 1880 u. 1881. Der Il. Band, enthaltend den 5. Jahrg. der „Würt tem- bergishenVierteljahrsheftefürLandeskunde “, welche das Königliche statiftisch - topographische Bureau bekanntlih in Ver- bindung mit dem Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Oberschwaben, dem württembergischen Alterthumsverein in Stuttgart, dem Historisden Verein für das württembergishe Franken und dem Sülchgauer Alterthumsverein herausgiebt, bringt, wie früher, an der Spiye die Chronik und den Nekrolog des Jahres 1882. Den bei weitem größten Raum des umfänglichen Bandes beansprucht eine außerordentlich fleißige und gründlihe Arbeit des Diakonus und Be- zirks-Schulinspektors in Geislingen, Alfred Klemm, der darin eine Vebersiht der württembergishen Baumeister und Bildhauer vom 11. bis um die Mitte des 18. Jahrhunderts darbietet, wobei auch ihr fünstlerishes Schaffen die gebührende Würdigurg erbält. In der Einleitung zu der Arbeit findet sich auch ein sehr werthvoller Excurs über die merkwürdigen Steinmetzeichen, ihre Bedeutung und eigenthümliche Verwendung, ihr frühestes Auftreten, Entwickelung und Ende. Wegen ihrer Wichtigkeit bei der Identificirung sind diese Zeichen nicht nur den einzelnen Künstler-Charakteristiken in Abbildung beigegeben, sondern aub in einem besonderen Register zusammengestellt, wodur dem Kunstfors her eine willlommene Handhabe zur Ermittelung des Urhebers geboten wird. Auch ein sorglaliiges alphabetiscbes Registermacht die in der Arbeit aufgespeicherten Daten bequem zugänglich. Aus dem übrigen reihen Inhalt des Bandes sei dann noch her- vorgehoben : eine Uebersicht der württembergischen Geschichtsliteratur des Jahres 1881, von Prof. Dr. Hartmann, und eine Uebersicht der Erwerbungen, durch welche die Staatssammlung vaterländischer Kunst- und Alterthumsdenkmale in demselben Jahre erweitert worden ist. Der Württembergishe Alterthumsverein is, von kleineren Mitthei- lungen (zur Tübinger Bau- und Kunstgeschichte von Professor Dr. A. Wintterlin 2c.) abgesehen, durch einen Beitrag über das ftändische Archiv in Stuttgart, von A. E. Adam vertreten; der Verein für Kunst und Alterthum in Ulm und Obershwaben durch die kultur- geschichtlich anziehende Beschreibung eines Ulmer Freischießens aus dem Jahre 1556, welhe Professor Dr. Veesenmcyer in einer Hand- \chrift der dortigen Stadthbibliothek gefunden hat, sowie durch eine Reihe in vieler Hinsicht interessanter Briefe des Ulmer Reformators Martin Frecht an seine Gattin aus den Jahren 1548/49, mitgetheilt von den Pfarrern Bofsert in Bäblingen und Meyer in Dünsbach. Besonders groß is die Zahl der Beiträge des Historischen Vereins für das Württembergische Franken. An der Spiye derselben steht eine heraldishe Untersuchung über das Wappen an der „turris Cae- saris“ zu Monopoli, von Dr. Fürst Friedrih Karl von Hohenlohe- Waldenburg-Scbillingsfürst (mit Abbildungen); dann folgt eine bis- 08 unbekannte Urkunde von Göß von Berlichingen, aus dem Kopial- uh der Königlichen öffentlichen Bibliothek zu Stuttgart mitgetheilt vom Ober-Studien-Rath Dr. W. Heyd; eine Schilderung des Be- \suchs Kaiser Karls V. in Kirchberg a. d. Jagst, aus dem Urkunden- buch des Amts Kirchberg vom Jahre 1541, ausgezogen von F. G. Bühler ; eine Untersuhung über den Namen Crailsheim, von G. Bofsert; eine Abhandlung über die Sekte von Schwäbisch-Hall und den Ursprung der deutschen Kaisersage, von Dr. Völter; eine genea- logische Arbeit über die ältesten Herren von Weinsberg, von Bofsert, U. v. A, Der elegant ausgestattete Band {ließt mit dem würt- tembergishen Hof- und Staatskalender für 1883. Veterinärwesen.

Amtlichen Nachrichten zufolge ist die Rinderpest in dem Dorfe

Zagraby *), Kreis Warschau, erloschen. Gewerbe und Handel.

Die nächste Börsen-Versammlung zu Essen findet am 30. April d. I. im Hotel Höltgen ftatt.

Brüssel, 26, April. (W. T. B.) Nah einer Mittheilung des „Etoile Belge* sollen die wegen Aufnahme einer Anleihe ge- führten Verhandlungen zum Abschluß gelangt sein. Die An- leihe werde 160 Millionen betragen, von denen 100 Millionen für das Anleihe-Syndikat reservirt und 69 Millionen zur öffentlichen ge Qning aufgelegt werden würden. Die Anleihe werde als 4 proz.

ente emittirt. Die Zeichnung auf dieselbe werde am 7. Mai eröffnet werden; der Emissionscours sei 101,50.

Antwerpen, 26. April. (W. T. B.) Wollauktion. An-

geboten 1834 B. Laplatawollen, verkauft 1353 B. Preise fest. Verkehrs-Anstalten.

St. Petersburg, 27. April. (W. T. B.) Die Eröffnung der Schiffahrt auf der Newa ist bevorftehend, da das Eis gänzlih aufgegangen ift. j

Bremen, 26. April. (W. T. B.) Nach hier eingegangener Nachricht hat der Dampfer „Standard“ den Dampfer des nord- deutschen Lloyd „Habsburg“ am 17. April auf 48 Grad Breite und 23 Grad Länge gesprochen. Der „Habsburg“ hatte eine gebrochene Welle; an Bord war Alles wohl.

Hamburg, 26. April. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Saronia*“ ist heute in St. Thomas eingetroffen.

Trieft, 26. April. (W. T. B.) Der Lloyddampfer «Venus* ist heute Nachmittag aus Konstantinopel hier einge-

troffen. Sanitätswesen und Quarautänewesen.

Nah weiteren) Nachrichten aus Rio de Janeiro hat das gelbe Fieber in der zweiten und dritten Woche des Monats März noch zugenommen. Der Hafen war bis zu dieser Zeit von der Epidemie völlig frei geblieben.

*) cfr. R. A. Nr. 62 von 1883. t) cfr. R. A. Nr. 83 von 1883.

Berlin, 27. April 1883.

Das Landwirthschaftliche Museum in der Invaliden- ftraße hat namentlich in der leßten Zeit interessante Bereicherungen erfahren. Unter der sachkundigen Führung des Prof. Wittmack nahm gestern Nachmittag die Gesellschaft zur Beförderung des Gartenbaues in den preußishen Staaten die Shäße des Museums in Augenstein. Die im Parterre untergebrachte fa lDe Abtheilung ist in aller- neuester Zeit durh eine überaus instruktive Eier- und Nestersammlung vermehrt worden, die alle jene Vögel umfaßt, die für die Land- wirthschaft irgendwie nüßlich oder \chädlich sind. Auch die Sammlung von Sfkeletten der Hausthiere, wohl die rene die Deutschland überhaupt besißt, hat neuerdings manche bemerkenswerthe Ergänzung erfahren. Vor Allem den Bemühungen des Prof. Nehring ist es zu danken, daß nunmehr au von dem fossilen Pferde, auf das man erst in leßter Zeit aufmerk- sam geworden, Schädel und Knochenreste in größerer Anzahl dem Museum einverleibt sind. Die hier ausgestellten Fur find im Braunschweigischen ausgegraben worden. Auch die fossile Kuh ift jeßt in recht carakteristishen Schädeln u. dergl. vertreten, während vom Bos primigenius, dessen Schädel das Greifswalder Museum als Unikum besißt, nur eine Gipsnachbildung vorhanden ist. Das werthvollste Stück dieser Sammlung dürfte jener mopsähnliche Kuh- \chäâdel sein, der, aus Südamerika stammend, {hon von Darwin er- wähnt wird und dessen sich kein anderes Museum zu erfreuen hat. Die Schädelsammlung der Schweine, deren Grundstock von Hrn. von Nathufius für 40000 M erworben, steht wohl unübertroffen da. Das Museum besißt auch das Skelett des größten Hundes, der bisher exiftirt hat; es war das die deutsche Dogge „Mars“, die einft Hrn. Mestern-Charlottenburg gehörte. Eins der werthvollften und interessantesten Stücke der Hundeschädelsammlung ist der Schädel des fossilen Bronzehundes, den das Museum dem- Prof. Nehring verdankt. Daß Berlin, namentlih aber die Rirxdorfer Sandgruben,

Bezug auf die Zuchtergebnifse. r

manchem Berliner noch neu sein. Das Museum besißt eine ganze Menge dieser Funde. Ein Glanzpunkt ter zoologijden Abtheilung ift die neubeshaffte Modellsammlung vor. Racepferden und Rindern, die auf Veranlassung des Prof. Settegast, zumeist nah lebenden Vorbildern vom Prof. Wolff und Bildhauer Landsberg neuerdings modellirt sind. Die erste Etage ist der botanischen Abtheilung eingeräumt. Gerade ihre Besichtigung dürfte aub dem Laienpublikum hohes Jnterefse bereiten, da wohl keine ähnlihe Samm- lung so instruktiv und allgemein verständlih geordnet ist, wie gerade diese. Von allen Pflanzen, die als Nahrungsmittel dienen, werden zugleich die einzelnen Beftandtheile in den Prozentsäßen, in denen sie in der Pflanze vorkommen, vorgeführt, und ist es so mögli, auf änen Blick den Werth der Nahrungsmittel zu erkennen. Vergleichsweise werden in ähnlicher Art auch die Bestandtheile von Fleisch und Milch dargestellt. In der Abtheilung „Gerjte“ finden wir auch solche aus alten Gräbern Egyptens, die nunmehr über 2000 Jahre alt ist. Auch die Weizenkörner und die Erbsen, die Virhow aus Troja mitgebracht, \find neuerdings dem Museum einverleibt. Ihre im Vergleich zu unsern jeßigen Sorten geringe Größe zeigt, daß unsere Landwirth- \caft im Laufe der Jahrtausende doch fortgeschritten ift, auch in Noch mehr als beim Getreide tritt das bei den Erbsen hervor. Hochinteressant sind vor Allem dann au jene Hafer- und Maisrefte, die die DDr. Reiß und Stübel gelegentlib threr leßten Reise aus den Inkagräbern in Peru aus- gegraben Gerade diese Sachen haben sich ganz wunderbar erhalten, einmal weil der Boden sehr salzhaltig ist, und dann auch, weil es in Peru fast gar nicht regnet. Seit 1848 hat das Land nur 5mal Regen gesehen. Die dabei gleichzeitig gefundenen prachtvollen Gewänder zeigen einen den modernen Anforderungen \ich derartig anpassenden Geshmack, daß die bekannte Firma Gerson u. Co. hierselbst bereits ernstlih mit dem Gedanken umagegangen ift, die Ge- wänder zu imitiren, um sie als „neueste Mode* einzuführen. Auch Bohnen sind in den Gräbern von Peru gefunden worden, und es hat sich dabei gezeigt, daß nicht Asien, wie man bisher immer annahm, sondern Amerika das Vaterland dieser Pflanze ist, die auch hier viel mehr gegessen wird als in Asien. Nebenbei sei bemerkt, daß das Museum die größte Sammlung von Gartenbohnen besißt, die es So s, Die interrefsante Besichtigung dehnte sich über eine unde aus.

Der Berliner Hausfrauen-Verein, der z. Zt. 1789 Mitglieder umfaßt, hielt gestern in Sommers Salon seine dies- jährige Generalversammlung ab. Der Verein hat bekanntlih im November v. J, den Betrieb der damals noch in der Beuthstraße be- legenen Verkaufsstelle aufgegeben, als er vor einem Defizit von 7000 Æ ftand. Nur Firma und Inventar sind noch Besißthum des Vereins. Die Thätigkeit hat sich nunmehr aus\{ließlich auf die Stellenvermittelung, die Ko Hschule und die Armenunterstüßung er- \streckt. Bei der Stellenvermittelung ftanden 3483 Stellen- suhenden 1619 Herrschaften gegenüber. In 1026 Fällen war die Vermittelung von Crfolg, Die seit nunmehr 6 Jahren bestehende Kochs{ule des Vereins hat ins- gesammt 616 Schülerinnen ausgebildet; davon entfallen auf das vorige Jahr 216. Augenblicklih erhalten 23 junge Damen dort Unterricht. Die Unterstüßungskasse hat vom April bis Anfang De- zember v. J. ihre Fürsorge über 334 Familien ausgedehnt; vom De- zember bis April d. J. konnten von den 3432 Hülfesuchenden 540 pan t berücksichtigt werden. Von ihnen erhielten 203 Lebens- mittel, Kleidung u. dgl., 327 Volkéküchenmarken, deren insgesammt 2633 vertheilt wurden. Im Ganzen wurden für die Armenpflege 1434 M verwendet. Außerdem wurden zu Weihnachten 40 Familien beshenkt. Das Vermögen der Unterstüßungskasse beträgt z. Z. A In derselben Versammlung wurden die Statuten ge- ändert.

Der Allgemeine deutsche Musikverein wird seine dies- jährige TonkünstlerversammlunginLeipzig veranstalten, und zwar in den Tagen vom 3. bis 6. Mai. Dieselbe wird \echs Concerte umfassen : 3. Mai (Himmeltahrt), Nachmittags 3 Uhr, Thomaskirche : Oratorienconcert des Riedelshen Vereins; 3. Mai, Abends 7 Uhr, Gewandhaussaal und 4. Mai, Vormittags 11 Uhr, ebendaselbst : zwei Kammermusikaufführungen; 4. Mai, Abends halb 7 Uhr, großes Concert im Neuen Stadttheater, veranstaltet von Hrn. Direktor M.

5. Mai, Abends 7 Uhr, Concert in der Nicolaikirche ; ormiitags 11—2 Uhr, großes Concert im Krystall- Palast. Von auszuführètnden Werken sind u. A. zu nennen: Borodin, Es - dnr - Symphonie; Brahms, „Parzengesang®“ und Violinconcert; Cornelius, Männercböre; Felix Draeseke, H-moll- Requiem für Chor und Orchester ; Giovanni Gabrieli, Sonate für Trompete, 6 Posaunen, Bratschen und Violoncelli ; Adalbert von Goldschmidt, Vorspiel und Duett aus: „Die Mo Todsünden“z E. de Hartog, Suite für Streichquartett; von Herzogenberg, Duo für 2 Pianoforte; H. Huber, Orgelkomposition; Fr. Kiel, Piano- forte-Quintett, A dur; R. Korsakoff, Streichquartett; Frz. Liszt, Kyrie und Gloria aus der C-moll-Messe, Pianoforte-Concert, un „Prometheus“ (\ymphonishe Dichtung und Chöre); von Mibalowih, He Ente für Orchester; Rich. Müller, Motette für Männer- timmen; C. Piutti, Orgelfuge; J. Raff, „Liebesfee“ für Solo- Violine und Orchester; W. Rust, Motette für Männerstimmen ; Rob. Schumann, Mignonlieder; Heinr. Schüt, „Die sieben Worte“, Pas- Fons-Oratorium; Richard Wagner, Fausi Ouverture; Vorspiel und Sqlußscene aus dem I. Aufzug des „Parsifal,, Kaisermarsch.

Der Fabrikant des Dr. l Zerenershen Patent-Antimerulions (gegen Hausshwamm), Hr. e Schallehn in Magdeburg, hat vor Kurzem eine Anleitang zur Beseitigung des Buen aas herausgegeben, die er gratis und franco ohne Verbindlichkeit ver- sendet. Derselbe liefert ein flüssiges 30gradiges Silicat, das haupt- P d mit Borsäâure und Chlornatrium präparirt ist und zum An- trih des Holz- und Mauerwerks sowie zur Desinfizirung des Mörtels und Füllmaterials 2c. dient, sowie zwei trockene Sorten Antimerulion, präparirt mit den gleihen Stoffen, die noch den Vorzug besitzen, die Feubtigkeit, die das Shwammgewächs erzeugt, nah erfolgter Tödtung desselben dem Mauer- und Holzwerk wieder zu entziehen.

Warschau, 26. April. (W. T. B.) Bei einem in der ver- flofsenen Nacht in einer Tischlerwerkstatt ausgebrochenen Feuer fanden 16 Personen den Tod in den Flammen. Jn Folge eines Strikes der Fabrikarbeiter in Zyrardow wurde zur Verhaf- tung der Anführer Militär dorthin abgeshickt. Es mußte, da das

Stägemann ; 6. Mai,

macht werden, wobei 2 Arbeiter getödtet und 5 andere s{hwer ver- wundet wurden. A E

Morgen, Sonnabend, findet in Krolls Etablissement das 5, und e populäre Concert unter Leitung des Prof. Klindo worth statt. Als Solift wirkt Gmile Sauret mit, welcher das Violin- concert von Ernst mit Orchester und seine Rhapsodie russe zum Vor- trag bringen wird. Von Orchesterwerken gelangen die Ouverture zu „Romeo und Julie“ von Tschaikowsky, Wagners „Siegfried-Idyll*, das „Fiesco“-Vorspiel von Lalo und auf Wunsch Klughardts III. Sin- fonie zur Aufführung.

Am Sonntag findet das leßte Sonntagsconcert des Phil- harmonischen Orchesters statt. Die dervarrageten Solisten 2e v idi werden darin mitwirken. . Der Eintrittspreis beträgt

Redacteur: Ried el.

Verlag der Erpedition (Kessel). Druck: W. Els ner. . Vier Beilagen

Berlin:

erträge im Jahre 1881, eine Uebersicht der Hagelschläge von 1828 bis 1882 einschließli, die Grgebnifse der Fruhtmärkte im Jahre 1881, der

als Fundorte von Mammuthszähnen bekannt sind, dürfte selbst

(einshließlich Börsen-Beilage).

Militär mit Steinen beworfen wurde, von der Waffe Gebrauch ge-

Term

Nichtamfliches.

Preußen. Berlin, 27 April. Jm i S x weiter - Las der gestrigen (72.) Sigzung v Reit e Be le zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Krankenversiherung der Arbeiter mit 8. 22 fort- E P S lautet nah dem Kommissionsbeschlusse:

flir sämmtliche Kassenmitglieder beginnt das Rega

Le T nale (L a pee toe teten Mind

tun; mit dem Zeitpu i Mitglieder der Kasse geworden \ind @ 12) Von aen sie dern, welche nadbweisen, daß sie bereits einer anderen Krankenkasse angehört oder Beiträge zur Gemeinde-Krankenversicherung geleistet haben, und daß zwischen dem Zeitpunkt, mit welcem \ie aufgehört baben, einer solchen Krankenkasse anzugehören oder eiträge zur See E ram eenpersüderung zu leisten, und dem Zeitpunkte, in welchem sie Mitglieder der rts-Krankenkasse geworden find G nit

e N EEYeOn Wochen liegen, darf ein Eintrittëgeld nit er-

Soweit die vorstehenden Bestimmungen ni kann durch Kassenstatut bestimmt werden, af S Me aeben, Unterslüßungen der Kasse erst nab Ablauf einer Karenzzeit beginnt und daß neu eintretende Kafsenmitglieder ein Eintrittsgeld zu zah- len haben. Die Karenzzeit darf den Zeitraum von fechs Wochen das Eintrittsgeld darf den Betrag des für ses Wochen zu [ci- stenden Kassenbeitrages nicht übersteigen.

Durch das Kassenstatut kann ferner bestimmt werden :

1) daß - Kafsenmitglieder, welche die Kafse wiederholt dur Betrug geschädigt haben, von der Mitglied|chaft auszuschließen

sind;

2) daß Mitgliedern, welhe \ich die ei i

e Ae Fruntfäligleit, a A S ugezogen haben, das ftatu äßige Kra: A E Po R währen i; PDNGe \BTEIdO: Sas HhE 3) daß einem Mitgliede, welches die äßi tens unterstüßung uma din ah e de aae für dreizehn Wochen bezogen hat, bei Eintritt einer neuen Krank- heit nur der geseßliche Mindestbetrag der Krankenunterstütung und die volle statutenmäßige Krankenunterstüßung erst wieder gewährt wird, wenn zwischen der leßten Unterstüßung und dem Eintritt der neuen Krankheit ein Zeitraum von dicitn Wochen oder mehr liegt Sofera das Statut nihts Anderes bestimmt, ist den Mit- gliedern, welche gleichzeitig anderweitig gezen Krankheit versidert sind, die statutenmäßige Krankenunterstüzung so weit zu fürzen, als

C le s N Se Versicherung bezogenen

h cnunterstütung, den vollen i ur \chbnittlicbe

. Tagelohnes übersteigen würde. eI9g E M PRHEVen

Hierzu ages E a 4 vor:

on den Zbgg. Dr. Gutfleish und Dr. :

Der Reichstag wolle bee, BaaIde

in §, 22 Absaß 2 Nr. 2:

1) die Worte „dur eigenes grobes Vershulden® zu streichen z

i vor „Trunkfälligkeit“ zu seßen: „vorsäulih oder dur ch schuldhafte Betheiligung bei Sclägereien oder Raufhändeln“ ;

9) E E n 2 A g zu lek:

2) da tgltedern, welcbe fich die Krankheit vorsätzlîi

durch s{uldhafte Betheiligung kei SAl n ae Ra Eee

durch Trunkfälligkceit oder ges{&lechtlihe Ausschweifungen zugezogen

haben, das statutenmäßige Krankengeld gar nicht, oder nur theil- weise zu gewähren ist“,

Von den Abgg. Dr. Buhl und Gen.:

Der Reichstag wolle bescbließen : als Nr. 4 im zweiten Alinea hinzuzufügen : v4) daß au andere als die in den §8. 1, 1a. und 2 genannten

Personen als Mitglieder der Kasse aufgenommen werden können.“

Vom Abg. Leuschner (Eisleben):

Der Reich8tag wolle besc{ließen : ___im leßten Alinea statt „den vollen Betrag* zu seßen: „Drei- viertel des Betrages.

__ Der Abg. Dr. Buhl erklärte, das System der frei- willigen Versicherung, das in der Kommission zur Annahme gelangt sei, stelle eine der wesentlichsten Ver- besserungen dar, die durch die Kommission überhaupt an der Vorlage vorgenommen worden seien. Diese freiwillige Ver- fsiherung müsse aver nah seiner Ueberzeugung noch weiter ausgedehnt werden, und das bezwecke sein Antrag. Dem- jenigen kleinen Gewerbetreibenden, z. B. Shuhmacher oder Schneider, der für Fabrikanten oder Konfektionäre arbeite, würde der Eintritt in die Versiherungskasse ohne weiteres ge- stattet sein, wohingegen derselbe Meister, wenn derselbe für Privatkundschast arbeite, des Rehtes zum Beitritt in die Kasse verlustig gehen solle. Ec wünsche, daß auch diese Klasse der kleinen selbständigen Handwerker Zutritt zu der Kasse haden solle, ebenso wie die bereits früher erwähnte Kategorie der Schreiber, die bis jeßt vollständig unberücksichtigt geblieben seien. Ein Bedenken könne der Äntrag absolut nit haben, da es ja auf der einen Seite dem Meister unbenommen bleibe, der Kasse beizutreten, und ebenso auf der andern Seite die Kasse über die eventuelle Aufnahme desselben Be- {luß fassen könne.

Der Abg. Leuschner (Eisleben) bemerkte, das Kranken- geld müsse immer im Verhältniß zum Lohne stehen. Vom Standpunkte allgemeiner Humanität sei ja zu wünschen, daß jeder Arbeiter nicht nur viel verdienen, sondern im Falle einer Krankheit auch möglichst viel Krankenentschädigung er- halten möge, aber alle diese Wünsche müßten do im- mer im Rahmen der Möglichkeit sich bewegen. Man werde zugeben müssen, daß die weniger gewissenhasten Arbeiter unter Umständen auch ganz ent- \huldbare Neigung haben würden, in Fällen, wo eine geringe Jndisposition sie bewegen könne, sich krank zu melden, dies auch sehr gern thun würden, und sich so auf billige Weise und auf Kosten der Kollegen ein bequemes Leben verschaffen würden. Das seien menshlihe Schwächen, die nicht allein in . Arbeiter- kreisen, sondern auch in höheren Kreisen beobachtet werden fönnten. Um aber diesen Eventualitäten vorzubeugen, wünsche er, daß au im Falle der Doppelversiherung der Betrag des Krankengeldes nur drei Viertel des Lohnes betragen jollte. . Der Paragraph enthalte außerdem in seiner jeßigen Fassung die Bestimmung, daß sür den Fall der Doppelversiherung nicht der durhschnittliche ortsüblihe Lohn, sondern der wirk: lihe Verdienst des Kranken berehnet werden solle. Auch das sei eine bedenkliche Bestimmung, die festzuhalten für die ver-

E i __ Erfte Beilage zum Deutschen Reichs-Auzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 98.

Berlin, Freitag, den 27. April

__ Der Abg. Dr. Gutfleisch erklärte, sein jeßziger A i die Konsequenz seines früheren Antrages Ano 6, a irgend welchen Gründen abgelehnt sei. Es sei sein Be- streben, die Unterstüßungsbedürftigen nah Möglichkeit von allen Zweifeln zu reinigen. Bei dem vorliegenden Para- graphen sei die in seinem Antrag erörterte Frage noch von höherer Bedeutung als beim §. 6, und die ganze Wirkung des Geseyes würde wesentlih abgeschwäht, alle damit beab- sichtigten Wohlthaten wesentlih verringert werden. Ec bitte daher, lesen s An

Ler Abg. Lohren erklärte, die Kommission sei na Diskussion zu dem Resultat gekommen, wi cs (od Mog der Billigkeit entspreche, den Ausschluß wegen grober Ver- {ulden aufrecht zu erhalten. Er habe sich für den Antrag Buhl und Gen. erklärt, der ganz den Jntentionen entspreche die die Kommission bei Durchberathung der Geseze ge- [eitet hätten. Der Hauptwerth des ganzen Gesetzes liege für ihn im vorliegenden Paragraphen, der nicht allein von Doppelversicherung und von Eintrittszeit, sondern auh von gänzlicher oder theilweiser Entziehung des Krankengeldes oder der Mitgliedschaft sprehe. Diese Zusammendrängung so vieler wichtiger Bestimmungen in den wenigen Zeilen des Paragraphen sei außerordentlih verwirrend, so daß auch die Kommission in der ersten Lesung nit leiht darüber hinweg- getommen sei. Es lasse si nicht verkennen, daß die Bestim- mungen über die Karenzzeit ganz außerordentlich böse Folgen haben würden, und fast immer s{ädlih, niemals nützlich wirken könnten. Bei einzelnen gut situirten Kassen möge die Fest- seßung der Karenzzeit in dieser Form angängig sein, im All- gemeinen aber sei sie durhaus niht zu empfehlen, Der statuirte Unterschied zwischen einem Arbeiter bei feinem Ein- tritt in die Fabrik, und einem Tagelöhner, einem landwirth- schaftlihen Arbeiter, sei unhaltbar, der Unterschied sei Willkür. Auf der anderen Seite müsse er sih ganz entschieden gegen das hier festgeseßte Eintrittsgeld aussprehen. Wenn man die arbeitende Bevölkerung ganz Déutschlands zwinge, den Kassen beizutreten, dann müsse man nothwendigerweise auch das Ein- trittsgeld verbieten. Ein solhes würde nur dann zulässig sein, wenn der Arbeiter überhaupt zum ersten Mal in cine Kasse trete, nit aber, wenn derselbe eine andere Beschästigung annehme, Wie ein Geseg viele Bürger gegen ihren Willen zwingen könne, einer Krankenkasse beizutreten, und diesen Leuten obendrein ein Eintrittsgeld bis zum Betrage von 6 Mal 3 = 18 Proz. ihres Wochenlohnes abzunehmen, um in den ‘Zwang zu gelangen, das vermöge ex nitt zu fassen. Wie ost komme es vor, daß Arbeiter im Winter in Brauereien , Zuckerfabriken , Gasanstalten, Kohlenzechen , Steinbrüchen 2c. beshästigt würden, während sie zur Sommerzeit, wo diese versiherungspflichtigen Arbeiten reduzirt würden, monatelang im Garten und auf dem Felde arbeiteten. Leßtere Beschäftigung unterliege dem Versicherungs- zwange im Allgemeinen niht. Komme also ein solcher Arbeiter im Herbste zur Winterarbeit zurück, so solle derseibe von Neuem „ein Eintritlsgeld in Höhe von 6 Wochenbeiträgen zahlen, und außerdem 6 Wochen Karenzzeit durchmachen“. Man habe hierauf erwidert, daß der Arbeiter nach §. 23 es in der Hand habe, au nach seinem Austritt aus dem Betriebe, Kassenmitglied zu bleiben. Das sei allerdings rihtig. Man solle hierbei aber niht vergessen, daß dieses Vergnügen sehr theuer sei, denn ein solches Kassenmitglicd sei verpflichtet, nicht blos seinen eigenen Beitrag, sondern auch den des Arbeitgebers fortzu- zahlen. Wenn das Haus dieseBestimmungen annehme, dann gebe es nur ein Mittel, wie der Arbeiter all diesen Quälereien und Eintrittsge!1dern entgehen könne und das sei der Eintritt in eine freie eingeschriebene Hülfskasse. Das hätten die Freunde des freien Hülfsskassenweseas in der Kommission sehr wohl er- kannt, und deéhalb hätten fie für die Regierungsvorlage und gegen Streichung der beiden ersten Absäßze gestimmt. Würden diese Bestimmungen angenommen, so würden ganz besonders die Gewerkvereinskassen freie Bahn bekommen, ihre Agitation auf die landwirthschaftlihen Arbeiter auszudehnen. Er könne daher nur warnen, Bestimmungen in das Gesetz aufzunehmen, welche geeignet seien, die ländlichen Arbeiter unvermerkt der Agitation centralisirter Hülfskassen zu überliefern. Hierin lägen neue sozialpolitische Gefahren, deren Tragweite gar nit abzusehen sei. Er zweifle allerdings keinen Augenblick, daß der Abg. Dr, Hirsch diese seine Bedenken ebenfo als Schwarz- seherci und als „tragi-Tomish“ bezeichnen werde, wie dies bei 8. 15 geschehen sei. Dr. Abg. Hirsch werde wiederum sagen, daß seine Warnungen nur aus Zorn und Neid, aus Haß gegen seine „bescheidene“ Person und aus Fanatismus für Arbeitgeberinteressen hier vorgebradht worden seien. Er über- lasse es Abg. Hirsch, diese Sammlung carakteristisher Aus- sprüche zum Nugen und Frommen seiner Parteipresse heute O zu en, D ais nur sagen, daß ihm as £00 aus dem Munde des Abg. Hirsch unangenehme M NE M S y He O ads Der g. Büchtemann erklärte, man sei gewöhnt, den Haß des Abg. Lohren gegen die Genossenschaften, weil ‘dem- selben sachliche Gründe fehlten, in persönlichen Angriffen fich Luft machen zu sehen, aber damit mache der Abg. Lohren nur Propaganda für diese Genossenschaften. Er glaube nitt, daß der Antrag Leuschner der Simulation ein Ende machen werde, halte es aber für Unrecht, die Versicherung, soweit sie nicht Ueberversiherung sei, zu beschränken.

Der Abg. Dr. Hirs bekämpfte den Anirag Buhl, weil derselbe über die den Rahmen des ganzen Gesetzes bildende Zwangsversicherung hinausgehe und so das System ändere. Uebrigens werde der Antrag Buhl nit cinmal allen kleinen Gewerbetreibenden helfen, sondern gerade die dur Alter oder Kränklichkeit am {limmsten Situirten blieben außerhalb der Kassen. Auh den Antrag Leushner möge man aus den von anderer Seite s{chon vorgebrachten Gründen ablehnen. Da der Abg. Lohren keinen An- trag gestellt habe, so könne er nur annehmen, daß seine ganze Rede aus Unmuth gegen ihn entstanden sei, und ihn zu weiteren Widerlegungen provoziren sollte. Er werde dem aber nicht nachgeben, und sih nicht das billige Vergnügen machen,

siherten Arbeiter selbst niht empfehlenswerth sein würde, Aus diesen Gründen bitte er, seinen Antrag anzunehmen.

13,

alle Amendements, besonders wegen der prakti Schwierig- aan ns Ds A würden. N Y MRAGGS : er Abg. Dr, Hammacher (Essen) glaubte, daß allerdi die geringere Unterstüzungssumme die Sine E E Hs e E Me doch die Loreynung des An- , weil erfahrungsmäßig di i M Menge eligiagen, E O Ee er ß. &FrYr. von Hertling bekämpfte den Antra Buhl mit den shon vom Abg, Hirsch vorgebtadten Gründen und empfahl den Antrag Gutfleish, wenngleih auch die aus e ndig Bd e E Sicherheitsmaßregeln ent- 1 en vom Gen j - idliesen müßten. g enuß der Unterstüßung aus er Abg. von Kleist-Rezow bemerkte, der Rahmen Geseßes sei dazu da, um bei den Zwangskassen Mett e Form zu finden, wie sie möglih sei. Wenn nun derartige Kassen dem Rahmen des Geseßes entsprechend gebildet worden seien, warum solle es dann nicht zulässig scin, Bedürfnisse auf die man stoße, hineinzufügen in die {chon bestehenden Kassen. Die Handwerker auf dem Lande seien, wie der Abg. Buhl ganz rihtig ausgeführt habe, selbständige Handwerker ; allein ihre materielle Stelung sei in der That faum eine andere, wie die ber Gesellen. Diese Handwerker wür- den als solche versiherungspflihtig sein, wenn auf dem Lande Kassen gebildet werden könnten, was aber nicht angehe, da inan von ihnen keine Beiträge einfordern könne. Dieselben seien «ugenblicklih in einer weit shwierigeren Lage als die 6 A Handarbeiter. Für letztere sei es leiht, in eine Krankenka e zu kommen; s{wieriger dagegen für den Handwerker. Nach seiner Ueberzeugung bestehe kein Hinderniß den Antrag Buhl anzunehmen. Was den zweiten Antrag Gutfleisch anbetreffe, so freue er sih über denselben aus dem Grunde, weil die Zähigkeit und Treue des Antragstellers, der selten die Majorität des Hauses für \ih habe, die gleiche bleibe. Er erkläre sich nicht gegen den Antrag, sondern er habe nur den Wunsch, daß bei der dritten Lesung der 8. 6 der Gemeindeversiherung ebenso gefaßt werden sollte, wie es hier gegenwärtig geschehen werde. Bezüglich des Antrages Leuschner gebe er eine größere Gefahr der Simulation zu. Doch wichtiger für ihn sei es, daß ein Arbeiter so viel auf- biete und spare, daß derselbe in einem solhen Falle für die “id u Cert E habe. Er bitte also vor allen , daß da aus die beiden ( i Buhl annehme. Anträge Gutfleish und

Ver Ubg. Stolle hielt es für unrecht, da auf die Versicherung bei anderen Rae oder Al i Un diesen gezahlten Beiträge Nücksiht nehme. Nur der Arbeiter werde die Versicherung bei mehreren Kafsen nalhsuchen, dem es darum zu thun sei, im Falle einer Krankheit eine hohe Unterstüßung zu erhalten. Diese gewiß lobenswerthe Absicht wolle man nun durch die Vorlage unmöglich machen. Die Simulation einer Krankheit könne nicht vermieden werden auch nicht dur die vorliegenden Anträge. d

Die Diskussion wurde geschlossen.

Nach einem kurzen S{lußwort des Referenten Abg. Frhrn. von Malgahn-Gülg, der nochmals unter Hinweis auf den Kommissionsbericht die Kommissionsfassung empfahl, wurde, unter Ablehnung des Antrags Buhl sowie des Antrags Leuschner, der Kommissionsantrag mit dem Antrage Gut- fleisch mit großer Majorität angenommen.

g. 23 lautet nah dem Vorschlage der Kommission : „Kassenmitglieder, welche aus der die Mitgliedschaft begrün- denden Beschäftigung ausscheiden und nit zu einer Beschäftigung

Übergeben, vermöge welcher sie Mitglieder einer anderen der in den §8. 13, 53, 63, 67, 68 bezeibneten Krankenkassen werden, bleiben so lange Mitglieder, als sie die Kassenbeiträge zu den statutenmäßigen Zahlungsterminen fortzahlen und sich im Gebiete des Deutschen Reiches aufhalten, sofern fie ihre dahin gehende Ab- sit binnen einer Woche dem Kassenvorstande anzeigen. Die Zah- lung der Beiträge zum erften Fälligkeitstermine ist der ausdrück- lichen Anzeige gleich zu erachten.

Die Mitgliedschaft erlischt, wenn die Beiträge an zwei auf- einander folgenden Zahlungsterminen nit geleistet werden.

,_ Dur Kassenstatut kann bestimmt werden, daß in diesem Falle für nicht im Bezirke der Gemeinde sih aufhaltende Mitglieder an die Stelle der in §. 6 Absaß 1 Nr. 1 bezeichneten Leistungen cine Erhöhung des Krankengeldes um ein Viertel bis ein Drittel seines Betrages tritt.

Ueber die Einsendung der Beiträge, die Auszahlung der Unter- stüßungen und die Krankenkontrole für die niht im Bezirke der Gemeinde si aufhaltenden Personen hat das Kassenstatut Bestim- mung zu treffen.“

Der Abg. Leuschner beantragte, statt des Aufenthalts im Deutschen Reih den Wohnort im Gemeindebezirk des bisheri- gen Aufenthalts oder im Gemeindebezirk der leßten Beschäfti- gung außer der weiteren Beitragszahlung zur Bedingung der weiteren Mitgliedschaft bei der Kasse zu machen.

Der Abg. Leuschner (Eisleben) empfahl seinen Antrag um der Erleichterung der Kontrole willen, während der Abg. Prinz Radziwill (Beuthen) auf Grund der in den Oberschlesi- schen Vergbaudisirikten gemachten Erfahrungen ihn abzulehuen bat, um an der Freizügigkeit der Arbeiter niht zu rütteln.

_ Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Ge- heime Ober-Regierungs-Rath Lohmann , das Wort:

Meine Herren! Jh möhte Sie doch bitten, den Antrag des Hrn. Abg. Leuschner abzulehnen und zwar um deswillen, weil er einem Gedanken entgegentritt, dem bei der Abfassung dieses Paragraphen eine besondere Wichtigkeit beigelegt is. Nach der Auffassung, auf welcher die Vorlage beruht, wird es für den Arbeiter als ein Vorzug angesehea, wenn er einer organisirten Kranken- kasse angehört und nicht nöthig hat, der Gemeinde-Krankenversiherung anheimzufallen. Nun kann aber der Fall \o liegen, daß der Arbeiter, welcher seine Beschäftigung wechselt, aus einer Gemeinde, in der er bis jeyt einer organisirten Krankenkasse angehört, in eine andere Gemeinde Tommt, wo er eine organisirte Krankenkasse, in die er wieder eintreien könnte, nicht vorfindet, und dann würde ihm, wenn der Antrag des Hrn. Abg. Leuschner angenommen würde, nur die Gemeinde-Krankenversiberung übrig bleiben. Dies ist der eigentliche Grund gewesen, warum man dieses Recht konstruirct hat.

Ich glaube nun auch, daß die Bedenken, die gegen dieses Recht geltend gemacht find, nicht so erhebli sind. Der leßte Absay des Paragraphen \{reibt vor, daß das Statut dafür Vorsorge treffen

dem Abg. Lohren zu widerlegen. Der Abg. Prinz Radziwill (Beuthen) erklärte sich gegen

joll, wie in diesem Falle die Beiträge einzuzahlen, die Unterstüßungen auszuzahlen find und in welcher Weise die Kontrole geübt Tobenón