1904 / 91 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 18 Apr 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Ich möchte auf einige Ausführungen des Herrn Freiherrn von Dúrant antworten, weil er direkte Anfragen gestellt hat. Was zu- nächst die Frage über die innere Kolonisation Oberschlesiens betrifft, so kann ich mich auf die Ausführungen meines Herrn Kollegen, des Ministers des Innern von Hammerstein beziehen, der meiner Ansihht nah flar und treffend die Antwort bereits gegeben hat. Ebenso glaube ih hier widersprehen zu müssen, daß die Regierungspräsidenten dur die Prüfung der Anträge besonders belastet würden. Jh halte es für unbedingt geboten, daß nah dieser Richtung von Aufsichts wegen eingegriffen werden kann.

Herr von Dúrant hat dann in freundliher Weise eine Apostrophe an die Regierung beziehungsweise an mich gerichtet, indem er sagte, es sei ja allerdings angenehmer und bequemer für die Negierung, die innere Kolonisation den Banken zu überlassen, als sie selbst in die Hand zu nehmen; die Regierung solle Domänen kaufen. Zunächst möchte ich Herrn von Dúrant die Frage vorlegen: Wovon soll ih denn Domänen kaufen? Wenn er mir die Mittel zur Verfügung stellt, sehr gern! Aber etwas aussprehen, ohne die Konsequenzen davon zu ziehen, ist leiht. Jh wüßte nicht, wie ih Domänen kaufen follte, ohne die Mittel dazu bewilligt zu erhalten. Es fragt sich, ob man der Staatsregierung neue Mittel zum Ankauf von Domänen in die Hand geben will, was für die Verwaltung wohl angenehm sein Eönnte, aber auh seine Bedenken hat. Jm allgemeinen muß ih immer wieder betonen, daß eine innere Kolonisation nur dann angebracht ist, wenn die Leute auf Stellen angeseßt werden, wo fie wirtshaftlih fortkommen, wobei ich gern zugeben will, daß unter den jeßigen Ver- hältnissen dec Landwirtschaft die Schwierigkeiten, mit denen die Kolo- nisten zu kämpfen haben, größer find als in früheren Zeiten.

Wenn dann Herr Freiherr von Dúrant die Vorschrift des § 13b wohl für Westpreußen und Posen, nit aber ihre Ausdehnung auf die angrenzenden Provinzen und Regierungsbezirke und namentli nicht auf seine Heimat Schlesien zugestehen will, so kann ih demgegenüber nur hervorheben, daß die Kommission zu meiner Freude wohl ziemlich übereinstimmend der Meinung gewesen ist, daß, will man überhaupt die Sache machen, man auch die Konsequenzen für die Nachbarbezirke ziehen muß. Ich würde es verstehen, wenn Herr Freiherr von Dúrant die Vorschrift überhaupt nicht, und infolgedessen au ihre Ausdehnung nicht wollte. Jh kann es aber nicht verstehen, daß er die Konsequenzen der von ihm gewollten Vorschriften nit ziehen will. Das Urteil über einen folhen Standpunkt möchte ih dem hohen Hause überlaffen. Wenn fi die evangelishen Polen polonisierenden Bestrebungen nicht hingeben, warum sollte man da diese Leute als Kolonisten niht zu- Tassen? Aber man darf deshalb doch den Grundgedanken nit ver- wischen. Meine Herren, bei der inneren Kolonisation handelt es ih um eine Frage, die der landwirtschaftlihen Bevölkerung sehr symphatisch sein sollte, nämlih um die Frage, ob man niht das Zer- [lagen von größerem Grundbesiß überhaupt unter eine staatliche Kontrolle stellen sollte. Jch habe schon bei meiner Auseinandersetzung mit Herrn von Buch zum Ausdruck gebracht, daß ih diesen Gedanken gern in Erwägung nehmen würde. Jch kann twoeiter auf eine Ans regung im Abgeordnetenhause hinweisen, ih glaube, sie ging von Herrn von Boelberg aus, der mir bei der Etatsberatung den Wunsch nahe legte, daß weitere Summen für die innere Kolonisation bereitgestellt werden möchten. Das ift eine Angelegenheit, die dahin führen könnte, wie auh in der Kommission erwähnt wurde, die illoyale Konkurrenz von Güterschlächtern hintanzuhalten. Vielleicht ist die Zeit nit fern, wo man nach mancherlei traurigen Erfahrungen in einzelnen Be- zirken eine allgemeine staatlihe Kontrolle der Parzellierung fordern wird. Doch ih komme wieder auf den Hauptpunkt zurückE: Halten Sie, meine Herren, die Vorschrift in Abs. 1 des § 13 þ für notwendig, dann müssen Sie auch die Folgerung daraus ziehen und den Absatz 2 annehmen, fonst würden Sie eine willkürlihe Grenze für die staatliche

Kontrolle bilden und auf der andern Seite die Möglichkeit offen lassen, daß außerhalb jener Grenze gegen das Deutschtum gerichtete An fiedelungs8unternehmungen vor \ih gehen. Ich muß deshalb das bobe Haus dringend bitten, daß cs den Antrag Dúrant, der den Absay 2 des § 136 ftreihen will, ablehnt,

Graf von Hoensbroech: Der Herr Minister hat gesagt, die fatholishe Kirhe wolle an dem Kampfe niht teilnehmen. Das ift falsch. Ich erinnere an die Haltung des Kardinals Kopy und der westlihen Kirchenfürsten, die im Nuhrrevier keine polnischen Seel- lorger zulaffen. die Ansiedlung von Katholiken im Osten, so wird die Geistlichkeit für sie sein.

Minister ‘der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Jh glaube ganz im Sinne des Herrn Ministers des Innern zu handeln, wenn ih seine vorherigen Aeußerungen über

die Haltung katholisch-kirchliher Behörden gegenüber den von der Regierung unternommenen Maßnahmen dahin deklariere, daß er mit diesen Aeußerungen lediglich die Erfahrungen im Auge gehabt hat, die mit fkirchlihen Organen der ehemals polnischen Landesteile gemacht worden sind. Im übrigen kann ih aus eigener persönli{er Wahrnehmung nur das an- erkennende Urteil bestätigen, welches Herr Graf Hoensbroeh über die nationale Haltung der katholisch-firchliden Oberen in deutschen Landesteilen gefällt hat. Ih weiß, mit welchen Schwierig- keiten sie zu kämpfen haben. Ich weiß, welche Zumutungen an sie gestellt werden, und wie taktvoll, in welher durhaus den nationalen Interessen entsprehenden Weise sie diesen Zumutungen begegnet sind. Mit dieser Erklärung wird Herr Graf Hoensbroech hoffentlich si zufrieden geben. (Bravo!) Die gestrigen Aeußerungen des Herrn Grafen von Hoensbroech geben mir aber noch Veranlassung zu folgenden Ausführungen.

Der Herr Graf hat an die Königliche Staatsregierung die Mahnung gerichtet, bei Vergebung von Ansiedelungsstellen katho- lische Ansiedler mehr als bisher zu berücksihtigen, damit das Vorurteil beseitigt werde, als wolle die Regierung protestantisieren. Daß bisher erheblich weniger Katholiken als Evangelische angesiedelt sind, ift richtig. Ih habe das \{chon zugegeben aus Anlaß des Angriffs, den der Fürst Radziwill am 3. März d. F. in diesem hohen Hause gegen die Königliche Staatsregierung in dieser Beziehung gerichtet hat. Die Ansiedelungskommission hat aber und aud das habe ih damals {on erflärt und fann es beute nur wiederholen nur der Not gehorchend, nit dem eigenen Triebe, gehandelt. Zunächst hat die Zahl der katholishen Bewerber um Ansiedelungsstellen vom Jahre 1886 bis jegt nur etwa den zehnten Teil derjenigen der evangelishen Bewerber betragen, In den Jahren 1886 bis 1902 find 34 % der

Sorgt die Regierung für deutshe Geistliche und |

Gesuche Evangelischer, 21 9, der Gesuche von Katholiken berücksichtigt worden, troß des bereits damals angedeuteten Hinderungsgrundes, daß so häufig die nôtigen Garantien für die Wahrung der nationalen Interessen fehlten. Jch muß bitten, daß das hohe Haus dabei er- wäge, welhe Schwierigkeiten in kirhliher Beziehung bei der Nieder- lassung deutscher katholischer Ansiedler zu überwinden find innerhalb, wie ih immer zu betonen habe, der ehemals polnischen Landesteile. Diese deutshen Ansiedler ohne besondere Vorkehrungen in bestehende polnische Paroch!en einzuseßzen, ist nicht angängig. Auch Graf Hoensbroeh hat dies seinerseits in dankenswerter Weise an- erkannt. In bezug auf die Gewinnung einer zuverlässigen deutshen Seelsorge für die Ansiedler stoßen wir aber bei dem polnischen Klerus auf große Hemmnisse. Dieser hat eine Polonisterung der katholischen deutshen Ansiedler vielfah direkt begünstigt, oder doch jedenfalls niht gehindert. Wir haben es erlebt, daß deutshen An- siedlern bei den Reichstagswahlen polnishe Stimmzettel von ihren Geistlichen in die Hand gedrückt worden sind; daß deutsche Predigten und Andahhten niht in dem nötigen oder verabredeten Maße ge- halten wurden, daß deutshe Kinder den polnishen Abteilungen im Kommunionunterrichßt überwiesen worden sind gegen ihren Willen und gegen den Willen der Eltern. Es kommt aber weiter hinzu, daß, wenn katholische junge Ansiedler polnische Frauen heiraten, die aus einer solchen Ehe hervorgehenden Kinder unter den soeben ge- shilderten Umständen fast regelmäßig in polnishem Sinne und in polnischer Sprache erzogen werden. Wir würden also unter Umständen mit der Anseßung von Katholiken ein Element für die Zukunft in die Ansiedelungen hineinbringen, das den nationalen Interessen nicht förderlih sein würde. Diese Schwierigkeiten hat die Regierung zu beachten.

Bei der Haltung des katholishen polnischen Klerus in den ehe- mals polnischen Landesteilen ich muß das hier offen aussprechen muß die Ansiedelungskommission auf ‘einer kirhlihen Versorgung der deutshen katholischen Ansiedler durch deutshe Geistlihe aus ihrer Heimatdiözese bestehen, zumal die deutschen katholischen Ansiedler bei der katholishen deutschen Presse eine Unterstüßung nicht in dem Maße finden, wie es seitens der polnishen Presse bezüglih derjenigen polnischen Ansiedler der Fall ist, die nah den westlichen Provinzen gehen.

Meine Herren, in welcher Weise die national-polnishe Presse die polnischen Arbeiter in dem rheinish-westfälischen Industriebezirke mit nationalpolnischen Ideen versorgt, darf - ih als bekannt vorausseten. Das tut nicht allein die national-polnische Presse, die in dem kern- deutschen Lande durch chauvinistishe Publikationen eine Tätigkeit ent- wickelt, die als Provokation des deutshen nationalen Ehrgefühls be- zeihnet werden kann. Nein, es kommen dorthin auch polnische Geistliche, die sih niht auf eine Pastorisierung der polnischen Arbeiter be- schränken, sondern die ihrerseits die Gelegenheit benugen, in national- polnishem Sinne auf die Arbeiter einzuwirken, in einer Weise, die ih nit als taktvoll bezeihnen kann. Wir haben darüber eine Menge von} Tatsachen gesammelt, die ich jederzeit zur Verfügung stellen kann. Ich will nur die eine nennen, daß einer von den Geistlichen, der öfter Neisen in das westlihe Kohlenrevier unternahm, die Polen ermahnt hat, zunächst keine nationalen Mischehen mit deutschen Ka- tholiken einzugehen, und zwar aus dem Grunde nicht, weil die katho- lische Kirche derartige nationale Mi}hehen nicht billigen könne. Diese nationalen Mischehen kämen den konfessionellen Mischehen gleich, die vom Standpunkt der Kirche durhaus nicht zu billigen wären. Aber das nicht allein, man hat den Leuten geradezu ‘vorgeredet : ihr verliert in dem Augenblick, wo ihr cine Deutsche heiratet, niht nur eure nationale Ehre, fondern auch eure katholishe Religion, denn der deutsche katholische Glaube ist ein ganz anderer, ein minderwertiger. Mit derartigen* Tatsachen haben wir zu rechnen. Die Negierung ist jedoh fortgeseßt bestrebt, unter den Garantien, die wir verlangen müssen, deutsche Katholiken auch in den ehemals polnischen Landes- teilen anzuftledeln. Wir stehen da aber, wie gesagt, einer Reibe von Schwierigkeiten gegenüber, die jedo hoffentlih, wenn das nationale Gefühl der deutshen Katholiken in der Provinz Posen mehr Be- rüdcksihtigung finden wird, auch werden überwunden werden können.

Ich habe zum Schluß nochmals hervorzuh:ben, daß der Gedanke, als ob es sih für die Regierung um die Protestantisierung der be- treffenden Landesteile handelte, durhaus unbegründet is. Es liegt der Negierung nichts ferner. Sie hat nur mit den gegebenen Tat- sahen zu rechnen und naturgemäß die nationalen Nücksichten eifrig zu wahren.

Herr von Koscielski: So blau, wie die Worte des Grafen Hoensbrocch, ist mir lange nichts vorgekommen. Er mei; t, er sei mit dem Geseßz einverstanden, wenn der Besißstand der Katholiken nicht angegriffen werde. Ja, find denn die Polen keine Katholiken ? Wasch? mir den Pelz, aber mahe mich nicht naß, das war die Quintessenz seiner Nede. Ih wende mich jeßt zum Minister. Die Bestimmungen der Formulare, die er gestern vorwies, sind nie zur Anwendung ge- kommen. Ob fie unterschrieben sind oder nicht, das ist ganz gleid)- gültig. Die Leute müssen 44% zahlen. Der Minister meinte, dabei könnten die Leute nicht bestehen. Aber die Leute gedeihen dabei. Es ist also gegen mih nichts bewiesen. Das hat der Herr Minister au felbst gefühlt und hat, als ihm die Gedanken fehlten, zur reten Zeit zum Worte der nationalen Begeisterung gegriffen. Man be- \huldigt die Parzellierungsbanken der Gewinnsuht. Aber sie haben auf je 1 Hektar durhschnittlich nur 47 M. verdient. Wenn deutsche Banken mehr verdienen, ja, Bauer, das ist ganz was anderes. I fann die Verantwortung im Gegensaß zu Herrn von Manteuffel nit übernehmen, hier ja zu sagen.

Herr Dr. Bender- Breslau: Jedes Kampfmittel muß ¿zum Ziele führen. Das hier vorgeschlagene Mittel wird sicher im einzelnen Falle helfen. Aber es werden andere Folgen s{chwerer und dauernder \ein, Ich halte den § 13þ nicht für eine Konsequenz des Ansiedelungs- geseßzes. Denn hier wird niht eine Entziehung von Staatswohltaten, sondern eine Differenzierung des Eigentums gefordert. Das ist eine Agitation8waffe von absoluter Kraft. Der Kulturkampf ift gewiß niht der Grund der Agitation, aber er hat ihr geholfen; er hat das Polentum zur Selbstahtung gebraht. Nah dem Inkrafttreten des Geseyes wird kein Pole eine Neuanstiedlung gründen ; aber er wird den angesiedelten deutshen Bauern aus- kaufen. Das ist leiht an vielen Orten, wo der Bauer auf magerem Boden sißt und ihm der Kampf prekär wird. Das ift au der Grund der Landflucht. Deshalb kommt der deuts{he Bauers- sohn vom Militär niht mehr nach Haufe. Die vorgeshlagene Maß- regel wird nach meinem Dafürhalten dem deutshen Bauern den Auf- enthalt auf seiner Scholle am Ende verleiden. Was den Kommissions- beriht angeht, so meine ih: dieser ist au nur geeignet, die Polen zu stärken. Der BA der das liest, muß si sagen: was bin ich für ein Kerl! Wir brauchen keine Gewaltmaßregeln. Aber wir dürfen niht ungeduldig sein und troy hundertjähriger Vernachlässigung die

Frucht sofort sehen wollen. Bibliotheksgründungen 2c. allein ja nicht; aber alles zusammen wird uns den Sieg verleihen. Gründe bestimmen mi, gegen § 13 b zu stimmen, obwohl der Tendenz einverstanden bin.

Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Nach einem Schlußwort des Berichterstatters Grafen zu Eulenburg wird der § 13þ angenommen.

Zu L liegen die erwähnten Anträge der Herren von Buch und Freiherr von Dúrant und ein Antrag des

Herrn D. Faber, der die Einspruchsfrist auf 3 Monate be- messen will, vor.

Herr von Buch begründet seinen “Antrag mit dem Hinweis ait die Notwendigkeit der Anhörung der öffentlichen Verbände zur Er- reichung des Geseßeszwecks und zur Information des Regierungs, prâsidenten.

Herr D. Faber bemerkt, die zu erwartende Neuregelung sei oft so weittragend, daß die Gemeindebehörden Experten, eventuell die e befragen müßten. Dazu seten drei Monate Frist nt u viel.

Fribere von Dúrant vertritt seinen Antrag, vom Nachweise der Leistungserfüllung bezw. Sicherheitsbestellung dafür die Genehmigung stets abhängig zu machen. Y

Minister für Landwirtschaft 2c. von, Podbielski:

Meine Herren! Nachdem die drei Antragsteller ihre Abänderungs- anträge begründet haben, möchte ich meine Stellung zu denselben flarlegen.

Zunächst glaube ih, daß Herr Dr. Faber \ich in einem Irrtum befindet, wenn er meint, daß die Negierungsvorlage eine Abänderung des bisherigen Rechts enthalte. Das ist niht der Fall, vielmehr ist das bisherige Net in diesem Paragraphen nur lodifiziert worden. Auch daß die Interessenten ungünstiger gestellt werden follen, trifft nicht zu.

Die Anträge von Buch und Dr. Faber unterscheiden fich in der Aus\chlußfrist. Wer nicht eine völlige Unterbindung der inneren Kolonisation herbeiführen will, der darf nicht solche Erschwernisse wie eine Frist von drei Monaten hineinbringen. Der Antrag Faber ist für die Regierung deshalb nicht akzeptabel.

Was nun den Vorschlag des Herrn von Buch anlangt, so nag vielleiht unter den Verhältnissen der östlichen Provinzen mandes dafür sprehen. Aber, meine Herren, wenn Sie Jhren Blick auf andere Provinzen, wie Westfalen, rihten, wo in einem Kreise hunderte von Ansiedelungsanträgen in einem Monate eingehen, dg muß Ihnen der von Buchshe Vorschlag \{chlechterdings als un- ausführbar erscheinen. Durch die unaufhörlichen, vielfa zwecklosen Benachrichtigungen der Verbände würden nur Unrube und Belästigungen in diesen Interessentenkreisen verursacht werden. Jch kann daher das hohe Haus nur bitten, die Negierungsvorlage an- zunehmen, da ich mich auch gegen den Antrag von Buch erklären muß, weil ih darin eine Ershwerung der inneren Kolonisation er- blide. (Sehr rihtig!)) Was endlich den Antrag des Freiherrn von Dúrant angeht, so würden durch diesen Berhbältnisse geführt, die gar nicht zu beschreiben sind. (Sehr richtig!) Sie sih einmal eine große Zeche, einen großen industriellen Unter- nehmer! Herr von Dúrant will im. § 17 Absaß 3 „ist statt „kann“ segen. Die Folge davon würde sein, daß Hunderttausende zu 2 9/0 hinterlegt werden müßten und daß für die Unternehmer dadurch Verluste eintreten würden, die ganz unübersehbar wären. Meine Herren, es is do ein ganz wesentlicher Unterschied, ob ih einer Behörde, einer leistungsfähigen Verwaltung, einer großen Gesellschaft gegenüberstehe, oder einem un- sicheren Güterschlächter!

Ich bitte also die Herren, es nah dieser Nichtung bin [ediglid) bei den Bestimmungen der Gesetesvorlage zu belassen.

Was nun den Schlußsaß des Antrags Faber anlangt, fo liegen au gegen ihn die ernftesten Bedenken vor. Es foll mächtigung erteilt werden über die Köpfe der Interessenten hinweg, das Grundbuch berihtigen zu lassen. Ih glaube, daß das garniht angängig ist. Gerade der Deutscße, der immer so geneigt ist, von seinem Besißtum nah jeder Richtung hin jeden Angriff abzuwehren, würde \sich hiergegen lebhaft \träuben Es würde ja eine solche Bestimmung vielleiht ganz angenehm sein für den betreffenden Prediger oder den Schulvor|tand, aber ich halte es für geradezu unmöglich, daß in ein Geseh kurzer Hand eine fo weit gehende Ermächtigung, wie sie hier vorgeschlagen ist, eingeführt wird weshalb ich mich auch hiergegen wenden muß.

Ih kann also meine Stellung zu den Anträgen dahin zu- sammenfassen: Die verlangten drei Monate würden eine unerträgliche Verzögerung des Kolonisationsunternehmens herbeiführen: eine wesent- lihe Ershwerung von großer finanzieller Tragweite wäre die von Herrn Freiherrn von Dúrant geforderte Ersetzung des Wortes „kann“ dur „ist“, und ih sehe endlich auch in dem Antrage des Herrn „von Buch eine Menge von Ershwernissen, namentli für Provinzen wie Oberschlesien und Westfalen, wo die Industrie hoh entwickelt ist und in kurzen Zwischenräumen Hunderte von An siedelungsanträgen eingehen. Wir haben aber allen Anlaß, jede Er s{chwerung von der inneren Kolonisation fern zu halten, \ofern diese auf gesunden Füßen steht, und deshalb bitte ih um Ablehnung sämt liher drei Anträge. (Bravo !)

Herr Struckmann: Jh bin ganz der Meinung des Herrn Landwirtshaftsministers. j

Herr von Buch macht darauf aufmerksam, daß die Sache in Hannover und Schleswig-Holstein seinem Antrage gemäß geregelt sel.

Geheimer Oberregierungsrat Neumann weist auf die Schwierig- keiten hin, die bei Annahme des Antrags von Buch speziell in West- falen eintreten und die Ansiedlung kleiner Leute erschweren würden.

Geheimer ODberregierungsrat von Falkenhayn spricht si im gleihen Sinne aus. :

Herr von Buch: Die Regierung hat diese Ershwerungen ‘bei Jagdsachen 2c. nicht beseitigt. Da werden Bekanntmachungen und der- gleichen mehr erlassen. Ich meine, die Schule hat dasselbe Maß von Berücksichtigung zu verlangen.

Nach weiteren Ausführungen des Freiherrn von Dúrant und einem Schlußwort des Berichterstatters Grafen zu Eulen- burg, in dem dieser die Annahme der Komnmissionsfassung befürwortet, zieht Herr D. Faber seinen Antrag zurück. l

Der Antrag von v wird angenommen, im übrigen die Kommissionsfassung genehmigt, ebenso der Rest der Vorlage und die am Sonnabend mitgeteilte Nesolution der Kommission.

Es folgt der Bericht der Kommunalkommission über den Geseßentwurf, betreffend Erweiterung des Stadt- kreises Bohum durch Eingemeindung der Landgemeinden Wiemelshausen, Hamme, Hofstede und Grumme. Den Bericht erstattet Herr Zweigert- Essen. Die Vorlage wird unveränder! angenommen.

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Ueber den Geseßentwurf, betreffend die Erweiterung Stadtkreises Breslau durch Eingemeindung von erdain, Dürrgoy, Morgenau und Leerbeutel, berichtet Herr ertel-Liegniß. Er beantragt unveränderte Annahme, und das Haus tritt dem Antrage bei. / i / l Herr Dr. Hammerschmidt berichtet hierauf über die E ioogen, welche die verstärkte Kommission für kommunale Angelegenheiten an dem Gesepgentwurfe, betreffend die Bildung einer Genossenschaft zur Regelung der Yorflut und zur Abwässerreinigung im Emscher- chiet, vorgenommen hat. Sie beantragt, der Landwirtschaft f eine Stelle im Vorstand und in der Berufungskommission juzubilligen. / L i 6 ; Herr Zweiger t-Essen: Nachdem die Kommission alle Bedenken „rstreut hat, beantrage ih die Annahme des Entwurfs en bloc. Der Gesehentwurf wird hierauf im ganzen in der Kom- sonsfassung angenommen. M Serre o Ber beantragt sodann die unveränderte Annahme des Geseßentwurfs, betreffend die Au sdehnung einiger Bestimmungen des Allgemeinen Berggesegzes quf die Arbeiten zur Aufsuchhung von Stein- und galisalz und von _Soolquellen i Der Provinz hannover. Das Haus stimmt der Vorlage ohne Debatte zu. * Graf von Hutten-Czapski berichtet über den Geseß- entwurf, betreffend Aenderung von Amtsgerichts- hezirken, und beantragt, denselben unverändert anzunehmen. Das Haus tritt diesem Antrage bei. Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bildet der Ge- segentwurf, betreffend die Verwaltung gemeinschaft- liher Jagdbezirke. e H “Nach Ablehnung eines Antrags des Grafen Findck von Findenstein, diesen Punkt von der Tagesordnung abzuseßen, berichtet Herr von Rheden über die Vorlage. Die Kom- mission hat eine Reihe von Aenderungen vorgenommen, vor allem den Beginn der Pachtzeit auf den 1. April festgeseßt und eingefügt, daß die Neuverpachtung der Jagd in der Regel zwei Monate vor Ablauf des laufenden Pachtvertrags erfolgen joll. Ferner ermächtigt die Kommissionsfassung die „Fagdgenossenschaft, mit Genehmigung des Kreisaus|usses den Anfangs- und End- termin der Pachtzeit anderweit festzuseßen. Endlich schreibt die Kommission vor, daß bei Selbstausübung der Jagd durch von der Genossenschaft angestellte Jäger als folhe nur großjährige Männer angestellt werden dürfen, gegen die keine Tatsachen vorliegen, die nah §S 6 und 7 des Jagdscheingeseßes vom

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31, Zuli 1895 die Versagung des Jagdscheins rechtfertigen.

Oberlandforstmeister Wesener: Ich habe zu erklären, daß dur den Entwurf an den bestehenden Pachtverträgen nichts geändert werden soll,

Jn der Spezialdiskussion beantragt Graf von Mirbach,

den von der Kommission eingefügten Saß, daß der Beginn der Pachtzeit auf den 1. April festzuseßen sei, zu streichen, weil die bestehenden Pachtverträge zum größten Teil zu einer anderen Zeit abliefen. : : ___ Graf von Haeseler beantragt, Weiterverpachtungen niht nur an die Genehmigung des Verpächters, sondern auch an die der Jagdaufsichtsbehörde zu binden und jeden Pacht vertrag von der Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig zu machen.

Geheimer Regierungsrat Dr. Engelhard befürchtet, daß dadur eine zu große Belastung der Aufsichtsbehörde herbeigeführt werde, und bittet, beide Anträge des Grafen Haeseler abzulehnen.

Die Anträge des Grafen von Haeseler roerden

Antrag des Grafen von Mirbah angenommen, ebenso zwei weitere Anträge des Grafen von Mirbach: die Kom- missionsänderungen, nah denen mit Genehmigung des Kreis- ausshusses der Anfangs- und Endtermin der Pachizeit ander weit festgestellt werden kann und die Neuverpachtung regel mäßig innerhalb von zwei Monaten vor Ablauf des laufenden Pachtvertrags erfolgen soll, zu streichen.

Der Rest des Gesehes wird nah Kommission genehmigt.

Um 6 Uhr ist die Tagesordnung erledigt.

Das Haus vertagt sich darauf bis zum 9. Mai, 2 Uhr. (Kleinere Vorlagen und FJnterpellation Becker, betreffend das

den Beschlüssen der

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Schlachthausgeseß.)

Haus der Abgeordneten. 54. Sigung vom 16. April 1904, 11 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die folgende Fnter- pellation der Abgg. Stößel und Brust (Zentr): „1) Ist der Königlichen Staatsregierung bekannt, daß infolge der Zuteilung der Fördermengen seitens des Kohlensyndikats an die einzelnen Zehen von den größeren Zechen (Gewerkschaften) die kleineren im Ruhrrevier angekauft und stillgelegt werden, um deren Förderquantum zu übernehmen ?

abgelehnt, |

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2) Was gedenkt die Königliche Staatêregierung gegen diese

die betroffenen Gemeinden und deren Einwohner, insbesondere die Bergleute und Gewerbetreibenden, in bedenkliher Weise hädigende Prafktik zu tun?“

Nach der Begründung der Jnterpellation durch den Abg, Stößel, über die bereits in der vorgestrigen Nummer d. Bl, berichtet worden ist, nimmt das Wort der

Minister für Handel und Gewerbe Möller:

Meine Herren! Aufregung wider, die zweifellos in den weiten Distrikten, die von der beabsichtigten Stillegung einiger Zechen betroffen sind, ein- gerissen ist, Meine Herren, an sch is der Prozeß der Stillegung von Zechen in dem südlichen Bezirk des Nuhrgebiets niht etwas Neues, fondern etwas, was ih bereits seit Jahrzehnten allmählih vollzogen hat; gewisse Seitentäler der Ruhr, die vor vier, fünf und sech3 Jahrzehnten noch einen für damalige Verhältnisse nicht unbedeutenden Bergbau hatten, haben heute den Bergbau bereits gänzlih verloren. Ich will aur von dem Deiltal \prehen, welches bei Kupferdreh in das Ruhrtal mündet, und von dem erheblichen Teil des Sprockthöveler Bezirks, bei dem neuerdings wieder eine von den Zechen, die auch hier in Frage kommen, in Betrieb gekommen ist. Dort haben sich, weil die Be- wegung eine allmähliche war, die Verhältnisse von selbst zure(Wtgezogen, und es ist in den dortigen Bezirken Beruhigung eingetreten. In manchen derselben ist sogar an Stelle der früheren Armut zur Zeit des Bergbaues jeßt durh Schaffung neuer Industrien Wohlhabenheit entstanden. Jch rekurriere wieder auf den Ort Kupferdreh, den ih ben {on genannt habe, der vor 50 Jahren, als ich dort als Schul- fnabe zuerst in ein Kohlenbergwerk einfuhr, nur ein armes Bergdorf mit Namen Dilldorf war; heute ift es ein wohlhabender Ort mit erheblicher Industrie, zum Teil mit einer Industrie, die aus den an-

Die Nede des Herrn Vorredners spiegelt die |

grenzenden Texlilbezirken sich übertragen hat. Dasselbe wird si, wie ih niht zweifle, auch mit den jeßt betroffenen Bezirken voll- ziehen; aber derartige Dinge vollziehen sich nicht auf einmal, sondern das kommt allmählich, und es handelt sich für mi nur darum, die entsprehenden Maßregeln zu treffen, damit eine angemessene Ueber- gangszeit vorhanden sein wird.

Die Fortführung von Betrieben, die nicht nur zur Zeit, sondern bereits seit längerer Zeit unrentabel sind, ist nicht mögli; man kann mit keinem Mittel verhindern, daß derartige Betriebe allmählih ein- gehen. Wäre das Kohlensyndikat nicht in den 90er Jahren zustande gekommen, hätte das freie Spiel der geshäftlihen Kräfte in den leßten 10, 12 Jahren gewaltet, so würden wir große Konjunktursprünge gehabt haben ia den Preisen der Kohlen, in den Erträgnissen der Werke, in den Löhnen der Arbeiter, und diese Sprünge sind jeßt ver- mieden; wir würden dann wahrscheinlich das, was jeßt auf einmal eintritt, {hon allmählih haben eintreten schen. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß durch diese Preispolitik des Kohlensyndikats eine Nivellierung der Preise stattgefunden hat: in der Zeit des Auf- \{chwunges, in der leßten Hälfte der 90er Jahre, hat das Kohlen- syndikat verhindert, daß die Preise sehr stark und der Konjunktur anderer Länder entsprechend gestiegen find; nach Ablauf der Frist hat das Koblensyndikat die Preise vielleiht etwas höher gehalten, als es sonst der Fall gewesen wäre. (Hört, hört !) Durch diese nivellierende Tätigkeit des Kohlensyndikats in bezug auf die Preise ist aber au die Rentabilität der Werke, die am Absterben waren, künstlih hoch- gehalten worden (sehr richtig!), und fo ist die Existenz des Kohlen- \yndikats meiner Auffassung nach die Ursache gewesen, daß verschiedene der Werke, deren Stillegung jeßt in Frage kommt, noch weiter betrieben worden sind. Hätte das Kohlensyndikat nicht bestanden, \o würde in der Mitte der 90er Jahre bei den damaligen sehr \{lechten Zeiten und unter der Wirkung der freien Konkurrenz eine folche Depression eingetreten sein, daß {hon damals eine Stillegung dieser Werke erfolgt wäre. (Sehr richtig!)

Meine Hecren, die Zahlen über die Zechen, die stillgelegt werden sollen, und über die Arbeiter, die davon betroffen werden, sind meines Erachtens in hohem Grade übertrieben. Wir wissen wenigstens amtlich nur erst von einer erbeblih beschränkteren Zahl von Zechen, die auch hier von dem Herrn Vorredner genannt worden sind, daß sie wirklich verkauft sind, und von einer sehr kleinen Zahl nur, daß sie wirklich ftillgelegt werden sollen. Nah dem amtlichen Bericht, der mir von dem Oberbergamt vorgelegt ist, ist gegenwärtig bekannt, daß 12 Zechen in den leßten Jahren in die Hände anderer Zechen übergegangen sind, und daß für einen Teil derselben die Stillegung hon eingetreten ist, für einen Teil zur Erwägung steht. Von diesen Zechen ift eine, die Zeche Helene Nachtigall, bereits vor ses oder sieben Jahren stillge- legt, kann also meines Erachtens hier vollständig aus\{eiden aus der Betrachtung. Auch eine zweite Zehe, Steingatt, die gerade in dem

yon mir genannten Bezirk von Kupferdreh liegt, ist auch bereits seit

dort entlassen find, sind nach anderen Nachrichten- im wesentlichen auf anderen Zechen untergebracht.

Die dritte der Zechen, die Ausbeute verteilt haben, ist die Zeche, mit der sih der Herr Interpellant länger beschäftigt hat, die Zeche Eiberg. Auch hier foll es nah den mir zugekommenen Nachrichten nur beabsichtigt sein, den einen neuen Shaht Hermann, der in Ueber- ruhr liegt, und der nur etwa 140 bis 150 Mann beshäftigt hat, {ill zu legen. Nah mir von unserer Bergwerksverwaltung in Gladbeck zugegangenen Nachrichten sind von diesen 1-0 Wann 120 dort bereits angelegt worden.

Meine Herren, bei den übrigen Werken {ind die Nachrichten über den Weiterbetrieb niht überall zuverlässig, und es wird notwendig sein, daß weitere Recherchen angestellt werden. Das Oberbergamt, das ih vor Antritt meiner Urlaubsreise aufgefordert hatte, mir Bericht zu erstatten, hat sich ausdrücklich vorbehalien, mir weitere eingehende Berichte über die anderen Zechen zu erteilen.

Im übrigen haben bereits Verhandlungen an verschiedenen Stellen zwischen den Bergbehörden, den Verwaltungsbehörden und den Gemeindevertretern stattgefunden, und es ist an mehreren Pläten be reits zu beruhigenden Verhandlungen gekommen. Das zeigt mir den Weg, auf dem wir für die nächste Zukunft weiter gehen müssen, den Weg, daß wir von hier aus eine Kommission von Ministerial- fommisfaren in das Revier s{chicken, die bei jeder einzelnen Zeche die Verhältnisse untersuchen und unter Mitwirkung der Verwaltung des Ministers des Innern festzustellen sult, wie weit man den Schäden Abhilfe verschaffen kann.

Für die Arbeiter in ihrer großen Mehrzahl habe ih keine Sorge ; die Arbeiter werden sehr bald anderweit Unterkommen finden mit ver- s{chwindenden Ausnahmen. Bedauerlich bleibt aber die Situation der- jenigen Arbeiter, die ein eigenes Eigentum ererbten oder erworben haben, und der Geschäftsleute, die ihre Existenz basiert haben auf die Arbeiter, die ihre Kunden waren, und die Kommunen, die teilweise in ihrem Haushalt {wer gestört sind. Aber da ist bereits stellenweise seitens der verlaufenden oder übernehmenden Zechenverwaltungen {hon ein Entgegenkommen beroiesen. Mir ist mitgeteilt, daß bei der Zeche Julius Philipp, die die Arenberger Bergwerksgesellshaft getauft hat, ein freiwilliges Angebot der Gesellschaft erfolgt ist, die Steuerzahlung an die Gemeinde auf 5 Jahre fortzuseßen. (Hört, hört!)

An anderer Stelle hat bei der Zehe Vereinigte Bickefeld eine Verhandlung stattgefunden unter Mitwirkung der verschiedenen Be- hörden; aber über das Resultat liegt mir ein Bericht heute noch niht vor. Ich habe aber aus Preßberichten gesehen, daß die Versammlung be- ruhigt- ‘auseinandergegangen ist; ih nehme alfo an, daß dort ver- hältnis8mäßig beruhigende Erklärungen abgegeben sind. Aus einer größeren außer Betrieb geseßten Zehe, Maria Anna und Steinbank, die dem Bochumer Verein gehörte, ist speziell berichtet, daß die Arbeiter samt und sonders Unterkunft gefunden haben, und soweit meine Lokalkenntnis reiht, decken sich im wesentlichen die Gemeindebezirke

beinahe zwei Jahren stillgelegt. Jch habe sie aber noch aufgenommen, weil ich mir Mühe gegeben habe, auf Grund der bestehenden Statis stiken festzustellen, um wieviele Arbeiter es sich selbst bei den jeßt in Frage kommenden Zehen überhaupt handelt. Ich babe daher die Zeche Steingatt noch aufgenommen, weil fie im Jahre 1902, dem

® e ( x e) "” Yw , l leßten Jahre, für das ich Zahlen habe finden können, noch im Betrieb

gewesen ist. Im übrigen find es außer diesen beiden noch 10 Zechen, bei denen der Verkauf entweder bereits perfekt ist oder bei denen der

der die Arbeiter aufnehmenden Zechen mit dem der ill zu legenden Zeche Maria Anna und Steinbank. Diese Zeche hat seit Jahren mit {weren Verlusten gearbeitet, ihre Kohlenvorräte find nahezu erschöpffft, und es ist ein naturgemäßer Vorgang gewesen, daß diese "Zehe außer Betrieb gestellt wird.

Ueber eine andere Zehe Alstaden, über die der Herr Vorredner auch gesprohen hat, soll der Abs{luß noch nicht perfekt geworden sein; man wird aber mit der Tatsache re@nen können, daß er {ih voll-

Berkauf als ficher angenommen wird; bei einem Teil derselben {weben noch, soviel ih weiß, gegenwärtig die Verhandlungen.

Meine Herren, es handelt fich bei den 11 Zechen insgesamt um eine Belegschaft von 12 500 Arbeitern, nicht um 22000 und noch 6000 weitere, also 28 000 Arbeiter. Von diesen 12 500 Arbeitern sind auf drei Zechen, die bisher noch mit Vorteil gearbeitet haben, allein 5864 Mann bescäftigt mit einer Gesamtförderung im Jahre 1902 von rund 1200000 t. Dem gegenüber stehen die übrigen 8 Zechen, die im Jahre 1902 insgesamt nur eine Belegschaft von Mann hatten und 1 330 000 t rund förderten. Dabei haben si bei diesen 8 Zubußezehen im Jahre 1902 Zubußen ergeben von rund 24 Millionen, und bei den 3 Zechen, die noch mit Vorteil gearbeitet haben, ift eine Ausbeute von insgesamt 623 000 M verteilt worden.

Meine Herren, es wäre vermessen, von den Zahlen der Aus- beuten und Zubußen direkt auf die Rentabilität {ließen zu wollen. Bon den Zubußen werden gewisse Beträge für die Weiterentwickelung der Zehen verwandt; es hängt dies von gewissen Zufälligkeiten ab- Fedenfalls aber wird dadurch, daß die Zehen Zubußen nicht nur in jenem Jahre, sondern auch Jahre vorher erfordert haben, bewiesen, daß eine Rentabilität nicht vorhanden war, und ich glaube doch be- rechtigt Schlüsse auf die Nentabilität zu ziehen. Nach dieser meiner Berech- nung ergibt sih für die 8 Zubußezehen bei er von ihnen genannten Förderung cine Zubuße von 1,63 4 pro Tonne geförderte Kohle im Fahre 1902. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen.)

Meine Herren, das sind Zahlen, die für sih selbst \sprehen. Bei solchen Zahlen ist eine dauernde Aufrechterhaltung des Betriebes un- möglih. Bei den drei anderen Zechen ‘ist der verteilte Uebers{uß auch nur 524 -Z auf die Tonne bei einer dieser Zechen ist mir übrigens nahträglich mitgeteilt, daß keinerlei Abschreibungen gemacht sind —, also im Vergleich zu dem, was in dem wirklich ergiebigen Kohlengebiet sonst erzielt wird, ungemein mäßig! (Sehr wahr! bei den Nationalliberalen.)

Nun handelt es \fich aber bei den Zechen, die hier in Frage lommen, zum ganz erheblihen Teil um solche, die entweder überhaupt noch für eine gewisse Zeit fortbetrieben werden, oder bei denen nur gewisse Teile ausgeschaltet werden sollen. Nah meinen Jnformationen wird die größte Gesellschaft, die hier in Frage kommt, die Zehen Ham- burg und Franziska, die beinahe 3000 Arbeiter im Jahre 1902 be- schäftigt haben, bei einer Förderung von 561 000 t, nur eine einzige Nebenzeche, die Zehe Walfish, außer Betrieb seßen. Nach den mir gewordenen Informationen soll der übrige Betrieb noch für Jahre aufrechterhalten werden.

Bei der Zeche Hasenwinkel, die auch eine von den Zechen ist, die Ausbeute gegeben haben, foll die Förderung von der Nachbarzeche, an die sie verkauft ist, aufgenommen werden und eventuell nach Wieder- herstellung eines {hadhaft gewordenen Schahts auf dem alten Bergs- werk auh dort auf dem alten Schaht Hasenwinkel die Förderung wahrscheinli auch direkt woieder aufgenommen werden. Es sind dort über- haupt von den etwa 1800 Arbeitern zur Zeit nur 400 Mann entlassen. Das ist notwendig gewesen, um die Ausmauerung des in Holz stehenden Schachts auf Hasenwinkel ausführen zu können. Die Arbeiter, die

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zu sein, aus diesen Zubußes bezw. Ausbeutezahlen gewisse |

ziehen wird. Auch dort ist die Nachbarschaft anderer Zechen und großer industrieller Etablissements so groß, daß ich glaube, daß dort die Schädigung der Eigentümer von Häusern und der Geschäftsleute niht fo groß sein wird, weil die Leute im wesentlihen in der Gegend bleiben werden.

Wenn ich nun die Liste überschaue, so habe wenn es sih lediglih um diese Zehen handelt, Bericht vorliegt, der Ausgleichß der Interessen nicht unshwer wird finden lassen.

Eine der Fragen, die zur Erörterung dur den Herrn Vorredner | gestellt ist, muß ih hier noch besonders berühren, das ift die Frage :

inwieweit eventuell der § 65 des Berggesezes Anwendung finden | könnte. Meine Herren, über den § 65 ist in der Presse mehrfach ge- | shrieben worden, und demselben ist teilweise auch aus den Kreisen der Interessenten des Kohlenbergbaues meiner Auffassung nach eine zu enge Auslegung gegeben worden. Man is nach den Motiven des Gesetzes der Meinung gewesen, daß der § 65 nur Anwendung finden könnte, wenn die öffentliße Sicherheit gefährdet sei oder wenn die allgemeinen Bedürfnisse der Konsumenten unter der Einstellung leiden. Meine Herren, ich bin nit der Auffassung, daß der § 65 so eng aufzufassen sei; wenn man die Motive weiter liest, so spricht | das für meine Auffassung. Auch der Worlaut des § 65 gibt ja {hon ausdrücklich an:

Der Bergwerksbesißer ist verpflihtet, das Bergwerk zu be- treiben, wenn der Unterlassung oder Einstellung des Betriebes nah der Entscheidung des Oberbergamts überwiegende Gründe des öffent- lihen Interesses entgegenstehen.

(Hört! hôrt !) Meine Herren, das ift cine erheblih weitere Fassung, und ih nehme an, daß auch diese meine Auffassung auf die Dauer Geltung gewinnen wird. (Hört, hört!) Sollte das nicht der Fall sein, und follten die Verhandlungen mit den Interessenten zu keinem genügenden Resultat führen, so würde allerdings von feiten der Regierung in Erwägung zu ziehen sein, ob eine Klarstellung des betreffenden | Paragraphen notwendig wäre (bravo!), eventuell, ob die 88 156 u. ff., | die die Ausführung des in § 65 ausgesprochenen Prinzips bedingen, genügend find, und ob fie vielleihßt ausgedehnt werden müssen.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß wir nah dem allge- meinen Interesse diese Frage werden entscheiden müssen, und nah meinen Grfahrungen in der leßten Zeit haben die Zechenbesißzer in Westfalen ihr nobilo officium, fi gegenüber auftretenden Kalamitäten anständig zu benehmen und ihre Anstandspflichten zu erfüllen, in hohem Grade erfüllt. (Abg. Schmieding [Dortmund]: Hört, hört!) Ich erinnere an die Ausführungen, die ich hier und im Reichstag gemacht habe bezüglih der Wurmkrankheit und bezüglich der frei- willigen Auflagen, die die großen Bergwerksgesellshaften sih gemacht haben, um diese große Kalamität zu bekämpfen. So habe ih die sichere Hoffnung, daß es auch in diesem Falle leiht gelingen wird, daß sich die Schwierigkeiten, die nur durch die Plöglichkeit und den gleichzeitigen Gintritt der beabsihtigten Stillegungen eingetreten sind, werden überwinden lassen.

Meine Herren, daß der ganze Süden des westfälishen Kohlen- reviers in den nähsten Jahrzehnten seiner Grs{öpfung entgegengeht

ih die Hoffnung, daß, über die mir bereits sich verhältnismäßig