1904 / 96 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 23 Apr 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. 73. Sißung vom 22. April 1904. 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortseßung der zweiten Beratung des Reichshaushaltsetats für 1904 bei den zum Etat des Reichsamts des Jnnern gehörenden Petitionen der Unterbeamten des Reichsversicherungsamts.

Ueber den Anfang der Sißzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet. :

Abg. Dr. Ra - Sagan (fr. Bolksp.): Es handelt \ich hier niht um einen Akt des Wohlwollens, fondern der ausgleichenden licgateit. Ich kann mih dem Wunsche des Abg. Patig nur an-

l ; l: N u N (Soz.) erklärt, daß seine Partei ebenfalls für den t

ig stimmen würde. Antrag Pay E it8mann (Zentr.) äußert sih im Sinne des Abg. Speck.

Abg. Dr. Stockmann (Np.) bittet, bei dem Beschluß der Kom- mission stehen zu bleiben. |

Darauf wird bezüglih der Petition Andres der Antrag Pagig mit ‘großer Mehrheit angenommen; im übrigen tritt das Gaus den Kommissionsanträgen bezüglich der Petitionen bei. Der Etat für n So! des Deutschen

eiches wird unverändert angenommen. * E Mit dem Neubau eines Dienstgebäudes für den Rehnungs- hof und mit der Verwendung der bisher für den Umbau be- willigten Raten zu diesem Neubau erklärt sih das Haus auf Antrag der Budgetkommission einverstanden.

Im Etat der Reichspost- und Telegraphenverwal- tung war die extraordinäre Forderung einer ersten Rate von 300 000 für die Herstellung einer Telegraphenlinie im Junnern von Deutsch-Dstafrika von Tabôdra nach Ujiji mit einem darauf bezüglichen Antrage Spahn in die Budgetkommission zurückverwiesen worden. i

Diese s{lägt jeßt vor, die verlangte Summe als erste Rate zur Herstellung einer Telegraphenlinie von Tabora über St. Michael nah Muansa als Fortseßung der bereits be- stehenden Linie von Daressalam über Mwapwa nah Tabora zu bewilligen. | M /

Ohne Debatte tritt das Haus diesem Antrage bei.

Es folgt die Beratung des Etats für die Schuß- gebiete. Berichterstatter der Kommission für Ostafrika, Togo und Südwestafrika ist der Abg. Prinz von Arenberg (Zentr.).

Die ordentlichen Ausgaben im Etat für das ost- afrikanisheSchußgebiet werden ohne Debatte bewilligt.

Jm Extraordinarium ist eine zweite Nate von 1 800 000 6 zur Fortführung der Eisenbahn Tanga, Mukhesa, Korogwe bis Mombo verlangt. Nach den Erläuterungen ist der Bau der Bahn in eigener Regie aufgegeben und joll der G. m. b. H. Lenz u. Co. in Berlin übertragen werden. Die Kommission beantragt die Bewilligung und ohne Debatte wird demgemäß beschlossen. i

Ebenso werden 97 500 / zur Erwerbung der Plantage Kurasini und 206 000 # zur Verbesserung und Erweiterung der Lösch- und Ladeeinrichtungen von Daressalam, und 45 000 H zur Unterstüßung von Baummwollfkulturversuchen und 70 000 6 als Kosten einer Expedition, behufs Feststellung der Grenze gegen Uganda und BVritisch-Ostafrika, ohne Debatte bewilligt, desgleichen die Einnahme von 9636720 M ein- Jhließlih des Reichszuschusses von 6 181 237 M.

Bei dem Etat für Kamerun weist der d,

Abg. Graf von Arnim (Rp.) -auf die Entwicklung der Spiri-

tuosenhandels\teuer, der Waffenerlaubnisscheinsteuer und der Spiri-

tuosenhandels- un) Schanksteuer hin. Bet der Waffeneinfuhr handle es po um eine fehr erheblihe Zunahme. Die Einfuhr von Pulver fei um 259% gestiegen. Er frage an, ob Sicherheit dafür gegeben sei, daß die eingeführten Gewehre nicht in die Hände _der Engeborenen kämen. Ferner müßten die Eingeborenen vor dem Spirituosengenuß bewahrt werden. Redner fragt ferner an, wie die Verhandlungen mit England und Frankreih über die Regelung der Grenzen des Schußz- gebietes ständen, und ob wirkli die Absicht bestehe, die Negierungs- \chule eingehen zu lassen. Er würde dann bitten, diese Absicht nicht auszuführen. Schließlih wünsht Redner Auskunft über die kulturelle Tätigkeit der Gesellshaft Nordwestkamerun. | Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: Ich möchte auf die verschiedenen Punkte, die der Herr Abg. Graf von Arnim yor- gebraht hat, einige Bemerkungen folgen lassen. Was die Frage des Spirituosenhandels in Kamerun sowohl als an der ganzen tropischen Westküste Afrikas anlangt, so ist sich die Kolonialverwaltung wohl bewußt, daß es sich hier in bezug auf das Gebiet der Eingeborenen- politik um eine außerordentlich \{wierige und delikate Frage handelt. Wir find selbstverständlich bemüht, die Eingeborenen tunlichst von dem Genuß von Spirituosen abzuhalten; es handelt si aber hier um einen althergebrahten Handel, und es kommen ebensowohl wie die Interessen der Eingeborenen auch die Interessen der deutschen Handeltreibenden in Betraht. Immerhin suchen wir den Spirituosen- enuß einzus{hränken durch Erhebung sehr bedeutender Einfuhrzölle. iese Zölle haben bis jeßt 60 4 für den Liter 90 prozentigen Alkohols betragen, und vom 1. Februar ab sind diefe Zölle von 69 „§ auf 75 A erhöht worden. Außerdem ist beabsichtigt, dafür zu sorgen, daß die Einfuhr von Spirituosen sich nicht über eine gewisse Linie hinaus erstreckt; es soll darauf gehalten werden, daß eine Prohibitionszone gegenüber dem Spiritushandel aufrechterhalten wird. Was den weiteren Punkt, die Einfuhr von Gewehren und Pulver, betrifft, so handelt es sih in Kamerun, und zwar mit Rücksicht auf die Bestimmungen der Brüsseler Akte, nur um die Einfuhr von Steinschloßgewehren und Handelspulver, und es möchte hier unter allen Umständen daran fest- gehalten werden, daß in den Händen eines Negers ein Steinschloß- ewehr eine weniger gefäbrlihe Waffe ist als ein vergifteter Pfeil. Der Verkauf von Gewehren, die mit Zündhütchen abzufeuern sind, ist verboten. In Kamerun wird außerdem über jeden HVinterlader, der sich im Besiße eines Weißen befindet, eine Liste geführt, sodaß hier ganz bestimmt eine Gefahr des Shmuggels der Einführung von Hinter- [adern nicht besteht. Was die Verhandlungen betreffs des Tschadseegebiets mit England und Frankreich angeht, so sind die Vorarbeiten für die Grenzregulierung zwischen dem deutschen und englischen Gebiet so gut wie zu Ende geführt. Die Grenzkommission ist auf dem Rückmarsch begriffen und ihre Resultate werden demnächst gesihtet werden. Die Verhandlungen mit Frankrei sind vorläufig noch nit in Aussicht genommen, wir G mit Frankreih noch dabei, die Grenzen im Südwesten des Schußzgebiets in der Gegend der Südwestkamerun- Gefellschaft zu ordnen. Sobald diese Arbeiten beendet sein werden, wird es sich darum hanteln, auch an die Negulierung der Grenzen im Norden des Schutzgebiets im Tschadseeland heran- zutreten. Es versteht \sih von selbst, daß wir bei diesen Verhand- lungen keine Rechte, welhe uns nah den Verträgen zustehen, opfern werden, auch nicht einer befreundeten Nation. Was die Gesellschaft Nordwestkamerun anlangt und die Frage, in welchem Umfange sie an die Kultur des Landes gegangen ist, so möchte ih Wert darauf legen, daß es sich hier niht sowohl um eine Plantagengesellschaft handelt, deren Aufgabe es ift, die Kultur des Landes zu pflegen, sondern haupt- ächlih um eine Handelsgesellshaft. Was endlich die Negierungs- o anlangt, so wird feitens der Regierung nit daran gedacht, bestehende Regierungs\hulen aufzuheben im Gegenteil! Die Re- gierungs\{chule in Viktoria soll demnächst vergrößert werden. Abg. Dasbach (Zentr.): Ich möchte dringend befürworten, daß die Kolonialverwaltung ein Einfuhrverbot für Alkohol ergehen läßt. (Fin großer Teil von Europäern gibt in den Kolonien ein \chlechtes

Beispiel durch übermäßigen Alkoholgenuß und ruiniert dadurch alles, was die Missionare durch große Opfer erreicht haben. Der Etat für Kamerun wird ohne weitere Debatte an-

genommen.

Jm Etat für das Schußgebiet Togo ist unter den ein- maligen Ausgaben als dritte Nate für den Bau einer Eisenbahn von Lome bis Klein-Popo die Summe von 450 000 6 ausgeworfen. Die Kommission hat sich für die Bewilligung erklärt.

Abg, raf von Arnim beklagt das _Vorherrschen der englishen Sprache vor der deutschen im Sqchußgebiet Togo uñd bittet, mehr Gelegenheit sowohl dur die Negierungsshule als durch die Missionsschulen zur Erlernung der deutschen Sprache zu geben.

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der Kolonuialabteilung im Auswärtigen Amt Dr. Stuebel: Die Neutralitätszone in Togo, die durch das Samoaabkommen von 1899 ungeteilt vorbehalten war, ist inzwischen geteilt worden. Diese Angelegenheit hat damit ihr Ende gefunden, Ein Grundbuch existiert in Togo nicht; es ist aber im Gange, dem- nächst ein solhes einzuführen. Was die Frage des deutschen und englishen Unterrichts in den Missions\hulen zu Togo anlangt, \o wird seitens der Regierung der Wert nicht verkannt, welchen der deutsche Unterricht in Togo bat, Es ist ganz richtig, daß die Eingeborenen, die in unseren Schutzgebieten die englishe Sprache gelehrt bekommen, die- Tendenz haben, ins Ausland zu gehen, und damit dem Togoschußgebiet verloren zu gehen. Infolgedessen ist es seit längerer Zeit das Bestreben der Kolonialverwaltung gewesen, die Missionen dazu zu bestimmen, den englischen Unterriht, den sie" vorläufig noch für unbedingt unumgäng- lih gehalten habèn, abzuschaffen und an Stelle des englischen Unter- rihts den deutschen Unterricht zu seßen. Es ist auch gelungen, gerade in den leyten Monaten zu den beteiligten Missionen ein Cin- vernehmen zu erzielen, daß vom 1. Januar 1306 ab der englische Unterricht an den Missionss{hulen niht mehr erteilt wird und von da ad nur noch der deutsche Unterricht erteilt wird. Der Fonds für Ausbreitung dec deutshen Sprache wird auch nur zu dem Zwecke den Missionen mit zur Verfügung gestellt, daß eitens. der Missionen der Unterricht erteilt wird; und nur folchen Missionen, die sich dazu ver- pflichten, wird ein Anspru auf Unterstüßung aus diesem Fonds zu- gestanden. j

Der Etat für Togo wird darauf einschließlich der oben erwähnten dritten Rate für den Eisenbahnbau ohne weitere Dis- kussion bewilligt.

Es folgt der Elat für das südwestafrikanische Schußgebiet, zu dem im Laufe der Session zwei Er- gänzungsetats vorgelegt sind. | i ;

Der erste Ergänzungsetat ist bereits früher erledigt, den zweiten hat die Kommission unverändert angenommen und nur das Dispositiv für die einmaligen Ausgaben von 2 Millionen Mark zur Gewährung von Entschädigungen für Verluste aus Anlaß des Eingeborenenaufstandes wie folgt geändert: : E

„zu Darlehen an Geschädigte sowie zu Hülfeleistungen an Be- dürftige aus Anlaß der Verluste infolge des Eingeboreaenaufstantes.“

Der Abg. von Staudy (d. kons.) beantragt folgende Fassung: O '

„zu Darlehen sowie zu Hülfeleistungen an Personen, welche aus Anlaß des Eingeborenenaufstandes ges{hädigt worden oder hülfs- bedürftig geworden sind.“

Jn dem Etat für Südwestafrika hat die Kommission die Position im Ordinarium von 94 000 für farbiges Personal und im Extraordinarium für den Ablösungs- und Ver- stärkungstransport der Schußtruppe 33750 A gestrihen und unter der Einnahme den Reichszushuß von 5 416 200 / auf 5 288 450 e herabgeseßt. 7 : i

Abg. Bebel (Soz.) erklärt, daß er für jeßt darauf verzichte, auf den Herero- Aufstand einzugehen. S S

Abg. Freiherr von Richthofen-Da msdorf (d. kons.): Auch ih will unterlassen, das vorzutragen, was ich beabsichtigte. Jch will nur sagen, daß wir alle Schritte unterstützen werden, die auf eine shleunige Beilegung des Herero- Aufstandes gerichtet sind. Wir sind bereit, alle die Forderungen, die in dieser Richtung gestellt sind, zu bewilligen. Die Regierung kann sich darauf verlassen, daß wir ihr die weitestgehende Unterstüßung werden zu teil werden lassen.

Bei den Ausgaben für die Militärverw altung führt der : / : :

Abg. Lattmann (wirts{. Vgg.) nah einigen Bemerkungen über den Herero- Aufstand aus, daß aus den Kolonien noch immer nicht das herausgeholt worden fei, was aus ihnen herauszuholen wäre, weil man sihch scheue, etwas Ordentliches an die Kolonien zu wagen. (Zwischenrufe links: Schmeißen wir also immer wieder Millionen hinein!) Ja, das wäre viel rationeller als die jeßige brockenweise Leistung. Die herrshende Kolonialmüdigkeit sei ein böfer Hemmschuh für das Emporbringen der deutshen Kolonien. Die Reichsregierung sei mitshuldig an dieser Kolonialmüdigkeit; das böse Wort des Grafen von Caprivi, daß ihm kein bôferes Geshenk als mit dem ganzen Afrika gemacht werden könnte, habe böse Früchte getragen.

Vizepräsident Dr. Graf zu Stol berg-Wern igerode: Sie haben #ch gemeldet zum Kapitel 2 der Ausgaben, Titel 1, Position 2 „für farbiges Personal“. Ich stelle dem Abg. Lattmann anheim, seine Aus- führungen bei dem Ergänzungs8etat nahzuholen.

Abg. Prinz von Arenberg berihtet darauf über die von der Kommission beschlossenen Streichungen.

Die im Ordinarium und Extraordinarium von der Kom- mission vorgeschlagenen Streichungen werden ohne Debatte beschlossen. :

ZU dem Reservefonds zu unvo rhergesehenen Aus- gaben, 14447 M, befindet sich im Etat eine Bemerkung, deren erster Absaß lautet:

„Die über den Etat auffommende Einnahme sowie die Er- sparnisse bei den fortdauernden und einmaligen Ausgaben fließen dem Neservefonds zu, aus welhem auch notwendige Mehrausgaben zu deden find. Bei den einmaligen Ausgaben gelten nur diejenigen Summen als Ersparnisse, welche sih nah Erfüllung der angegebenen Zweckbestimmung als zu deren Durchführung nicht erforderlich heraus- gestellt haben.“

Die Kommission hat in dem bisherigen Text der An- merkung das Wort „motwendige“ durch das Wort „unvorher- gesehene“ erseßt und den zweiten Saß gestrichen. E

Abg. Dr. Arendt (Np.) befürwortet eine anderweitige Fassung, nah der vor dem Wort „notwendige“ das Wort „unvorhergesehene“ eingeshaltet und der zweite Saß folgenden Ausgang erhalten solle : „nur diejentgen Summen gelten als Erspacnisse, welche sih usw.“

Abg. Dr. Südekum (Soz.) spriht sich gegen diese Aenderung aus und ersucht, an dem Kommissionsbeschluß festzuhalten. Die Kom- mission habe gerade dur die neuc- Fassung der Willkür der Kolonial- verwaltung und des Kolonialdirektors einen Riegel vorshieben wollen. Die Fassung des Abg. Arendt aber öffne gerade dieser Willkür Tür und Tor.

Abg. Prinz von Arenberg spricht sih als Abgeordneter gegen jede Aenderung des Dispositivs aus, da in den Etats für die anderen Schutzgebiete eine solche Aenderung, wie sie von der Kommission vor- geschlagen werde, nicht vorhanden ll.

Abg. Ledebo ur (Soz.) weist darauf hin, daß bis zur dritten Lesung eine solche Aenderung auch für die übrigen Schutzgebiete vor-

genommen werden könne. . die Kom-

Abg. Dr. Paasche (nl.) macht darauf aufmerksam, tas

missionsfassung auf Antrag Südekum nur dur eine Zufallsmehrheit

zustande gekommen sei. Die Mehrheit habe nicht eine so weitgehen, Beschränkung der Verwaltung gewollt. l j

Kommissar des Bundesrats, Wirklicher Legationsrat Seit: Man darf die Bestimmungen im Dispositiv nicht für M allein angreifen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Etatöreh Als man für die Schußgebiete einen besonderen Etat aufstesy wurde der Kolonialverwaltung durch einen beweglihen Fonds dd größere Bewegungsfreiheit gegeben. Zu diesem Zweck wurde tg Dispositivvermerk zum Reservefonds angenommen. Diese g/ wegungsfreibeit is auch. heute noch notwendig. Der Einw dat die Speztalisierung des Etats R t werde und ggr i einem Paushquantum umgewandelt werde, trifft nicht zu. Es wit Rechnung gelegt, nicht durch den Reservefonds, sondern zu den ej, zelnen Titeln. Es i} keine Summe zu anderen Zweten berwenhy worden, als für die sie genehmigt war. Im jeßigen Moment d dem Dispositiv elwas zu ändern, wäre bedenklih. Würde die B wegungsfreiheit beshränkt, so würde eine Haute Menge von Ucby, \{reitungen eintreten, deren Ausgleich dur den Reservefonds nj mehr möglich is. Daß der Etat für Südwestafrika elwas Idealy sei, wird gewiß nicht behauptet, aber für jeßt wenigstens möhte ih bitten, von einer Aenderung abzusehen. /

Abg. Dr. Arendt: Jch gebe zu, daß es wünschenswert wäre, hj Frage für alle Kolonien zu regeln. Das ist aber im gegenwärtig Augenblick nicht möglih. Mir kam es nur darauf an, h der By, {luß der Kommission niht angenommen wird, denn dieser würh der Kolonialverwaltung draußen außerordentliche Hindernisse bereite, Ich bitte, meinen Antrag als einen Eventualantrag für den Fall det Ablehnung der Regierungsvorlage zur Abstimmung zu bringen.

Abg. Prinz von Arenberg: Eine Aenderung bis zur dritte Lesung, die der Abg. Ledebour empfohlen hat, wird kaum möglich sin,

Abg. Dr. Südekum: Der Regierungskommissar kat felbst E gegeben, daß das Kolonialbudgetrecht sehr reformbedürstig ist. Vot sind aber platonishe Erklärungen, die uns nihts nüßen. Halten wi aber an dem Kommissionsbes{chluß fest, so ¿wingen wir die Kolonizl, verwaltung, uns wegen der Umgestaltung des Kolonial budgetred)tz „F nächsten Jahre Vorschläge zu machen.

Jn der Abstimmung wird der Wortlaut nah dem Etat entwurf angenommen; damit sind der Antrag Arendt und d Kommissionsvorschlag beseitigt. 8 :

Die Einnahmen werden nah den Kommissionsvorschläge

festgeseßt.

Bei der zweiten Beratung des zweiten Ergänzung; etats für Südwestafrika (Kosten aus Anlaß des Hererg aufstandes) bemerkt der

Stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrat, Direktor det Kolonitalabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: Meins Herren, mit den Ergänzungsetats kommen wir zu den Mitteln, di wir Mit der raschen Bewilligung dieser Mittel eins{ließlich derjenigen für die Hilfeleistung an die Beschädigten in Südwestafrika können Sie uns unsere Aufgabe in Südwestafrika wesentlich erleihtern. Dab bin ih dem Herrn Abg. Freiherrn von Nichthofen außerordentliß dankbar für die Erklärung, die er im Namen seiner Fraktion biz abgegeben hat. Wenn der Reichstag nach dieser Erklärung handelt, so kann er des Dankes der Nation und insbesondere des Dankes de südwestafrikanishen Schutzgebiets sicher sein.

Abg. Nogalla von Bieberstein (d. konf.): Jch bin de Heeresverwaltung dankbar, daß sie für Südwestafrika Pferde au Dstpreußen gekauft hat, aber bedauern muß ih die Art und Weise] wie der Ankauf vollzogen ist. Man ift in Oslpreußen darüber unzu frieden, daß die Bekannkmachhung wegen des Ankaufs nicht in _sämb, lichen Kreisblättern gestanden hat, sondern nur in den drei gelesensten Blättern der Provinz. Es wäre Zeit genug gewesen, sie fämtlite Kreisblättern zuzustellen. Jch bedauere das eingeshlagene Verfahren umsomehr, als ih am 15. März namens meiner Fraktion gewünstt habe, daß beim Ankauf von Remonten die Händler möglift aus geschlossen werden. Eine große Zahl von Pferden für Südwest

ist der Verdienst den kleinen Besißern entzogen worden. Die Bekannk machung konnte von der Verwaltung frühestens am 15. März erlasie werden, aber {on Woten vorher wußten die Händler, daß eventul Pferde gebraucht werden würden, und gingen im Lande umher fauften die Pferde auf. Ih möchte serner der Anficht entgegen daß, wenn es notwendig sein sollte, Ostpreußen niht in der Lage selbst mehrere Male für Südwestafrika Pferde zu stellen.

Abg. von Staudy (d. kons.): Jch bedaure die Abwesenheit de Krieg8ministers, meine Ausführungen werden aber wohl zu seine Kenntnis kommen. Jch bin verwundert, daß die Reichsregierung nit von vornherein die Pferde für Südwestafrika im Inlande gekauft hat, d wir bekanntlich ein ungewöhnlich dauerhaftes und hartes Pferd haber Nun hat man endli in Ostpreußen Pferde gekauft, aber dabei sin die Landwirte {wer vernachlässigt und die Händler in nit bere tigter Weise bevorzugt worden, worüber mir viele Klagen zugegangen sind. Es wicd darüber geklagt, daß von den von den Bauern nl den Kreisfstädten zum Verkauf gebrachten Pferden nur wenige gekau worden sind. Für Ostpreußen ist die Beschaffung von E den um die es sich hier handelt, eine Kleinigkeit. Das ostpreußische Pfer hat sih bewährt, und auf dem Transport follen nur ganz wenige Tit eingegangen fein. Der Bauer bekommt aber für das Pferd nur einen gan geringen Preis, während der Händler verschiedene hundert Mark vet dient. Man hâtte bei diesem minimalen Bedarf die Händler wil aus\ch{ließen kênnen. Nun vergleihe man mit diesem Fall den Un stand, daß in ciner einzigen Zeitungsnummer drei Zwangösversteigerungen| von bâäuerlihen Besißern angekündigt werden, ein Beweis, wie bedrängt die Landwirtschaft ist. i

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor di Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: Meint Herren, ih kann mitteilen, daß der Herr Kriegsminister durch eint Staatsministerialsizung verhindert ist, beute hier zu erscheinen. I nehme an, daß er bereit ist, in der dritten Lesung auf den heute bid angeregten Gegenstand zurückzufommen. : /

Abg. Dr. Müller - Sagan: Nach den Ausführungen des Het! von Bieberstein müßte die Heeresverwaltung also niht mit der nötig Diskretión verfahren sein; er wünschte ferrer, daß die Bekanntmachun niht in den gelesensten Blättern, sondern in den am wenigsten g lesenen Kreisblättern erfolgte. Es kam doch vor allem darauf a1 daß der Bedarf möglichst {nell gedeckt wurde. Die Bauern sollte zufrieden sein, daß sie ihre Pferde losgeworden sind, und nicht nd nachträglih der Negterung Vo1 schriften machen wollen über die Al der Publikation. Wênn mir Beschwerden zugelommen sind, habe 1 den Leuten gesagt, ven Euch En ih bin niht in den Neichsta(

eshickt, um Privatinteressen zu vertreten. /

#0 Abg. ata von Bieberstein: Die Militärverwaltunz war absolut niht vor dem 15. März in der Lage, die Bekanntmachun) in das Land gehen zu lassen, daß sie Pferde kaufen wolle. Die Händler die jüdischen Händler (Lachen links) ich bedauere, daß es j¡üdiG Händler gewesen sind —, haben auf irgend eine Weise bei dem Ver such, der in Tilsit mit den Pferden gemacht wurde, herausbekomm!! daß mögliherweise Pferde gekauft werden würden, und das haben * ih zunuße gemacht, um herumzugehen und Pferde anzukaufen. L! haben den’ Leuten gesagt, sie hätten den Auftrag, Pferde für e Bergwerk zu kaufen, bekämen aber höchstens eins{ließlih der Transpot! fosten 290 1, fönnten also höhstens 200 A bezahlen. Sie hab dann 3 H Handgeld gegeben und haben ruhig abgewartet, ob Pferd von der Regierung gekauft würden. Sie hätten eventuell also höchsten 3 A. Handgeld schießen lassen müssen. N, d

Abg. Liebermann von Sonnenberg (wirts{ch. Vgg.): Au vielen Privatinteressen seßt sich das öffentlihe Interesse zusamm! Wenn jemand das Interesse einer hon von Natur ungünstig 6 stellten Provinz vertritt, so darf er niht als ein Vertreter Privatinteressen hingestellt werden. Jh habe aus den Ausführung! des Herrn von Bieberstein feinen Widerspruch heraushören könne!

wäre

Ich habe das Wort ergriffen, um zu sagen, daß die Meinung, dic

genötigt waren, zur Niederwerfung des Aufstands anzuforder,M

afrika, nämli 330 Stück, sind von Händlern gekauft, und dadur(M

vertreten hat, in der Provinz sehr weit verbreitet ist. Der Militärverwaltung macht man vorzugsweise daraus einen Vorwurf, daß sie auf den öffentlihen Märkten die Pferdezüchter zusammen- getrommelt und dann von den Juden gekauft hat. Sie konnte die erforderliche | Anzahl von Pferden auch von den Produzenten zusammenbrin en. \ Um bestimmten Händlern Pferde abzunehmen, brauhte man keine Märkte abzuhalten; sie konnten an zwei bis drei Stationen abgenommen werden, Ich habe hier einen Brief, der die Stimmung in der Provin gegen die Händler zum Ausdruck bringt und in dem gesagt ist, daß die Juden sehr viel Geld bei den Pferde- verkäufen verdient haben. Jch glaube nicht, daß wir dazu da sind, die Kniffe und Pfiffe der Juden zu unterstüßen, oder wir müssen es den Herren überlassen, die ih für jüdische Pferde und jüdische Menschen fortwährend einsetzen. j

Abg. von Staudy: Der Abg. Müller-Sagan hat gesagt, hier würden Privatinteressen vertreten. Meint er mich? (Widerspruch des Abg. Dr. Müller-Sagan.) Jch habe genau dargelegt, daß es sich um einen Landesteil handelt, der unter besonders \{chwierigen wirt- schaftlichen und klimatischen Verhältnissen leidet. Der Kollege Müller- Sagan wird mir zugeben, daß es lediglich öffentlihe Interessen sind. Ich glaube nicht, daß Herr von Bieberstein \ih auf einem anderen Wege bewegt hat.

_ Abg. Dr. Müller- Sagan: Wenn der Abg. von Bieberstein wiederholt darauf hingewiesen hat, daß es jüdishe Händler gewesen seien, die Gewinn aus den Verkäufen nah Südwestafrika gezogen hätten, so war das ret töricht von ihm. Wir werden bet späteren Anlässen * darauf zurückommen können und müssen. Es ist ja {on Jeßt vom Abg. Müller - Fulda ein Vertrag an den Tag gebracht worden, und dann werden wir einmal untersuchen können, ob nicht die christlihen Händler und Kaufleute sih bei der Versorgung unserer Truppen in den Schutgebieten in eben solem Maße bereitet haben, wie es die jüdishen Händler getan haben sollen. Wenn den Händlern weder offiziell noch nichtoffiziell Mitteilung von den bevor- stehenden Pferdekäufen gemacht ist, was hat dann die ganze Anfrage des Abg. Nogalla von Bieberstein für einen anderen Zweck hier an dieser Stelle gehabt, als daß er gegen die Heeresverwaltung den Vor- wurf erheben wollte, daß sie bei diesen Pferdekäufen nicht direkt vor- gegangen sei? Herr Rogalla von Bieberstein hat der Negterung erst gedankt und dann den Dank wieder eingeshränkt. Dagegen muß doch die Verwaltung selbs Widerspruch erheben.

Die Debatte wendet sich nunmehr der Entschädigungs- frage zu.

Abg. von Staudy (d. kons.) empfiehlt feinen Antrag. Jh bin, führt er aus, mit einem großen Teil meiner Freunde der Ansicht, ah das Dispositiv, wie es von der Kommission festgeseßt ist, kein glüd- lihes ist. Eine Unterscheidung zwishen Darlehen an Ge- shädigte und Beihilfen an Bedürftige halte ich für unms3 lich. Es ist doch auch der Bedürftige durh den Eingeborenenaufstand geschädigt. Man {könnte danach sehr leiht zu der Auslegung fominen, daß der Bedürftige, weil er ges{hädigt ist, nur ein Dar- lehen bekommen fann. Anderseits könnte der Fall eintreten, daß es zweifelhaft ersheint, ob es angebra(t ist, jemand, der einen, wenn auch größeren Betrieb gehabt hat und in s{chwerster Weise geschädigt ist, ein Darlehen zu gewähren. Wir sind der Ansicht, daß man, da cine Unterscheidung . zwischen Hilfsbedürftigen und Geschädigten nicht möglich ift, je nah Lage des Falles darüber entscheiden muß, ob man ein Darlehen oder eine Beihilfe gibt. Daß bei unserem Antrag Unklarheiten vorkommen können, halten wir für ausgeschlossen.

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: Meine Herren, auch ich könnte nur bedauern, wenn nach dem Beschlusse der Budgetkommission die Gewährung von Beihilfen ausdrücklich an den Begriff der „Bedürftigkeit* geknüpft werden sollte, während den nicht direft als bedürftig anzusehenden Geschädigten nur Darlehen gewährt werden dürfen. Dieser Begriff „Bedürftigkeit* bringt in die Hilfe- leistung, die doch das hohe Haus in seiner großen Mehrheit gewähren will, ein Moment der Unfreundlihkeit und des Widerstrebens, das die Hilfe für die Ansiedler nicht nur eines guten Teils thres moralishen Wertes beraubt, sondern auh in dem Schußtzgebiet ¿weifellos eine Enttäushung hervorrufen wird. Ich bitte Sie, niht zu vergessen, daß die Geschädigten in dem Schutzgebiet einen vollen Rechtsanspruch der Entschädigung für fih in Anspruch nehmen, den wir ihnen allerdings nicht zubilligen können. Sie möchten auch niht vergessen, daß nur die Gewissenhaften unter den Unterscheidungen leiden werden, während die Mindergewissenhaften ein Darlehen gern annehmen werden in der Vorausseßung, daß es doch nit von ihnen wieder cingezogen werden wird. Vergessen Sie auch nicht, daß die Erfahrung, die man in Preußen mit den Notstandsdarlehen gemacht hat, es höhst zweifelhaft erscheinen läßt, ob unter den do gewiß viel eigenartiger liegenden Verhältnissen unseres südwestafrikanischen Schutz- gebiets die den Leuten als Darlehen gewährten Hilfeleistungen je werden wieder eingezogen werden können. Eine Notstandsbeihilfe, die über eine Armenunterstüzung hinausgebt und troßdem kein Darlehen ift, ist doch fein Novum. Aehnliche Vorgänge finden Sie in der preußi- hen Gesetzgebung; ledigli von einer Armenunterstüßung wollen die Geschädigten und nach meiner Ansicht auch mit Recht nichts wissen, und für die Verwaltung muß ausslaggebend sein das öffent- lihe Interesse, das darin liegt, daß das - wirtschaftliche Interesse des ganzen Schutzgebiets niht dur den Zusammenbruh der einzelnen in unberehenbarer Weise geschädigt wird. Aus diesen Gründen, meine Herren, möchte ih bitten, wenigstens dem Antrag des Abg. Herrn Staudy und Genossen Jhre Zustimmung zu geben.

_ Abg. Dr. Paasche (ul.): Die Ansiedler, die in das Schußzgebiet hi nausgegangen sind, haben ‘nit nur ihre eigene Existenz verteidigt, sondern mehr geleistet; sie find als Reserveosfiziere mitgezogen, sie haben den Truppen die wertvollsten Dienste als Führer usw. geleistet, haben zum Teil ihr Leben verloren, und wenn fie dann nah Hause kommen (Heiterkeit) ih meine die Ueberlebenden und sollen, um wieder anzufangen, nahweisen, daß sie wirkli im Sinne des Gesetzes bedürftig sind, dann is die Möglichkeit vorhanden, daß, nachdem der Hereroaufstand niederges{lagen ift, ein Aufstand der Weißen gegen die Negierungsführung beginnt. Wenn das die Regel fein foll, nur den wirkli Bedürftigen einen Zuschuß zu geben, fo ist das eine Politik, die nicht geeignet ist, die Kolonie wieder zum Wohlstand zu bringen. Man soll, wie schon in der Kommission betont ist, hier mit größter Billigkeit verfahren und ein möglihst weites Entgegenkommen gewähren. Es müßte auch in Aussicht gestellt werden können, daß, wenn späterhin irgendwie Schwierigkeiten der Rückzahlung der Darlehen entstehen, man nicht mit der Strenge des Geseßes unnachsihtig auf der Rückzahlung bestehen soll. Auch die Ausländer follten mit berüd- sichtigt werden. * Wir Deutsche haben für unfere Neichsangehörigen, die n fremdem Lande geschädigt sind, ganz andere Grundsäße aufgestellt, als hier. Wir haben niht danach gefragt, ob der Betreffende arm warden ist, felbst große Eisenbahnkompagnien und Handelsfirmen aben ihre Schäden angemeldet, und wir haben sie zum Teil dur{- gefeßt. Wenn wir jeßt gegen Ausländer anders verfahren, so können wir in Zukunft auch niht mehr mit dem Nachdruck wie bisher für unsere Reichsangehörigen eintreten. Der Antrag von Staudy entspricht niht voll unseren Wünschen, aber wir ziehen ihn dem Kommissions- beshlusse vor.

Abg. Payer (d. Volksp.): Die Ansiedler machen ihrerseits einen Rechtsanspruch gegen das Reich gettend und haben sihch allmählich in iese Stimmung hineingelebt. a man im Augenblick die ganze Lage noh gar nicht übersehen kann, so sind wir der Meinung, es ift viel richtiger, vorläufig nur mit Darlehen vorzugehen. Wenn sih späterhin bei dem cinen oder anderen herausstellen sollte, daß er das Darlehen nicht zurückzahlen kann, so wird sih Gelegenheit finden noch entgegen zu fommen. Diese Angelegenheit wird {on no öfters an uns herantreten. Die Beteiligten sollen sich darüber klar ein, daß das, was sie bekommen, ihnen, soweit sie niht bedürftig d, niht von vornherein à fonds perdu gegeben werden fann.

keiten maten fann, zu entscheiden, ob jemand so geshädigt ist, daß er hilfsbedürftig ist, aber die Entschädi ungskommission wird nit engherzig verfahren. Wir sind der Me nung, man sfoll das, was die Budgetkommission be chlossen hat, als eine zweckmäßige Lösung nicht auss{lagen. Jch habe mich bemüht, zu erfahren, um wieviel Leute es si eigentlich handelt, worüber in der Kom- mission eine Klarheit nicht geschaffen wurde. Soweit ih unterrichtet bin, waren Ansiedler in ganz Südwestafrika bei der Zählung am 1. Januar 1903 nur 813 erwahsene männliche Personen. Es entfällt also auf den Kopf des Einzelnen von den 2 Millionen, die wir als Darlehen geben, bereits eine Summe von 2—3000 Von den 813 sind 154 Deutsche. Wenn man die Händler, wie man dies beabsichtigt, niht bedenkt, so ergibt si für die in erster Linie zu berüdsihtigenden Deutschen ein Betrag von mehr als 6000 4, auf jeden Kopf. In ganz Südwestafrika waren 276 Farmen im Durch- [chnitt von 10000 ha Größe, die in der Negel niht sehr werts voll sind. Die Gebäude sind zum Teil nicht cinmal so, wie die be- fannten mit den „geflickten Strohdächern“. Der zu regelnde Schaden ist also nicht fehr nennenswert. Es wird sih im wesentlichen um Ersaß von Vieh handeln. Wenn man jeßt diefen Ansiedlern Bet- hilfen gibt, so möchte ih noh dringend um eins bitten: man möge dahin wirken, daß sie ihre Gebäude und Ansiedlungen nicht wieder auf demselben Terrain errihten. Jch bin der Meinung, daß es un- heilvoll ist und sein wird, wenn eine viel zu große Zersplitterung dieser Ansiedlungen auf dem unendlih weiten Gelände statthat.

. Abg. Graf pon Arnim: Der Vorredner, der in Südwest- afrika Dorfschaften gründen möchte, hat von den geologischen und landwirtschaftlichen Zuständen durchaus keine Kenntnis. Er denkt ih au nit in die Lage der Leute, die dur die furhtbare Katastrophe in bemitleidenswerter Weise mitgenommen sind. Allerdings geht der Anspruch der Ansiedler, vollen Ersatz zu erhalten, zu weit; aber wenn man bedenkt, daß die Männer seit Jahren in der beshwerlihsten, entbehrungsreihsten Weise gelebt haben, und in einer Nacht ihnen alles genommen ist, so kann man es ihnen niht übel nehmen. Ich. halte den Antrag von Staudy für rihtig, denn die Bedürftigkeit allein darf nicht für die Hilfeleistung maßgebend sein. Der Antrag der Kommission ist zu eng gefaßt, wenn er nur geradezu Verarmten à fonds perdu Gelder gegeben wissen will. Die geforderte Summe ist ein Minimum für die Aufgabe der Wiederherstellung der Farmen. England hat 60 000 000 Æ gegeben, um das Land der Buren wieder entwickelungsfähig zu machen, und hier bei unseren Landsleuten will man knausern. Ich glaube, daß die 2 Millionen nicht einmal reichen werden; der Schaden an Vieh wird größer sein, als der Kolonial- direktor annimmt. Für die Gntwickelung der Kolonie ist es notwendig, wieder Vertrauen und die Ueberzeugung zu schaffen, daß eine Eristenz dort wieder mögli sein wird. Etne ganze Anzahl von Leuten haben jahrelang dort gearbeitet, um etwas zu schaffen, und hier \priht man mit einer gewissen Oberflählichkeit immer nur von der Sandwüste. Helfen wir, so wird wieder Sonnenschein und Wohlgedeihen in die Kolonie einziehen.

1/2100; Gröber (Zentr.): Die Ausführungen der Negierung haben in den beteiligten Kreisen Hoffnungen erweckt, die sich nicht bestätigt haben. Daran ist der MNeichstag nit {chuld. In einem Flugblatt des Kolonialbundes werden jeßt die weitestgehenden Forde- rungen aufgestellt und der Gedanke vertreten, daß die Geschädigten einen moralischen Anfpruch auf vollen Schadenersaß haben. Es ist sogar mit dem Verlassen dèr Kolonie gedroht worden. Ferner werden in dem Flugblatt die zwei Millionen als erste Rate bezeihnet. Das sind ja \chöne Aussichten. Nach der Denkschrift foll niht einmal jeder Geschädigte etwas erhalten, denn es sind darunter sehr potente Leute, u. a. Spekulationsgeshäfte. Aus- zuschließen sind danach auch folhe, die den Aufstand mit vershuldet haben. Der Schadenersaß wird doch auch durch indirekte Steuern aufgebracht, zu denen Leute beitragen, die bei uns auch nit in glänzenden Verhältnissen sind. Wir haben niht nur das Recht, sondern auch die heilige Pflicht, dafür zu sorgen, daß nicht Veberflüssiges ausgegeben wird, zumal wenn wir ein Defizit haben. Aber eine allgemeine Unterstüßung beabsichtigt die Kommission mit ihrem Beschluß niht. Bei uns im Lande, bei Veberschwemmungen und Katastrophen, Aufruhr 2c, ist man nicht fo leiht bei der Hand mit folchen Unterstüßungen. Die große Ueberschwemmung in Oberschlesien würde wohl durch eine rechtzeitige Vorsorge zu verhüten gewesen sein, und die preußische Regierung erkennt au nit die moralische Verpflichtung, Geld herzugeben ohne die Verpflichtung der Nückzahlung. Soll denn etwa vielfachen Millionären auch eine Entschädigung gewährt werden ? Der Antrag des Abg. von Staudy läuft darauf hinaus, daß auch denen eine Ent- schädigung gegeben wird, die gar niht bedürftig sind. Die richtige Antwort ist nur die Annahme des Kommissionsantrages.

Abg. Dr. Arendt: Die Deutsche große Kolonialgesell haft würde mit folchen Anschauungen nicht hervortreten, wie sie der Kolonialbund vertritt. Das ift ein ganz kleiner Kreis, der der Kolonial gesellschaft ofen in den Rücken fällt. Der Abg. Müller-Meiningen hat doch vor einiger Zeit volle Entschädigung für die in Transvaal Betroffenen durch die englishe Regierung verlangt. Wir dürfen den Glauben unserer Landsleute zum deutschen Vaterlande und zu der Regierung nit erschüttern lassen. Deshalb hat die Frage eine sehr weittragende Bedeutung. Das Wort „Bedürftigkeit“ hat den Bei- geschmack des Armutszeugnisses, und man kann dies den Deutschen dort niht zumuten, daß sie sich dies ausstellen lassen. Es handelt sich hier niht um eine Unterstüßung, sondern um eine Beihilfe. Das Reich hat ein Interesse daran, die Kolonien lebensfähig zu gestalten, fie zu einer Einnahmequelle zu machen. Wir betrachten diese Ausgaben nur als einen Vorschuß auf künftige Einnahmen. Zu diesem Zwecke müssen die Ansiedlungen wiederhergestellt werden. Die ganze Schwierigkeit würde allerdings vermieden werden, wenn in der Regierungsvorlage statt „Erischädigung“ „Beihülfe“ gestanden bätte. Das Kolonialamt hat es si alo selbst zuzuschreiben, daß die Dinge so verlaufen sind. Aber das darf man die Landsleute draußen nit ent- gelten lassen. Wenn der Wortlaut des Antrags von Staudy nit ganz den Wünschen des Abg. Gröber entspricht, so könnte man vielleicht in den Antrag statt des Wortes „oder“ „und“ seßen, sodaß die Darlehen denjenigen gegeben würden, die aus Anlaß des Eingeborenaufstandes geschädigt und hilfsbedürftig geworden sind.

Abg. Payer: Der Graf von Arnim hat mir unterstellt, daß die Ansiedlungen in Ortschaften geschehen sollen, woraus er {loß, ich verstände nihts von den dortigen Verhältnissen. Jh kann nicht an- erkennen, daß das, was ih gesagt habe, niht korrekt gewesen sei. Jch habe keine oberflächlihen Ausführungen gemacht, fondern Tatsachen und Ziffern angeführt. Jch habe mi vorher jeder Phrase enthalten; ob der Graf von Arnim das von seinen Ausführungen au sagen fann, muß ich ihm felbst zu beurteilen überlassen. Die Spende von 2 Millionen Mark kann doch nit als ein Akt des Knauserns seitens des Reichstags bezeihnet werden. Wir bleiben auch hier auf dem Boden der praktishen Verhältnisse und halten uns von jeder Schwärmeret frei; wir haben auch die Steuerkraft des deutschen Volkes zu berüdcksihtigen.

Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. Stuebel: fert Gröber irrt, wenn er meint, der Anspruch auf völlige Schadloshaltung könnte Haltung der Kolonialverwaltung. Diese hat auch keinen Schritt getan, um von ihren Ansichten Mitteilungen ins Mage gelangen zu lassen.

Abg. Ledebour: Die angeführten Zahlen haben ih auf ganz Südwestafrika bezogen; der Aufstand hat aber doch nur den vierten Teil des Landes, das Hererogebiet, erfaßt; da handelt es si nit um 7 bis 800, sondern um etwa 200 Farmer. Ich frage den Kolonial- direktor, wie viel Ansiedler nah den vorliegenden Daten in den be- treffenden Bezirken ansässig sind, die von dem Aufstande betroffen wurden. Die 200 würden dann durchschnittlih 10 000 4 bekommen. Derartig foll man doch nicht mit dem Gelde der Steuerzahler wirt- schaften. Ich erinnere nur daran, wie zugeknöpft man Qs gezeigt hat, als es sich um die Opfer der Wurinkrankheit in Deutschland

zurückgeführt werden auf die

n Ich will zugeben, daß es in einem oder anderen Falle Schwierig-

»_y Stellvertretender Bevollmächtigter zum Bundesrat, Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Dr. St uebel: Im Aufstands gebiet haben gelebt 1800 Weiße, darunter 1500 Deutsche; darunter 314 Farmer und 168 Kaufleute, zusammen 482. Dazu 44 Missionare, le auch zum größeren Teil geshädigt sind, also kommen zusammen 926 Personen als Geshädigte in Betracht, die unter Umständen auf Entschädigung Anspru machen können. Im Durchschnitt würden hiernah 4000 M auf ben Kopf entfallen. Es sind ermordet worden 84 Personen, darunter 4 Frauen, ferner 31 Nichtmilitärs; dazu fommen 15 vermißte Ansiedler, zusammen 130.

Abg. Gröber: Früher sind folche Entschädigungen nicht gewährt worden, z. B. bei dem Aufstand in Deutsch-Ostafrika. Es ift wg e L nA uns entgegenhalten wird, die Ansiedler seien na Süde- westafrika gezogen im Vertrauen darauf, daß dort alles so siher und gut sei wie im Deutschen Reih. Nein, wer \sich dorthin unter wilde B tersGasten begiebt, weiß, daß es da nicht so sicher ist, wie in

erlin.

__ Damit {ließt die Debatte. Der Antrag von Staudy wird abgelehnt gegen die Rechte und die Nationalliberalen; der Köommissionsantra g gelangt darauf mit großer Mehrheit zur Annahme.

vom übrigen wird der zweite Ergänzungsetat für die Schugtgebiete unverändert angenommen, des- gleichen der dazu gehörige zweite Ergänzungsetat zum Neihshaushaltsetat für 1904.

Nach 61/4 Uhr vertagt das Haus die Fortseßung der Be- ratung des Kolonialetats auf Sonnabend 1 Uhr. (Außer- dem kleinere Vorlagen, Eisenbahnanleihegeseßentwurf für Dst- afrika und Togo.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. Abendsizung vom 21. April 1904, 71/2 Uhr.

Bei der Beratung des Etats des Finanzministeriums hat zu der Forderung von 1 000 000 M als erster Rate einer einmaligen und außerordentlichen Ausgabe für die Erbauungeines Königlichen Residenzshlosses in der Stadt Posen und zu dem Antrag der Budgetkommission, diesen Etatstitel in nachstehender Form zu bewilligen:

—, „zur Herstellung eines Königlichen Nesidenzshlosses in der Stadt Pofen, fester, niht überschreitbarer Beitrag von 3 000 000 4A an die Krone, welche den Bau für eigene Rechnung als Bauherr ausführt, als erste Nate 1 000 000 M“, der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben folgendes be- merkt:

Meine Herren! Wir haben ja heute mehrfach, zum Teil, glaube ih, wider Willen Polendebatten hier im Hause gehabt, und ic mö@te mich über die ganze Seite der Lage unserer deuts{sprechenden Mit- bürger in Posen nicht noch in diesem Momente näher auslassen. Für jeden, der mit offenen Augen die Verhältnisse überblickt, kann es gar niht zweifelhaft sein, daß fih die Lage der deutshen Bevölkerung in den östlichen Landesteilen, in der Provinz Posen von Jahr zu Jahr ungünstiger gestaltet hat. Die Angriffe von der polnischen Seite, die grunds\äßliche Abschließung der Polen gegenüber den Deutschen sind immer akzentuierter geworden, die großpolnische Be- wegung hat immer stärkere Wellen geshlagen, kurzum die ganze Situation ist im Osten für unsere deutschen Landsleute immer unerfreuliher geworden.

Es ist den Herren bekannt, daß in den leßten 7 Jahren nicht

weniger als 40 000 ha mehr in polnische Hände übergegangen sind als in deutsche, troy der Tätigkeit der Ansiedelungskommission. Fch halte zwar in Parenthese gesagt die daraus hergeleiteten An- griffe gegen die Ansiedelungskommission für vollkommen unbegründet; denn hätte die Tätigkeit der Ansiedelungskommission nicht eingeseßt, so wäre das Verlustkonto auf der deutshen Seite ein noch viel größeres gewesen. Es ist bekannt, in welhem Maße die polnischen Genofsenschaftsbanken, die auch überwiegend polnish nationalen Zwecken dienen, gewachsen sind. Und das Bedenklichste ist, in welchem Maße relativ die Zunahme der deutschen Bevölkerung geringer gewesen ist als die der polnischen.

Nach einer Statistik, die von polnischer Seite aufgemaht worden ist, befanden sich in der Provinz Posen im Jahre 1861 891 000 Polen und 666 000 Deutsche, also eine verhältnismäßig niht sehr große Differenz. Jm Jahre 1900 ftellte sih die Sache dagegen so, daß die Zahl der Polen auf 1 162 000 angewachsen war, während die Zahl der Deutschen sich nur auf 724 000 stellte, also eine unendlich viel stärkere Zunahme der polnischen als der deutschen Bevölkerung. Was speziell die Periode von 1890 bis 1900 betrifft, so hat im Regierungsbezirk Marien- werder die Zahl der Polen um 9,8 9%, die der Deutschen nur um 4 9% juge- nommen. Im Regierungsbezirk Posen hat die Zahl der Polen um 9,9 9/0, die der Deutschen aber nur um 19%/%0, in Bromberg die der Polen um 12,89%, die der Deutschen nur um 7,9 9% zugenommen; und dieses ganz polnische Blatt konstatiert die Tatsache:

Diese Zusammenstellung beweist, daß die polnische Bevölkerung an Terrain gewinnt und die deutsche langsam, aber dauernd zurüdck- drängt, und zwar in beiden Regierungsbezirken des Großherzogtums Posen und im Regierungsbezirk Marienwerder und Westpreußen. Das ist also dort, wo sie am meisten geshlossen ist, und wo sie eine starke wirtshaftlihe Stellung einnimmt.

Nun, meine Herren, diese Situation macht es meiner Ansicht nah dem ganzen deutschen Vaterlande zur Pfliht, unsere dort auf der Bastion befindlichen Deutschen zu stärken in der Abwehr gegen den polnishen Angriff. Es hat über unserer deutshen Bevölkerung im Often vielfah das Gefühl gelagert, daß die Deutschen nicht in dem Maße hinter ibnen ftänden, wie die Deutschen in Posen das mit Ret erwarten konnten, daß man ihnen allein die Abwehr überließ, und daß das ganze deutsche Vaterland an dem Kampfe niht mit dem Interesse teilnahm, wie es

notwendig war.

Meine Herren, in bezug auf die Staatsregierung ist diese Auf- fassung jedenfalls unzutreffend; denn die Kinder, die am meisten Sorge machen, hat man bekanntlich am meisten ins Herz ges{chlossen. Fu den leßten Jahren hat jedenfalls die Staatsregierung tatkräftig bewiesen, daß ihr die Provinzen Posen und Westpreußen in der Tat besonders ans Herz gewachsen sind, und sie hat Aufwendungen auf allen Ge- bieten, wie sie sonst nit vorkommen, gemaht, um das Deutschtum in diesen Landesteilen zu stärken.

Aber, meine Herren, das ist meine innerste Ueberzeugung, daß es kein besseres Mittel gibt, die Deutsben in ibrer Abwehr zu stärken,

handelte.

ihnen das Bewußtsein beizubringen, daß sie nicht verlassen sind, son-