1883 / 117 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 22 May 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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wiesen: die Beshlüsse des Reichstags, betreffend die Unter- suchung der Stromverhältnisse des Rheins und seiner Neben- flüsse 2c.; der Bericht der Reichsshulden-Kommission über die Verwaltung des Schuldenwesens des Norddeutshen Bundes und des Reichs sowie der ihrer Beaufsichtigung unterstellten Fonds 2c., und ein Gesuch um Zulassung zur Schifferprüfung.

Jn der heutigen (84.) Sißung des Reichstages, welcher der Staats-Minister von Scholz sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident von Leveßow zunächst den Eingang eines Berichts der Staats\{huldenkommission mit.

Der erste Gegenstand der Tagesordnung war die Fnter- pellation des Abg. Johannsen wegen Wiederaufnahme nord- \chleswigsher Optanten in den Staatsverband. Dieselbe lautet :

Veranlaßt durch die im Anfange dieses Jahres erlassene Verfügung, worin alle in Nordschleswig wohnenden dänischen Staatsangehörigen, die im Jahre 1863 gehoren waren, auf- gefordert worden, sich zur preußischen Stam:nrolle zu melden, widrigenfalls ihre Auêëweisung aus Deutschland in Aussicht gestelt ward, habcn si auch junge, noch vor dem militär- pflichtigen Alter stehende nordshleswigshe Optan:?en zur preußischen Stammrolle gemeldet und um Wiederaufnahme in den preußischen und damit auch deutschen Staatsverband nachgesubt. Es ist nun vorgekommen, daß man von zwei Brüdern dem cinen die Aufnahme zu Theil werden ließ, dagegen dem anderen felbige verweigerte. -

erner schcint es jeßt ein allgemein befolgtes Prinzip für Nordschleswig geworden zu sein, den daselbst wohnenden älteren Optanten, die wiederum preußisbe und damit auch deutsche Unter- thanen zu werden wünschen, die Wiederaufnahme in den preußischen und beziehung8weise deutshen Staatsverband zu verweigern.

Und endlich haben die Polizeibehörden in den nordsch{leswig- schen Städten sowie auf dem Lande {jetzt ein bisher nicht befolgtes Verfahren gegen dänische Unterthanen eingeleitet, indem man ihnen obne Weiteres verbietet, sich in Nordschleswig zu verheircthen oder scßhaft zu werden, selbs wenn sie alle von Ausländern fonst ge- wöhnlich verlangten Garantien mit Nücksiht auf evertuelle Ver- armung 2c. leisten wollen und können.

Ich erlaube mir auf Grund dessen den Herrn Reichskanzler zu fragen :

1) Sind die angeführten Thatsachen der hohen Reichsregierung bekannt ?

2) Ft die hohe Regierung willens, die zur Abhülfe dieser Be- \chwerden erforderlichen Maßregeln zu veranlassen ? S

Auf Ansrage des Präsidenten erklärte der Staats-Minister von Scholz, daß ec auf eine derartige JFnterpellation jede Antwort ablehne und sich an einer eventuellen Besprehung keinesfalls betheiligen werde.

Hierauf erhielt bei Schluß des Blattes zur Begründung der Jnterpellation der Abg. Johannsen das Wort.

Nachdem die Aufstellung der Denkmäler für Wil- helm und Alexander von Humboldt im Vorgarten der Königlichen Universität nunmehr beendet ist, findet auf Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs die feierliche Enthüllung derselben am Montag, den 28, Mai, Mittags 12 Vhxe, statt. Die Einladungen zu der Feier ergehen durch den Unterrichts-Minister.

Die Kaiserlihe Normal -Aichungs- Kom- mission ist in neuerer Zeit mehrsach darum angegangen worden, Beamten und Sachverständigen, welche Seitens größerer Polizeiverwaltungen oder kaufmännischer Vereinigungen mit der Ausführung und Ueberwahung von Petroleum- Unter- fuhungen beauftragt werden sollten, praktische Unter- weisung in der Ausführung und Ueberwachung vonPetroleum-Untersu hungen mittelst des Abel- shen Probe rs zu ertheilen.

Die Kommission hat derartigen Gesuchen bisher bereit- willig entsprochen, und es foll, soweit als thunlich, in gleicher Weise au in Zukunft verfahren werden. Um aber über- sehen zu können, inwieweit die Erfüllung solcher Wünsche mit den sonstigen der Kaiserlichen Normal-Aichungs-Kom- mission obliegenden Aufgaben sich vereinigen läßt, ist, nah einem Circularerlaß des Ministers des Fnnern, vom 9, April d. J., der Reichskanzler künftig von den einzelnen Anträgen vorher in Kenntniß zu setzen.

Nachdem seit den auf der Domäne Packish im Kreise Liebenwerda ausgeführten Milzbrandimpfungen no.ch der Methode von Pasteur ein Jahr verflossen ist, wird es für die prakftishen Landwirthe von Fnteresse sein, zu ér- fahren, inwieweit diese Shußimpfungen bisher eine günstige Wirkung geäußert haben.

Nach Beendigung der Jmpfversuhe am 1. Juni v. J. waren auf der Domäne Pacfish vorhanden :

266 geimpste Schafe, 215 der Kontrole wegen ungeimpst gebliebene Schafe, 83 geimpfte Siück Rindvieh.

Ungeimpst gebliebenes Rindvieh befand sih auf der Do- mäne nicht, jedoch besißen die dortigen Dienstleute einige Kühe, welche nicht geimpft worden sind; von den leßteren ist eine Kuh an Miizbrand gefallen.

Bis zum 1. Mai d. J. mithin in 11 Monaten —, sind an Milzbrand gefallen :

4 geimpste Shase = 1,50 Proz, 10 ungeimpfte Schafe = 4,65 , 2 Stü Rindvieh = 2,41 ,

Ein am 3. Juli v. J. gefallenes geimpstes Schaf, bei welchem die Krankheit wegen vorgeschrittener Fäulniß des Ka- davers niht mit Sicherheit konstatirt werden konnte, ist bei dieser Berechnung außer Anschlag geblieben.

Der Prozentsay der Milzbrandfälle bei den ungeimpfst gebliebenen Schafen ist mithin etwa ur das Dreisache höher als bei den geimpften. Dabei ist zu beachten, daß die Abtheilung der ungeimpsten Schafe 51 Schafe weniger enthielt, als die Abtheilung der geimpften. Bei fast gleicher Kopfzahl des Rindvieh: nnd Schafbcstandes in den leßten 4 Jahren be: rechnen sich die Verluste durch Milzbrand auf der Domäne

Pallisch: beim Rindvieh bei Schafen 1879/80... , , auf 74,70 Proz., auf 4,57 Proz. 1880/81 . O 2; 1881/82 A 1081 7 im dreijährigen DurWschnitt auf 33,74 Proz., auf 5,96 Proz. Die viel geringeren Verluste an den geimpften Rindern und Schafen in dem Jahre 1882/83 haben den Pächter der Domäne veranlaßt, im laufenden Monat wiederum seinen gesammten Schaf: und Rindviehbestand, mit Auténahme einer Anzahl von Kontrolthieren durch den Departements - Thierarzt Oemler in Merseburg mit der Pasteur’shen Jmpsflüssigkeit impfen zu lassen. Den Organen des Herrn Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, welher der Viilzbrandimpfung fortgesegt sein

Interesse zuwendet, ist auch bei diesen neuen Jmpfungen die Kontrole über die Ausführung der Jwpfung und über deren Wirkung gesichert worden. | / Noch geringer als in Pacish sind die Verluste, welche der Milzbrand in Dlonie nah den im Juni und Juli v. J. dort auf Veranlassung der Gutsverwaltung ausgeführten Jmpfungen verursacht hat. ] j : Nach Beendigung der Jmpfung blieben in Dlonie Bestand: 246 Stück geimpstes Rindvieh, 661 geimpfte Schafe. Hiervon sind bis zum 1. Mai cr. an Milzbrand gefallen: O 1,36 Proz. 1E E . : .. 40 Nimmt man an, daß die Kopfzahl des Bestandes in den leßten Jahren die gleiche war, so betrug vor der Fmpfung der Verlust durch Milzbrand in Dlonie: : bei Schafen.

bei Rindvieh im Jahre 1881 : 17,10 Proz. 13,60 Proz. Vom 1. Januar bis 30. Juni 1882: 5,70 Proz. 4,00 Bres.

Wenn diese Vorgänge auch noch niht ein abschließendes Urtheil über die praftishe Bedeutung der Milzbrand-Schuß- impfungen nah der Methode Pasteurs gestatten, so lassen sie doch nit verkennen, daß die geimpften Rinder und Schafe in erheblih geringerem Maße als die ungeimpften Thiere dieser Gattung den Milzbrand erzeugenden Schädlichkeiten solcher Grundstücke erliegen, auf welhen der Milzbrand stationär geworden ift.

Nach einem Uttheil des Reichsgerichhts, II. Straf- senats, vom 13, März d. J, werden die auf Grund einer simulirten Cession vom Ce‘sionar für den Gläubiger eingeklagten und eingezogenen Geldbeträge Eigenthum des Cessionars, und dieser ist, wenn er die Geldbeträge an sid behält und in seinem Nugzen verausgabt, niht wegen Unter- schlagung zu bestrafen. Nur in dem Falle, wenn dem Cessionar nachgewiesen werden kann, daß er von vornherein die Forde- rungen si in der Absicht und zu dem Zwecke hatte cediren lassen, um die sodann eingezogenen Beträge niht an seinen Auftraggeber und Scheincedenten abzuführen, sondern in seinem eigenen Nußen zu verwenden, is er wegen Betruges zu bestrafen ; eventuell würde er wegen Untceue (8. 266,2 Str.-G.-B.}) zu bestrafen sein, wenn er die Forderungen gleich in der Absicht eingezogen hat, die erhaltenen Beträge fär si zu verwenden und niht an seinen Auftraggeber abzuführen.

Der Präsident des Reichsgerihts, Wirkliche Geheime Nath Dr. Eduard Simson begeht heute in Leipzig das 50 jährige Jubiläum seines Eintritts in der. Staatsdienst cls außerordentlicher Professor der Rechte an der Universität Königsberg.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich bayerisher Ministerial - Rath Herrmann und Königlich württembergisher Wirklicher Geheimer Kriegsrath von Horion sind hier angekommen.

Der Kaiserliche Botschaster am russishen Hofe, von Schweiniß, ist mit den Mitgliedern der Kaiserlichen Botschaft für die Zeit der Krönungsfeterlihkeiten nah Moskau über- siedelt und daselbst vorgestern eingetroffen.

Der Kaiserliche Gesandte am brasilianischen Hofe, Le Maistre, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub nah Europa angetreten. Während seiner Abwesenheit von Nio de Zaneiro fungirt der Legationsfekretär Dr. von Mußen- becher als interimistisher Geschäftsträger.

Die zur Krönung nah Moskau Allerhöcst be- fohlene Deputation, zu welher auch der General-Major Graf von Alten, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Commandeur der 1. Garde-Kavallerie-Bri- e kommandirt worden ist, hat gestern Abend Berlin ver- lassen.

Meckelenburg - Schwerin. Schwerin, 22. Mai. (W. T. B.) Die hiesigen Zeitungen veröffentlichen eine von Mentone datirte Danksagung des Großherzogs für die zahlreichen Beilecidsbezeugungen, welhe Sr. Königlichen Hoheit aus allen Theilen des Landes von Korporationen und Privatpersonen, wie auch aus ganz Deutschland und von vielen Ausländecn zugesandt worden sind.

Schwarzburg-Sondershausen. Sondershausen, 18. Maî. (Leipz. Ztg.) Der Landtag is nah einer kurzen Vertagung wieder hier zusammengetreten. Fn seiner leßten öffentlichen Sißung hat er u. A. einen Geset?ntwurkf, betreffend die Unterbringung verwahrloster Kinder, angenommen und wicd nun an die Erledigung der übrigen Vorlagen heran- treten.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 21. Mai. (W. T. B.) Der Herzog von Aosta hat mit den Mitgliedern der italienischen Krönungsbotschaft heute Vormittag die Reise nah Moskau sortgesetßt.

—- 22. Mai. Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht ein Kaisecliches Patent, durch welches die Aufiösung des böh- mischen Landtags ausgesprochen und die Einberufung des neu zu wählenden Landtags auf den 5. Juli d. F. angeord- net wird.

Pest, 21. Mai. (W,. T. B.) Das Abgeordneten - haus hat die Suspension des dem Abg. Fstoczy zustehen- den Jmmunitätsrezts vezüglih des von demselben in seinen antisemitishen Flugschriften begangenen Preßvergehens aus- gesprochen ; es ist damit das Hindecniß hinweggeräumt, das

der gerihtlihen Verfolgung Jstoczys durch den Staatsanwalt |

bisher im Wege stand.

Großbritannien und Jrland. London, 21. Mai. (W.T.B.) Troy des päpstlihen Schreibens haben gestern an den Thüren der katholischen Kirchen in Kildysert, Kilmucry und Coolnien Zeihnungen für einen Parnell- Testimonial-Fund stattgefunden. Die Priester hatten die Pfarreingesessenen ermahnt, Beiträge zu leisten. {Fn Mullagh, wo der Pfarrer der Kirche es abgelehnt hatte, die Annahme von Zeichnungen an der Thür seiner Kirche zu gestatten, wurde niht weit davon von einzelnen Personen ein Tisch aufgestellt, an welchem Zeihnungen entgegengenommen wurden.

22. Mai. (W. T. B.) An Stelle des Marquis of Lorne ist der Marquis of Lansdowne zum General: gouverneur von Kanada ernannt worden. i

(Allg, Corr.) Die Vertheilung der egyptischen Kriegsmedai!le ist nunmehr beendet. Fm Ganzen wurden 44 000 Medaillen ausgegeben. Jede derselben trägt eingravirt den Namen des Empfängers. Das Silbergewicht der Me-

daillen, die unter Kontrole von einem Birminghamer Fabri- kanten hergestellt wurden, beträgt über 33 Centner.

Die Zustände im Zululande haben seit der Rück- fehr Ketschwayos eine Gestalt angenommen, welche eine neuerlihe Gefahr für den Frieden Süd-Afrikas bedeutet und ein wiederholtes Einschreiten Englands gebieterish zu fordern scheint. So unliebsam dies auch in den Regierungskreisen empfunden werden mag, die Nothwendigkeit ist vorhanden, und die „Daily News“ selbst gesteht in einem Pietermariß- burger Telegramme zu, daß im Zululande die größte Ver- wirrung herrsche; daß die Annexionsgelüste in Natal und Transvael von Neuem entfesselt jeien und daß eine unpar- teiishe Untersuchung dringend geboten erscheine.

Frankreich. Paris, 21. Mai. (W. T. B.) Der „Français“ will wissen, die vom Vatikan an die franzö- sische Regierung gerichtete Note trage keinen offiziellen Charakter, sondern sei eine vertrauliche Mittheilung und dur E jüngst in Paris eingetroffenen Prälaten überbracht worden.

(Köln. Ztg) Der Herausgeber des Lyoner Sozialistenblatts „La Lutte“ wurde wegen Aufreizung zur Ermordung des Czaren während der Krönung zu zwei Jahren Gefängniß verurtheilt. Drei der jüngst festgenom- menen Anarchisten sind wegen Aufreizung zur Meuterei in der Armee dem Geschworenengeriht überwiesen worden.

Ftalien. Rom, 21. Mai. (W. T. B.) Der an- gekündigte Ministerrath hat heute Mittag stattgefunden. Der Minister-Präsident Depretis wird heute noch mit den König konferiren. |

22. Mai. (W. T. B.) Die Regierung hat in Er- widerung auf die Note der Pforte wegen des neu abzu- schließenden Handelsvertrages bis zum Abschluß des- selben die Anwendung des Tarifs des abgelaufenen Handels8- vertrages verlangt.

Türkei. Konstantinopel, 21. Mai. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach hat die Kommission für die Ausarbeitung von Reformen ihre Arbeiten beendet und dem Sultan Bericht erstattet. Die Kommission spricht sih für eine Dezentralisirung aus und will die Eintheilung in große Bezirke, wie sie gegenwärtig bestehen, erseßt wissen durh die Einrichtung kleiner Verwaltungsbezirke. Der Firman betreffend die Tabackregie soll, wie es he:ßt, morgen von der Pforte erlassen werden.

Nusland und Polen. Moskau, 21. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin empfingen heute Nach- mittag im Petrowski-Palast die Botschafter und das diplo- matishe Corps, dessen Mitglieder vollzählig erschienen waren. Die Stadt hat seit der Ankunft des Kaiserpaares ein außerordentlich belebtes Aussehen gewonnen: die Be- völferung ist von ganz unbeschreiblihem Enthusiasmus und Jubel erfüllt, und im Kreml drängt sich eine Masse von Neugierigen, um die zur Theilnahme an der Krönung erschienenen Deputationen sowie die fremden Trachten und Kostüme zu sehen. Die Vertreter der ausländischen Presse erhielten heute die Exlaubniß, das Jnnere der Kathedralen und des Kremlpalastes zu betreten und die Vorbereitungen zu den Krönungssfeierlichkeiten sowie die Krönungs-FFnsignien in Augenschein zu nehmen. Die Journalisten sind mit silbernen Abzeichen und mit einem ihre Photographie ent- halt-nden Passirshein versehen worden. Das Wetter ist sehr schön geworden.

21, Mai, Abends. (W. T. B.) Der Herzog und dic erzogin von Edinburg sind heute hier eingetroffen und am Brester Bahnhof von den Großfürsten Wladimir,

Michcel und Nikolaus empfangen worden. Der feier-

liche Einzug des Kaisers und der Kaiserin ist auf morg?:n Nachmittag 1 Uhr festgeseßt. |

22. Mai, Vormittags 10 Uhr. (W. T. B.) Die Vor - ber«itungen zu dem heutigen feierlihen Einzuge des Kaisers und der Kaiserin wurden in dieser Nacht vollendet; die Stadt bietct einen außerordentlih glänzenden Ar.blick dar. Vom Petrowski-Palast bis zum Kreml, auf eine Entfernung von 5 km, welche der Kaiserlihe Zug pas- (ren wird, wehen unzählige Fahnen und Flaggen in den Farben Rußlands und des Kaiserlichen Hauses; die Häuser, in denen die fremden Botschafter und Gesandten wohnen, tragen deren bezügliche Landesfarben. Die Straßen entlanz ziehen sich mit Fahnen geschmückte Wasien, an den Fenstern und Balkonen befinden sich Zeltdekoratio- nen in den lebhaftesten Farben; die zahllojen Glocken- hürme, mit Fahnen geschmüdckt, machen einen pittoresken Cindruk. Ueberall erscheinen die Namenszüge des Kaiserlihen Paares in den verschiedensten Formen, Schon vom frühen Morgen an waren Straßen und Fenster von Menschen diht beseßt. Viele hatten sogar die Nacht auf den Straßen zugebracht. Fn den Gegenden, welche der Zug passirt, ift das Gedränge bereits so groß, daß der Verkehr fast unmöglich ist. Während der Nacht waren die Kirchen massenhaft von Andächtigen besucht, die für das Kaiserliche Paar beteten. Auf allen Pläßen, an denen der Zug vorüber- fährt, sind große Tribünen errichtet, wo die geladenen Gäste, namentlih die Angehörigen des diplomatishen Corps, Plat nehmen. Das Wetter is prachtvoll. : i

22. Mai, Vormittags 10 Uhr. (W. T. B.) Die Stadt prangt im reichsten Schniuuck der Fahnen, Banner und Flaggen ; die eine Meile lange Einzugstraße vom Petrowski- palaste bis zum Kreml i} in eine Via triumphalis verwan- delt, alle Balkone sind mit Teppichen geziert und mit Zu- shauern in festlih erregter Stimmung dicht beseßt. Der An- drang der Bevölkerung in den Straßen is ein gewaltiger. Auf dem ganzen Einzugswege bilden die Truppen Spalier. An den Hauptstationen sind Tribünen errichtet, die {hon gegenwärtig dicht beseßt sind. Der Einzug in den Kreml dürfte Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr erfolgen. Das Wetter ist mild und heiter.

22. Mai, Vormittags 11 Uhr. (W. T. B.) Der Fürst von Montenegro und der Herzog von Montpensier sind gestern Nacht 11 Uhr 50 Minuten hier eingetroffen und auf dem Bahnhofe von den Großfürsten, dem General - Gouverneur sowie den hohen Würdenträgern empfangen worden, welche ihren montenegrinishen Orden an- gelegt hatten. Die Musik der aufgestellten Ehrenwache spielte die spanische und montenegrinishe Nationalhymne. Die zahl- Bal E Bevölkerung begrüßte den Fürsten mit lauten

urrahs.

Dänemark. Kopenhagen, 21. Mai, (W. T. B.) Der Kronprinz und die Kronprinzessin sind heute von ihrer Reise nah Athen hierher zurückgekehrt.

Afrika. Egypten. Kairo, 20. Mai. (W. T. B.) Einer Nachricht der „Agence Havas“ aus Kairo zufolge soll die Pro- vinz Sennaar fajt vollständig befreit sein; die Schaaren Mahdi’s wären durch egyptishe Truppen zersprengt worden und die einzelnen Stämme häiten sih wieder unterworfen.

Heitungsftimmen.

Die „Deutsche volkswirthshaftliche Corre- spondenz“ veröffentliht die von dem Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller zusammengestellte Statistik über die Lohnverhältnisse und bemerkt dazu:

Wir dächten, diese Ziffern sprächen deutlih genug, so daß die Freihändler nunmehr Buße in Sack und Asche thun sollten. Fürst Bismarck mag an diesen Ziffern seine Freude haben, denn sie be- weisen mit unwiderstehlicher Kraft, daß die einzig und allein seiner Initiative zu verdankende Aenderung der Zollpolitik dem Lande einen großen Segen gebrachbt hat. Abgesehen davon, daß nun die fremde Konkurrenz unsere Arbeiter nicht mehr brod- los machen, unsere heimishen Eisen - Jndustriewerke nitt mehr wie feindlide Schiffe in den Grund bohren kann, ist es auch ein wahrlih großcs Wort, daß die schon in den obiger 325 Werken beschäftigten etwa 200 000 Arbeiter einen Jahres-Mehrverdienst von 647 Mill. Mark haben. Wenn diese Ziffern vor die Augen des Reichskanzlers gelangen, mag er sich vergnügt die Pfeife stopfen und souverain über alle ihm gewordenen Anfehtungen hinwegsehen. Solche Resultate erwärmen das Herz wahrlih nicht wenig! Wie haben sie den Fürsten umkrei\t und umkrächzt die Raben der Freihandels8partei, als ihm sein Genius eingab, die Lehren ihrer „Wissenschaft“ etwas auf ihren Gehalt und bezw. ihre Anwendbarkeit auf unsere Verhältnisse zu prüfen. Wie umkräcbzen sie ihn noch, wenn er mit gigantisher Hand dem Volke neue Gaben darbietet. Zeugnisse, wie die obigen, für die Richtigkeit dessen, daß ein ein- ziger wirklichß genialer Mann viel weiter sieht als das ge- jammte Parlament und resp. als alle Streithähne desselben, können logisher Weise dem Wunshe nur noch weitere Nahrung geben, daß Fürst Bismarck| auh die weiteren Ketten und Stricke zerreiße, mit welchen man ihm die Hände binden will, wenn ec die Wohlfahrt der Nation anstrebt. Bis jeßt hat man noch jedesmal "päter bitter bedauern müssen, daß Dasjenige, was er vorschlug, nicht allsogleih genehmigt wurde. ahrlih, wahrlich, es wird cine Zeit kommen, wo man aus jenem papierenen Zeughause, wo man die von scinem Griffel gekommenen aber vom Reichstage verworfenen Vorschläge aufgethürmt hat, sammt und sonders hervor- holen wird, aber wie immer wieder zu spät.

—- „Steins deutsche Correspondenz“ schreibt:

„Wer den zoll bezahlt.“ Zu dieser Koutroverse liefert der Ka- talcg der Grands magasías du printemps in Paris ‘inen inter- essanten Beitrag. In den Bemerkungen -besselben heißt es in Bezug auf Deutschland:

„Die wahren Vortheile, die roir im Stande sind, unseren werthen Kunden des Auslandes zu bieten, stammen nicht blos daher, daß wir sowohl in Paris, als auch im Auslande zu gleichen und stets billigen Preisen verkaufen, sondern auch von der Einrichtung von Spezial- Bureaux, welche kein Haus unferes Ranges aufweisen kann. Die Abtheilung unseres Katalogs, welche die Einfuhrsteuer in den deut- schen Zollverein bespricht, dient als neuer Beweis dafür, vaß wir kein Opfer scheuen da, wo cs heißt, die Verbindungen mit dem Aus- lande zu erleichtern und auszudehnen.“

Aus dem von dein Pariser Magazin Gesagten geht klar hervor, daß die Einfuhrabgabe nah Deutschland ihm Opfer auferlegt, die es selbft und nit etwa der deutsche Privatkunde trägt. Dahin deuten auch die glzichen für Paris und das Auéland erwähnten Preise. Trägr schon im direkten Verkehc mit Privatkunden der ausländische Importeur eingestandenermaßen Opfer für unseren Zol, wie viel mehr wird es der Fall sein, wenn der Verkehr zwischen dem Aus- lande und derm inländishen Konsumenten indirekt ist, d. h. wenn der inländische Handel dazwischen geschoben wird? Uebrigens wollen wir damit ia keiner Weise für das Pariser Magazin Reklame machen. Jeder wird am besten und sc{bließlih au noch billiger kaufen, wenn er von einem soliden deutshen Kaufmanne deutsche Waaren bezieht.

Jn den „Berliner Politishen Nachrichten“ lesen roir:

Das waren doch noch gute Zeiten für die Freihändler, als die Erfarurg die Zugkraft der großen Schlagworte von Brot und Licht und vcn der Pfeife des armen Mannes noch nicht beseitigt hatte. Jett aber, wo auch die urtheilslosen Massen sich nit mehr durch dieselben taptiviren lassen, ist die Noth um wirksame Agitationsmittel offenbar schr groß. Aber wie das Sprichwort sagt, wo die Noth am größten, ist die Hülfe am nächsten. Wie gerufen erscheint der italie- nisbe Handelsvertrag und der „Rosinenkuchen des armen Mannes“ wir» mit Grazie servirt. Der „Freihandelc-Correspondenz“ gebührt das Verdienst dieser neuesten Erfindung; sie schreibt:

„Die Zollermäßigungen, welche nach offiziósen Angaben in dem neuen deutsch-italieni]/chen Handelsvertrage Seitens des Deutschen Reiches zugestanden sind, tragen insofern einen überein stimmenden Charakter, als sie sih aus\{@ließlich auf folhe Gegenstände beziehen, welcze in der Hauptsache als Artikel des feineren Lebensg:nusses, als Lurxusartikel arzusehen sind. Tafeltrauben, Avfelsinen, Citronen, Pomeranzen, Datteln, Mandeln, Oliven und Olivenöl sind Artikel, welche für den Konsum der großen Masse der Bevölkerung gar keine Rolle spielen ; nur Apfelsinecn sind allenfalls in einer gewissen Zeit des Jahres, aber wohl aub nur in größeren Städten, in weitere Kreise gedrungen. Dagegen sind gerade Rosinen und Korinthen , die wenigstens in den Festkuhen der ärmeren Klassen häufig eine Stelle finden, von den vereinbarten Ermäßigungen auêgeschlossen.“

Daß die Korinthen und Rosinen nur zum kleineren Theile aus Ftalien bezogen werden und daß bei einem Handelsvertrage in der Hauptsache nur solche Zollermäßigungen platzgreifen, auf welche der andere Kontrahent, hier also Italien, Werth legt, sei nur nebenher erwähnt. Die Sache selbst aber hat neben der scherzhaften au eine überaus ernste Seite. Welcher Grad von Verbissenheit, welches Ueberwuchern der Parteisuht über das objektive oder auch nur loyale Urtheil gehört dazu, in einer Zeit, in welher der leitende Staatsmann die großen Probleme der Sicherung der arbeitenden, also der ärmeren Bevölkerung gegen die Gefahren des Arbeitsbetrießhes wirksam in Angriff genommen hat, und in dem Krankenkassengeseße die erste ptaktische Fruttt auf dem Gebiete posi:iver Sozialpolitik zu ernten im Begriff ist, mit der Unfallversicherung8vorlage aber, felbst wenn im Einzelnen noch Schwierigkeiten in der Durhführung sich ergeben sollten, den Grundgedanken der obligatorishen Versicherung aus Gründen des Gemeinwohls doch eine so breite Bahn in dem Bewußtsein der Nation gebrochen hat, daß er schon heute als com- munis opinio gelten kann, fein anderes Bestreben zu haben, als alles Denkbare und Undeakbare hervorzusuhen, um gegen den leitenden Staatsmann den Vorwurf einer planmäßigen Begünstigung der wohlhabenden Klassen der Bevölkerung gegenüber den ärmeren erheben zu können! Mit der tendenziösen Ärt der Sachbehandlung

eht cine beinahe ershreckende Kleinlichkeit der Auffassung Hand in

and, welche gegenüber den großen Gesichtspunkten, von denen die Sozialpolitik der Reichsregierung geleitet wird, nihts als Nörgeleien und Nadelsiiche der bezeichneten Urt zu finden weiß. Unter denselben hat der „Rosinenkuchen des armen Mannes“ wenigstens den Vorzug einer herzerfrisbenden Naivetät.

Die „Sche sische Zeitung“ hebt aus einem Wahl- aufruf vom 12. d. M.,, welchen das liberale Wahlcomité în Dortmund zu Gunsten des Grubendirektors Klein veröffent- liht hat, folgende Stellen hervor :

Herr Lenzmann will das Sozialistengeseß aufgehoben haben! Denkt an die Mord- und Brandversuche in England, Rußland und

Fa! Wir haben Rube in Deutshland das Sozialistengeseßz at uns vor gleihen Gefahren bewahrt. Herr Lenzmann ift ent- schiedener Gegner der jeßigen Wirthschaftspolitik und predigt überall, daß sie dem Arbeiter das Brod vertheuere. Daß vom Beginne dieser Wirthschaftspolitik das allmähliwe Wiederaufblühen unserer ÎIn- dustrie zu reren ift, daß seitdem der Arbeiter volle Arbeit findet und höheren Verdienst hat, daß infolge dieser Wirthscbaftêpolitik die beiden untersten Stufen der Klassensteuer aufgehoben sind und dadur das Einkommen bis zu 900 M frei von der Staatsfteuer ist das alles vers{weigt Herr Lenzmann. Und wie stellen sih seine Freunde zu dem für die Arbeiter so wohlthätigen Krankenkafsengeseß ? Sie haben dagegen gestimmt. Ihre Wortführer wollten durcaus, daß der Bei- trag des Arbeitgebers wegfalle, daß also die Arbeiter um die Hälfte höhere Beiträge zahlen. Auch dem Unfallgeseße gegenüber haben sie sih ablehnend verhalten. i:

Die „Neue Preußische Zeitung“ meldet:

Auch in S{leswig-Holstein hat sib der {hon leßthin wahrnehm- bare Aufschwung in Handel und Industrie dur eine weitere gedeih- lie Entwickelung als cin dauernder erwiesen. Der nit strenge Winter hat auch für die ländlihe Arbeiterbevölkerung die Arbeit niemals ganz zum Stillstand kommen lassen. Nur das Vagabonden- thum, welches eine große Belästigung geworden, will noch immer nicht ab- nehmen, Cine wesentliche Zunahme zeigen auf dem Gebiete der landwirth- \chaftlihen Gewerbe die Meiereien mit Dampfbetrieb; es bestehen zur Zeit bon 39 derartige Anlagen in der Provinz, von denen die erste im Winter 1878/79 in Betrieb genommen wurde. Der Eisen- \ciffbau hat mit Ausnahme der Werft in Gaarden, deren Arbeiter- zahl zurückgegangen ift, eine weitere günstigere Entwickelung ge- nommen.

Cisenbahn-Verordnungs-Blatt. Nr. 9. Inhalt: Allerhöchster Erlaß, betr. die Genehmigung des zwischen der Direktion der Ilmebahn-Gesellschaft und der Direktion der Braunschweigischen Eisenbahngesellschaft abgeslofsenen, die Betriebsführung auf der Eisenbahn von Einbeck nach Dassel betreffenden Vertrages. Vom 18. April 1883. Allerhöcbster Frlaß, betr. anderweite Abgrenzung der Eisenbahn-Direktionsbezirke Elberfeld und Cöln (rehtsrheini\ch). Vom 25. April 1883. Erla‘se des Ministers der öffentlichen Ar- beiten: vom 16. April 1883, bet-. Rapportirung von Betriebsunfällen ; vom 20. April 1883, betr. die an der Grenze zweier oder mehrerer Direktionsbezirke gelegenen Werkstätten; vom 25. April 1883, betr. die Revision der Centesimalwaaçien und des Eigengewichtes der Fahr- zeuge; vom 26. April 1883, betr. Abänderung des Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlants; vom 27. April 1883, betr. ander- weite Abgrenzung der Geschäftsbezirke der Königlichen Eisenbahn- Betriebéämter zu Düsseldorf (Gisenbahn-Direktionsbezirk Elberfeld) und zu Cöln (Cisenbahn-DirektionEbezirk Cöln, rechtêrheinish); vom 2. Mai 1883, betr. unentgeltliche Benußung der Staats- und unter Staatsverwaltung stehenden Eisenbahnen: vom 15. Mai 1883, betr. Berichtigung mangelhafter Begleitpaviere dur die Erpeditionen. Nachrichten.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Aus dem Verlage der Königlihen Hof - Bubhandlung von Ernst Siegfried Mittler und Sohn hierselbft liegen folgende Werke vor:

Kulturgescchichte der Kreuzzüge, von Dr. Hans Pruß, ord. öffentl. Professor der Geschichte an der Universität Königsberg. Preis 14 ( Das große, Jahrhunderte beherrschende Ereigniß der Kreuzzüge wird in diesem Werke nah scinem überaus reichen, auf allen Gebieten des Lebens zu Tage tretenden Kulturwerth erforscht. Der Zustand der beiden großen Welten, des Orients und Occi- dents, vor ihrer Berührung durch die Kreuzzüge, und die Kenntniß, welche die abendländishe Christenheit damals vom Orient und Islam besaß, bilden den Eingang der Darstellung. Die eigenthümlichen und mannigfawen Gebilde, welche die Kreuzzüge hervorriefen, die Fraakenstaaten Syriens, die Ritterorden, werden fodann in ihrer Geschichte und ihrer Kultur geschildert und s{ließlich wird die Ucbertragung der werthvollen und hochentwicktelten Kulturmoment12 des Orients auf alle Industrien, Künste und Wissenschaften der Christer heit nachgewiesen. Als Quellen der Forschung haben ebenso dic orientalishea Schriftsteller wie die Litteratur des christlichen Mittelalters gedient, und verwertbet find für sie, wie der Verfasser in dem Vorworte mittheilt, feine wiederholten und ergiebigen archivalishen Studien zu Paris, Rom und Malta.

_Roßbacch und Jena. Studien über die Zustände und das geistige Leben in der preußiscben Armee während der Uebergangszeit vom XVIII. zum XIX. Jahrh.1ndert Von Colmar Frhr. v. d. Golz, Major im Generalstabe. Preis 7 # Die Worte, mit denen dec Verfasser scine Studien \{ließt, charakterisiren am besten ihren wesentlichen Werth: „Nicht junkerlicher Uebermuth und aristo- kraiische Verstotheit führten P von Roßbach nah Jena, son- dern die Politik, welce List ohne Kraft anwenden wollte, die ver- künstelte Auffassung der Kriegführung; die Einwirkung des in seichter Aufklärung, falscher Humanität, Genuß- und Sebstsucht entarteten Zeitgeistes auf das Heer, dessen gedrückte Lage und die daraus entstehende Schen, die si im Kriege darbietenden Mittel rüdsihts- los zu gebraucen ; die Zurückhaltung des Königs, welcher zwar {härfer sah als seine Rôthe, sich aber ihrem Urtheil aus Bescheidenheit unter- ordnete; die Sorge, dem Lande zu mißfallen oder es zu belasten; die aus ängstliher Gewissenhaftigkeit entsprungene unrichtige Sparsam- keit, und endlich eine Pietät für die Vergangenheit, welche sich auf Aeußerlichkeiten richtete, nicht auf das Wesen der Sache, und allmählich das Urtheil trübte,“

Die Oterinsel. Eine Stätte yrähistorisher Kultur in der Südsee. Bericht des Kommandanten S. M. Kanonenboot „Hyäne“, Kapitän-Leutenant Geiseler, über die ethnologishen Untersuchun- gen der Osterinsel (Napanui) an den Chef der Kaiserlichen Admira- lität. Mit 22 lithogr. Tafeln und 1 Karte. Preis 2 1 75 H. Wie aus dem Eingange zu dem Bericht ersichtlich, hatte die Kaiser- liche Admiralität im Interesse der Wissenschaft dem Kommandanten S. M. Knbt. _„Hyäne“ den Auftrag ertheilt, die alten Kultur- stätten der Osterinsel im Stillen Ocean zu_ untersuhen. Die gründlichen Mittheilungen über Lebensweise und Sprache der früheren Bewohner und die überraschend reichen Funde, welche für die wissen- \caftlihe Verwerthung und insbesondere für Vergleihung mit den Kulturwelten Polynesiens und Mittelamerikas wichtige Folgerungen ergeben, legt der Kommandant jenes Schiffes in diesem Berichte an die Kaiserliche Admiralität ausführlib und unter Beifügung zahl- reicher Abbildungen vor.

Land- und Forstwirthschaft.

In den vom Verein für Sozialpolitik veröffentlichten Berichten |

über die bäuerlichen Zustände in Deutschland berihtet Hr. Gutsbesitzer Winkelmann, Köbbing, der geschäftsführende Vize-Präsident des Westfälishen Bauernvereins, u. A. Über die gegenwärtigen bäuerlichen hältnisse im Paderborner Bezirk, d. i. in den Kreisen Bücen, Höxter, Paderborn, Warburg. Betreffs der hypothekarischen Verschuldung der dortigen Bauerngüter hebt der Berichterstattec hervor, daß dieselbe eine sehr große sei. Die Gesammtsumme aller Hypothekenschulden in den 4 Kreisen, wovon allerdings ein Theil auf die Rittergüter und den Kleingrundbesiy entfalle, werde von kom- petenter Seite auf 45 Mill'onen Mark geshäßt. So habe z. B. die Gemeinde Hembsen im Kreise Hörter bei einem Katastral-Rein- ertrage von 19000 # und Gebäudenußungswerth von 2000 Æ, in Summa also 21000 #, nachgewiesene Schuld von 346 000 M Inkl. Steuern und Renten würden in dieser Gemeinde pro Morgen 6 # 91 § an Abgaben inkl. Zinsen gezahlt, während der Morgen an Pacht, wenn der Verpächter die Abgaben zahle, Brutto 12 Æ einbringe. Im Großen und Ganzen würde die Ver- \chuldung des bäuerlichen Grundbesitßes im Paderborner Lande min-

destens F des Werthes betragen. Freilih gebe es noch manche Bauern, die außer freiem Besiß ausstehende Kapitalien bätten, aber dem gegenüber seien auch viele, deren Besitz über die Hälfte des Merthes mit Schulden belastet sei. In den leßten Jahren habe die Verschuldung sehr zugenommen, namentlih in Folge der dur un- günstige Witterung hervorgerufenen \{lechten Ernten. Jn manchen Fâllen seien aub zu hoch normirte Abfindungen an Geschwister sowie Neubauten die Ursachen. Aus einzelnen Gemeinden, namentli solden, wo separirt sei, werde cine Abnahme der Ver- \buldung Tkonftiatirt. Die Hypothekengläubiger seien: die Sparkassen mit etwa 10 Millionen, die Landschaft mit etwa 3 Millionen, andere öffentlche Fonds mit etwa 7 Millionen, Private mit etwa 25 Mill. Mark. Wenige Bauern führten Buch und sehe es in dieser Beziehung traurig aus. Eine Abre{bnung mit dem Kaufmann erfolge nie. Wenn Korn, Vieh oder sonstige Haus- haltungsfachen hingebrachbt würden, so nehme der Bauer au gleich ansehnliche Posten an Waaren mit. Der Händler habe die außer- ordentliche Begabung den Bauer vertrauens\eliz zu mabea. Man finde im Paderborner Lande fast durchgehends, daß Händler und Bauer sih mit „Du“ anredeten. Es gefalle dem Bauer, wenn er in seiner westfäliswen Weise den reichen Kaufmann mit Vornamen und Du anreden könne. Der Bauer erhalte bei Ablieferung der Waare stets ein gutes Frühstück, er müsse dann aber für die Frau gehörig Waare entnehmen; abgerechnet werde niht. Der Bauer setze fast seinen Stolz darin, derartige Geschäftsverbindung zu haben; dicsen Stolz pflege der Kaufmann und bald habe der Bauer beim Kaufmann große Summen als Sch&uld im Buche schen. Habe der- selbe dann noch eine vershwenderishe Frau oder eitle Tochter, so entnähmen au diese ohne Wissen des Vaters von dem Hausfreund Waaren, und die paar Centner Korn, die im Herbste abgeliefert würden, deckten kaum diese Zinsen, von der Schuld werde Nichts ab- getragen; wie groß die augenblicklich sei, wisse fast keia Bauer. Ländliche Darlevnskafsen fehlten leider ncech ganz, würden aber sicher vortheilhaft wirken. Die Bauern seien daher bei kleinen Darlehen und fobald ihr Besitz bis zum 22fachen Reinertrage verschuldet sei, den zahlreiden Wucherern auf Gnade und Ungnade übergeben. Sehr günstig habe in dieser Beziehung das Gesetz betreffend Wucherfreiheit gewirkt, so daß im Jahre 1880 bei dec Regierung zwei Reklama- tionen von jüdischen Wucherern eingelaufen seien, welche in der Ein- fommernsteuer hätten herabgeseßt werden wollen, weil ihre Einnahmen in Folge Aufhebung der Wucherfreihcit bedeutend reduzirt seien.

In der Negel erhalte der älteste Sohn den Hof und zwar meist schon bei Lebzeiten der Eltecn dur Uebertrag; in einigen Gemeinden der Aemter Steinheim, Nieheim und Beverungen aber auch wohl die jüngste Tochter oder der jüngste Sohn. Es fänden aber auch Aus- nahmen ftatt und erhalte dasjenige Kind den Hof, das nah Ansicht der Eltern die meiste Gewähr biete, daß sie selbst einen ruhigen Lebensabend genössen. Jn der Steinheimer und Lügder Gegend werde auch wohl in natura getheilt zum Ruin des Bauernstandes. Wie könne da das Gehöft mit den Gebäuden, welche für das ganze Gut eingerichtet seien, getheilt werden? In demselben Hause wohnen gehe nicht an, einen Neubau gestatteten gewöhnlich die Verhältnisse nit; die Zu- fammenlegung der Grundstücke, welche vielleiht vor einigen Jahren vor sich gegangen, werde durch die Natura-Theilung illusorisch und werthlos; die darauf verwendeten Kosten seien verloren; die ange-

| legten Wege paßten nicht für die Theilung u. st. w. Es ließe sich

noch Vieles über diesen unsinnigen Gebrauch sagen, und fei es ein Glück, daß er immer mehr abnehme, in welcher B:ziehung sicher auch die neue Landgüterordnung für die Provinz Westfalen segensreich wirken werde. Bei der Abfindung werde der Gutsübernehmer immer bevorzugt; in der Regel erhalte er die Hälfte vorab uad gehe dann mit den übrigen Geschwistern für den Reft in gleiche Theile. Die Abfindung sei aber davon abhängig, ob Kapital oder Schulden, ob viele oder wenige Kinder vorhanden seien u. f. w. Die Eltern richteten dies in der Regel ganz verständig ein und übergäben \chon bet Lebzeiten, da ihnen daran liege, Zeuge zu sein, daß der Hof für die neue Ge- neration erhalten bleibe. Der Ältentheil werde festgeseßt, aber selten abgenommen,

Ein eigentlicer Güterhandel finde nicht statt. Der bei weitem arößte Theil des Grund und Bodens sei in festem ererbtem Besit. Besitzwecbsel steigere fast immer die Vershuldung. Schulden seien meistens der Grund des Verkaufs; in einzelnen Fällen auch Erb- theilung. Von den 3 in der Gemeinde Hembsen liegeaden größeren Gütern seicn 2 thecilungshalber in den leßten 20 Jahren verkauft, das cine an einen Großgrundbesißer, das andere parzellirt. Die 4 Höfe der Vollmeier dieser Gemeinde befänden sich seit undenk- lichen Jahren im Besitze derselben Familie. Von den 9 Halb- meierhöfen seien vor 10 Jahren 2 von Güterhändlern aus8geshlaccktet und pParzellirt worden, und 2 seien în Folge zu hoßer Ab- findungen bei plößlihem Tode der Eltern ohne Testament in so \chle{chten Verhältnissen, daß sich dieselben schwerlich halten würden.

Daß Bauerngüter von Großgundbesitern angekauft und ihren Gütern zugetheilt werden, komme fast nie vor; ebensowenig würden neue größere Besißungen gebildet. Die Ankäufer seien meistens Handelsleute. Dieseiben warteten dann mit dem Einzelverkaufe bis zu einem passenden Moment, den sie instinktmäßig in der Regel günstig träfen, verkauften die einzelnen Parzellen an Handwerker und Tagelöhner und verdienten dabei oft 59%/,. Als Sicherheit für den stipulirten Kaufpreis werde ihnen dann nicht nur das Verkaufsobjekt, jondern der ganze Besi der Ankäufer verpfändet und oft noch eine Kautton ertra eingetragen. So sei vor mehreren Jahren ein Hof für 20 000 Thaler von einem Handelsmann angekauft, nach einem Jahre für 30 000 Thaler in einzelnen Parzellen wieder verkauft worden. Die Pfandobiekte, welcbe er als Sicherstellung der Zahlung dieser 30 000 Thaler im Ganzen erhalten hätte, hätten aber mindestens den doppelten Werth des Verkaufs»bjekts repräsentirt; er habe also 10000 Thaler baar verdient und sein Geld doppelt fo sicher angelegt als früher. Die Gemeinde, resp. die ersten Verkäufer seien um 10000 Taler ärmer geworden, welche der Händler mit in die Stadt nehme, Werde aber einer der Ankäufer zahlungsunfähig, so beantrage der Handelsmann Zwangsversteigerung des ganzen Besißes und mate womöglich hier von Neuem sein Geschäft.

Bor einigen Jahren sei der Werth der Grundstücke und die Pachtpreise bedeutend gefallen gewesen} neuerdings, seit Errichtung der Zuckerrübenfabrikf würden für guten Rübenboden höhere Preise gezahlt, während der s{le%te Boden immer mehr im Preise falle und hôufig zur Holzkültur verwandt werde, aber auch als Holzboden der niedrizen Holzpreise wegen wenig Ertrag liefere.

Gewerbe und Handel.

Die hiesige Firma Jacob Landau lädt zur Zeichnung auf 1000000 M Aktien der Frankfurter Gütereisenbahn- Gesellschaft ein. Die gena am findet 23. d. M. in Berlin, Breslau und Frankfurt a. O. zum Course von 105 % statt.

London, 21, Mai. (W. ‘T. B.) Bei der am Sonn- abend abgehaltenen Wollauktion waren Preise unverändert.

Glasgow, 21. Mai. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 14 141 gegen 12 122 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres.

Genua, 22. Mai. (W. T. B.) Der unter den hiesigen Hafenarbeitern ausgebrochene Strike kann nunmehr als beendet angesehen werden , und die Arbeiten sind wieder in vollem

Gange. Verkehrs-Anstalten.

Bei dem Königlichen Eisenbahn-Betriebs-Amt zu Berlin (Direktionsbezirk Bromberg), Ostbahnhof, sind gegenwärtig eine Anzahl Stellen im Weichenstellerdienst, beziehungs- wei’e für Haltestellen-Vorsteher, für Milkitäc-Anwärter frei, für welche Stellen zur Zeit Anwärter fehlen.

Bewerber, welche im Besiße des Civil-Vræsorgungs\ceins sind, gutez Sch- und Hörvermögen haben, körperlich gewandt, rüstig und gewillt sind, sich dem Königlichen Eisenbahndienste zu widmen, können [W bet der vorgedachten Behörde unter Einreichung des Civil-Ver- orgungsscheins und der übrigen Militärpapiere, sowie eines selbst- geschriebenen Lebenslaufs, elden.

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