1883 / 122 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 28 May 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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Grundbedingungen ciner parlamentarischen Regierung vorhanden waren. Die parlamentarisbe Regierung ist gleihbedeutend mit der Parteiregierung. Wie kann es aber eine Parteiregierung geben, wenn keine großen, einflußgebietenden Parteien mit cinem klaren Programme vorhanden find, wenn die Kammer in eine Unzahl mahtloser Fraktionen gespalten ist? Wäre unter diefen Verhältnissen der Versuch gemacht worden, eine parlamentarische Regierung zu bilden, er wäre mißlungen, und Deutshland wäre aus den Ministerkrisen nit herauëgekommen. Der Mangel einiger starken Parteien, möchtig genug, die Basis für cin Ministerium zu bilden, ist die Wurzel des verhältnißmäßigen Mißerfolgs der Arbeiten Hrn. Laskers und seiner Freunde, und die‘er Mangel ist theilweise den in Deutschland herrs{enden Verhbältnisscn zuzuschreiben, welcbe in einer oder zwei Generationen nit geändert werden können. Der Geist der Nation muß einiger sein, alte Ursachen der Spaltung müssen auéfterben, neue Bande der Vereinigung gescaffen werden, ehe die Bedingungen für diese Regierungsform zur Reife gelangt sind.“

Gewerbe und Handel.

Tilsit, 26. Mai. (W T. B.) Die Generalversammlung der Tilsit-Insterburger Bahn har den Antrag wegen Verkaufs der Bahn einstimmig angenommen.

Nürnberg, 26. Mai. (Hovfenmarktbericht von Leopold Held.) Gestern und heute wurden zu unveränderten Preisen ca. 120 Ballen verkauft. Der größte Theil des Umsatzes bestand aus gut- farbigen besseren Mittelhopfen in der Preiêëlage von ca 365—385 M, auferdem wurden noch ca. 40 Säcke billigere leichte, aber hellfarbige Waare verkauft. Einige kleine Posten Prima erlösten bis zu 415 M. Gutfarbige Hopfen aller Sorten sind sehr gesucht, während gelbe ge» schwefelte vernaclässigt bleiben. Die Stimmung is feft und an- genehm.

Gläsaow, 26, Mai. (W. T. B) Dié Vorräthe von Nobeisen in den Stores belaufen sich auf 578 900 Tons gegen 637 000 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 117 gegen 109 im vorigen Jahre.

Sit, Petersburg, 26. Mai. (W. T. B) Die Generale versammlung der Großen Russischen Eisenbahn hat die Superdividende für das Jahr 1882 auf 2977 Metall-Kopeken, gleich 1144 Pence, gleich 1190 Centimes, gleich 92562 Pfennige, gleich 5615 holländishe Cents festgesetzt. Der Saldovertrag für das lau- fende Jahr wurde, um eine döhere Dividende zu ermöglichen, mit 564 0C0 Rbl. normirt. Der Reingewinn der Warschauer und Nisch- nier Bahnen betrug 860000 Rbl., derjenige der Nicolaibahn 5 661 000 Rbl. Die Erxploitirungskosten stellten sih für die War- schauer Bahn auf 582 9%, für die Nischnyer Bahn auf 37} % und für die Nicolaibahn auf 385/60. Auf die Gründerantheile entfielen 2 Rbl. 45 Kop. Dividende.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 26 Mi (V. D B) D Dampfer bes Norddeutschen Lloyd „Straßburg“ ist heute in Baltimore eingetroffen.

Dre, 28 Mai W. D. B) Dix Dämpser bés Norddeutschen Lloyd „Amerika“ ist am 27. d. M. in Bal- timore cingetroffen. Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Coln* Pat anm 23. d. M. auf der Ausreise Teneriffa

pasfirt.

S, 20a S D) D Pofoa m oe Nea e SQambirtz - Ameritantsen Pat fahrts-Aktiengesell\chaft ift gestern, von Hamburg kommend, in St. Thomas angekommen.

R Me o „Venus ist heute Morgen 853 Uhr mit der oftindische1 Ueberland- post aus Alexandrien hier eingetroffen.

S Pee 2 Mt B) Dis Bee comité hat den 22, Mai als den Tag für die Eröffnung der Schiffahrt des St. Petersburger Stadthafens erklärt.

Berlin, 28, Mai 1883.

Heute Mittag 12 Uhr fand in den Gartenanlagen vor der Königlihen Universität die feierlißze Enthüllung der Denkmäler für Wilhelm von Humboldt und Alexander von Humboldt statt. Se, Majestät der Kaiser und König wohnten mit den Prinzen und Prinzesfinnen des Königlichen Hauses auf dem Balkon des Königlichen Hauses der festlichen Handlung bei.

Nachdem sich die geladenen Chrengäste, unter diesen die Tochter Wilhelm von Humboldts, die Staats-Minister, die Genera- lität in dem Fcestzelte versammelt hatten, traten in ihrer Amtstracht und unter Vortritt ves Rektors die Professoren ans der Universität. Ihnen {losen sich mit ihren Fahnen d e Vertreter der verschiedenen studentisen Korporationen an. Der Rector magnificns, Professor Dr. du Bois-Reymond, nahm mit ven Dekanen der vier Fakultäten auf dem Podium gegenüber dem Pä&villon Aufstellung; rechts und links gruppirten fich die Professoren.

Die Feier wurde mit Musik eröffnet; von dem Balkon der Universität \{webten die Klänge des Liedes: „Das ist der Tag dcs Herrn 2c.“ zur Tiefe hernieder. Als der Trompeterhor geende!, sanken die Hüllen von den Denkmälern, während die Musik das „Heil Dir im Siegerkranz“ spielte.

Nunmehr hielt der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten, von Goßler folgende Ansprache:

„Die Hüllen sind gefallen. In dec leuHtenden Pracht des Marmors strahlt uns das edle Bruderpaar entgegen, einst in rast- losem Wirken bahnbrechend auf weiten Gebieten der Wissenschaft, allezeit in Treue ergeben ihrem Könige und Vaterlande, lange Jahre hindurch Bürger dieser Stadt.

In gemeinsamer Arbeit für das Leben vorbereitet, um- spannte Jeder in seinem geistigen Reiche den Erdkreis mit seinen Forschungen, überall in der Fülle sicher erkannter Einzelerscheinunigen das einigende Band nachweisend und die Offenbarungen der Natur und des Menschengeistes zu ciner höhereren Einheit vershmelzend. Nach langjähriger Trennung am Abend ibres Lebens in dem warmen Familienkreise zu Tegel wieder vereinigt, erscheinen sie heut: vor uns burch die dankbare Nachwelt gleichsam zu neuem Leben erweckt und an den s{önsten Ehrenplaß gestellt, welhen des Reiches Hauptstadt Geistes Heroen bereiten kann, als die berufendsten Wächter der universitas literarum,

Was wir seit Jahrzehnten erhofft, der heutige Tag bringt es zu reicher Erfüllung. Un der Stätte, wo Wilhelm von Huwm- boldt in inniger Freundschaft mit LThorwalbsen und Rauch ge- weilt, wo er sih die Linien seines Strebens endgültig gezogen und die Bildung des eigenen Selbst vollendet, hat die Begeisterung des Künstlers sein Denkmal geschaffen, Wie ein verklärender Gruß der Siebenhügelstadt an die nordishe Heimath winkt uns das Marmo!:- bild entgegen, dur seine Schönheit die Sehnsucbt belohnead, welche Wilhelm von Humboldt nah dem klassishen Boden Roms allezeit in seinem Herzen bewahrt hat.

__ Ein freundlicher Stern strahlt über der heutigen Feier. Begehen wir doch das Gedächtniß des Tages, an welchem einst Gott dem Un- vergeßlichen die geliebtz Tochter geschenkt hat, die Tohter, welche, umgeben von theuren Verwandten,'die Gestalt des verewigten Vaters vor ihrem Blick erstehen sicht, der es vergönnt war, als es einsam um ihn wurde, sein Leben mit ihrer Liebe zu erwärmen.

Wilhelm von Humboldts Namen erweckt in uns die Erinne- rungen an weit zurüliegende Perioden unseres Kulturlebens und der politishen Entwickelung unseres Volkes. Auf märkischem Boden erwachsen, mit den belebenden Kräften der Haupt- stadt nahe verbunden, trat er in einem Alter, in welchem nur selten die Zugend die Ziele sich zu s\tecken weiß, als ein fertiger Mann in das Leben und als er nah 68 jähriger Wanderung zur ewigen Ruhe einging und am Fuße der Hoffnung,

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die Thorwaldsens Meisterhand geschaffen, an der Seite seiner hochbegabten hochberzigen Gattin gebettet wurde, da war das Herz eines Jünglings zum Stillstand gelangt. Nicht das Glück aufsucbend, sondern den innern Frieden be- wahrend, in harmonishem Ebenmaß seiaer Kräfte ausgestaltend, vollendete Wilhelm von Humboldt sein Leben, wie ein Kunstwerk. Frübzeitig cin Mitarbeiter Kant's und Fichte's als Kenner der klassisben Spradben von Wolf als ebenbürtig anerkannt, trat er im blübhendsten Mannesalter mit Sccbiller und Goethe in innigste Berührung und führte beide durch eigene bedeutende Arbeiten in das dankbare Verständniß des deutshen Volkes ein. Die volle Beherrshung der hellenishen Literatur und Kunst leitete ihn in folgerihtigem Vorwärts\chreiten zu dem sein ganzes Leben ausfüllenden Studium der menschlichen Sprache. Auf der Grundlage physiologisber und geschihtlicher Forschung erhob er sich zu den höchsten philosophishen Problemen und, die Sprache als eine der wichtigsten Bethätiaungen des mensck&lihen Geistes erfassend, unternahm er es, die Verschieden- heit des Spratbbaus aufzusuchen, die scheinbar unendlihe Mannig- faltigkeit nah einfachen Prinzipien zu ordnen, den Quellen der Ver- \chiedenheit, sowie ihrem Einfluß auf die Denkkraft, Empfindung und Sinnesart der Menschen durch alle Phasen ihrer Entwickelung naczugehen. : Aber so sehr ihn das Bedürfniß seines Wesens zu stiller Arbeit und dem weihevollen Genusse einsamer Studien hinzog, zögerte er doch niemals, dieselbe mit aufreibender Geschäftsarbeit zu ver- tauschen, so oft sein König ibn zum Dienst am Vaterlande berief. Während der {weren Zeit, welche unser Volk nach jahrelanger Unterdrückung zur Wiederaufrichtung führte, fiel ihm die Auf- gabe zu, unter den s{chwierigsten Verhältnissen eine den Opfern

unerhörter Anstrengungen entsprehende Herstellung Preußens er- ringen zu helfen. Wenn seine Geistesshärfe und Willenskraft

niht diejenigen Früchte reifen sah, welche seine glühende Vater- landéliebe ersehnte, um so reicherer Segen belohnte seine Thätigkeit, welche er auf dem Gebiete des Unterrichtswesens entfalzete.

Nicht ein Zufall ist es, nein, eine inrere Nothwendig- keit, daß das Denkmal Wilhelm von Humboldts vor der ersten Universität sib erhebt, welche ein preußischer König ins Leben ge- rufen benachbart der Königlichen Akademie der Wissenschaften, welde Jahrzehnte lang sich der fruchtbaren Mitarbeit des Verewigten erfreute und unter Bockh8 treuer Fürsorge das hinterlassene Werk der Oeffentlichkeit Übergab, ckas seinen Weltruhm begründete benachbart den Königlihen Muscen, welche ihre grund- legende und in den wichtigsten Beziehurigen noch heute maßgebende Einrichtung Wilhelm von Humboldt verdanken.

Als im Jahre 1807 des hochseligen König Friedrih Wilhelm des Dritten Majestät au der öftlihen Grenzmarke scines überflutheten Gebiets die ewig denkwürdigen Worte aussprach: „Der Staat muß durch geistige Kräfte ersen, was er an physischen ver- loren,“ da bekannte sich Wilhelm von Humboldt freudig zu dem Plane, in der Hauptlstadt des zastückelten Landes einen neuen geistigen Mittelpunkt für den Staat und über dessen Grenzen hinaus zu schaffen. Das Ksöniglihe Wort ist zur That ge- worden, und nächst dem erlauwten Stifter gebührt der Dank vor Allem Wilhelm von Humboldt, Er war es, der, im Jahre 1809 zum Leiter des Unterrichtswesens berufen, auf die Berheiftung die erlôösende That folgen ließ und mit siegreicher Kraft alle Hinder- nisse Überwand. Die stille Arbeit des rastlosen Beamten kann die Nachwelt nicht feiern, aber die idealen Ziele, welche ihn in seinem Streben geleitet, sind Gemeingut unseres Bolksbewußtseins geworden !

Der Wiederaufbau Preußens von Innen heraus, die intellektuelle und moralische Führung des gesammten Deutschlands, die Ercffnung einer neuen Freistatt für die deutsche Wissenshaft. Groß in seincr Hingebung an die Wissenschaft, groß in seiner Treue gegen König und Staat, so soll er als genius loci in der Nachwelt fortleben.

In dieser Zuversicht übergebe ih auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs, dessen dankbare Ar erkennung dieses Denkmal gestiftet, der Königlichen Friedrich Wilhelms-Universität das Marmorbild ihres Begründers zu pietätvoller Obhut, ihren Lehrern ynd Lernenden in alle Zukunft als cin Symbol der Energie im Dienste des Vaterlandes.“

Der Geheime Medizinal-Raih Professor Dr. Virchow dankte hierauf dem deutschen Volk, welbes aus allen Gauen reiche Gaößen sür das Denkmal Alexander von Humboldts gesendet habe, auch der Berliner Üntversität, welche gestattet habe, auf ihrem Grunde das Denkmal zu errichten, und der Königlichen Staatsregierung, welche bereitwillig dem Wunsche nachgekommen sei, die gleiche Ehre, wie Alexander, auch seinem älteren Bruder Wilhelm zu er- weisen, vornehmlich aber Sr. Majestät dem Kaiser, der nicht nur einen reichen Beitrag zu dem Werke bewilligt, scndern auch in hochherzigem Entschlusse gerubt habe, für so hervorrc. gendes bürgerliches Verdienst diese triumphale Straße sciner Hauyttadt zu öffnen. Der Redner schilderte sodann in kurzen Zügen. “ie Ent- wickelu:ng Alexander von Humbold1s8 und scine Verdienste als National- sfoncm und als Bergmann, als Aftronom und als Physiker, als Chemiker und als Geolog, als Anatom, als Erperimentatc: in vflanz- licher und thierisher Physiologie, und als wissens{haftlicher Reisender, und übergab dem Rektor und dem Senat das Denkmal zum bleiben- ven Eigenthura der Universitôt.

Namens der Königlichen Universitäi dankte hierauf der Rektor- magnificus Professor Dr. du Bois-Reymond, übernahm die beiden Denkmäler Namens der Hochschule als deren dauerndes (Figenthum und \ch{loß feine Nede mit einem Hoh auf Se. Majestät den Kaiser und König, das begeisterten Wiederball fand. (Wir wer- den die Rede des Herrn Rektors morgen. im Wortlaute mittheiler.)

Kaum war das Hoch verklungen, als Se. Majestät der Kaiser mit den Prinzen des Königlichen Hauses das Palais zu Fuß ver- liefen und alsbald in der Festversamwmlung erschienen. Se. Kaiser- liche Majestät nahmen die Denkmäle: in eingehenden Augenschein und beehrten insbesondere die Freifrau von Bülow mit einer huld- vollen Ansprache. i

Gegen 1 Uhc erreichte die Feier ihr Ende.

Die unter dem Namen „Berliner Stadtsynode“ bekannte NVersammlung der vereinigten Berliner Kreis-

\ynoden wurde heute Vormittag im evangelischen WVereins- hause (Oranienstraße 106) eröffnet. Die Synodalen waren fast vollzählig erschienen. Konsistorial-Präsident Hegel wohnte als F:önigliher Kommissar der Verhandlung bei. Prediger Knauert sprach das Eingançsgebet. Der Vorsitzende, Kammergerichts-Rath Schroeder, machte al3dann mehrere geschäftliche Mittheilungen, worauf zu den Wahlen geschritten wurre. Zum ersten Vorsißenden wurde Kammergerichts-Nath Schroeder wieder, zum stellvertretenden BVor- fißenden Prediger Hoßbach gewählt. Die Gegenkandidaten, Geheimer Legations-Rath Prof. Dr. Aegidi bezw. Konsistorial-Nath Mathis crhielten 78 bezw. 76 Etirnmen. Mit ähnlichem Stimmenverhältniß wurden hierauf als Beisiter gewählt: Prediger Schmeidler, Land- geriht8-Rath Lönnies und Gasdireïtor Juno, als stellvertretende Beisißende Prediger Bahnfen, Kammergerichts-Rath Polandt und Landgerichts-Rath Schulz. Jn den geschäftsführenden Ausschuß wurden mit demselben Stimmenverhältnifi gewählt: Pro»st Freiherr Dr. v. d. Golß, Kaufmann Albert Kohhann, Geheimer Justiz-Rath Laué, Direktor Niße, Bureauvorsteher Schalhorn und Stadt- verordneter Schmidt. Zu stellvertretenden Mitgliedern des ges{chäfts- führênden Ausschusses wurden gewählt : Geh. Kalkulator Klar, Stadtverocdneter Loewe, Rendant Lohmeyer, Kaufmann Paul Schmidt, Stadtrath Voigt und Stadtverordneter Degmeier. Prediger Scchmeidlier und Redacteur Dr, Heffter beantragten: Die Versammlung am Mitítwoch, den 30, Mai, avsfallen zu lassen und dafür im Herbst eine Cxtraversammlunçg einzuberufen, Der Antrag çelangte nach kurzer Debatte zur Annahme. Es folgte hiecauf der Bericht des geschä}ftsführenden Ausschusses, den Etat der Synodalkasse für das Verwaltungsjahr vom 1. April 1883 bis 31, März 1884 betreffcnd. Danach verbleibt aus dem Jahre 1882/83 ein Bestand von 44 815 4 59 K. Den noch zu leistenden Zahlungen gegenüber ergiebt sich da-

nach eia Defizit von 4998 #4 41 4, Die Erträge der von den Vereinigten Kreissynoden beschlossenen Umlagen sind auf 285 000 A, die außerordentlihen Einnahmen an Zinsen 2509 Æ, die Entschädi- gungen für aufgehobene Stolgebühren 116 000 4, die Beibülfen zu Bauten und Reparaturen für die verschiedenen Kirchen 19104 Æ, die Deckung von Gehaltsausfällen 22816 M, die Bei- trâge zu den Synodalkosten und dem landeskirchlihen Pensionsfonds auf 150 629 Æ 59 - verans{lagt. Die Bilanz der Einnahme und Ausgabe is auf 332812 M4 59 - veranschlagt. General-Super- intendent Propst D, Brücner konstatirte, daß die Kassenvechältnisse sich gegen das vergangene Jahr bedeutend günstiger gestaltet haben. Die Befürchtungen, die si an die rapide Erhöhung der Kircbersteuer knüpften, haben sfi glüdckliherweise niht erfüllt, allein einer Be- liebthcit erfreut fih die Kirchensteuer in keiner Weise. Ja 5 Fällen hat eine Pfändung und in 585 Fällen eine Zwangsvollstreckung vor- genommen werden müssen; in 165 Fällen wurde allerdings gleid nach der ersten Mahnung bezahlt. Troß der Nothstände, welhe noch zu überwinden, sei für das neue Etatsjahr der im vorigen Jahre ausgescbriebene Prozentsaß, welcher 53/6 des Veran- lagungésolls der fklassifizirtea Cinkommen- und Klassensteuer (mit Ausnahme der 6 untersten Stufen der letzteren) betrug, nicht zu überschreiten. Es könne der Sahe auf die Dauer nur förderlich sein, wenn die Bevölkerung zu der Ueberzeugung gelangt sei, daß nicht eine Steuerschraube ohne Ende angeseßt werden joll, sondern nur das Unerläßlicbste von ihr gefordert wird. Dann werde die Willigkeit, welhe im Großen und Ganzen, zum Theil sogar in recht erfreuliber Weise, diesem \{chwierigen Werk von der be- theiligten evangelishen Bevölkerung unserer Stadt bisher entgegen- gebracht worden ist, auch ferner bestehen bleiben. Aus diesen Grün- den befürfortet der geschäftsführende Aus\cuß nur die Aus\chreibung von 9s %%. Der Ausschuß glaubt jedoch nit zu hoch zu greifen, wenn er auf Grund der biéherigen Erfahrungen den dadurch zu erwartenden Be- trog auf 285 900 f beziffert. Mitgetheilt muß noch werden, daß im vergangenen Jahre 7000 Taufen und 1500 Trauungen mehr als im Vorjahre stattgefunden haben. Er gebe si der Ueberzeugung hin, raß das Lutherjahr nicht vorübergehen wird, ohne daß die evan- gelishe Bevölkerung Berlins das Ihrige dazu beitragen werde, um die kfirdlicen Nothstände in Berlin zu beseitigen.

Der vierte Tag des Frühjahrs -Meetings des Unionklubs, welcher am gestrigen Sonntag auf der Rennbahn zu Hopvegarten abgehalten wurde, bot nicht so viel Interesse für die Sportwelt als die vorhergegangenen Tage. Der Besuch war wegen der ungünstigen Witterung weniger zahlreih, auch die Rennen weniger gut besetzt. Die letzteren verliefen in folgender Weise :

I. Staatspreis IV. Klasse 1500 A Für 3 jährige inländische Hengste und Stuten, welche keinen Staatspreis I., Ik. oder 11]. Klasse gewonnen haben, 120 Æ Einsatz, halb Reugeld. Distanz 1600 m. Das Rennen hatte 11 Unterschristen, für 8 Pferde wurde jedo Reugeld gezahlt und nur 3 erschienen am Ablauf. (Ls siegte sicher mir */4 Längen des Hrn. E. Moll F. H. „Alpenköaig“ gegen des Gra*en Fr. Metternich br. H. „Engelbert“ 55 kg (Coates). Zeit 1 Minutc 48 Sekunden. Werth des Rennens 1920 A für E, 420 A. für „Engelbert“. Um 3F Uhr folgte diesem

ennen:

II. Wagehals-Handicap. Graditzer Gestütspreis 1500 Für 3jährige und ältere inländische Pferde 100 A Einsatz, halb Neu- geld, jedoch rur 20 4, wenn die Annahme bis 22. Mai nicht erklärt. Disianz 1800 m. Von den 16 Unterschriften, die das Rennen auf- wies, batten 6 das Handicap angenommen und von diesen zahlten „Marie“ und „Farola* Reugeld. Nach einem sehr heftigen Schlußgefecht ftegte mit einer Kopflänge des Hrn. W. Hiestrich 4jährige br. St. „Alma L.“ gegen des Prinzen Fr. Haßfeldt 3jährige F. Sti. „Mar- aarethe IL.“. Zeit 2 Min. 14 Sek. Werth des Reunens 1700 ali 500 M. der Zweiten. Es folgte diesem Rennen um 4 Uhr:

IIT. Gastgeßder- Rennen. Staatspreis 1200 4 Herren- Reiten. Für dreijährige und ältere inländische Hengste und Stuten, die nie ein Nennen im Werthe von mindestens 3000 H gewonnen haben. 60 4 Eins, halb Reugeld. Distanz 1800m. Zu dem Rennen waren nur drei Pferde angemeldet, und da für „Engelbert“ und „Frühlicht“ Reugeld gezahlt wurde, so ging des Lieut. v. Horn 4 jähr. br. H. „Artus3“ für das ganze Geld von 1320 M über die Bahn. Es folgte dem Rer.nen um 4} Uhr:

IV. Tribünen-Rennen. Staatspreis 1800 A Für 3jähr. u. ältere inländische Hengste u. Stuten 100 (A Einsaß, halb Reugeld, Distanz; 2000 m. Voa den 8 Unterschriften, welche das Rennen auf- wies, zahlten 4 Reugeld und 4 Pferde erschienen am Start. Es führte vom Fleck bis zum Ziel und siegte nah Gefallen mit 23 Län- gen des Rittmstr. von Mollard 3jähr. dbr. H. „Leibhusar“ gegen des Grafen Bernstorsf-Gylbvensteen 4jähr. br. H. „Giftmischer.“ Zeit 2 Min. 40 Sek. Werth des Rennens: 2100 A dem Sieger, 300 dem zweiten. Dem Rennen {loß si{ch um 5 Uhr an:

V, Verkaufs-Rennen. Unionklubpreis 1000 # Für 3 jähr. und ältere inländ. und österr. ungar. Pferde 60 # Eins, ganz Reugeld. Distanz 1800 m. Mit cinfahem Einsatz waren 2, mit dopveltem Einsaß 3 Pserde genannt; eins zahlte Reugeld unh 4 erschienen am Pfosten, von denen nah cinem s{chönen Lauf des Mr. Arthur 3 jähr. F. H. „Oberon“ mit 9 Längen, des Hrn. Ulrich a. br. St. „Hymne“, mit einer Kopflänge schlug. „Oberon“ wurde nah dem Nennen in der Auktion für 3450 4 an Trainer Johnson verkauft. Da der Hengst mit 2009 A eingeseßt war, so fiel der Ueberschuß von 1450 A. der Rennkasse zu. Den Schluß des Tages und des Meeting bildete um 55 Uhr:

VI. Mai-Steeple-Chas e. Staatépreis 1500 4 Herren-Reiten. Für 4jährige und ältere inländische Hengste und Stuten. 100 4 Einsatz, halb Reugeld. Distanz circa 5000 m. Am Ablauf erschienen nur des Hrn, O. Oehlschläger öjähr. br. H. „Flur“ und des Rittmeisters v. Boddien (17. Ul.) a. br. H. „Sielen“. Nach s{harfem Kampf gelang es „Flur“ mit 14 Längen Vorsprung das Ziel zu erreichen. „Flux“ erhielt 1700 A, „Sielen“ 200 4 Am künftigen Sonntag beginnt das Sommer-Meeting des Vereins für Hinderuißrennen.

Der Besuch der H ygiene-Ausstellung ift ein von Tag zu Tag? steigender. In den letzten Tagen war er jo stark, daß die Gefsammieinnahme in den beiden ersten Wochen auf rund 80 000 A gestiegen ist. Diese Summe ergiebt ein überraschend günstiges Re- jultat und enthält die Gewähr dafür, daß die Rentabilität des Unter- nehmens wohl außer Zweifel steht. Nach einem Beschluß des Aus- usses soll in Zukunft an Donnerstagen, an denen bekanntlich der Eintrittêpreis 1 4 beträgt, der Eintrittspreis nach 6 Uhr Abends von 30 auf 50 - erhöht werden. Dieser Beschluß entspricht den Wünschen Vieler, die, um dem großen Andrange des Publikums zu entgehen, gerade den Donnerstag zu ihrer Besuchs8zeit wählen, an welchem Tage das Philharmonische Orchester aus\licßlich Symphonie- Concerte giebt. Es versteht sich von selbst, daß für die übrigen sechs Tage der Woche des Abends das Entrée von 30 S bestehen bleibt.

Im Krollschen Theater steht morgen cin interessantes Debut bevor: Frl. Fanny Ernst, die Schwester des Königlichen Hof-Opern- fängers Ernst hierselbst, eine vielversprechende jugendlihe Gesangs- kraft, wird als Leonore im „Troubadour“ auftreten. Hr. Emil Scaria singt am Mittwoch den Fallstaff in den „Lustigen Weibern“ von Nicolaïi. Nach den: großen Erfolge, den der berühmte Bassist anm gestrigen Tage als Bertram davontrug, dürfte sich das zweite Auftreten desselben in einer nicht seriösen Partie um so anziechender gestalten. Die vielfach gewünschte Wicderholung des „Maskenball“ mit Hrn. Nawiasky als Renato ist auf Donnerstag angesetzt.

Redacteur: Ried el. Verlag der Cxpedition (Kesscl). Viex Beilagen (cinschließlich Börsen-Beilage).

Berlin: Druck: W. Elsner.

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zum Deutschen Reichs-Anzei e E

Erste Beilage

Berlin, Montag, den 28. Mai

ger und Königlich Preußishen Staats-Anzeiger.

1883.

Bekanntmachuns.

Nach Vorschrift des Geseßes vom 10. April 1872 (Gesectz- Samml. S. 357) sind bekannt gematht: l

1) das unterm 21. Februar 1883 Allerhöchst vollzogene Statut für die Deichgenossensbaft Thiergarth-Thiergarthsfelde dur das Amtsblatt dex Königliben Regierung zu Danzig Nr. 14 S. 77 bis 80, au8gegeben den 7. April 1883; E S :

9) der Allerhöchfte Erlaß vom 26, Februar 1883, betreffend die Zurücfziehung der dem Rentner Donner zu Paris unterm 8. Juni 1881 ertheilten Genehmigung zum Betriebe der von ihm gepacteten Lokalbahn von Frankfurt a. M. nah Offenbach, durch das Amts- blatt für den Stadtkreis Frankfurt a. M. Nr. 15S. 86, ausgegeben den 7. April 1883; S i

3) der Allerhöchste Erlaß vom 26. Februar 1883, betreffend die Genehmigung des Regulativs über die fernere Ausgabe auf den íGnhaber lautender Anleibescheine der Rheinprovinz dur Vermittelung der Rheinischen Provinzialhülfékasse, dur die Amtsblätter

der Königlichen Regierung zu Coblenz Nr. 17 S. 82, ausgegeben den 19. April 1883 ;

der Königliben Regierung zu Düsseldorf Nr. 15 S. 117, aus- aegeben den 14 April 1883,

der Königlichen Regierung zu Cöln Nr. 16 S. 73, ausgegeben den 18. April 1883,

der Königlichen Regierung zu Trier Nr. 15 S. 101, ausgegeben den 13. April 1883, -

der Köaiglichen Regierung zu Aachen Nr. 17 S. 99, ausgegeben den 19. April 1883; E :

4) der Allerhöchste Erlaß vom 7. März 1883, betreffend die Herabsetzung des Zinsfußes der auf Grund der Allerhöcbsten Privi- legien vom 4, Mai 1857 und 16. März 1863 von dem Mansfelder Seckreise aufgenommenen Anleihen von vier und einhalb auf vier Prozent, dur das Amtsblatt der Könialichen Regierung zu Merseburg Nx. 15 S. 113, ausgegeben den 14. April 1883;

5) das Allerhöchste Privilegium vom 12. März 1883 wegen coen- tucller Ausfertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine der Stadt Nevmünster bis zum Betrage von 1000000 4. RNeicwewährung durch das Amtsblatt der Königlicbben Regierung zu Schleswig Nr, 18 S. 191 bis 193, ausgegeben den 7. April 1883.

6) der Allerhöchste Erlaß vom 14. März 1883, betreffend die Verleihung des Enteignungêrehts an die Gemeinde Drabenderhöhe im Kreise Gummersbach behufs Erwerbvng einer zur Anlage eines Zufahrisweges von der Ründeroth-Gummerskocher Chaussee na der neu erbauten Brücke über den Aggerfluß in der Ortschaft Dsberg- hausen erforderlichen Grundstücksflähe, durch das Amtsblatt der Königlichen Negierung zu Cöln Nr. 16 S. 73, ausgegeben den 18, April 1883;

7) der Allcerhöcbste Erlaß vom 14. März 1883, betreffend die Genehmigung des Regulativs über die Au8gabe vierprozentiger Pfand- briefe II. Serie und die Konvertirung der vier und einhalbprozentigen Pfaudbriefe 11. Serie der Westpreußishen Landschaft, durch die Amts- blatter

der Königlichen Regierung zu Danzig Nr. 14 S. 80, ausgegeben den 7. April 1883.

der Königlichen Regierung zu Marienwerder Nr. 14 S. 81, auzs3- gegeben den s. April 1883,

der Königlichen Regierung zu Bromberg Nr. 14 S. 93, ausgegeben den 6. April 1883;

8) das Allerhöchste Privilegium vom 14. März 1883 wegen Ausfertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine des „Ersten Entwässerungsverbande3 des Sielamts Emden“ bis zu einem Betrage von 890 890 4, vurch das Amtsblatt für Hannover Nr. 15 S. 387 bis 389, ausgegeben den 13. April 1883;

9) vas Allerhöchste Privilegium vom 19, März 1883 wegen ercentueller Ausfertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine der Stadt Züllichau bis zum Betrage von 450 000 „6 Reichswährung durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. D. Nr. 15 S, 97 bis 99, ausgegeben den 11. April 1883.

NicilamtlicGes.

Preußen. Berlin, 28. Mai. Jm weiteren Ber- laufe der vorgestrigen (87.) Sißung des Reichstags wurde die dritte Berathung des Entwurfs eines Gefeßes, be- treffend die Kranken versicherung der Arbeiter, auf Grund ter Zusammenstellung der in zweiter Verathung über denselben gefaßten Beschlüsse mit §. 13 fortgeseßt. :

8, 18 lautet nah dem Beschlusse in der zweiten Lesung:

Die Gemeinden sind berechtigt, für die in ihrem Bezirke be- \shäfliaten versiherungépflibtigen Personen Ortsfrankenkassen zu errichten, sofern die Zahl der in der Kasse zu versihernden Per- sonen mindestens cinbundert beträgt. A

Die Ortskrankenkassen sollen in der Regel für die in einem Gewerbszweige oder in ciner Betriebsart beschäftigten Personen erricbtet werden. ,

Die Errichtung gemeinsamer Ortskrankenkassen für mehrere Gewerbszweig? oder Betriebsarten ist zulässig, wenn die Zahl der in den einzelnen Gewerbszweigen und Betriebsarten beschäftigten Personen weniger als einhundert beträgt |

Gewerbszweige oder Betriebsarten, in welchen einhundert Per- sonen oder mehr beschäftigt werden, können mit anderen Gewerbs- zweigen oder Betriebsarten zu einer gemeinsamen Ortskrankenkasse nur vereinigt werden, nachdem den in ihnen beschästigten Personen Gelegenheit zu einer Aeußerung über die Errichtung der gemein- samen Kasse gegeben worden ist. Wird in diesem Falle Wider- \pruch erhoben, so entscheidet üker die Zulässigkeit der Errichtung

e VODerE Bertoaltungsbehörde t qn Hierzu lagen folgende Anträge vor : Vom Abg. Dr. Hirsch und Genossen:

Der Reichstag wclle beschließen: i

in §, 13 Absatz 1 hinter „Personen“ einzuscalten! „welche nit nachweislid Mitglieder einer der anderen in den §8. 67, 68, 69 bezeichneten Kassen \:nd;“

ferner vom Abg. Frhr. von Malyahn-Gülß:

Der Reicstag wolle beschließen: E __ in §. 13 Abs. 1 die Zahl „einhundert“ in „fünfzig“ abzu- ändern.

Der Abg. Dr, Hirsch befürwortete seinen Antrag, und bat den in demselben niedergelegten Anschauungen sih anzu- schließen. :

__ Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Ge- heime Ober-Regierungs-Rath Lohmann das Wort:

Meine Herren! Id möchte Sie dagegen bitten, den Antrag abzulehnen und dem Paragraphen somit diejenige Bedcutung zu lassen, welche er na der in der zweiten Lesung kundgegebenen Auf- fasung hat. Jch glaube nit, daß die Gefahr der unzweckmäßigen Kasseneinrihtungen, von der dec Hr. Abg. Dr. Hirsch gesprochen hat, so groß ist, daß man unm ihretwillen ein richtiges Prinzip

dürfen, daß der Nest unter hundert sinkt, so bringt mau die Gemeinde

verlassen sollte. Ich muß es aber als ein richtiges Prinzip be-

zeihnen, wenn man als Maßstab für die Zahl, welche die Voraussetzung für das Recht einer Gemeinde bildet,

nit den zufälligen Umstand in Betrabr zicht, ob einige der in Frage kommenden Personen gerade in dem Augenblicke freien Hülfs- fassen angehören, sondern den mehr dauernden Umstand, wie viel ver- siderungépflictige Personen in der Gemeinde vorhanden find. Macht man das Recht der Gemeinde davon abhängig, daß von diesen über- haupt vorhandenen Personen nicht so viele freien Kassen angehören

nach meiner Auffassung in eine üble Lage; denn ih weiß nit, wie die Gemeinden mit voller Sicherheit feststellen sollen, wieviel von den cinzelnen Personen freien Kassen angehören. Sollen sie etwa eine öffentlice Aufforderung erlassen, daß Jeder sih zu melden habe, welcher einer freien Kasse angehört und soll dann naher das Resul- tat der Meldung für den Nectsbestand auch dann entscheidend sein, wenn einige von den Versicherungépflitigen , welche freien Kassen angehören, si nicht gemeldet haben, oder soll, wenn diese nachher ih melden, die Grundlage der ganzen Kassenbildung in Frage gestellt werden? Ich glaube nicht, meine Herren, daß es rathsam ist, der- artige Verwirrungen mözlich durch die Annahme des hier gestellten Antrages zu macven.

Der Abg. Frhr. von Maltahn-Gülß befürwortete seinen Antrag. Die Auflösung einer Kasse habe nicht zu erfolgen, wenn nur vorübergebenv die Zahl der Mitglieder unter 100 sei, sondern nur, wenn sie dauernd unter 100 fei. Was seinen Antrag betreffe, so wolle derselbe, daß schon bei 50 zu versichernden Personen eine Ortskrankenkasse errichtet wer- den könne. Er bitte, für seinen Antrag zu stimmen.

Der Abg. Dr, Langzrhans erklärte, ihm erscheine die Be- stimmung, die mit dem Antrage Hirsch eingeführt werden solle, außerordentlich zweck@mäß:g. Wenn der Geheime Ober-Regie- rungs:-:Nath Lohmann saze, die Gemeinden könnten auf vor- übergehende Umstände niht Nücksiht nehmen, so sage er da- gegen, dieselben müßten darauf Nüsicht nehmen. Er bitte, für den Antrag Hirsch zu stimmen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath Geh. Dber-Regierung®- Nath Lohmann entgegnetz: Ex wolle nur hervorheben, daß die Sache keineswegs so stehe, wie der Vorredner annehme ; daß die Gemeinde in diesem Falle eben so gut feststellen könne und müsse, welche Arbeiter der freien Hülfskasse angehörten, wie in dem Falle, wo die Kasse bestehe. Jn dem leßteren Falle habe die Gemeinde einen sehr einfachen Weg, das fest- zustellen, sie ziehe eben alle diejenigen Arbeiter, die in ihrem Bezirke wohnten, zu der Kasse heran, und warte so large, bis fie nachgewiesen hätten, daß sie einer sreien Hülfskasse ange- hört hätten. Das könne sie im ersteren Falle nicht thun ; es gebe feine gesetziüiche Verpflichtung für die Arbeiter, sih zu melden, und wenn sie sich nicht meldeten, so könne die Gemeinde es auch nicht feststellen. :

Der Abg. Dr. Hirs erklärte, im Namen der linken Seite des Hauses bitte er, gegen den Antrag Maltzahn zu stimmen. Wenn man demselbèn zustimmen würde, fo würde man die (Grundlagen, an die die Kommission sich bei Berathung über das Gesez gehalten habe, erschüttern. Er beantrage nament- liche Abstimmung über den An:rag Maltzahn.

Der Abg. Dr. Buhl bat, es bei den Beschlüssen der zweiten Lesung zu belassen und die Zahl 50 als miedrigste Zahl anzunehmen, die erforderlih für Bildung einer Kranken- kasse sei.

Da der Antrag Hi.rsh auf Namensaufruf nicht tie ge- nügende Unterstüßung fand, so stellte ver Abg. Pr. Hirsch die Beschlußfähigkeit des Hauses in Zweifel. Die Zählung dur Namensaufruf erzielte cine Anwetenheit von 210 Mitgliedern. Das Haus war somit besczlußsähig.

Es entspann si hierauf eine Geschästsordnungsdeb atte.

Der Abg. Frhr. oon Minnigerode bemerkte zur Geschäfts- ordnung, er könne nich: unterlassen, den eben hier stattgehabten Mißbrauch der Seschäftsordnung durch den Abg. Hirsch aufs Schärfste zu kennzeihnen, und vor dem Lande zu konstatiren, von welcher Seite derartige Versuche, die Geschäste des Hauzes zu verzögern, ausgehen. : i

Der Abz. Pr. Hirsch bestritt entschieden, die Geschästs- ordnung des Hauses mißbraucht zu haben; er habe vielmehr nur verhindern wollen, daß ein Antrag, den er für verwerf- lich halte, von der Majorität eines bes{chlußunfähigen Hauses angenormen würde. Als er die Beschlußfähigkeit ange- zweifelt habe, sei er von der Berechtigung dieses Zweifels über- zeugt gewesen; au sei ein beshlußfähiges Haus nur dadur) zu Stande gekommen, daß die Namen vom Bureau fehr lang- jam verlesen worden seien. :

Der Abg. Frhr. von Malzahn-Gülg glaubte nicht, daß der Abg. Hirsh mit seiner legten Behauptung Recht habe. Viele Mitgliedec seien nur deshalb vor dem Namensaufruf niht im Saale gewesen, weil sie auf das Anhören seiner und des Abg. Hirsch Aeußerungen verzichtet hätten. i

Der Abg. Günther (Sachsen) erklärte, allen Parteien sei die Geschästslage des Hauses bekannt. Wenn unter den jezigen Umständen der Abg. Hirsh noch Zeit habe, fo wie heute zu verfahren, so bleibe dem Hause dem Abg. Hirsch gegenüber nur die Anwendung des alten Wortes Übrig: „Quousque tandem, Catilina, abutere patientia nostra ?“

Der Abg. Büchtemann entgegnete, es sei verwunderlich, daß die Rechte die Feststellung der Anwesenheiï von nur 10 Mitgliedern über die nothwendige Anzahl mit so lautem Beifall begrüßt habe. Es sei doch zu erwarten gewesen, daß die Mitglieder der Rechten und des Centrums, welche das Gesch für den Grundstein der sozialen Geseßgebung hielten, zahlreicher, als es der Fall sei, im Hause anwesend gewesen wären. Der Ausdruck „Mißbrauch der Geschäftsordnung“ sei jeden- falls völlig ungeretfertigt. E

Der Abg. Dr. Lasker bemerkte, auch das Bureau sei zweifelhaft gewesen, ob das Haus beschlußfähig gewesen fei. Der Ausdruck „Mißbrauch der Geschäftsordnung“ würde also au einen Vorwurf gegen das Bureau enthalten. Der Abg. von Minnigerode hätte besser gethan, sich die Tragweite seiner Neußerung, ehe derselbe sie gethan habe, reislih zu überlegen.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erwiderte, das Bureau

wäre es niht vom Abg. Hirsch dazu genöthigt worden. Nicht

wäre gax nicht in die Lage gekommen, sein Votum abzugeben,

ihm vorhin nicht zugehört. Er kritisixt, sondern nur die Jaterjektionen der Herren von der Rechten.

das Bureau also, sondern der Abg. Hirsch sei... Gedanken-

itrich !

Der Abg. Dirichlet erklärie den leßten Ausdruck des

Abg. von Minnigerode für nit sehr elegant. Auch hätte der Abg. von Minnigerode, wenn derselbe die Geschäfte des Hnuses wirklich fördern wolle, niht eine so lange Geschästs- ordnungsdebatte veranlassen follen. Er {ließe nur, Präsidenten dazu veranlaßt werde. jektionen, mit denen die Hechte den Namensaufruf unterbrohen habe, förderten auch nit die Geschäfte.

(Nufe rehts: Schluß !) wenn er es für gut finde oder vom Die wundersamen Jnter-

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, es sei jeßt zum

zweiten Mal auf das Vorlesen der Namen hingewiesen worden. Darin liege eine Kritik des Bureaus, welche er als unzulässig zurüctweise.

Der Abg. Dirichlet erklärte, der Abg. Windthorst habe Er habe nicht das Bureau

Der Abg. Dr. Greve betonte, daß Namensaufruf und

Geschästsordnungsdebatte zusammen von 1!/, bis 21/4 Uhr gedauert hätten. Jn der Zeit könne man von der Provinz Sachsen nach Berlin fahren.

Darauf ging das Haus zur Abstimmung über. Die An-

träge des Abg. Dr. Hirsch und des Abg. Frhr. von Valßahn wurden mit großer Mehrheit abgelehnt, und §8. 13 unverändert nah dem Beschl.;se in zweiter Lesung angenommen, ebenso die §8. 14—21,

8. 22 lautet nah der zweiten Lesung:

Für sämmtliche Kassenmitglieder beginnt das Recht auf die Unterstüßungen der Kasse zum Betrage der gesetzlichen Mindest- leistungen der Kasse (S. 16) mit dem Zeitpunkte, in welchem sie Mitglieder der Kasse geworden sind (8. 15). Von Kassenmitglies dern, welche nachweisen, daß sie bereits einer anderen Krankenkasse angehört oder Beiträge zur Gemeinde-Krankenversicherung geleistet haben, und daß zwischen dem Zeitpunkt, mit welchem sie aufgehört haben, einer folchen Krankenkasse anzugehören oder Beiträge zur Gemeinde-Krankenversicherung zu leisten, und dem Zeitpunkte, in welchem sie Mitglieder der Ortskrankenkasse geworden sind, nicht mehr als dreizehn Wochen licgen, darf ein Eintrittsgeld nicht er- hoben werden.

Soweit die vorstehenden Bestimmungen nicht entgegenstehen, fann durch Kassenstatut bestimmt werden, daß das Recht auf die Unterstüßungen der Kasse erst nach Ablauf einer Carenzzeit be- ginnt, und daß neu eintretende Kassenmitglieder ein Eintrittsgeld zu zahlen haben. Die Carenzzeit darf den Zeitraum von sech8 Wochen, das Eintrittsgeld darf den Betrag des für sechs Wochen zu leistenden Kassenbeitrags nicht übersteigen.

Durch das Kafßsenstatut kann ferner bestimmt werden:

1) daß Kassenmitglicder, welche die Kasse wiederholt durch Be- irug gcschädigt haben, von der Mitgliedschaft auszuschließen sind;

9) daß Mitgliedern, welche sich die Krankheit vorsäßlih oder durch s{uldhafte Betheiligung bei Schlägereien oder Raufhändeln, durch Trunkfälligkeit oder geshlechtlihe Ausschweifungen zugezogen haben, das statutenmäßige Krankengeld gar nicht odec nur theil» weise zu gewähren ift;

3) daß einem Mitgliede, welches die statutenmäßige Krankens unterstützung ununterbrochen oder im Laufe cines Kalenderjahres für dreizehn Wochen bezogen hat, bei Eintriti einer neuen Kranks heit nur der gesetzliche Mindestbetrag der Krankenunterstüßung und die volle statutenmäßige Krankenunterstüßung erst wieder gewährt wird, wenn zwischen der letzten Unterstützung und dem Eintritt der neuen Krankheit cin Zeitraum von dreizehn Wochen oder mebr liegt.

Sofern das Statut nichts Anderes bestimmt, ist den Mit- gliedern, welche gleichzeitig anderweitig gegen Krankheit versichert sind, die statutenmäßize Krankenunterstüzung soweit zu kürzen, als sie, zusammen mit der aus anderweiter Versicherung bezogenen Krankenunterstüßung, den vollen Betrag ihres durchschnittlichen Tagelohnes übersteigen würde.

Hierzu lagen folgende Anträge vor:

1) von dem Abg. Dr. Hammacher un» Genossen:

De: Meichstag wolle beschließen :

in 8. 22: dem letten Absate die Stelle als Absatz 3, vor den Worken „durch bas Kassenstatut kann ferner bestimmt werden“, und folgende veränderte Fassung zu geben : i

„Kassenmitgliedern, welche gleichzeitig anderweitig gegen Krank- heit versicert sind, ift die statutenmäßige Krankenunterstüßung soweit zu kürzen, als sie, zusammen mit der aus anderweiter Ver- ficberung bezogenen Krank-runterstüßung, den vollen Betrag ihres dure schnittlichen Tagelohnes übersteigen würde.

JYurch das Kafsenstatut kann diese Kürzung ganz oder theils weise ausgeschlossen werden“: _

2) vom Abg. Rittinghausen :

Dcr Reichstag wolle beschließen :

zu §. 22 Nr. 2 den Zusatz zu machen :

„Geschieht ersteres, so sind dem Kranken alle seit seiner leßten Krankheir gezahlten Versicherungsbeiträge zurückzuerstatten.“

3) von dem Adg. Dr. Gutfleisch:

Der Reichstag wolle beschließen:

in §. 22 Abs. 3 als Nr. 4 hinzuzufügen:

4) „daß Personen, welche der Versicherungspflicht nicht unter- liegen und freiwillig der Kasse beitreten, erst nah Ablauf einer auf höchstens 12 Wochen vom Beitritt ab zu bemessenden Frist Kran- kenunterstüzung erhalten.

4) von den Abgg. Dr. Buhl und Gen.:

Der Reichstag wolle bescließen :

Dem 8. 22 als Nr. 4 oder im Falle der Annahme des An- trages Dr. Gutfleisch als Nr. 5 beizufügen: „daß auch anderc ais die in den S8. 1 und 2 genannten Personen als Mitglieder der Kasse aufgenommen werden können.

5) enblih vom Abg. Prinz Radziwill :

Der Reichstag wolle beschließen:

Dem §. 22 hinzuzufügen: S i

„Abänderungen des Statuts finden auf folhe Versicberungs8- vflichtige, welche zur Zeit ver Abänderung bereits in Pflege ge- n ommen maren, keine Anwendung“. -—

Darauf wurde nach kurzer Debatte der Antrag Ritting- hausen abgelehnt, dagegen die Anträge Dr. Gutsleiïch, Dr. Buhl, Dr, Hammacher und Prinz Nabziwill, und mit diesen der so veränderie §. 22 angenommen.

Der 8. 23, welcher nah dem Beschlusse in zweiter Lesung lautet :

Kassenmitglieder, welche aus der die Mitglicdschaft begründen- den Beschäftigung ausscheiden und nicht zu ciner Beschäftigung

übergehen, vermöge welcher sie Mitglieder einer anderen der in den S8, 13, 53, 63, 67, 68 bezeihneten Krankenkasse werden, bleiben |o lange Mitglieder, als sie die Kassenbeiträge zu ded statutenniäßi- gen Zahlungstermiuen fortzahlea und sh im Gebiete des Deuts-

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