1883 / 127 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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mit der Konsumtion im eugsten Zusammenhange stehe. Die Regelung zwishen Produktion und Konsumtion sei das Alpha und Omega des gesammten wirthschaftlihen Lebens, und eine Schädigung des Handelsverkehrs bedeute auch eine Schädigung der Produktion. Das beweisc {on der Umstand, daß die Ursache an dem Ruin großer industrieller Unternehmungen fast immer aus\{ließlich in der mangelhaften kommerziellen Leitung liege, an der ja auh die Straßburger Tabacksmanu- faktur gekrankt habe, und die Beschaffung guter Absaßquellen sei Grundbedingung jeder gesuncken industriellen Entwicelung. Wenn die Zahl der Hausirer und Geschäftsreisenden sih in fo bedeutendem Maße gesteigert habe, so beweise dies, daß ein gestcigertes Bedürfniß vorhanden sei. Der Redner ging auf eine ausführliche historishe Behanck»lung der ganzen Frage ein. Auch heute noch sei man gewöhnt, wie Ulrich vou Hutten im 16. Jahrhundert auf die Kaufleute wie auf Pfeffersäce herabzusehen, und sie als nebensächlid beim industriellen VBe- triebe zu betrachten. Er müsse ferner der Befürhtung Aus- dru geben, daß das Polizeiregiment durxh Annahme der Ackermannsczen Anträge in erhöhtem Viaße heraufbeschworen werde. Wenn eincr der Großwürdenträger am Abend des Tages, an welchem derselve der En:hüllung der Denkmäler der beiden Humboldts beigewohnt habe, Wilhelm von Hum- boldts Schrift: „Jdeen zu deim Bersuch üver die Grenzen der Wirksamkeit des Staates“ voracnomnen, und beherzigt hätte, so könnte derselbe erbaulihe Betrachtungen darüber an- stellen, wie weit man in Deutschland seit jener Schrift zurückgegangen sei, und daß die Männer des laisser passer, laisser faire auf die Genossenschaft eines Mannes, wie Wilhelm von Humboldt und seines Gleichen stolz sein könnten. Diese Errichtung ter Humövoldtstatuen sci ein Anachronismus ; sie fei das Produkt einer Zeit, wo in Deutschland noch andere Anschauungen geherrscht hätten. Heute müßte man diese beiden Statuen niederreißen, und an ihre Stelle die von Hinckeldey und Stieber scßen, die Prozesse Ladendorf 1.nd Waldeck mit den Bildnifsen der bekannten Zeugen als Basreliefs. In thesì: im Allgemeinen träten die Herren von: Centrum den Liberalen bei, wenn sie gegen Polizeiwillkür einträten; aber das Centrum finde immer wieder den Weg, jür die Polizei zu stimmen; das Centrum sage: ja, der Kulturkamvs! Darauf das unsfehlbare „Bravo“, und die Sache sei fertig, als ob die ungerecteste kirchlihe Gesetzgebung das Stinmnien für alle schlechten Polizeigeseße rechtfertigen könnte. Solle seine Partei vertrauen2voll gemeinsame Sache mit dem Centrum machen, dann lasse dasselbe keinen Zweifel darüber auf- kommen, daß es dem Centrum ernst mit seiner Sache i daß das Centrunt das Net um des Netles willen, die Freiheit um der Freiheit willen fordere, und si nit nach erlangter Freiheit auf die Seite des Polizei- staates stellen werde. Der Antrag Acermann und die Regierungs- vorlage werde mit voerhängnißvoler Wirkung die Anstrengun- gen unterstützen, die das Ganze um einzelner Fnteressenten willen zu schädigen sih niht scheuten, und die s{chlechten Fnstinkte fördern, welche die Verbesserung einer Maschine mit einer Steuer bestrafen wollten, und den Gotthardtunnel für ein Unheil erklärten, Jnstinkte, von denen die Nation nicht srei sei, die eine große Autorität austilgen solle, aber nicht för- dern dürfe. Schon mache sich das Ausland darüber lustig, daß der Reichstag Geseße mache, die Deutshland um hundert Jahre in den s{hlimmstea Zunstgeist zurückwerse. Der Spott des Auslan?s lasse sih noch ertcagen, aber Deutschland habe obendrein noch den Schaden.

Hierauf ergriff der Kommissar des Bundes Geheime Iegie- rungs-Rath Bödiker das Wort:

Meine Herren ! Die Deduktioren des Herrn Vorredners waren in ihren Fundamenten und in ihren Konklusionen nicht {lüfsig. Wie man von dieser Bestimmung dazu übergehen fann, von patriarct alischer Polizei, von poliiischer Polizei zu reden, einen Zu- tjammenhang zu statuiren zwiswen dem Absatz 3 des 8. 44, um den es sich handelt, und gewissen Ve'cblüssen über die Abschaffung der Gotthardbahn, über Gemüsezölle, über Maschinenbesteuerung, übcr Humboldts-Denkmäler und -Feier, das kann ich nicht verstehen. Fch habe kein Interesse, auf alle diese Dinge einzugehen; wenn aber gesagt wurde, alles dieses hänge eng zusammen mit der Vorloge, die Vorlage sci auf demselben Boden erwachsen, von dem aus eigent- lid die Humboldtfeier nicht hätte stattfinden sollen, so kann ich nur sagen, daß der He:r Abgeordnete den Boden der Vorlage nicht rihtig erkannt hat. Uebrigens ift cs ein Leichtes, ihn aus seinen eigenen Kreisen heraus schlagend zu widerlegen. Alles das, was der Herc Abgeordnete eben gesagt hat, hätte er eigentlih richten sollen an die Adresse nicht etwa nur der Handelskammern, von dencn in der zweiten Lesung hier die Rede gewesen ist, sondern der Handelskammern aus sciner nächsten Nähe, die er aus seiner Ver- gangenl\eit von Mainz her doch näher kennt, und deren Mitglieder er kennen wird. Ich nenne unter anderen die Handelskammern in Frankfurt a./M. und Hanau. Ob diese au zu den „Kräß- winfklern“ gehören, muß der Herr Abgeordnete ja wissen Damals, als bei der zweiten Lesung von diesen Dingen die Rede war, sprach der Herr Abgeordnete bekanntlid von Krähwinkelei. Ich ecr- inncre also an die neuesten Ausführungen der Handelskammer in Hanau. Was der Herr Abgeordnete hier mit dem äußersten Auf- gebot seiner Vercd:samkeit verurtheilt hat, bezeichnet eben diese Handelskammer als cine wünschenëwerthe und wirf- fame Weise, in der von dem Geschäftsbetrieb der Reisenden alles Hausirmäßige ausgesondert, diz Trennung des Hankdels- reisenden von den Hausirern positiv durchgeführt werde. Das sagt die Handelskammer in Hanau gerade zu Absatz 3, den der Herr Vorredner mit sciner ganzen Rede angegriffen hat, und das, was die Handelskammer in Hanau vorträgt, bestätigt die Handels8- fammer in Frankfurt a. M. in ihrem dieëjähtigen Berichte, der vor ein paar Wochen eingelaufen ist, auf Seite 71, indem sie sagt: „In Bezug auf die in dem Gesetzentwurf über Abänterungen der Gewerbe- ordnung entl\altenen Bestimmungen über den Geschäftsbetricb der Handvlungsrcifenden gaben wir den Wünschen unscrer Interessenten Nus- druck, indem wix uns der nachfolgenden Petition der Handelt kammer Hanau ans{lossen.“ (Folgt cin Abdruc der Petition.) Die Frank- furter Handelskammer schloß fi also dem an, daß durch Absay 3 des 8. 44 in wünschenswerther, wirksamer Weije von dem Geschäfts- betriete der Reisenten ciles Hausirmäßige ausgefondert werde. Nun fönnen Sie vielleicht fagen: was beweisen diese aus dem Zu- sammenhange gerissenen Säße? Um Ihnen denn auch den Zu- fammenhang mitzutheilen, erlaube ich mir hervorzuheben, daß dieser Bericht der Frankfurter Handelskammer auf Seitc 69 bis Seite 71 über das Unwesen der Detailreiscnden des Weiteren perorict, aller- ‘dings nicht in der Weise, daß sie das Vorgebrachte direkt als ihre Meinung hinstellte, aber sie führt die ihr zu Ohren gekommenen Klagen der betheiligten Branchen redend cin, ohne ihrerseits, wie sie bei anderer Gelegenheit thut, gegen die Klagen Stellung zu nehmen, und, mine Herren, nachdem sie das gethan hat, jagt fie: wir {ließen uns der Petition der Handelskammer Hanau an. Das ist doch eine Stimme, die wohl werth ift, be- actet zu werden neben ten Stimmen, die bei der zweiten Lesung von hier aus angeführt sind, neten den Stimmen der Handels- kammern aus Baden, Bavern, Schleswig - Holstein, Hannover, Braunschweio, Provinz Sacfen u, \. w. Der Hecr Abgeordnete mag so viel gegen den §. 44 UAbfay 3 sagen, wie er will, er faun nit b weisen, daß dic Verhältnisse nicht so lieger, wie fie in den ange-

führten Handeléfkammerberihten geschildert sind. Um Ihnen aus dem Frankfurter Berichte nur einen Saß vorzulesen: es beißt dort: aus dem Gebiete der Damenkonfektion: „Das Detailreisen hat in den leßten Jahren eine so bedeutende Ausdehnung genommen, daß es an der Zeit erscheint, dieser fast zur Kalamität gewordenen Frage gegenüber Stellung zu nehmen. Nicht allein, daß die Unsitte \sih immer mehr ecinbürgert, is auch nichts so sehr geeignet, das reelle Platzaeschäft so {wer zu s{chädigen und den geringen Nußen, der nach Abzug der hohen Miethen und Spesen verbleibt, zu absorbiren, als dieses Hausiren mit Mustern von Haus ¿zu Haus. Obne einer reaktionären Tages\trömung beizupflihten zur Salvirung ihres Gewissens sagen die Herren darf man dow zugeben, daß auf ge- setzgeberishem Wege sich diese Auswüchse beseitigen lassen,“ dazu fommen andere ähnliche Ausführungen, aub über d3s Unwesen der Havsirer u. \. w. Das sind doch gewiß Stimmen, die auch ein gewisses Gewicht haben, Stimmen aus dem Leben und von Leuten, die fübler, wo Ke der Schub) drückt. Und gerade ans(ließend an diese Worie des Handelskammerberihts von Frankfurt a. M.. der von Ausdehnung des Geschästébetriebes der Detailreiscnden spricht, erloube id mir überzugehen auf die von dem Herrn Abgeordneten be- mängelte Statistik über die Zunahme der Haujsirer und der Handlungs- reisenden. Der Herr Abgeordnete fragt: woher die Statistik? was sollen wir mit der Statistik? zu welbem Zwecke wird sie mit- getheilt? ih verweise ihn an seine Nachbaren, die dicht daneben ten, dic verlangten: man beweise uns die Ueberhandnahme des be treffenden GBewerbebetriebs. Auf das Berlangen, weiches von dor! aus gestellt worden is}, ist die Statistif nachträglich erhoben wer den; in dem Momente, wo sie fertig gestellt wurde, ist sie so mitgetheilt worden wie fe u Lage getreten (i Nun sagt der Herr Abgeordnete, „daß die Zahl der Haufirer 1::* Handlungsreisenden sich so sehr vermehrt hat, b:weist das Bedürs- niß füc diesen Geschäftsbetrieb, das beweist etwas Gesundes und Gutes in der Beweaung. Man möge die Sachen doch so laufen lassen, die steigenden Zahlen beweisen das Nothwendige der Sache“. Meine Herrer, beweisen alle steigenden Zahlen das als nothwendig, was durch fie zur Erscheinung gebracht wird? Beweisen die steigenden Zahlen der Verbrecherstatiftik die Berechtigung der Verbrech2n ? Der Vorredner hat gesagt, man möge den Verkehr so laufezx lassen; das wäre allerdings, wie der Herr Abgeordnete ganz richtig sagte, der forrefte Standpunkt des laiszer faire, laisser aller, der marchester- lihe Standpunkt auf dem Gebiete des Wirthschaftslebens8. Der Herr Abgeordnete hätte eigentlich bei dem Antrage Thilenius, wo es fich um die Beschwerden der Rheinbervohncr über die Rheinüber- jdbwemmungen handelte, auchß sagen können: „laissez faire, laissez aller, der Rhein mag scine Ufer überfluthen! wozu Dämme bauen? die Wasser muß man frei laufen lassen.“ Die Analogie paßt vollständig. Wie nothwendig es ist, daß eingegriffen wird, beweist am allerbesten die Entwickelung, die diese Dinge genommen haben. Der Herr Abgeordnete hat mit sciner Behauptung, daß die Gestaltung des freien Verkehrs das Alpha und Omega jeder gesunden Bewegung sei, kein Glück çchabt; denn dann bedürfte man \chließ- lich der staatliwen Einrichturgen überhaupt nicht, es bedurfte ins- besondere einer Polizei nibt; mar müßte nur ruhig die Mens§en leben und gewähren lassen, wie sie gerade sind. Meine Herren, nun hat der Herr Abgeordnete geglaubt, au kei dieser Gelegenheit auf das gesammte wirthschaftlihe und zollpolitishe Ge- biet Mbecacien zu fol «ce a von Dn ollen gesprochen Und vielem LUnderen, G U um die Ausführungen von hier aus niht ganz unerwidert zu laffen, nun auch mit steigenden Zahlen antworten, die diesmal aber aller- dings sprechend sind und in keiner anderen Weise gedeutet werden können, nämlich mit der Statistik des Vereins der deulscen Eisen- und Stahlindustrie vom Mai 1883# diese Statistik beweist, daß in wenigen Jahren unter der Herrschaft der neuen Politik, die der Herr Abgeordnete wo möglich als zusammenhängend mit den Ideen Ulrichs von Hutten dargestellt hat, allein in 325 Eisenwerken ber Arbeitslohn gestiegen ist um 64 Millionen Mark jährlich. (Hört, hört! rech18. Ruf links: und die Ueberstunden!) Wenn in den Veberstunden etwas verdient werden kann, \o ist das auch son ein sehr erfreulicher Fortschritt. Die Arbeiter haben in neuerer Zeit statt 60 M (wie vor wenigen Jahren) über 71 s monatlichen Ver- dienst. Angesihts solcher Zahlen wird eine Auscinandersetßung, di mit Ulrich von Hutten anfänat und zur Londoner Gemüsefrau über- geht, nichts verfangen. Zur Sache zurückehrend, fann ih vom Stand- punkte ter Vorlage aus den Antrag Ackecmann nur aufs Freudigste begrüßen; derselbe entspriht den Bedürfnissen und berechtigten Wün- \hena weitester Kreise, und wenn in dem Antrage eine Ausnahme- bestiumung binzugefügnt ist ¿zu Gunsten der Wein- und Tabackreisin- den, so sagen schon die Motive, daß der Bundcs3rath für die Wein- reisenden unter allen Umständen die Ausnah:ne zugestanden wissen wollte. Daß es fich nicht v eine Bestimmung zu Gunsten eines einzelnen Standes handelt, wie der Herr Abgeordnete ausführte, lieg: auf der Hand, denn die Klagen kommen nicht etwa bios aus den einzelnen Stande der kleineren Gewerbetreibenden, fie werden vrr- gebracht von großen Bevölkerungasklassen, fe kommen namentlich axs der Mitte kleiner und mittlerer Städte. Das i} allerdings richtig, daß im Großen und Ganzen die großen Städte bei den Klagen weniger betheiligt sind, weil sie den Vortheil von der gegenwärtigen Lage der Dinge haben, obschon die Stadt Franffurt a. M. sih doch veranlaßt sieht, Stellung zu Gunsten der Sache zu nehmen. Daß auc diele kleineren und mittleren Städte in thren Erwerbhé- und Wirthscbaftsverhältnissen einen gewissen Schutz insoweit beanspruchen könen, alé nici kraft einer geseßlichen Fiktion gesagt wird, der stehende Gewerb-treibende könne cin Gewerbe im Umbherziehen betreiben lassen, wie cs die Detailreisenden ja thun, ohne vnter die Bestimmungen über den (Gewerbebetrieb im U nher- ziehen zu fallen, das müßten Sie zugeben. Die kleinen und mittleren Städte haben denselben Anspruch auf den Schuß der Geset:gebung wie dic größeren Städte; sie repräsentiren «cinen wichtigen Theil der Nation. Aus den kleineren und mittleren Städten gcht eine große Summe von Intelligenz und geistiger Kraft hervor; das Gemüth und da3 Herz der Nation erfrischt und erncuert sib namentlich dort. ch bâtle es leiht, Jhner den Beweis hierfür zu führen, Ihnen nach- zuweisen, wie sehr die kleinen Städte an der geistigen Bildung und gemüthrollen Entwickelung des Volkes bethiiligt sind, könnte ich mich doch auf die uns nächstliegenden Verhältnisse beziehen. Die sämmt- lichen Mitglieder des hohen Präsidiums dieses Hauses, die hier zurächstsißzenden Frafktionsführer, die Herren von Vennigsen und Windthorst, der Hr. Atg. Graf von Moltke, sie Alle sind diefen kleinen Städten, bezw. dem platten. Lar.de entsprofsen. (Berade die kleinen Städte find es, die klagen, die sagen, „wir werden in unserer Cristenz bedroht“. Gewiß können diese deshalb den Anspruch erheben, daß sie nickt uit Hülle geseulicher Fiktionen benatheiligt werden gegenüber den grofien Städten, die dur das in ihnen foazentrirte große Kapital ohnehin [con sehr im Vortheil find. Ich "itte, den Antrag Ackermann annehmen zu wollen. :

Der Abg. Sonnemain ertlärte, die Handelskammer zu Hanau bezeichne das, was der Abg. Bamberger mit seiner \ : r 4 I , 5 Li of 3 2 j 7 ganzen Beredsamkeit sceben verurtheilt habe, als wirksam und wünschenswerth, Und dies Urtheil bestätige die Frank- furter Handelskammer in ihrem diesjährigen Berichte an dec Stelle, wo die Klagen der verscziedenen Branchen über das Unwesen der Detailreisenden angeführt würden, ohne daß gegen diese Klagen Stellung genommen würde. Die Stimme dicser Handelskammer verdiene wohl beacztet zu werden neben den schon in der zweiten Lesung von hier aus angeführten Handelskammern in Baden, Bayern, Schleswig-Holstein, Han- nover, u. f. w. Das seien Stimmen aus dem Leben und von Leuten, die fühlten, wo sie der Schuh drücke. Der Abg. Bamberger habe ferner die Statistik über die Zunahme des Hausfirens und der Handlungsreisenden bemängelt. Derselbe frage: woher komme diese Statistik und was solle man

damit? Er verweise den Abg. Bamberger an seme Nach: ?

barn, die einen Beweis für die Ueberyondnabhme des tetr Gewerbebetriebes verlangten; auf dies Verlangen sei die Statistik gemacht worden. Nun sage der Abg. Bamberger, die steigenden Zahlen der Handlungsreisenden bewiesen ihre Noth- wendigkeit. Sei das immer so? Bewiesen die steigenden Zahlen der Verbrecherstatistik die Berechtigung der Verbrecher ? Das sei der einseitige, manchesterlihe Standpunkt des Taisser faire, laisser aller, Der Abg. Bamberger hätte dann ja auch bei der leßten Jnterpellation Thilenius, betreffend die Be- schwerden der Rheinbdewohner, sagen können: laisser faire, laisser aller, der Rhein möae seine Ufer überfluthen, Wenn die Gestaltung des freien Verkehrs wirtlih das Alpha und Omega jeder gesunden Bewegung wäre, dann bedürfte man schließlih keiner Polizei, überhaupt feiner staatlihen Einrich- tungen. Er wolle doch den Abg. Bamberger auch auf steigende Zahlen hinweisen, die aber niht anders gedeutet werden fönnten, nämlich auf die Statistik der deutschen Eifen- und Stahlindustrie vom Mai 1883. Dieselve beweise, daß in den wenigen Jahren der neuen Wirthschaftspolitik in 325 Werken ner Arbeitslohn um 74 Millionen jährlich gestiegen fei (Rufelinks : und dieUeberstunden ?!) Wenn in Ueberstunden twas verdient werden fönne, so sei das schon ein Fortschritt. An- aesiczts solchzer Zahlen verfange eine Wendung nicht, die mit U!rich vont Hutten anfange und zu der Londoner Gemüfefrau überc \-. Jm Uebrigen begrüße er den Antrag Ackermant aufs Freundlihste. Es handele si bier niht um einen ein clren Stand, die Klagen würden von großen Bevölkerunas- klassen getheilt, und sie kämen nameräilih aus den tleineren und mittleren Städten. Dieje könnten doch in ihren Erwerbs- und Wirthschastsvechältnissen einen gewissen Schuß bean- spruchen. Aus ihnen gche cine große Summe voa Fntelli genz und geistiger Krast hervor. Er weise nur auf das ge-

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„sammte Präsidium dieses hohen Hauses hin, auf die hier zu-

nuchstsißenden Fraktionsführer, die Abgg. von Bennigsen, Ur. Windthorst, auch Graf Moltke fie seien sämmtlih kleinen Städten resp. dem platten Lande entwachsen, und gerade diese tleinen Städte sühlten sich in ihrer Existenz bedroht uno klag- ten. Er bitte, den Antrag Acktermann anzunehmen.

Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, den Unterschied, welchen die Hanauer Handelskammer zwischen Handlungsreisenden und Hausirern nache, untershreibe er voll und ganz. Was aber ihr weiteres Urtheil betreffe, so halte er demselben dasjenige der Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft gegenüber, dem sich viele Vereine angeschlossen hätten. Sie protestirt:n gegen: die Kräankuno, welwe dem Kaufmannssiande mit dieser Vorlage zugefügt werde. Wenn in derseiben der Vorwurf erhoben werde, daß viele der Handelsreisenden zu siltlihen und ficher- heitspolizeihen Bedenken Anlaß gäben, so könne man dem ge- fjammten Handelsstande den Protest nicht verargen, der: ev hier an dieser Stelle nahdrücklihs|t wiederhole. Was würde der Abg. von Minnigerode, der so warm die Jnteressen des Offizierstandes verircete, sagen, wenn man zu behaupten wagen wollte, daß einzelne Offiziere in sittlicher Hinsicht zu Bedet:ken Anlaß gäben? Und doch siele man hier eine folche Behaup- tung auf, ohne den Schatten eines Beweises. Er möchte bitten, seinen Eventualanirag anzunehmen und den Antrag Ackermann abzulehnen. Er wöchte das deutsche Volk davor bewahrt wissen, daß man Wein und Taback besser behandele als Drucfschristen u. s. w. Vedenke man doch, daß Werke wie Scherres Germania, Hellas und Nom, Ebers Egypten, und auch, darauf möchte ih den Abg. Stöcker besonders auf- merksam niachen, das weitverbreitete Prachtwerk, Doré's Bibel, fast ausschließlih durch Reisende von Buchhändlern im Volke abgeseßt würden. Wenn man diese Reisende den Hausirern gleichstelle, so drücke man den ganzen Stand herab. , Er bitte im Juteresse dcs ehrenwerthen Kaufmannsstandes, den Antrag Acktecmann avzulehnen.

Der Abg, Günther (Sachsen) erklärte, der Antrag Acfer- mann bezwccke, den stehenden Gewerbebetrieb, und die Privaten vorx den Detailreisenden zu s{hüßen, die gleihsam gewerbliche Vagabondage trieben. Wenn die Gebrüder Humboldt noch lebten, sie würden gewiß nicht für die Detailreisenden einge- treten sein! Seine Partei wolle sich vor dem Mißbrauch der Kolportage schüßen und wolle den Kaufmannsstand vor \chlechten Elementen shüßen. Der Antrag Baumbach bezwecke weiter nichts, als die Kolportage durch cine Hinterthür wieder in das Geseß zu bringen.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, sein Eventualantrag sei lediglich eine Wiederholung des Antrages Windthorst in zweiter Lesung. Der Avg. Windthorst habe gewollt, daß man es bezüglich des Auffuchens von Waarenbestelungen BVbeim Alten lasse und daß ein Hausirschein dazu nicht erforderlich sei. Hausiren mit Waaren, habe der Abg. Windthorst ge- sagt, nenne er das Feilbieten von Waaren, die in die Häuser mitgebrait würden. Man hab: damals den Antrag Windt- horst angenommen. Jetzt versuhe der Antrag Ackermann niht nur cine Beshränkung des Auskaufens, sondern au eine Veshränkung des Aufsuchens von Waaren. Der Unter- schied zwischen Hausirern und Handelsreisenden sei doch ein Fehr einfacher. Der Handelsreisende führe blos Proben mit sih, während der Hausirer seine Waaren mit sich führe, und den Handel sofort abschließe. Man wolle vas Publikum vor den Neisenden shüßgen. Warum schließe man denn nicht auch) Tabak und Wein aus. Zu welchen polizeilihen Vexationen müsse es nicht führen, wenn man diese Unterscheidung auf- recht erhalte! Dann die Denunziationen mißgiinstiger Kon- furrenten aus fkleinlihem Brodneizd. Der Regierungs- kommissar fei heute sehr stolz auf seine Statistik gewesen. Das frappire ißn, demn derselbe habe srüher gesagt, daß eine folcze Kontrole für Preußen nicht möglich sei, weil eine Kontrole nicht eingeführt sei. Entweder seien eine damaligen Aeußerungen unzulässig gewesen oder seine heutigen. Diese Bestimmungen gegen die Handelsreisenden träfen wieder einmal die shwächeren Kräfte, denn die alten Geschäst8häuser brauciten keine Neisenden. Der Konminiissar habe sih auf die Handelskammern berufen. Wohin würde man kommen, wenn man alles für geseßgeberishe Weisheit nähme, was diefe vor- shlügen? Habe doch cine sih sür Aufhebung des billigen Packetportos ausgesprochen, das noch viel unangenehnaer fei, als die Handels3reisenden. Die Frankfurter Handelskammer habe, wie ihm der Abg. Sonnemann versichere, blos eine Zu- sammenstellung verschiedener Aeußerungen gegeben, für die sie die Verantwortlichkeit ablehne. Wenn doch der Reichs: kanzler die Handelskammern so achten und ehren wollte, wie der Geheime Rath Bödiïer es heute gethan, dann sähe es freilich mit dem Zolltarif s{chlecht genug aus. Wenn die Fortschrittspartei Parteipolitik treiben wollte, dann könne ec dent Hause nur rathe, den Antrag Ackermann anzunehmen, denn der Schlag, welhen man durch denselben dem Handels- sande ins Gesicht verseße, werde viel s{hwerer empfunden

werden, als manches Andere, was man dem Gewerbeleben zu- gefügt habe. i ;

Demnächst nahm der Bundeskommissar Geheime Re- gierungé-Rath B ödifker das Wort :

Mine Herren, der Herr Vorredner hat die Statistik bemängelt, auf welche wir, wie er sagte, besonders „stolz“ wären. Woraus er das geschlossen hat, das weiß ic nicht, cs ist dies eine ebenfo billige Annahme, wie die Behauptung, es sci von hier aus mit Erregung gesprocen worden. Wenn man von hier aus mit Erregurg gesprocben hat, fo weiß ich nit, wie man ruhig \preben foll. Die Statistik bin ickch, gegenüber den Ausführungen dcs Herrn Vorredners, vollkommen in Sœduß zu nehmen in der Lage. Wenn bei der zwciten Lesung von hier aus gesagt wurde, sür Preußen fönnen vom Jahre 1874 ab die Zallen für die Handlungsrcisenden nit ge-

liefert wcrden, weil eine Kontrole nit mehr geübt wude fo

war der Wortlaut, wie der Herr Borredner g-sagt hat —-, so sehen Sie in der Statistik selbst auf Seite 1 unter A. in der betreffenden Spalte unter 1875 und 1876 kleine Zahlen, und in der Anmerkung steht, daß für diese Jahre die Zablcn nicht mehr geliefert werden fönnen, man hôtt: He fünstlib interpolirt; es ift also genau dasselbe gesaat . wie damals. Für die spätcren Jahre haben die Landräthe threrscits Kontrole übrer die von ibncn ausgeslellten Scheine geübt, und es is nur im Wege der Erhebung bei den Land- räthen möglich gewesen, Ihnen für die Jahre von 1877 an die Zahlen zu bringen Aber Sie seben, wie die Statistik selber angiebt, in den Jahren 15875 und 1876 waren keine Zahlen zu liefern, weil die Kontrole gefeblt hat, genau das, was auch früher gesagt worden ift. Es mukfßten nun allerdings für alle Jahre Zahlen eingefügt werden eventuell durch fünstliche Interpolation, um nicht bei der Gesammtsumrne auf ein falsches Resultat zu kommen ; das geschicht im Notkbfalle bei allen Sta- tistifen fo. Der Herr Abçeordnete mcinte, daß der schlechte Gesctäftsgang und manches Andere diese Bermehrung der Hausirer und Handlungs8- reisenden zur Folge habe. Wenn Sie sih cinmal dic einzelnen Staaten ansehen wollen, so werden Sie doc 4. B. bci Hanburg, welches entschieden im Aufblühen begriffen ift, nicht bebaupter wollen, daß Hanikurg zurückgehe, wenn im Jahre 1870 die Zaßl dec Hausirer 233 und im Iahre 1882 1513 betrug. Achnlich ist es mit Bremen, da ift das Verhältniß 85: 644, und was die Handlungsreisenden an- langt, jo haben wic aub dort seit dem Jahre 1870 Steigerungen in ähnlichen raxiden Zahlen, zum Beisptel in Sa®sen von 24090 auf 7300, in Württemberg von 1500 auf 40€0, in Baden von 900 auf 2700, in Mecklenburg-Schwerin von 209 auf 890, in Weimar von 209 auf 500 u. f. w. Die kleineren Staaten entspreden dem zum Theil. (Zuruf inks: Bremen!) Bremen ist allerdings unerheblich heruntergegangen: von 388 auf 332. Also der Rüúdckgang ver Geste l an und ur 1 m jenen Zahlen ncht zu erkennen; aber die Bewegung selk| wird dur dieselben ge- treu ersichtlibd gemacht, und das ift gerade der Zweck der Statistik. Der Herr Abg. Büchtemann wollte ja cin ftlares Bild haben von den Verhältnissen; nun Sie es besitzen, paßt es den be- treffenden Herren nicht in den Kram, ergo wird die Statistik selber angefochten. Davyn sagte der Herr Abgeordnete îin Bezug auf die Handelsfemmer in Frankfurt a. M., das wären Aeußerungen, die hier verlesen wären, wofür die Handelskammer die Verantwortung ab- lehne. Letteres ist niht der Fali, Nachdem bereits bei der crsten Berathung, wenn ich mich nicht schr irre. von dem Hrn. Aba. v. Köller der vorjährige Bericht der Hantelskammer- von Frankfuct ähnlichen Inhalts hier angezogen war, wird sich die Handelskammer, die das wahrscheinli auch gelescn haben wird, gehütet haben, ein Jahr später în derselben Weise die Waffen zu Gunsten der Regie- rung8vorlage zu liefern, wenn sie das nicht mit vollfter Ueberlegung thun wollte. Allerdings bat die Handelskammer sih nicht mit den sämmtlichen klagenden Aeußerungen geradezu identifizirt und hat gcsagt: von anderen Seiten ift gegenüber cinzelnen diefer Aeußerungen Werth darauf gelegt, daß die Sache anders läge. Diesec kleine Absaß umfaßt aber nur drei Linien, während die großen Klagen, welche mitgeteilt waren, ipsissimis verbis der Geschäftstreise auf Seite 69 bis 71 zu finden find. Und, zneine Herren, daß die Handels- kammer nicht etwa die Verantwortung für diese Aeußerungen ab- gelehnt, sondern indem fie sie pure wiedcrgiebt, sich in gewisser Weise für dieselben verantwortliÞþ mat, sehen Sie aus einem anderen Falle auf Seite 59 desselben Werkes, wo €s unter dec Rubrik e. Handvelsgesetzgebung heißt: Von mehreren Seitea sind auch neuer- dings bei uns Klagen über die Hökte der Gerichtskosten eingelaufen, Wir weisen dagegen darauf hin, daß erst am 15. Juni v. J. die Gerichtskosteanorelle vom 29. Juni 1881 in Kraft getreten ift, wodurch cine Kostenverminderung herbeigeführt wurde 2x. Also hier nimmt die Handelskammer gegenüber solchen Klagen, die sie für unberehtigt hält, ausdrüdcktli Stellung, wie sie cs in dem anderen Falle nit thut, es verhält fh also, wenn man die Sache bei Lickt bdeirachtet, umgckehrt wie vorher. Daß die verbündeten Regierungen allen Handelskammerdberichten nit imuucr gleichen Werth beilegen wie der Herr Abgeordnete bemängelte —, Berichten, die nicht, wie dieser Bericht, lediglich Thatsachen, die zu Ohren der Handels8- kammec gekommen sind, aus bctheiligten Kreisen wiedergeben, daß das gerechtfertigt ist, beweist doch wohl ein Workomnniß noch aus allerjüngster Zeit aus dem Often des Reiches, auf welches ih Hier nit näher einzugehen brauche.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, der Abg. VBaum- bah babe an cinen Saß aus ven Motiven eine Parallele des Handelsstandes mit der Offizierkörperschaft geknüpft ; dieser Vergleich sei etwas kühn und als er widersprochen habe, habe der Abg. Dohrn gerufen: die Kaufleute teien freilich keine Junker! Die Collegia des Hrn. Richter hätten also bei dem Übg. Dohrn gewirkt. Wie man hier von „Junker“ sprechen kónne, begreife er nicht, da der Offizierstand sich aus allen gebildeten Kreisen rekrutire ; er acceptire allerdings jenen Aus- druck, wenn damit gesagt sein sollte, der Offizier sei auch heute noch der Träger der Nitterlichkeit. Das Vffiziercorps stelle eine ges{lossene Körperschaft dar, jedes Mitglied werde von den Kameraden gewählt, jede Ernennung und Befsörde- rung liege in oer Hand des obersten Kriegsherrn; es liege ihm fern, den ehrenwerthen Elementen unter den Reisenden zu nahe zu trten, aber es fönne dabei von ciner Körperschast niht vie Rede sein. Die guten Elemente könnten si der {lehten nicht erwehren, und was die Konkurrenz hier hervor- gebra: habe, würden ihm Alle bezeugen, die dieje Gewächse in der Provinz hexun wandern gesehen hätten. Die chren- werthen Kaufieute würden für die Befreiung von diesen Elementen nur dankbar fein.

_ Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Meine Herren, im Anschluß an die Worte, die Hc. von Minnigerode eben gesprochen hat, und für die i aufrichtig dankbar bin, halte i mi doc noch verpflichtet, meiner Verwunkerung darüber Ausdruck zu geben, daß gelegentlich der Berothung der Gewerbeordnung N schon zum zweiten Male cremplifizirt worden is auf den Stand der Offizicre, welcher do an und für sch mit dem Gewerbsleben in der allergeringsten Beziehung steht von allen Stän- den, die überhaupt in vem Reibe vertreten sind. Wenn das nun geschehen wäre, meine Herten, insofern die guten Eigenschaften des Dffiziercorps, nämlich des Anstandes, Pflichtgesühls und der Ehre hier au bei einer Gelegenheit bei Berathung von Gewerbeangelegen- hexen betrachtet worden wären, dann, meine Herren, lönnte das ja unter umständen ganz angenehm für uns sein; wenn es aber geschieht hier jedeêmal auf dem allers{mubigsten Gebiete (oho! links) ja wohl, meine Herren, so muß ich auf das Allerlebbhafteste dagegen protestiren, um die Ehre des Standes, dem ic auch an- gehöre, auf das Allerbestimmteste zu vertreten. Meine Herren, es ift ja betannt, daß in einem Stande, welcher sich aus so zahlreichen Mitgliedern zusammensekßt, dem vor allen Dingen eine große Menge

von sehr jungen Leuten angehört, daß da unter Umständen auf dem bier berührten Gebiete Dinge vorkommen, die besser ungeschehen blieben. Aber, meine Herren, diese Fälle kommen zu unserer Kenntniß und werden, da wir viel weitergehende Mittel haben, auch viel strenger aufgefaßt, als irgend anderswo.

Darum, meine Herren, halte ih mich für verpflitet, hier aus- drüccklih zu erflären, daß, wenn mit einer gewissen Vorliebe der Offizieréstand hier in die Debatte gezogen ist, und zwar auf dem Gebiete der Unsittlifeit (Widerspruch links, Unruhe), ja wobl, meine Herren, Sie haben nur auf dem Gebiete -- (Unruhe, Glocke des Präfi- denten.) Sie haben nur auf diesem Gebiete des Offizierstandes ge- dacht in Berathung der Gewerbecrdnung, daß, wenn dies geschehen, hnen zu erklären, daß kein Stand im ganzen Deutschen Reiche existirt, der nach dieser Richtung hin günstiger steht.

Nach Ablehnung eincs Vertagungsantrages bat der Abg. Reiniger um Streichung des leßten Absayes im Antrage Ackermann (Aussc{ließung der Wein- und Tabacksreisenden von den Beschränkungen des Antrags), eventuel! um ge- trennte Abstimmung über die beiden darzin genannten Ka- tegorien.

Der Abs. Frohine bemerkle, bei einer fo wihtigen De- batte sei die Thatsache im Auge zu dehaliten, daß die Zu- nahme der Zahk der Hausirer niht aus der Vorliebe für dies Gewerbe rejultire, sontern daraus, daf: bei den jeßigen wirth- schastlihen Zuständen fo viele Existenzen ruinirt seien, daß die Personen im Hausirhandel das einzige Mittel fänden, sich zu ernähren. Wern der Offizierstand hier in cine so \hmußtzige Debatte gezogen sein solle, so erwidere er dem Kriegs-Minister, daß die große Masse derer, welche dur die fatalen wirthscaftlihen Verhältnisse gezwungen fei, zum Hausirgewerbe überzugehen, jedenfalls auch Anspruch auf Achtung und Ehre zu erheben habe. Alle Hand- griffe, die von der rehten Seite geshezen, seien thatsachlih nur Mittel im Kampfe gegen die Gewerbcsreiheit. Fa Frank- reih und Belgien have man solche Angriffe nitt mehr, weil bei der Revolution die Majorate und Fideiklommisse vernichtet seien, die in Deutschland noch heut existinten. Deshalb wolle man auf jener Seite Vorwerke vcr diefe Privilegien legen, damit im Kampfe gegen diese Vorwerke die Krast der Oppo- sition verbrauhi werde. Darum würden die Sozialdemokraten gegen alle Ackermannschen Anträge stimmen. Wenn man im Interesse der Sittlichkeit z. B. den Hausirhandel und die Kol- portage behindern wolle, so könrte er Vieles nennen, was gerade von den Gesinnungsgenossen der Rechten auf diesem Gebiet gesündigt werde. Die Rechte sei gegen den Antrag Baumbach wegen der Druckschriften; die Rechte wolle sie be- seitigen. Warum befeitige die Rechte mcht lieber ihre Trafktätchen, welche die Leute verrücit machten, welche die Leute nit mehr dazu kommen ließen, sich selbst zu verüechen ?

Der Abg. von Schalscha erklärte, gegenüber diesem letzten Worte eines sozialdemokratishen Abgeordneten weise cr auf ein Wort in einer kürzlich vom Abg. Dr. Hirsh herausge- gebenen, an die Arbeiter, auf die derselbe Einfluß babe oder zu gewinnen hoffe, gerichteten und dem Haufe zugegangenen Brochure; da heiße es; „Die Arbeiter rängen theils mit stumpfer Erbitterung, theils mit fanatischem Hinblick auf cin besseres Jenseits, bis ihnen die Kräfte versagten.“ Das sage cin Mitglied des deutschen Reichstages, ein Vertreter des deutshen Volkes, des Volkes der Sitte und Gottesfurcht, ein Mann, von dem sich 20 000 christlihe Arbeiter leiten ließen ! Da n:üsse er doch sagen, die ganze sozialistishe Geseßgebung sei unnüß, wenn man nicht die Rechte der Kirche wiederher- stelle, und den Arbeitern den christlichen Sinn wieder gebe. Zur Sache sih wendend, bat Reder, den Antrag Ackermann anzunnehmen und das fortschrittliche Amendement abzu- lehnen.

Der Abg. Dr. Baumbach erklärte, er sei überrascht, daß der Kriegs-Minister es für nöthig gefunden habe, einen fo unwihtigen Vorgang in folher Weife agufzubauscchen. Er glaube nicht, daß der Minister cs gethan hätte, wenn derselbe der Sißung von Anfavg an veigewohnt häite. Er empfchle dem Minister, wenn derselve derartige Angriffe mache, vorher anzuhören, was gesprochen werde. Er lege Werth darauf, daß die Sache klar gestellt werde. Er wcelle nux sagen, wie bedenklich es sei, cinem ganzen Stande gegenüber folche Vorwürfe zu inachen, und wie man Protest echeben würde, wenn man so etwas gegenüber dem Offizierstande sage; er wolle keineswegs diesen Stand angreifen, für den er Hochachtung und rFnteresse habe. Er gebe anheim, ob es au: Platze gewesen fei, hierauf fo zu entgegnen: das heiße doch mit Kanonen nach Sperlingen schießen! Beide, der Dffizier- stand und der Kaufmannsstand, seien nicht Geburts- sondern Berufsstände. Man dürfe doh niht so weit gehen, daß man den Offiziersliand niht mehr in die Devatte zu ziehen er- laube. Der Offizierstand sei do nicht so viel besser oder \chlechter als andere Stände, daß man ihn niht in Vergleich ziehen könnte! Derselbe fei doch keine bevorzugte Kasie!

Darauf nahm der Staats-Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Nleine Herren! Bezüglich des ersten Borwurfs, der mir durch die Borte des Abg. Dr. Baumbach gemacht worden ist, daf: ich nicht von Anfang an dieser Sitzung beigewohnt habe, glaube i, bin ich wohl entschuldigt, infefern nicht anzunehmen war, daß bei der Debatte über die Gewerbeordnung eremvPlifizict werden könnte auf den Of- fizterstand. Jch konnte das wirkli nicht erwarten, meine Herren; sonst, wenn ic es erwartet hätte, wäre ih von Anfang an hier ge- wesen, Troßdem ich aber nicht bier gewesen bin, bin ih dech im Wesentlichen ganz zutreffend berichtet worden. Was mir bier gescigt wurde, ift richtig gewesen au nachÞ dem, tvas der Abgeordnete Dr. Baumbach eben gesagt hat.

Meine Herren, ich habe nur meiner Verwunderung darüber Aus- druck gegeben, daß in der Betrachtung und Erörterung der Sewerbe- ordnung der Offizierstand, welcher do dem Gewerbewesen ferner steht, als irgend ein anderer Stand, in Parallele und zur Erörterung ge- braht worden ift bei zwei Fällen, in denen es fich um Fragen der Sittlichkeit handelt.

Wenn nun heute der Herr Abgeordnete hier erklärt, daß es nicht |

seine Absicht gewesen wäre, in diesem Falle einen unmittelbaren An- griff auf die sittliben Zustände des Offiziercorps zu machen, so acceptire ich das sehr dankbar; er hat sich auch fonst in sehr wohl- wollender Weise über das Offiziercorps oder über den Öffizierstand, wie er sih ausdrückte, ausgesprochen. Meine Herren, ih glaube wirkli, wenn der Herr Abgeordnete dieses ja sehr dankbar anzu- erkennende Interesse für den Offizierstand hat, fo hat er meiner Meinung na auf fehr viel anderen Gebieten bessere Gelegenheit, das zu bethätigen, als ihn gerade hier in Verbindung mit derartigen Dingen zu bringen.

Meine Herren! Daß die Worte des Herrn Abgeoidneten miß- verstanden werden konnten, das ergiebt sih einfach daraus (Unruhe) das ergiebt sich einfah daraus, daß sie mißverstanden worden sind. und zwac von Herren gerade hier aus dem Hause, von Mitgliedern des Reichstags, die, glaube ih, an und für sich dasselbe Recht des Verständnisses in Anspruch nehmen können, wie andere, Wenn mir also hier gesagt worden ist, es wäre von Neuem der Offizierstand in Parallele gezogen worden, gerade, wo cs stich um Erörterung der-

artiger Zustände bandelt, so ift gewiß in der Ordnung, wenn ic hierher komme und den Wunsch aussprecbe, do nit gerade bei derartigen Debatten mehrfach auf den Offizierstand zu eremplifiziren, deon dasselbe, was der Herr Abgeordnete erreichen wollte, bätte er aub erreidt, wenn er keinen besonderen Stand angeführt hätte, und namentlich nicht gerade den Offizierstand.

Ich bin also der Meinung, meine Herren, daß ich hier weiter nichts gethan habe ass meine Pflicht und Schuldigkeit, indem ib hier- her gegangen bin und die Bitte ausgeiprocen habe, daß, wenn, der Offizterstand hier zur Erörterung gelangen sollte, es do nit immer in unmittelbarer Beziehung zu derartigen Dingen gestebe, die wirf- lic unangenebmer Natur sind.

Der Bundeskommifsfar, Geheime Regierungs-Nath Bödi- ker bemerkte demnächst:

Meine Herren! Dem Hrn. Abg. Dr. Baumbacþ gegenüber möchte ih vom Standpunkt der Verlage und der Motive aus erwidern, daß in den Worten der Motive, die von den bedenklicben Elementen bandein, tie im Stande der Geschäftsreifenden enthalten wären, be - ziehungéweise in den Kreisen, welche unter diese Bestimmungen der (Gemerbeordnung fallen, irgendwie cinc Beleidigung des Standes nicht acfunden werden kann. I sollte zunuübst meinen, man könnte von cinem Stande in diesein Sèénne hier überhaupt nicht wohl sprechen; aber abgesehen hiervon, licgt die Thatsache, daß, nacdern durch die Gewerbeordnung die Bestimmung eingeführt ist, daß Ieder,

Sor n Colon o (l vorl o voi vott V4 aro uff 199 der irgend etn ftebendes (Bewerbc beiretbdt, Waaren auffaufen und

Bestellungen aufsucben und aufsuchen laffen kann, und insofern Hand- lungérei?ender wird im Sinne der Gewerbeordnung es liegt die Thatsaäe, daß unter diesen Personen viele bedeakflihe Elemente sind, zu offen am Tage. Wie die Gewerbeordnung nun einmal lautet, Tann jeder Kellerbesizer, jeder Lumpersammler, jeder Altciscn händler, wer es aub fci ih will ja gegen etinzelncn Gewerb

È C AH E Z l MEA Lde einan s tb Mf abfolut r.idts einwenden alle diele Leute, mögen hte mit Acv7e

Gemüsen, Abfällen, Lumpen und was immcr hantveln, k ihre Reisenden herumscbicken zum Rufkfaufen und Bestellungen-S 11D dann sind es even Handlungöreisen! (Nuf links: das können fie nicht, wenn die Firma gen ift!) Meine Herren, von Firma-Eintragung ift gar niht die Rede in der Gewerbe- ordnung; in §8. 44 heißt e838: wer ein stehendes Gewerbe betrebt lamm WMNellende ausschiden; da fragt ine Behörde nah der Firma. Ein Bâcker, der auf Semmeln reisen will, und wenn er aanz allein stände, ift ein Handlungsreisender im Sinn? des §8. 44 (Widerspruch und Lachen links), Sie méêgen cs glauben oder niht. Jb kann Ihnen ja die Interpretation der Ge werbeordnung nicht aufzwängen, es Ut Aber so. Und nun it es vorgekommen wie 1ch das schon kei ter weiten

Lesung hervorgehoben habe —, daß Leute, die Botdelle bielten, die wegen Kuppelei bestraft waren, zu dem Zwecke, um Mädt&en anzuwerben für die s{chnödesten Zwcck?,, sich LegitimationE- scheine als Handlungéreisende geben ließen, um mit diesen Scheinen ausgerüftet, in alle möglihen Häuser, Geschäfts- und Privathau?er Um 9 letwter einTehren zu Tonnen. Sol@e Chalsa@en be weisen, daß diese bedenklichen Elemente îin dem Stande der Geschäftsreilenden in der That vorhanden sind. Dieje Thatsachen kann ih aftenmäßig vertreten; die Behörde war in dem vorhin er- wähnten Falle überzeugt, daß die angeworbenen Mädchen nal Rotter- dam und Antwerpea expedirt werden sollten. Den Legitimations! cbein versagen konnte sie. niht. Das ist ja eben das Unglück der Ge- werbeordnung von 1869, daß alle diese \{lechten Elemente auf diefe Weise Emissaire ins Land \chickecn oder selbt umherrcisen können unter dem Deckmantel der Hardlungsreisenden. Die Kaufmannschaft, die die Sache kennt, protestirt einmüthig dagegen, und auch die Hanauer Handelsfammer würde fc sehr dafür bedanken, wenn sie die Verlbältnisse genau kennte, daß alle diese Leute zu thre8gleichen gehören sollten. Es hat der preußische Volkswirthschaftsrath auf der linken Seite des bohen Hauses ja kein besonters großes Gewicht ; aber in diescr Körperschaft sißen doch verschiedene durchaus frei- finnige Männer, Kaufleute und Fabrikanten, und diese haben an- standslos gerade diese Bestimmung willkommen geheißen. Jch habe

GETÙ 45 "pot A . ot +5 Cie D » M , os A c r Ihnen bereits bet der zweiten Lesung ten Referenten des Be wirth E L T, f S0 A D Tartf Nh or a C 40 94 "non n 20oNor \chaftêrathé genannt, den Fabrikbesiter Dr. Ianfen, einen in jeder N 5541: rot tnntao L p Hnd N A : Mh aonr

Beziehung freisinnigen Mann, der noch vor Kurzem im Abgcord-

netenhaufe der nationalliberalen Partci angehörte; jener Herr billigte alle diese Bcflirnmungen und mit ibm alle andcren Fabrikbesiteer aus dem Often und Westen; die Bestitnmungen gingen jenem Herrn zum T heil sogar noch nicht weit genug, und weil sie thm nicht weit genug gingen, votirte cer im Ausschuß für Ablehnung der ganzcn Vorlage.

Der Abg. Dr. Reichensperger beantragte, im Antrage Ackermann die Ausnahmebestimmung für Tabak: und Wein- händler zu streichen.

Der Abg. von Köller betonte, der Abg. Baumktach habe versucht, sih rückwärts zu konzentriren. (Lärm und Zwischen- rufe links.) Er wiederhole das troß des Widerspruchs der Linken. Derselbe habe den Offizierstand niht in Parallele gestellt mit dem auch von der Rechten hohgeahteten Kauf- mannsstand, sondern mit solen Elementen unter den Hand- [ungsreisenden, die diesem ehrenwerthen Stande gerade feine große Ehre brächten. (Widerspru links.) Allerdings dem Abg. Baumbach sei es vergönnt gewesen, beim Kapitel der Handlungs8- reisenden auf den deutschen Offizierstand in eigenthü nlicher Weise zu cxemplifiziren. (Zwischenrufe und fortdauernder Län.) (Der Ubg. Richter late.) Das beweise, daß der Abg. Richter kein Gefühl für den Offizierstand habe. (Abg. Richter: Jh habe über Sie gelaht.) Wenn er auch dem Ybg. Bauribach glaube, daß derselbe dem Dffizierstande nicht habe zu nahe treten wollen, so werde der- jelbe doch zugeben, daß ihm in der Hiße des Gefechts eine Wendung entschlüpst sei, die er besser uiht gebraucht hätte. Der Abg. Dohrn habe cinen Zwischenruf gethan, den cr rwoahrscheinlich für ein Bonmot gehalten habe. Ex bitte den- selben, ihm zu sagen, was er mit der kühnen Wendung „Junker seien es freilih iht“ gemeint have. Er sei vielleicht der intellekluelle Urheber des neulichen Artikels im „Deutschen Reichsblatl“ mit der Ueberschrift: „Junker und Pfaffen, wie sle fein follten, und Zunker und Pfaffen, wie sie seien.“ Dieser Artikel scheine die Ansichten des Abg. Dohrn aufs klarste wiederzugeben.

Der Abg. Dr. Dohrn dankte dem Kriegs-Minister dafür, daß derselbe zugegeben habe, ex sei durch ein Mißverständniß veranlaßt worden, so zu sprechen, wie er gethan. Dies Miß- verständriß fei dur cinige Herren der Rechten veranlaßt, die, wenn hier das Wort „Offizier“ falle, in die höchste Verzückung geriethen und heute durch die Worte Baumbachs in einen furor militaris gekommen seien. Was nun die Stellung der Offiziere zu dieser Frage betreff2, so denke nan doc) daran, daß unter den Han? lungsreisenden sih eine große Zahl von Reserveoffizieren befinde, Er wisse aber überhaupt nicht, wozu hier fortwährend Standesunterscziede hervorgekehrt würden, als ob ein Stand als besonders sittlih, ein anderer als besonders unsittlih privilegirt wäre. Freilih, nah den Reden der Rechten könnte man glauven, daß alle gute Sitte nur bei der Rechten vertreten sei, während doch die von den Konservativen gepredigte Sittliczkeit auf dasselbe hinauskomme, was die Liberalen von jeher als die Interessen der kleinen Herren gekannt hätten; darauf habe si auh sein Zwischenruf bezogen. Vls der Abg. von Köller gesagt habe, die Offiziere könnten nit in Parallele gestellt werden, habe er gerufen, ja die Handlungsreisenden ‘eien

keine Junker. Auf der einen Seite Beschränkungen und

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