1883 / 130 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

E E a E E E E

D E O E E E S E R E R R E

in D S t 2 A E S L, B wer D a R E E

¿ Y B H 7 TE E M m N ] H ¿F J N Me E

“g -

Zeituagsstimmen.

Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ entnehmen wir folgende Notizen : j :

Memel, 3. Iuni. Der Jakresbericht der hiesigen Kaufmann- schaft pro 1882 fkonstotict, wie wenig die Prophez-iungen, unser Hafen müsse in Folae der neven deutscben Handelspolitik veröden, eingetroffen sind. Wie das „M. Dampfb.* meldet, konstatirt der Jahresbericht für 1862 im Allgem-inen günstigere Resultate als die Vorjahre aufwiesen, nur das Flachsgeschäft ließ bei außerordentli niedrigen Preisen feinen Gewinn, und das Salzgeshäft ift erheblich zurückgegangen, welche beide Dinge mit dem Zolltarif nichts zu thun haben. Der Schifssverkehr überstieg den des Vorjahres um 308 Schiffe mit 68300 Reg.-Tons. Der Gesammtwerth des Imports unnd Exports ist um ca. 5 160000 M gegen 1881 gestiegen; es stellt sid der Werth des íImports auf 25 841 970 #, der de: Exports auf 22463 120 M, also Gesammtumsaz 48205090 gegen 43140400 MA im Vorjahre. j -

Stettin, 4. Juni. Die Verkehrsliste unseres Hafens pro Monat Mai zeigt eine crheblide Zunahme gegen das Vorjahr. Es kamen ein: 386 Segelschiffe, 933 Küstenfahrer und 183 Oderkähne, gegen 331 resp. 169 und 164 im entsprechenden Monate des Borjahres. Außerdem passirten 474 Fahrzeuge den Hafen ohne hier anzulegen, gegen 371 im vorigen Jahre.

Kreis Salzwedel. Wie bedeutend die Wirkung des Gesetzes vom 26. März d. I. bezügli des Wegfalls dcr beiden untersten Klassensteuerstufen und des monatlichen Erlasses der Stufen 3—12 sein kann, dürfte si in dem biesigen Kreise, welher nur 50 177 Ein- wohner auf 22,14 Quadratizcilen zählt und dcssen Erwerbsverhält- nisse sehr einfache, hauptsäcblih auf der Landwirtbschaft beruhende find, recht deutlich zeigen. Von jener Einwohnerzahl waren bisher überhaupt stcuerpflihtig 10 765 Personen, von diesen aber sind jetzt, weil zu den beiden leßten Stufen veranlagt, 7687 Personen, alfo 72%, der im ganzen Kreis: Klassensteuer Zahlenden, steuerfrei. Der Betrag dieser auéfallenden Steuern beläuft sib auf 29790 Æ, und derjenige durch den dreimonatlihen Erlaß dex Stufen 3—12 auf 20224 MÆ, was im Ganzen 50014 Æ, und, da das ganze Klassen- steuer-Soll des laufenden Etatsjahres 110 6835 # beträgt, 45 % desselben auêëmacht. L: E E

Dresden, 1. Juni. Gestern beging die hiesige Tischlerinnung ihre dreihundertjährige Jubelfeier; dieselbe ist zwar 1573 am 31. Mai gestiftet, doch hielt man 1873 in der Periode der \ch{ra:-kenlosen Gewerbefreiheit cine Feier niht für opporiurni und beging diesclbe gestern um so festlick&er, werl, wie der Obermeister der Innung in seiner Ansprache hervorhob, ieut ein neuer Geist in die deutschen Handwerksmeister Einzug gehalten habe und die Innungen wieder zu Ehren gekommen seien. E

Der Reichstagsadbgeordnete Charles Grad weist in einer erneuerten Zuschrift an das „Elsässer Fournal“ die Vor- würse zurül, welche verschiedene freihändlerishe Zeitungen wegen seiner Haltung in der Zollsrage gegen ihn erhoben haben. Wir entnehmen der Zuschrist die folgenden Stellen :

In der Berliner „Voss. Ztg.“ werde ih aufgefordert, eine wissenschaftliche Autorität anzugeben, die sih zu Gunsten der Schuß- zôlle ausgesprochen hat. Hr. Occhelhäuser hat schon im Retchstag behauptet, kein Nationalökonom habe jemals aus wissenschaft- lihen Gründen die Anwendung der Schutzölle angenommen. Unbestreitbar ist es, daß die Schußzölle niht im Namen der Wissenschaft, sondern zu Gunsten der zu s{ütßenden Inter- effen, der nationalen Arbeit gegenüber der ausländishen Kon- kurrenz, angewendet werden. Unter den wissenschaftli hen Autori- täten und großen Nationalökonor1en, welche für Deutschland slb} Schubzölle gefordert haben, mag 28 genügen, Hrn. Professor Schmol- [ler anzuführen, der vor Kurzem an der Universität S1raßburg und jeßt an derjenigen von Berlin Nationa! ökonomie lehrt, sowie unter den erst in jüngster Zeit Verstorbenen den berühmten {Friedrich List zu nennen, welcher so lange und so eindringlich den Schuyz der natio- nalen Arbeit auf deutshem Boden forderte. In Frankreich hat Hr. Thiers stets die Schußpolitik vertheidigt, und die Autorität dieses berührmnten Staatsmannes sceint mix diejenige des Hrn. Oecbhelhäuser oder di jenige der Redaktoren der „Vos. Ztg.“ selbst als Gelehrter wie als Nationalökonom aufzuwiegen. Uebrigens wêre cs sehr leicht, dieses Verzeichniß noch bedeutend zu verlängern.

Bei den Verhandlungen über die Revision des deutschen Zoll- tarifs, dessen Gebühren im (anzen weit niedriger sind, als die- jenigen des französischen Tarif3, habe ih vollständig dem handels- politischen Programm dcs Flisten Bismarck, und zwar aus dem Grunde zugestimmt, weil dasselbe den Interessen des Elsasses entsprach. Die Abstimmungen des Lar. desausschusses und diejenigen der Handels- kammern von Mülhausen und Colmar hatten cinen wirksameren Schuß unserer Industrie und Landwirthschaft gefordert. Ih machte mir's daher zur Pflicht, diese Forderungen in der vow Reichetag mit der Prüfung des neuen Zolltarifs beauftragten Kommission zu vertheidigen. Ich gestehe, daß man vom theoretischen Standpunkte aus über die Grundsäße des Schußzolls und Freihan- dels streiten kann; ih gebe sogar zu, daß gewisse Gebühren ahtungs- werthe Interessen verletzen, und ich begreife, daß in Handelsstädten, die sich mehr mit dem Waarenverkehr, als mit der Erzeugung von Gütern beschäftigen, Kausieute und Konsumenten einen größeren Vortheil in der Aufhebung aller Einfuhrzölle von auslän- dishen Waaren erblicenz allein es giebt niht nur Kon! 1- menten und Kaufleute. Um den Schuß oder die Zölle zu erlangen, deren die Hauptzwcige der elsässisben Industrie bc- dürfen, mußte man auc anderen Zweigen der nationalen Produktion Deutschlands eiren gleihwerthigen Schuß gewähren. Die Landwirthe und die Waldbesißer verdienen für ihr Getreide und ihr Holz die leihen Zugeständnisse wie die Baumwollen- und die Eiseninvuftrie.

ur dur gegenseitige Zugeständnisse konnte die Zollreform zu Stande kommen. Wenn gewisie, im Zolltarif von 1879 stehende Gebühren der Revisior oder Abänderung bedürfen, so erklärt si das aus der Eile, mit der der Reichstag seine Aufgabe im Jahre 1879 binnevy

mehrere Jahre der Revision des alten und der Redaktion des gegen- wärtigen französischen Generalzolltarifs widmeten. . . ..

Ich hoffe dur genaue und von Niemand im Elsaß bestrittene Ziffern in einer Reihe von im „El\ässer Journal“ veröffentlichter Artikel, deren Hauptinhalt auch im handelépolitishen Kapitel meiner Statistischen Studien über die elsässische Industrie“ sich findet, nach- gewiesen zu haben, wie nothwendig für unser Land mäßige Schußtzölle und Kompensationszölle gegenüber der Konkurrenz besser gestellter Länder seien. Ich halte es für überflüssig, heute diese Beweise und Ziffern anzuführen, auf die ¿& weine Abstimmung im Reichstage gestüßt habe. Wenn aker im Allgemeinen _Clsaß-Lothringen zu jene Wohlfahrt und seiner Existenz eines Scuyzolltarifs bedarf, o dürfen wir nit vergesser, daß der deutsche Zolltarif nicht nur füc das Elsaß, sondern für sömmtlihe Staaten des Deutschen Reiches erlassen worden ist, Um das Mecht zu haben, diese oder jene für uns unbequeme Gebühr zu verwerfen, die aber anderen Bevölkerungen des deutschen Zollverbandes uüßt, müßten wir vor Allem auch auf das Schutzzoliprinzip felbst verzichten.

Ungeachtet Alles dessen, was für die Freiheit cinnimmt, kann ih vom Standpunkt der allgemeinen Interessen Elsaß-Lothringens aus mich nicht zu dieser Schwenkung verstehen.

S Gewerbe und Handel.

Leipzig, 6. Juni. (W. T. B.) Die Subskription ouf die 4 °%/6 Obligationen der öst erreihishen Staatsbahn mußte so- fort nah Eröffnung derselben wieder gesclossen werden.

Verkehrs-Anstalten. ls Den G atun is A Der Dampfer des orddeutschen L »Nedckar is imreise h

früh 7 Uhr in Southampton Ängeteofen. d E

Hamburg, 6. Juni. (W. T. B.) Der Postdampfer „Frisia* der Hamburg-Amerikanishen Packetfahrt- Aktiengesell\schaft is, von New-York kommend, heute früh auf der Elbe eingetroffen.

Berlín, 6. Juni 1883.

Die im Licthof des Kunstgewerbe-Museumé verarstaltete Ausftellung der kürstlerish bedeutsamen Festgaben, die Jhren Königlichen Det dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm zu Höckstihrer Vermählung gewidmet wurden, seiner Zeit aber zum weitaus größten Theil nur in Skizzen und Modellen überreicht werden konnten, ift seit gcstern dem Publikum zugänglich und wird bis zum 8. Juli geöffnet bleiben. Von Sr. Königlichen s dem Prinzen Wilhelm, zu Höchstdessen Empfang der Vor- tand und die Direktoren des Museums, der Ober-Bürgermeister von Forckenbcck, der Bürgermeister Duncker, der Stadtverordneten- vorsteher Straßmann und der Königliche Baurath Heyden versammelt waren, wurde das getroffene Arrangement vorgestera Nachmittag 3 Uhr besichtigt und die Vorstellung der an der Aueführung des großen Städtegeschenks betheiligten Künstler und Fabrikanten entgegenge- nommen. Vom Baurath Heyden und den Direktoren des Museums geführt, verweilte Se. Königliche Hoheit gegen cine Stunde in der Ausstellung, die als Ganzes cinen ebenso prächtigen Eindruck erzielt, wie sie im Einzelnen eine glänzende Entfaltung des heimischen Kurnst- gewerbes, vor Lllem der zu Aufgaben von einer lange nicht dagewe- senen Bedeutung berufenen Silberschmiedekunst, bekundet. Auf einer inmitten des großen Lichthofes aufgestellten, festlich gedecktea und mit Blumen und Guirlanden ges{mück!en Tafel, deren Arran- gement dem bei großen Hoffestlichkeiten üblichen entspricht, sowie auf einem feitwärts davon hbergerihteten Büffct hat das von einem Verein von 96 Städten der Monarchie gewidmete, nah dem (Fntwurf und unter der künstlerisben Leitung des Bauraths Heyden ausgeführte Tafelsilber seinen Platz erhalten, In reichem Aufbau gruppiren sich um den kolossalen Mittelaufsaß und die beiden kleineren Aufsätze die vier allegorishen Flußgruppen, die kerzentragenden Arm- leucbter, die Kannen uxrd JIardinièren und die vielgestaltigen Schalen, Nâäpfe und Teller, soweit sie nicht mit den beiden großen Weinkühlern auf das Buffet verwiesen sind. Zu den 257 Stücken des Tafelsilbers ge- fellen si ferner wenigstens je 3 Stück der 10 versbiedenen Gläser, die für jedes der 59 Gededcke hergestellt wurden. Neben dem Städte- geschenk präsentiren sih sodann die sechs stattlichen, in Silber gear- beiteten Festgaben preußischer Provinzen, die vom Baurath Heyden entworfene Bowle der Provinz Scbleëwig- Holstein, das Dessertservice der Provinz Pommern und der Tafeloufsay dec Provinz Westfalen, Beide nah Entwürfen desselben Kürst!ers, das vom Baurath Ende Fomponirte Theeservice der Provinz Westpreußen, die vom Bildhauer Zacharias modelirte Uhr der Provinz Posen und der aus demselben Atelier stammende prächtige Silberhumpven, der nebst dem durh Schnitz- werk und Malerei geschmücckten Büffet von der Provinz Sachsen gewidmet wurde, Außerdem fesselt cine stattlihe Anzahl in Silber, Bronze, Porzellan, Holzschnitzerei, dekorativer Malerei, SticLerei und Weberei ausgeführter Gaben Fürsclicher und Privatpersonen, sowie verschiedener Städte und Korporationen, Den Beschluß des Ganzen bilden endlich die von ciner Reihe von Künstlern gestifteten Gemälde, Aquarellen und Zeichnungen, sowte die durch ihre fünstlerische Aus- stattung hervorragenderen Glücknunschadressen, die dem Hohen Paar zu Seiner Vermählung überreicht wurden,

Die vereinigten Berliner Kreissynoden, die in ihrer Sitzung am 29. Mai beshlußunfähig wurden, traten gestern Nach- mittag im Evangelischen Vereinéhause zu einer neuen Sitzung zu- sammen. Die Synodalen waren fast vollzählig erschienen. Es ge- langte folgender Antrag des Syn. Superintendenten Buttmann ohne Debatte zur Annahme: „Die vereinigten Kreis\synoden wollen ten ge- \chäftsführenden Ausschuß ermächtigen, auch Anträge auf Dotirung neuer geistlicher Stellen an den bestehenden Kirchen künftig bei Auf- stellung des Etats mit in Erwägung zu ziehen“. -— Hierauf folgte die Fortseßung der Berathung des vom geschäftsführenden Aus\busse vorgelegten Etats der Synodaikfasse vom 1. April 1883 bis 31. März 1884, Syn. Stadtverordaeter Gerth befürwortete nowmals seinen in der leßten Sitzung gestellten Antrag: „Die Beihülfe für die St. Markus-Parochie von 2000 auf 5009 M zu erhöhen.“ Auf An- trag des Syn. Propst D. Frhrn. v. d. Golß wurde der Antraç in folgender modifizirter Fassung angenommen: „Der Beihülfe von 2000 A. für die St. Markus-Gemeinde sind noch weitere 3000 zur einstweiligen Beschaffung einer ausreichenden, erfahrenen geistlibhen Hülfskraft hinzuzuseßzen.“ Hierauf wurde der ganze Etat, der sich in Einnahme und Ausgabe auf 332315 A 59 S beziffert, angcnommen. Der Gem-:inde- kirhenrath von St. Thomas hatte folgenden Antrag gestellt: „Synode wolle beichließen: 1) an diejenigen Berliner Gemeinden, wel-ye im Laufe der Jahre ein beträchtlihes Kirchenvermögen angesammel. haben, die Aufforderung zu richten, zur Bearündung eines Berliner Kirchen- bausords zum Gedächtnisse des 400 jährigen Geburtstages Luther bis zum 10. Oftober 1883 Kapitalien zur Verfügung zu stellen, sowie aus ihren jährlicen Einnahmeübershüssen laufende Beilräge zu diesem Fonds zu bewilligen; 2) eine Kommission niederzusetzen, roelche dem- nächst die weiteren Vorschläge bezüglih der Verwaltung dieses Fonds den vereinigten Kreiësynoden zu wmachen hat.“ Syn. D. Heffter beantragte, anstatt „die Aufforderung" zu sagen: die „Bitte“ und Nr. 2 des Antrages zu streichen.“ Syn. Propst Prof. D. Frhr. von der Goltz beantragte: „Synode beschließt, unter Anerkennung der in dem Antrage des Gemein dekirchen- raths vox St. Thomas aufgestellten Teadenz, daß die reihen Ge- meinden berufen sind, die armen Gemeinden zu unterstüßen und unter Anerkennung der wiederholten Anregungen des Hrn. General-Super- inteidenten D. Brückner, geht die Synode über den vcxliegenden Antrag zur Lagesordnung über.“ Syn. Prof. D. Weber beantragte einfache Tagesordnung. Bei der Akstimmung gelangte ter Antrag

weniger Monate durgeführt hat, während die französisben Kammera / d Propst D. Frhrn. von der Golß mit großer Mebrheit zur Annal,me.

Damit waren alle übrigen Anträge erledigt. Alsdann {loß die Synode gegen 74 Uhr Abends, nahtem Syn. Prediger Hoßbach das Schlußgebet gesyrochen hotte.

Wie uns mitgetheilt wird, dürfte die Jury der Hygiene- Ausstellung, welhe durch Jhre Majestät die Kaiserin be- rufen ist, um über die von derselben zur Verfügung gestellten 40 goldenen Medaillen zu entscheiden, demnächst ibre Arbeiten beendigen. Es hat fich nur zu bald herausgestellt, daß die ihr gewordene Aufgabe cine ebenso \chwierige als mühevolle war. Ueber die Preise zu enqheiden, war in diesem Falle um so s{wieriger, als überaus zahlreiche Dbjekte von hervorragendem Werth auf der Aus- stellung vorhanden sind. Es ist der Jury gelungen, die Erlaubniß Jhrer Majestät für eine Ausdehnung der Preise zu erhalten, die bei den Auésstellern Befriedigung erregen wird. Wie wir hören, sollen die bervoiragenden Kollektivausstellungen der Mi- nisterien und Städte durch ein besonderes Dankschreiben der Kaiserin ausgezeichnet werden, und ferner kommen zu den goldenen Medaillen noch eine Anzahl von silbernen als zweite Preise hinzu, Die Un- ermüdlikeit ur.d dabei stets vermittelnde Weise des Vorsißenden der Jury, Wirklichen Geheimen Raths von Langenbeck, findet überall An- erkennung. Ihre Majestät die Kaiserin konnte Ihres leiden- den Zustandes wegen dem Pavillon des Kaiserliben Gesundheits- Amts einen Besuch nicht abstatten, spra aber dem Ausschuß gegen- über Ihren Dank für die so überaus reichhaltige und belehrende Ausstellung des Amtes aus.

_Die Deutsche Gesellshaft zur Rettung Schiff- brüchiger hielt am 29. und 30. Mai d. J. ihre jährlihe General- versammlung in Bremen ab. Der vom Vorstande den zahlreich erschienenen Abgeordneten der verschiedenen Bezicksvereine vorgelegte Bericht Über das vergangene Jahr (1. April 1882 bis 31. März

1883) beginnt mit der erfreuliben Mittheilung, daß wiederum 97 E dem Tode in den Wellen entrissen und biermit die Ge- ammtzahl der durch die Gesellshaft seit ihrer Stiftung im Jahre 1865 geretteten Personen auf 1394 gestiegen ist. Im vergangenen Jahre hat sich ganz besonders das Rettungsboot „Casper“ des zweiten Elbfeuerschiffs au8gezeihnet. Jn 5 Rettungsfahrten rettete dasselbe niht weniger als 42 Personen. Die Zahl der Stationen der Ge- sellsbaft beläuft sich jeßt auf 87. Im vergangenen Jahre geftatteten die Mittel der Gesellschaft eine erheblibe Verbesserung und Vermeh- rung der Stationen, es konnten zu diesem Zwecke 77 500 M ver- wendet werden. Die Gesammtausgabe belief sich auf 181 762 A Dieser Ausgabe ftebt eine Einnahme von 217 095 M, die höchste bisher erreihte Jahreseinnahme, gegenüber, welche der außerordentlich er- freulien Steigerung der Theilnahme, insbesondere des deutschen Bianen- landes, an den Bestrebungen der Gesellssaft zu danken ift. Das Vermögen der Gesellscaft hat also eine weitere wesentlibe Erhöhung gefunden. Die Zahl der Bezirksvereine hat sib auf 52, die der Ver- tretersbaften auf 295 vermehrt, ordentliche Mitglieder zählte die Gesellshaft 40958 mit Beiträgen von rund 130000 # gegen 38 230 Mitglieder mit Beiträgen von 122 300 4A im Jahre vorher. Die Zahl der Mitglieder und die Summe der Jahresbeiträge ift bisher von Jahr zu Jahr gewachsen. Seit dem Jahre 1865, in welchem die Gesellscaft mièï 3874 Mitgliedern begründet wurde, hat sich die Zahl derselben mebr als verzehnfaht, der beste Bewcis, daß die Gesellshaft im ganzen Deutshen Reiche immer tiefere und festere Wurzeln \{lägt. Der Jahresberibt hebt mit Genugthuung hervor, daß endlih auch Berlin mit 1606 Mitgliedern die nächst Bremen (1651 Mitgliedern) höchste Mitgliederzahl erreiht hat. Von großem Interesse ist es auch, daß das Ausland wiederholt die Vermittelung der Deutschen Gesellschaft zur Beschaffung der besten und vollfommensten Rettungs8apparate dur die Lieferanten der Gesell- schaft in Anspruch aenommen hat.

Die von den Bezirksvereinen an den Küsten für das laufende Jahr gestellten Anträge auf Neuerrihtung und Verbesserung der Rettungéftationen wurden cinstimmig von der Generalversammlung genehmigt, obgleich diesclben wiederum einen Kostenaufwand von über 40 000 M bedingen. Der Voranschlag für das Jahr 1883/84 ließt in Einnahmen mit rund 180 000 4, in Ausgaben mit 140 000 ab. Von den fonstigen Beschlüssen erwähnen wir noch, daß den Mit- gliedern im Binnenlande in Zukurft mit den Berichten über die Thätigkeit der Gesellshaft eine Karte der Rettungéstationen zugehen soll. Wir machen bei dieser Gelegenheit au auf die vortreffliche Ausstellung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger auf der Hygiene- Ausstellung aufmerksam, wo man Gelegenheit findet, sich vollständige Cinsicht in die Organisation des Rettungs- dienstes zu schaffen und die ausgezeichneten Apparate (Rettungsboot und Racketenapparate) in Augenschein zu nehmen.

Dresden, 5. Juni. (W. T. B.) Die Delegirtenkonferenz der deutschen Gewerbekammern hat heute folgenden Antrag mit großer Majorität angenommen :

__ Die Einführung ron Arbeite büchern dur Reichgesegz für alle gewerblichen Arbeiter ohne Unterschied des Alters ist, insbe- besondere Angesichts der völligen Legitimationslosigkeit des größten Theiles aller wandernden Gewerbsgehülfen und Arbeiter dringend geboren und daher immer aufs Neue in Eingaben an den Bundesrath und Reichstag zu befürworten. 2) Die Reichsregierung ift anzugehen, die Negiecungen der Einzelstaaten zu veranlassen, daß die mit der Ausgabe von Axbeitsbüchern betrauten Behörden angewiesen werden, schon jeßt auch an solche Arbeiter, welche das einundzwanzigste Jahr bereits überschritten haben, auf deren Ersuchen Arbeitsbücher unentgeltlih oder zum Selbstkostenpreise zu verabfolgen und Ein- tragungen in diese zu beglaubigen. 3) Aufgabe der größeren gewerb- lichen Verbände muß es inzwischen sein, nah dem in verschiedenen Gewerben bereits erfolgten Vorgange Anordnungen zu trcsfen, daß die Gehülfen und Arbeiter der Verbandsmitglieder mit einem (Ver- bands-) Arbeitsbuche versehen und die Mitglieder verpflichtet werden, von einem nachher zu bezeichnenden Zeitpunkte an nur solche Gehülfen und Arbeiter zu beschäftigen, welche mit einem solchen Arbeitsbuche verschen sind. Die Arbeits! über der verschiedenen Verbände sind unter fich mögli} gleihmäßig und in Uebercinstimmung mit den Arbeitsbüchecn für Arkeiter unter 21 Jahren einzurichten.

Ferner wurde cin Antrag von Dr. Löbner, in Anlehnung an das Normalinnunasftatut ein Statut für die Innungsverhände im Sinne der Gewerbeordnung durch eine zu diesem Zwecke einge- seßte Kommission entwerfen zu lafsen und dasselbe zur allgemeinen Ännahme zu empfehlen, angenommen; cbenso ein Antrag von Lang- heim (Hamburg), den Auêtausch der feitherigen Erfahrungen und die Mittheilung der Resultate in Betreff der Neubildung und Reorgani- sation von Innungen auch bei der nächsten Delegirtenkonferenz zu wiederholen. -— Punkt 6a. der Tagesordnung, betreffend gewerbliche Schiedsgerichte, wurde von der Tagesordnung abgesetzt. -—— Nachdem noch Lübeck als Vorort der nächsten Konferenz gewählt worden war, wurde die Konferenz geschlossen.

In der Buchhandlung und Buchdruckerei „Zum Krieger-Waisen- haus* hier, Barutherstraße 15, wird im Juli d. J. cin „Adreß- buch aller Mitglieder der Kriegervereine der Kaiser- stadt Berlin“ mit Kalendarium pro 1884 in 8% Format er- scheinen, welches die stattlihe Zahl von mehr als 5000 Adressen aus ca. 70 Kriegervereinen in alphabetisher Ordnung mit der An- gabe, zu. welem Verein jedes Mitglied gehört, aufweisen soll. Außerdem wird dasselbe die Firmen sämmtlicher Kriegervereine nah ihrem Alter mit Namhaftmachung der Stiftungszeit, der Versammlungs- lokale und der Zeit der Versammlungen sowie genügenden Raum zu Notizen enthalten. Das Ädreßbuch bezweckt vorzugéweise, die Mit- glieder der verschiedenen Vereine unter einander bekannt zu machen und Gelegenheit zu geben, daß Kameraden mit Kameraden in Ver- bindung treten und sih fo auf diese Weise gegenseitig nachdrücklich unterstügen.

Archangel, 5. Juni, (W. T. B) Die Sägemühle der Weißmeer-Compagnie am Maimarafluß und das dazu gehörige Holzlager stehen in Flammen.

Krolls Theater. Am Freitag singt Hr. Scaria den „Sarastro“ in der „Zauberflöte“. Der Künstler tritt an diesem Abend zum drittleßten Male während seines diesjährigen Gastspiels auf. Die bereits für morgen angekündigte Aufführung von Rofsinis „Tell“ mit Hrn. Nawiasky ift noch insofern von besonderem Interesse, als in der Rolle des „Arnold“ ein neuer Tenor, Hr. Bergmann, vom Stadttheater in Straßburg, debütiren wird.

Bayreuth, 1. Juni. Man schreibt der „Corr. Hoffmann“: Unter der Leitung des Hrn. Fr. Brandt in Darmstadt, der mit dem tehnischen Personal gestern hier angekommen ist, haben die Vor- bereitungsarbeiten für die Aufführungen des „Parsifal“ im Bühnenfestspielhause begonnen. Scenisch wesentlich verändert werden der Anfang des ersten Aktes und die beiden Wandeldekorätionen, die von den Hecren Gebrüder Brückner in Coburg nach Angaben des verewigten Meisters neu hergest:llt sind.

Redacteur: NRi?2d el.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Sechs Beilagen (cins{ließlich Börsen-Beilage)

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

„¿ 3O.

Berlin, Mittwoch, den 6. Juni

1883.

Personalveränderungen.

Königlih Preußische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. Berlin, 29 Mai. v. Wildenbruch, Haupim., aggreg. dem Generalstabe der Armee, von dem Kommando als Milit. Attaché bei der Gesandtschaft in Bern entbunden und zur Dienstl. bei dem Großen Generalstabe kommandirt. Frhr. v. Rhein- baben, Major vom Großen Generalstabe, als Milit. Attaché zur Gesandtschaft in Bern kommandirt. Frhr. v. Zedliß und Neu- fir ch, Sec. Lt. von der Ref. des Ulan. Regts. Nr. 10, im aktiven Heere, und zwar als Sec. Lt. mit einem Patent vom 29. Mai cr., bei dem Ulan. Regt. Nr. 15 angestellt. 2 Juni. Haaen, Oberst-Lt. z. D.,, zum Bez. Commandeur des 2, Bats. Landw. Negts. Nr. 67 ernannt. Ostermeyer, Major aggreg. dem Inf. Negt. Nr. 82 und kommandirt zur Dienftleiftung bei der Eisenbahn- Abtheilung des Großen Generalstabes, unter Stellung à la suite des gedachten Regts. zum Eisenbahn-Linicnkor1missar in Posen ernannt. v. Bançels, Oberst-Lt. z. D. zum Bez. Ccemmand, des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 67 ernannt. Laymann, Major vom Inf. Reat. Nr. 66, zum etatsmäß. Staasoffiz. ernannt. Cicckenrodt, Major aggreg. dem Inf. Regt. Nr. 66, in diescs Regt. einrangirt. v, Brandenstein, Hauptm. und Comp. Chef vom Inf. Regt. Nr. 96, unter Beförder. zum überzähl. Major, als aggreg. zum Inf. Regt. Nr. 27 verseßt. Frhr. v. Ketelhodt, Hauptm. vom Inf. Regt. Nr. 96, zum Comp. Chef ernannt, Timm, Sec. Lt. von dems. Negt., zum Pr. Lt. befördert,

Im Beurlaubtenstande. Berlin, 29. Mai. v.Schulen- burg, Pr. Lt. a. D., zuleßt im 4. Garde-Regt. z. F., in der Armee, und zwar unter Veberweifung zu den beurlaubten Offizn. des 1. Bats. Lando. Regts. Nr. 8, als Pr. Lt., mit einem Patent vem 15, De- zember 1876, bei der Landw. Inf. wiederangestellt. i

AbschiedS8bewilligungen, Im aktiven Heere. Ber- lin, 29, Mai. Gerlach, Oberst z.D,, zuleßt Commandeur des Inf. Negts. Nr. 83, anstatt der ihm bei seinem Ausscheiden bewilligten Regts. Unif, die Erlaubniß zum Trager der Unif. des Ir f. Regts. Nr. 115 ertheilt. 2. Juni. v. Kalinowski, Oberst-Lt. z. D., von der Stellung als Bez. Commandeur des 2, Bats, Landw. Regts. Nr. 67 entbunden. Hagen, Oberst-Lt. à la suite des Inf. Regts. Nr. 79 und Eisenb. Linienkommissar in Posen, mit Penf. zur Disp. gestellt. v. Thielau, Oberft-Lt. z, D. von der Stellung als Bez. Commandeur des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 67 enibynden. v. Bançels, Oberst- Lt, vom Inf. Regt. Nr. 66, mit Pens. zur Disp. gestellt.

X41. (Königlich Sächsisches) Armee-Corps.

Ernennungen, Beförderungen, Verseßungen 2c. Im aktiven Heere. 27, Mai. v. Schönberg, Sec. Lk. im Inf. Regt. Nr. 107, zum Pr. Lt. befördert. v. Kiesenwetter, Pr. Lt. im Jäger-Bat. Nr. 12, zum Ulan. Regt. Nr. 18, mit einem Patent vom 23. Februar 1882 E 1, verseßt. Cramer v. Claus- h ruh, Sec. Lt. der Res. des Gren. Regts. Nr. 100, in der aktiven Armee, mit einem Patent vom 25. Februar 1883, angestellt. v. Fa- brice, Pr. L. àla snite des Garde-Reiter-Rgts., der Charakter als Rittm. verliehen. v. L\chir\chky und Böggen dorff, Sec. Lt. im Barde- Reiter-Regt., zuin Pr. Lt. v. Shwerdtner I., Pr. Lt. im 1. Hus. Regt. Ne. 18, zum Rittm. und Eécadr. Chef, Frhr. v. Gayl, Sec. Lt. im leßtgedahtea Regt.,, zum Pr. Lt, befördert. Eckhardt, charakteris. Ritt!in. im Ulan. Regt. Nr, 18, zum etatsmäß. Rittm. und A Chef, mit einem Patent vom Tage der Charakterisirung, ernannt.

Im Beurlaubtenstande, 27. Mai. Heuer, Sec. Lk der Res. des Hus. Negts. Nr. 18, zum Pr. Lt. der Res., Linden- berg, Pr. Lt. der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 106, zum Hauptm. der Landw. Inf., Lüdicke, Sec. Lt. der Landw. Inf. leßtgen. Bats., zum Pr. Lt. der Landw. Inf., befördert.

Abschied8bewilligungen. Im aktiven Heere. 27, Mai. Reiß, Sec. Lt. im Karab. Regt., aus dem aktiven Dienst ausge- schieden und zu den Offizn. der Landw. übergetreten. v. Morawski, Sec. Lt. im Ulan. Regt. Nr. 17, Bahlrühs, Sec. Lt. îm Ulan, Regt. Nr. 18, aus dem aktiven Dienst ausgeschieden und zu den Offizn. der Res. ihrer Regmtr. übergetreten. v. Wilemoes- Suhm, Sec. Lt. im Feld-Art. Regt. Nr. 12, mit der geseßzl. Penf. u. der Erlaubniß zum Tragen der Armee Unif. der erbctene Abschied bewilligt. Verlohren, charakteris. Major z. D. und 3. Offiz. beim Bez. Kommando des 1. Bats. Landw. Negts. Nr. 106, von der Stellung als 3. Offiz, gedachten Bez. Kommandos, unter Fortgewäh- rung der gesetl. Pens. und Belassung der biéher. Unif., auf ge- \{ebenes Ansuchen entbunden, : :

Im Beurlaubtenstande. 27. Mai. Kind, Secc. Lt. der Ref. des Inf. Negts. Ne. 107, Schmalz, Hauptm. der Landw. Inf. des 1. Bats. Landw. Regts. Nr. 101, Heyde, Hauptm. der Landw. Inf. des 1, Bats. Landw. Regts. Nr. 107, die beiden Letzteren mit der Erlaubniß zum Tragen der Landw. Armee-Unif., Kittlec, Sec. Lt. der Landw. Kav. des Res. Landw. Bats, Nr. 108 der, erbetene Abschied kewilligt. :

Im Sanitäts-Corps. 21. Mai. Dr. Be cker, Stahs8- arzt der Res. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 104, Dr. Dittrich, Stabsarzt der Landw. des 2. Bats. Landw. Regts. Nr. 102, der er- betene Abschied bewilligt.

Zudtamtkliges.

Preußen. Berlin, 6. Juni. Die gestrige (96.) Sißung des Reichstags, welcher der Staats-Minister voi Boetticher, sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes- rath und Kommissarien desselben beiwohnten, wurde um 21/7 Uhr vom Präsidenten von Leveßow mit geschäftlichen Mittheilungen eröffnet. Hierauf seßte das Haus die zweite Berathung des Entwurss eines Gesetzes, betreffend die Steuervergütung für Zucker, in Verbindung mit der Berathung des Antrags Ausfeld und Genossen, auf Grund des Berichts dex XIV. Kommission mit §8. 2 fort. Derselbe lautet nach dcr Fossung der Kommission:

„Die Bestimmungen dieses Gesetzes treten mit dem 1, August 1885 außer Kraft. Wird bis zu diesem Zeitpunkt ein anderweites Gesetz nicht erlassen, so treten mit diesem Zeitpunkte die Bestim- mungen des (Seseßes von 1869 wieder in Kraft.“ __ Hierzu hatte der Abg. Schwarzenberg beantragt, die Frist für die Geltu"g des Geseßes um ein Jahr zu verkürzen, und es be: eits am 1. August 1884 außer Kraft zu seßen.

Der Abg. Dr, Windthorsi erklärte, was die Regierung in der Voilage verlange, sei zu wenig. Es müßten aus dieser Quelle noch größere Einnahmen fließen, und er hätte den An- trag gestellt, die Zuckerrübensteuer um 10 &Z zu erhöhen. Nachdem aber der Regierungskommissar erklärt habe, daß im gegenwärtigen Augenblick die verbündeten Regierungen nicht gewillt seien, auf einen derartigen Vorschlag einzugehen, so daß mit großer Bestimmtheit anzunehmen sei, daß für den Fall der Annahme eines solchen Antrages das Geseß nicht zu

Stande kommen würde, so habe er davon abstrahirt, und abstrahire auch jeßt noch davon mit Rüdsicht auf die Enquete, von der man erwarten fönne, daß sie ernstlih gemeint sei.

Der Abg. Dr. Buhl trat für den Antrag der Kommission ein. Das große Jnteresse der Reichsfinanzen an der s{leuni- gen Reg-lung der Z"ckersteuer einerseits, die großen, dieser Regelung entgegenstehenden Schwierigkeiten andererseits hätten zu der im §. 2 enthaltenen Kompelle geführt, daß nämlih nah zwei Fahren das alte Steuersystem wieder in Kraft trete, wenn bis dahin die Zuckersteuer noch nit definitv geregelt sein sollte. Nach einer Nübenernte, wie die vorjährige gewesen sei, jeien etwa 5,4 Millionen Ctr. Vielasse zu erwarten, aus denen mindestens 1,8 Millionen Ctr. Zucker gewonnen werde, das bedeute cinen Steuerausfall von 16 Millionen. Aber gerade diese Frage der Melasse seße einer Steuerregelung große Schwierigkeiten angesihts der fortwährenden tehnishen Fort- schritte entgegen. Er glaube, man müsse die Melassebesteuerung ouf indirektem Wege zu erreichen suhen. Die Melasse sei bei der Exportbonifikation bereits in Rehnung gebraht. Die Be- steuerung des Konsums sei völlig unabhängig von der Höhe der Nübensteuer, hänge vielmehrfvon der Höhe der Exportboni- fikation ab. Der deutsche Konsument bezahle den Zucker zum Preise des Londoner Marktes plus der betreffenden Erport- bonifikation. See das Haus die Exportbonifikation nach seinem Vorschlag herab auf 8 4 oder etwas darüver, so werde der deutsche Konsum nur noch mit 8 /6 belastet. Man könne dann finanzpclitisch erwägen, wie weit man durch Be- lastung des deutsch!n Konsums die Reichs-Einnahmen ver- mehren wolle. Mit jedem Pfennig, um den man die NRüben- steuer pro Centner sieigere, werde dem Reiche eine Mehrein- nahme von 600000 F zugesührt. Eine solhe Besteuerung habe bei dem ganzen System, um das es sich hier handele, ihre natürlichen Grenzen. Aus allen diesen Gesichtspunkten ersuche er, seinem Antrage zuzustimmen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reihs-Schaßamts Burchard das Wort:

Meine Herren, ih kann zunächst die Vorauétsetzungen, denen der Hr. Abg. Dr. Windthorst und zuin Theil auch der Herr Vorredner Ausdruck gegeben hat, dahin bestätigen, daß die verbündeten Regic- rungen allerdings die Frage einer Revision der Zuckerbesteuerung als eine durchaus nicht zu verzögernde, als cine sofort zu lösende auf- fassen; sie haben auch schon den Schritt gethan, die Erguete- kommission zu berufen. Ich füge hinzu, daß die Enquetckommission \chon im Laufe dieser Woche ihre Sitzungen beginnen wird, daß zu erwarten ist, daß im Laufe des Sommers die Verhandlungen der Enquetekomtnission zu Ende gebracht werden können, und ich glaube, die Bundesregierungen werden, wenn ihnen die Enquete ein aus- reichendes8 Material gelicfert hat, die Frage einer Revision der Zucker- besteuerung durchaus als eine alsbald zu löfende behandeln und dem- gemäß versuchen, einen Gesetzentwurf aufzustellen. Ich kann allerdings nicht mit Bestimmtheit voraussagen, ob es möglich sein wird, diesen Gesetzentwurf {hon zum nächsten Herbst oder zum nächsten Frühjahr fertig zu stellen; aber daß es ohne Zögern geschehen wird, und nur inso- weit verzögert werden wird, als dringende Umstände es gebieten, das glaube ich ganz bestimmt aussprechen zu können.

Meine Herren! Diesen WBerhältnissen gegenüber, und ih habe mix bereits erlaubt in der Kommission das auszusprechen, ift es doch in der That nicht erforderlich und auh nicht wünschenswerth, daß in dem §. 2 eine Bestimmung aufgenommen wvird, die eigentlich nicht das bezweckt, was sie sazt, sondern etwas anderes, die einen Druck ausüben \foll auf die Regierungen. Eines selben Druckes bedarf es nit. Die Ne- gierung hat von jeher der Entwickelung der Zukersteuergesezgebung und der Zuckerindustrie ihre volle Aufmerksamkeit gewidmet; aller- dings betrachtet sie die Sache niht aus\scließlich unter einem finan- ziellen Gesichtspunkt, fie glaubt, daß die erheblichen gewerblichen Interessen, die in der ZuTersteuerfrage liegen, daß die auch eine sehr eingehende und vorsichtige Berücksichtigung erheischen, aber sie ift aleihwohl der Anft, daß der Zuckerkonsum dasjenige an die Reihs- kasse zu zahlen haben wird, was er nah vernünftigen Grundsäßen zu entrichten vermag,

Meine Herren! Was ift denn uun die Folge, wenn diese Be- stimmung angenommen wird? Es können doch nur zwei Möglich- keiten eintceten, entweder es gelingt den verbündeten Regierungen, innerhalb der Zeit einen Geseßesvorschlag zu machen, dann ist ja die Bestimmung an sich entbehrlih; und einen Druck in dem Sinne, glaube id, wird diese Bestimmung auf die verbündeten Regierungen niht ausüben, daß fie mit Rücksicht hierauf einen Vorschlag machen oder eine Abänderung annehmen, von denen sie vorausseßen müßten, daß die Interessen der Zuckerindustrie dadur gefährdet würden. An- genotamen aber, es kommt kein Gesetz zu Stande, nun dann würde es nöthig sein, eine Verlängerung dicses abändernden Gesetzes ein- treten zu lassen; nun ist es ja allerdings wahrscheinlich, daß es mög- li sein wird, rechtzeitig eine solche Verlängerung zu vereinbaren.

Der Fall ist aber fehr gut denkbar, daß eine solche Möglichkeit |

nicht vorliegt, daß irgend welhe Umstände es verhindern, daß rechtzeitig eine solche Verlängerung zu Stande kommt, und dann würde eine absolut unzuträglibke Bestimmung in dem gegenwärtigen Gesetz, die weder der Reichstag ncch de! Bundesrath will, wieder aufleben. Ich glaube deshalb nach allen Richtungen, daf es sich nicht empfiehlt, den 8. 2 anzunehmen, unh ich möchte bitten, ihn abzulehnen. Ganz besonders aber muß ih mich gegen den Zusaßantrag ih weiß nit, von wem der Antrag aus- geht aussprechen, daß die Frist, die in den §. 2 eingestellt ist, mit dem 1. August 1885 nun gar datirt wird auf den 1, August 1884; die Wahrscheinlichkeit würde fast dafür sprechen, daß eine Verlän- gerung des Gesetzes nothwendig sein würde, und es kann doch nicht von vornherein die Absicht des Reichstages sein, cine Bestimmung zu treffen, die aller Wahrscheinlichkeit nah absolut unzureichend ist, um dasjenige zu fördern, was gefördert werden soll.

Der Abg. Schwarzenberg begründete seinen Antrag. So lange das gegenwärtige Geseß in Wirksamkeit bleiben werde, liege es in der Macht der Kapitalisten, durch Einrichtung von Entzuckerungsanstalten den Reichsfiskus zu zwingen, die jährlihen Ausgaben für Exportbonifikationen bis mindestens 18 900 000 6 zu vermehren, chne daß die Steuereinnahme um einen einzigen Pfennig gewachsen wäre. Ein solcher Zustand erfordere die allerschleunigste Abhülfe. Daß diese Befürchtungen wohl begründet scien, zeige ein Blick auf die bisherigen Resultate der Entzuckerungsfabrikation. Die Dessauer Strontianit-Melasse- fabrik habe angezeigt, daß auf ein i.1 Aussicht genommenes Anlagekapital von 2 000 000 4 eine Dividende von 75 Proz. vertheilt werden werde. Eine s{hleunige Ordnung der Zuker- besteuerung liege auch im Jnteresse der Fabrikanten felbst, weil täglich große Kapitalien in einer Jndustrie engagirt würden, die später in eine s{hwierige Lage kommen könne. Wolle man also überhaupt einen Termin festseßen, was er nicht für absolut nöthig halte, so müsse man ihn auf den

1. August 1884 festsezen. Er bitte, seinen Antrag anzu- nehmen.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode erklärte, er und seine politishen Freunde legten dem §8. 2 der Kommission keine be- sondere Bedeutung bei, da Regierung wie Neichstog sich des transitorishen Charakters des hier Beschlossenen im eminenten Sinne bewußt seien. Alles dränge dazu, möglichst bald zu einem Definitivum zu kommen. Der Abg. Schwarzenberg habe selbst die Schwierigkeiten dargelegt, die bis zu dem von ihm empfohlenen kürzeren Termin, 1. August 1884, bewältigt werden raüßten : die volle Ausbeute der Melasse dem Steuer- fiskus gegenüber, des bisher ganz steuerfreien Strontianit in thren zum Theil noch unbekannten Manipulationen u. st. 1w. Eine Uebereilung sei da niht am Plaß und der Reichsregie- runa müsse ein genügender Zeitraum für ihre Entscheidungen gewährt werden, der mit einem Jahre zu kurz beniessen sein könne. Aber auch mit dem weiter gehenden Termin (1885) schließe der 8, 2 der Kommission eine sahlich ganz unnöthige Vinkulirung in sich. Der klar hervortretende gute Wille, die Sache neu zu regeln, der Druck der Reichsfinanzen, die keine weiteren Verluste durch Veraütung für Zuckersteuer gestatteten, und das Bedürfniß der Jndustrie, die mit so großen Kapi- talien beim Zucker engagirt sei, zu einem Definitivum zu gelangen, alles das mache es unnöthig, derartige Wünsche in so bestimmte Formen zu kleiden, Der Passus des 8. 2, daß eventuell die Bestimmungen des Geseßes von 1869 in Kraft treten würden, sprehe mehr die Sprache der Kon- versation als der Gesehgebung. Und solle die Androhung der Rückkehr zu der höheren Bonifikation die Neuregelung der Sache beschleunigen, so könne er diese Ansicht niht theilen. Ein vollständiges Vakuum nach dem 1. Augusi 1885 sei die dringentste Yahnung sür den Reichstag, die Neichskasse und die Jnteressenten. Aus allen diesen Gründen würden seine Freunde und er gegen den §8. 2 stimmen.

Der Abg, Büchtemann bemerkte, die Aeußerungen des Abg. Dr. Windthorst bewiesen, daß die Centrumsfraktion in dieser Frage ganz gespalten sei. Während der Abg. Windt- horst sich heute für Erhöhung der Rübensteuer um 10 „F ausge- sprochen habe, also die Rübenindustrie um 17 Vill. Mark belasten wolle, hätten die Freunde des Abg. Windthorst gestern abgelehnt, die Exportbonifikation auf 8 M 80 S pro Centner Zucker zu ermäßigen, womit ein Ausfall für die Jndustrie von 6 Mill. Mark verbunden wäre. Fn der Kommission sei der Antrag gestellt, dem Geseh eine nur zweijährige Dauer ¿U gon, n die Neagicuns U v@Œœallässeit, dié definitive Regelung der Steuer bald vorzunehmen. Das liege im Fnteresse der Regierung wie der Fndustrie. Er s)sei aber auch mit der Dauer cines Jahres einverstanden, zweifle freilich, ob in dieser Zeit ein Geseßentwurf zu Stande komme. Der Schaßsekretär habe in der Budget debatte mitgetheilt, daß die Regierungen {hon das Materia zur Aenderung der Steuer der Reichsregierung eingesandt hätten. Er schließe daraus, daß eine Vorlage bald zu erwarten sei. Die Erwartung sei getäuscht; er fürchte, die Erwartung werde leiht wieder getäusht. Die Beschränkung der Dauer des Gesctzes sei die einzige Kompetenz, dies zu vermeiden.

Der Bundeskommissar Geheime Ober - Regierungs - Nath Boccius empfahl ebenfalls, von der Anseßuna eines bestimmten Termins Abstand zu nehmen. Das Material sei von den Negierungen allerdings der Reichsregierung vorgelegt, habe sich aver als ungenügend ergeben, um daraufhin die Zucker- reform zu bewirïen. Es habe sich vielmehr die Enguete als nöthig erwiesen.

Der Antrag Schwarzenberg wurde abgelehnt, und §8. 2 nach der Kommissionsfasung unverändert angenommen.

Demnächst wurde folgende von der Kommission beantragte Resolution berathen : :

„den Herrn Reichskanzler zu ersuchen :

„die zum Zwecke einer Revision der Gesetzgebung über die Zuckerbesteuerung von den verbündeten Regierungen in Ausfich{ ge- nommene Enguete auf die Ermittelung aller in Betracht kommen- den Verhältnisse des Rübenbaues, ter Zuckerfabrikation, der Zuer- konsumtion und des Zuckerhandels, und auf alle bekannt gewordenen Forinen der Besteuerarg des Zuckers zu erstrecken,

„zur Vernehmung nicht blos Rübenbauer und Zucerindustrielle, fondern auch folhe Industrielle, welhe Zucker oder Melasse zu ge- werblichen Zwecken verhrauchen, und andere Personen, welche sach- dicnliche Auskunft geben können, vorladen, und dabei auch etwaige Meldungen zur Vernehmung berücksichtigen und die Vernehmung öffentlich stattfinden zu lassen,

„die Vernehmung, sowie die Berathung der Kommission nach Möglichkeit zu beschleunigen, damit das auf Grund derselben ein- zubrinigende Geseß {hon für die K2mpagne von 1884/85 in Kraft treten kann.“

An der Debatte hierüber betheiligte sich zunächst Abg. Härle, welcher sich energish gegen die Bevorzugung eines ¿in- zelnen JFndustriezweiges möge derselbe noch so wichtig ‘ein guf Kosten der übrigen Steuerzahler aussprach, sodann der Abg. Schrader, der die Resolution empfahl, ferner der Abg. Staudy, dex sich mit den Absägzen 1 und 3, nicht so aber mit dem Absayg 2 der Resolution einverstanden erklärte. Wollte man den Jntentionen in Absaß 2 Folge geben, so würde man nimmermehr mit der Enquete zu Ende kommen. Er bitte daher, den zweiten Absaß der Resolution ahb- zulehnen.

Die Resolution wurde hierauf nach der Fassung der Konmission mit Ausnahme des Absatzes 2 dem Antrag Staudy gemäß angenommen.

Nach Ablesung eines Vertagungsantrages trat das Haus in die zweite Berathung des Etats für das Fahr 1884/85.

Bei dem Etat des Reichstags (Einnahme 2419 4, Ausgabe 407 670 6) bemerkte der Abg. Richter (Hagen) : er könne vorweg niht umhin, darauf aufmerksam zu machen, daß die Drucksachen des Reichstags in der Druckerei der „Nord- deutshen Allgemeinen Zeitung“ hergestelt werden. Er habe geglaubt, daß nah Bewilligung der Mittel für die Reichs- druderei eine Privatstelle überflüssig sei, welhe hauptsächlih der Erzeugung von Druckschriften einer politishen Partei diene, und es sei niht gut, die Drucksahen vor ihrer Ver- theilung einer Dru@Ferei zu übergeben, die auch eine Zeitung

drude. Der Aba. Frhr. zu Frankenstein erklärte, die stenogra-