1883 / 133 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 09 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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VNichtamilliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 9. Juni. Se. Majestät der Kaiser und König besichtigten heute die Garde-Feld- Artillerie-Brigade.

Gestern Nachmittag ertheilten Se. Majestät dem Wirklichen Geheimen Rath von Kleist-Reßow und dem Landrath des Kreises Guben, Prinzen Schönaich-Caroiath, Audienzen.

JZhre Majestät die Kaiserin und Königin empfing gestern in Coblenz den Besuch Jhrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Albrecht.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz begab Sich gestern Morçen vom Neuen Palais zu Wagen zur Besichtigung eines Exerzierens des 3. Garde- Grenadier-Regiments Königin Elisabeth nah Spzndau und kehrte nah Beendigung desselben ebenso nah Potsdam zurü.

Der Bundesrath hat in seiner Sißung vom 21. Mai d. J. beshlossen, dem Jnstruktionspunkt 111 zu dem amtlihen Waarenverzeichnisse zum Zolltarif am Schlusse fol- genden Zusaß beizufügen: „Bei Gemengen aus verschieden tarifirten Ge- treidearten oder aus Getreide und anderen Erzeugnissen des

Landbaues gilt die Menge des am höchsten belegten Bestandtheils

als unerhebli, wenn das Gericht derselben nit mehr als 10 °/6 von dem Gewicht des Gemenges beträgt.“

Ferner in seiner Sißzung vom 28. Mai d. J., daß die für die Verwendung von Melilotenblüthen (Steinklee) zur Herstellung von Tabakfabrikaten festgeseßte jährliche Mi- nimalmenge von 100 kg auf 25 kg herabgesegt wéêrde.

Der Bericht über die gestrige Sißung des Reichstages befindet sih in der Ersten Beiage.

Die heutige (100.) Sißung des Reichstages, welcher der Staats-Minister von Boettiher sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath und Kommissarien desselben beiwohnten, wurde von dem Präsidenten von Leveßow um 11/2 Uhr eröffnet.

Erster Gegenstand der Tagesordnung war die erste und eventuell zweite Berathung der Ergänzung zu dem Reihshaushalts-Etat für das Jahr 1883/84 (Reich s- tagsgebäude).

Bei Séhluß des Blattes ergriff der Staats-Minister von Boetticher das Wort.

In der heutigen (78.)Sißung des Hauses der bgeordneten, welcher der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums und Minister des Jnnern von Putt?amer, der Minister für Landwirthschast, Domänen und Forsten Dr. Lucius, sowie zahlreihe Kommissarien beiwohnten, er- klärte der Präsident von Köller, daß nah einer Mittheilung des Präsidenten des Herrenhauses das Herrenhaus in seiner gestrigen Sißung in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten dem Gesezentwurf, betreffend die Zwangzzsvoll- strefung in das unbewegliche Vermögen und dem dazu ge- hörigen Gerichtskostengeseß scine Zustimmung ertheilt habe.

Hierauf trat das Haus in die Tagesordnung ein. Ecster Gegenstand derselben war die Berathung der vom Herren- hause in veränderter Fassung zurückgelangten Entwürfe eines Geseßes über die allgemeine Landesverwaltung und eines Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver- waltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden.

Jn der Berathung des ersten Geseßes fand eine General- diskussion nicht statt. Jn der Spzzialdiskussion wurden die 88, 1—27 ohne Debatte genehmigt.

8, 28 lautet in der Fassung des Herrenhauses :

Der Bezirksausschuß besteht aus dem Regierungs-Prätidenten als Vorsißendem und aus sechs Mitgliedern.

Zwei dieser Mitglieder, von denen eins zum Rihteramte, eins zur Bekleidung von höheren Verwaltungsämtern befähigt scin muß, werden vom Könige auf Lebenszeit ernannt. Aus der Zahl dieser Mitglieder ernennt der König gleichzeitig den Stellvertreter des Regierungs-Präsidenten im Vorsiße mit dem Titel Verwaltungs- gerichts-Direktor. Zur sonstigen Stellvertretung des Regie- rungs - Präsidenten im Bezirksauëschusse und zur Stellver- tretung jedes der beiden auf Lebenszeit ernannten Mitglieder ernennt der König ferner aus der Zahl der am Sitze des Bezirksausschusses ein ricterlihes oder ein höheres Verwaltungsamt bekleidenden Beamten einen Stellvertreter, Die Ernennung der Stellvertreter erfolgt auf die Dauer ihres Hauptamts am Sitze des Bezirks- aus\chusses. :

Die vier anderen Mitglieder des Bezirksauës{husses werden aus den Einwohnern seines Sprengels durch den Provinzial- aus\chuß gewählt. Fn gleicher Weise wählt leßzierer vier Stell- vertreter, über deren Einberufung das Gescbäftscegulativ bestimmt.

Wählbar ist mit Ausnahme des Ober-Präsidenten, der Regie- rungs-Prôäsidenten, der Vorsteher Königlicher Polizeibehörden, der Landräthe und der Beamten des Provinzialverbandes jeder zum Provinzial-Landtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs. Mitglieder des Provinzialraths können nicht Mitglieder des Bezirks- aus\chusses sein.

Im Uebrigen finden auf die Wahlen bezw. die gewählten Mitglieder die Bestimmungen der §8. 11, 12 und 13 sinngemöße Anwendung. A i

Der Abg. Dirichlet beantragte, die Beschlüsse des Abgeord- netenhauses wiederherzustellen.

Der Abg. Dr. Brüel erklärte, daß er_in der vom Herren- haus beschlossenen Aenderung eine Verbesserung erblide und keine Bedenken habe, dieselbe zu acceptiren.

Unter Ablehnung des Antrags Dirichlet wurde der Paragraph in der Fossung des Herrenhauses angenommen. Desgleichen ohne Debatte die folgenden Paragraphen bis 8. 60 infl. §. 61 lautet nah der Fassung des Herren- hauses:

Die Bestimmungen der bürgerlihen Prozeßgesete über Aus- \{ließung und Ablehnung der Gerichtspersonen finden für das Ver- waltungsftreitverfahren sinngemäße Anwendung.

Aus der amtlichen Thätigkeit des Landraths bezw. des Regie-

rungs-Präsidenten darf kein Grund zur Ablehnung desselben weger Besorgniß der Befangenheit entnommen werden.

Nath kurzer Debatte wurde §. 61 mit einigen vom Abg. Dr, Brüel beantragten Aenderungen angenommen.

Desgleichen wurde ohne Debatte der Rest des Gesehes angenommen, das in definitiver Abstimmung mit großer Mehrheit genehmigt wurde.

Auch in der Berathung des Gesezes über die Zu- ständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungs- gerihtsbehörden fand eine encraldiskussion nicht statt.

Jn der Spezialdebatte wurden die §8. 1—6 unverändert

genchmigt.

8. 7, welcher nach der Fassung des Herrenhauses lautet : Die Aufsicht des Staates über die Verwaltung der städtischen Gemeindeangelegenheiten wird in erster Instanz von dem Regie- rungs-Prâäsidenten, in höherer und leßter Instanz von dem Ober- Präsidenten geübt, unbeschadet der in den Geseßen geordneten Mit- wirkung des Bezirk8aus\cusses und des Provinzialrathes.

Für die Stadt Berlin tritt an die Stelle des Regierungs- Präsidenten der Ober-Präsident, an die Stelle des Ober-Präsi- denten der Minister des Innern, für die Hohenzollernschen Lande tritt an die Stelle des Ober-Präsidenten der Minister des Innern.

Beschwerden bei den Aufjichtsbehörden in städtishen Gemeinde- angelegenheiten sind in allen Instanzen innerhalb zwei Wochen an- zubringen. Í :

wurde nah kurzer Debatte unverändert genehmigt. Ebenso 88. 8—12 wurden ohne Debatte genehmigt.

8. 13 lautet nah den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses :

Soweit die Bestätigung der Wahlen von Gemeindebeamten

nach Maßgabe der Gemeindeverfassung8ge]eße den Aufsichtsbehörden zusteht, erfolgt dieselbe durch den Regierungs-Präfidenten.

Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Bezirks- ausschusses versagt werden. Lehnt der Bezirksaus\chuß die Zustim- mung ab, so fann dieselbe auf den Antrag des Regierungs-Präsi- denten dur den Minister des Innern ergänzt werden.

Der von dem Regierungs-Präsidenten unter Zustimmung des Bezirksaus\{husses gefaßte Beschluß ist endgültig.

Hierzu beantragte der Abg. Dr. Brüel:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen :

„Soweit die Bestätigung der Wahlen von Gemeindebeamten nach Maßgabe der Gemeindeverfassung8geseße den Aufsichtsbehörden zusteht, erfolgt dieselbe durh den Regierungspräsidenten.

Die Bestätigung kann nur unter Zustimmung des Bezirksaus- {usses versagt werden. Lehnt der Bezirksaus\{huß die Zustimmung ab, so fann dieselbe auf den Antrag des Regierungs-Präfidenten durch den Minister des Innern ergänzt werden.

Wird die Bestätigung vom Regierungs-Präsidenten urter Zus stimmung des Bezirksaus\cusses versagt, so kann dieselbe auf An- trag des Gemeindevorstandes oder der Gemeindevertretung ron dem Minister des Innern ertheilt werden.“

Der Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa erklärte, daß die Mehrzahl seiner Freunde für den Antrag Brüel stimmen würde. Es sei niht zu verantworten, wenn an diesem einen Paragraphen das ganze Geseh scheitern sollte. Ein Kronreht werde hier niht in Frage gestellt ; sonst wäre die ganze Selbstverwaltung, ein Eingriff in die Hoheitsrehte des Staates, da sie die Theilnahme der Laien an der Staatsverwaltung regele. Fm Herrenhause se: man von verschiedenen Seiten für die Fassung des Antrages Brüel eingetreten. Man könne den Geseßentwurf ruhig annehmen in der Ueberzeugung, damit dem Lande eine Wohlthat zu erweisen, und in der Hoffnung, daß weder die Staatsregierung noch das Herrenhaus um dieses einen Paragraphen willen das ganze Geschß nicht zu Stande kommen lassen werden.

Hierauf nahm der Staats - Minister von Puttkamer das Wort:

Meine Herren! Die ebenso beredten wie ge\chickten Ausführungen des Herrn Vorredners versetzen mich im Geiste aus diesen Räumen hieraus lebhaft in das Herrenhaus ; denn ich glaube, sie sind ein wohl- gemeinter Appell an die Bereitwilligkeit des anderen Hauses, den Gründen, welche dieses Haus, wie er annimmt, bestimmen werden, an dem §. 13 seiner früheren Beschlüsse festzuhalten, Gehör zu \cenken und ihnen \ch{ließlich seine Zustimmung zu ertheilen. Auch ih nehme zu diesem §. 13 eine Stellung eia, die mi veranlaßt. zunächst an seine Entstehungsgeschichte zu erinnern. Sie wissen, daß eine Regelung des Beglaubigungsrechts der gewählten Gemeinde- bramten in der Vorlage der Königlichen Staatsregierung nicht enthalten mar, daß dieselbe vielmehr das eigenste Werk dieses hohe: Hauses ist. Ich habe ihn mit materiellen Gründen, auf die ih in diesem

fämvfen mir gestattet, er hat dessenungeahtet Annahme in diesem Hause gefunden und lieat jeßt in der Fassung, die im Amendement cs Hrn. Abg. Dr. Brüel eine kleine zusäßliche Aenderung erhalten hat, wiederuin vor. Meine Herren, in der Kommission des Herren- hauses sind diejenigen Gesichtspunkte, welche für und wider vie Gestal- iung, welche das Abgeordnetenhaus dem Verfahren bei der Bestätigung von Kommunalbeamten gegeben hat, ausführlich und eingehend erörtert worden. Ich erkenne an, daß schon in dieser Kommissionsberathunz, sich eine vermittelnde Strömung, die im Interesse des Zustandekornmens der Geseve in diesem Punkte dem Abgeordnetenhause entgeger zukommen wünschte, geltend mate, namentlih vertreten durch den Referent zn der Kommission, welche in der Annahme des §. 13 eine so gro»fie Gefahr, in ver von andern Seiten dargestellt wurde, für die Stoais- autorität nicht finden zu können glaubte. Jndessen hat aber b-reits die Kommission des Herrenhauses mit ciner sehr großen Majorität sich dem Standpunkt, den die Staatsregierung vertreten hatte, anges{lossen und if der Meinung gewesen, daß aus formalen und materiellen Gründen es besser {ei, auf diesen §. 13 nicht einzugehen. Im Plenum haben dicse Anschauungen eine sehr viel lebhaftere Färbung ange- nommen und eine noch entschiedenere Vertretung gesunden und es ist »cken von Freunden des Zustandekommer.s der ganzen Gefeßgehung ‘zervorgehobenen Gründen eine durchgreifende Beachtung nicht zu Lheil geworden ; das Herrenhaus hat vielmehr mit einer großen Majorität den §. 15 gestrihen. Ich weiß nit, meine Herren, ob diejenigen Gründe, welche der Hr. Abg, von Heydebrand eben zu Gunsten des §. 13 angeführ“ hat und die, wie ih anerkenne, von thm in ganzer Vollständig- feit und erschöpfend dargestellt sind, wenn sie im Herrenhause bci der bevorstehenden Berathung wieder zum Antrage kommen, ausreichen werden, um die Beschlußnahme des ander-n Hauses in veränderter Richtung zu gestalten, Das ist eine Frage, die mir in diesem Augenblick zu entscheiden, nit obliegt. Ih möchte sogar glauben, daz Er- klärungen der Regierung hierüber mit Rücksicht auf die Stellung des anderen Hauses niht zu verantworten wären. wünshe niht dazu beizutragen, den Eindruck zu erweden, als wenn die Staatsregierung die Entshlüsse des an- deren Hauses in dem jeßigen Stadium der Sache oder überhaupt gewissermaßen unter cinem mechanischen Druck tellen wollte, als wenn sie demselben präjudiziren wollte in der volllommenen Freiheit feiner Entschließung. Meine Herren! Ich darf daran erinnern, daß aub id im Namen der Königlichen Staatéregierung im anderen Pauls das Für und Wider zu dem §. 13 ausführlich erörterte. Ich in denjenigen Anschauungen, welhe einen niht zu toleriren- den Eingriff in die Kronrechte in diesem Z. 13 darstellten und welhe schr lebhaften Ausdruck fanden, entgegen getreten. Ich hahe anerkannt, daß davon keine Rede sein könne ; als ob die Form, in welcher das Abgeordnetenhaus die Bestätigung de: Kom- munalbeamten gestalten wollte, als ob die Einschränkung, welche der freien Entsdließung des Regierungs-Präfidenten im Falle der Nicht- bestätigung zu Theil werden würde, unter dem Gesichtspunkt zu fassen, daß es eine dem monarchischen Prinzip widersprechende Minderung des Kronrechts wäre. Das ist s{chon dadurch ausges{chlossen, daß diejenigen Kommunalbe(tätigur.gen, welhe der Krone selbs vor- behalten, durch den §. 13 überhaupt nicht getroffen werden, Ih habe auh anerkannt, daß, so wün]chenswerth für den obersten Verwaltungsbeamten, der in dieser Frage mitzusprehen hat, für den Minister des Innern die Lage fei, in welche er unter Umständen gedrängt würde, wenn dergleichen \hwie- rige Fragen an ihn zur Entscheidung kämen, er denno wohl in fich das nôthige Gleichgewicht und die nöthige Entschlußsähigkeit finden werde, um über die Schwierigkeiten in einem solchen Falle hingu8zu- fommen. Ich habe aber auf der anderen Seite wesentliß und das hat auch im Herrenhause gewiß einen großen Theil der Motive

gebildet, aus denen §. 13 abgelehnt worden mich für verpflichtet gehalten, im Interesse der Selbstverwaltungsocgane selbst, wie i es verstehe zu

Stadium der Geschäftslage niht näher zurückommen möchte, zu be- |

plaidiren, d. h. aus dem Wunsche heraus, von den Selbftverwaltungs- kförpern, namentlich wie sie fich in der Bezirk3instanz neu gestalten sollen, die Diskussion politisher Fragen möglichst fern zu halten, weil ih der Meinung war und no heute bin, daß nichts verhängniß- voller und gefährlicher für eine ersprießlihe Thätigkeit, namentlich für das Zusammenwirken des Vorsizenden und des Kollegiums sein würde, als wenn auf einem Gebiete, welches an si den Berathungen der Selbstverwaltungebehörden fern bleiben sollte, Gelegenheit zu tiefgehenden Differenzen bicten wollte, wie das bei Erörterungen von politishen Gesichtspunkten in Betreff der Bestätigung von Kommunal- beamten leiht der Fall sein würde. Ich habe aus den Aeußerungen des Hrn. Abg. von Heydebrand, namentlich aus dem Eingange derselben ent- nommen, daß die Haltung, die er jeßt einzunehmen für gut befindet und die er im Namen der Mehrheit seiner politischen Freunde hier geäußert hat, doch wesentlih auf taktiswen Gründen beruht, daß es aber ihm und feinen politishen Freunden schr wohl möglich sein würde, das Bee auch anzunehmen ohne den §. 13, und ih wieder- hole: die Ausführungen, welche er später machte, um ihn materiell zu begründen, halte ich mehr für eine Entwickelung derjenigen Mo- mente, welche es seiner Meinung nah dem Herrenhause und der Re- aterung möglich machen sollen, auf den §. 13 einzugehen. Jch lege Werth darauf, das hier auédrüdtlich zu konstatiren, denn ih mus gestehen, es wäre für den Standpunkt der Regierung außerordentli

unerwünsht, mir sagen zu müssen, daß in einer immerhin so wih- tigen Frage den Ansichten dieses hohen Hauses gegenüber die Staats- regierung mit ihrer Meinung isolirt dastünde. So viel ih weiß, ist allerdings bei der vorhergegangenen Berathung nur cine Stimme, und zwar der Abg. von Zedliß mit großer Entschiedenheit für den Standpunkt der Regierung eingetreten. Ich nehme also an, daß aus dem etwaigen bevorstehendem Votum der konservativen Partei des Hauses, wenn es sich gegen den Wunsch der Regierung entscheiden sollte, nicht zu folgern sein werde, daß es sih hier um einen wirkli prin- ziviellen Untcrshied von der Auffassung der Staatsregierung handelt, sondern diese Stellungnahme diktirt ist von der Rücksicht auf den dringenden Wunsch nah einem günstigen Erfolge der uns jeßt beschäftigenden gese geberishen Arbeit. Jch glaube, meine Herren, daß wenn diese Erwägungen im anderen Hause wieder vorgeführt werden, sie von cinigem Werthe für seine Entscheidung sein werden, namentlich wenn sich das andere Haus vergegenwärtigen wird, daß seine Gesammtstellung zu diesen gesetzgeberishen Fragen in den Be- \{chlüssen, die wir eben gefaßt haben, eine anerkennenswerthe Berül- sichtigung gefunden hat. Wie gesagt, ich stehe auf dem Standpunkt, daß ih mir sage: i habe es in diesem Augenblick zu thun nicht mit einer Vorlage der Staatsregierung, sonderi mit einem Vorschlage des Ab- geordnetenhauses, den das Herrenhaus abgelehat hat und den ih von dem Standpunkte der Staatsregierung auch als einen unzweckmäßigen und nit wünscens8werthen erahten muß. Deshalb habe ih meine Aufgabe hicr erfüllt, wenn ih Sie bitte, aus den Gründen materieller Art, die con früher crörtert sind, den §. 13 abzulehnen. Ich stelle die Beschlußfassung natürlich dem Hause anheim und kann nicht vorher sagen, welchezn Einfluß dieselbe auf die Entschließung des anderen Hauses haben wird; und noch weniger bin ih in der Lage, zu sagen, wie die Stellung der Staatsregierung sih zu der Frage \ch{ließlich aestaltea wird. Das wird sih erst dann ent- scheiden können, wenn wir eine abgeschlossene Erörterung zwischen den beiden parlamentarischen Vertretungskörpern der Monarchie vor uns baben werden. Die Regierung hat ihre Schuldigkeit gethan, wenn se die von ihr eingebrachte Vo1lage vertheidigt hat, das Uebrige hat sie der Weisheit und der Entschließung der Häuser zu überlassen; an ihrem Theil wird es dann sein, wenn diese Entschließung vorliegt, wenn eine Uebereinstimmung der beiden hohen Häuser erreicht sein sollte, Sr. Majestät dem Könige Vortrag darüber zu halten, ob sie das Gesammtresultat der gemeinsamen Berathung zur Allerhöchsten Annahme empfehlen foil. ; 5 /

Der Abg. Lauenstein erklärte im Namen seiner Partei, daß dieselbe für den Antrag Brüel stimmen werde; die da- gegen geltend gemachten Bedenken seien wesentlich theoretischer Natur, wie der Abg. von Heydebrand nachgewiesen habe.

Der Abg. Dirichlet {loß sich im Namen seiner Freunde dieser Erklärung an und sprach seine Freude darüber aus, daß die liberalen Ansichten in so beredter Weise von dem Abg. von Heydebrand vertheidigt worden seien. :

Der Abg. von Tiedemann (Jnowrazlaw) erklärte, daß cin Theil seiner Freunde gegen den Antrag Brüel stimmen, und di2 Annahme desselben im höchsten Grade bedauern würde; es solle niht scheinen, als ob sich hier im Hause feine einzige Stimme sür die Beschlüsse des Herrenhauses er- hoben habe.

Der Abg. Dr. Windthorst ersuhte um Annahme des An- trags Brüel, der keine Kronrechte verleßen, sondern nur eine gesunde Jnformation für die Bestätigungsfrage schaffen würde ; ein Votum, das die Kronrechte verleye, würden seine Freunde niemals abgeben. :

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. von Tiede- mann und Dr. von Heydebrand und der Lasa wurde der Antrag Brüel mit großer Mehrheit angenommen ; desgleichen ohne Debatte der Rest des Geseßes und bas Gese§ felbst in definitiver Abstimmung.

Es folgte die dritte Berathung des Geseßentwurfs, be- treffend den Bau eines Schiffahrtskanals zur Ver- bindung des Rheins mit der Ems, Weser, Elbe.

In der Generaldebatte führte der Abg. von Gerlach noh einmal alle Thatsachen an, die für den Binnenkanal nah

Magdeburg sprächen.

Der Abg. Frhr. von Minnigerode äußerte finanzielle Be- denker gegen eine großartige Kanalbaupolitik ; man solle statt dessen lieber billigere Eisenbahntarife herstellen.

Jn der Spezialdiskussion wurde der Geseßentwurf unver- ändert genehmigt.

Letzter Geger:stand der Tagesordnung war die dritte Be- rathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die B efugnisse der Strombauverwaltung gegenüber den Üferbesißern an öffentlihen Flüssen, und des Entwurfs eines Gesetzes, betref- fend die Aufhebung der Ufer-, Wardb- und Hegungs- ordnung für das Herzogthum Schlesien und die Grafschast Glaß vom 12, September 1763.

In der Generaldiskussion bemerkte der Abg. Frhr. oon Zedliß und Neukirch, daß zwei Beschlüsse zweiter Lesung der Regierung bedenklih erschienen, nämli erstens die Aufnahme des Wortes „rechtzeitig“ im 8. 6 und zweitens die Aufnahme des ersten Absatzes im §. 12. y

Der Abg. Hahn erklärte, daß ihm an dem Wort „reht- zeitig“ im 8. 6 nicht viel gelegen scheine, dagegen bitte er den ersten Absaßz des §. 12 und überhaupt die übrigen Beschlüsse der zweiten Lesung aufrecht zu erhalten.

In der Spezialdebatte wurden die §8. 1—5 unverändert genehmigt. :

Der Abg. von Bismarck (Flatow) beantragte, im §. 6 das Wort „rechtzeitig“ zu streichen.

Dieser Antrag, von dei Abg. Lauenstein befürwortet, wurde vom Hause angenommen. Ebenso ohne Debatte die 88. 7 bis 11. §. 12 lautet:

Für Abspülungen und Beschädigungen der Ufer, welche dur die Strombauten hecvorgerufen werden, hat der Staat Ersaß zu leisten, auch wenn dieselben nichi beabsichtigt waren. L

Im Verwaltungêwege ist, soweit dies thunlich, Fürsorge dafür zu treffen, daß durch entsprechende Vocrihtungen dem in Folge von Strombauwerken entstehenden, im Regulirungsplane nicht vor-

gesehenen Abbruch der Ufer vorgeteuat werde und daß da, wo solcher dennoch stattfindet, gegen weitere Beshädigung Schußzmaßregeln er-

griffen werden. i Hierzu beantragte der Abg. von Bismarck (Flatow),

folgenden Absaÿ hinzuzufügen: „Ersaß kann nicht beansprucht werden, sofern die Abspülung bei Erfüllung der den Ufer- besißern obliegenden Pfliht zum Ufershuß abgewendet worden wäre.“

Der Abg. Letocha erklärte, daß dieser Zusay nah dem Landrecht, der Abg. Lauenstein, daß er nah dem gemeinen Recht selbstverständlich sei , was der Antragsteller au zugab.

Der Antrag wurde angenommen.

Ebenso ohne Debatte der Rest des Gesehes und das Gese selbst in definitiver Abstimmung.

Schluß 121/24 Uhr. Nächste Sißzung Montag 9 Uhr.

Nach Mittheilungen aus dem Auslande sind folgende Submissionen ausgeschrieben worden:

1) von der Artillerie-Direktion des pyrotehnischen Laboratoriums zu Bologna für den 19. Juni d. J., bis 2 Uhr Nachmittags, eine Submission auf 36 000 kg Messing- platten im Taxwerth von 79 200 Lire;

2) von derselben Behörde für den 20. Juni d. F., bis 2 Uhr Nachmittags, eine Submission auf 115 000 kg Messing- platten im Taxwerth von 253 000 Lire; L

3) von der Artillerie-Direkt1on des Präzisions-Laborato- riums in Turin für den 21. Juni d. J., bis 4 Uhr Nah- enittags. eine Submission auf 19000 kg Messingplatten im Taxwerthe von 38 000 Lire;

4) von der Präfektur der Provinz Turin für den 22. Juni, bis 10 Uhr Vormittags, eine Submission au; 13 drehbare Weichenwechsel im Taxwerthe von 27 350 Lire.

Ueber die speziellen Bedingungen is das Nähere an Ort und Stelle einzusehen.

Nach der im Reichs-Eisenbahn-Amt angestellten, in der Ersten Beilage veröffentlihten Nahweisung über die im Monat April 1883 auf deutshen Bahnen (caus- \hließlih der bayerischen) beförderten Züge und deren Verspätungen wurden auf 44 größeren Bahnen beziehungs- weise Bahnkomplexen mit einer Gesammtbetriebslänge von 30 027,03 km befördert an sahrplanmäßigen Zügen: 12 420 Courier- und Schnellzüge, 96 366 Personenzüge, 53 912 gemischte Züge und 91 463 Güterzüge;, an außerfahrplanmäßigen Zügen : 1401 Courier-, Schnell-, Personen- und gemischte Züge und 31 772 Güter-, Materialien: und Arbeitszüge. Jm Ganzen wurden 704073 453 Achskilometer bewegt, von denen 198 581 937 Achsfkilometer auf die fahcplanmäßigen Züge mit Personenbeförderung entfallen. Es verspäteten vor: den 162 698 fahrplanmäßigen Courier-, Schnell-, Personen- und gemishten Zügen im Ganzen 729 oder 0,45 pCt., (gegen 0,71 pCt. in demselben Monat des Vorjahres, und 0,91 pCt. im Vormonat). Von diesen Verspätungen wurden jedo 267 durch das Abwarten ver}päteter Anschlußzüge hervorgerufen, so daß den aufgeführten Bahnen nur 462 Verspätungen (= 0,28 vCi.) zur Lajt fallen (gegen 0,55 pCt. im Vormonat). In demselben Monat des Vorjahres verspäteten auf den eigenen Strecken der in Vergleich zu ziehenden Bahnen von 152 270 beförderten fahrplanmäßigen Zügen mit Perjonen- beförderung 629, oder 0,41 pCt., mithin 0,13 pCt. mehr. Jn Folge der Verspätungen wurden 288 Anschlüsse versäumt (gegen 250 in demselben Monat des Vorjahres und 475 im Vor- monat). Wird eine Gruppirung der Verwaltungen nach dem Verhältniß der auf je eine Anschlußversäumniß ent- fallenden Zugverspätungen vorgenommen, so kommen in erster Reihe die Königliche Eisenbahn-Direktion Bromberg (45 An- \{chluß-Versäumnisse auf 66 Verspätungen) und die Königliche Eisenbahn-Direktion Cöln (linksrh.) (30 Anschluß-Versäumnisse auf 44 Verspätungen) mit 1,47, während die Badischen Sraats-Eisenbahnen (2 Anschluß-Versäumnisse auf 62 Ver- spätungen) mit 31,00 und die Hessische Ludwigs-Eisenbahn (1 Anschluß-Versäumniß auf 49 Verspätungen) mit 49,00 die leßten Stellen einnehmen und bei 8 Verwaltungen, welche im Ganzen 31 Zugverspätungen gemeldet haben, Anschluß- Versäumnisse überhaupt niht vorgekommen sind.

Wider deutshe Eisenbahnverwaltungen sind beim Reichs-Eisenbahnamt in der Zeit vom 1. Januar bis Ende März d. J. im Ganzen 68 Beschwerden aus dem Publikum eingelaufen. Von diesen beziehen sih 7 auf den Personenverkehr, 46 auf den Güterverkehr und 15 auf andere Gegenstände.

Das Reichs-Eisenbahnamt hat von diesen Beschwerden für begründet erachtet 2, als unbegründet zurückgewiesen 3, auf den Rechtsweg verwiesen 6, wegen mangelnder Zuständig- keit der Reichsgewalt nicht zur Kognition gezogen 17. Die übrigen 40 wurden zum größten Theil mit Rücsicht auf die darin behandelten Gegenstände zur direkten Erledigung an die zuständigen Eisenbahnverwaltungen abgegeben.

Betroffen von Beschwerden sind überhaupt 24 Eisenbahn- verwaltungen.

Der General-Lieutenant von Voigts-Nhet, Ge- neralJnspecteur der Artillerie, ist von der im vorigen Monat zur Besichtigung der Fuß-Artillerie-Regimenter Nr. 3, 4 und 8 angetretenen Dienstreise hierher zurückgekehrt; ebenso der General- Lieutenant von Oppell, Commandeur der 2. Garde- JInfanterie-Division, von der Jnspizirung des 4. Garde- Grenadier-Regiments Königin.

_—_— S. M. S. „Niobe“, 10 Geshüße, Kommdt. Kapt. z. S. Koester, ist am 5. Juni cr. in Leith eingetrofferi.

_ Niederlande. Haag, 8. Juni. (W. T. B.) Die internationale Konvention, betreffend die polizeiliche Regelung der Fisch-rei in der Nordsee, ist heute auch von der Ersten Kammer genehmigt worden.

_ GroßFbritannien und Jrland. London, 8. Juni. (W. T. B.) Jn der heutigen Sißung des Unterhauses beantragte La wson die Ablehnung der Bill über die Dot a- tion, welche dem als Baronet Alcester in den Pairsstand er- hobenen Admiral Seymour gewährt werden soll. Lord Churcill erklärte: er habe Grund, zu glauben, daß der Khedive selbst die Unruhen in Alexandrien angezettelt habe, um Arabi Pascha bei der Pforte in Mißkredit zu bringen. Der Premier Gladstone wies jedoch diesc gegen den Khedive erhobene Beschuldigung auf das Bestimmteste zurückd mit dem Hinweis darauf, daß dieselbe durch die in den T der englischen Regierung befindlihen Beweisstücke voll-

ändig widerlegt werde. Die Debatte wurde hierauf vertagt.

Frankreih. Paris, 7. Juri. (Fr. Corr.) Der heutige Ministerrath seßte dieWahlen für die General- räthe auf den 29. Juli und die Stihwahlen auf den 5, August fest. Durch die Bestimmung dieses Datums wird es so gut wie gewiß, daß die Kammern zum 14. Juli auseinander gehen und sih bis auf Weiteres vertag-n werden, da die An- wesenheit der Mitglieder des Parlaments, die gleichzeitig Ge- neralräthe sind, in ihren Departements während der Wahl- periode nothwendig ist.

(Köln. Ztg.) Die Königin von Portugal, Maria Pia, ist mit ihren beiden Söhnen Karl und Alfons auf der Reise nah Rom in Marseille eingetroffen. Der Marine-Minister hat dem im Kriegs - Ministerium ausgearbeiteten Geseßentwurf über die Kolonialarmee seine Zustimmung ertheilt. Admiral Meyer, welcher nah Eintresfea Courbets mit seinem Geschwader nach den chinesischen Gewässern fahren soll, hat dem Vernehmen nah, um allen Möglichkeiten zuvorzukommen , Befehl, die chinesischen Kriegsschiffe, die sich in der Rihtung nah den von den Franzosen beseßten Küsten zeigen sollten, an der Weiterfahrt zu verhindern.

9. Juni. (W. T. B.) Nah Berichten aus Shan- ghai ist der neue französische Gesandte für China, Tricou, am 7. Juni dort angekommen und hat gestern mit dem Generalissimus Li-Hung-:Chang konferirt, welcher beson- dere Vollmachten erhalten hat. Tricou wird dort mehrere Tage verweilen. Der frühere französische (Gesandte Bourrée ist gleihfalls 1n Shanghai eingetroffen und wird am 13. Juni nah Frankreih abreisen.

Türkei. Skutari, 8. Juni. ({W. T. B.) Das Pulvermagaazin der Festung wurde von einem Blißtz- \hlage getroffen und in die Luft gesprengt; auch ein Theil des Bazars ist zerstört. Die Zahl der durch den Unglücksfa!l ie oder zu Schaden gekommenen Personen ist sehr er- ebli.

_ Gerbien. Belgrad, 8. Juni. (W. T. B.) Nach Meldungen hiesiger Blätter ist ein italienischer katholisher Missionär, welcher den beim Bau des Ripaintunnels beschäftigten Arbeitern die Beichte abnahm, ermordet worden; alle zur Ermittelung des bis jeßt unbe- kannten Mörders erforderlihen Maßregeln sind im Gange.

Nußland und Polen. St. Petexsburg, 9. Zuni. (W. T. B.) Wie der „Regierungs - Alzeiger“ meldet, ist Prinz Friedrich Carl von Preußen zum Chef des 6, Libauschen Jnfanterie-Negiments ernannt worden.

Am 10. d. M,, als am Tage des Einzuges der Majestäten in St. Petersburg, werden auf dem Mars8- felde und im Alexanderpark Volk sfeste stattfinden. Fn mehreren Stadttheilen werden Vieusikcorps spielen; Abends findet eine Jllunmination statt.

Durch einen Kaiserlihen Befehl wird der Transit ausländisher Waaren durch den Kaukasus ver- boten. Der für die Häfen am Schwarzen Meer und für Transkaukasien bestimmte Naffinadezucker ist fortan mit 2 Rbl, 50 Kop. per Pud zu vexzollen.

Moskau, 8. Juni. (W. T. B.) Gestern Abend fand bei dem päpstlihen Krönungsbotschafter, Kardinal- Erzbishof Vannutelli, ein diplomatishes Diner und nah demselben großer Empfang statt. Nahezu sämmtliche Mitglieder des diplomatishen Corps sowie die russischen Minister und die höchsten Kof- und Siaatsbeamten nah- men daran Theil. Heute Abend hält der franzö- sische Krönungs- Botschafter Waddington einen allgemeinen Empfar:g ab. Der Kaiser empfing heute alle außerordentlihen Botschafter und Vesandten in Abshhiedsaudienz. Für heute Abend sind der hiesige General-Gouverneur, die Adelsmarschälle, der hiesige Vürger- meister und der Vorsißende des Zemsiwo zu einer großen Festtafel in den Kreml geladen. Die Krönungs- festlihkeiten {ließen morger: offiziell mit Abhaltung der großen Truppenrevue, nah welcher der Kaiser und die Kaiserin die Rückreise antr2ten. -— An die Botschaster und Gesandtschaften und deren Mitglieder sind sehr zahlreiche Ordensverleihunugen erfolgt.

9. Juni. (W. T. B.) Gestern Abend fand auf der deutshen Boischaft das vierte Galadiner statt. Unter den eingeladenen Gästen befanden sih der päpstlihe Nuntius Vannutelli, der französiswe Krönungsbotschafter Waddington, die russishen Minister Deljanow und Rabokoff, der chinesische Botschafter, Marquis Tseng, der türkishe Krönungsbotschaster, Server Pascha, General Nosenbach, Beheimrath Katkow und der amerikanishe Admiral Baldwin. Zur Rechten des deutshen Botschafters saß Waddington, zur Linken Vannutelli. Die preußishe Krönungsmission kehrt heute Abend nach Berlin zurü.

Amerika. New-York, 6. Juni. (Allg. Corr.) Die republikanishe Konvention von Ohio hat in Co- lumbia unter dem Vorsiß des Senators Sherman getagt. Das von einem Ausschusse entworfene Programm der Kon- vention billigt Präsident Arthurs Verwaltungspolitik und be- fürwortet auc angelegentlich die Einführung eines Schußzoll- tarifs. Die Führer der irishen Nationalliga haben von Chicago aus einen Aufruf an die irishe Race am Bei- träge für den Parnellfonds erlassen.

Asien. Persien. Teheran, 6. Juni. (Allg. Corr.) Der S ch a h wird troß aller Opposition in der nächsten Woche die beabsichtigte Pilgerfahrt über Maganderan nah Mesched an- treten. Er wird ein militärishes Gefolge von 1500 Reitern, zwei Regimentern Fußvolk und zehn Berggeshüßen haben.

Zeitungsftimmen.

Die „Baugewerkszeitung“ äußert sich über das Krankenkassengeseß, wie folgt:

Der leyte Mai d. I. hat im voUbeseßten Reichstage mit großer Majorität ein Geseßzur endgültigen Annahme gefördert, welches in seinen Wirkungen gewiß dem sozialen Frieden und der Hebung gewerblicher Verhältnisse dienen wird. Die große gewerbliche Bevölkerung wird nach Einführung des Krankenkassengeseßzes vieler Noth enthoben werden, weil künftig die häufigste Ursache des wirthschaftlichen Verfalls die zeitweise Erwerbsunfähigkeit fortfallen wird. Alle gewerblichen Arbeiter werden künftig gegen Krankheit versichert sein, denn das Gese führt Versiherungszwang unter Heranziehung der Arbeitnehmer und Arbeit- geber ein. Nebeneinander werden künftig Gemeinde- und Orts- kranfenkassen, Innungs-, Fabriks-, Bau- und andere Krankenkassen bestehen. Das Gesetz iff ein viel angefochtenes zu nennen. Die Sozialdemokraten, welhe am liebsten nihts zu Stande kommen lassen, weil dann die Unzufriedenheit mit den be-

stehenden Verbältnifsen am meisten wahsen und zunehmen würde, haben dagegen geftimmt, ebenso die große Partei unserer Manchestermänner, welche darüber, daß sie die ewige Seligkeit schon für dieses _irdishe Dasein dur jedes Geseß erlangen mödten, das positive Schaffen ganz vergessen. In berechtigte Konkurrenz sind bei der Berathung die sogenannten Berufskrankenkassen getreten, aber niht durhgedrungen. Wer die langen und doch vielleicht zu kurzen Verhandlungen im Reichstage genauec verfolgt hat, wird die mancherlei Gebrechen des neuen Gesetzes uit untershäßen, aber jedenfalls aner- kennen, daß die neue Institution als ein guter Ayfang auf dem Ge- biet der Sozialreform betrachtet werden darf.

Die „Elberfelder Zeitung“ schreibt:

„Ueber das in unserem Parteileben eine so große Rolle spielende amerikanishe Schweineswmalz wird aus New-York dem „Standard“ gemeldet, daß dasselbe vielfah mit Oleomargarin, Stearin, Baum- wollsaamenöl, Talg und Tenaalba verfälscht ist; durch einen in der betreffenden Händlerbranbe in Chicago ausgebrowenen Streit ift diese Sache an das Tageslicht gekommen. Unsere Freihändler kämpfen also jeßt nit nur für die wohlfeile Trichine, sondern auch für das wohlfeile Oleomargarin u. \. w. des armen Mannes.“

_— Zur Annahme der Kanalvorlage bemerkt die „Köln ische Zeitung“:

„Es ist ein wohl bisher in der Geschichte unseres parlamenta- rischen Lebens einzig dastehender Fall, daß Besclüsse einer Kom- mission des Hauses vom Plenum desselben mit solcher Entschiedenheit verworfen worden sind. Unzweifelhaft ist an diesem günstigen Aus- gange jene Bewegung nicht ohne Einfluß gewesen, welche aus den Bolkskreisen heraus gegen die Kommissionsbes%lüsse hervorging und welche das Abgeordnetenhaus vor dem Schicksal bewahren sollte, eine gem Samoa - Beschluß des Reichstags ähnliche Entscheidung zu assen.“

Fn der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“

lesen wir: Was Fahrbuc für die Statistik Bremens bringt Mittheilungen über den Handels- und Schiffsverkehr Bremens im Jahre 1882. Vergleicht man die gemachten Angaben für Ein- und Ausfuhr vom leßten Jahre vor der Tarifreforra, also 1878, wobei zu berüsichtigen sein dürfte, daß die hon in jenem Jahre beginnende BVorverprovian- tirung die Einfuhr nach Bremen zur Wiederausfuhr nach Deutsch- land gesteigert haben wird, so ergiebt sih eine erhebliche Steigerung des Werthumsaßes, welhe zeigt, daß auch in Bremen die vorhergesagten \{chlimmen Wirkungen der neuen Handelspolitik eben so wenig eingetroffen fird, wie für Hambura, was für letteren Play erst kürzli dargelegt wurde. Es betrug 1878 die Gesammteinfuhr 441,2, 1882 dagegen 500,3 Mill. Mark, diefelbe stieg also um 13,49/. Die Ausfuhr, welche 1878 431,4 Mill. Mark betragen hatte, stieg 1882 auf 482,2 oder um 11,8%. Die Einfuhr aus Europa hob sih um 2,3%, die aus transatlantischen Ländern dagegen nur um 42%, wohingegen die europäishe Ausfuhr nur um 21, dagegen die transatlantisbe um 59% sich steigerte. Von der Cinfuhr entfielen auf das deutscbe Zollgebiet 1878 110,2 Mill. Mark, 1882 147,5 (-+ 33,69/0), auf das übrige Europa 106,5 resp. 118,7 Mill. Mark(+ 1139/6), auf die VereinigtenStaaten158,6 resp. 149,2Mill.Mark (— 5,7 9/0). Dagegen entfielen von der Auéfuhr auf Deutschland 1878 245,4 Mill. Mark, 1882 dagegen 246,8 (+ 0,6 9/0); auf das übrige Europa 115,1 resp. 122,6 (+ 6,6%) und auf die Vereinigten Staaten 56,6 resp. 91,1 (+ 60,9 9/0). Es zeigt sich also in Bremen speziell eine Zunahme des deutschen Exportes. Im Vergleiche mit dem unmittelbaren Vorjahre nahm die Einfuhr aus Deutschland um 36, die aus den Vereinigten Staaten um 3,08 Mill. Mark ab, während die aus dem übrigen Europa um 1,9 Mill. Mark \tieg, die Ausfuhr nach Deuischland sank um 19,1, die nach dem übrigen Europa um 29,7 Mill.,, während die nach den Vereinigten Staaten um 4,3 Mil. stieg.

Ferner :

Fn verschiedenen Blättern, namentlich auch im „Hannoverschen Courier“, finden wir folgende Notiz:

__ Das abgelaufene Wirthschaftejahr 1882/83 war füc die preu- ßishen Forsten weder in Betreff des pekuniären Ertrages, noch hin- sichtlich der Vegetations- und fonstigen wirthscaftlihen Verhältnisse ein günstiges. Diese Klage kommt aus fast sämmtlichen Theilen der Monarchie, besonders aber aus dein Regierungsbezirk Aachen, namentlich den Eifelgegenden desselben. Ungeachtet der eifrigsten Bemühungen war der nachhaltige Materialeinshlag der Forsten nur zu sehr mäßigen Preisen zu veräußern. Die Nachfrage na Holz blieb fast überall hinter dem Angebote zurück. Zudem machte das Ausland den werthvollen Sortimenten, dem Eichen-Stammholze, dem Schicht-Nußholze und der Gerberlohe so erhebliche Konkurrenz, daß der fiskalisbe wie der Gemeindewaldbesiß darunter {wer zu leiden hatte. Tro dieser und anderer Schwierigkeiten hat der Staats- wie der Korporationss Waldbesitz doch seine volkswirthschaftliche segensreide Bedeutung für die Bevölkerung bewährt. Denn wenngleich bei der ungünstigen Lage des Holzmarktes das finanzielle Ergebniß nur ein mäßiges sein konnte, erlitten die wirthschaftlihen Maß- nahmen in den Staats- und Gemeindeforsten, die Ausführung der nöthigen forstlihen Meliorationen, die Wegebauten 2c. Dank der staatlichen Fürsorge doch keine Einbuße, dieselben schritten vielmehr ungestört weite. Es gewährten die Forsten der um dieselben wohnenden, meist dürftigen Bevölkerung reichen Verdienst und trugen so wesentli dazu bei, den Anwohnern der Eifelreviere ihre mißlihe materielle Lage zu erleichtern. Wurden doch in dem leßten Wirth- \caftsiahre allein für Holzwer:bung, Kulturen und Wegebauten ca. 300 090 6 verausgabt, ein ganz und gar der ländlichen Arbeiter- bevölkerung zu Gute kommender Betrag, der 200 000 Tagelöhne zum Saze von 1,50 6. repräsentirt.

_ (5s freut uns, den „H. C.“ wenigstens nachträglich unter den Blättern zu finden, die threr Lesern Material zur Begründung der Nothwendigkeit einer Erhöhung der Holzzölle vorlegen, denn das werden si die Leser des „H. C.“ doch wohl selbst sagen müssen, daß, sollte die ungünstige Rentabilität der Staats- und Gemeinde- forsten dauernd anhalten, beide Kategorien niht mehr lange im Stande fein werden, die so warn geschilderten segen8reihen Auf- wendungen in Bethätigung ihrer „volkswirthschaftlihen segensreichen Bedeutung“ zu machen.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Ne. 23. Inhalt Zoll- und Steuerwesen: Zolltarifirung bei Gemengen von Getreide- arten. Verwendung von Melilotenblüthen zur Herstellung von Tabaffabrikaten. Befugnisse von Zollstellen, Marine und Shiff- fahrt: Erscheinen eines weiteren Heftes der Entscheidungen des Ober- Seeamts und der Secämter. Konsulatwesen: Ernennungen. Frequaturertheilungeu. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reicbsgebiete.

Centralblatt für die gesammte Unterrih1s-Ver- waltung in Preußen. April-Mai-Heft. Inhalt: Ministe- rium der geistlihen 2c. Angelegenheiten. Anrechnung der in den W. 18 und 19 des Pensionsgesezes gedachten Dienstzeiten bei Fest- [eung des Wittwen- und Waisengeldes. Verrehnung der Witt- wen- und Waisengeldbeiträge bei den unmittelbaren Verwaltur gen. Diensteinkommen der Unterbeamten bei den Provinzial - Schul- kollegien; Gewährung des Minimaleinkommens bei der Anstellung. Verrechnung dex dburchÞ Amtssuspensionen und Diszip!inarunter- \subungen der Staatskasse entstehenden Kosten auch bei den mittel- baren Staatsbeamten. Aufbringung der Stellvertretungskosten wäh- rend der Amtssuspension eines Schullehrers. Feststellung und Deckung der Zeugengebühren 2c. in: Disziplinaruntersuhungen. Staatsaus- gaben für öffentlihen Unterricht, Kunst und Wissenschaft. Bestätigung der Prorektor- bezw. der Rektorwahl an den Universitäten zu Königsberg und Greifswald. Betrieb des Turnens an ‘ven Universitäten und den technischen Hochschulen. Auë\ch{luß anderer als der vorgeschriebenen Censuren