1883 / 145 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 23 Jun 1883 18:00:01 GMT) scan diff

(D H 1 |

A E 2 E Le E O

j P | q / / f M j } D j ; | l

Taatlihen Befugnisse gegenüber der protestantischen Kirche eine besondere Behörde, die nur aus Protestanten zusammen- geseßt sci. Eine derartige katholishe Behörde zur Regelung der

jura circa sacra der fatholishen Kirche gegenüber in Preußen

würde den Katholiken der Antrag Virchow niht gewähren. Das Centrum stimme heute für den Art. 1 in der Kommi/- sionsfassung; derselbe genüge ja noch nicht, das Centrum hoffe aber auf eine baldige völlige Revision der kirhenpoli- tishen Gesetzgebung im Sinne des Friedens.

Der Abg. Dr. Virchow befürwortete seinen Antrag. Als er den Kommissionsberiht durhgegangen sei, hade er zu jener Freude gefunden, daß viele der von ibm und seinen Freun- den früher entwi@elten Ansichten darin enthalten feien. Den- noch& erfordere die Arbeit der Kommissicn noch weitere Abän- derungen und Zusäße, und wünsche cr, daß die Vorlage noh einmal in die Kommission zurückverwiesen würde. Er sei namentlich der Ansicht, daß niht immer nur Stückwerk geliefert, fondern daß die ganze Angelegenheit generell geregelt werden wüsse. Er habe stets cin milderes System befürwortet, und in ben meisten Fällen die Abnahme des geistlihen Amtes als das angemessenste Strafmittel betrachtet. Er halte es auch für ein höchst gesährliches Experiment, wenn man die kirhlihen Angelegenheiten nicht von gewissen allgemeinen Gesichtspunkten regele, fondern mit jeder einzelnen Kirche besondere Experimente anstellen wolle. Nedner citirte ent)prehende Artikel aus der zu Frank- furt a. M. seiner Zeit vereinbarten Verfassung, wonach keine einzige Kirche vor der anderen besondere Vorzüge haben sollte. Der Regierung könne feine Partei den s{werwiegenden Vorwurf nicht ersparen, daß sie auch gegenwärtig nichts thue, was dahin führen könne, für längere Zeit wenigstens einen Woffenstillstand herbeizuführen. Es bleibe foviel übrig, worüber die Herren vom Centrum fich zum Theil mit Rccht beschweren könnten, daß man wit Sicherheit annehmen müsse, daß die Agitation weiter bestehen werde unter Verhält- nissen, welhe unzweifelhast für die Agitatoren günstiger seien, als sür die Regierung. Man würde der Regierung sagen, sie habe den Katholiken viel, aber niht genug gegeben. Der LEultus-Minister habe auf alle Anfragen bezüglich neuer Unterhandlungen und neuer Konzessionen in der Kom- mission mit kühlem Schweigen, oder mit allgemeinen Be- merkungen geantwortet. Er wolle denselben au heute nicht weiter belästigen. Au den Minister-Präsidenten selbst würde er vielleicht eine Frage richten, denn dieser wäre ja wahrschein- ti in der Lage, etwas bestimmteres zu sagen. Wenn aber die Negierung noch niht wisse, wie weit sie gehen folle, welches Maß von Zugeständnissen sie gewähren solle, dann hâtte sie doch ein paar Monate bis zur neuen Session warten sollen, um genau festzustellcn, wie weit sie gehen dürfe, und niht neue Wünshe und Hoffnungen erregen sollen. Die tatholishe Kirche bereite sih in jedem Augenblicke, wo die Regierung neue Konzessionen mache, vor, diese so gut wie möglich auszubeuten. Das beweise der neueste Erlaß des Fürstbi: ofs von Breslau. Sonderbarer Weise stehe in dem Kon missionsberichte darüber nichts, obwohl ihm privatim er- zählt worden sei, daß die Frage in der Kommission berührt worden, daß aber vom Kultus-Minister keine genügende Er- kiärung ergangen fei, wie die Regierung diesem Erlasse gegenüber sih zu verhalten gedenke. Um fo mehr glaube er hier eine direkte Anfrage in diesem Sinne richten zu dürfen, Der Erlaß widerstreite an si der bestehenden Geseßgebung, und würde Gegenstand gerichtlicher Verfolgung sein können. Man habe aber nicht vernommen, daß die Regierung în 1r- gend einer Weise eingeschritten wäre, es würde aber für das Volk von beruhigender Wirkung fein, wenn die Regierung ein derartiges Verfahren verhindern wollte. Seine Partei habe nämlich die Vorstellung, da, wenn die Praxis des Fürst- vischofs allgemein eingeführt würde, daraus nichts weiter her- vorgehen würde, als daß dem Bischof eine Art von Kriegs- fasse zu bilden gestattet wäre für die Kriegführung der ecclesia militans, Diese Verstärkung der bishöflihen Macht stehe nach seiner (des Redners) Auffassung in diametralem Gegen- sah zum Jnteresse der Gemeinden und des Staates. Die Herren vom Centrum tiösteten das Haus damit, daß die Zahl der seßhaften Pfarrer niht vermindert werden würde. Dagegen spreche die Geschichte. Jn allen Kriegszeiten habe die Kirche mit solhen mobilen Corps operict. Wenn das Ge- sey werde, was hier proponirt sei, dann werde eine immer größere Zahl von regelmäßigen Pfarrern den Gemeinden ent- zogen werden, so daß. wenn diese Verhältnisse fortbestehen würden, nach einiger Zeit überhaupt keine anaestellten Pfarrer vorhanden sein würden, und s{chließlich eine Missionsthätigkeit eintreten werde, wie zur Zeit des heiligen Bonifazius. Das Centrum verweise auf das jus circa sacra, Er glaube ader nit, daß der Papst den König von Preußen auf dieselbe Stufe stellen werde, wie den Kaiser von Oesterrei. Dann heiße es : cine katholische Abtheilung fehle. Man wisse noch, mit welche:n Hohn und Spott Fürst Bismark diese Ab- theilung überschüttet habe, und wie derselbe sie ohne Weiteres aufgelöst habe. Der eiserne Fürst, wie man ihn im Auslande nenne, sci bekanntlich in neuerer Beit so biegsam geworden, wie ausgezeichneter Stahl. És sei shwierig zu wissen, ob derselbe bei seiner früheren Ansicht beharren und ob derselbe niht dem Centrum zu Liebe die fatholishe Abtheilung wieder herstellen werde. Darau? hin fönne man feine politishen Operationen vornehmen. Komme aber die katholische Abtheilung nicht, dann towmme auch niht das Benennungsrecht der Geistlihen, dann werde eine allmählihe Verödung der Nfarreien erfoigen, und die Umwandlung der unabseßbaren in abseßzbare Pfarrer. Dieses Verhältniß halte er für so bedenklih und gefährlih, daß das für seine Partei genüge, um vem Gesehentwurf, wie derselbe aus der Kommission hervorgegangen sei, ihre Zuslimmung zu versagen. Er bleibe dabei, daß die Regelung dieser D.nge nothwendiger Weise auf dem Wege der preußischen Geseh- gebung gejucht werden müsse, daß man von jeder jpeziellen Hereinziehung des Papstes in dic Verhandlungen Abstand nehmen müsse. Es sei das keine allgemeine Aversion gegen die Religion, wie man in der Presse glauben machen wolle. Man habe sogar behauptet, sein Verfahren erkläre sih blos daraus, daß er Freimaurer sei. Er habe nie die allerleisesten Beziehungen zum Freimaurerorden gehabt. Er sei nicht Frei- maurer, sei es nicht, und gedenke es auch niemals zu werden, wisse auh nichts von freimaurerishen Dingen und glaube, daß eine große Zahl katholisher Mitbürger darüber besser unterrichtet sei wie er. Fn Chemniß habe man sogar in einer These ausgesprochen, er wäre eigentlich ein Fude. Er roerde ein Urfprungszeugniß beibringen müssen, daß er aus einer alten christlihen Familie abstamme. Er bitte doch, daß die Herren von der Rechten ihren Einfluß dahin aufwendeten, daß wenigstens solYe A15wüchse abgeschnitten würden. Er

sei weder Freimaurer, noch Jude, noch Feind der katholischen Kirche, er sei aber ein Feind aller Privilegien; er hasse Mo- nopole und Privilegien, er wolle keine Vorrechte. Jnsofern stehe er ganz auf dem Standpunkt des Art. 17 der Frank- furter Verfassung. Er habe im Kulturka1apf stets diesen Standpunft eingenommen, und auch der Abg. Windthorst habe si ja bereit erklärt, mit ihm in dieser Frage Schulter an Schulter zu stehen. Seine Partei reservire sich freilich, das wolle er nit verbergen, so lange als überhaupt die pri- vilegirte Stellung gewisser Kirchen bestche, auch das Recht, diesen Kirchen bestimmte Vorschristen zu machen. Sein An- trag habe den Vorzug, daß derselbe diese Grenze nirgends überschreite. Er würde es fehr angenehm empsinden, wenn das Centrum nicht blos theoretisch seine Befriedigung über dieses Amendement aus\präche, sondern auh dasür stimmen würde. Seine Partei wäre gern bereit, die sih daraus er- gebenden weiteren Konsequenzen zu ziehen.

Der Abg. von Rauchhaupt erklärte, der Abg. von Cuny habe behauptet, daß die Konservativen die Vorlage lediglich) dem Centrum zu Liebe mundreht gemacht hätten. Nicht dem Centrum zu Liebe, sondern dem Vaterlande zu Liebe, und der katholishen Bevölkerung zu Liebe habe seine Partei der Vor- lage in dieser Form zugestimmt. Er begreife ja, daß die nationalliberale Partei einer Konzession, wie sie §. 1 gewähre, nach ihrem ganzen kulturkämpferishen Standpunkt, nicht zu- stimmen möchte. Die konservative Partei habe Bedenken gegen den Art. 1 gehabt mit Rücksicht auf den Ausdrudck der Amovibilität. Diese Bedenken seien durch die bündigen Er- klärungen der Herren vom Centrum genommen. Der Abg. Mosler habe in der Kommission erklärt, daß das kanonische Recht nur inamovible Pfarrer kenne. Seine Partei sehe den Zechts- {ut, den der Staat verlangen müsse, in §. 9 des Gesehes vom 11. Mai 1873, wonach ‘eine unwiderrufliche Stelle ohne Genehmigung des Staates in eine widerrufliche verwendelt werden dürfe. Diesen Rechts\hug wolle seine Partei nicht aufgeben. Auch besorge ec nicht, wie die Gegner des Geseßes, daß nah Annahme desselben die nationale Vorbi!dung der Geistlichen nit festgehalten werden werde. Diese Frage sei im vorigen Jahre im Einverständniß mit dem Centrum geregelt worden. Außerdem bestehe ja noch die Bestimmung der Maigeseße, wonach die Geistlichen unter Strase gestellt würden, welche nicht die Vorbildung und das Jndigenat besäßen. Man male hier nur Gespenster an die Wand, und er scheue fi niht, wiederholt und öffentlih es für gefährlich zu er- klären, daß man die Katholiken dieses Landes als Reichsfeinde behandelt habe, Er habe nie Zweifel an ihrer deutschen Ge- sinnung gehabt; die katholische Kirche habe ja auch gar kein Interesse daran, auch widerruflihe Geistlihe dem Staat nicht anzuzeigen ; wenr: sie es niht thue, und dem Ober-Präsidenten die Liste der Kap!läne mit der Unterlage ihrer geseßlichen Qualifikation niht mittheile, so würde sie sih der Gefahr ausseßzen, daß die Staatsorgane in einem ungeeigneten Mo- ment, vielleicht vor dem Altar, von dem Kaplan den Quali: fikationsnachweis fordern würden. Ebenso unbegründet se! die Befürchtung, daß die Zahl der widerruflichen Geistlichen nah Annahme dieses Gesetzes eine erheblihe Vermehrung erfahren würde ; die Herren, die das meinten, oerständen vom Wesen der Kirhe recht wenig. Glaube die Linke denn, daß cine Kirche wirklich in der Lage sei, auf die Dauer blos mit Hülfsgeistlihen und Stellvertretern zu be- stehen? Schon die Stellung des Geistlihen zu seiner Gemeinde erfordere cine gewisse Stabilität. Eine persönlihe Befanntschast mit den | Verhältnissen der Ge- meinde wäre nicht denkbar, wenn der Pfarrer nur vorüber- gehend in der Gemeinde wäre. Auch würden diese ein solches Verhältniß auf die Dauer sih nicht gefallen lassen, Die Ge- meinden sähen s ja au niht gern, wenn sie mit Wander- lehcern abgespeist würden. Ein letzter Einwand gehe dahin, daß durch Annahme diescs Gesetzes der kirchliche Friede ge- stört werden könne. Diese Befürchtung sei gleichfalls unbe- gründet. Man habe noch den Kanzelparagraphen, as Ex- patriirungs- und Jnternirungsgeseß, die Drohung der Amts- entlassung, das Einspruchsreht des Staates beim Parochus, so daß diz Hoffnung bestehe, daß man unfriedfertige Kapläre fernhalter. werde. Deshalb werde er gerade um des Friede13 willen den Artikel 1 und dicses Geseß aunehmen, wie es aus der Kom!nission hervorgegangen sei; er bitie daher das Haus, den Artikel 1 nach der Kommissionsvorlage anzunehmen.

Der Akg. Freiderr von Zedliß und Neukirh bemerkte, darüber, daß der Zweck der gegenwärtigen Vorlage ein durchaus erwünschter, cin solcher sei, bder sowohl im Jnterese des Staates als der katholishen Mitbürger sehr wünschen s- werth erscheine, könne in diesem Hause kein Zweifel bestehen. Die erhobenen Zweifel richteten sich lediglih gegen die Art und Weise, wie die Vorlage und insonderheit Art. 1 den Zweck zu erreichen gedenke. Jn dieser Beziehung müsse er allerdings in gewissem Gegensay zum Vorredner ret erhebliche Bedenken gegen den vorgeshlagenen modus procedendi geftend machen, und selbsi wenn die Voraus: schung, auf der der geseßgeberische Plan der Regierung beruhe, baß nämlih die Anzeigepflicht in dem aufrecht erhaltenen Um- fang erfüllt werde, verwirklicht werde, bleibe eine Reihe von Bedenken übrig. Es sei nicht zu verkennen, daß, indem die Erfordernisse dex Anzeigepfliht und die Konstruirung des Einspruchsrehts ledigli an das Vorhandensein eines Bene- fiziums, niht mehr an ein selbständig und verantwortlich ge- führtes Amt geknüpft würden, eine gewisse Tendenz zur Erleichterung dex Verflüchtigung der katholischen Seelsorge in amovible Aemter gegeben sei. Darüber könne auch die vom Abg. von NRauchhaupt gegebene Definition niht hinweg- heifen. Jhm und allen, welche vom kanonishen Reht auch nux oberflächlihe Kenntniß hätten, fei sie niht eben neu, aber ebenso sei nachgewiesen, daß von jener theoretishen Gestaltung des Rechts in der Praxis vielfah abgewichen fei, daß man stait der unabseßbaren Pfarrer die Verwaltung dur abseßbare Geistliche vorziehe. Der Kultus-Minister habe nun in der Kommission erklärt, daß nach dem Allgeraeinen Landreht die lose Stellvertretung in einem Pfarr- amte nah 14 Tagen inv. eine durch den Staat genehmigte Verwesung überzugehen habe. Aber es sei keinerlei Garantie dafür vorhanden, daß in ähnlicher Weise eine Auslegung des vorliegenden Geseßes nothwendig sei, daß nothwendig mit dem Ablauf einer bestimmten Frist auch die volle Pfarr- verwesung und somit die Benennungspflicht eintreten werde, im Gegentheil habe der Abg. von Jazdzewski in seinen lehr- reihen Erörterungen in der Kommission aus der Praxis den Nachweis geführt, daß außer der förmlichen Pfarrverwesung eine Stellrertretung in sehr zahlreichen Formen mehr oder minder douernder Natur bereits längst gebräuchlich sei. Die Gefahr also sei niht ausgeschlossen, daß in dieser

Weise die Einspraße des Staats illusorish gemacht werde. Die fatholishe Kirhe sei in der neueren Praxis vielfah vom fkanoniscen Recht abgewichen ; sie sei immer mehr im Begriff, abseßbare Pfarrer statt der unabseßbaren einzuführen, und so das Einspruchsreht des Staates illusorish zu wachen. Man habe auch keine Garantie dafür, daß der Papst nah Emanation dieses Geseßes erlauben werde, daß künftig die Benennungen stattfänden. Es sei au carakteristisch, daß der Abg. Windthorst in der Kommiision beantragt habe, das Einspruchsreht des Staates in Bezug auf die Pfarrverweser zu beseitigen. Wenn man also für das ge- fallene Einspruchsrecht des Staates keine shärferen Nepressions- maßregeln erhalte, um Geistliche, die den konfessionellen Frieden störten, aus dem Amte zu entfernen, so würden seine Bedenken gegen die Vorlage noch steigen. Er habe in der Kom- mission beantragt, daß abberufbare Geistliche wirklih abzu- bcrufen seien, wenn sie den Frieden gestört hätten. Der Mi- nister habe aber eingewendet, ein solher Antrag, dem derselbe materiell nit entgegentrete, passe nicht zum gegenwärtigen Friedenswerk. Es wäre viellciht richtiger, solche Maßregeln in ruhigen Zeiten zu machen nach dem Grundsaß si vis pacem, para bellum. Wenn nun noch dazukomme, daß die Herren vom Centrum dies Geseß nur als Abs{lagszahlung auf eine Funditus-Zerstörung der Maigeseßgebung betrachteten, begreife man wohl, daß es Vielen von seiner Partei {hwer werde, dem Gesetze, so wie €s sei, zuzustimmen. Seine Partei wolle nicht, daß das Vetorecht des Staates und das Recht, eine nationale Vorbildung der Geistlihen zu fordern, in den Sumpf der „organishen Revision“ versinke. N :

Hierauf ergriff der Minister der geistlichen 2. Angelgen- heiten von Goßler, wie folgt, das Wort:

Aus den Bemerkungen, welche ih die Chre haben werde Ihnen vorzuführen, beabsichtige ih alle diejenigen Gesichtspunkte auszuschcis den, welche niht im näheren Zusammenhange mit dem Art. 1 der Vorlage stehen; ih thue das um so mehr, weil die bisherigen De- batten mit hinübergegriffen haben über den unmittelbaren Rahmen der einzelnen zur Diskussion stehenden Bestimmungen, und weil ich, wie ih besonders in der Kommission ausgeführt habe, die gegenwärtige Vorlage für geeianet halte, mehr die Gegensäte auszugleichen, als die Ver- \ciedenhciten zu \härfen. Ich werde mir in diesem Zusammenhange auch versagen, auf eine Reihe von einzelnen Ängriffen, die gegen Ausfül-rungen, die meinerseits gemacht worden, crhoben sind, cinzu- gehen, namentlich die alte Streitfrage wieder zu erörtern, was eigent- lid das österreihisde Geseß für ein System verfolge, insbesondere ob es Überhaupt identifizirt werden könne mit dem Antrage, welcher den Nawen Virchow und Genossen trägt. Ferner versage ih mir, so interessant es auch wäre, und wennglei i bci anderer Gelegenheit diesen Punkt gerue erörtern würde, auf die Verfassungsurkunde, auf ihre Entstehung einzugehen, namentlich auf ihren Untersch:ed von der sogenannten deutshen Ver- fassungéurkunde. Ih möchte gegenwärtig dem Hrn. Abg. Virchow gegenüber nur bemerken, daß, wenn er seine Spezial- studien über den letzteren Punkt weiter ausdehnt, er niht außec Acht lassen möchte den fogenannten Entwurf der norddeutschen Königreiche, also von Preußen, Hannover und Sachsen; vielleicht indet er dann in diesem Entwurfe den Schlüssel, weshalb der von ihm beklagte Wegfall des Zusates der Frankfurter Verfassung bei der preußischen Verfassung eingetreten ist. Es ist sodann von demselben Herrn Abgeordneten die Frage au mib gerichtet, weshalb ich in der Kommission, und wie es scheint, auch im Plenum noch nicht Stellung genommen habe zur Verfügung des Fürstbishofs von Breslau vom März d. I. wegen der Interkalarien. Ich habe es in der Kommission nit ge- than, weil die Frage niht brennend war und weil ih auch dort Alles vermieden sehen wollte, was den Gang der Debatte hätte trüben fönnen, außerdem habe ich mich mit der Sae erst während der Kommissionsberathungen eingehend beschäftigt; au heute habe i eine Verfügung noch nicht erlassen, aber zur Beruhigung des Herrn Abgeordneten möchte ih doch anführen, daß, wenn ih aud anerkenne, vaß das Vorgehen des Fürstbishofs cinc rymptomatis@e Bedeutung hat oder haben kann, doch die Verfügung insofern nicht der Veraligemeinerung fähig ist, als fie beruht auf der cigenthümlichen Verfassung und den besonderen Institutionen der Diözese Breslau. Es handelt sih hierbei um feine Rechtsfragen und ich will in meinen jeßigen Aeußerungen auch so weit gehen, zu sagen, daß ich über einen erheblichen Theil der in Betracht kommen- den Rewtsfragen eine andere Meinung habe, als der Fürstbischof ; aber id leite hieraus nicht das Recht für mich ab, generell behaupten zu wollen, daß wir in dem Fürstbishöflihen EGrlasse einer großen, vorbedahten allgemeinen Aktion der Bischöfe gegenüber stehen, denn, wie ich wiederhole, die Verfassungen der verschiedenen Landestheile, namentliÞ aud der neu erworbenen Landestheile sind ganz andere, als die von Schlesien. Dies näher nachzuweisen, bin ih bereit, in einer sachlichen Diskussion zu thun. Hier will ih dies nur andeuten, \preche es aber aus, um zu erkennen zu geben, daß ich mi vor solchen Diskussionen nicht s{eue.

Von den Ausführungen der Herren Vorredner waren mir von besonderem Interesse diejenigen des Vertreters der nationalliberalen Partei, und ih glaube, an dem Eindruck festhalten zu sollen, daß, wenn er auc sehr scharf mit der Kritik gegen die Regierung vorgegangen ist, doch eine große Anzahl von Vereinigungspunkten übrig bleibt, ja daß sogar ein erhebliher Theil seiner Ausführungen eigentlich hat zu dem Scluß führen müssen, daß er sich auf den Boden der Vorlage hâtte stellen sollen oder können. Seine allgemeinen Ausführungen waren allerdings zu Gunsten der Regierung nicht vielversprehend. Der Herr Abgeordnete erkannte zwar auf der einen Seite durchaus billigend an, wenn die Regierung sich mit dem Papst verständige, aber er warf auf der andern Seite der Regierung vor, daß sie die Unterhandlungen mit dem Papst nicht abgebrochen habe. Dieser Widerspruch trat allerdings in verschiedenen Theilen der Rede hervor, aber ih habe hier die Antithese \carf hingestellt und zweifle nicht, daß der stenograpbische Bericht die Nichtigkeit meiner Wahrnehmung bestätigen wird. Das, was ih in der Kommission gesagt habe, kann ih nur wiederholen ; es {weben nicht, wie der Herr Abgeordnete anzunehmen geneigt scheint, Spezial- verhandlungen zwischen Regierung und Kurie über bestimmte Ent- würfe, Vorlagen u. dergl., sondern wir haben es mit gewöhnlichen und üblichen Unterhaltungen, wie sie bei ständigen Gesandtschaften üblich und selbstverständlih sind, zu thun. Es if die preußische Gesandtschaft bei der Kurie nit eingerihtet worden, um über die gegenwärtige oder ähnlihe fkirhenpolitiswe Vorlagen Unterhandlungen zu führen, sondern um überhaupt die Beziehungen zu pflegen, welhe zwishen zwei Mächten bestehen. Daß bet Pflege dieser Beziehungen zwischen den beiden Mächten auch wichtige kirchenpolitische Fragen in den Kreis der Diskussion gezogen werden fönnen, ist naturgemäß, und ih weiß nit, wie man von mir die Erklärung erwarten kann, daß der preußishe Gesandte dann, wenn fkicchenpolitishe Angelegenheiten nochmals zum Gegenstand der Unterhaltung gemacht werden sollten, antworten werde: ich bin angewiesen, zu shweigen. i :

Eine andere allgemeine, meines Erachtens in sih widerspruchs- volle Bemerkung war die, daß der Inhalt des Art. 1 sich in der Note vom 5. Mai ganz gut gemacht habe, aber als Mittel zu selbst- ständigem gesetzgeberishen Vorgehen nicht geeignet, die gegenwärtige Vorlage also zu verwerfen sei. Ih möcbte dies nicht bekennen und ih glaube festhalten zu dürfen an der Ansbauung, daß, wenn die Regierung etwas für nüßlich hält im Interesse ihrer eigenen Unter-- thanen, sie sich dur eine auswärts stehende Macht nicht zwingen lassen foll,. es nicht zu thun, und ih glaube, eine solche sich selbst festlegende Aktion werden die Herren, auch wenn Sie von ihrem eigenen Stand? punkt aus die Sache nah der politischen Verantwortung prufen, nicht gut heißen. : S

Derselbe geehrte Herr Abgeordnete wies auf den Unterschied der:

Lage hin zwischen Preußen und andere Staaten, indem er in dieser Deduktion anerkannte, daß zwar der materielle Inhalt des Art. 1 an und für \sich gar nit so übel sci, aber deëwegen erheblicben Be- denken unterliege, weil es an ciner fkirchlicen Anerkennung fehle oder demnächst do fehlen werde. Der geehrte Herr Abgeordnete hat hierbei aber Oesterreich vergessen ; Oesterreich hat auch nit vorher gefragt, ob diejenigen Bestimmungen, welbe in den 88. 2 bis 10 u. f. w. des Gesetzes 1874 erlafsen worden sind, die Billigung der römischen Kurie finden werde oder nicht. Schlicßlih ift doch dem Gesetze Folge gegeben.

Mit dieser etwas pecssimistischen Erörterung hat der Herr Ab- geordnete aber denjenigen Punkt bereits berührt, den er als den Angelpunkt seiner Erörterung hbinstellt, indem cr nämli zu erkennen gab, er würde der Regierung auf dem betretenen Wege folgen können, wenn sie ihm die Garantie gäbe, daß nah Erlaß des Gesetzes die Besetzung, die Benennung in Anfebung der fest zu besctenden geistliden Aemter eintreten würde.

Meine Herren! Wenn Sie wollen, ift das das Ei des Kolumbus ; Sie können auf die gestellte Frage keine Antwort geben und ih gebe sie auch nit, kann fie aub uit geben, aber um deßwillen gleihsam in eine Sackgasse sich festrennen zu lassen und so lange ab- zuwarten, bis von der anderen Seite eine Garantie dafür gegeben wird, daß ic die preußischen Bischöfe auf den Standpunkt der Vor- lage, wenn sie Gese wird, stellen werden, ein solch-s Ver- fahren fönnen Sie auch von Ihrem Standpunkte nicht cmpfehlen. Und wenn selbft das gewünshte Versprechen gegeben werden sollte, so haben Sie immer noch nit die dauernde Sickerheir, daß das Versprechen niht einmal zurüÉgezogen wird, etwa weil aus irgend einem Grunde die Vorautseßzungen für das NVersprecen als nicht erfüllt angesehen werden. Die vom Hrn. Abg. von Cuny aufgeworfene Frage hat sich die Staatsregierung selbst- verständlich mit allem Ernst vorlegen müssen, ob sich dic Kurie auf den Standpunkt der Vorlage stellen wird, oder niht aber auch bei einer Verneinung der Frage hat die Staats- regierung niht zögern zu dürfen geglaubt, daß sie das, was sie für richtig hält im Interesse des Fricdens des eigenen Landes, auch dem Landtage zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorschlägt und abwroartet, was sih aus diesem Vorgehen bier im Landtage und darüber hinaus entwidelt. Wollte man einer anderen Auffassung folgen, würde man Gefahr laufen, in eine falshe Stellung gegenüber dem eigenen Lande zu gerathen, und würde politisch sich festlegen müssen auf einem Gebiete, auf dem doch nur mit geistigen Mitteln verkehrt werden fann und auf dem dann auch eine Debellation nicht zum Ziele führen würde.

So viel ift klar, daß, wenn die Vorlage angenommen wird, im Großen und Ganzen nah Auffassung der Staatöregierung ein Zu- stand eintritt, der zwar den volisiändigen Frieden noch nicht in sih ließt, aber cinem friedentähnlichen Zustand sehr nale konmt. Wir werden auf den wicbtigsten Gebieten der fstaatlicb-kirchlicven Beziehungen zur Ruhc gelangen und werden dann mit fehr viel p Verständniß an die Erörterung anderer Fragen hecantreten

önnen.

Es ist von dem Hrn. Abg. Dr. Vir&wowo der Vorwurf erhoben worden, ich kann ihn wohl glei hier im Zusammenhang erledigen daß die Negierung darin cinen Fehler gemacht habe, daß sie nicht in vollem Umfarg das Programm über das, was sie in der kirchen- politischen Sn der Abänderung für fähig erachtet, aufstellt. Ich gebe gern zu, daß bei der Gründlichkeit, mit der wir in den Parlamenten arbeiten, es manbe Vorzüge hätte, wenn wir das ganze Programm aufstellen und erledigen könnten, Wenn Sie aber, meine Herren, die Güte haben, \sich zu erinnern an die Entwidtelung der letzten Jahre und an sich selber zu prüfen diese Prüfung habe ih auch an mir selber vornehmen dürfen und müssen wie {wer cs gewesen ift, übec rine ganze Reihe von Fundamentalpunkten, über die heute große Unterschiede niht mehr bestehen, vor verhältnißmäßig kurzer Zeit sich überhaupt zu verständigen: hätten Sie es für möglich gehalten, daß wir im Jahre 1880 eine Voríage hätten bringen können, in welcher die Anzeigepflicht in der Regelung Ihnen vorgeführt wäre, wie heute ? Und die Vorwürfe, die Sie gegenwärtig gegen die Vorlage er- heben, -—— wenn Sie Ihre eigenen Erklärungen ansehen find ja eigentlich nicht mehr fundamentaler Natur, wie es früher der Fall war, wo dex Regierung vorgeworfen wurde, sie lege die Axt an die Wurzel des ganzen jtaatskirhlihen Gebäudes, sobald nur die Frage nah der Benennuygépflicht gestreift werde; vielmehr find es Einwendungen aus Oppertunitätsrücksichten, welhe erhoben wurden, wie von dem Hrn. Abg. von Zedlitz und den beiden Herren Ad5çeordneten von der linken Seite des Hauses. Sie wollen doch, wena Sie ihre eigenen Auslafsungen sich vergegenwärtigen, anerkennen, daß wir uns erheblich genähert haben. Ich will nun nit mit Bezug auf die Vorlage sagen, in der BeschränZung zeigt si der Meister, aber ih habe bereits im vorigen Jahre ich glaube niht mit Un- recht darauf aufmerksam gemacht, daß in der That die Beschränkung auf cinzelne bestimmte, konkret zu bebandelnde Aufgaben, die allerdings na ihrer brennenden Natur von der Regierung flassifizirt worden sind, die zweckmäßigsten Mittel und Wege darbietet, um zu einer gemeinsamen Aktion zu gelangen. VBereuen Sie etwa die vorjährige Vorlage ? Das kann ich von mir auch nach einjähriger Erfahrung nicht sagen ; auch die linke Seite des Hauscs wird pvicht behaupten wollen, daß mit derx vorjährigen Vorlage irgend ein erkennbarer Schaden ein- getreten wäre. (Zurufe links.) Dann haben Sie vielleicht die Güte, cs mir zu sagen; ih würde Ihnen dankbar sein für dic Be- Ilchrung.

Ich gehe nun auf den anderen Theil der Erörterungen über, in- dem ih namentli den Betrachtungen des Hrn. Abz. von Zedlitz folge und klar zu machen suche: welcher Zustand tritt ein, wenn die Benennung in Änsehung der definitiv zu bescßenden geistlihen Aemter nicht erfolgt? Zunächst kann darüber meines Erachtens kein Zweifel bestehen, daß aus dem Vorgehen der Staatsregierung und namentlich wenn die Vorloge Gesetz wird, jedenfalls cin aligemeiner politischer Gewinn sich ergiebt, der sich überhaupt nicht mehr aus der Welt schaffen läßt, nämlich der, daß die preußishe Staatsregierung in ciner unverkennbaren und nicht auslöshbaren Weise bezeugt, daß sie ein warmes Herz für die Auffassung ihrer katholischen Staats- angehörigen hat. Und die Staatsregierung hat sih deshalb bei der Ausarbeit1ng des a von der Ueberzeugung leiten lassen, daß sie den Gesetzentwurf so einzurichten hat, daß einmal die Seelsorgenoth beseitigt und hiermit das unbequemste Agitationsmittel aus der Welt geschafft wird, und zweitens daß, was die organische Regelung betrifft, dieselbe nah erprobten festen Prinzipien in einer Form erfolge, welche au nach dem fkatholishen Bewußtsein, nach den Erfahrungen unserer eigenen Vergangenheit, nah den Ecfahrungen anderer Staaten mög- lich und erträglih ist, Jch gebe hierbci willig zu, man kann nah geistreicheren Gesichtspunkten solwe Gesetze machen, aber gerade darin habe ich immer eine gewisse Gefahr in der kirchenpolitischen Gesetz- gebung gefunden, daß man versucht hat und auch heute noch gern ver- sucht, etwas neues und theoretisch vollkommenes zu erfinden. Jch bin dagegen der Ar.siht un soweit ih Einfluß auf diese Angelegenheiten gewonnen, und soweit ich felbst mir die Linie für meine Verantwortung gezogen, habe ich das immer betont, daß man so weit als möglich einmal anfuüpfen muß an dasjenige, was wir in unserem Vaterlande gehabt haben, s\ci es in den alten Landestheilen, sei es in den neuen, und zwar in den neuen oft in recht ausgiebiger Weise bis zu einer Zeit, die erst kurz hinter uns liegt, bis zum Oktober 1867, und daß wir ferner niht außer Acht lassen dürfen, was in anderen koustitutio- nellen Staaten des Kontinents, die mit uns gleichartige Verhältnisse haben, Rechtens und in Uebung ist. Jch räume ein, das ist nicht geistreih, aber in dieser Auffassung liegt meiner Ansicht nach ge- sunder praktischer Sinn, der mehr Erfolg rerspricht, als tkeoretische Neuschöpfungen, und au unsere katholische Bevölkerung wird es verstehen, daß wir nicht immer nach neuen Aufgaben und ncuen For- men suchen, sondern daß wir die Frage so zu lösen suchen, wie sie zu anderen Zeiten oder an anderen Orten bereits gelöst sind.

Und weiter, meine Herren! Wenn sich die Kurie nicht auf den Standpunkt der Vorlage stellt, so ift jedenfalls klar zu überschen, daß

na der kathols{-kir{lichen Seite bin Schwierigkeiten eintreten wer- den, wie auch {on Hr. von Rauchhaupt richtig hervorgehoben hat, und was ih aub von meinem Standpunkte aus bestätigen kann. Die Sorge besteht lebhaft in schr gut katholisden Kreisen, namentli auch in den Kreisen der Gemeinden und des Klerus, daß, wenn nicht auf dem Boden der Vorlage bczw. des zu erhoffenden Gesetzes die- jenigen Zustände eintreten, die mir alle hoffen, sich in der That große Unzuträglichkeiten für die fkatholisde Seelsorge selbst ergeben werden. Man fkann nicht verkennen, daß in einzelnen Diözesen eine große Unlust bei den Bischöfen bestanden hat, die Pfarrämter definitiv zu besetzen, und daß cinc bestimmte Richtung mchrfach dahin gegangen ist, den Kuratklerus immer mehr unter die Hand des Bischofs zu bringen, wie ich oics bereits in der Kommission auseinaydergeseßzt habe, und wer si über die leitenden Gedanken belehren will, der lese den Briefwecbsel des Kardinals Geißel nah; da wird er aub den Schlüssel zu dicsen Vorgängen finden.

Ich erkenne daber an, daf in der Vorlage eine gcwisse Gefahr für die katholischen Geistlichen und Gemeirden liegt. Es liegt einmal in unseren deutschen Verhälinissen begründet. daß die Gemeinden an ihren festangestellten Pfarrer hangen und daß auch der deutsche fatbolis%e Geistliche den irnigen Wunsch beat, in einer physisch begrenzten Gemeinde zu wirken, init derselben in ein inniges, festes, dauerndes Verhältniß, das ja auch unter dem Bilde der Che aufgefaßt wird, zu treten. Ich erkenne auf der an- deren Seite auch weiter an, daß aus ter Nichtausführung des Art. 1 Nachtheile für den Staat eintreten können, in welcher Richtung und in welchem Umfange, das will ib bier nicht spezialisiren, weil es sonst hieße, den Teufel an die Wand malen. Aber immerhin fragt fich, wie Hr. von Raucbhcupt vorhin {hon argedeutet hat: was thut denn der Staat, wenn auch für ihn s{hwe:e Nachtheile cintreten ? Es giebt zwei Mittel: entweder wendet er den §. 18 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 an, und ib bitte, nicht zu vergesjsen, daß an diesem 8 18 der ganze Streit mit den Bischöfen erwachsen ist; nach dieser Richtung hin würde also eine gewisse Garantie schon gegeben sein. Wollte man aber aus irgend einem Grunde von dem §. 18 nicht in odium der Bischöfe Gebrauch machen, so würde allerdings, glaube ich, die weitere ernste Frage an die Staatsregieruug treten: ist es denn überhaupx noch möglih, auf dem Boden stehen zu bleiben, der ein positives Zusamnienwirken zwischen Staat und katholischer Kirche zur Vorauésetzung kat? Oder: ist cs nothwendig, dann den Haken, an den der ganze kirchenpolitishe Konflikt gehängt ist, zer- brechen zu lassen und die Benennungspflicht über Vord zu werfen.

Meine Herren ! Heute habe ih keinen Widerspruch, als ich diese Worte gesagt habe, erfahren, und vor drei Jahren das werden die Herren mir zugestehen -— würde allseitige Ueberraschung eingetre- ten sein. Heute wird bereits in Blättern aller Parteien die von mir berührte Frage eingehend diskutirt und die Möglichkeit einer solchen Lösung ernfstlih erörtert. Auf diesen Weg, meine Herren, der, wie die Ausführungen des Hrn. Abg. Dr. Virchow klar erkennen lassen, nicht etwa einen Stillstand finden würde îin dem jeßigen Antrage Virchow, sondern der, wie der Herr Ab- geordnete meines Erachtens richtig entwickelt hat, naturgemäß zu immer neuen Konsequenzen führen wird, möchte die Staatsregie- rung unter den gegenwärtigen Umständen nicht eintreten, sondern sie will unter allen Umständen ernstlih versuben, Halt zu raachen auf dem Boden der Vorlage. Denn Hr. Abg. Virchow hat beceits zu- treffend bemerkt: in der Konsequenz seines Antrages liegt es, daß die Diener unserer privilegirten Kirchen an die Stelle von Privatdienern treten, wenn gewisse Vorausseßungen nicht erfüllt werden, und es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, wenn einmal erst das Holz an dem Punkte der Verbindung zwischen Staat und Kirche ange- \cchnitten ift, so wird sich dieser Schnitt nicht mehr verkleistern lassen, sondern die Trennung des Staates von der Kirche wird sich mit un- aufhaltsamer Gewalt vollziehen. Darüber kann man sich nicht täu- cen, und id kann dahcr mit Recht sagen: es ist eine große Frage, vor deren Entscheidung wir heute stehen; finden wir eine neue Grundlage, auf der der Staat mit der katholischen Kirche sih neu und organisch aufbaut? oder haben wir blos eine Etappe erreicht auf dem abschüssigen Wege, den de: Abg. Virchow weiter vorwärts schreiten will? Jch male damit keine s{chwarzen Bilder. Denn es ist das ganz Élar: wenn die Hoffnungen, die wir bei der Vorlage haben, nit in Erfüllung geben, vann tritt an die Staatsregierung in immer erkennbarerer Weise die Pflicht heran, zu erwägen, was mit der Be-

nennungépfliht roc anzu“angen ist, ob es überhaupt noch werthvoll

ist, mit diesem Mittel zu operiren und dies Alles in der Erkenntniß, daß an die Verwerfung der Benennungspslicht sich eine Reihe großer Schwierigkeiten knüpfen würde, denen vorzubeugen auf dem Wege der Vorlage man wohl in der Läge wäre. Aber ih halte hier ein, ih persönlich identifizire mich absolut mit der Vorlage insofern, als ih glaube, fie gewährt durchaus die Möglichkeit, daß auf ihrem Boden, entsprechend unserer deutshen Entwicklung, cin gedeihliches vit allein Nebeneinar.derleben sondern Zusammenleben aller christlihen Kirchen und namentlich auch der römis-katholishen mit dem preußisben Staate möglih ist, und ih würde es von meinem Standpunkte tief beklagen, wern in cinem vorzeitigen Augen- blick und ungedrängt dur die Macht der Verhältnisse, die Staats- regierung sich eutshließen würde, den Boden, den sie sih bemüht gegen- wärtig zu legen. zu verlassen. Meine Herren, in diesem Bekenntniß liegt auch ein irerisher Gedanke, und ih glaube wohl, daß Sie, wenn Sie sich auf den Standpunkt der Staatsregierung stellen, volles Ver» ständniß dafür haben werden, daß sie Ihnen dic Vorlage so, wie sie liegt, gemacht hat.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, seine Freunde und er würden für die Vorlage stimmen, wie sie sih durch die Kom- missionsbeschlüsse gestaltet habe, und er glaube damit einen Schritt zu einer friedlihen Entwickelung zu thun. Durch dieses Votum allein gebe das Centrum die Stellung, die es von Anfang an zu den Maigeseßen eingenommen habe, weder im Ganzen noch in Beziehung auf die Theile, die durch dieses Geseg nicht aufgehoben würden, in keiner Weise auf. Vor allen Dingen erkenne das Centrum damit nicht etwa die Be- rehtigung des kirhlihen Gerichtshofes an, und er sei der Meinung, daß der nächste Schritt, den die Regie- rung zu thun habe, die gänzlihe Beseitigung dieses Gerichtshofs sein müsse. Wenn er nicht weitere Aufklärungen über den Sinn der Vorlage verlange, so geschehe das mit Nücksicht auf die Kommissionsverhandlungen, wo solhe Er- klärungen auch nicht erfolgt seien. Er glaube, bei wohlwollen- der Anwendung des Geseßes würden die Zweifel beseitigt werden, die darüber jeßt noch beständen ; werde es nicht wohl- wollend angewandt, so würden allerdings manche Hoffnungen, die sih an dasselbe fnüpften, vernichtet werden. Uuf den Sinn und den Geist, in dem ein Geseß ausgeführî werde, komme mehr an, als auf den stiikten Tenor desselben. Die österreichishe Geseßgebung, auf die vielfach exemplifizirt worden sei, habe niht den Grundfehler gemacht, alles auf einen strikten formalen Standpunkt, und auf die Entscheidung der Gerichte zu stellen, sondern es sei der Verwaltung ein Spielraum gelassen, und sie sei oft eine solche gewesen, daß alle die Verord- nungen auf dem Papier gestanden hätten. Weise Geseh- geber hätten auch zuweilen Geseße gegeben, um nach ciner ge- wissen Zeit zu beruhigen, hätten sih aber freie Hand behalten, sie unter Ümständen nicht auszuführen. Daß wit diesem Geseh nicht erreiht werde, was erreiht werden müsse, sei klar. Es sei eine Anbahnung des Friedens, und er hoffe, die Regierung werde si beeilen, nah Rücksprache mit der Kurie dem Hause eine gänzliche Revision vorzulegen. Der Papst sei das Haupt der katholishen Kirche, und ohne das Haupt werde man mit den Gliedern nicht fertig. Ob das angenehm sei oder nicht, ge-

höre nitt hierher. Es sei so und werde so bleiben. Zu kei- ner Zeit in der Weltgeschichte sei das moralishe Ansehen des beiligen Stuhles so groß gewesen, wie j26t. Gerade auch in Deutschland habe der Kulturkampf zum Bewußtsein gebracht, daß es noch einen Vapst gebe. Glaube man denn, daß auch nur dies Geseß ausgeführt werden fönnte ohne Billi- gung des Papstes? Wie sollte denn die Nothseelsorge eingerichtet werden, wenn der Papst es nicht erlaube? Er hätte gewünscht, daß es der Konimisfsion gelungen wäre, die Verhältnisse noch weiter zu ordnen. Er habe dayÿer bean- tragt leider vergeblih, die Anzeigepfliht auf die Pfarrer zu beschränken, und gleicd zeitig den §8. 18 des Geseßes vom 11. Mai 1873 aufzuheben. Damit würde man einen definj- tiven Frieden vielmehr vorbereitetet haben als jeyt. Durch die Anzeigepfliht und das Einspruchsreht wolle der Staat fich die Geistlichen willfähriger machen. Genüge es denn nicht, wenn der Staat sich diesen Einfluß auf die oberen Geistlichen fidere? Brauhe man um in einem militärishen Staat militärish zu sprehen wenn man der Generäle, Dbersten und Hauptleute sicher sci, sih auch noch den Einfluß auf die Lieutenants zu fichern? Die unwürdigen Strafandrohungen gegen die Würdenträger der Kirche seicn durchaus unnöthig, denn nah fanonishen Grundsäßen würden die Pfarrstellen definitiv beseßt, und der Drang, ¿is zu thun, sei, wie die Erfahrung zeige, sehr stark in der Kirche, so daß es eines Zwanges nicht bedürfe. Die Zahlen, welche der Minister über die mit amoviblen Geistlichen beseßten Pfarr- stellen angeführt habe, bewiesen an sih gar nichts, dazu müßte man die näheren Umstände kennen, weswegen die Stellen nicht definitiv beseßt seien. Ueberhaupt sei die ganze Vorstellung von dem Verhältniß des höheren zum niederen Klerus eine falsche. Es fehle dem Minister an sachverständigen Ocganen in dieser Beziehung, es werde nicht eher besser werden, als bis wieder katholische Näthe im Kultus-Ministerium sizen würden. Dem Abg. von Cuny wolle er zu seinem Trost auch noch daran erinnern, daß die Beseßung der Pfarrstellen mit Vikaren ihre Grenze habe durch die Zahl der zur Verfügung stehenden Geistlihen, und die Mittel zu ihrer Besoldung. Aber selbst wenn es zu einer ausgedehnten Besezung der Pfarrstellen durch Stellvertreter käme, dann trage man doch Schuld daran durch Aufrechterhaltung der Anzeigepflicht. Habe denn vor den Maigefeßen eine solche Farcht bestanden, und habe man ähnliche Zustände unter der glorreichen Re- gierung Friedrich Wilhelm IV. gekannt? Auf die weiteren Ausführungen der Vorredner gehe er, um bei einem Friedens- werk nicht bitter zu werden, niht ein. Mit Befriedigung habe er gesehen, daß der Minister dem Antrage Virchow größere Aufmerksamkeit geschenkt habe, als früher. Er könne nux wiederholen, die Basis dieses Antrages sei die Trennung von Staat und Kirche, und er fürchte, daß man mit dey Seit dahin gedrängt werde! c halle dieje Trennung an und für sich durchaus niht für wünschens- werth, denn nur durch enges Zusammenwirken vont Staat und Kirche könne das Glück der Völker dauernd be- gründet werden. Wenn man aber die. Ordnung der Kirche durch die Gesetze zerstöre, dann bleibe nichts übrig als die Trennung. Das Ueberhandnehmen unchristlicher FFdeen in der ganzen Welt dränge nach dieser Entwicklung hin, und wolle man die Trennung in Preußen verhüten, so beseitige man bald die verhängnißvolle Kirchengeseßgebung. Zur Zeit und wie der Antrag Virchow jest gestellt sei, stimme er nicht für denselben. Daß er auch nicht für den Antrag Zedliß stimme, fei selbstverständlih. An ein Wohlwollen für die Katholiken könne man nah diesem Antrag, und der Rede des Abg. von Zedliß nicht glauben. Auch alle Ausführungen des Abg. von Rauchhaupt könne er nicht acceptiren, do genüge ihm das Resultat, daß derselbe mit seinen Freunden das Geseg an- nehmen werde. Es gereihe ihm zur großen Befriedigung, dabei gerade mit den Konservativen zusammen zu wirken, und er hoffe, das werde auch auf anderen Gebieten nicht ohne Nutzen sein. j

Die Diskussion wurde geschlofsen.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski konstatirte in persönlicher Bemerkung, daß er nicht, wie mehrfah behauptet, in der Kom- mission gesagt habe, daß die Neigung bei den Bischöfen be- stände, die Pfarrstellen nicht definitiv zu besegen.

Der Abg. Dr. von Cuny gab zu, daß die Ausführungen des Abg. von Jazdzewski in der Kommission eine solhe Deu- tung, dic ihnen auch die Presse gegeben, nicht zuließen.

Jn der Abstimmung wurde darauf der Antrag Virchow abgelehnt und Artikel 1 mit 245 gegen 87 Stimmen ange- nommen.

Hierauf vertagte sh das Haus um 4!/, Uhr auf Sonnabend 11 Uhr.

Literarische Neuigkeiien und periodishe Schriften.

Zeitschrift für Preußische Geschichte und Landess funde. Heft Ne. 5 und 6, -—— Inhalt: Die Zeit der größten Ab- hängigkeit des Herzogthums Preußen von Polen in den Jahren 1566 his 1568. Dr. Leon von Poblocki. Zur Erforschung ‘und Erhal- tung der Kur stdenkmäler im preußischen Staatsgebict. Dr, I. Jastrow. Das Grabfcld Eine topographisch - kulturhistoriswe Skizze. H. Spieß. Der Streit Wolf Hornungs mit Kurfürst Joacim 1. von Brandenburg und Luthers Betheiligung an demselben, Paul Zimmermann. —- Joachim T. und die Raubritter. F. Wagner. Friedrich Wadzeck. Eine Berlinische Erinnerung. W. Pierfon. Au® den Veröffentlichungen der deutschen Geschichtsvereine.

Die gefiederte Welt. Zeitschrift für Vogelliebbaber, -Züchtec und -Händler. Herausgegeben von Dr. Karl Ruf:. Nr. 25. Inhalt: Der Zug der Vögel. (Fortseßung ) Jahresbericht über die Thätig feit des Vereins „Ornis" in Berlin. Gesangsleistungen cines rot- rüdckigen Würgers. Die kastanienbraun-bäucbige Eliterdrossel. -— Goffin's Kakadu. —- Die Kanarienzüchterei des Bergmanns W. Trute in St. Andreasberg. (Schluß.) Aus Haus, Hof, Feld und Wald. Brieflile Mittheilungen. Anfragen und Auskunft. Aus den Vereinen: Halle a. S. ; Liegniß: Ausstellungen. -—— Vom Vogelmarkt. Zur Beachtung für die Liebhaber kerbthierfressender Vögel, Mancberlei. Briefwesel.

J sis. Zeitschrift für alle naturwissenschastlichen Liebhabercien. Herausgegeben von Dr. Karl Ruß und Bruno Dürigen. Nr. 25. Inhalt: Zoologie: Springmäuse in der Gefangenschaft. (Fort- setzung.) Seewasser-Aquarien im Zimmer. (Fortseuung.) Bo- tanik: Wasserpflanzen und ihre Verwendung. (Mit Abbildungen.) Chemie: Spiegelballon. Kleinere Mittheilungen: Entomolo- gishe Beobachtungen. Nacrichten aus den Naturanstalten : Berlin, Hambura, Breslau, Leipzig, Vereine und Ausstellungen:

weite Hunde-Ausstellung des „Hektor“ zu Berlin (Fortseßung); ygienc-Ausstellung Berlin (Fort)egung). Anfragen und Auskanft.