1926 / 152 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Jul 1926 18:00:01 GMT) scan diff

im „Vorwärts“ mit der Ueberschrift: „Abbau der Erwerbskosen- unterstüßung? Die Nebenregierung im Reichsarbeitsministerium gegen die Erwerbslosen“ erschienen ist, Eine Aufklärung über diesen Artikel und eine Widerlegung der Schlüsse, die in diesem Artikel gezogen sind, ist vom Arbeitsministerium bereits an den „Vorwärts“ gegeben. (Zuruf von den Kommunisten: Damit seid Jhr fix bei der Hand!) Ein Zeichen, daß wir eine Anttvort darauf haben. (Sehr gut! in der Mitte.)

Welcher Tatbestand liegt dem Artikel des „Vorwärts“ zu-

grunde? Bekanntlich ist die Frage einer Aenderung der Erwerbs- losenunterstüßungssäße dahingehend, daß sie in ein gewisses Ver- Hältnis zum Lohn gesebßt werden, allen Ernstes hier im Reichstag von den verschiedensten Seiten erörtert worden. Auch die Gewerk- schaften haben diesem Gedanken grundsäßlih ihre Zustimmung ge- geben, Die Reichsregierung hatte bereits eine Vorlage in dieser Richtung, wenn auch nux eine vorläufige, ausgearbeitet, Es bestand ebnfalls im Reichsrat die Absicht, diesen Weg zu betreten, Man hat nachher Abstand davon genommen, Die Gründe dafür brauche ih hier nicht weiter zu erörtern, ih will nur den Zu- sammenhang der Dinge hiex erklären. Nun kam jeßt dex Ablauf des Termins, mit dem die gegenwärtigen Unterstüßungssäbße be- grenzt waren, der 3. Juli, und im Zusammenhang damit ist dann die Frage aufgeworfen worden, ob man bei vorläufigem Verzicht auf die Einführung von Lohnklassen wenigstens die zum Teil in Deutschland shon im Brauch befindlihe Grenze von 75 vH gegen- über dem Lohn einführen könne. Die Regierung hat ebenfalls zeitweilig mit dieser Möglichkeit gerechnet. Fch glaube sogar, daß ih dem von dieser Stelle aus Ausdruck gegeben habe. Eine der- artige Möglichkeit hat auch früher {hon freilich in anderem Zusammenhang und unter anderen Umständen im Sozialen Ausshuß zur Debatte gestanden. (Abgeordneter Essex: Fsstt dort Gegenstand eines Antrags gewesen!) Aber auch von dieser Lösung hat die Reichsregierung für den gegenwärtigen Zeitpunkt Abstand genommen, Die. Reichsregierung hat im Sozialen Aus\chuß und au hier im Plenum erklärt, daß au dieser Weg jeßt nicht be- schritten werden solle.

Unter diesen Umständen war es nötig, diesen Verzicht auf die T5-Prozent-Grenge nit bloß im Reichskabinett durchzuhbringen, sondern auch beim Reichsrat. Zu dem Zweck ist für einen Aus- chuß des Reichsrats der Brief geschrieben worden, auf den hier im „Vorwärts“ Bezug genommen worden ist,

Jn dem Zusammenhang muß das gesehen werden, was über- Haupt in dem Briefe ausgeführt ist. Leider sind die Ausführungen des „Vorwärts“ micht vollständig gewesen. (Hört, hört! rets.) Wenn Sie den Absaß hören, der vor dem im „Vorwärts“ wieder- gegebenen Absay steht, wird das Bild sofort ein anderes. Es Heißt nämlih unmittelbar vorher wörtlih in dem Schreiben an den Reichsrat :

Die außerordenlih schwierige Lage des Arbeitsmarktes läßt eine Herabsetzung der Unterstüßungen zurzeit undurchfüHrbax er- scheinen. (Hört, hört! in der Mitte.) Die Zahl der unterstüßten Erwerbslosen ist in der ersten Hälfte des Monats Mai nux untwesentlich gefallen, in der zweiten hon wieder gestiegen, und die bisherigen Meldungen für Juni deuten darauf hin, daß der bisherige Stand von rund 124 Millionen Unterstüßungsempfänger sih ingwishen kaum nennenstwert ver- ändert hat,“ Die Reichsregierung verkennt niht die außer- ordentlich schwere Belastung, die die Finanzen des Reichs, der Länder und der Gemeinden durch die Evwerbslosenfürsorge er- fahren. Sie könnte es aber aus sozialpolitishen wie aus all- gemeinpolitishen Erwägungen heraus im Augenblick nicht ver- antlvorten, das Ausmaß der Leistungen allgemein zu verkürzen. Das Wort „allgemein“ ist deshalb begründet, weil, wie Sie ja alle wissen, die Möglichkeit besteht, daß ein Vevrwaltungsaus\{huß beim Arbeitsnachweis in Einzelfällen solhe Kürzungen vornimmt, Die Gründe brauche . ih nicht näher auseinanderzuseßen; die Tatsache ist auch im „Vorwärts“ anerkannt worden.

Meine Herren! Wenn Sie diesen Passus auch beachten, dann befommt die Sache ein ganz anderes Gesicht. J sagte eben son, daß der im „Vorwärts“ abgedruckte Teil lediglich deshalb geschrieben worden ist, um den Ländern zu zeigen, daß an - dem status quo rechtlich nichts geändert werden soll. Das aber mußten wir den Ländern sagen, um den Anträgen, die dort zu erwarten waren, die auf eine Verpflichtung zur 75-Prozent-Grenze hinausliefen, entgegen- zutreten, Daraus geht doch klar hervor, daß von einem Abbau der Erwerbslosenfürsorge oder von einer Nebenregierung im Reichs- arbeitsministerium nidt die Rede sein kann. (Sehr richtig! im Zentrum.)

Was die Rechtslage anlangt, so möchte ih nochmals ausdrüdlih hervorheben, daß der Verwaltungsaus\huß des Arbeitsnachweises öweifellos das Necht hat, aus gewissen Gründen die Höochstsäbe zu unterschreiten. Es kann höchstens die Frage entstehen, ob auch die Länder dazu berechtigt sind, solche Unterschreitungen der Höchstsäbße vorzuschreiben. Wenn diese Frage aufgeworfen wird und sie wird, glaube ih, auch in dem Artikel des „Vorwärts“ gestellt —, dann kann ih dazu nur sagen, daß wir dadurch bestenfalls in einen Rechts- streit hineingeraten. Die Länder werden darauf Bezug nehmen, daß nah § 1 des Gesebes das Ziel der Arbeitslosenunterstüzung dié Wiederaufnahme der Arbeit sein muß, und sie werden sich auf den § 43 berufen, der ihnen die Möglichkeit von Ausführungsbestimmungen im Goiste des § 1 gibt, Auf diese Weise werden sie auch für sich das Recht der Unterschreitung der Höchstsäßze reklamieren. Ich glaube aber, es hat feinen Zweck, uns in einen solchen Rechtsstreit ein- gulassen. Die Reichsregierung, und ih für meine Person besonders; wir stehen fest zu dem Wort, das ih im Aus\{uß gegeben und auch hier im Plenum verkündet habe.

Bezeichnend ist auch die zeitliße Aufeinanderfolge der in Rede stehenden Vorgänge. Das Schreiben, das der „Vorwärts“ heute zum Teil abdruckt, ist am 25, Juni ergangen, meine Erklärung im Ausschuß ist am 26. Juni erfolgt und meine Erklärung im Plenum am 28. Juni. Aùch daraus geht klar hervor, daß die Kombination des Herrn Vorredners, als hätten wir mit dem Schreiben das, was wir im Aus\{uß erklärt hatten, abändern oder in seinen Wirkungen abshwächen wollen, falsch ist, Um aber allem vorzubeugen, erkläre ih mi dazu bereit, durch ein erneutes Rundschreiben an die Länder dafür zu sorgen, daß solche Mißverständnisse absolut ausgesc{lossen bleiben. :

Der Antrag der Kommunisten bringt keine Lösung. Nach diesem

welches sie als

schreiten, ja, niht bloß den Ländern, sondern auch den Verwalkungs- ausshüssen der Arbeiisnachweise. Jh habe Sie eben bereits dar- auf hingewiesen, daß wir dadurch mit dem Geseß in einer grund- säßlihen und überaus wichtigen Frage in Widerspruch geraten. Jch bin der Ueberzeugung, daß wir mit einem solchen Vorschlag bei den Ländern absolut niht durchdringen würden. Die Konsequenz würde höchstens die sein, daß ein solher Beschluß, wenn er heute im Reichs- tag gefaßt würde, vom Reichsrat verworfen würde. Erreicht wäre mit diesem Beschluß zum Wohle der Erwerbslosen gar nihts. Jch glaube, meine Aufklärungen werden hinreichen, daß alle davon über- zeugt werden, daß die Erwerbslosen keinen Grund haben, sich über diese Dinge in der Weise aufzuregen, wie es eben der Herr Vor- redner getan hat.

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223. Sißung vom 2, Juli 1926, nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *)

_ Am Regierungstische: Reichskanzler Dr. Marx, Reichs- minister dés Auswärtigen Dr. Stresemann, Reichs- minister des Funnern Dr, Külz und die anderen Mitglieder des Kabinetts,

_Prâsident Löbe eröffnet unter allgemeiner Spannung die Sißung um 3 Uhr 30 Minuten. Ex kündigt, um allen vorliegenden Arbeits\toff aufarbeiten zu können, eine Abend- sißung, eventuell auch noch eine Sonnabendsizung an.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Beratung der Fürstenabfindungsvorlage. Zunähst findet eine allgemeine Aussprache statt. E Wels (Soz.) gibt namens seiner Fraktion folgende Erklärung ab: Die sozialdemokratishe Fraktion war in der Frage der Fürstenabfindung jederzeit auf das eifrigste bestrebt, eine Lösung zu finden, die dem allgemeinen Empfinden und der Not- lage’des deutschen Volkes Rehnung trägt. Am 4. Mai 1923 haben wir Sozialdemokraten mit dem Antrag Müller-Franken den Ver- such gemacht, eine Regelung der ÄAbfindungsfrage durch die Landesgesebgebung herbeizuführen. Wir fanden damals nit die genügende Unterstüßung der bürgerlichen Parteien, Jm Frühjahr dieses Jahres erlebte der Antrag Müller-Franken in seinem tvefentlihen Jnhalt eine Auferstehung im Äntrage Koch-Weser. Auch diesem Antrag blieb der Erfolg versagt, Eine Welle un- geheurer Empörung ging infolge des unerhörten Verhaltens der Fürsten durch das Volk, Das durch den verlorenen Krieg und die Revolution neu geschaffene Recht wurde in Prozessen der Fürsten, insbesondere der Hohenzollern, gegén das deutsche Volk durch eine vorrevolutionäre Geseßgebung und Rechtsprehung beseitigt. So wurde der Geseßentiwurf geboren, der dem Volksbegehren zu- grunde lag. Zwölfeinhalb Millionen deutsher Männer und Frauen forderten durch ihre Unterschrift im Volkêsbegehren, daß der Geseßentwurf Geseß werde, Dafür wurden sie in dem Kampf um den Volksentscheid als Diebe und Räuber beschimpft, Der Reichspräsident wurde in den Streit hineingezogen und nahm gegen Millionen deutsher Staatsbürger Stellung. Man behaup- tete, die Grundlagen des Rechtsstaates würden erschüttert, wenn das Enteignungsgeseß gegen dié Fürsten angenommen würde, Die Millionen der Sparkassen-, Hypotheken- und Anleihegläubiger, die nah den Bestimmungen des sogenannten Aufwertungsgeseßes behandelt wurden und sih zum Volksentscheid bekannten, wurden als Leute bezeichnet, die für Neht und Moral kein Verständnis hätten. Troß alledem haben vierzehneinhalb Millionen deutscher Wähler und Wählerinnen sih beim Volksentscheid zu einer Geseß- gebung bekannt, wie sie auch in Deutsch-Oesterreih 1919 mit den Stimmen der bürgerlichen Parteien, insbesondere der christlich- sozialen Bruderpartei des Zentrums, gegen die Habsburger be- [lossen wurde. Unerhörter Terrox machte Millionen von deut- schen Staatsbürgern die Beteiligung am Volksentscheid unmöglich. ZU der Ungleichheit in der Vehandlung der Sparer und Fürsten trat die brutale Gewalt, die den wirtschaftlich abhängigen Teil des Volkes dem politischen Willen einer Herrenkaste unterwarf. Daz ‘durxh wurden in Wahrheit die Grundlagen des heutigen Staates bedroht und der Grundsaß der Verfassung, daß - die Staats- geivalt vom Volk ausgeht, zunihte gemaht. Wir fordern den Schuß der politischen Nechte des Volkes, den Schutz dex wirtschaft- li Schwachen zur Ausübung ihrer Staatsbürgerrcechte. Die sozialdemokratishe Reichstagsfraktion hat, als der Volksents\cheid nicht die verlangte Mehrheit brachte, dem Reichstage die Arbeit für eine befriedigende Lösung der das ganze Volk tief bewegenden Frage wieder aufgenommen. Sie konnte sih dabei auf eine Erklärung stüßen, die am 10, Juni in der 210. Sißung des Reichs- tags, zehn Tage vor dem Volksentscheid, namens der Regierungs- parteien vom Herrn Abgeordneten von Guéracrd abgegeben wurde. n dieser Erklärung hieß es: „Angesichts der Tatsache, daß im Land befürchtet wird, im Falle der Ablehnung des Volksent- scheids werde jede reih8geseßliche Regelung scheitern, wollen die Regierungsparteien keinen Zweifel darüber lassen, daß sie den Erlaß eines die Auseinanderseßzung zwischen den beteiligten Ländern und den een regelnden Geseßes für un- bedingt notwendig erachten. Sie erklären mit nachdrüdcklihstem Ernst, daß sie alles daranseßen werden, den vorliegenden Geseßz- entivurf in allen wesentlichen Vestandteilen zur Annahme zu bringen. Fn ihm soll ein Geseh geschaffen werden, das der ver- änderten staatsrehtlichen Stellung der Fürstenhäuser entspricht. Das Geseß wird den Fürsten nur das Vermögen belassen, unztveifelhaftes Privateigentum erworben. Den Folgen des verlorenen Krieges, der Verarmung des Volkes und der gesamten Vermögenslage der Fürsten wird ausreihend Rechnung getragen. Den Ländern soll zugeteilt werden, worauf sie aus Gründen der Kultur oder der Volksgesundheit Anspruch haben.“ Die sozial- Ns Neichstagsfraktion muß heute feststellen, daß dieses vor dem Volksentscheid abgegebene Versprechen nicht eingelöst worden ist. Die Negierungsparteien haben unter dem Druck ihres rechten Flügels fast allen Besserungsanträgen der sozialdemokratishen Fraktion, die in der Richtung der von Herrn von Guérard abgegebenen Er- klärung gestellt waren, ihre Zustimmung verweigert. Sie haben es insbesondere abgelehnt, die Auseinandersebung un- mittelbar durch Geseg zu regeln, die Entscheidung viel- mehr einem Gericht übertragen. Sie haben abgelehnt, die Richter des Sondergerichts durch den Reichstag wählen zu lassen. Sie haben abgelehnt, dem Geseß rückwirkende Kraft zu geben. Sie haden abgelehnt, bei der Trennung von Fürsten- und Steibeiaenbin dem Volke günstigere Grenzen festzuleçcen, und haben unseren Antrag abgelehnt, Aufwertungen des Fürstenvermögens bis zu 1450 vH., wie sie vorgekommen sind, unbedingt auszuschließen. Aus diesen zwingenden Gründen lehnt die sozialdemokratishe Reichstaas- fraktion die Defen Cin zu dem Geseß ab. Das Scheitern der Vorlage in diesem Stadium entbindet die Regierung und die Regierungsparteien niht von ihren feierlich gegebenen Zusagen. Eine andere Lösung ist notwendig, Diese andere Lösung kann nah dem vollständigen Versagen dieses Reichstags nux von einem neuen Reichstag geschaffew werden. Die sogialdemokrätishe Reichs tagsfraktion fordert daher die sofortige Verlängerung des Speur- gejeßes und die Auflösung des Reichstags, damit das Volk durch eine neue, seinem Willen entsprehende Vertretung die Frage der Vermögensauseinandersezung mit den einst regierenden Fürsten- familien zu einer das Rechtsgefühl befriedigenden Lösung führen fann und den dur die geplanten Zolkerhöhungen beabsichtigten neuen Angriff auf die Lebenshaltung des schwer leidenden Volkes zurückschlagen kann. (Lebhafter Beifall und Händeklatschen bei den Sozialdemokraten folgten dieser Rede, die wiederholt von großer Unruhe und Zurufen auf der Rechten und bei den Völkischen unter- brochen worden war.)

Antrag soll den Ländern untersagt werden, die Höchstsäbe zu unter- |

L ©) Mit Ausnahme der durh Sperrdruck herv b der Herren Minister, die im Wortlaute lte E Pn

_ Abg. Graf Westar p (D. Nak.). (Zurufe der Kommunisten: Fürstentnecht! Der Mann, der für die Mitre sorgt! Präsident Löbe rust die Abgg. Torgler und Neubauer zur Ordnung.) Jch kann mich heute auf einige grundsätliche Ausführungen be- chränken. Es liegt mir daran, zunächst einen kurzen historischen

üdblick zu geben. (Lachen S Seit dem Umsturz bis 1925 haben die revolutionären Machthaber ebenso wie die neuen Regie- rungen es stets als eine Sache des Privatrechts B die Auseinandersezung zwishen den Ländern und den ehemaligen FINE Ren herbeizuführen. Fn den meisten Ländern ist diese Aufgabe auf dem Wege der privatrehtlihen Regelung befriedigend! elöst worden. (Lachen und Widerspruch links.) Wenn der Abg.

els behauptete, daß unerhörtes Verhalten der Fürstenhäuser (Ruf bei den Kommunisten: Schamlose Forderungen der Fürsten und ihrer Knechte!) die Regelung erschiverte, so stand diese Behauptung auf dem Boden der Unwahrhaftigkeit. (Lärm und stürmische Zwischenrufe von der Linken. Der Abg. Sollmann [Soz.] wird

jur Ordnung gerufen.) Obwohl in Preußen die geseßlihe Lage esonders shivierig war, war es dem weitestgehenden Entgegen- kommen des Hohenzollernhauses (Stürmisches Lachen und Bus

..

links, lang andauernder Lärm, Ruf links: Räuber G. m. b. : Wir sollten einmal feststellen, wieviel Zeit dadurch in Anspruch genommen wird, daß. die Herren es für nötig halten, uns nicht reden zu lassen (Präsident Löbe bittet, die Zwischenrufe zu unter- lassen) war es dem weitestgehenden Entgegenkommen des Hohen- zollernhaufes geren zu einem Vergleich zu gelangen, der die ua ustimmung des preußishen Staatsministeriums einshließlich der Minister Braun und Severing fand, All der häßlihe Streit der leßten Monate hätte vermieden werden können, wenn die preußishe Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien zu dem Worte der preußishen Regierung Gcfianden Véften. (Sehr wahr! rechts.) Fh kann der Demokratischen Partei den Vor- wurf nicht: ersparen, daß sie durch ihr Verlangen, ‘eine reichsgeseß- liche Regelung herbeizuführen, in die organische Entwicklung störend eingegriffen hat und den Anlaß ju all der Heye und Aufpeitshun des Volkes gegeben le (Lärm links, Zurufe: Seugler!) Sie hat dadurch das Anschen Deutschlands im Auslande \hwer ge- schädigt. (Erneuter Lärm links.) Die Herren von der Demokratie sollten sih darüber beim Neichsbankpräsidenten Schacht erkundigen. Nachdem der Stein so ins Rollen. gebraht war, haben auch wir dey Notwendigkeit uns nicht verschlossen, einen befriedigenden Ausgleich schaffen zu helfen. Wir haben im Plenum und im Auss{huß unter Zurükstellung eere grundsäßlicher Bedenken positiv an einer den Frieden st O Lösung mitgearbeitet. WVorausseßung war dabei für uns, daß die staatsbürgerlihen Grundrechte der Verfassung nicht verleßt werden und daß die Fundamente des Rechtsstaates nicht erschüttert werden. Auf diesem Gebiete gab es für uns keine Kompromisse. Um \o weniger, als es von Woche zu Woche deuts- licher wurde, daß der angeblich gegen das S dèr Fürsten gerichtete N nichts weiter war als ein Schritt gut dem Wege zur bolschewistishen Staatsordnung. Wir waren daher bemüht, alle Bestimmungen aus dem Regierungsentwurf zu beseitigen, die mit unseren Grundauffas] een nicht im Einklang standen. Man hak uns den Vorwurf gemacht, daß wir dabei einseitig die Jnteressen der ürsten wahrnehmen. (Zuruf links: Sehr wahr! Jhr seid Fürsten- nete!) Ich stelle gar nicht in Abrede, daß auh wir der Meinung RuA daß den Rechten der Fürsten und der P Stellung der ürstenhäuser Rechnung getragen werden soll. (Zuruf links: Un- vershämtheit!)) Bei as Stellunanahme zum Gesehentwurf leitete uns aber niht nur die Absicht, uns \{übßend vor die staatsbürgerliche Gleichberehtigung, die materielle und die ideelle, aller Staatsbürger zu stellen. (Abg. Neubauer [Komm.]: Was kriegen Sie an Provision dafür? Stürmische Entrüstung rechts und Nufe: Maus! Präsident Löbe weist den u als unparlamentarisch zurück und ersucht den Abgeordneten Höllein, der weitere Zurufe maht, nochmals, Ruhe zu halten, damit er, der Präsident, niht zu \härferen Maß- nahmen greifen müsse.) Der Gefahr, daß das Necht aller Staats- bürger und der Cigentumsbegriff in Zukunft geopfert werden würden, stellten wir unseren Plan entgegen. Wir haben bis gestern nach- mittag, noch in leßter Stunde, N dem Herrn Reichskan len dies alles vorgetragen, und wir haben auch heute ues unseren An- trag eingebracht, der diesen unseren Plan zum Ausdruck bringt. Da- nad sind wir bereit, an dem Gesehentwurf mitzuarbeiten; unter der Voraussicht, daß aus dem Negierungsentwurf alle jene Bestimmungen herausgestrihen werden, die einen unrechtnä figen Eingriff in das Privateigentum bedeuten, sind wix bereit, einer Negelung zuzustimmen, die die gesamten noch nicht erledigten Auseinanderseßungen der freien Entscheidung eines Neichssondergerichts unterwirft, Wir gehen dabei! davon aus, daß dieses NReichssondergeriht e den Ländern und Fürsten diejenigen Vermögensobjekte zuspricht, über die zwischen den Partejen kein Streit besteht. Wir würden weiter damit einverstanden. ein, daß die zwischen den Parteien strittigen Vermögensobjekte von dem Sondergericht nah billigem Ermessen verteilt werden. Wir wollen dabei anerkennen, daß dabei neben der Nücksicht auf eine an- gemessene Lebenshaltung der Fürsten auch der allgemeinen Notlage des M Een Volkes Rechnung getragen wird. (Lärmende Züruls links.) Wir sind auch damit einverstanden, daß die Aufwertungs- ansprüche der Fürsten nah den allgemeinen Auswertungsgrundsäßen entschieden werden. Wir verlangen keine Privilegien für die Fürsten, andererseits wollen wir aber auch nicht, daß sie \{lechter gestellt werden. Wix würden zu einer Mitarbeit weiter bereit sein, falls jede verfassungswidrige Regelung unterbleibt, auch selbst, wenn auf diese Weise das Gesamtergebnis für die Fürsten ungünstiger ausfallen würde. Bei unserer Anregung und bei unserem Antrag haben wir, wie ih len einmal ausgesprohen habe, schwere Bedenken zurü- Mees müssen. Ich selbst bin der Meinung, daß es niht Sache der eih8geseßgebung, sondern der Länder i, diese Verhältnisse zu regeln. In diesem Falle liegt kein Anlaß vor zu einem Eingriff der Reichsgeseßgebung. Ein Sondergeseß und ein Sondergericht sind bei strenger Auslegung mit den Grundsäßen der Verfassung un- vereinbar. Troß dieser Bedenken haben wir unsere positive Mit- arbeit geleistet, immer beseelt von dem Wunsche, diese s{wierige und dabei die Leidenschaften im Volke infolge einer unerhörten Ver- hebung so erregende Angelegenheit zum bsctu zu bringen. Noch gestern Haben wir der Regierung und den Regierungsparteien mit unseren Anträgen einen Weg gezeigt, auf dem man zu einer geseßz- lichen Regelung dieser Frage in diesem hohen Hause hätte kommen können. Indem wir unsere grundsäßlichen Bedenken gegen die Ein- griffe in den Nechts- und Eigentumsbegriff zurüstellten beseitigten wir gleichzeitig den verfassungsändernden Charakter des Gesekzes, so daß es in der von uns vorgeschlagenen Fassung mit einfaher Mehrheit bätte angenommen werden fönnen. ir werden heute; wir haben noch keine Erklärung, weder vom Reichskanzler noch den Negierungsparteien gehört, wie sih die Regierung und die Negierungsparteien zu unserem Antrag stellen werden. Bis jeßt, das müssen wir leider feststellen, haben die Regierungsparteien die rundsäßlihe Bedeutung und den praktishen Wert unserer Vors, läge nicht anerkennen können, sie haben nah wie vor geglaubt, das Geseß nur mit der Sozialdemokratie verabschieden zu dürfen. Aus diesem Motiv haben die Regierungsparteien der Sogzial- demokratie weitgehendes N a gezeigt. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Der Kompromißantrag der Regie rungsparteien hat den Auffassungen und Wünshen der Sozial= demokratie in weitgehendem Maße Rechnung getragen, Jm Rechts= ausshuß ist man weit über die Regierungsvorlage hinauêgegangen und hat der Sozialdemokratie immer neue, weitgehende Kon= zessionen- gemacht. Dex Sozialdemokratie ist auch das Anerbieten gemacht worden, daß, falls das Geseß gegen uns nicht angenommen würde, aufgelöst werden soll, Dieses ntgegenkommen ist der Re- gierung von den Sozialdemokraten \{lecht gedankt worden, Jedes Entgegenkommen hat neue Forderungen und neue Bedingungen der n hervorgerufen, bis gestern JHr ablehnender Beschluß mit 72 gegen 38 Stimnren erfolgt ist, Füx uns geht diese Sache weit über die parteipolitishe Seite hinaus. Wir haben durch unseren Antrag zu erkennen gegeben, daß wir auch weiterhin zu einer Regelung bereit sind, Wird aber unser Antrag abgelehnt, dann sind wix einmütig gegen das Geseß. Wix halten eine der-

artige Lösung für unmöglih. Wir überlassen Fhnen (zu den Regierungsparteien) die Verantwortung für les apieni was

abwarten, auch

sich weiter aus dieser Frage ergeben wird. Was soll nun weiter | geithehen, Wenn unsere Anträge abgelehnt werden, so wird auch das Geseß abgelehnt werden. Dann hat au das Sperrgesey keine Bever og n r. Wir stehen auch dem Sperrgeseß ablehnend genüber, das nah unserer Auffassung mah wie vor als ver= jo ungëeändernd anerkannt werden muß, weil es Artikel 105 der erfainng widerspriht, wonach jemand seinem Sen Richter nicht entzogen werden darf. Mit diesem Ausgang der gejeßgeberishen Aktion ist aber nah unserer Auffassung die Not» wendigkeit einer sahlihen Regelung der Frage keineswegs er- {chöpfi. Gevade wir als Träger des monarchishen Gedankens wünschen, daß eine Regelung ersolgt, Zu diesem Zweck halten wir es für erfovderlih, daß die preußishe Regierung mit dem reußischen Bene zu einem Vergleich kommt, der den An- D dei von Billigkeit und Gerechtigkeit entspriht. Der während der Verheßzung der leßten Woche wiederholt erhobene Vorwurf, daß das preußische Königshaus sih aller Rücksich auf die Notlage des Landes unzugänglih erwiesen habe, ist unwahr. Schon bei dem Vergleich, dem der sozialdemokratishe Minister in Preußen ugestimant hatte, hat das Konigshaus rehtlihe Ansprüche, die es chon vor Gericht durhgeseßt hatte, in größtem Umfange preis- gegeben. Die Vertretung des Königshauses ift au bereit gewesen, in neue Verhandlungen auf einer bindenden Grundlage ein- zutreten, Obwohl diese Bereitwilligkeit der preußishen Regierung in allen Stadien der Verhandlung bekannt sein mußte, ist sie do auf Ablehnung gestoßen. Diese Bereitwilligkeit des Vertreters des Königshauses besteht auch für die Folge fort, und es liegt allein an der preußishen Regierung und dem preußishen Landtag, wenn eine Vereinigung zwischen dem preußishen Staat und der preußischen Krone nicht zustande kommt, und die Lösung ver- hindert wird, die geeignet wäre, endlih diese Heve, diesen Streit und diese U eL Gang der Leidenschaften zu beenden und die Möglichkeit der Weiterarbeit zu verschaffen, die unerläßlich ist. Den Sozialdemokraten möchte ih sagen: ein großer Aufwand ift von Jhnen nußlos vertan, (Ruf bei den Sozialdemokraten: Ab- tvarten! Lärm.) Ein Ende werden Sie ja niht mahen. (Zwischen= rufe links. Gegenruf rechts: Fudenfrehheit!) Es ist JFhnen ja nicht zu tun um Recht und Gerechtigkeit (lachen links), sondern um andere Dinge, darum, dem deutshen Volke den monarchischen Gedanken, der tros allem fest besteht (Beifall rets), auszutreiben, es geht hnen in erster Linie darum, der Revolution der Massen eine weitere Folge zu geben. Ele links.) Jhre Zwischen- rufe beweisen mix nur, daß ih rechti habe, Sie wollen die Auf- lösung und den Wahlkampf, den Herr Wels als Forderung der sozialdemokratischen N vorgetragen hat, und von dem ih anerkennen will, daß er vielleiht von einem Teil der Sozial- demokraten wirklih gewünscht wird. Seien Sie überzeugt, daß wir nach wie vor diesen Kampf aufnehmen. (Stürmische Rufe links: Auflösung! Auflösung!) Die Regierungsparteien stehen vor einem recht großen und deutlichen Mißerfolg ihrer Politik der leßten Wochen, Fch will über die Gründe für diesen Mißerfolg mit ihnen nicht rechten. Fch weiß, daß Sie es sich selbst überlegen werden, ob der Weg der richtige gewesen ist, ob Sie noch immer den Versuch machen follen, mit der. Sozialdemokratie cine Regierung8- gemeinschaft zu machen. Wiv sind in den leßten Wochen und heute nur in unserer Auffassung bestärkt worden, daß nur ohne und gegen die Sozialdemoïratie in Deutschland überhaupt wvegiert weren kann. (Lärm bei den Sozialdemokraten.) Der jeßige Kampf ist nux ein Glied einex größeren Kette, eine Etappe auf dem Wege. zur neuen Revolution. (Hu, hu! bei den Sozialdemokraien.) Gegen diese vevolutionäre Gefahr müssen alle, die auf dem Boden der Staats- und Gesellshafi8ordnung stehen, sih zusammenschließen, um Deutschland vor der Gewalt zu retien. Bei diesem Zusammen- {luß sind wir troß der Erfahrungen, die wir in leßter Zeit haben machen müssen, überzeugt, daß diese Stunde kommt. (Lebhafter Beifall recht; Zischen links; Rufe lints: Auflösen! Auflösen!)

Reichskanzler Dr. Marx: Meine Damen und Herren! Da nach den Darlegungen der beiden Herren Vorredner namens der beiden Flügelparteien feststeht, daß die beiden genannten Parteien das Geseß in der Schlußabstimmung ablehnen werden, habe ih namens der Reichsregierung folgende Erklärung abzugeben:

Die Regierung legt auf die Weiterberatung des Geseßentivurfs

keinen Wert mehr und zieht den Geseßentwurf zurück. (Große Heiterkeit. Lachen und stürmische Zurufe auf der äußersten Linken. Andauernde große Unruhe. Glocke.)

Die Regierung sieht sich zu ihrem lebhaftesten Bedauern der Tatsache gegenüber, daß der Reichstag bisher niht imstande ge- wesen ist, die außerordentlich wichtige und das Volk in allen seinen

eilen aufregende Frage der Auseinandersezung zwischen den Ländern und den ehemaligen Fürstengeshlechtern geseßgeberish zu lösen. Sie erwartete auf das bestimmteste, daß der vorliegende Entwurf aus den in ihm liegenden gewichtigen sachlichen Gründen do [chließlich mit Zweidrittelmehrheit Gesey werden würde. Falls diese Erwartung infolge des Verhaltens nur einer der Flügel- parteien sich nicht erfüllt hätte, haite das Kabinett einstimmig be- [{lossen, vom Herrn Reichspräsidenten die Auflösung des Reichs- tags zu erbitten. Nachdem aber beide Flügelparteiew (große Heiterkeit) gegen die Annahme des Geseßentwurfs gestimmt haben, kanu cine Auflösung des Reichstags keine Klärung mehr bringen.

(Lachen und Zurufe von den Kommunisten. Andauernde große Unruhe.)

Das Kabinett hat ferner die Frage der Demission eingehend erörtert und war zu dem Entschluß gekommen, dem Herrn Reichs- präsidenten die Aemter zur Verfügung zu stellen. Von diesem Entschluß hat die Reichsregierung mit Rücksicht auf den ihr zu- gegangenen dringenden Wunsch des Herrn Reichspräsidenten Ab- stand genommen (Bravo! rechts), dex aus innen-wieaußen- politishen Gründen einen Rücktritt der Reichs- regierung für untunlich erachtet. (Lebhafter Beifall bei den Regierungéparteien.)

Die Reichsregierung kamr ihrerseits die Fnitiative zu einer Regelung der Frage im Wege der ordentlihen Geseßgebung nur dann wieder ergreifen, wenn die politishe Lage die parlamen- tarishen Voraussezungen dafür schafst. (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. Wiederholte Rufe von den Kommunisten: Abtreten! Große Heiterkeit.)

Präsident Löbe : Damit ist die Weiterberatung des von dec Regierung zurückgezogenen Gesetzentwurfs erledigt. fahren in unserer Tagesordnung fort. ; Ì ordnung hat der Abgeordnete Stoecker. (Große Heiterkeit.)

Abg. Stoeckerx (Komm.): Der Minister Külz hat vor dreì Tagen erklärt, daß die Reichsrégierng aus der Ablehnung der Vorlage alle Konsequenzen ziehen werde. (Ungeheurer Lärm.) Die Reichsregierung hat sich mit ihrer Erklärung in den krassesten Widerspruch geseßt (fortgeseßter großer Lärm), auch in Widerspruch geseßt mit der großen Mehrheit der deutshen Arbeiter daußen, die die restlose Enteignung der Fürsten gefordert haben. (Der außerordentlich starke

politisGen Lage gesprochen ha

nux die Angst vor den Wählern, Sicherung des Raubes der

-vom 1. Fuli ab gelten. Ausschuß für erledigt zu erklären.

Wir Das Wort zur Tages§-

‘arm im ganzen Hause zeigt, daß das Haus den Redner nicht mehr hören will, Der Redner ruft dem Hause zu: Jhrx Affengebrüll! Er wird dafür vom Präsidenten Löbe zur ©ronung gerufen. Der Präsident bemerkt außerdem, daß der Abh- geordnete Stoecker bisher A! zur Tagesordnung, sondern zur

be. Er fordert ihn auf, zur Tages ordnung zu sprechen.) Der Redner fährt fort: Fhr Gebrüll zeigt Ì vor der Abrechnung wegen der sten, Wenn die Regierung Marx

Präsident be entzieht dem Abgeordneten Stöcker das Wort und teilt dann mit, daß Abgeordneter Stöcker ein Miß- trauensvotum gegen die Regierung beantrage.

Abg. von Gräfe (Völk) betont, daß der Eindruck nicht \chön sei, wie hier im Hause zum Ausdruck gebracht werde, wie vielen ein Zentnergewiht vom Herzen falle.

Gegen die Beratung des Mißtrauensantrags im Laufe der heutigen Verhandlungen wird Einspruch erhoben. Der Antrag ist dadurch erledigt. (Zuruf rechts: Ein großer Auf- wand shwächlich ward verian! Heiterkeit.)

_Es folgt die dritte Beratung des Entwurfs eines weiteren Gesetzes über die Ausseßung von E TER Mng ele ß). Danach wird das Gese über die Aus- bung der Rechtsstreitigkeiten über die Auseinanderseßzung mit den ehemals regierenden Fürstenhäusern bis zum 31. De- zember 1926 verlängert. Die Abstimmung ist namentlich. Das Gese wicd mit 333 Stimmen der Regierungsparteien und dex Kommunisten- gegen 17 Stimmen darunter die der Volkischen bei 97 Enthaltungen der Deutschnationalen angenommen. Präsident Löbe stellt fest, daß das Geseß mit der verfassungsmäßigen Zweidrittelmehrheit angenommen ist. (Beifall bei den Regierungsparteien.) Es folgt die zweite Beratung des vom Abg. Tremmel (Zentr.) eingebrahten Entwurfs über Abänderung des Reichsmietengeseßes in Verbindung mit dem Antrag Dr. Scholz (D. Vp.), betr. Aufhebung des Reichs mietengeseßes. | Der Ausschuß hat den Antrag Tremmel im wesentlichen angenommen. Die Hauptbestimmung darin ist Umlagever- pflichtung des Mieters für die Kosten baulicher Verände- rungen, die den Gebrauchswert erhohen und nicht als Fnu- stan Ea anzusehen sind, auch nicht aus der geseß=- lihen Miete ohne Beeinträchtigung der ordnungsmäßigen Be- wirtschaftung bezahlt werden können. Dex Mieter oder die Mehrheit dex Mieter muß seine Zustimmung zu den baulichen Veränderungen gegeben haben. Die Bestimmungen sollen Den Antrag Scholz beantragt der

Nach kurzer Debatte, an der fih die Abgeordneten Lu ck e (Wirtschaftil. Vereinig.), Menzel (D, Nat.), Höllein (Komm.), Tremm el (Zentr.) beteiligen, werden die von den Abgeordneten Lucke und Menzel gestellten Abänderungs- anträge abgelehnt und der O luß angenommen, dev nur insoweit geändert wird, daß an Stelle des 1. Fuli derx 15. Fuli tritt. Dex Antrag Tremmel wird auch in dritter Lesung und in derx Sbithabtinmnung angenommen.

Abg. Dr. Schreiber (Zentr.) befürwoetet hievauf folgenden, von allen Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, ein- gebrachten Antrag: „Die Reichsregierung zu ersuchen, zur För- derung einer Reichskunstwoche im Benehmen mit den Ländern einen angemessenen Betrag in den Nachiragshaushalt 1926 ein- zuseben.“ Redner hebt die kulturelle Bedeutung der Kunst auch für die internationalen Beziehungen der Völker hervor, Auch verde die Kunstivoche den notleidenden Künstlern zugute kommen. Staatssekretär Schulz führt aus, daß bereits mit den Ländern Verhandlungen schivebten, wie man den Künstlern helfen könne und äußert fich zustimmend zu den Tendenzen des Antrages.

Abg. Dr. He u ß (Dem.) gibt der Hoffnung Ausdru, daß der Reichstag die Mittel einmütig betoilligen werde. Hoffentlih werde die Reichsregierung die Kunstwohe zum Anlauf der Einleitung einer umfassenden Kunstpolitik nehmen.

Dex Antrag wird einstimmig angenommen.

Dex A über die Verlängerung dex Amts - dauer dex Beisivßer der Gewerbegerichte und dex Kaufmannsgerichte wird in allen drei Lesungen angenommen. Die Verlängerung erfolgt bis zum Fnkraft- treten des Arbeitsgerichtsgeseßes, längstens bis zum 31, De- ¿mberx 1927,

Hierauf folgt die zweite Beratung der Aniräge, betr. Abänderung des Handelsgeseßbuches (Ver- längerung der Kündigungsfrist für ältere Angestellte), Er- werbslosigkeit der älteren Angestellten und Unterbringung erwerbsloser Angestellten, sowie des Antrags, betr. Er- werbslosigkeit und Entlassungen bei der Reichsbahn. Der Ausshuß schlägt zu diesen Fragen Entschließungen vor, die die Regierung zu geseßgeberischem Vorgehen auffordern. Fn Verbindung damit wird die Re- ierung8vorlage beraten, wonach die Kündigungsfrist ür ältere Angestellte (über 40 Fahre), die dex An- gestelltenversiherung untèrstehen, verlängert wird.

Abg. Torgl er (Komm.) erklärt, daß nihts bessev das en der bürgerlichen Parteien kennzgeichne, wie die Behandlung der älteren Angestellten. Nachdem im Unterausshuß alle Parteien sih über ein Programm geeinigt hatten, hätten die bürgerlichen Parteien dann einen vollständigen Rückzug angetreten und die älteren Angestellten wieder im Stich gelassen. Der Redner befür- wortet einen koinmunistischen Geseßentwurf über den Schuß der älteren Angestellien, der sich im wesentlihen auf das Programm des Unteraus\chusses stüßt.

Neichsarbeitsminister Dr. Brauns: Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat in seiner Art eben von der „lächer- lichen“ Vorlage ter Regierung geredet. Die Fassung, welche der Regierungsentwurf auf Nr. 2534 des Gesehes über die Erhöhung der Kündigungsfrist für ältere Angestellte erhalten hat, entstammt einem früheren Stadium der Erörterungen über die Frage und beruht auf einem einstimmigen Gutachten des NeichAwirtschaftsrats. Wix haben auf diesem Gutachten gefußt und daran nichts mehr geändert, weil wir den Entwurf möglichst {nell dem Kabinett und dem Reichsrat unterbreiten wollten, um eine baldige Erledigung der Frage möglich zu machen. N L

Es sind nun gegenüber dieser Fassung des Negierungéentiwurfs eine Reibe von Abänderungsanträgen eingegangen, etn solcher der Negierungsparteien auf Nr. 2553 und auch Abänderungsaniräge von seiten der sozialtemokratishen und kfommunistishen Partei. Dazu möchte ih folgendes wenigstens grundsäßlih bemerken,

Die Reichöóregierung ist zu allen Maßnahmen bereit, die geeignet sind, die Notlage der älteren Angestellien wirklih zu lindern, Wir gehen infolgdessen au eins mit den Anregungen des Sozialen Aus- s{usses, die in dem mündlichen Bericht auf Drucksache 2492 wieder- gegebu worden sind. Vorx allem wollen wir dafür sorgen, daß die Anwartschaften in der Sogialversicherung unbedingt erhalten werden, Es ist aber bei all diesen Maßnahmen, die hier in Frage kommen, zu beachten, daß eine Ueberspannung des Kündigungsschußes leicht in das Gegenteil des Bezweckten umschlagen und durch Erschwerung der Einstellung die älteren Angestellten sogar shädigen kann. Aus diesem Grunde halte ih besonders auch eine Gleichstellung der älteren Angestellten bezüglih des Kündigungsschußes mit den Mitgliedern der Betriebsvertretung oder die Einführung einer gewissermaßen lebens-

verhältnis, für unmöglich und in der Praxis für schädigend für dis Angestellten.

Aehnlich liegt es auch mit der Frage des Einstellungszwanges, Jch glaube, man wird auch über die Zwekmäßigkeit eines solchen Vorschlages sehr verschiedener Meinung sein können. (Sehr richtigl rechts.) Die Anträge der Negierungéparteien auf Nx. 1553 scheinen mix die Grenze des möglichen Schußes gerade noch einzuhalten, so sehr au diesen Anträgen gegenüber im einzelnen hon Bedenken bestehen können. (Sehr richtig! im Zentrum.)

Dagegen möchte ih bitten, weitergehende Anträge abzulehnen, und ih glaube, diese Bitte im Interesse der Angestellten stellen zu dürfen. (Zuruf von den Kommunisten.) Ja, darüber kann man ganz verschiedener Meinung sein. (Sehr wahr! bei den Kommus- nisten.) Man braucht nit unbedingt die Ansicht der Kommunisten zu teilen.

Meine Herren, ih- glaube aber, daß zu den Anträgen auf Nr. 2553 eine Klarstellung notwendig ist. Da heißt es nämlich im § 3:

Kündigungen, die zwischen dem 15. Mai 1926 und dem Inkrafttreten dieses Gesebßes mit kürzerer als der im § 2 Absaß U vorgesehenen Frist ausgesprochen sind, gelten als mit diescr Frisb erfolgt.

Die Bezugnahme des Wortes „dieser“ könnte zweifelhaft erscheinen, Es bezieht sid natürlich auf die leßtgenannten Bestimmungen; ges

| meint sind die Fristen des § 2; die Fristen dürfen nicht kürzer sein

als die im § 2 vorgeschcaen, Damit dürfte au diese Frage geklärb sein.

Abg. A ufhäuser (Soz.) begründet die sozialdemokratischew Anträge. Danach sind u. a. folgende Mindestkündigungsfristen innezuhalten: von ö Dienstjahren an 8 Monate, von 10 Dienst- jahren an 6 Monate zum Schluß eines Kalenderjahres, Nach 90 Dienstjahren darf Angestellten nur bei Vorliegen eines wichz tigen Grundes gekündigt werden. Ferner soll bei Kündigungen von Angestellten durch den Arbeitgeber eine Abgeltung entrichtet tverden, die bei einer dreijährigen Dauer der Zugehörigkeit zu dem Betriebe der Unternehmung oder der Unternehmungsgruppe ein Monatsgehalt, nach je zwei weiteren Jahren cin weiteres Monat3- gehalt beträgt.

Abg. Thiel (D. Vp.): Der Vorwurf, daß die Angestellten» vertreter in den bürgerlihen Parteien gegen die Interessen der An- gestellten Stellung genommen hätten, ist unbegründet, denn wir mußten aus realpolitishen Gründen wenigstens das vertreten, was beute {on durczufseßen ist, Es ist übrigens L Gg daß haupt- \ächlich die älteren Ängestellten abgebaut worden sind. Wir sind das gegen, daß Angestellte, die noch im Betriebe gehalten werden könnten abgebaut werden. Eine große Anzahl von Kaufmannsgerichten hat si unserer Stellungnahme angeschlossen. Die ganze Frage ist also der Prüfung durch das Neichsarbeitsministerium dringend bedürftig. Abqg. Schneider - Berlin (Dem.): Wir kurieren hier nur an den Symptomen herum. Der Abbau der älteren Angestellten muß verhindert werden. Von 33 abgebauten Angestellten eines großen! Unternehmens waren 19 über vierzig Jahre alt, und Leute mit dreißig und mehr Jahren Dienstzeit haben eine Abgeltung von nur 1500 erbalten, Mit der Vorlage shüßen wir nur die îin Stellung be- indlichen älteren Angestellten; diejenigen, die hon ohne Stellung Fay müssen durch einen Wiederanstellungszwang versorgt werden, wie wir ihn beantragt haben. Die Lage der Angestellten, die die Träger des Warenumlaufs sind, wird noch vershlimmert, wenn der Warenumlauf durch Handelsverträge noch beschränkt wird.

Die Vorlage wird in der Fassung der Abänderungs- anträge dex Regierungsparteien in der zweiten und sofort au in dex dritten Lesung angenommen. Danach wird zum Schuße von Angestellten, die nach dem Versicherungsgeses für Ans- gestellte versicherungspflichtig sind, bestimmt: i

„Ein Arbeitgeber, der in der Regel mehr als zwei Angestellte aus\cließlich der Lehrlinge beschäftigt, darf einem Angesteliten, den er oder feine Rechtsvorgänger mindestens fünf Jahre beschäftigt haben, nur mit mindestens drei Monaten Frist für den Schluß eines Kalendervierteljahrs kündigen. Die Kündigungsfrist erhöht sich nach einer Beschäftigungsdauer von zehn Jahren .auf fünf Vèonate und nah einer Beschäftigungsdauer von zwölf Jahren auf sechs Monate. Bei der Berebning der Beschäftigungsdauer werden Dienstjahre, die vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegen, nichi berütsihtigt. Die nah Absaß 1 eintretende Verlängerung der K ndigungéfrist des Arbeitgebers gecenüber dem Mes berührt eine vertraglih bedungene Kündigungsfrist des Angestellten gegenüber dem Arbeits geber niht. Unberührt bleiben die Bestimmungen über fristlose Kündigung.“ :

Es folgt die erste Beratung des von den Regierungs- arteien eingebrachten Geseßentwurfs über Aenderung des eseßes zur Abänderung des Geseßes über Ein-

stellung des Personalabbaues und Aendes- Lung der Personalabbauverordnung. Durch den Entwurf wird das Gesey bis zum 31. Dezember vers längert, Der Geseßentwurs wird nach kurzer Aussprache in allen drei Lesungen angenommen.

Es folgt die eue etne ede von den Abgeordneten von Gräfe, Dr. Best und Genossen (Völk.) eingebrachten Entwurfs eines Geseßes zur Aenderung des Geseßes über den Staatsgerichtsho f. Nach dem Entwurf oll über die Zurückweisung eines Volksentscheids nicht die

egierung, sondern nur der Staatsgerichtshof entscheiden.

Abg. Br. Be st (Völk) begründet den Antrag: Gerade in einer Demokratie müsse das Volk über wichtige Fragen im Wege eines Volksentscheids selber bestimmen können. Vor allem die vom Staate enteigneten Sparerx hätten ein begründetes Anrecht hierauf. Die Frage gei einfa die: Will man der Willkür freien Lauf lassen oder einen Riegel vorschieben ? E +

Die Vorlage wird dem Rechtsausschuß Überwiesen.

Es folgt die zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Fri ck und Genossen (Völf.) eingebrachten Gesetzentwurfs zur Ergänzung der Reichsverfassung dahin, daß auch Einzelpersonen die Behauptung, dur die Tätigkeit einex Behörde in ihrem Recht unter Verleßung dieser Ver- fassung gea zu sein, ihre Beschwerden vor den Staats- gerichtshof bringen fönnen.

Dex Ausschuß beantragt Ablehnung des Antrages. Der Abg. Dr. Rosenfeld (Soz.) begründet einen sozialdemo- fratishen Aenderungsantrag auf Erlaß eines Gefeßes über das Vereinsrecht, wonach das Verbot oder die Auflösung einer Versammlung im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens ane gefochten werden kann. Dieser Abänderungsantrag wird ab- gelehnt. Dex Ausschußantrag wird angenommen.

Die Vorlage über die vorläufige Anwendu Rg von Wirtshaftsabkommen (Ermächtigung der Ne- gierung, mit anderen Staaten abgeschlossene Wirtschasts- abkommen vorläufig für drei Monate in Kraft zu eßen) wms in zweiter und dritter Lesung und in der Schlußabstimmung endgültig angenommen, ebenso der Gesezentwur} gur AUf hebung des Reichsgeseßes über die Schußpolizoi dex QUUDA

Dex vom Abgeordneten Siller (D. Nat.) CINgebrate Gesetzentwurf übex Abänderung des Gesehes über den GT l

entwertungs8ausgleih bei bebauten Grund"

ebt die Dinge einfach laufen läßt, so stellt sie sich shüßend vor

n großen Volksbetrug,

länglichen Stellung, also die Schaffung einer Arb von Beamten-

stücken wird dem Steuecrausshuß überwiesen,