1926 / 152 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 03 Jul 1926 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Antrag Leicht (Bayer. Vp.), betr. Aenderung des S 600 DEx usführungsbestimmungen zum JTohlenwirtschaftsgesey (Belieferung der Genossen- schaften), wird angenommen. L Entsprechend dem Beschluß des Geschäftsordnungsaus- {usses wird der Antrag der Oberstaatsanwaltschaft, betr. Verhaftung von fes kommunistishen Ab- geordneten, niet Bg, E Angenommen wi die Entschließung der Abgg. Schmidt-Hannover, Beythien (D. Vp.) und Gen., betr. Nachprüfung der Tarifpolitik der Reichs- bahn. * Bizepräsident Bell beraumt eine neue nische auf 8 Uhr an zur Erledigung der Zollvorlage, des dänischen und 1 Se Handelsvertrags und kleinerer Vorlagen. Schluß 7% Uhr.

224. Sißung den 2. Fuli, 8 Uhr abends.

Präsident Löbe eröffnet die Sißzung um 8/4 Uhr mit der bedauerlichen Mitteilung, daß der Abg. Schur ig (Dem.) dur einen Straßenbahnunfall am Potsdamer Plaß lebens-

efährlich verleßt sei. Dex Präsident knüpft daran den Wunsch, bak doch eine Genesung erfolgen möge.

Abg. Neubauer (Komm.) beshwert \sich darüber, daß das

Fommunistishe Mißtrauensvotum gegen die Regierung nicht auf die Tagesordnung geseßt sei, und beantragt, dies ab tral zu tun.

Abg. Schult - Bromberg (D. Nat.) erhebt dageaen Wider- speud, (Nuf bei den Kommunisten: Unerhörter Vorgang! Wir ollen mundtot gemaht werden. Lärm.) Infolge des Widerspruchs kann der Antrag nicht auf die Tagesordnung geseßt werden.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Lesung des Geseh- entwurfs über Zolländerungen. Verbunden damit wird die dritte Beratung des deutsch-dänischen Ver- trages und die zweite Lesung des deutsch=-\chwedi- \chen Handelsvertrages sowie die zweite Beratung der Vorlage, betreffend vorübergehende Bewertung von Einfuhrscheinen.

Zum Geseß über Zolländerungen schlägt dec Aus\{uß vor, die Lebensmittelzölle vom 1. August an bis 31. Dezember d. J. wie folgt festzuseßen: Roggen, Weizen und Spelz 5 Mark, Futtergerste 2 Mark, Hafer 5 Mark, Mais und Dari 3,20 Mark, frisches Fleisch 21 Mark, Schweinespeck 14 Mark, Schmalz und shmalzartige Fette 14 Mark; außerdem soll für ette zur Margarineherstellung ein Zoll von 1,25 Mark ex- oben ea

Abg, Hör nle (Komm.) wendet sih zur Geschäftsordnung gegen die Mahtprobe, die mit den Zöllen gemacht werden soll, indem ie Redezeit aufs äußerste beshränkt fei. Das werktätige Volk solle nicht erfahren, was hier vorgehe. Er beantrage eine ganze Stunde Nedezeit, statt der vorgesehenen halben Stunde.

S0, So m L Nat.) s{lägt eine Viertelstunde vor. (Lärm bei den Kommunisten.)

Das Haus beschließt eine halbstündige Redezeit.

Abg. Henkel (Soz.): An der hastigen Erledigung dieser Zollvorlagen haben nur die Großgrundbesiyer ein Snterefle i dem werktätigen Volk wird aber ein Attentat verübt. Das Zen- trum tut so, als handele es sih mit dieser Zollerhöhung nur um ein Provisorium, das Zentrum will aber diese Belastung des Volkes. Wir haben im Ausschuß die Fortgeltung der jeßigen Zoll- sâbe bis zum Ende dieses Jahres beantragt; der Antrag ist ab- gelehnt worden, wir bringen ihn deshalb jeßt von neuem ein, Die Demokraten ‘waren früher gegen die hohen Lebensmittelzölle, jeßt machen sie diese Zollpolitik mit, und zwar im Moment dex höchsten Not des Volkes. Die Ziffer der Arbeitslosen ist gestiegen und noh im Steigen. Sogar die Margarine soll verteuert werden, Daß der notleidenden Landwirtschaft geholfen werden müsse, haben wir seit Fahrzenten gehört, aber die Großagrarier haben durch die Zölle Milliarden Gewinne gemaht, Das schlimanste ist die große Spanne zwischen dem Getvreidezoll und dem Mehlzoll, sie bedeutet die ungeheuere Verteuerung des wichtigsten Lebenomitieis, des Brotes, zugunsten der Großmühlen, die danach thren Mehlpreis steigern können. Fch habe kein großes Zutrauen dazu, daß die Handelsverträge die Zölle noch herabseßen. Es besteht eine Juter- esjsengemeinshaft zwischen Landwirtschaft und Mühlenindustrie. Die Futtermittelzölle, Gerstenzölle, Maiszölle verteuern die Vieh- haltung des kleinen Bauern, nüßen ihm also nihts. Die Schweine- mast wird zurückgehen, das bedeutet wieder einen Verlust an Dungstoff. Die Futtermittelzölle belasten auch die Milchwirtschaft. Gegen die Erhöhung des Gerstenzolles hat \ih der Reich8ausshuß der demokratischen Partei erklärt. Die Margarine, deren Ver- brauch pro Koppf 12,5 Pfennige beträgt, wird dex ärmeren Be- völkerung verteuert; die anderen essen keine Margarine. Die kapitalkräftigen Oelmühlen wollen sich s{hüßen gegen die Kon- kurrenz der ausländischen Fette, Die Zunahme des Verbrauchs von Gefrierfleisch beweist, daß das frishe Fleisch dem Volke zu teuer ist, Die Regierung versündigt sih mit dieser Zollpolitik am deutschen Volke und der deutschen Wirtschaft, Die Frauen der Arbeiter seufzen unter den teuren Preisen, und dabei sind 17 vH der Bevölkerung noch arbeitslos. Die kranken Kinder werden aus den Krankenhäusern nit abgeholt, weil sie da besser verpflegt sind, „als es im Hause möglich ist, Als Herr Wels heute von der Empörung über die Fürstenabfindung sprach, lachte das Haus. Das Lathen wird Jhnen vergehen, wenn Sie die Folgen dieser Zollpolitif schen werden. Und der endgültige Zolltarif, der noch bevorsteht, wird noch ganz anders aussehen. Wir werden nicht aufhören, dagegen zu kämpfen, (Beifall bei den Sozialdemokraten.)

_Aba Ko enen (Komm.) meint, nah Beseitigung der Fürsten- abfindung beeile man sih noch {nell einen Zollraub durchzusetzen; die Zölle und Steuern hätten den leßten Anstoß zu der Wirt- {aftsfrise im leßten Halbjahr 1925 gegeben, 25 000 selbständige eine Existenzen des Mittelstandes seien dur die falsche Wirtschafts- politik ruiniert worden, Febt wolle man dies grausame Spiel wiederholen, Von einer angeblichen Besserung der Lage spüre die Arbeiterschaft noch nichts. Die Not der Massen werde durch den Polwucher weiter verschärft, Das Kompromiß erfülle alle

zünsche der Großagrarier. Die kommunistishe Fraktion stelle er- ares den Anrtag auf völlige Zollfreiheit dieser wichtigen Lebens-

! C! N 7

Abg, Schl a ck (Zentr.) bezeichnet einen Zollabbau in Deutsch- land als ausgeschlossen, solange das Ausland Iollmätern R Tatsächlich sei „seit der Zollgesekaecbung des vergangenen ahres nicht eine Preiserhöhung, sondern ein Herabgehen der Preise zu verzeihnen. Am niedrigsten sei sogar der Aorarindex gewesen, Es sei notwendig, alles zu tun, damit Deutschland endlich wieder mit allen Ländern zu handelspolitischen Vereinbarungen komme.

Abg. Freiherr von Richthofen (Dem.) erklärt seine Fraktion habe ihre Aufgabe darin erblickt, den Schaden, der mit dem deutsh-s{wedischen Vertrag angerichtet werden könnte zu beschränken. Es handele sih bei dem Geseb nicht um eine Er- höhung der Zölle, sondern um eine Herabseßung der Säye, die sonst am 1, August in Kraft getreten wären. Mit den Säßzen im Schwedenvertvag habe sich seine Partei unter keinen Umständen einverstanden erklären können, Wenn nit alle Wünsche erfüllt worden seien, dann liege die Schuld nicht bei den Demokraten jondern bei den Sozialdemokraten. Hätte seine Partei dieselbe negative Haltung eingenommen, dann wären wahrscheinlih die jeßt erfolgten Hevabseßungen der Sthwedenzölle niht durhgeseßzt ivorden, Die Sozialdemokratie habe ihre Haltung lediglih auf Agitation abgestellt, während seine Partei sachlich mitgearbeitet habe. Damit sei der Landwirtschaft mehr gedient. L

Abg. Tremmel (Zentr.) wendet sih persönlich gegen die

[ Abg. von Graefe-Mecklenburg (Völk.) Hält diese Zoll-

olitik niht für ein sahlihes Kompromiß, bei dem die Parteien fich entgegengetkbommen seien, sondern für ein Erzeugnis unter demagogishen Rücksichten, an dem niemand eine Freude habe, Als die Handelsvertagsverhandlungen noch bevorstanden, habe ein vor- übergehender autonomer Tarif einen Sinn gehabt, aber jeßt nicht mehr, nachdem die meisten Verträge schon abgeschlossen seien. Dieser interimistishe Zolltarif stelle kein System dar; es sei zum Beispiel unsystematish, den Roggenzoll und den Weizenzoll gleich zu machen, wir hauptsählih nur Weizen einführen müßten. Auch der Maiszoll sei falsch bemessen. Die Zollfreiheit für Pflaster- steine shädige die deutshe Fndustrie, und die schönen Resolutionen für diese Fndustrie E nur die Pflastersteine, mit denen der Weg zur Hölle gepflastert sei.

Damit schließt die Aussprache. Der sozialdemokratische Antrag auf Fortbestand der jeßt geltenden ermäßigten Zölle wird abgelehnt. Für diesen Antrag stimmen ais die drei demokratishen Abgg. Sch ne ide r- Berlin, Ziegler und Lemmer.

Die Vereinbarungen mit Dänemark über Zollerleichterungen für dänische Erzeugnisse und Behandlung deutscher Handlungsreisender in Dänemark wird in dritter Beratung in der Gesamtabstimmung mit großer Mehrheit gegen die Stimmen der Kommunisten angenommen.

Die Abstimmung über den Eingangsartikel des deu t \ ch- schwedischen Handels- und Schiffahrtsver- trages ergibt die Annahme gegen die Stimmen der Sozial= demokraten, Kommunisten und Völkischen.

In der Einzelberatung über die Zollsäze in diesem Ver- trag wendet sich

Abg. Hör nle (Komm.) sehr entschieden gegen die Zollpolitik. Als die Rechte ihn es mit Widerspruch unterbricht, ruft ein Sf Wenn Fhr niht ruhig seid, haue ich Euch in die

resse! _ Abg. Wissell (Sol) befürwortet nochmals den zum shwe- dishen Vertrag wiederholten Antrag auf weitere Geltung der jeßigen ermäßigten autonomen Lebensmittelzollsäße bis Ende dieses aues und wehrt sih gegen eine frühere Aeußerung des Abg. oenen, daß die Sozialdemokraten den großagrarischen Jnteressen dienstbar gewesen seien. Jn der heutigen Ausschußsizung hätten die drei kommunistischen Vertreter durch ihre Abstimmung dem Abg. Koenen eine klatshende Ohrfeige erteilt. -

Die namentlihe Abstimmung über den sozialdemo- kratishen Antrag ergibt die Ablehnung mit 271 gegen 135 Stimmen.

Danach wird das Geseß über den \chwedischen Handelsvertrag in der Ausschußfassung mit den er- bhöhten autonomen Lebensmittelzöllen bis zum 31. Dezember 1926 in zweiter Lesung angenommen.

Jn der dritten Lesung widerspricht

Abg. Koenen (Komm.) den Ausführungen des Abg. Wissell und hält diesem vor, daß die Fnitiative der Sozialdemokraten für die Zollfreiheit zum Teufel gegangen sei und daß 1e den Grund- a der Zollfreiheit niht mehr vertreten. Habe doch Hilferding ge]agt, in der Zollfrage müsse nian Kompromisse machen.

Abg. SA sell (Soz.) erividert, daß es sih hier nicht um die Frage der Zollpolitik oder Freihandel handele, sondern nux darum, angesichts des {wed on Handelsvertrags die ermäßigten Lebens- mittelzölle weiter bestehen zu lassen. Fn seinem Wahlkreise hieße der Abg. Koenen „der bleherne Heiland“. (Stürmische Heiterkeit.)

Die vom Ausschuß vorgeschlagenen neuen Zollsäße werden darauf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Kom- munisten und Völkischen angenommen. Ferner finden zum Handelsvertrag mit Schweden Entschließungen des Ausschusses Annahme, die Maßnahmen im FJunteresse der Pflastersteinindustrie und der Kleineisenindustrie sowie der Holz verarbeitenden JFndustrie fordern. Zum Vertrag mit Dänemark werden Entf ließzungen des Ausschusses an- genommen.

Darauf wird das Zollabkommen mit Däne- mark in dritter Lesung gegen Kommunisten und Völkische verabschiedet, dazu Entschließungen des Ausschusses, in Ver- handlungen mit der dänischen Regierung zu treten, um eine Schonzeit für Flundern für die Zeit vom 15. Januar bis 31, März zu vereinbaren, und ferner bei der dänischen Re- gierung dahin zu wirken, daß den deutschen Fischern die Fischerei im Breitgrunde vor der Flensburger Föhrde, wie sie bis zum Oktober 1925 zugelassen war, auch in Zukunft frei- gegeben wird. Weiter wird eine Entschließung des Zentrums angenommen, die Reichsregierung zu ersuchen, sobald die Ver- einbarung zwischen dem Deutschen Reih und Dänemark es zuläßt, einen wesentlih wirksameren Zollshuß für die deutsche Pferdezucht, als ex in dem dänischen Vertrag ba ist, her- beizuführen.

„Schließlich wird auch der af über die Wert- bestimmung der Einfuhrscheine für eine Uebergangszeit ver- abschiedet. Der Ln dul Handelsvertrag wurde in der Aus- shußfassung auch in dritter Lesung gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, Völkischen und Kommunisten angenommen.

Das Haus erledigt dann noch gemäß den Anträgen des Haushaltsausschusses Einsprüche des Reichsrats gegen die Reichstagsbeschlüsse zum Etat für 1926, die den Dauexrfonds von einer Million Mark für kulturelle Zwecke sowie Ein- stufung des Direktors der Reichsdruckerei und des Direktors der Hauptversorgungsanstalt der Reichspost betreffen.

Als Abg. Florin (Komm.) bei diesem Punkt der Tages- ordnung eine Rede gegen die Fürstenabfindung verliest, beantragt Abg. Dr. Kahl (D. Vp.), daß diese Rede nicht in das Steno- gramm aufgenommen wird.

Die Entscheidung über diesen Antrag wird zurückgestellt. __ Die Einsprüche des Reichsrats werden mit der erforder- lichen Zweidrittelmehrheit zurückgewiesen.

Angenommen wird dann noch eine E Meitng des Haushaltsausschusses über die im Etat vorgesehenen weiteren ausveihenden Mittel für die produktive Ex- werbslosenfürsorge zur Verfügung zu stellen. Damit ist die Tagesordnung erschöpft.

, Präsident Löbe shlägt vor, falls nicht zwingende Um- stände eine frühere Sißung notwendig machen, die nächste Sitzung am 3, November abzuhalten und die Festsezung der Tagesordnung dem Präsidenten zu überlassen. s

s Der Abgeordnete Stöcker (Komm.) beantragt, am E eine Sißung zur Erledigung des kommunistischen

ißtrauensvotums abzuhalten, um die sich die Parteien drücen wollten.

Der Antrag wird abgelehnt. Schluß: 12 Uhr nachts.

dom Ausshuß vorgeschlagene Zollregelung.

Preußischer Landtag. 193. Sißung vom 2. Juli 1926, vormittags 11 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger. *j

Vor Eintritt in die Tagesordnung gibt Abg. Bartelss- Crefeld (Komm.) namens seiner Fraktion eine Erklärung ab, in der es heißt:

Unter den am heutigen Tage verteilten Drucksachen des Landtags befindet sich der Entschließungs8antrag Nr. 3909 zur 3, Beratung des Haushalts des Ministeriums des Jnnern von der Fraktion der Wirtschaftlihen Vereinigung. Jn diesem Antrag heißt es u. a.: „Täglichen Zeitung8meldungen zufolge unter- nehmen Mitglieder des Roten Frontkämpferbundes unter demn Augen der Regierung Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Körperverleßungen, Raub und Diebstahl.“ Die kommunistische Landtagsfraktion weist diese infame Verleumdung einer großen proletarishen Ovganisation ganz entschieden zurück. Eine Fraktion, die sich aus Jnteressenvertretern des Miet- und Brots- wuchers zusammensebt, die sih nicht scheuen, unbemittelte Mieter mit Frauen und Kinder zu Tausenden brutal aufs Straßenpflaster zu werfen, eine Fraktion, die durch ihre Gesamt- politik mit dazu beiträgt, daß die arbeitenden Schichten durch unzureichende Löhne, überlange Arbeitszeit und fortgeseßt ge=- steigerte Preise um den Ertrag ihrer Arbeitskraft betrogen werden, erdreistet sich, die ausgebeuteten werktätigen Massen auch noch zu beschimpfen, Diese Beschimpfungen gleiten wirkungslos von den Mitgliedern des Roten Frontkämpferbundes ab, denn sie stehen als entschlossene Verfechter einer großen und gewaltigen Jdee turmhoch über den Eleinen Geistern einer absterbenden Welt. Die Verleumdungen der Fraktion der Wirtschafilichen Vereingung zeugen lediglich von der ohnmächtigen Wut über das siegreiche Anwachsen der proletarishen Kampftruppen.

Abg. Mebenthin (D, Vp.) beantragt die Abseßung der heute auf der Tagesordnung zur zweiten Beratung stehenden Vorlage über die Trennung und AuseinandeLr- seuungder Provinzen Ober-und Niedershlesien und nochmalige Zurückverweisung der Vorlage an den Ver- fassung8aus\chuß. Der § 8 des Geseßes widerspreche dem selbstz verständlichen Grundsaß, daß bei dieser Trennung auf die Rechte Dritter Rücksicht genommen werde. Dieser Paragraph, der die Trennung der Feuer- und Hasftpflichtversiherungsanstalten aus=- spricht, schädige die Tausende - vow Versicherten, Das Geseh sei daher gar nicht reif und hätte keinen Nußen für die be- troffene Bevölkerung.

Abg. D. Winckler (D, Nat.) {ließt sich dem Rückverivei- sung8antrag an,

Staatssekretär Meister: Namens des Jnnenministeriums habe ich zu erklären, daß es den Geseßentwurf in der Fassung des Ausschusses für rechtlich notwendig und politisch wichtig hält. Jch bitte um Verabschiedung der Vorlage.

Das Haus lehnt gegen die Stimmen der Antragsteller und der Deutschnationalen den Rückverweisungsantrag ab und tritt dann in die Tagesordnung ein.

Dabei werden zunächst eine Reihe kleiner Vorlagen erz ledigt. U, a. wird endgültig verabschiedet eine Novelle zux Aenderung der Schulordnung für die Elementarshulen der Provinz Preußen vom 11. Dezember 1845.

Der zux ersten Beratung vorliegende Geseßentiwurf zur Aenderung des Grundvermögenssteuergeseßes geht an den Hauptauss{chuß.

Es folgt die ziveite Beratung des Gesehentwurfs über die Trennung und Auseinanderseßung der Pr0- vinzen Ober- und Niederschlesien.

Abg. Axl t - Kreuzburg (D. Vp.) als Berichterstatter erstattet sein Referat dahin, daß die Mehrheit des Ausschusses sich für die Annahme der umfstrittenen Vorlage entschieden habe, Für die Streitigkeiten bei der Auseinanderseßung entscheidet ein s{hied8- gerichtliches Verfahren. Für jede der beiden Provinzen werden eigene öffentlih-rechtlihe Lebens8-, Haftpfliht- und Feuer- versicherungsanstalten errichtet. Dieser Teil ist, wie der Bericht- erstatter ausführt, besonders heftig umstritten worden,

Ju der allgemeinen Besprechung begrüßt

Abg. Franz (Soz.), daß durch diese Vorlage endlih die alten Versprechungen, die in der {weren Abstimmungszeit Ober- \chlesien gemacht worden seien, verwirkliht werden sollten, Die Rechtsparteien hätten bei diefer Angelegenheit gehörige Schwierig- feliecn gemacht. Sie Hätten, wie schon öfters, auch hier wieder einmal ibre Versprechungen, die sie den Wählern gemacht haben, nicht halten wollen, Sie hätten wirtschaftliche Bedenken in sehr üFertrießener Art vorgebracht und L nux an ihre partei politischen Absichten gedacht. Die Provinz Grenzmark sei kleiner als Ober‘cklesien und sei doch eine selbständige Provinz, Da hätten die Rechtsparteien keine „wirtschaftlichen“ Bedenken, weil sie dort politish mehr Einfluß Hätten als in Oberschlesien. Während sich hier im Landtage die Rechte ablehnend gegenüber einer Provinz Oberschlesien verhalte, bitte z. B. die rechts=- gerichtete „Ostdeutsche Morgenpost“ in Beuthen in einem Artikel ihres Chefredakteurs, der sogar persöónlih dem Abgeordneten Arlt-Kreugburg (D, Vp.) nahestehe, der „Provinz Oberschlesien feine Schwierigkeiten zu machen“. Aber die rechtsgerichtete Ost- markpolitik habe sich schon früher nicht bewährt. Das alte Regime habe Oberschlesien nur als melkende Kuh betrachtet und sei im übrigen bemüht gewesen, Oberschlesien möglichst wenig bekannt werden zu lassen, (Große Unruhe und Zurufe bei den Deutschnationalen) ) Noch heute wagten die Vertreter der Rechten ihre ablehnende Haltung gegen selbständige Versicherungs=- anstalten für Oberschlesien aufrechizuerhalten, obwohl in dieser Frage das ganze oberschlesische Volk einig sei, Notwendig seien nun noch wirtschaftliche Fürsorgemaßnahmen für Oberschlesien, wie z. B. die Kanalbauten. Der Redner meint, auch die Zentrumspolitik sei nicht immer eindeutig für die Autonomie Oberschlesiens gewesen, Jmmerhin habe der Zentrumsmann Ulißka in der ersten Linie im Abstimmungskampf gestanden. Diejenigen Deutschnationalen aber, die ihn heute wie der Graf Garnier beschimpfen, hätte man damals nicht gesehen. Abg, Graf Garnier (D, Nat.) lehnt es ab, wie der Vor- redner eine parteipolitische Rede zu halten. (Lachen bei den Sozial- demokraten.) Gegen den Willen der oberschlesishen Landwirtschafts- kammer soll ein Ggenes Institut geschaffen werden; das ist aber nicht tragbar. Für Oberschlesien entstehen daraus nur Kosten, Die Leistungen der besonderen Landwirtschaftskammer müßten bei weitem hinter den Æistungen der Kammer in Breslau zurückbleiben. Jn

“) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herxen Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind, i

(Fortseßung in der Ersten Beilage.)

Verantwortlicher Schriftleiter: J. V.: Weber in Berlin.

Verantwortlich für den Anzeigenteil: Nehnungsdirektor Mengering in Verlin,

Verlag der Geschäftsstelle (Mengering) in Berlin, Druck der Preußishen Druckerei- und Verlags-Aktiengesellschaft. Berlin, Wilhelmstr. 32,

Sechs Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage)

und Erste und Zweite Zentral-Handelsregister-Beilage,

Erste Veilage

zum Deutschen ReichSanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger

Irr. 152.

(Fortseßung aus dem Hauptblatt.)

Gegen um Vorredner stellen wir die provinziellen Be- ie den E tund. Es ftebt dem Vorredner nicht zu, eine derartige frivole und vernichtende Kritik zu üben, wie er es getan Habe. Nicht politische, fondern rein jagt Gründe Puecten dafür, daß das Trennungsgeseß in der vorliegenden Form abzulehnen sei. Ein Geset, das eine untragbare Last für Oberschlesien i darf man nicht verabschieden. Das Ausland, besonders England, ist sich längst darüber klar es läßt der früheren Regierung darin Gerechtigkeit widerfahren —, daß eine Wiedervereinigung abgetrennter Teile eine wirtschaftliche Notwendigkeit ist. (Beifall rechts.) M A

Abg. Jendro\ch (Komm.) erklärt, das Zentrum jet }chon längst vor der Revolution für eine selbständige Provinz Tele, gewesen. Die Trennung bringe aber besonders für die Arbeiterschaft chwere Nachteile. Die Ou hätten immer auf das \chärfste das Trennungsgeseß bekämpft. Freilich, die Politik des Grafen Garnier und seiner Freunde sei nur auf den Geldsack einge Das Zentrum aber sei bestrebt, neue Pfründe für ih zu jaffen durch Errichtung besonderer Einrichtungen und Anstalten. ine Fraktion sei nah wie vor gegen die Zerreißung eines Wirtschafts- gebieis und gegen die \{chwarzen Pläne, die die s{hwarz-weiß-rote Neaktion (Lachen in der Mitte) auch mit dieser Vorlage enr

Abg. Oppenhoff (Zentr.) fordert eine sahlihe Behandlung der mit der Vorlage verknüpften Fragen. Eine solche habe aber der Graf Garnier vermissen lassen; das Zentrum werde ihm noh die gebührende Antwort auf seine Angriffe geben. Oberschlesien sei selbständig und mit den Rechten einer Provinz ausgestattet. Feierlih gegebene Versprehungen müsse man halten, auch wenn man vom wirtschaftlihen Standpunkt aus manchmal eine andere Lösung für wünschenswert halten sollte. Die Einrichtung besonderer Anstalten bedeute eine Erleichterung und Beschleunigung des Geschäftsganges. Scharf zurückzuweisen sei auch die Unterstellung des Grafen Garnier, der Bauernverein habe sih in seiner Haltung dadurch beeinflufsen lassen, daß er Geld bekommen habe. Das Zentrum empfehle die Annahme der Ausschußbeschlüsse.

Abg. Meyhenthin (D. Vp.) legt den ablehnenden Stand- punkt seiner Partei dar. Die Provinz werde von ihr als bestehend anerkannt; ihr soll gegeben werden, was sie zu ihrem Gedeihen braucht. Wir haben uns verschiedenen Aenderungen gefügt, aber die Trennung der Anstalten können wir nicht mitmachen, weil dadurch Nechte Dritter getroffen werden. Wir haben beantragt, daß in dieser Beziehung die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden joll. Wir tun nur das, was die Regierung selbst angeregt hat, als sie mit Flarer Entschiedenheit diese Wiederherstellung der Regierungsvorlage forderte. Diese Regierungsfassung ist auch vom Zentrum einmal als Anirag eingebraht worden. Man kann uns daraus keinen Vor- wurf machen, daß wir jeßt wieder diesen Antrag vorbringen. Unter Einwilligung der Regierung haben wir zusammen mit Demokraten und Sozialdemokraten der betreffenden Bestimmung eine bessere wirt- \chaftlihe Fassung zu geben versucht. Wir sind aber einverstanden, daß die Fassung der M N ita iatlaae angenommen wird. Es handelt fih auch nicht bloß um wirtschaftliche, sondern in erster Linie um rechtliche Gesichtspunkte. Der Redner verliest gegenüber den Aus- führunçen des Regierungsvertreters Argumente, die die Regierung im Ausschuß gegen die jehige Fassung geltend gemaht hat. Sie hat erklärt, daß die Aenderung der Regierungsvorlage aus privat- rehtlihen Gründen niht möglih sei. (Hört, hört! rets.) Sie würde eine Entrehtung Dritter bedeuten. Nach allen Richtungen sei eine erheblihde Schädigung der Versicherten zu erwarten, (Hört, hört! rechts.) Auch der Finanzminister hat erklärt, daß durch die Trennung der Anstalten die Garantie für die Versicherten ge- schwächt würde, wodurh ein Schaden für die Versicherten entstehe. Auch die Frage der enerve ferung, hat Minister Höpker-Aschoff erklärt, gehöre nicht in das Geseß hinein. Die Regierungsparteien wollen also ein Geseß verabschieden, das nah den Erklärungen threr eigenen Regierung rechtlich unzulässig ist. (Hört, hört! rechts.) Der Abgeordnete Oppenhoff vergißt, daß es neben Oberschlesien auch eine noch größere Provinz Niederschlesien gibt. Oberschlesien ist allein gar nicht imstande, die drei neuen Anstalten zu errihten. Der Staat joll das Geld zur Verfügung stellen. Das Zentrum sieht nur immer Oberschlesien. Die anderen Regierungsparteien sind in seinem Schlepptau. (Sehr richtig! rechts.) Es sollen eben ganz bestimmte obershlesishe Persönlichkeiten in bestimmte oberschlesische Stellen hineingebraht werden. Eine Versicherungsanstalt aber ist nicht der Beamten, sondern der Versicherten wegen da. (Lebhafte Zustimmung rets.) Eine ganze Neihe von Anträgen Versicherter aus Oberschlesien liegen vor gegen die Trennung, nur ein einziger Antrag von einer Zentrumsparteistelle liegt für das Geseß vor. (Hört, Hört! rechts.) Die Oberschlesier wollen auch keine besondere Aerzte- Fammer haben, Von den Zentrumsêvertretern im Ausschuß kennt niemand Oberschlesien. (Hört, hört!) Wir wollen das Geseß nah den Wünschen der Oberschlesier ändern, also sollen die Regierungs- parteien in Verhandlung darüber eintreten. (Beifall rechts.)

Ministerialdirektor vo n Leyden wendet sich gegen den Anirag des Abgeordneten Metenthin auf Wiederherstellung der Regierungs- borlage. Die ursprüngliche Regierungsvorlage ließ ja die Frage der Trennung der Versicherungsanstalten offen. Nachdem aber ter Ministerpräsident in einer Rede im Landtag die Trennung zugesagt und eine Mehrheit im Ausschuß sie beschlossen hat, ist die ursprüng- liche Regierungsfassung erledigt. Bei wiederholter Prüfung is die Staatsregierung zur Ueberzeugung gekommen, daß die Trennung reht- lih durch Auflösung der alten und Gründung von neuen Anstalten wohl möglich sei. (Sehr richtig! links.)

Agb. Herrmann - Breslau (Dem.) bezeichnet die Vorlage «ls ausdrüdliche Konsequenz gegebener Versyrehungen, aber auh von Tatsachen, die vor dem Kriege und in Fehlern des alten Negimes liegen. Gerade die Gegner des Verbleibens Oberschlesiens bei Deutsch- [and speisten ihre Agitation mit den Fehlern des alten Regimes. Dabei sei nur an die Korfantyschen Landversprechungen erinnert, Das alte Regime und noch jeßt der Präsident der Schlesischen Landwirt- \chaftskammer haben sih bemüht, den oberschlesischen Vertretern das Arbeiten in den Landwirtschaftskammern zu ershweren. Der deutsh- nationale Graf Garnier hat in einer früheren Landtagssißung aus- geführt: , . . Alles, was jeßt in Oberschlesien sih vollzieht, grenzt an Landesverrat“. (Zuruf des Grafen Garnier.) Eine Beleidigung wird deéhalb nit weniger schwer, wenn man ihren wirklichen Sinn nicht mit klaren Worten ausspriht. (Sehr gut! bei den Demokraten.) Die Deutschnationalen, die mit Worten immer für die Stärkung des Staatsinteresses eintreten, haben mit der Tat auch hier wieder zurü- gehalten, obwohl es sih doch hier um ein Zukunftswerk für die Be- völkerung im Grenzgebiet handelt. Der Redner erklärt die Zu- stimmung seiner Fraktion zur Aus\chußfassung des Gesebes, dauit Oberschlesien als Glied am deutschen Volkskörper zeigen könne, was es wolle und wirken könne. (Beifall.) i

Abg. Haase - Liegniß (Wirtschtfl. Vereinig.) stellt fest, daß

volle CEinmütigkeit im Landtag darüber bestehe, daß Oberschlesien elbständig werde. Aber wenn der Abgeordnete Franz meint, man olle Oberschlesien sein Recht geben, so müßte er, der Redner, dem- gegenüber erFlären, man dürfe die \{chlesishen Bürger in ihrer Ge- [amtheit nicht schädigen. Auch die Herren von links sähen tatsächlich e wirtschaftlichen Nachteile der Vorlage ein, gingen aber nur mit em Zentrum, um sich bei Wahlen etwaigen Schädigungen zu ent- fithen. (Große Unruhe links.) Eine Einigung ließe sih vielleicht s ‘er den strittigen & 8 noch herbeiführen. Jn seiner jeßigen Fassung el er für die Wirtschaftlihe Vereinigung unannehmbar.

Berlin, Sonnabend, den 3. Fuli

as

. Wulle (Völk.) (von den Kommunisten mit den Zurufen

! empfangen. Vizepräsident Garnich ruft einen fommu- n Abgeordneten wegen diefer Zurufe zweimal zur Ordnung). bg. Ille verweist darauf, daß es eine abuvegige Begründung sei, die Seiedigmomng deo Restes von Oberschlesien durchzuführen, die man dem ganzen Oberschlesien versprochen habe. Die Mehrheit des oberslesishen Volkes habe si IENeLgelt Mgen den Zentrums- antrag gewendet, Oberschlesien vom übrigen Schlesien M trennen. Es beine. als ob tatsächlich nur die Absicht bestehe, aus Oberschlesien eine reguläre Zentrumsprovinz zu machen. Ulißka habe es klar aus- gesprochen, daß die provinzielle Selbstverwaltung nur als Etappe auf dem Wege zum Bundesstaat Oberschlesien zu bezeichnen sei. Den rößeren Nußen von der Zerreißung Schlesiens haben allein oie Polen. (Sehr wahr! rechts.) Die Völkishen lehnen das Geseß daher ab.

Abg. Metenthin (D. Vp.) wendet sih gegen die Aus- führungen des Ministerialdirektors von Leyden und erklärt, daß auch der Ministerpräsident der Wiederherstellung der Regierungsvorlage das Wort geredet habe. Wenn danah Umstellungen erfolgt seien, fo ändere dies nibts an der Tatsache der Aeußerungen Brauns.

Damit schließt die allgemeine Besprechung.

Jn der Abstimmung werden die ersten sieben Para- graphen angenommen. Zu §8 8, wonach für jede der beiden rovinzen Ober- und Niederschlesien eigene öffentlich-recht=- iche Lebens=-, Haftpflicht- und Feuerversicherungsanstalten er- richtet werden, liegt ein Antrag Meßyenthin (D. Vp.)—von Rohr (D. Nat.) auf namentliche Ab- stimmung vor. An der Abstimmung beteiligen sich nicht die Deutschnationalen, die Deutsche Volkspartei und die Wirt- schaftspartei. Die Kommunisten, die nur schwach vertreten sind, stimmen mit Nein.

Es werden nur 193 Karten abgegeben, Das Haus ist beshlußunfähig. Die Sißung ist damit beendet, die Erledi- gung der Vorlage kommt nicht mehr in Frage.

Ju der sofort angeseßten neuen Sizung werden zunächst die Hohwasseranträge beraten.

Abg. Dr. Wiemer (D. Vp.) empfiehlt den Vorschlag des Ausschusses, den Anträgen, die von allen Parteien eingebracht sind, durch Annahme eines Ausschußantrages gerecht zu werden.

Nach diesem Antrag wird das Staatsministerium ersucht:

a) unverzüglich eine Feststellung des Umfangs der durch die Un- iwwetterkatastrophe herbeigeführten Hochwassershäden zu ver- anlassen und hierbei auch zu prüfen, ob etwa Versäumnisse hin- sihtlih der ordnung8mäßigen Unterhaltung der Deiche oder unzureichende Vorkehrungen anderer Art vorgelegen haben;

b) zur Behebung der Not der von den Schäden Betroffenen. sofort umfassende und wirksame Hilfsmaßnahmen in die Wege zu leiten, insbesondere durch Bereitstellung zinsloser Kredite, die den Geschädigten auf kürzestem Wege zuzuleiten sind, durh Stundung bereits fälliger Kredite sowie dur Stundung und gegebenenfalls Niederschlagung fälliger Steuern;

c) dafür zu sorgen, daß die beschädigten Dämme und Uferbauten \chleunigst wieder instandgeseßt und zu diesen Arbeiten vor- wiegend Erwevrbslose zu tarifmäßigen Bedingungen heran- gezogen iverden;

a) bei der Reichsbahnverivaltung den sofortigen Erlaß eines Not- tarifs für dem Transport von Futtermitteln in die geshädigten Gebiete und für den Transport von Vieh aus dem ge- schädigten Gebiete zu Pensionsbetrieben und zurück zu er- wirken sowie Weidegelegenheîiten für Vieh aus den be- troffenen Gebieten unentgeltlich in den Staatsforsten zu beschaffen,

Ferner soll das Staatsministerium ermächtigt werden, die zur Beseitigung des durch das Hochwasser geschaffenen Not- standes erforderlihen Mittel vorshußweise zu verausgaben

und nötigenfalls in einem Nachtrag8haushalt Me das Rech-

nungsjahr 1926 anzufordern. Schließlich soll die Regierung ersucht werden, auf die Reichsregierung dahin einzuwirken, daß auch vom Reiche in M seiner aus den finan- ziellen Beziehungen zwischen dem Reich und den Ländern sich ergebenden Verpflichtung ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden. Nah Abschluß der Hilfsaktion soll dem Land- tage Bericht über die veranlaßten Maßnahmen erstattet werden.

Abg. Heccken (D, Nat.) lenkt die Aufmerksamkeit der Regie- rung auf die besonders großen Schäden in Ostpreußen. Jm übrigen sei zu bemerken, daß die Davstellung des „Vorwärts“, daß rund 90 vH der beschädigten Flächen in normalen Hochwasser- gebieten lägen, unrichtig sei. Die endgültigen Feststellungen müßten fpäter erfolgen. Febt handele es sich zunächst darum, den am s{chwersten geshaädigten Gebieten zu helfen; am besten werde ein besonderer Kommissar zur Schadenfestsebung entsandt. Die Feststellung müsse sachlich, aber auch wohlwollend erfolgen. Das sei 1924 nicht der Fall gewesen. Der Ansicht des Freiherrn von Wangenheim (Wirischaftl. Vereinig.), daß eine ungeheure Ueber- treibung der Schäden zu verzeichnen sei, könne niht beigetreten werden, Zwar mögen einige Zeitungsmeldungen zu weit ge- gangen sein, im ganzen seien aber doch ungewöhnlih hohe Schäden entstanden. Die Regierung habe die Pflicht, ein genaues Er- gebnis ihrer Prüfungen auch in der Schuldfrage vorzulegen. Zu fragen sei, ob der Uebergang der Wasserstraßen an das Reich einen Teil der Schuld trage an der Katastrophe, da das Reich die Ver- kehr8interessen zu sehr bevorzuge und die Landeskulturinteressen vernachlässige. Seine Partei müsse diese Frage bejahen. Den Geschädigten müsse durch Steuerstundung bziv, -Niederschlagung mehr entgegengekommen werden, als es 1924 der Fall gewesen sei. An eine Zurückzahlung der Kredite sci in dieser Notzeit für die Landwirtschaft nicht zu denken, Umwandlung zunächst zinslos ge- gebener Kredite in verlorene Zuschüsse müsse erfolgen, sobald die Folgen der Katastrophe zu übersehen seien. Nötig sei zur Auf- rechterhaltung der kleinen und mittleren Betriebe eine sofortige Hilfsaktion. Zurückzuweisen sei die Darstellung des Abgeordneten von Wangenheim (Wirtschaftl, Vereinig.), der Landwirt habe es an tatkräftiger Selbsthilfe fehlen lassen in Erwartung eines Gold- regens. (Zuruf rechts: Unerhört!) Dazu sei der deutsche Landioirt doch zu solide, ganz abgesehen davon, daß angesichts der Höhe der I TRAd{ arma, die gezahlt würden, von einem „Goldregen“ wahrlich niht gesprohen werden könne. Erfreulih sei, daß f der Ausschuß dahin ausgesprohen habe, bei der Reichsbahn- verwaltung den sofortigen Erlaß eines Nottarifs für den Trans- port von Futtermitteln in die geshädigten Gebiete zu erwirken,

n s{hwerstgeshädigten Gemeinden müsse durch Ergänzungs3- uschüsse zu den Schullasten, Wegelasten und dergleihen unter die [rme gegriffen werden, damit sie ihrerseits in der Lage seien, die Gemeindesteuern zu stunden und niederzushlagen. Uebernahme der laufenden Deich- und Schöpfwerkslasten auf den Staat sei not- wendig. Desgleichen müsse Erhöhung des Brennereikontingents in den Notgebieten zur Erhöhung der Futtererzeugung gefordert werden. nelle Hilfe ohne bürokratische Engherzigkeit sei zu

fordern,

m. E s

Abg. Sch iftan (D. Vp.) stellt fest, daß die Schäden in Ost und West so groß seit Jahren nicht gewesen sind. Not tut vor allem, daß Kompetenzgstreitigkeiten ausgeschaltet werden. (Sehr richtig! rets.) Not tut, daß {nell geholfen, daß gerettet wird, was noch zu retten ist, und daß die Nahshäden reguliert werden. Die Klärung der uldfrage is eine nahträgliche Sorge, dur die nicht geholfen wird. Es muß {nell und ausreichend geholfem werden, Auch industrielle Unternehmungen haben gelitten, damit ist auch die Notlage der Arbeiter erschwert, Mit der Kartoffel- ernte sicht es sowieso sehr traurig aus. (Zurufe von links.) Wir wollen uns doch niht auseinanderreden, uns drüdckt alle dieselbe Not. (Lebhafte Zustimmung rets.) Notwen! b, sind Runderlasse an die Finanzämter auf Steuererlaß. Auch den betroffenen Kommunen muß geholfen werden Die Notstandsaktion der Regierung darf nicht an bestimmte Summen gebunden fein; sie muß von der etatsmäßigen Bindung frei sein. Wir machen den Antrag des Berichterstatters, s Parteifreundes Dr. Wiemer, den der Auschuß angenommen hat, zu dem unteren, da in ihn alles Notwendige hineingearbeitet worden ist. Dem großen Un- glüdck ist cine große Tat gegenüberzustellen, Mit dem Brückenbau über die Warthe bei Zantoh muß Hand in Hand gehen die Ufer- regulierung und Uferbefestigung. (Beifall rechts.) :

Abg. Mertens Berlin (Dem.) hebt Hervor, eine Katastrophe von so ungeheurem Umfange und zu ‘dieser Jahreszeit eit hundert Jahren niht da war. Nicht nur die Landwirtschaft, Pa au die Gewerbetreibenden und P hätten neben der Bevölkerung stark gelitten. Schnelle Abgeltung der Schäden und Maßnahmen für die Verhinderung solcher Unglücke in der Zukunft seten erforderlich, Die Vorwürfe des Abg. Hecken, als hätten die Regierung und die Ober- und Regierung8präsidenten versagt, sind ungerecht und MURen ebenso zurückgewiesen werden wie die Schuldspvehung der Reichsregierung. Man a die Schuldfrage erst nach Abs{chluß der Üntersuchungen deriühren. Solchen Elementarkatastrophen gegenüber würde man immer einen sehr {weren Stand haben. Die Schädenfestseßung und die Hilfe müßten wohlwollend und ohne Ansehen der Person erfolgen. Jns8- besondere würde es verwerflih sein, wenn eine Partei oder der Landbund versuchen wollte, die Bereinigung der Katastrophe agitatorisch auszunußen. (Sehr gut! links.) ; u

Abg. Frhr. von Wangenheim (Wirtschaftl. Vereinig.) hebt hevvox, daß einige Regierungspräsidenten, so der von Pots- dam, von sih aus die vom Hochwasser Betroffenen unterstüßt habe. Ex empfiehlt, daß die Chefs derx Finanzämtex sich persönlich von den Hochwasserschäden überzeugten, was auf ihre Haltung gegen- über den Gejschädigten von bestem Einfluß sein werde. Mau durfe aber, im Jnteresse dexr Geschädigten, die doch mit ihren Ersaÿ=- anträgen ernst genommen werden wollten, die entstandenen Schäden nicht übertreiben, wie dies einige Stellen des Reichslandbundes täten. (Hört, hört!) Die wirklihen Schäden träten erst zulage, wenn das Hochwasser abgeflossen sei. Dann dürften die Schäden erst richtig festgestellt werden, damit au wirklih den Geschädigten gehofen werde und nicht bloß denen, die am lautesten schrieen.

Abg. Paebvel (Soz.) stimmt dem Antrag des Hauptaus- schusses zu. Was die Schuldfrage anlange, so müsse man das Er- gebnis der amtlichen Untersuchung abwarten. Besonders bedürften die Deichanlagen der Warthe einer gründlihen Renovierung. Die Abgeltung der entstandenen Schäden müßte E direkt an die Geschäd1igten unter Umgehung der Verbände erfolgen. Benach- teiligungen seien unbedingt zu vermeiden. Ein Antrag des Abg. Hecken (D. Nat), der, ohne daß die Schäden festgestellt seien, schon den Landwirten ohne Unterschied sämtliche Steuern, auch die noch gar nicht fälligen, erlassen wolle, sehe doch sehr danah aus, als wolle man hier die Gelegenheit benußen, auf einem ungeradei Wege zu erreichen, was auf einem geraden nicht möglich fei.

Abg. Shmelzer (Zentr.) exklärt, seine politishen Freunde ständen selbstverständlich auf dem Standpunkt, daß für die Hoch- ivassergeschädigten s{hnelle und wirksame Hilfe notwendig sei. Be- sonders gelte dies für das Rheinland und den Osten. Die Kata- \trophe lehre, daß man den Flußregulierungen mehx Beachtung schenken müsse, wie überhaupt die vorbeugenden Maßnahmen einer wirksameren Betreibung bedürften. Vor allem gelte es, in den GBebirg8gegenden das Wasser durch geeignete Maßnahmen mehr in den oberen Regionen zu halten. Der Rednev stimmt dem Aus- shußprogramm zu. Er meint, der hon vom Vorredner kritisierte deutschnationale Antrag beweise, daß die Deutschnationalen selbst diese traurige Katastrophe zu Agitationszwecken benußten. Die Frage, in welcher Hand die Wasserstraßenverwaltung sein solle, müsse später entschieden werden.

Abg. Kilian (Komm.) gibt seiner Freude darüber Ausdrudck, daß dev Abg. Hecken sich das kommunistishe Argument zu eigen machte, daß einige e S in der Provinz Sachsen nux wegen der Nachlässigkeit der Fndustrien und der Aufsichtsbehörden ver- \{chlammt seien. Die Geschädigten müßten sich zu Organisationen zusammenschließen, um so dex Regierung eine stärkere Macht zur Durchseßung ihrer Forderungen entgegenstellen zu können. Man müsse hon ein Großagrarier, wie derx Freiherr von Wangenheim sein, um die Regierung noch ermahnen zu können, den Beutel nicht zu weit aufzutun. Die Ursachen des Hochwassers lägen in der miserablen Arbeit der Wasserstraßenverwaltung, die die Aufsicht vernachlässigt hätte und dafür zur Rechenschaft zu ziehen sei.

Abg. Sto ck (Völk) spricht sih für den Aus\hußantrag aus, der geeignet sei, die Not zu lindern. Durch die Hochwassershäden kfomne zu der {chon bestehenden Not dev E eine neue hinzu. Da müsse geholfen werden. Besonders sei das für die Warthegegend zu fordern.

Abg. Fordans (Zeutr.) empfiehlt die Wünsche der im Westen Geschädigten besonderer Berücksichtigung.

Abg. Hecken (D. Nat.) weist den Vortvurf des Abg Schmelzer zurück, seine Fraktion habe ihre Anträge aus partei- politishen Gründen gestellt. Gerade das Zentrum habe bei der Hauszinssteuer, bei der Behandlung der Wünsche dey Landwirt- schaft bewiesen, daß dieser Vorwurf auf. das Zentrum selbst zutreffe.

Abg. Schmelzer (Zentr.) weist diesen Vorwurf als un- begründet zurü.

Der Ausschußantrag, der die Hilfsaktion einheitlih zu- samnienfaßt, wird angenomnien.

Das Haus vertagt sich.

Sonnabend 10 Uhr: Etatsberatungen.

Schluß: 5 Uhr 30 Minuten.

Parlamentarische Nachrichten.

Der Reichstagsaus\cchu fe die Véestelblen Gebiete behandelte gestern in Fortseßung seiner am Mitt- woh abgebrohenen Verhandlungen die Vorlage der Reihs- regierung über die Hilfsaktion für die beseßten Gebiete, Die Regierung érklärte, dem Bericht des Nach- rihtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, daß drei Millionen Mark als Baudarlehen Tangfristig, zu 835 vH verzinslich, für das Saargrenzgebiet zur Verfügung gesteUlt werden, Der Ausschuß beschloß, den Saargängern fünf Mil- lionen Mark zur Verfügung zu stellen; ein Beschluß, der mit dem Programm _ der Reichsregierung in seiner zahlenmäßigen Wirkung nicht übereinstimmt. Gleichwohl sagte der Staats- sekretär Schmid vom Rheinminifterium entgegenkommende