1926 / 155 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Jul 1926 18:00:01 GMT) scan diff

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daß die Urteile vielfah einer Nahprüfung unterzogen werdet tüßten. Wenn Großmann fordert, daß der Richter republikanish lein müsse, so_ist dies kein Verstoß. Man bedenke, daß im alten ystem ein Sozialdemokrat nicht einmal Referendar, geschweige denn Richter werden konnte. Es ist noch nihts bekannt geworden, daß der Preußische Richterverein gegen Bewersdorff eingeschritten ist, der von dem „Sattlergesellen da oben“ sprach und dem man troßdem zutraute, daß er über den Reichspräsidenten Ebert ob- jektiv Recht sprechen werde. Auch gegen den Richter ist niht ein- eschritten worden, der nah der Ermordung Erzbergers geschrieben hat: „Erzberger, ein Halunke, wie ihn die Sonne der Weltgeschichte noch nicht beschienen hat!“ (Große Unruhe links und Rufe: So ein Vieh!) Die Vertreter des Justizministeriums hatten bestätigt, daß gegen diesen und noch unzählig viel andere Einzelfälle der Preußische Richterverein nihts unternommen hat. Aber gegen den Republikaner Großmann. zeigte sich dieser Verein von einer mimosenhaften Empfindlichkeit. Das ist ein ganz einseitiges Vor- r das jedenfalls nicht geeignet ist, dem Ansehen der deutschen Richter Stabilität zu verschaffen. (Sehr gut! links.) Der Redner verweist bei Aufzählung von Einzelheiten darauf, daß der Ge- fängnisarzt Thiele, ‘der im Höfle-Untersuhungsaus\chuß seinerzeit kompromittiert worden ist, noch immer niht vom Dienst sus-

De ist und daß Zeitungsnachrichten zufolge überhaupt die Be

eschlüsse des Landtags, die sih gegen die Mißwirtschaft in Moabit

richteten, noch nit A führt sind. Der vorliegende deutsch- nationale Antrag auf Abschaffung der Untersuchungs8ausschüsse ist nicht konsequent, wenn man bedenkt, daß bisher auf deutschnatio- nalen Antrag alleîïn niht weniger als drei Untersuchungsaus- \chüsse eingeseßt worden sind, nämlich der mitteldeutshe, der Por- gellanmanufaklur- und der Barmat-Untersuhungsaus|[chuß. Die Deutsche Volkspartei hat die Auffassung vertreten, daß die Unter- suhungsausshüsse nicht in shwebende Verfahren einzugreifen hätten. Trobdem hat der Vertreter derselben Partei inm Feme- Untersuchungsaus\{chuß dafür gestimmt, a die Vernehmung Wulles und Kubes durchgeführt wird, obwohl gegen beide ein Strafverfahren schwebt. Der in die gleiche Affäre verwickelte ehe- malige völfishe Abgeordnete Ahlemann hat übrigens dem Feme- Untersuchungsausshuß mitgeteilt, er weigere si, vor dem Unter- suchungsausshuß zu erscheinen, da ja seine Sache Gegenstand einer geriGtlichen Untersuhung sei. Troßdem werden die links- gerichteten Mitglieder des Feme-Untersuchungsausshusses in fri- voler Weise angegriffen. Weiter hat der völkishe Reichstags- abgeordnete Kube, als er auf Antrag seines Parteifreundes, des Abgeordneten Körner, geladen wurde, einen geradezu ekelhaften Brief an den Untersuchungsausshuß geschrieben, so daß selbst der völfishe Abgeordnete Körner von diesem Brief abrücken mußte. In den rehtsgerichteten Kreisen, die immer so viel von einem drohenden Linksputsh reden, bezeihnet man diejenigen, die sih positiv und freudig für die Stabilisierung der Republik einseyen, als Standesverräter. Ein Linksputsh könnte aber nur kommen, wenn große Kreise der Bevölkerung enttäusht sein werden und schen, daß ihnen die republilanish-demokratishe Staatsform nichts nüßt, Deshalb führen die Sozialdemokraten den allerbesten Kampf für die Aufrehterhaltung der Ruhe und Ordnung in der Republik und gegen Putsche, wenn sie sich immer wieder namentlich auch gegen die Mißstände in der Justiz wenden. (Beifall links.)

S Abg. Dr. Deerber g (D.Nat.) erklärt, er und seine politischen Freunde wüßten, daß in weiten Kreisen des deutshen Volkes nicht das Vertrauen zur Justiz bestehe, wie es an erlih wäre in einem Rechtsstaat. Fhering hat in seinem „Kampf ums Recht“ ausgesprochen, a jedes Recht geboren sein müsse aus dem Rechtsgefühl des Volkes selbst, Wenn heute ein Mißtrauen besteht, so muß ih sagen, daß die Argumentierung des Vorredners nicht richtig ist, das die moralishen Qualitäten des deutschen Richtersiandes die Schuld tragen. Vielmehr liegt der Grund darin, daß unser Volk das Recht niht mehr versteht. Kein Mensch kennt sih in dieser Fülle mehr aus. Zudem stehen viele Be- stimmungen in Widerspruch mit wahrer rehtlicher Auffassung. Der Staat muß darauf halten, daß er selbst eine Geseßgebung gibt, die auch geachtet wird von den Ministerien und den Volks=- vertretungen selbst. Sind die wohlerwdörbenen Rechte der Beamten, die in der Verfassung garantiert sind, gewahrt worden? - Stü L Stück sind sie den Beamten genommen! (Sehv wahr!) luch in das materielle Recht ist immerfort eingegriffen worden. Glauben Sie, daß das Problem der Aufwertung je zur Ruhe kommen wird? (Zurufe und Lachen links.) Das Volk wird kein Verständnis haben dafür, daß in der Fnflation eine Recht- area an dem Grundsaß festhielt: Mark gleih Mark. Wenn ie höchsten Richtex in einex öf Mit o 128 Kundgebung erklären, die Gesehgebung sei derart, daß Zweifel bestünden, ob dex Richter überhaupt noch ein formal richtig zustande gekommenes Geseß an- wenden dürfe, so zeigt das, wie weit wir mit dieser formalen Geseßz- gebung gekommen sind. Fn Grundrechte hat man unerhört einge- griffen. Jch unterstelle nicht böse Absicht und erkenne auch denen, ie z. B. die Haussuchungen veranstaltet haben, den guten leben zu. Daß aber ein tiefgehender Rechtsirrtum vorliegt, ist nicht ju leugnen. (Lebhaftes sehr richtig! rechts.) Die Person ist unver- eßlih, die Wohnung ist geschüßt; so nach der Verfassung! Und lag etwa ein Verdacht vor bei den Fndustriellen? Mit nichten! Lediglih auf bloße Vermutungen hin fanden die Haussuchungen Ba (Sehr wahr!) Auch die positive Vorausseßung, daß nur der tihter die exforderlihen Anordnungen treffen soll, ist niht be- achtet worden, Mit Recht wollte man die Polizei hiex ausschalten. Nur bei Ausnahmesfällen soll das möglich sein. Das lag nicht vor. Pier hätte der Richter entsheiden müssen. Der Polizeipräsident Grzesinski hätte dem Richter das Material zuleiten müssen. Wenn Herr Abegg sagt, es gebe Fälle des staatlichen Notrechtes, das Über den geseßlihen Bestimmungen stehe, so trifft das wohl zu. Wo aber sieht, daß dieses otredt von Polizeiorganen ausgeübt werden darf? (Sehr wahr! rechts.) Nur der Reichspräsident kann dieses Notrecht ausüben auf Grund des Artikels 48 der Ver- fassung. Herr Abegg hat keinen einzigen Fall nahweisen können, wo die Vorausseßungen für die Anwendung des staatlihen Not- rets vorgelegen hätten. Völlig unberehtigt hat auch die Polizei von dem Fnhalt der beshlagnahmten Gegenstände Eut enommen. Und dann wurde die Diskretion noch weiter verleßt. 8 wurden einfach Mitteilungen an die Presse gegeben. (Lebhastes hört! hört! Zurufe des Abgeordneten Heilmann [Soz.]) Herr Kuttner hat ja selbst wiederholt den Fall Kußmann-Caspary kritisiert, weil diese Presseveröffentlihungen veranlaßt haben. Nun komme ih zum s{hwersten Vorwurf gegen den Richterstand. Es wurde zugegeben, daß 99 vH. dex Richtex guten Willens seien. Abex auch dem einen Prozent darf man diesen guten Willen nicht absprehen. Wir leben in einex wildbewegten Zeit, in der auch ein Richter nicht frei ist von diesem Einfluß. Die Angriffe, die von einer gewissen Presse gegen den Richter geschleudert werden, gal der deutsche Richterstand nicht verdient, Mit sachlicher Kritik aben diese Angriffe meist nihts zu tun; die moralischen Qualitäten werden angegriffen. (Stürmische Unterbrehungen bei den Kommunisten. Abg. Kilian [Komm.]: Ex redet von Moral der Richter!) Die Pran sollte auch die erforderlihe Zurückhaltung üben, um die Atmosphäre niht noch mehr zu vergisten. Und dann das Parlament! Auch I die Form dex Kritik, die Ma e der Angriffe! Die Kunst der Selbstbeherrschung und derx Disziplin müßten wix so üben, daß wir auch dem politischen Gegner ruhig und sachlih gegenübertreten. Sie (nach links) wollen das Beruss- rihtertum beseitigen und an seine Stelle die Wahl des Richters seyen. Ob das Volksrichtertum besser n würde? Wir haben ja in den Vereinigten Staaten beide Systeme. Fragen Sie einen amerikanishen Richter oder Staatsmann, und êc wird Jhnen sagen, daß das Berufsrichtertum turmhoch über dem Wahlrichter- tum teht, da in diesem System der Richter zum Diener einseitiger Interessen gemacht wird, da in ihm das Rihhtertum korrumpiert wird. Jn Sowjet-Rußland mußten 50 vH. der Richter vorzeitig von Me Amt entfernt werden, wie es in einem offiziellen Bericht jestgestellt wurde. (Lebhaftes hört! hört! rechts. Zurufe der Kommunisten: Hier müßten 100 vH. vershwinden!) Sie (nah links) sind ja gegen die Todesstrafe. Und wie ist es in Sowjet- Rußland? Für Morde ist sie uicht festgeseßt, wohl aber für Dieb-

stahl und sonstige wirtschaftlihe Delikte und füx Vertragsbrüche. (Wiederholtes lebhaftes hört! hört! rechts. Große Unruhe und Unterbrechungen bei den Kommunisten.) Und dann! Gibt es irgend- einen Kulturstaat, wo der Shuß von Ausländern wegen politischer Delikte so gering geachtet wird, wie gerade in Sowjet - Rußland? Solange wir niht zu einer inneren Befriedung unseres Volkes kommen, so lange wir staatlihe Fnstitutionen wie die Justiz in dieser Weise herabwürdigen lassen, solange wird es bei uns nicht Diler werden. Der Redner Lea gun eine Reihe von Einzel- wünschen vor, die sih mit der juristishen Vorbildung beschäftigen. ges es heute kaum möglich ist, so führt er weiter aus, die Fülle des Rechtsstoffes in sechs Semestern zu bewältigen, ist do eine Erhöhung der Semesterzahl angesichts der heutigen Wirt- lMttas nicht zu empfehlen. Es muß aber gefordert werden, daß der Student seine Zeit voll ausnußt. Es geht niht mehr an, daß, wie es früher vielleicht der Fall war, der junge Jurist vier Semester verbummelt und erst im fünften ernstlih zu arbeiten be- ginnt. Er muß den Ernst der heutigen Lage erfassen. Vor allem sollte der, der niht mit Freude dem Furistenberuf obliegt, die pg davon lassen. (Sehr wahr!) Zu Vellagen ist, daß die Prü- ung heute an zwei Tagen stattfindet. Das Urteil sollte sih besser auf den Gesamteindruck eines Tages stüßen. Es wäre zu be( rüßen, wenn die Prüfung an einem Tage wieder eingeführt würde. Es ist auch ein Fehler, wenn das römische Reht allzu leiht ge- nommen wird. Neben der enen usbildung bedarf es au einer gewissen universellen Ausbildung. Freilih sollte man Kenntnisse im römischen Reht in der Prüfung nur soweit ver- langen, als sie für das Verständnis des deutshen Rechts notwendig sind. Die Schicksalsfrage unseres Furistenstands, unserer Rechts- ordnung und unseres Rechts liegt heute darin, ob es uns gelingt, das Richtertum und die Rechtspslege so zu erhalten, wie es in der Verfassung gefordert wird, nämlich, “s der Richter nux sich und dem Geseß gegenüber verantwortlich ist, daß er sich freihält von allem politishen Einfluß und von dem Einfluß von Partei- instanzen. Wenn wir von diesem Grundsay abweichen, dann zer- trümmern wir unser Reht. Wir wünschen, daß die Unabhängig- keit unserer Richter erhalten bleibt: sie ist das A und O der ets. pflege. (Lebhaftes sehr richtig! rehts.) Möge sie weiterbestehen als Beifoll 9 Pol in derx Erscheinungen Flucht! (Lebhafter anhaltender ifall. Abg. Stendel (D. Vp) erinnert . die Deutschnationalen an ihr Verhalten in der Aufwertungsangelegenheit, aus dem si ergebe, daß sie niht in der Lage seien, anderen Parteien Vorwürfe zu machen, Ueber die Polizeiaktion fährt Nedner fort, ist von uns alles gesagt worden, was nötig war. Ich komme nur noch im Zusammen- aan mit einer Nachricht in der „Kölnischen Zeitung" auf sie zu prechen. Danach i} der Assessor, der die Freigabe der beschlag- nahmten Papiere verfügt hat, an ein kleineres Amtsgericht verseßt worden. (Zurufe links) Jch stelle jedenfalls jo, daß der Polizei- präsident nicht den üblichen Beschwerdeweg beschritten hat, sondern sich an das Justizministerium gewandt hat. Das i} ein ganz außergewöhnlihes Verfahren. Wir werden auf den Fall zurüd- kommen, und ih hoffe, daß auch niht im entferntesten der Verdacht bestehen bleibt, daß dem Mesor sein Kommissorium genommen bezw. niht verlängert worden ist wegen der Freigabe der Papiere. Der Redner wendet sih sodann gegen die Angriffe des Abg. Kuttner gegen den Preußischen Nichterverein und sagt, es geht den Nichters- verein nichts an, ob ein völkisher oder sozialistisher Nichter im politishen Leben eine Entgleisung \sich zu s{ulden kommen läßt, Im alle Großmann hat sih der Nichterverein auf den Standpunkt ge- tellt: Wir schließen Großmann niht wegen seiner Mitgliedschaft zum Republikanischen NRichterbund aus, sondern wegen seiner ver- heßenden und zerseßenden Agitation gegen die pru e Justiz, (Sehr richtig! rechts.) Politish würde die Sache erst sein, wenn es ih um einen Ausschluß wegen politisGer Gesinnung handelte. Der Preußische Richterverein steht allerdings auf dem Standpunkt, daß ür die Zukunft die Doppelmitgliedschaft ausgeschlossen ist. Bezüglich j i : Dinge \o, daß Herr Bewersdorff entschieden bestreitet, die ihm vorgeworfenen Aeußerungen getan zu aben. Auf seinen Antrag ist ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, dessen Ausgang abgewartet werden muß. Der Vorstand des Preisen Richtervereins hat eine Stelle eingeseßt, um die ‘Be- werden gegen die Justiz zu prüfen. Die Ergebmsse der Prüfung können. niht immer der Oeffentlichkeit übergeben werden. Auch wir verwehren. Herrn Großmann nicht, daß er für die Nepublik eintritt, aber wenn er sagt, die Zeit würde hoffentlih kommen, wo die Richter aus Verstand Republikaner würden, so muß das aufs schärfste zurückgewiesen werden. Die ganz_ überwiegende Mehrheit der preußischen Richter steht auf dem Standpunkt, daß es lange genug E hat, bis Herrn Großmann kundgetan wurde, daß im den cihen des Preußischen und Deutschen Richtervereins für ihn kein Raum mehr ist. Nedner spriht zum Schluß über die Anstellungs- verhältnisse der Assessoren, die keine günstigen seien. Wenn in irgend einem Beruf die Vermehrung des Hilfspersonals zu bedauern sei, dann im Nichterstande. (Beifall.)

Abg. Kol lw i þ (Komm.) kritisiert den Fall in B wo bei der Neichspräsidentenwahl von der Schupo in eine Versammlung

es Falles Bewersdorff liegen die

- geschossen sei, wobei es 9 Tote und 30 Verlebte gegeben habe. Die

Schupobeamten, die niht geschossen hätten, seien entlassen worden, (Als der Redner von kaltblütigen Verbrechern und Mördern in der Schupo spricht, wird er zur Ordnung gerufen.) Der Fall Jürgens zeige, wie ein Üntersuhungsrihter mit kaltem Sadismus es vers \tehe, seine Opfer zu zwingen, unrichtige Protokolle zu unterzeichnen. In seinen weiteren Ausführungen wird der Redner _wegen Bes leidigung des Nichterstandes zum zweiten Male zur Ordnung ae- rufen. Er führt weiter aus: In Deutschland werde Recht gesprochen zugunsten der deutschen Faschisten. Die deutshen Richter beugten bewußt das Recht zu diesem Zwecke. Die Abtreibungsparagraphen müßten endlih aus dem Gltafaele us vershwinden. Der Fall SJosephsen gebe zu denken, Die Winzer in Berncastel hätten die falshe Methode des Klassenkampfes angewandt; sie sollten \sih frei- machen von den schwarzen Zentrumsleuten und sch den Kom- munisten zuwenten, die Straffreiheit fordern für die verzweifelten Winzer. Es sei endlih an der Zeit, Hölz zu amnestieren, der kein Verbrecher, sondern ein aufrehter Klassenkämpfer sei, der Nach- ahmung verdiene. Heraus au“ mit den jugendlichen Kommunisten die im Gefängnis s{machten. Der Redner fordert zum Schluß für den Strafvollzug Methoden, wie sie in Sowzjetrußland beständen.

Abg. Dr. Grzime k (Dem.) betont, daß das geltende Necht mit dem Volksempfinden in Einklang gebracht werden müsse und um- gekehrt. Gin böses Beispiel sei es aber, wenn die Deutschnationalen, die doch die Aufwertunasgeseßgebung gemaht und dabei nur 95 vH 1hrer Wahlversprehungen hielten, sich“ jeßt hier hinstellten und diese Geseßgebung bemängelten. Ueberechtigt seien auch die Vor- würfe des Abg. Dr. Deerberg wegen der Haussuchungen. Die Polizei habe wohl das Recht, zur Aufklärung des Volkes und au der Zusammenhänge cines Verbrechens beschlagnahmtè Schriftstücke zu veröffentlichen. (Sehr richtig! links.) Ob Berufsrichtertum oder Wahlrichtertum sei für die große Mehrheit des Parlaments keine Frage mehr, denn auch die Sozialdemokraten ständen ja jeßt auf dem Boden des Berufsrichtertums. Der Beschluß des Preußischen Richterbundes im Falle Großmann sei insofern außerordentli merk- würdig, als rehtsgerihtete Richter, die verheßend und vergiftend wirken, sroffroi ausgehen. Nur der auf anerkannt hohem geistigen Niveau stehende Republikaner Großmann sei ausgeschlossen worden. Schon aus taktishen Gründen hätte man klugerweise auch einen der vielen völkishen oder deutshnationalen Heßer ausschließen men O werde es troß allem noch gelingen, die Fühlung zwischen

ichtern und Volk enger zu gestalten. Dn

Abg. Haase - Liegniß (Wirtschaftl. Vereinig.) schließt sich der Auffassung Dr. Deerberas an, daß die Entfremdung gon hen Recht- sprechung und Volksempfinden auf die Art und Fülle der Geseß- Fon Iren (N Schon in der Preisbildungsfrage habe si ie Rechtsprehung zu sehr dem Ae Es nähert und der Macht der Straße, die ja nun Gott sei Dank im Abnehmen be- gelten sei. Aehnlich liege es auf dem Gebiete des Mietrechts. Weniger Seite und bessecer Schuß des Privateigentums würden der Rechtspflege sehr zugute kommen,

Damit Ylieht die Besprehung des Justizhaushalts, 1nd es folgt die des Kultusetats.

__ Abg. Gertrud Wronka (Zentr.) betont, daß für ihre Fraftion die Durchführung des in der zweiten Lesung gefaßten Beschlusses von größter Wichigkeit sei, wona die Ausbildung der weiblichen Turnlehrerinnen, die jeßt zusammen mit der der männlichen in Spandau erfolge, ab nun getrennt in Brandenburg vorzunehmen ist. Abg. Koh - Oeynhausen (D. Nat.) seßt sich dafür ein, daß au im neuen Staat die Schulbildung auf christlicher Grundlage erfolge, und verlangt Einwirkung auf die Reichsregierung, daß endli das Reichsschulgeseß komme. Der jeßigen sittlihen Verwilderung müßten alle bürgerlichen Elemente einen Damm ent seßen. Besonders

Me E A der La zur à A ges igt. t einmal die katholi ire und die Zentrumspartet n sich i Geh

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en Gehorsam verschaffen können, Man habe in dieser Jitation sogar in niht wiederzugebende: Weise Vaterunser vere handelt (Lebhafte Pfuirufe rechts). Auch das Wibblatt „Lachen links“ habe durch unvollständige Wiedergabe kirhliher Lieder die ristlihe Religion verhöhnt. indenburg- und der NReichékanzler seien {wer beleidigt worden. n man das alles von Staats wegen passieren- lasse, brauche man sich niht über die sittlihe Ver- wilderung zu wundern. Aber es gehe in der deutshen Jugend eine starke Bewegung, die aufwärts strebe. Das wertvolle Kulturgut deb Vergangenheit müsse der Jugend nähergebraht werden. Der Redner trägt dann Einzelwürsche besonders für die Land- und Junglehrer vor. Zu bedauern sei nah wie vor der Zwang zum vierjährigen Besuch der Grundschule. Bei der Reform der Meifeprüfung set psychologish fals, daß die mündliche Prüfung niht mehr erlassew werden dürfe. hmen, l efallene“ Abiturient seine Prüfung nicht, wie früher, nah einem alben, sondern erst nach einem ganzen Das würde jeßt zu teuer werden, ebenso wie das Verlangen na immer neu einzuführenden Schulbüchern. Der Redner wendet \

dann der Per-sonalpolitik des Kultiusministers und dabei dem Falle Lessing zu. Lessing, der im vorigen Jahre die Lo des Ministers erfahren hätte, habe {ih _an die Weisung des Ministers ar niht gehalten. Er “habe im „Frankfurter Generalanzeiger“ im Mat einen Artikel veröffentlicht, in dem er „erotishe Experimente beschreibe. Der Nedner liest den betr. Artikel Lessings vor, was von der Linken mit anhaltendem Lachen aufgenommen wird, und fragt ob man dies mit der Würde eines akademischen Lehrers vereinen fönne. (Zurufe rechts.) In einem Prager Tageblatt habe Lessing

anläßlich des Besuches Hindenburgs in Köln bei der“ Befreiungsfeien

mit höhnischen und deutlih auf eine bestimmte Person hinzielendent Worten den Typ geschildert, der bei einer solchen Feier präsidieren müsse. (Auch hier liest der Nedner die betr. Artikelstelle vor. Sie

wird von der Rechten mit lebhaften Zurufen, wie Gemeinheit usw"

aufgenommen.) Am d. Juni habe der „BVölkische Beobachter“ einen Auszug aus einem in Prag erschienenen Artikel Lessings gebracht, in dem Lessing sich mit dem Schriftsteller Walter Serner beschäftigt Serner habe seine literarishe Tätigkeit in Paris als Zuhälter bes gonnen und reise gegenwärtig im Orient als reicher Besißer öffent- licher Häuser herum, Wenn Kant und Sciller erlebt hätten, was Serner erlebte, würden sie die Welt auch mit anderen Augeil ansehen. (Große Unruhe rechts). Das Schlimmste sei aber, daß Lessing von einer Unterredung mit dem Oberbürgermeister vor Hannover und anderen Beamten eine Darstellung gegeben habe, die vom Oberbürgermeister als a bezeichnet werde. Die Beamten hätten ihren Diensteid für die Nichtigkeit einer gegenteiligen Dars tellung angeboten. Troß alle diesem solle nun anscheinend Lessing die Treppe hinauffallen. Wenn es tatsächlich niht möglich ist, eine solchen Schädling (lebhafte Zurufe rechts: Lumpen! Fer [! Dresaul) die venia legendi zu entzichen, so müßten eben die entsprechenden Ges setzesbestimmungen schleunigst geändert werden. In Hannover seie wegen des Falles Lessing mehr als zehn Studenten relegiert, e

seien sich doch darin eintg, daß es über die Parteien hinweg noch #9

etwas wie eine Gemeinschaft der anständigen Menschen gebe. (Seht wahr! rechts Gelächter bei den Kommunisten. Abgeordneter Kilian [Komm.]}, der dem Redner zuruft, er gehöre nicht in die Gemeinschaft anständiger Menschen, wird zur Ordnung gerufen.) Die Studenten in Hannover, die vielleicht formal verstoßen hätten, aber do in der Sache im Recht gewesen seien (stürmishe Zustimmung rechts), müßten den Weg zur Hochschule zurück geöffnet erhalten, unt Sul bedauert der Redner, daß das Pfarrerbesoldungsgeseb am Widerspruch des Staatsrats gescheitert sei.

Abg. Dr. Schuster (D. Vp.) spricht zunähst zu den Ans trägen feiner Partei zur dritten E und begründet ins besondere noch einmal den wig gegen die Schulgelderhöhung für höhere Schulen. Ein weiterer Antrag wendet sich gegen die Nichts bezahlung städtischer Zuschüsse an Privatschulen in Berlin, dur die diese ploblih und unerwartet in große Not_ verseßt worden seien. Bezüglich der Angriffe auf den Geschi tsunterricht erklärt ev, es set allerdings alles zu vermeiden, was geeignet sei, die jeßige Staats- form herabzuseßen, aber ein lebendiger Geschichtsunterricht sei nichb ohne tieferes Eingehen und Würdigung der großen Vergangenheit möglih. Der Redner wendet sih ]odann zum Fall Lessing. Das Verfahren des Ministers erinnere etwas an das Verfahren des Vaters mit seinen bösen Buben. Lessing habe sich unerhörte Ente Meigen zus{hulden kommen lassen. So habe er über den Fall

s verurteilten Mörders Grans in einer ausländischen Zeitung \hrieben und behauptet, don hier ein wollkommen Ae here urteilt i Daß er selbst dabei die Empfindung gehabt häîte, daß solhe Säße eine Ephialtes-Tat gegen sein Vaterland wären, habe er selbst zugegeben. Wenn sih die Studenten der nun erfolgten Regelung gefügt hätten, müsse man ihnen die höchste Anerkennung aus\prehen. Schweren Anstoß müsse der Saß in dem Ausgleihs- vorschlag erregen, daß Lessing loyal an der Herstellung des Friedens

mitgearbeitet habe. Das klinge gerade so, als wenn ein Näuber-

hauptmann in einem Friedensprotokoll si selbst beglaubigt, daß es loyal den Coadéa hergestellt habe. Der eigentliche Schuldice sei immer nur Lessing. Die Studenten seien lediglih aus dem Gefühl des Anstandes und der Sauberkeit dazu gekommen, seine Vor- lesungen zu meiden. Die Deutsche D wünsche ganz aus- drülih, daß ein endgültiger Frieden wirkkih erzielt werde; damill das aber möglich sei, müßten gewisse Vorausfeßungen erfüllt werden. Man erwarte in Hannover mit aller Entschiedenheit, daß die Ne- legationen der Studenten aufgehoben würden, in welher Form das auch geschehen möge. Darüber könne kein Zweifel herrschen, daß, wenn auch nur ein Schuldiger bestraft werde, Herr Lessing aber einen Forschungsauftrag erhalte, darin ein frasser Widerspruch ge- schen werden _ müsse. Möge er seinen Forschungsauftrag erhalten. Wer seine Bücher kenne, wisse wirklih nicht, was er zu forschen haben soll. Aus allem, was er geschrieben habe, gehe immer nur hervor, daß er aus zweiter und dritter Hand nehme und selbst zu forshen gar niht verstehe. Die Deutsche Volkspartei wolle auch nicht, daß es einenu Lehrer an der Hochschule unmöglih gemacht werde, seine Vorlesungen zu halten. Das sei eine Art Verfehlung der Studenten. Aber die Studenten haben menshlih gefehlt; Lessing habe sich moralisch vers gangen und das nationale und sittliche Empfinden provoziert, Es sei gar nicht möglich, daß der Lehrkörper der Hochschule eine dauernde Zugehörigkeit eines Mannes ertragen könne, vor dem er keiné Ach- tung habe. Der Rednex verliest aus dem Tagebuh von Großmann folgendes Selbstbekenntnis Lessings: „Ih bin Monist, Jude, Mystiker, Steinerianer, Wagnerianer und anderes, mein Jdeal suche ih in der jeweiligen Pas diese C: O keit, die mix mit Recht verdacht wird, ist mein Lebensf icksal.“ (Lebhaftes hört! hört!) Es ail eben nihts, worüber sich Zeing nicht lustig_ge- macht hätte, lei es alter, sei es die katholische Kirche, sei es Kant cder Fichte, sei es das Ministerium oder die Hochschule. (Hört! hört! rechts und Entrüstungsrufe.) Lessing kann nur herunterreißen, zer- seßen und {mähen Es is ein s{werer pathologischer Fall. Wir wollen nit, daß er hungert, aber wir wünschen, um die Würde unserer Hochschulen zu wahren, daß die e Ie » Va ends gültig von diesem Mann erlöst wird. (Beifall rechts. i

Abg. Kön ig-Swinemünde (S zitiert das Urteil von Hans Triesh-Leipzig über Lessing, das ines im „Berliner Tage- blatt“ gefällt hat. Ex habe von Studenten gesprochen, die a Kreisen vorgeschoben seien, denen Lessing unbequem sei. Lessings

Auch sei die Neuerung abzulehnen, daß der „durchs

Jahre wiederholen dürfe.

SGu ten seien, so heißt es in dem Urteil weiter, nicht leicht; jeden fal A er „der“ Kulturphilosoph unserer Zeit. (Lachen rets und itreiten!) Seit ce

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Zuruf: Ueber den gr ca läßt sih nicht f

hauer und Nievsche hätten wir nichts ähnliches gehabt. Lejhiin ird weiter verglichen mit Franziskus von Ajsissi, und es wird in dem Urteil bemerkt, solch ein Mensch könne kein Zersetzer sein. So abe Hans Triesh geurteilt, und es werde wohl niemand im use sein, der a M Autorität bezweifle. Gegen den Terror der Studenten habe der Staat die Pflicht, ¿H reren. Auf der Universität olle der Geist der Humanität gepf f werden. Be- ichnend sei die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der rügelstrafe. Auch der Antrag, wenigstens die Strafe für Mäd- en aufzuheben, sei abgelehnt worden. Die Gegner schienen eben ohne Prügel nicht auskommen zu können. Jeder Pädagoge müsse um utindesten die Forderung unterstüßen, daß egen mangelnder eistungen“ nicht geprügelt werden dürfe. Am teligionsunterriht teilzunehmen, könne man weder Lehrer noch Schüler zwingen. Der Redner fragt, ob bei der F ARg, der Turnlehrer und -lehrerinnen in Spandau dàs Kleinkaliberschießken eingeführt worden sei; wenn es geschehen sei, sei es zu verbieten. Minister für Wissenshaft, Kunst und Volksbildung D. Dr. Becker: Meine Damen und Herren, es ist eine Reihe von Einzelfragen angeschnitten worden, auf die ih vielleiht hier im Plenum besser niht eingehe. Ich denke zum Beispiel an die Sipezial- frage des neuen Erlasses über ‘die Neuregelung des Abiturientenerxamens und über die Gründe, die uns dazu bestimmt haben: Jch glaube, daß wir das im Ausschuß besser er örtern und möchte nur sagen, daß ih mich sehr freue, daß dieser Erlaß in der Oeffenlichkeit freundlihe Zustimmung gefunden hat. Eine Einzelfrage des Herrn Abgeordneten Koh (Oeynhausen) über die rechbtlihe Stellung der Lehrer am orientalishen Seminar in Beziehungen gur Universität möchte ich dahin beantworten: die planmäßigen Lehrer am Seminar für orientalishe Sprachen führen die Amts- bezeihnung Lehrer und zum Teil Lehrer und Professor. Sie sind nicht Professoren der Universität. Einige planmäßige Lehrer des orientalishen Seminars sind zugleih nebenamtlich als niht- beamtete außerordentlihe Professoren an der Universität tätig. Der Direktor ist Ordinacius der philosophischen Fakultät und stellt in seiner Person die Verbindung zwischen Universität und orientalischem Seminar dar.

Ich möchte mich im wesentlichen auf die großen Anfragen be- schränken, die hier gestellt sind, und die noch niht beantwortet sind. Zunächst die Angelegenheit Lessing. Nachdem der an der Technischen Hochschule in Hannover entstandene Konflikt, wie der Oeffentlichkeit bekanntgegeben ist, inzwischen dadurch beendet wurde, daß die Staatsregierung dem Natshlage angeschenste: deutscher Hochschullehrer, unter denen die Vorsißenden des Verbandes der Deutschen Hochschulen und der Deutshen Rektorenkonferenz waren, gefolgt ist, ist nah dem Bericht des Rektors der Technischen Hoch- \{ule Hannover in Ordnung wieder hergestellt. Seitens des Staats- ministeriums kann daher nur noch einmal zur Begründung seiner Stellungnahme betont werden, daß die Staatsregierung sih von Anfang an bemüht hat, die Angelegenheit unabhängig von partei- politischen Tagesmeinungen auf Grund der durch Geseh und Hoch- schulstatut festgelegten Nehtsnormen zu behandeïn.

Professox Lessing hätte auf Grund der ihm zur Last gelegten mannigfah zitierten Ausführungen auf disziplinarishem Wege nur durch einen Nechtsbruh aus seinem Amte entfernt werden können. Bei dieser Sachlage hat sih die Unterrichtsverwaltung, die ihrerseits dem Professor Lessing wiederholt thr Mißfallen über seine außerhalb seiner Gelehrtenaufgabe stehende literarishe Produktion zum Aus- dru gebracht hatte, nur auf den Standpunkt stellen können, daß sie der durch Gewaltmaßnahmen und Disziplinlosigkeiten von Studenten hervorgerufenen Erschütterung der akademishen und der Staats- autorität entgegentrat. Die Unterrichtsverwaltung hat übrigens nit, wie in der Großen Anfrage 126 angenommen worden ist, in das Disziplinarreht der Technischen Hochshule Hannover eingegriffen, vielmehr haben die akademishen Behörden der Technischen Hoch- \hule Hannover kraft des ihnen zustehenden Rechtes von si aus die Disziplinargerihtsbarkeit ordnungsgemäß durchgeführt. Diese Diszi- plinarmaßnahmen sind noch nicht abgeshlossen. Der Minister kommt erst als zweite Instanz in Frage, und es ist unmöglich, daß ih hier eine Stellungnahme äußere, ehe mir der abshließende Berichti der Technischen Hochshule Hannovex vorliegt. (Abg. Koh [Oeynhausen]: Ist es fals, daß von hier aus auf schleunige Erledigung hingewirkt worden ist?) Wie ih schon in einem Interview ausgesprochen habe, ist mit NRülsicht auf die allgemeine Erregung in der Oeffentlichkeit von mix der Wunsch geäußert worden, daß die amtlihen Behörden der Technischen Hochschule Hannover so schnell wie möglih in die Verhältnisse eingreifen möchten.

Die Ueberzeugung, daß die Erregung jugendlicher akademischer Kreise gegen gewisse literarishe Ausführungen des Professors Lessing niemals die Form annehmen durfte, daß ein Hechschullehrer mit Ge- walt an der Ausübung seiner Tätigkeit verhindert werden sollte, wird von der überwiegenden Mehrheit der deutschen Hochshullehrer geteilt und hat die Grundlage gebildet für den Lösungsversuh, den die vor- genannten Herren der Unterrichtsverwaltung zur Berücksichtigung empfohlen haben.

Wenn es dabei gelungen ist, das deutshe Hochschulleben vor weiteren Ershütterungen und vor allem auch die Technische Hoh- \{chule Hannover vor einer Schließung zu bewahren, so wird. das im Jnteresse unserer Hochschulen und im Fnteresse der akademi- schen Jugend seitens der Staatsregierung besonders begrüßt.

Dann möchte ih noch einige Worte zu dem hinzufügen, was der Herr Abgeordnete D. Schuster über diesen Fall gesagt hat. Uebex die Frage der Begnadigungewm wird erst geredet werden können, wenn ein endgültiges Urteil der Technishen Hoch- schule Hannover und. eine Stellungnahme des Lehrkörpers vorliegt.

Den Wunsch, daß in Hannover eine ordentliche Pro- fessur für Philosophie errihtet werden möchte, teile auh ih. Und zwar nicht nur mit bezug auf die Technishe Hochschule Hannover, sondern auf sämtliche technishen Ho- fchulen. Die außerpreußischen tehnishen Hochschulen haben bereits solhe Professuren. Preußen hat es bisher noch nicht dazu gebracht, und die Unterrichtsverwaltung hat sich in dieser Rich- tung immer bemüht, auch in den legten Fahren; aber Sie wissen ja, daß wix in den lehten Jahren keine neuen Stellen begründen fonnten. Deswegen wet es auch in Hannover niht möglich. Daß aber mein Streben nah dieser Richtung geht, kann ich hiermit erneut versichern.

Wenn Herr Abgeordneter D. Schuster gesagt hat, daß das Verbleiben des Professors Lessing in Hannover nicht tragbar set, so muß ih hinzufügen, daß es mir angesichts der vielen Urteile, die über Professor Lessing geäußert worden sind, darauf

anfommkt, einmal das amtlihe Urteil der Technischen Hochschule Hannover selber hier zur Kenntnis zu geben. (Sehr richtig! links.) Als nämlich im Fahre 1921 nicht etwa der Minister anregte, sondern die Technishe Hochshule mit der Auf- forderung an den Minister herantrat, Herrn Lessing zum außer- ordentlihen Professor zu machen, lag, wie dies üblih ist, ein Votum der Abteilung vor, das in der Einleitung das Pro und das Contra behandelte. Man kannte ja die Persönlichkeit Lessings aus vielfältiger Tätigkeit in Hannover ganz genau. Dieses Votum ließt mit folgenden Worten: Auf jeden Fall handelt es sich um eine geistvolle, anregende Persönlichkeit hohen Ranges, (hört, hört! links) die Abteilung is der Meinung, daß seine Auszeihnung dur Ernennung zum nihtbeamteten Extraordinarius durch seine wissenschaftlichen Leistungen wohlverdient sei. (Unruhe rechts.) Auf diesen Vorschlag ist danu die Ernennung zum außerordentlichen Professor erfolgt.

Was die große Anfrage Nr. 123 über die angeblichen Eingriffe der Unterrihtsverwaltung in die studentishe Selbstverwaltung betrifst, so ist dazu folgendes zu bemerken:

Der in der großen Anfrage Nr. 123 erwähnte Beschluß des Hauptausschusses der Deutschen Studentenschaft ist der Staats- regierung bekannt.

Das Recht der Unterrichtsvexwaltung, die Kopfbeiträge der Einzelstudentenschaften in den Höchstgrenzen festzuseßen, ‘beruht auf § 8 der Staatsministerialverordnung vom 18. 9. 1920; das Recht zur Festsezung von einzelnen Positionen leitet sih her aus & 5 der Verordnung, nachdem die Studentenschaft mit der Genehmigung der Saßung verfassungsmäßiges Glied der Hoch- shule wird und damit unter die jeweiligen Aufsichtsrehte des Staates gegenüber der Hochschule tritt. Daraus leitet fich auch die seit Bestehen der Staatsministerialverordnung ständig geübte Verwaltungsmaßnahme her, die Haushaltspläne der Studenten- schaften im Ministerium zur Genehmigung vorlegen zu lassen. Auch ohne die besondere Regelung des § 5 der Verorduung müßte der preußishe Kultusminister dieses Recht als oberste und verantwortliche Aufsichtsinstanz der Hohshulen wie gegen- über jedem anderen Hohschulorgan für sich in Anspruch nehmen. Wenn in dem in der großen Anfrage zitierten Schreiben der Deutschen Studentenschast gesagt wird, daß die Unterrichts- verwaltungen der anderen deutschen Hochschulen keinen Anlaß sähen, „in die akademishe Selbstverwaltung derart shwere Ein- griffe zu unternehmen, wie sie das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung versuhi“, so muß dem- gegenüber darauf hingewiesen werden, daß die Verhandlungen über die Herabseßung der Beiträge in der Deutschen Studenten=- shaft auf den ausdrücklihen Wunsch und das lebhafte Drängen der übrigen deutshen Hohschulländer geführt worden sind, die ihrerseits die preußishe Verwaltung gebeten haben, auch bei dem Vermögensbeirat der Deutschen Studentenschaft auf eine Senkung dexr nach Meinung der Unterrichtsländer zu hohen Abgaben zu dringen. Da die Deutsche Gesamtstudentenschaft der preußischen Staatsaufsicht nicht untersteht, konnte eine Wahrnehmung der Staatsaufsicht nur über die Einzelstudentenschaften exfolgen. Der Schwerpunkt der studentishen Selbstverwaltung liegt überdies in der Einzelstudentenschaft; für sie ist das Studentenrecht ge- schaffen worden. Hohe Beitragszahlungen an die Spihßenorganis sation beschränkt den Wirkungskreis der Einzelstudentenschaft, da die vom Staate erhobenen Zwangsbeiträge naturgemäß in dieser \chweren Zeit möglichst niedrig“ gehalten werden mußten. Nun ist der Aufgabenkreis der Deutschen Studentenschast beschränkt, da die wichtigste Aufgabe dex Studentenschaft, die wirtschaftliche Hilfe, von einer selbständig aufgebauten Organisation, der Wirt- \haftshilfe der Deutschen Studentenschaft, geleistet wird. Jmmerhin bleiben, wie gern anerkannt wird, repräsentative, fahschaftliche, sportlihe und andere Aufgaben, die aber mit Ausnahme der repräsentativen mit vielleißht noch größerer Wirksamkeit von den Einzelstudentenschaften zu leisten sind. Fm wohlverstandenen Jnteresse der Einzelstudentenschaft glaubte die Regierung darauf hinwirken zu sollen, daß die Spiyenorgani- sation auch ihrerseits durh Ersparnisse, namentlich auf repräsens tativem Gebiet, dem Ernst dex Zeit Rechnung trug. (Sehr richtig! links.) Die Regierung konnte unmöglich durch Zwangs- beitveibung dabei mitwirken, daß der Spißenorganisation für repräsentative und allgemeine Zwede ein Fahresbudget von 120000 M. zux Verfügung stand (hört, hört!), so lange das preußishe Budget für Beihilfen und Unterstüßungen für Studierende nur ungefähr die gleihe Summe zur Verfügung zu stellen in der Lage ist. Zum Vergleih noch zwei weitere Daten! Nach dem geforderten Budget hätten der Deutschen Studenten=- schaft etwa doppelt soviel Mittel zur Verfügung gestanden wie dem doch unendlich viel wihigeren Gesamtverband der Deutschen Hochschulen selber. (Hört, hört! links.) Auch das dur die preußische Regelung herabgesezte Budget ist immer noch größer als das des Hohshulverbandes. Weiter ergibt der Vergleich mit vergleihbaren Organisationen, daß dort höchstens 10 bis 15 Pfg. pro Kopf des Einzelmitgliedes an die Spißenorgani- sation abgeführt werden, während die Deutsche Studentenschast 75 Pfg. gefordert, auf die Dauer 50 Pfg. und als Uebergang 60 Pfg. zugestanden bekommen hat. Von irgendeiner Knebelung studentisher Juteressen kann also keine Rede sein, sondern es handelt sich ausschließlich um eine pflihtgemäße Hinwirkung der Aufsichtsbehörde auf eine der Zeitlage entsprehende und durch unsere ganze Verwaltung hindurhgehende größere Sparsamkeit. Es darf eben nie vergessen werden, daß es sich um zum Teil widerwillig gezahlte Zwangsbeiträge handelt, an deren Ver- wendung gerade aus studentishen Kreisen heraus shon lebhafte Kritik geübt worden ist.

Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Ent- scheidung über eine Senkung der an die Deutsche Studentenschaft abzuführenden Beiträge keineswegs plößlich getroffen worden ist, vielmehr is hon am 29. 7. 1925 durch besonderen Erlaß des Ministeriums dec Kopfbeitrag auf 0,50 R.-M. festgeseßt worden. Jn dem Erlaß wurde ausdrücklih hinzugefügt, „ob und inwieweit für künftige Semester neben dem ordentlichen Kopfbeitrag eine außerordentliche Umlage in Betracht kommen könne, müsse späterer Entscheidung vorbehalten bleiben“. Hiernah konnte au seitens der Studentenschast niht erwartet werden, daß die ausnahms- weise in mehreren Semestern genehmigte extraordinäre Erhöhung

des Kopfbeitrags von Dauer sein sollte. Fn den Verhandlungen mit der Deutschen Studentenschast ist die Staatsregierung, die die Aufhebung eines extraordinären Beitrages beabsichtigte und die nunmehr die endgültige Festseßung von 0,50 R.-M. als Kopf- beitrag vorshlug, den Wünschen der Deutschen Studentenschast dadurh entgegengekommen, daß sie ungeachtet der bestehenden Bedenken einer Erhöhung des Kopfbeitrages auf 0,60 R.-M. au für das laufende Semester zugestimmt hat.

Die Tatsache, daß das Studentenrecht den örtlichen Studenten- haften von der Staatsregierung in völligem Einvernehmen mit den Führern der Studentenschaften verliehen wurde, und daß es für die meisten anderen deutshen Hohschulländer vorbildlich geworden ist, sollte das Staatsministerium vor dem Verdachk bewahren, daß es eine sahlich nüßlihe Selbstverwaltungsarbeit der Preußischen Studentenschaften oder der von ihnen mit- getragenen Deutshen Studentenshaft beeinträchtigen wolle. Bef grundsäßlihem Festhalten an dem Prinzip der Selbstverwaltung kann jedoch das Staatsministerium niht darauf verzichten, in Ausübung seiner Pflicht zur Aufsicht auch über den studentischen Teil der Hochshulen auf ein sparsames Wirtschasten mit den den Studenten auferlegten Zwangsbeiträgen hinzuwirken. (Brâvo! links.)

Noch ein leztes Wort zu dem Aenderungsantrag der Sozialdemokraten über die Prügelstrafe! Jch habe bisher noch keine Gelegenheit gehabt, selbst dazu Stellung zu nehmen, und ergreife die Gelegenheit mit Freuden. Jh bin aus vollem Herzen ein Gegner der Prügelstrafe. (Bravo! b. d. Soz.-Dem. P.) Jch möchte alles daran seyen, daß es uns gelingt, die Prügelstrafe so \{chnell wie möglich aus den Schulen zu ents fernen. (Bravo! links.) Jch kenne aber die realen Verhältnisse zu genau, um nicht zu wissen, daß durch ein shnelles Aufhebungs8- gebot von heute auf morgen mehr Unheil als Heil geschaffen würde. (Sehr richtig! rechts Zurufe links.) Deshalb bitte ih das hohe Haus, mir dabei behilflih zu sein und mich nit dur entgegengeseßte Beschlüsse daran zu hindern, daß ein plan- mäßiger, aber von einem ganz klaren Endziel getragener Abbau der Prügelstrafe Schritt für Schritt erfolgt, und zwar möglichst {nell beginnend. (Bravo! links.)

Abg. Kilian (Komm.) fordert endlihe Vorlage des Reichs4 \hulgesebes, Hilfe für die Junglehrer, Beseitigung der Prügel- strafe auch im Jnteresse der Lehrerschast sowie Oeffnung aller höheren Schulen für die Kinder des Proletariats. Jm Gere Lessing habe der preußische Unterrichtsminister vor den faschistischen Studenten kapituliert. Die kommunistishe Fraktion lehne, da allé ihre Anträge auf Ablehnung stießen, die Mittel für das Kultus ministerium ab.

Abg. Dr. Bohner (Dem.) erinnert daran, daß die Redner der Rechten sih zwar für die Funglehrer einseßten, aber dem Staate nicht die Steuereinnahmen bewilligen wollten, die für seine Ausgaben erforderlich wären. Mit Worten allein aber sei dew

Funglehrern nit geholfen. (Sehr richtig! links.) Wenn man die

kfonfessionelle Volks]hule verlange, dann sei die konfessionelle höhere Schule und die konfessionelle Universität die logische Folge. Alles, was hier von Lessings Artikeln vorgelesen worden sei Fei eigentlich schon von Heine bekannt. Und man sollte doh diese Sprache’ nun endlich verstehen. Fm Falle MnO habe man eiw Beispiel dafür erhalten, wie ein Skandal aufgezogen werde. Es sei durchaus nihts Ungewöhnliches in der Welt, daß vor einer Wahl Präsidentschaftskandidaten kritisiert werden. So vergleiche in der „Weltbühne“ ein Franzose Millerand Schritt für Schritt mit einen Ochsen, ohne daß in Frankreich daraus ein Skandal ents} [teht Die Rechte müsse etwas mehr Liberalismus zeigen. Die breiten Schichten des deutshen Volks verlangten jeßt mehr frische Luft; als sie früher ihnen zutei La sei. (Sehr wahr! linfïs.) Aber das verstände offenbar die Rechte nicht, wie es auch die Ausshuß- besprehung über die Prügelstrafe bewies. Da habe ein Vertreter der Rechten erklärt, andere Länder könnten vielleiht die Prügel« trafe für Schulkinder entbehren, weil dort die Eltern auf einen bett Niveau ständen. (Hört, hört! links.) Jn der Frage des riftstellershußverbandes, dem führende Männer ange ören, set die Haltung des Ministeriums zu bedauern.

Minister für Wissenschaft, Kun und“ Volksbildung D, Dr. Bedcker: Meine Damen und Herren, nur eine kurze Bes merkung! Ih werde darauf aufmerksam gemacht, daß meine Stellungnahme zu dev Prügelstrafe vorhin mißverstanden worden ist. Jh wollte nur sagen, daß ih in dem vorliegenden sozialdemokratishen Antrage durhaus ein Mittel erblicke, auf dem Weae voranzukommen, den ih als wünschenswert bezeichnet habe. J würde es begrüßen, wenn der Antrag angenommen würde. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.)

Um 7 Uhr soll die dritte Etatsberatung in c: sißung fortgeseßt werden.

Schluß gegen 5 Uhr.

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m ————————

Abendsizung. (Bericht des Nachrichtenbüros Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Nach 714 e wird die Sißung eröffnet und die Auss sprache zum Kultushaushalt fortgeseßt.

Abg. Dr. Klamt (Wirtschaftl. Vereinig.) meint, es werde kaum bei einem Etat so viel gesprochen wie beim Kultushaushalt. Trobvdem gebe es noch eine Reihe Beanstandungen. Hoffentlich gers die Bitten des Abg. O zur Reform der Reifeprüfung beim Ministerium auf fruchtbaren Boden gefallen. Dankbar müsse anerkannt werden, daß der Philologenstand sich immer mehr verständnisvoll der Fugend nähere. Man müsse bet allen Reformen besonders in der jeßigen Zeit auch die wirtshafts lichen Konsequenzen bedenken und vor allem etwaige Refornts- plâne rechtzeitig öffentlih befkanntmachen, damit die inters essierten Kreise dazu Stellung nehmen können. Gerade ein demokratisher Staat müsse S weite Kreise zur Mitarbeit exanziehen. Der Redner kommt dann auf die Ablehnung der

erusung zur Akademie der Dichtkunst durch Gerhart Hauptmann zu sprehen. Eine Autorität wie Thomas Mann habe erklärt, exr wisse nicht, ob da nicht ein eiwas leihtsinniges Vorgehen des Ministeriums vorliege. Das könne man nur unterstreihen. Und das me ilid sollte nicht alles mögliche tun, um sich in Gegen- aÿ zur öffentlihen Meinung zu seßen. (Sehr gut! reis.) Es abe dies auch im Falle Lessing getan und noch dazu Studenten wahllos relegiert. Dadurch würden dock gerade auch die Eltern etroffen. (Zuruf des Abg. Kilian [Komuunist]: Man soll die

urschen vei noch belohnen? Große Unruße rets.) Der Minister habe nun die Gelegenheit, sih unter den jungen Studenten außerordentlich viel Freunde zu erwerben, wenn er die Relegationen irgendwie unwirksam mache. (Sehr richtig! rets.) Meine Freunde und ich, so erklärt der Redner, sind zwar keine abgestempelten und patentiexten Republikaner, ader wir reuen uns doch, wenn ein Schritt vorwärts auf dem Wege zuur erni in der Republik getan wird. Erfreulich sei die Teil« nahme des Ministers an der internationalen Schaujpielerkonserenz, obwohl auch dort leider politishe Manöver sich abspielten. Sehr bedauerlich sei es 0A niht zum Vortrage Keynes eine viel stärkere offizielle Betei igung auch durch Einladung von Parlas«