1904 / 109 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 May 1904 18:00:01 GMT) scan diff

lihen Ausgaben \ich dauernd als unzulänglich erweisen follten, dann mögen Sie den § 3, der Ihnen bier vorgeschlagen ist, annehmen oder ablehnen, Sie kommen dann um die Eröffnung neuer Einnahme- quellen im Reiche doch niht herum. Damit komme auch ich nun mit einigen Worten auf die Belastung der Einzelstaaten mit Matrikular- beiträgen zu sprechen.

Die Einzelstaaten können meines Erachtens, wie die Verhältnisse ih entwidelt baben, eine dauernde Veberlastung mit Matrikular-

beiträgen nit ertragen. Während nah unserer Verfassung, abgesehen von verschiedenen sozial-, folonial- und wirtschafts-

politishen Ausgaben, der Neichêgemeinshaft es vor allem und in der

Hauptsahe obliegt, zu sorgen für den Schuß des Deutschen Reichs nach außen, für die Verteidigung des Vaterlands U Wasser nd u Unde f die große Aufgabe der

Förderung und Pflege der inneren Kulturaufgaben zumeist den Einzel- staaten und den Kommunen überlassen geblieben. Der Erfüllung dieser hoGwichtigen Kulturaufgaben könnte niht in genügendem Maße entsprohen werden, diese Aufgaben müßten nach meiner innersten Ueberzeugung in dem Maße verkümmern, als das Reich den Einzel- staaten die Mittel, deren sie zur Grfüllung dieser großen, noch fort- während wachsenden Aufgaben nicht entbehren können, dur Ueberlastung mit Matrikularbeiträgen entziehen wollte. In der Reichsgemeinschaft selbst wurde durch folche Maßnahmen der größte Schade zugefügt. Führwahr ih würde es mit den verbündeten Negierungen auf das Tiefste bedauern, wollte man um der Vorliebe für die Meatrikularbeiträge wiTen die Förderung und Pflege unserer inneren Kulturaufgaben leiden lassen. Welche Konsequenzen hiernach die verbündeten Regierungen ibrerseits aus der Streichung des von ibnen vorgeslagenen § 3 in Ansehung der Vorlage ziehen werden, das vermag ich beute noch nicht zu sagen. Ich muß vielmehr den verbündeten Regierungen die Stellungnahme für die dritte Lesung hiermit ausdrücklih vorbehalten. (Oh, oh! in der Mitte.)

Abg. Dr. Arendt: Ih kann mir nicht vorstellen, daß die Streichung des § 3 den verbündeten Negterungen einen Grund zur Ablehnung geben könnte. Ih habe nit für die Streibung gestimmt, kann ihr aber eine folche Bedeutung niht beimes?en. Ich babe {hon in der Budgetkommission erklärt, daß ih sowohl die Bedenken gegen den § 3 wie seine Wertshäßung für übertrieben balte. Ich werde das Gefeß mit und ohne den § 3 annehmen können. Der Abg. Pachnike hat vorhin mitgeteilt, daß ih als einziger in der Kommission für den § 3 gestimmt babe. Bisher war e3 niht üblih, daß in den Kommisfionsberihten Namen genannt werden. Herr Pachnick- ift vermutlih nicht in der Kommission gewesen oder bat den Verband- lungen nidt vollständig beigewohnt, er weiß deshalb nit, wie ich meine Abstimmung begründet habe. Jch babe sie cbenso begründet wie jegt, namentli damit, daß der § 3 für mi ziemli gleihgültig ift. Die Hervorhebung des Abg. Pachnicke war mindestens überflüssig. Ich hoffe, daß das Gesez au ohne diesen Paragraphen eine brauch- bare und erfreulie Besserung für unsere Finanzen sein wird.

Abg. Dr. Sattler: Ich bin immer der Meinung gewesen, daß es erforderli ist, eine klare Regelung des finanziellen Verhältnisses des Reichs zu den Einzelstaaten herbeizuführen. Aber in dem B selbst sieht man feinen Grund, weshalb man auf seine Annabme ein solhes Gewicht legen kann. Ih wundere mich allerdings, daß in dem Paragrapben nicht noch das Wort „tunlibst*“ steht.

Abg. von Staudy (d. kons.): Es wäre auch uns sebr \{chwer, dem Geseß unsere Zustimmung zu geben, wenn der §3 stehen geblieben wäre, aber ih will nit so weit geben wie der Staatssekretär. Ich würde au für das Geseg mit dem §3 stimmen. Dem Abg Sattler gebe ih zu, daß es sehr erwünsht wäre, wenn die Matrikularbeiträge einmal gleihmäßig bemessen werden könnten, aber das geht im gegen- wärtigen Augenblick am allerwenigsten.

Darauf wird der 8 3 einstimmig abgelehnt.

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Der § 4, nah welchem dieses Geseg mit Wirkung vom 1. April 1904 in Kraft treten soll, wird ohne Debatte an- genommen, ebenso Einleitung und Ueberschrift des Geseßes,

ZU der oben mitgeteilten Resolution über die Maisch- bottichsteuerrückvergütung bemerkt der

Abg. Holtz (Rp.), daß er eine ausreihende Begründung für diesen Vorschlag vermißt habe. Besondere Ausfälle schienen bei der Maischraumsteuer niht zu verzeihnen gewesen zu sein, nur in den leßten Jahren seien sie etwas erhebliher gewesen, und es mußten größere Vergütungen gezablt werden. Diese Ausnahmen allein rechtfertigten diese Maßregel nicht. Diese Resolution würde eine unnötige Beunruhigung in das Gewerbe bringen, dem man do durch das legte Branntweinsteuergesez eine längere NRuhe- vause gönnen wollte. Die Regierung sei aufgefordert worden, \ich von ihrer früheren Subvention zurückzuziehen, durch die h das Gewerbe nur zum großen Teil erbalten habe. Die Entziehung der Nücvergütung müßte auf das Material aufgeshlagen werden: eine solche Erhöhung könnte aber weder der Trinkbranntwein noch der denaturierte tragen. Ein solches Gewerbe sollte do vor fortgesetßter Beunruhigung und Erschütterung ges{chüßt werden. Es sei zu hoffen, daß der Reichstag die Resolution ablehnen, oder die verbündeten Re- gierungen ihr wenigstens nit zustimmen werden.

Abg. Müller-Fulda (Zentr.): Diese Resolution it {on 1902 mit großer Mehrheit angencmmen worden Im leßten Jahre sind aus dieser Steuer statt 18 nur 9 Millionen eingegangen. Seht es so weiter, so würden wir mit der Zeit keinen Pfennig aus dieser Steuer haben. Den verbündeten Regierungen zuzumuten, daß sie einer mit großer Mehrheit angenommenen Nesolution nicht zu- stimmen sollen, ist dcch eine sonderbare Sache. Es wäre aewissermafen eine Anstandépfliht der Herren Brenner, nur \o viel zurückvergütet zu verlangen, als die tatsählihe Ausbeute es verlangt. Selbst der Abg. Sieg hat si in der Kommission für denselben Gedanfen aus- gesprohen. Wenn bier ein Erstaunen am Plage wäre, so wäre es öchstens darüber, daß die Negierung der Resolution bis jeßt noch feine Folge gegeben hat. Man sollte mit den Liebesgaben ein Ende machen,

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Staatssekretär des Reichsshaßzamts Freiherr von Stengel:

Meine Hcrren! Ich habe mi zur Frage, die gegenwärtig zur Erörterung steht, in der Butgetkommission bei der Beratung der Finanz- reformvorlage aufs eingebendste geäußert. Sie finden meine Aeuße- rung abgedruckt auf Seite 13 des Kommission®berihts, und ib mödte bitten, mi hierauf bezieben zu dürfen. Ich habe am Sthluß jener Erklärung bemerkt, daß, wenn etwa die Anregung, die in dieser Nichtung der Fragebogen, der mir in der Kommission vorgelegt war, enthielt, sich zu einem förmlichen Antt1age des Neich8tags verdihten follte, zu einer Nesolution, wie sie uns jegt hier vorliegt, daß ich dann wobl versihern könne, die verbündeten Negierungen würden ih der eingehendsten und sorgfältizsten Prüfung einer folhen nit entziehen. Ich möchte dem noch beifügen, daß ih meinerseits und ih möôdhte das noch besonders ketcnen nit verkenne, taß doch auh fehr er- heblihe wirtschaftliße Bedenken hier in Betracht kommen, die jeden- falls ihrerseits erst noch der sorgfältigsten Klärung bedürfen.

Was aber die Bezugnahme des Herrn Vorr-dners auf die Resolution anlangt, tie 1902 vom Reichstage beid lossen worden ift, so bemerke i, daß er die Bedcu‘ung dieser Nefolution wenigstens in bezug auf Zeit der Erledigung do wefentlih über ch:itt; denn wer die Entstehungsgeshihte jener Resolution kennt, wird obne weiteres

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daß nun geschritten

gemeint war, diesem Gebiete

zugeben, ‘daß mit derselben nit sofort zu einer Aenderung auf werden soll (sehr wahr! rechts), sondern im Gegenteil, es steht jene Resolution in einem unbverkennbaren inner- lien Zusammenhang mit einer anderen Bestimmung des Gesetzes von 1902, in welcher Aenderungen erst für 1912 in Aussicht genommen sind. (Sehr wahr! rechts.) Das wollte ic doch zur Abwehr des Vorwurfs hier konstatieren, der aus den leßten Worten des Herrn Vorredners gegen die verbündeten Regierungen herausklang. Die ver- bündeten Regierungen haben meines Eracktens bisher, wenn sie sih vorerst noch abwartend verhielten, durhaus gehandelt im Sinne der Resolution von 1902.

Abg. von Kardorff (Np.): Es ist nit richtig, daß die Maisch- raumsteuer nähstens gar feinen Ertrag abwerfen werde. Der Staats- sekretär hat in der Kommission auédrüdlich gesagt, daß {on 1904 ein erbeblich böôbherer Anfall eintreten wird. Man spricht vom An- standégefübl. Ib mödtte den Neichstag auffordern, dieses Anstands- gefühl zu bewahren; denn es bandelt fh bier um die ärmsten Ge- meinden Deutschlands, um den Osten, der am Kartoffelbau am meisten interessiert ist. Die Hebung der Spiritusproduftion würde auch der Konkurrenz mit dem ausländis@en Petroleum Vorschub leisten. Jch erwarte von dem Anstandsgefühl des Reichstags, daß er die Resolution ablebnt.

Abg. Müller - Fulda: In der Resolution von 1902 steht kein Wort von dem Termin yon 1912.

Abg. Wurm (Soz.) erklärt, er stelle fest, daß die Rechte beute zugegeben habe, daß das Branntweingewerbe von den Liebcsgaben auf Kosten der Aermsten der Armen, der Branntweintrinker, bestehe, was bei den leßten Wahlen bestritten worden sei. Die Hebung des Kartoffelbaues komme hierbei gar ni&t ernstlich in éFrage, und nur die großen Brennereien bätten den Löwenanteil von der Liebe8gabe. Nur 7 9/9 der Kartoffeln würden zu Spiritus verarbeitet.

Abg. Holy: Die kleinen Brenner zahlen eine sehr viel eringere Steuer als die großen und bekommen eine große Nück. ergütung. Die ganze Brannt veinsteuergesc8gebung ist überbaupt f den feinen Mann zugeschnitten. Jett haben ih die kleinen Zrennereibesißer zu Genofsenschaftébrennereien zusammengetan. Die 9% zum Branntwein verbrauhten Kartoffeln bringen dem Neich 50 Millionen. Das Neich hat also alle Ursache, das Gewerbe lebens- big zu erhalten, um sh gute Steuerzabler zu erbalten. Bei der eratung der Resolution von 1902 war es unsere Absiht, dem Gewerbe 0 Jahre Nuhe zu lassen. Die Nückvergütung beträgt übrigens nur ci kleinen Brennereien 4 , bei den großen nur 3 4

Abg. von Kardorff: Wir haben der früheren Resclution aller- gs zugestimmt. Wenn wir aber diese neue Resolution fassen, so t es aus wie ein Drängen zur Ausführung der ersten, die erst für Jahr 1912 in Aurssiht genommen ift. Das die Sozialdemokraten uf aus sind, der Landwirtschaft einen möglihst großen Schaden tun, das verstebe ich vollkommen.

Die Resolution wird gegen die Stimmen der Rechten und der Nationalliberalen angen ommen.

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 5!/2 Uhr. Nächste Sitzung: Montag 1 Uhr. (Dritte Lesung der Finanzreformvorlage; dritte Lesung des Etats.)

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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 69. Sißung vom 7. Mai 1904, 11 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des vom Herrenhause bercits angenommenen Gesezentwurfs, betreffend die Verwaltung gemeinshaftliher Jagd- bezirke. :

Bei der allgemeinen Besprehung des Entwurfs bemerkt

Abg. S ch ulze-Pelkum (fons.): Meine ¿Freunde sind von der Art und Weise, wie die Staatsregierung diesen Entwurf ausgearbeitet hat, auf das unangemehmste berührt. _Sie hat unseren früheren An- trag einfach unter den Tisch fallen lassen. Das ift eine Nichtahtung eines Beschlusses dieses Hauses gegen die wir Verwahrung einlegen müsen. Wenn das Gesetz infolgedesjen nicht zustande kommt, so trifft die Verantwortung dafur die Staatsregierung. Was wir gewünscht haben, steht niht im Entwurf und umgekehrt. Die Regierung hat einen Jagdvorsteber für die JIagdgenossenschaft vorges{lagen, während wir etnen JFagdvorstand haben wollten. Die Grundbesigzer werden dur dieses Gese geschädigt, namentlich durch den § 5, der eine ungerecht?: Bevorzugung des Sonnlagéjagers zuläßt. Jch beantrage namens meiner politischen Freunde die Ueberweisnng der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! Die Eingangsworte dcs Herrn Vorredners ¡zwingen mi soglei zu einer Entgegnung.

Es handelt sich bier um eine Frage ganz allgemeiner Natur. Wenn das hohe Haus eine Resclution beschließt, hat die Staats-

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regierung zu prüfen, ob und in welcher Weise sie dieser Resolution

gierung angestellten Erbebungen ergeben, daß die Resolution, die bier augenommen ist, nicht in dem Maße durMfüh:bar ist, wie es bier den Herren erschienen ist. So liegt es auch in diesem Fall.

Wenn das bobe Haus dur eine Resolution na einer Richtung hin eine Anregunz gibt, so, meine i, ist hiermit doch nit die Be- rechtigung gegeben, daß der Herr Vorredner bier bervorbebt: wir fühlen uns auf das unangenehmste berührt, daß die Staats- regierung nit auf das Jota dem entsprochen hat, was in der Reso- lution gesagt ist. Ja, meine Herren, das geht tenn doG wirkli so weit, daß Sie die Staatsregierung zwingen, überhaupt auf keine Nes o- [lution mehr einzugehen. (Unrube rechts.) Denn was foll dann aus der Sache werden? Die Staatsregierung ist doch ein Faktor (sebr rihtig! bei den Freisinnigen), der dec tatsächlich die Inter: sen ter Allgemeinheit wahrtunehmen und zu prüfen bat, wie die Verbältniïse liegen. Hier kann doch nit der Füßrer oder der Wortführer einer Partei si hinstellen und sagen : wir fühlen uns auf das unangenebmste berührt; meine Herren, das muß ich auf das energis{ste zurückweisen! (Bravo! bei den Freisinnigen. Unrake rechts und im Zentrum.) Meine Herren, das ist cine Unmögli#keit, die Sie verlangen. Wie liegt nun die Sache ? Meine Herren, wenn Sie die Entwickeiung unerer Jagdgesetz- gebung verfolgen, so werden Sie finden: jahraus, jahrein sind die- selben und ähnlihe Resolutionen wie die diesjährige gefaßt worden, und es ist nihts darauf gescheher. JYH habe nun diligentiam prästiert. Meine Herren, ih bin mir freilich darüber klar gewesen : wer in die Jagdgeseßgebung bineinzreift, befaßt sh mit ciner sehr \{chwierigen und unda«kbaren Auf-akte. Ich habe bei all den Herren bier aus dem hoben Haufe, mit denen ih über die vershiederen Ma- terien der Jazdgescßgebung in den Jabren gesprohen habe, das be- stätigt gefunden jeder bat immer eine gewisse Sorge vor der Jagd- gesezgebung (sehr rihtig!), weil, meine Herren, immer wieder der Lokalpatriotismus, aber vor alle der Lokalegoiênmus (sehr ritig ! links) schr in den Vordergrund gerückt wird. Meine Herren, aus

diesem Umstande heraus ergibt sich für alle Parteien dieses hohen Hauses die große Schwierigkeit, den Mittelweg zu finden, um überhaupt zu einer Verständigung auf diesem Gebiete zu kommen. Die Herren aus dem Zentrum werden mir zugeben, daß in Rheinland und Westfalen in den leßten Jahren die Klagen über die Jagd- verpahtungen in erbeblihem Umfange zugenommen haben. (Sehr rihtig!) Ich babe das auch anerkannt und gesagt, ih werde versuchen, die Sache zu regeln. Es fand:n bei der Verbandluúg über diese Resolution, die ja naturgemäß au gar nit so im Detail geprüft werden konnte, auch Verhandlungen über die Mindesldauer der Ver- pahtung auf 6 Jahre statt; die hierauf gebenden Anträge wrden abgelehnt, um die Negierung bei Ausarbeitung des gewünschten Gesetzes nicht von vornherein zu fehr u binden. Ih babe das Ganze nur als cine Anregung angesehen, ausgehend von den vielen Beshwerden, die tatsählich vorlagen, deren Berechtigung meiner Ansicht nah nit von der Hand zu weisen ift. Nun kam die Frage die Resolution ging darauf Hinaus : ein gewählter Jagdvorstand? Ja, meine Herren, ih bin sofort in eine Prüfung dieser meiner Ansiht na wichtigsten Frage eingetreten, und ih mödhte dem Herrn Vor- rednex das Studium der Akten dieses hohen Hauses mal empfehlen. Was fagt denn das Jahr 18832 Da hat das hohe Haus nach eingebenden Erwägungen beschlossen, es solle kein Jagdvorstand gewählt werden. Gerade die Herren haben es bier mitbes{lossen. Gewiß, meine Herren, das ist ja auch ganz naturgemäß. Ih möchte einmal dem bohen Hause etwas über die Erfahrungen vorlesen, die man in Hannover mit der Wabl des Jagd- vorstands gemacht hat. Es sind Erfahrungen, die der Referent im Herrenhause vorgetragen hat, ein Herr, der Landrat ift und als Präs- fident der Landwirtshaftskammer mit den Verhältnissen der bannover- schen Orte und Eingesessenen bekannt ist. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten und des hohen Hauses werde ih das vorlesen :

Ich habe mir nun schon erlaubt, darauf hinzuweisen, daß der Inhalt der Petition tes westfälisGen Bauernvereins dabin ging, die Institution meiner engeren hannoverschen Heimat, den Jagd- vorstand, obligatorisch oder zum mindeste: fakultativ auf die alt- preußischen Provinzen auszudehnen, und i darf mir gestatten, auf Grund meiner langjährigen Erfahrung in meiner Heimatsprovinz einige Worte über den Jagdvorstand zu sagen. Ich kann nur davor warnen, diese Institution, die ich weiß nicht wie in das

sonst so gute bannoversche Iagdgeseß hineingekommen ift, gerade wie die Bestimmung, daß sämtliße Interessenten ibr Wort mit- zusprehen haben bei der Verpaltung, auf altpreußische Verbält- nisse auszudehnen. Aus dem § 5 der Jagdordnung ist eine wahre Krur geworden.

Nehmen Sie die einfachßen Verhältnisse auf dem Lande an, wo wenig Besißvershiebungen stattfinden, so will ih gern zugeben, daß die Schwierigkeiten da ni&t in dem vollen Maße in die Erscheinung zu treten brauchen; diese aber zeigen sich, wenn in eiyer größeren Landgemeinde oder in ciner klcineren Stadt mit Grundbesiß ein Jagd- vorstand gewätlt werden soll. Metne Herren, was beweisen die Be- rihte, die eingegangen sind? Man bekommt dort überbaupt einen gese#mäßigen Jagdvorstand, gegen den nicht Protest erboben werden kann, nit mebr zu stande. (Sebr rihtig!)) Sie müssen bei der Abstufung des Wahlrechks vom kleinsten Grundbesißer ausgehen; ih will hierbei gar nicht weit herabgeken : nehmen Sie ein Zehntel Hektar an das ist die Einheit und nun werden die Stimmen verteilt, und wenn einer 10 ha hat, fo bat er 10mal 10 gleih 100 Stimmen. Jett soll der Jagdvorstand gewählt werden, jeder einzelne von diesen 4000 bis 5000 Beteiligten der Feldmark muß mit vorgeladen werden. Eine einzige Vorladung wird nit zugestellt, dann ist die ganze Wahl nichtig; irgend ein BVername ist falsch ge- rieben, eine Erbfolge ist nit beachtet, der Besiß ist nicht ri&tig übertragen ja, meine Herren, dann wissen Sie tatsählich nit mehr, wie Sie den Jagdvorstand wählen sollen !

Meine Herren, denken Sie \ich nun die Verbältnifse des zer- splitierten Grundbesiges, die beute in dem Westen der Monarchie be- stehen. Mancher Besiter, der seinen Grund und Boden mit einer Mauer einfriedigt, scheidet dadur wieder aus aus der Wabhlliste. Es häufen sich da die Schwierigkeiten; Sie können doch nicht eine voll- ständige Flurbeschau vor jeder Jagdvorstand8wabl vornehmen. Es ift tatfächlih in einer größeren Gemeinde eine absolute Unmöglidhfkeit, einen JIagdvorstand zu bilden. Meine Herren, ih mödte Sie bitten, sh bier mal in einem der Vororte Berlins das Bild zu machen, wie Sie da den Jagdvorstand wählen wollen. Sie stehen da vor einer absoluten Unmsgli@&keit.

Nun, meine Herren, die zweite Sache! Ih frage offen und ehrlih: ist die Mehrzahl unserer Landbevölkerung, die hierbei be- teiligt ist, nicht davon durhdrungen, daß eigentlih schon reidlih viel ich will mih vorsihtig ausdrücken bei uns gewählt wird? Nun, meine Herren, soll noch eine neue Wabl kommen! Und unter welchen Umständen! Jh kann nur versichern: bei allen Jagdangelegen- heiten ist das Wunderbarste, was es gibt: da wird der Freund zum Feind, der Bruder grüßt den Bruder niht mehr. (Heiterkeit.) Ja, meine Herren, das ift die Leidenschaft; die wühlt tiefer auf wie die ernsteste Wabl, bei der viclleiht das Wobl und Wehe des Deutsc(en Reichs entschieden wird. Ja, meine Herren, die Jagdsachhen find so intrikater Natur, und wer mit den Sachen zu tun bat und wie ih leider als oberste Instanz den Wust von Aerger und Verärgerung sieht, der kann nur wünschen, diesen Aerger uögliGt allen Beteiligten fernzuhalten unter Wahruung ibrer vollen Interessen.

Meine Herren, das ist der Gcund gewesen, warum die Regierung in dem vorgelegten Gesezentwurf niht ganz der Res lution ent- sprohen hat. Aber ih meine: wer meinen Worten gefolgt ist, wird zugeben müssen, daß es werizstens mir völlig ferngelegen hat, Be- {lüssen des hohen Hauses es handelt fi nit um eincn posi- tiven Beschluß, sondern nur um eine Resolution alfo der Neso- lution niht nah Möglichkeit entgegenzukommen, sondern, meine Herren, aus der Erwägung der Tatsachen heraus, die klar und logisch sagen: vermehrt die Wablen auf dem Lante nit, bringt niht dieses ver- zwikte System, welches tatsächlih in größeren Orten niemals einen geseßzmäßiz b-stehenden Jagdvorstand zu stande bringt, in die Gemeinden hinaus! Meine Herren, ih gebe ja gerne zu: als ih die Sade be- arbeitete, fie eingehend mit allen Beteiligten durchsprac, da batte ih das Empfinden: ih bäite beinahe den Stein der Weisen mit diesem Geseßentwurf gefunden. (Große Heiterkeit.)

Meine Herren, bei der ersten Kritik sehen Sie nun, wie dieses Kind vernichtet wird. (Heiterkeit.)

Meine Herren, ihzbitte zu erwägen: könnnen wir uns niht auf

das

der vorgeshlagenen Basis einigen? Das glaube ih {hon jeßt sagen u fönnen, daß die Staatsregierung den Weg nie geben wird, daß wirklich die allgemcine Wahl, bei dem kleinsten Besißer anfangend, zu- gestanden wird. ; :

Was nun die weiteren Fragen anlangt, meine Herren, so werden wir uns, da von der stärksten Fraktion dieses Hauses die Kommissions- beratung vorgeschlagen ist, uns über die einzelnen Punkte dort ja aus- nderzusezen haben. Die Frage der meistbietenden Versteigerung

E Jagd das möhte ih hier vor dem Hause glei betonen Lv D, E E Ö s L /

ist niht als unumstößlihe Regel in den Vordergrund gerüdt, sondern die Vorlage fagt: wenn das Verfahren der öfentlichen Versteigerung

eintriit, dann foll es nicht nôtig sein, den Kreisaus\Guß zu befragen. Herren, es Tiegt doch daran, den KreisauësGuß von allzu

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roßzim Ballast zu befreien. Jh glaube, daß noch an vielen Stellen

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das alte Verhältnis beibehalten werden wird, d. h., daß unter der Hand die Verständigen der Gemeinden sagen: Wir wollen mit unserm Nachbar, oder wer es sei, uns zu einem angemessenen Preise über die

G agd verständigen. Ganz kann ich aber den Autführungen nit lgen, daß es nicht im Interesse der Gemeinden liegt, den böten Preis für ihre Jagd herauszubekommen.

Meine Herren, gerade, das ist ja immer der springende Punkt, d vielleicht ift Herr Herold nachher so freundli®, darauf mal ein- ugeben. Die westfälischen und rheinisGen Gemeinden beshweren ad immer darüber, daß sie niht einen genügend boben Preis für ihre Jagd bekommen. Das ist für die dortige Gegend einer

der wesentlihften Punkte. Das eine it die Flurbeshidigung

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dur Sauen und dergl.; das zweite ist aber gerade immer die Frage des höchsten Preises. Meiner Anficht na wird das allgemeine

Interesse in der Negel am besten gewahrt dur den böHsten Preis, unter der Vorausseßung einer rihtigen weidmännishen Art des Be- triebes der Jagd, und ih möchte au dem boben Hause zur Er- ing geben, ob nicht manchmal gerade die Jagden, die von Sonn- zern gevahtet werden, noch am meisten gesHont werden. (Heiter- fit.) Ja, meine Herren, die treffen am wenigsten (erneute Heiterkeit), und infolgedessen ist auch die Wahrscheinlichkeit, daß das Wild er-

halten wird, eine sehr viel größere, als wenn die wildesten Nimrods

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uszieben. Aber, meine Herren, wie gesagt, ih möchte an das Lobe Haus die Bitte 1ihten: wenn es mögli ist, uns in der Kommission über die Vorlage zu verständigen; es sind wirklich an vielen Stellen wenig erfreulihe Verhältnisse vorhanden. Hierzu ist erforderli 5 Zurülkschieben eines gewissen Lokalpatriotièmus wenn ih es al so bezeichnen \foll und will und das Erwägen der allgemeinen Verhältnisse unseres Landes, und die führen meiner Ansicht nah dazu,

eine andere Regelung der Verwaltung der Jagdbezirke durchzuführen,

isher in Geltung gewesen ist. Wie gesagt, ih bin davon

überzeugt: es ist dieses eine der s{wierigsten Materien, und seien Sie zugt, wenn Sie mich nicht dazu drängen, ih fafe Jagdsaten pt niht gecn an.

Abg. Dr. Brandt (ul):

Die grundfäßli

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Mit Kommissionsberatunz

g e VDeltin B die Jagd an den Meistbietenden vervabtet werden soll, billigt die Mehrheit meiner Freunde auch: im übrigen aber hat sie gegen die Faffung des Entwurfs {were Bedenken. Die Kompetenz des Kreis- zuês{usses muß anders, als vorgeschlagen, geregelt werden ; auch bedarf s der Aufhebung veralteter Bestimmungen der bannoverschen Iagd- rdnung, die längst hätten beseitigt werden müssen, aber in der Vor-

ausdrüdlich aufrecht erbalten werden. vir einverstanden. j ; Abg. Herold (Zentr.): Jh danke der Regierung dafür, daß sie der Anregung aus dem Hause nachgeftommen ist; aber wie fie ior nahgekommen ist, darauf fann id meinen Dank niht ausdehnen. E handelte sich rit nur um eine Anregung aus dem ause, sondern um eine Anregung mit einer ganz be- stimmten Direktive. Gewiß i die Regierung selbständig in ihrem Vorgeben; aber sie muß doch auch auf die Mehrheit des Hauses Nücksiht nehmen. Es fommen hier gleihmäßig is- und Privatinteressen in Frage. Die Rechte der Besitzer von baftlihen Iagdbezirken sind ohnehin schon veeinträhtigt; durch ? Cntziehung des Rechts der Bestimmung über die Verpachtung erden 2 in einem Maße verkürzt, wie es nit mehr als billig er- tet werden kann. Die Bedenken des Ministers gegen die Einführung eines Jagdvorstands gehen bis auf die Beschlüsse tes Abgeordnetenhauses on 1553 zurück; näher bätte es doþ gelegez, auf die Stellung des en Abgeordnetenhauses Rüksiht zu nehmen. In der Zwischenzeit pon 20 Jahren hat sich die Volksanschauung geändert. Ueberdies hatte Nh 1883 gerade die Regierung für den Iagdvorstand au8gefprochen. Wan sollte die Bauern fragen, dann würde man auch unter der Bauern- Mast Hannovers cine große Mebrhbeit finden, die dem Gemeindevorstand : ine folhe Machtvollkommenheit geben will, fondern für unser jen eintritt. Auch die Bezugnahme auf das Herrenbaus hält nselben Grunde nit Stich. Tatsache ist, daß nihts die Ge- so sehr aufregt, wie Jagdangelegenbeiten: es ift auch ridtig, 2 Erregung bei ciner solchen Wahl eine große ist; aber das bes nur, daß es sich um wesentlihe Interessen der Gemeindeverwal- ndelt. Nach der Vorlage erbält die Aufsichtsbehörde indirekt t der Mitbestimmung über das Eigentum der Privateigen- da liegt der nervus rerum. Auch wir sind mit der Vers» der Borlage an eine Kommission einverstanden, in der die [gierung hoffentliß auf die Wünshe ter Mehrheit NRüdcksiht omen wtrd. , Abg. Fischbeck (fr. Volk2p.): Wir halten die Vorlage als undlage ciner Verständigung für geeignet. Wenn die Eigentümer 1 mebr als 300 Morgen Jagdrevier beliebig mit ihrem Jagd- rain halten und walten können, erscheint es uns nur als logisch eug, daß die Besiger kleinerer Jagdbezirke die gleichen Rechte

en. Wir billigen dea Grundsaß, daß in der Regel - öffent- und an den Meistbietenden vervahtet wird. Die Be- gelung des Abg. Schulze bezügli der zugelassenen Aus8- önnen wir niht gelten lassen. Auf die Iagd soll gehen, T7 dafür eine Passion, Zeit und Geld hat und etwas davon stebt; aber man soll auch den Sonntagéjäcern die Betei igung t unmögli maden, cin Schaden geschieht dadurch niemandem. enn man die Bevorzugung von BVetternschaft und Konnerion bei der ng der Pacht verhindern will, muß man eben zu der öffent- en Ausschreibung und zu dem Zuschlag an den Meistbietenden “mnen, wenn gegen diesen nit versôörlihe Gründe vorliegen. Wir © ebenfalls für Kommissionsberatung. R 0g. Brütt (freifonf.): Die Negterung ist mit dieser Gesetzes-

lz No M} E - 2 +5 g «o TA9nonArACrF Art n D * fage den Zun;chen der Majorität des Hau}es entgegengekommen ; any bor einem Jahre erkannt2 sie das Bedürfnis nah einer ebliben R die Vorlage, wie bisber,

Den HNegelung niht an. Wenn nur

j G°meindevorsteber statt eines Jagdvorstands für die Veitwaltunz Sagdangelegenheiten vorschlägt, so ist das ein Vorzug gegenüber fl Antrag Herold. Ruhe und Frieden im Lande werden auf diescm ‘8° weit mehr als durch die Wabl eines Iagdvorstands garantiert. nerelle Vergebung an den Meistbietenden sehen wir nit als

n|chenêwert, londern als eine Gefahr an, der au dur die Aus-

„neveitimmungen des § 5 nicht genügend vorgebeugt wird. Es ift ° großer Unterschied für die Grundbesiger, "ob der Pächter

è bon der Jagd und der Landwirtschaft versteht oder nit. Bei ; Fergebung an den Meistbietenden wird zwar in der ersten Paht-

fe vielleiht ein günstigeres Resultat erzielt werden, aber dann

kommt das die Ende nah; denn wenn der Pähter, der seine Jagd gepflegt hat, dessen nit sicher ift, daß er sie wieder pachten fann, wird er am Schluß seiner Pachtperiode den Wildstand, den er bis dabin gebegt bat, abschießen. In der Kommissionéberatung wird ih boffentlih eine Einigung erzielen lassen. L, , Akg. Sielermann (kons): Der Entwurf fpricht zwar von einer Jagdgenofsenschaft, aber deren Mitglieder sollen bei der Verwaltung der Jagdangelegenheiten gar nihts zu sagen haben; denn die Ver- waltung foll dem Gemeindevorsteher übertragen werden, einem Manne, der zu ganz anderen Zwecken da is und nicht cinmal Mitglied der Zagdgenofsenschaft zu sein brauht. (In der wadsenden Unrube des Hauses gehen die weiteren Ausführungen verioren ) Der Redner spricht zum Schluß die Hoffnung aus, daß die Kommission dem Wunsce des Hauses Iehnung tragen werde, sonst solle man lieber

das alte Gesetz aufret erbalten. e

Abg. Heckenroth (fkons.) führt gleihfalls aus, daß die Jagd- verpahtung in die Hände derjenigen gelegt werden müsse, die das meiste Interesse daran haben, also îin die Hânde eines gewählte

Kollegiums. j | Abg. Wißmann (nl.): Im Gegensaß zu meinen Fraktions- genossen muß i{ mich gegen die Art der Verpacktung, wie sie in 8 4 und 5 festgesezt ist, ausspreden. Die Grundzüge des Ges mir aber symnpathisch, weil die Verwaltung gemeinshaftli bezirke für den ganzen Staat einbeitlih geregelt wird, weil d mer der Grundstüdke eines aemeinshaftlichen Jagdbezirks ein nofsenschaft mit Necht3fähigkeit bilden und weil Vertreter ders d indevorsteber sein soll, niht ein gewähltes Kollegium. Der G steber untersteht der Aufsihtsbehörde und genießt das Ver- Gemeindeangehörigen, ist also die geeignete Person. Ein Gesetzes ist die Beschränkung der Padtzeit auf 6 bzw. e Rechte der Bauern werden jedo durch dieses Gesetz eshâdigt, und dieses Bedenken muß in der Kommission

lz - Bolkenhain ( S 4 wenden, die eine öffentlite Verpachtung an den Meistbietenden vorschreibt. Nach § 5 kann zwar der Kreisaus\{huß Ausnahmen gestatten, aber der Kreisauss{chuß müßte immer zu Gunsten der Interessenten entscheiden, um niht den Frieden in Kreis und

Gemeinde zu stören. Der Kreisausschuß würde nicht entlastet, sondern mehr belastet werden. ‘Man läßt lieber einem Bekannten die Iaad Ll L gade

als einem Fremden für viel Geld. Vielleicht ist der Borsclag durc)- d S

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in (kons.): Ih muß mi gegen die

¿l fübrbar, daß die Gemeindevertretung aus ibrer Mitte jagdberechtigte Mitglieder wählt, die dem Jagdvorsteher zur Seite steben.

Abg. Wamhoff (nl.) wünscht, daß die Freiheit der Gemeinden bei der Jagdvervachtung gewahrt werde. Hoffentlich werde es in der Kommission gelingen, ein brauhbares Gesetz zustande zu bringen:

Hierauf wird die Vorlage einer Kommission von 21 Mit- gliedern überwiesen.

Es folgt dann die erste Beratung des Entwurfs eines Wildschongesegzes. :

Abg. Kaute (Zentr.): Wir stimmen im allgemeinen der Vorlage ¡u, baben aber noŸ einige Wünsche nah Abänderung, die in der Kom- mission erörtert werden müssen. So wünschen wir è: D, DON Der Beginn der Schußzeit der Birk- und Fasanenbennen mit dem der Schußzeit der Hähne zusammengelegt wird. Ferner wünschen wir in den Bestimmungen über die Bestrafung des Verkaufs und Ankaufs während der Schonzeit die Streihung der Worte „in gewinnsüchtiger Absicht“. Ich beantrage, den Entwurf an eine Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen.

Abg. Seydel - Hirschberg (nl.): Das Geseg wird Gutes stiften können, und wir sind im allgemeinen mit ihm einverstanden. Wir können aber nidt die Bestimmung billigen, daß unter das Verbot des Aufstelleas von Schlingen die Ausübung des Dohnenstieges mittels hoh bängender Dohnen nicht fallen soll. Die Frage des Dobnenstieges bedarf der eingehendsten Erwägungen. Es fangen sich Tausende von Singvögeln in den Dobnen. Einige andere, minder wichtige Fragen tönnen in der Kommission erörtert werden. Ih {ließe mih dem Antrag auf Kommissionsberatung an, halte jedoch 14 Mitglieder für genügend.

Abg. Werner (deutshe Neformp.): Jh bin im allgemeinen Gegner des Geseßes. Mir sind viele Zuschriften zugegangen, die sich gegen das Gefeß erklären. Vor allem kommt die Notlage der kleinen Landwirtschaft in Betracht, die unter dem Wildshaden \{chwer zu leiden hat. : : S

Abg. von Heimburg (kons.): Wir hätten eine sofortige Er- ledigung des Gesetzes obne Kommissionsberatung gewünscht, damit das

u e | Gefeß noch in dieser Session zustande kommt. Nachdem aber Kom- missionsberatung beantragt ist, behalten wir uns die Erörterung unserer Wünsche zu diesem Gesetz für die Kommissiorsberatung vor und

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L L {ließen uns deshalb dem Antrage Kaute auf Ueberweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern an.

Abg. F ischbe ck (fr). Volkepy.): Die Schonzeit des Wildes muß so bemessen werden, daß die bäuerlihen Interessen nit geschädigt werden. Wir müssen uns besonders gegen die Bestimmungen erklären, die den Wildhandel bes{hränken, namentli gegen die Forderung eines Ursprungiheins für die Versendung von Wild nach dem Beginn der Schonzeit. Die Wilddieberci wird man durch folche Bestimmungen niht bekämpfen können. Die Beschränkung des Verkaufs während der Schonzeit ist besonders deshalb una gebracht, weil in den ver- schiedenen Landeêteilen verschiedene Schonzeiten bestehen können. Von der Gestaltung dieser Bestimmungen machen wir unsere Zustimmung zu dem Gefeß abhängig. | E

Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) verweist die Behandlung aller Einzelheiten in die Kommifsionsberatung, bei der er besonders eine Erörterung des Wildshadens wüns{cht. Der Wildschaden folle nidt dadurch verzrößert werden, daß die Sonzeit fär HDochwild ausgedzhnt werde.

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Das Herrenhaus habe in dieser Beziehung die Regierungs- vorlage vers{lechtert, und diese müsse wiederhergestellt werden.

Abg. Geisler (Zentrc.) erklärt sich gegen die Zulassung des Dohnenstiegs. Weit wertvoller als die Lederbifsen, die dur den Dohnenstieg gewonnen würden, sei die Belebung unserer Wälder mit den Singvögeln. Er bitte die-Kommission dringend, die Wathtel, die durch Vertilgung von Unkraut sehr nüglich sei, als nit jagdbares Tier zu betrahien und auf sie das Gesez nit anwenden zu lassen.

Die Vorlage wird einer Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen.

Jn zweiter Beratung wird darauf der Geseßentwurf, betreffend die Ausdehnung einiger Bestimmungen des Allgemeinen Berggeseßes auf die Aufsuhung und Gewinnung von Erdöl, ohne Debatte angenommen, ebenso in dritter Beratung der Geseßentwurf über die Bildung von Parochialverbänden im Geltungsbereiche der revidierten Kirhenordnung für Westfalen und die Rhetuprovinz sowie der Gesegentwurf, betreffend die Wechselproteststunden.

Alsdann folgt die erste Beratung des G betreffend die Errichtung eines Öberlan üsseldorf.

Justizminister Dr. Schönstedt:

Meeine Herren! Die ErriHtung eines neuen Oberlande8gerihts in Düsseldorf hat dieses hohe Haus im vorigen Jahre bei Gelegenheit der Beratung des Justizetats theoretish bcshäftigt. Die Sathe lag damals in der Luft. Inzwis§en hat sie praktishe Gestalt angenommen mind zu dem gegenwärtig Jhnen vorliegenden Gesetzentwurf geführt, der Ihre Zustimmung dazu erbittet, daß aus den Bezirken der bisher zum Oberlandeszerißtsbezirk Cöln gehörigen Landgeritte Düsseldorf, Elberfeld und Cleve und aus den zum Oberlandesgerichtsbezirk Hamm gehörigen Landgerihten Duisburg und Essen ein neues Oberlandes- gericht mit dem Sitze in Düsseldorf gebildet werde.

sezentwurfs, esgerichts in

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Meine Herren, die Gründe, welche die Königliche Staatsregierung bestimmt haben, Ihnen diese Vorlage zu mahen, sind dreierlei Art.

Sie haben aus der Begründung des Entwurfs ersehen können, daß dafür maßgebend gewesen ist einmal die ungewößnlide Zunahme der m

Bevölkerung8zahl in den westlichen Provinzen, sodann die nit minder ungewöhnlihe, noch stärfere Zunahme der Geschäfte beim Oberlandes- gerit in Cöln, und endlih drittens das, was unter dem Begriff Prozeßverschlevpung so vielfa in den lezten Jahren erörtert worden ist: die Verlangsamung der Prozesse und die Schädigung der recht- suchenden Bevölkerung tur diese lange Dauer der zur Berufungs- instanz gelangenden Streitsachen.

Ich will mir erlauben, in wenigen Zahlen Ihnen darzulegen, wie diese drei Gründe \ih zifernmäßig darstellen.

Was zunähst die Bevölkerungszunahme angeht,

( so hat, wenn ih die Zählungen von 1880 * und 1900 zu Grunde lege, die Steiger B

Jjerung der Bevölkerung in ganz Preußen 26,37 9% betragen, im B des Oberlande8gerihts Cöln 34,41% und im berlandeszerichts Hmm sogar 64,96 9%/,. Die Ein-

beiden leßtgenannfen Bezirke ist in den angegebene Fahren gestiegen in Cöln von 3+ Millionen auf 4 705 000 Seelen rund, in Hamm von 2456000 auf 4051 000 Seelen.

Meine Herren, s\elbstverständlih bat mit dieser gewaltigen Zus- nahme der Bevzlkerung und mit der ganz außerordentlihen Ent- widelung der Industrie in den westlihen Provinzen auch die Zu- nahme der Geschäfte bei den Geriten vollständig gleihen Schritt gehalten. Auch in dieser Beziehung gestatte i mir, Jhnen einige Zahlen anzuführen. Ih gebe dabei zurück auf das Jahr 1881.

Im Jahre 1881 betrug die Zahl der bei dem Oberlandesgeriht in Côln eingegangenen neuen Berufungen 801: sie stieg in den nädhsten 10 Jahren bis zum Jahre 1891 auf 1369. Im Jahre 1900 betrug sie {hon 2015 und ist dann rapide weiter gestiegen in den nächstfolgenden Jahren auf 2404, 2868 und im Jahre 1903 auf 3795 in diesen 22 Jahren von 801 auf 3795; das stellt dar einen Zuwabs an Geschäften von 373,78 9/9. Bei dem ODberlandeëgeriht in Hamm ist die Ges{äfts- zunahme eine so starke allerdings nit gewesen, aber glei- falls eine ganz außerordentlih erbeblihe. Im Jahre 1881 waren dort 1145 neue Berufungen eingegangen, bis zum Jahre 1891 waren sie zurückgegangen auf 841, dann aber beginnt die starke Steigerung. Im Jahre 1900 waren es 1927, und in den drei nächstfolgenden Jahren ftieg diese Zahl auf 2448, 2817 und 2962, sodaß es sih also ? J

ler um eine Steigerung handelt von 158,69 9%. Meine Herren,

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derartige Steigerungen fowohl der Bevölkerungszahl wie der Ge- shâfte sind auch niht annähernd bei irgend einem anderen preußischen

Oberlandesgerihte vorgekommen. Selbst das Kammergericht bleibt in der Bevölkerung8zunahme hinter Hamm, in der Geschäftszunahtne hinter Cöln weit zurü.

Meine Herren, was nun die Erledigung ter Ges{äfte angeht, so hat sih bei dem Oderlandesgeriht in Cöln {on seit Jahrzehnten das bedauerlihe Resultat herausgestellt, daß die Erledigung der Sachen eine überaus \chleppende war und daß die Durchschnittszeiten, die bet anderen Gerichten auf die endgültige Abwickelung der anhängig ge- wordenen Berufungssachen verwendet worden sind, in ganz ungewöhn- Ticher Weise überschritten worden sind. Die Klage bierüber ift fehr alt, und sie ist zweifellos zurückzuführen nit auf die Ueber- bürdung des Oberlandesgerihts, sondern auf gewisse eigentümlihe Ge- wohnbeiten, auf althergebrahte Anschauungen und Uebungen der be- teiligten Personen. :

Im Dezember 1892 rihtete der damalige Oberlandesgerichts- prâsident Struckmann in Cöln in Verbindung mit den fünf anderen Senat8vorsißenden an die sämtlihen Anwälte ein Shreiben, in dem er ihnen die Salhlage auseinanderseßte und das dringende Ersuchen an sie rihtete, nach Kräften zu einer Besserung der Zustände ihrer- seits beizutragen. In dem Schreiben beißt es:

Leider sind son seit mebreren Jahre die Rückstände in Zivil- prozeßsachen beim biesigen Oberlande3geriht wieder in der Zunahme begriffen. Obwohl die Zahl der jährlih neu anhängig gewordenen Berufungen nur um ein geringes gestiegen war, hatte ih die Zabl der am S{hlufse des Jahres unerledigt gebliebenen Berufungen von 1890 bis 1892 allmählih von 1027 auf 1276 erböbt.

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Noch weit ungünstiger hat ih aber das Verhältnis im Laufe des leßten Jahres gestaltet. Während am 1. Dezember v. J. bei 1343 seit dem 1. Dezember 1890 neu binzugekommenen Berufungen die Zahl der unerledigt gebliebenen Berufungen ih auf 1276 be- lief, betrug leßtere am 1. Dezember d. J. bei nur 1326 im leßten Jahre neu hinzugekommenen Berufungen 1452.

Es wird in diesem Schreiben dann weiter auseinandergeseßt, daß daz so niht weiter gehen könne, da die Rückstände sich sonst immer mehr häufen würden und zum größten Nathteil des reGtsubenden Publikums und zum SWaden des Ansehens der rheinishen Justiz bald ein fôörm- licher Geschäftsbankrott eintreten würde. Es sei deshalb auf allen Seiten die dringende Pfliht geboten, cine Besserung dieser Zustände herbeizuführen.

Der Oberlandesgerihtspräsident und mit ihm die sämtlihen Senatspräsidenten erkennen die Hauptursahe dieser beklagen8werten Zustände darin, daß die für die mündliche Verbandlung bestimmte Sißungs8zeit niht auêreihend ausgenüßt werde, die als normal auf die Stunden von 9 bis 2:Uhr, also auf 5 Stunden tägli, angegeben war. Nach ftatistishen Erhebungen wird in dem Sthreiben festgestellte daß in den ersten 11 Monaten des Jahres 1902 im ganzen an V Sigungstagen in einzelnen Senaten wegen Mangels an fe tig- geftelltem Stoff oder wegen Nichtersheinens der Anwälte überhaupt niht verhandelt war, daß in demselben Zeitraum aus denselben Gründen die Sißungszeit, wenn man sie bis zwei Uhr rechne, um mindestens 413 Stunden und, wenn man sie bis ein Uhr rechne, um

41 Stunden ungenußt geblieben war. Die bessere Aus- füllung der Sitzungen sei deshalb das einzige Mittel, das zu einer rasen Abwickelung der Geschäfte führen könne. Eine Vermehrung der Sißzungen sei deshalb ausgeschlossen, weil, wenn etwa an mehreren Tagen drei Senate gleidzeitig säßen, die Kollisionen für die Anwälte sih noch erhöhen würden und deehalb voraussihtlich die Fälle des Nichtersheinens der Anwälte ch noch vermehren würden. Es wird eshalb das dringende Ersuhen an die Herren Anwälte gerichtet, für die reckchtzeitige Fertigstellung der Sachen zu den anberaumten Terminen zu sorgen, sih auch von dem pünktlihen Erscheinen in den Sizungen nur durch Gründe dringendster Natur abhalten zu lasen, damit niht viele Stunden der kostbaren Sißungszeit ungenußt blieben,

mindestens 1

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