1904 / 112 p. 9 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 13 May 1904 18:00:01 GMT) scan diff

hinaus, aber man werde dieses doch nit unterdrücken können. Es herrschten infolge dieser Politik ganz unerträglihe Zustände. Als aus einem vornehmen Restaurant in Posen eine polnische Gesell- saft fortgegangen und nur noch ein Herr geblieben sei und rubig seine Zeitung gelesen habe, seien Deutsche auf ihn zugetreten mit den Worten: „Wie können Sie si untersteben, hier Polnisch zu sprechen ! Daraus sei eine Prügelei entstanden. Der Minister des Jnnern habe gegen die polnische Aerztekammer das Wort „Unverschämtheit“ gebraucht, offentlich nehme er es wieder zurückd. Man wolle die polnischen Die Polen täten ihre Pflicht, au in Nußland; unter den Gefallenen in Oftasien seien 30 9% Polen. Die Sokolvereine seien keine Gefahr für den Staat. In der Kom- mission werde das Gefeß hoffentlih ganz umgearbeitet werden, oder es kônne nit zustande kommen.

Aerzte aus ihrem Brote bringen.

Minister des Jnnern Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Die Gewissenebedrängnis, von der der Herr Vor- redner gesprochen hat, hat mich wcder gestern angekränkelt noch beute (oh! ob!), und ebenso wie ich von dem Herrn Vorredner gern ans- nehme, daß er aus seiner eigenen inneren, festen, ehrlichen Ueber- zeugung hier geredet hat, ebenso möhte ih, daß von jener Seite an- genommen werde, daß au bei mir dieselbe feste, ehrlite Ueberzeugung bei der Vertretung meiner Anschauung vorliegt.

Ich kann mich mit manchem einverstanden erklären, was der Herr Vorredner gesagt hat. Niemand kann mehr bedauern als ih, daß das soziale Leben in unseren polnischen Provinzen dur den Gegensaß zwischen Deutsken und Polen in vielen Beziehungen getrübt ist; niemand kann mehr als ih diese Ausdehnung des Boykotts auf alle Verhältnisse des L“bfffent- Tihen und auch des privaten Lebens bedauern. (Zuruf: Wer ist daran \{uld ?) Wer daran \ckuld ist, hat eben Herr von Dziembowseki selbst aus8einandergeseßt. Er hat gesagt, er wolle es dahingestellt sein lasen, wer angefangen habe: aber es sei sehr zu beadten, daß der Boykott erst entstanden sei auf polnisÆer Seite nach dem Gefetze von 1886, also er ift entstanden auf polnischer Seite auf Grund dieses Ge- seßes, gebe ih zu —, und der Herr Vorredner bat ausdrüdli hin- zugeseßt, daß dann ter deutscke Boykolt gefolgt sei.

Meine Herren, ih glaube, es wäre mögli, au beute noch den Streit in unscren östlichen Provinzen so zu führen, daß er nit immer auf tas persônlihe Gebiet hinübergreift. Wenn Sie h die Mübe geben würden, auc in Ihren Kreisen darauf hinzuwirken, daß das vermieden werde, so kann ich Ihnen zusagen: was an mir liegt, soll gesehen, daß in meinen Kreisen das Persönliche und Scharfe be- seitigt wird.

Meine Herten, um dann auf die Ausführungen überzugehen, die als die polnishe Gefahr von mir bezeichnet sind, so bedaure ich, von dem was ih gestern gesagt habe, nih!s zurücknehmen zu können, auh nach den Ausführungen des Herrn Vorredners. Jch habe immer anerkannt und werde stets anerkennen, daß die Polen eine durchaus tapfere Nation sind, daß sie sich überall, wo sie im Felde gestanden baben, heldenmütig geshlagen baben. Dem babe ih, wie ich glaube, auch schon hier mehrfach Ausdruck gegeben.

Aber, weine Herren, ih habe gesiern ausgeführt: aus allen den politischen Erscheinungen, mögen sie nun in Amerika, oder in NRußland oder in Galizien oder auch in unseren polnischen Landes- teilen sich erkennbar machen, ergibt ih eine Grundstimmung eines großen Teiles unserer preußishen Polen gegen den preußischen Staat, der augarten kann, wenn der Augenblick gekommen sein wird, in eine sehr ernste Gefahr für unser preußisches Vaterland. (Sehr richtig! rechts.) Meine Lerren, das ist gewiß richtig und das bat imvlizite Herr von Dziembcwski mir eben bestätigt, wenn er fagt: Meine Herren, wir sind vicl zu klug dazu; wir kennen die Macht des Staats viel zu gut, um jett vorzugehen. Ja, meine Herren, bei Toyaler Gesinnurg hätte ich erwartet, er würde gesagt baben: wir sir d gute Preußen; wir denken nit daran, gegen den preußischen Staat vorzugehen. Aber, meine Herren, Sie denken daran, und das mache ich Ihnen zum Vorwurf, und deshalb müssen wir au mit aller Entschiedenheit Jhnen entgegentreten.

Was das vorliegende Gesetz selbst betrifft, so, glaube ich, ist Herr von Dziembowski ein beredter Verteidiger dieses Gesetzentwurfs, ins- besondere des & 13b ç ewesen. Er hat ih in Widersprüche verwidckelt, die ih eigentlih nicht von ihm erwartet bätte. Er hat einmal gesagt: das ganze Geseß sei ungehörig und verstoße gegen die Verfassung, es dürfe niht gemacht werden, und sei eine Bergewaltigung der Polen und dann wieder gesagt: das Gese sei ein S({lag ins Wasser, mit diesem Geseß werde do nichts erreickt, das Gesetz dürfte für die Polen zicmlih gleihgültig sein. Ja, meine Herren, wenn das Gesctz Ihnen gänzlih gleihgültig ist, wenn es ein Schlag ins Wasser ist, warum dann Ihre so lebhafte Agitation gegen dieses Geseß ? Ebenso hat der Herr Vortedner über die Paupcrisation ter Polen gesprochen und gesagt, daß der pcelrishe Landwirt der Verarmung, dem Pauperismus verfallen sei, und auf der anderen Seite hat er uns dargestellt, wie eten ter polnishe Bauer fo bettiebsam, so arkeitsam, fo sparfam gcworden ci, daß es ihm mögli sci, selbt weit vor der geseßten Frist die Kaufpreise für von ibm erworbene Güter voll- ständig abzubezahlen. Ja, das ist do kein Pauperismus, wenn er alle die fehr {weren Bedingungen cines Kaufes inzebalten kann und sogar noch vor der Zeit, die der frühere Eigentümer austedungen hat, ih von allen Shulden befreit.

Endlich bat der Herr Vorredner für das Gesetz insofern gesprochen, als er gesagt hat: das Gescy sei außerordentlich inpopulär bei den

Deutschen in der

Deutschen selbs in der Provinz Posen. Die

Provinz Posen, namentli diz deutschen Großgrundbesigzer, wollten es nicht; urd er hat dafür ein Beispiel eines Großgrundbesiters wenn ich nit irre, aus dem Kreise Wreschen angeführt. Ja, meine Herren, ih hake das gestern ausdrüdlich anerkannt, daß dieses Gesetz nit nur ein Ausnahmeg:\eß gegen die Polen ist, sondern ein allge- meines Gefeß für die Provinz Posen, für den ganzen Grundbesitz in der Provinz Posen, daß dieses Geseß den Erfolg haben wird, den ich wenigstens davon erhoffe, daß die übertriebenen Preise des Grundes und Bodens in der Provinz wieder heruntergehen. Es ist selbstver- ftändlich, daß die jeßt im Genusse der hoben Preise ih befindenden Grundbesißer das ungern sehen, wenn nun ibr Vermögen auf dem Papiere geshädigt wird. Aber, meine Herren, ih babe auch gestern behauptet und behaupte nochma!s: das ift cine gesunde Agrarpolitik. Ein Grundbesißzerstand kann nicht bestehen, wenn sein Grundbesiß in cinem unrichtigen Verhältnis böhßer bewertet ist, als wie der Ertrag es nun eben ermöglicht; und um diese jeßt bestehende Preissteigerung wieder zu beseitigen, dazu wird dieses Gesetz die Hand bieten, den Polen gegenüber gerade so gut wie den Deutschen gegenüber. Es ift also kein einseitiges Geseg.

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Im übrigen habe ich mich nicht in irgend welche Differenzen mit meinem Kollegen von der Landwirtschaft gefeßt. Auch ih erkenne an, und habe gestern ausdrücklich anerkannt, daß dieses Gesez neben seinen wirtshaftliGen Folgen, neben seiner wirtschaftlichen Bedeutung auch die politische Bedeutung habe, daß es ein Kampfgeseyz sei gegen das Polentum. Ich habe aber auch gestern bereits ausgeführt, daß dieses Geseß niht ein absolutes Verbot der Kolonisation für die Polen bedeutet, sondern daß ih mir sehr wohl denken kann, daß in gewissen Teilen des Landes, wo eben die deutshen Interessen nicht ges{ädigt werden, auh eine polnishe Kolonisation auf Grund dieses Gesetzes erfolgen kann, und ih glaube, daß au selbst die Herren Polen zu einer preußishen Verwaltung das Zutrauen haben können, daß dieselbe niht mit einseitigen Gründen urteilen wird. (Zurufe bei den Polen: Leider nicht!)

Meine Herren, es wird \ich ja in der Kommission die Gelegen- heit geben, auf alle Einzelheiten, die hier vorgebra@t sind, noch näber einzugehen. Ih möchte nur nochmals wiederholen, daß das Gesetz nötig ist zum Schutze des Deutshtums in den östlichen Provinzen, daß es notwendig ist, um diejenigen großen Erfolge, die wir von dem Ansicdelungsgesey für uns erwarten, zu sichern. Wir haben in den leßten 24 Jahren 186 neue deutsche Dörfer in den Provinzen Posen und Westpreußen geschaffen, wir haben zwischen 7- und 8C00 deutsche Bauern- familien dort angesiedelt. Meine Herren, diese haben wir ins Land gerufen, denen müssen wir Shuß gewähren, und wir müssen dafür sorgen, daß sie auch im Lande bestehen können und in ibrer Umgebung, in ihrem Kreise nit durch polonisierende Bestrebungen überwuchert werden.

Nun ist es ja richtig, daß die Vermehrung der polnishen Be- völkerung in einem viel höheren Grade geschieht als die der deutschen Bevölkerung. Der Herr Abg. Traeger bat, wenn ih ihn recht ver- standen habe, mir eine gewisse Schuld daran zugeschrieben. (Große Heiterkeit.) Jh muß diese Insinuation zu meinem Bedauern ab- lehnen ; aber tatsählich ist es richtig, daß die Zahl der Kinder in der Ehe in polnischen Ehen 4 kis 5, in deutschen Eben nur 3 bis 4 im Durchschnitt beträgt. Das gibt also einen erheblihen Unterschied. Ich denke gar nicht daran, irgend welhe Maßregeln zu ergreifen oder vorzuschlagen (stürmische Heiterkeit), um dieser natürlihen Vermehrung entgegenzuwirken. Jch freue mich dieser Vermehrung in Ihrem Interesse und im Interesse des ganzen Deutshtums. Ich will die Polen nicht ver- mindern, sondern die Deutschen stärken dur Heranziehung von mebr Deutschen und durch ihre wirtschastliße und fkulturelle Förderung. Und darin bin ih wieder mit mehreren Rednern aus dem Hause einig: den endlihen Sieg hat nicht die brutale Gewalt, die wir au zum Teil anwenden müssen (sehr richtig !), sondern den endlihen Sieg hat die höhere Kultur, und diese höhere Kultur wollen wir auf Grund dieses Geseßesparagraphen sichern, daß sie bei den Deutschen bleibt. (Bravo! rechts; Zischen bei den Polen.)

Abg. von Bockelberg (kons.): Es ist erflärlih, daß die volitis&e Bedeutung der Sache die Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Aber diese ist jeßt für uns erledigt, in politischer Hinsiht werden wir uns mit den Polen doch nicht verständigen können. Der Redner erörtert darauf die technische Seite der Vorlage und kemängelt, daß die Genehmigungébehörde für Rentengutsanfiedelungen nidt der Kreis- auss{chuß, fondern die Generalkommission sein und daß namentli das Verwaltungsstreitverfahren ausgeshlossen sein soll. Die weit- gebende Befugnis der Genera!kommission könne er nit zugestehen. Bedenklih sei ferner die Schaffung von drei verschiedenen Nechts- gebieten dur diese Vorlage. Es handle \ich um das Gebiet des Ansietelunzsgeseßes in Westpreußen und Posen, das Gebiet der übrigen Monarchie und das Gebiet der Nentengutsgeseßgebung. Es wäre das beste, die Bestimmungen der Vorlage über die Rentengüter ganz fort- zulaffen.

Darauf wird die Diskussion geschlossen. Bemerkungen bestreitet

Abg. Lraeger, daß er tem Minister eine Mits{huld an der Vermehrung des polnisckcen Volks zugeschrieben habe. Er müsse dem Minister eher vorwerfen, daß er der Vermehrung der polnischen Be- völkerung entgegenwirke.

Die Vorlage wird darauf einer Kommission von 21 Mit- gliedern überwiesen.

5s folgt dann die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Dien stbezüge der Kreistier ärzte.

Abg. Brütt (freikons.): Dieser Entwurf erfüllt einen alten Wunsch meiner Fraktion, indem er die Bezüge der Kreiétierärzte erhöht. Wir ersehcn aus ter Vorlage aber nicht, wie hoh die Gebälter der Kreiétierärzte eigentli sein sollen; die Negierung muß uns darüber nähere Aufllärung geben. Eine Hauptsache ist ferner die Beibehaltung des Vereinbarungs\ystems bezüglich

O r Gebühren, welche die beteiligten Gemeinden an den für d:ffen Verrihtungen zu zahlen haben. Es ist NBereinbarungea stattfinden können. Die Verteilung

Wahrnetmung verschiedener Geschäfte seitens des auf einer und derselben Neise für verschiedene Bezirke aber man muß anerkennen, daß sie in der Vorlage zu- wird. Daß die Kreistierärzte, die jeßt über

In persönlichen

ist \{chwierig, tressend geordnet : Va Kre 65 Jahre alt sind oder sonst zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten niht mebr fähig fin, pensioniert werden können, ift eine richtige Maßregel. Daÿ die Regierung einen Ausgleichsfonds schaffen will, um für bcsonders schwierige Verhältnisse den Kreistier- ärzten Zulagen zu gewähren, begrüße ih gleichfalls als berechtigt. Gm großen ganzen befriedigt die Vorlage die Forderungen, die gestellt werden mussen, um das Institut der Kreistierärz!e auf die Höhe zu heben, auf der es nah den heutigen Anforderungen s\tehen muß. Wir glauben, die Vorlage ohne Kommi]|sionsberatung erledigen zu onnen, wenn nicht von anderer Seite cine Kommi! fionsberatung ge- wünscht wird.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Das vorliegende Gese soll die Unterlage für die für den Etat des kommenden Jahres geplanten Aenderungen in der Besoldung der Kreistierärzte gewähren. Jch bitte das hohe Haus, das Gesey mög- lichst bald zu verabscieden, damit wir den Forderungen, die meiner Ansicht nach mit vollem Ret seitens der Kreistierärzte aufgestellt und auch hier aus verschiedenem Munde alle Jahre vertreten worden find, endlih gerecht werden können.

Das Gesetz zerfällt in zwei Teile. Der erste Teil beschäftigt sich mit den Bezügen der Kreistierärzte während ihrer Dienstzeit. Das Gesey vom 9. März 1872 ist niht mehr brauchbar, es hat einer Revision unterworfen werden müssen. Jch glaube, daß auch gegen die neuen Festsezungen keine Bedenken vorliegen werden. In dem zweiten Teile handelt es \ich um die Pensionsberehtigung, es soll ein alter Wunsch der Kreistiecrärzte, der, wiez ih schon sagte, aub aus dem Hause verschiedentlih im Laufe der Jahre an die Staats- regierung berangetreten ist, endlich erfüllt, und es soll die Möglichkeit geschaffen werden, Kreisticrärzten, die schon jeßt dienstunfähig sind- aber si, weil sie keine Pensionsberechtigung haben, naturgemäß mit allen Fasern an ihre Stellen klammern, ohne Härte zu verabschieden.

nun), Dab 4

Nun hat der Herr Vorredner gefragt: wie wird sih der künftige Etat für die Kreistierärzte gestalten? Da glaube ich, zur Drientierung wohl einige Zahlen dem hohen Hause mitteilen zu dürfen. Meine Herren, wir haben im preußischen Staate, abgeschen von den im Nebenamte wahrgenommenen Stellen, 461 Kreistierarztstellen. Die Inhaber dieser Stellen sollen in drei Altersgruppen geteilt werden: zwei zu je 153 und eine zu 155, zusammen 461, Es sollen für jeden KFKreistierarzt 2100 M ausgeworfen werden. Diese 2100 X sollen aber nicht im vollen Betrage zur Besoldung im engeren Sinne verwendet werden, vielmehr follen die 153 Kreistierärzte der ersten Gruppe 1200 M, die 153 der zweiten Gruppe 1650 M und die legten 155 2100 46 pensionsfähiges Gehalt erhalten. Daraus ergibt \ich ein Betrag von 761 550 Æ für Ge- hälter. Wenn die Herren nun die Generalanforderung 461 mak 2100, also 968 000 M, hiermit vergleichen, so ergibt ih ein Neft von 209 550 Æ, der zu Zulagen verwendet werden foll. Das ist der Fonds, der, wie der Herr Vorredner ja auch mit Necht anführte, dazu bestimmt ift, in besonders schwierigen Situationen auszleihend ein- zutreten. Wenn \ih die Herren die verschiedenen Verhältnisse klar machen, unter denen viele Kreistierärzte wirken müssen, z. B. Grenz- dienst, Armut der Bevölkerung, {lechte Verkehrsverhältnisse usw., fo sind eine Menge von Fällen denkbar, die es wünschenswert machen, durch Gewährung von Zulagen entsprechend den örtlichen Verhält- nissen ausgleihend einzutreten. Dazu sind diese 206 550 M bestimmt.

Ich glaube, daß dies eine gesunde Das il, Und {6 hoffe, daß wir damit, wenn wir auch niht alle Wünsche der Kreis- tierärzte ganz befriedigen, so doch einen guten Schritt vorwärts tun, da wir vor allem ihre Pensionsberehtigung festlegen und ihnen die Sicherheit des Aufsteigens in die böberen Gehaltéstufen gewähren. Ich glaube, daß damit wirkli etwas Ordentliches für die Kreistier- ârzte geshaffen wird, und hoffe, daß diese Mitteilungen, die ja cin Vild aus dem Etat des nächsten Jahres entrollen, Ihnen die Ueber- zeugung verschaffen werden, daß Ausreichendes vorgeschlagen wird, Ich habe diese Erklärung schon jetzt abgegeben, um die von dem Herrn Vorredner ausgegangene Anregung, dieses Geseß ohne Kommissions- beratung zu verabshieden, zu unterslüßen. Denn wir haben {hon \o viele Kommissionen (sehr richtig!), daß es sih meines Erachtens empfehlen dürfte, diesen Gesetzentwurf, gegen den keine Bedenken vor- zuliegen seinen, hier im Hause selbst zur Erledizung zu bringen. (Bravo!)

Abg. Dr. Lotichius (nl.): Meine Freunde stellen sih dem Gesctz freundlih gegenüber und haben den Wuns, daß es noch im Laufe dieser Tagung verabschiedet werden kann. Das wird aber auch bei einer Kommissionsberatung möglih sein. Seit 30 Jahren hat das Gehalt der Kreiêtierärzte keine Erhöhung erfahren. Es sind deshalb hon aus den Kreiskassen Remunerationen für die Kreistierärzte bewiiligt worden. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Gehälter der Kreis- tierärzte möglichst hoh sein sollen, damit die Gebühren im Interesse der Landwirtschaft niedrig gehalten werden können. Darüber müssen wir uns in der Kommission verständigen. Die Fleischbeshaugebühren müssen so bald wie möglich herabgeseßt werden, aus Hessen-Nassau sind {hon Anträge nah dieser Nichtung gestellt worden. Die Be- shaubezirke müssen verkleinert werden, die Anforderungen an die Veterinärbeamten sind durch die Gesetzgebung fortgesetzt gesteigert worden. Ich beantrage, die Vorlage einer Kommission von 14 Mitgliedern zu überweisen.

Abg. Humann (Zentr.): Die Bestimmungen der Vorlage haben weder die Kreistierärzte ncch die Gemeinden und die Lantwirtschaft vollfommen befriedigt, dern die Gebühren fallen doch wieder den leßteren zur Last. Kein Geschß hat unter der Landwirtschaft eine sole Beunruhigung kbervorgerufen, wie das Fleishbeshaugesez. Es ift der Sozialdemokratie damit Vorschub geleistet. Die Fleischbeshau, die für inländisches Fleisch viel s{ärfer ist als für auzländisches, dient der Allgemeinheit, und deshalb müßten die Kosten von der Allgemein- heit getragen werden. Dem Antrag auf Kommissionsbcratung {ließe ih mi an.

Abg. Dr. Beckmann (kons): Meine Freunde steben der Vor- lage wohlwollend gegenüber und wünschen ihre baldige Verabschicdung. Das Bedenken, daß manche Kreistierärzte {hlechter wegkommen könnten als bisher, ift durch die Erflärungen des Miniiters über die Funktions- [age zerstreut worden. Erfreulich ist die Einführung der Pensions- ver

erechtigung. : S : _ Abg. Rosenow (fr. Volksp.) schließt sih dem Antraze auf Kommissionsberatung an, bei der besonders noh die Frage der Meise- kosten und Tagegelder einer Aufklärung bedürfe. Sckwierigkeiten entilanden wegen der Gebühren in den Süädten mit Königlicher Polizeiverwaltung. Das Beste wäre, die Kreistierärzte zu vollbefoldeten Beamten zu machen, wodur alle Schwierigkeitea beseitigt würden. Die Gehaltsfestseßung, die ter Minister mitgeteilt habe, könne nicht genügen ; mandhe Aerzte würden in ihrem Einkommen geschmälert werden. Auch die Pension von 1200 M für die alten Tierärzte könne niht als ausreidend erahtet werden. Es werde bei gutem Willen sih in der Kommission erreichen lassen, daß das Gefeß noch in dieser Session verabschiedet werde. : -

Abg. Dr. yon Savigny (Zentr.) hätte gewünsht, daß in der Vorlage mebr Rücksicht auf die Landwirtschaft genommen wäre. Die Kreisiterärzte müßten fo gestellt werden, daß fie sich das Wohl der Landwirtschaft angelegen sein lassen könnten. Die Erhöhung des Ein- fommens fei zu diesem Zweck wünschenswert. Wenn die Megierungg- prâasidenten Gebührentarife als Normaltarife aufstellen fönnten, so müsse dies im Geseß auch mözlich fein. Das würde nicht über den Rahmen des Gesehes hinausgehen und im Interesse des ganzen Standes liegen. Das Gehalt set zu niedrig ; hoffentlih könne der Minister eine baldige Reform in Aussicht _flelen. Es sei traurig, wenn man cinem Staatébeamten mit einer Unter- stüßung beispringen müsse. . Möge die Kommission nit nur die Wünsche der Kreistierärzte, sondern au die berechtigten Wünsche der Landwirtschaft und der Gemeinden gebührend berücksi@tigen.

Minister für Landwirtschaft 2c. von Podbielski:

Meine Herren! In der Reihe der Jahre habe ih Gelegenheit gehabt, den Fleiß und die Arbeitslust des Herrn Borredners, der beinahe zu allen Gescten, die ih dem hohen Hause hier vorgelegt habe, das Wort ergriffen hat (Heiterkeit), aufrihtig zu bewundern (Heiterkeit); ih kann aber heute leider dieser Bewunderung nicht vollen Ausdruck geben, weil der Herr Vorredner meiner Ansicht nach dieses Geseß doch nicht in dem Maße studiert hat (hört, hôrt !), wie es mir wünschenswert ershienen wäre. (Heiterkeit.) Meine Herren, um was handelt es sich in diesem Geseße? Es handelt \sich in dem ersten Teile, wie ih \schon sagte, um die Bezüge der Kreistierärzte während ibrer Dienstzeit, insbesondere um die Gebührenfrage, eine Frage, die ja zweifellos weit hineingreift in unsere landwirtshaftlihen Verhältnisse. Ich verkenne auch nicht den Standpunkt des Herrn, der vorher aus den Reiben des Zentrums gesprochen hat und betonte: Hier, Landwirtschaftsminister, tritt dafür ein, daß die Gebühren niht zu hoh werden, weil dadurch nit allein der Einzelne, sondern au unsere Gemeinden, unsere Korporationen in er- heblihem Maße belastet werden. Voll zugegeben, meine Herren! Ih möchte au gegenüber der Anregung, die ein anderer Nedner in bezug auf die Fleishbeschau gegeben hat, anerkennen, daß ih unbedingt

die Verpflichtung habe, die Gebühren für die Fleishbeshau nah Möglichkeit herabzuseßen; ih habe auch vor wie nah den Verhand- lungen über den Etat hier in diesem Hause unausgeseßt mit den Negierungépräsidenten darüber verhandelt. Aber die Herren wollen niht vergessen, daß in der Fleishbeschau die Höhe der Gebühren im engsten Zusammenhange mit der Größe der Bezirke steht; denn, meine Herren, wenn Sie den Bezirk verkleinern, müssen Sie die Gebühren für den FleischbesŒauer, der dann weniger zu tun hat, erhöhen. Niedrige Gebühren und kleine Bezirke {ließen #ch leider in der Regel aus; denn die Leute können die Fleishbeshau nicht sachgemäß ausüben, wenn sie nicht eine entsprehende Entlohnung bekommen. Ih bin also für Herabseßung der Gebühren, aber ich kann sie in der Regel niht vornehmen, wenn ih zugleih die Bezirke verkleinern foll. Stellt sich heraus, daß einzelne Fleischbeshauer übermäßig hohe Ein- nahmen aus dieser Tätigkeit erzielen, so halte ich mich für verpflichtet, einzuschreiten und Abhilfe zu hafen, wie es in einer Anzahl von rheinischen Ortschaften {hon geshehen ist und auch im übrigen stets geshehen wird, wo sih Mißstände zeigen.

Ich wende mich nun wieder zu dem Herrn Vorredner und zur Frage der Pensionierung, zunächst zur Verabschiedung der {hon jeßt dienstunfähigen alten Herren. Die Herren wollen erwägen, daß unsere alten Kreistierärzte \. Zt. lange nit diejenige Vorbildung genossen haben, die jeßt unsere Tierärzte, Gott sei Dank, im Interesse unserer Landwirtschaft genießen. Diese alten Herren sind unter ganz anderen Verhältnissen in den Staatsdienst eingetreten. Jch möchte nun einmal Herrn von Savigny fragen: tvie stand es mit den Kreis- physici, die nach dem Inkrafttreten des Kreisarztgeseizes nicht mehr verwendet wurden? Die Berechnung nah § 15 des Kreisarztgeseßzes ergab für sie ein durchs{nittlißes Wartegeld von 1219 M Dieses beziehen sie aber nur fünf Jahre und dann erbalten sie 2 davon als Pension, das sind ungefähr 900 A Ich habe geglaubt, für meine alten Kreistierärzte etwas Besonderes herausgeschlagen zu haben, denn diese alten Herren bekommen 1200 L; ein Saß, der gewiß nitt gerade glänzend, aber immerhin doch meiner Ansiht na den Ver- hältnissen angemessen ist. Jedenfalls kann ih nur dem Herrn ¿Finanz- minister dafür dankkar sein, daß er meiner Verwaltung nah dieser Nichtung hin so weit entgegengekommen ist; denn tatsä&lih steben unsere Beamten gegenüber dem Durchschnitt der Kreispbysici, sofern diese die fünf Jahre Wartegeld überleben, um 300 6 besser. Dazu kommen dann noch Unterstüßungen aus den besonderen Fonds bet Kapitel 107 Titel 4 des Etats.

Nun weiter, meine Herren, die Pensionsbere(#tigung nach dem Inkrafttreten des Geseßes. Jh bemerke gegenüber dem Herrn Abg. von Savigny ausdrücklich: es handelt sh heute nit um die Fest- seßung der Gehaltssäße; ich habe mi nur auf die Anregung eines der Herren aus dem bohen Hause für vervfli{tet gehalten, zur Information mitzuteilen, welhe Säße die Regierung in den nächsten Etat glaubt einseßen zu sollen. Meine Herren, über die Säge selbst können wir uns bei diesem Gescße niht unterbalten, das kommt bei der Beratung des nähsten Etats; jeßt handelt es sich nur um die Festlegung der Pensionsberechtigung. Diese wollen wir aus\prechen,.

Nur mit wenigen Worten will ih jedoch auf die Ausführungen des Herrn von Savigny über die Gehaltssäße eingehen. Er sagt, jeßt haben bei 600 Æ Gehalt die Kreise, Ortschaften usw. Zulagen gewährt; wir kommen bei einem Gehaltlsfaße von 1200 A aus dem Regen in die Traufe; was nüßt denn eine so geringe Erböhung des Gehalts? Ja, meine Herren, erstens bilden die 1209 A doh nur die Anfangë\tufe und dann handelt es sich{ch doch nicht um die Entlohnung eines voll beschäftigten Beamten; die Kreistierärzte sollen doch auch Privatpraxis treiben. Der Herr Abgeordnete \cheint aber auch nit zu berücksihtigen, daß die Kreistierärzte außer ibrem Gehalt noch; Gebühren beziehen. Jh meine: diese Gebühren machen doch einen erbeblihen Teil ihres Einkommens mit aus. Es besteht außerdem die Absicht, wie ich s{chon erwähnt babe, den {lehteren Stellen eine Zulage aus dem Ausglei#sfonds, den ih vorhin auf etwa 206 000 A beziffert habe, zu ceben. Das ift doch eine erbeblide Aufbesserung für die Herren, selbst wenn die Kreise und Gemeinden keine Zuschüsse mehr gewähren sollten. Ich betone, daß i bereites Entgegenkommen bei dem Herrn Finanzminister gefunden habe. Mir liegen wirklichß die Tierärzte am Herzen, und iGß mödbte gern ihre Pensionsberehtigung endlih durchführen, aber ih fürchte, das weitere Ansprüche das Ganze gefährden werden.

Die Rangverhältnisse, meine Herren, werden |\ch meiner Ansicht nah crst später, vielleiht erst in 10 oder mehr Fahren endgültig regeln laffen, wenn mal die alten Herren nit mehr in Frage kommen werden. Die jüngeren allerdings werden fagen: wir haben lange Zeit studiert und haben das Abiturientenexamen gemacht. Aber das ist zur Zeit do erst ein kleiner Bruchteil. Sind später die Verhältnisse anders geworden, so wird sich ja darüber reden lassen.

Ich vertrete immer die Ansicht, man sollte in all solchen Dingen wie Gehaltsverbesserungen u. dergl. bei den betreffenden Beamten nicht zu große Hoffnungen ecwecken. Es kommen nachher Rückschläge, die Verbitterung hervorrufen; man sagt: jawohl, die Abgeordneten sind für uns eingetreten, aber die böse Regierung, womöglich der böse Finanzminister, hat das Geld nicht hergeben wollen. Ja, meine Herren, es ist doch nicht unser Geld; es ist doch das Geld des Landes, das wir verwalten, und ih meine, wir müssen doch auch haushälterisch damit umgehen und können niht immer mit vollen Händen weggeben. Es ist cine eigentümlide Gestaltung unseres parlamentarischen Lebens, daß die Parlamente immer geneigt sind, mehr Geld zu bewilligen und sih larger zu zeigen als die Negicrunz. Auch hier kann ih nur sagen: mehr können wir zur Zeit naŸh unserer ehrlichen Ueberzeugung nicht leisten. Das muß ih hier noch ausdrücklich hervorheben.

Meine Herren, Sie müssen was ih noŸ nachholen möhte bei der Beurteilung der in Ausficht gestellten Leistungen aus der Staatskasse auch erwägen, daß als pensionsfähiges Einkommen nicht allein das Gehalt von 1200—2100 M, sondern nto ein Zuschlag in Vetracht kommt, der dem Durchschnitte der niht aus der Staatskasse fließenden amtlihen Einnahmen zuzügli des Durchschnitts der Zulage aus dem Ausgleihsfonds entsprechen soll.

Wie ih shon sagte, heiden bei der Beratung dieses Gesetzes die Gehaltssäte, die erst gelegentlih des nächstjährigen Etats der Ge- nehmigung des hohen Hauses unterbeitet werden können, aus. Es scheidet ferner, um darauf nochmals zurückzukommen, die Nangfrage aus; ih enthalte mich hierüber zur Zeit einer bestimmten Aeußerung. Ich fühle es ja den Herren nah, daß sie nicht Subalternbeamte fein

wollen Ich will ihnen au mwmögli{st helfen. (Bravo!) Aber man legt hierauf doch wohl zu viel Gewicht. Man sieht den Segen {on in dem Mandarinenknopfe, ob der nun so und so gestaltet ist. Wie mir von einzelnen Herren gesagt worden ist, kommt es ihnen sogar mehr auf den Knopf als auf die Diäten an. Ja, meine Herren, das eine und das andere hängt doch wohl innig zusammen. Jh meine immer: man sollte das nehmen, was möglich ift.

Angesichts der Ausführungen des Herrn von Savigny spreche ih die dringende Bitte aus: verquiken Sie das Geseß niht mit anderen Dingen, die nicht unbedingt hineingehören. Gewiß kann einer sagen, es wäre besser, ich hätte ein Geseß für die Kreistierärzte vorgelegt, ähnli, wie es vor einigen Jahren für die Kreisärzte erlassen ist. Gewiß, meine Herren, es hat manches für si, aber die Schwierigkeiten waren zu groß, ih mußte ers einen Schritt vorwärts tun, und diesen Schritt stellt das dem hohen Hause vorgelegte Geseß dar. Jh hoffe, daß die Kommissionsberatung zu einer \o zeitigen Verabschiedung des Gesetzes führen wird, daß auch noch das Herrenhaus dem Gesetz zu- stimmen kann, und ih würde es im Interesse unserer Veterinärbeamten dankbar begrüßen, wenn es uns gelingen würde, das Geseß in der vorliegenden Fassung ohne tiefgreifende Aenderungen zu verabscieden. (Bravo!)

Abg. Dr. von Savigny tritt noMhmals dafür ein, daß weniger Gewicht auf die Gebühren gelegt werde, weil diese wiederum der Landwirtschaft zur Last fallen würden, während die Allgemeinheit den Nuten habe.

Damit schließt die Diskussion. Die Vorlage wird an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen.

Es folgt die erste L des Geseßentwurfs, bc- treffend die Gebühren der Medizinalbeamten.

Ministerialdirektor Dr. Förster: Diese Vorlage hat das Haus im vorigen Jahre bereits beschäftigt, _ist aber nit zur Erledigung gekommen, die hoffentlih in diejer Session erfolgt. Die Vorlage \hließt sich an das Gefeß von 1872 an, faßt aber verschiedene Be- stimmungen s{härfer. Der Gebührentarif foll vom Minister auf- gestellt werden. Die Festseßung durch den Minister ist zweckmäßig, veil dann je nach Bedarf sofort eine Aenderung der Tarifsäte statt- finden kann.

Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) beantragt, die Vorlage decjenigen Kommission zu überweisen, die zur Beratung des Aus- führungs8geseßzes zum Neichsseuchengeseß eingeseßt ist. Alle Einzelheiten könnten dort erörtert werden.

Abg. Dr. Martens (nl.) ist mit diesem Vorschlage einver- standen. : , E : /

Abg. Nosenow (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß auch bei dieser Frage Schwierigkeiten dadurch entllanden seien, daß in den Städten mit Königlicher Polizeiverwaltung für ortspolizeilih gefor- derte Dienstleistungen an den Medizinalbeamten keine Gebühren gezahlt würden. Der Entwurf des Gebührentarifs müsse in der Kommission geprüft werden.

Abg. Kir\ch (Zentr.) bemängelt die nach seiner Ansiht un- genügende Höhe einiger Sätze des Gebührentarifs und hâtte gewünscht, daß das Gesetz von 1872 niht nur teilweise, sondern gänzlih aufs gehoben werde, um dur ein ganz neues Gesetz erseßt zu werden.

Die Vorlage wird der genannten Kommission überwiesen.

In erster und zweiter Beratung wird dann noch der Gesetzentwurf, betreffend Bildung einer Genossen- [haft zur Regelung dek Gorslut Und“ zur Ab- wässerreinigung im Emschergebiete, in der Fassung des Herrenhauses unverändert angenommen, nachdem die Abgg. Dr. Ostrop (Zentr.), Hirsh-Essen (nl.) und Schulze-Pelkum (kons.) kurz die Annahme empfohlen haben.

Schluß 3/44 Uhr. Nächste Sißzung: Freitag 12 Uhr. (Anträge und Petitionen.)

Parlamentarische Nachrichten,

Dem Hause der Abgeordneten ist der nachstehende Entwurf eines Geseßes wegen Erhöhung des Grundkapitals der Seehandlung zugegangen :

S

Das eigene Kapital der Seehandlung wird um 65 090 000 A

erhöht. S2.

Der Finanzminister wird ermächtigt, zur Bereitstell; ng des Er- böhungsfapitals Staatéschuldverschreibungen auszugeben.

An Stelle der Schuldverschreibungen können vorübergehend Schazanweisungen ausgegeben werden. Der Fälligkeitstermin ist in den Schaganweisungen anzugeben. Der Finanzminister wird er- mächtigt, die Mittel zur Einlösung dieser Schatzanweisungen durch Ausgabe von neuen Schaganweisungen und von Schuldverschreibungen in dem erforderlihen Nennbetrage zu beschaffen. Die Schatzantwvei- sungen können wiederholt ausgegeben werden. :

Scayanweisungen oder Schuldverschreibungen, die zur Einlösung von fällig werdenden Schaßanweisungen bestimmt sind, hat die Haupt- verwaltung der Staatsschulden auf Anordnung des Finanzministers vierzehn Tage vor dem Fälligkeitstermine zur Verfüzung zu halten.

Die Verzinsung der neuen Schuldpapiere darf nit vor dem_Zeit- punkte beginnen, mit dem die Verzinsung der einzulösenden Schaß- anweisungen aufhört.

__ Wann, dur welche Stelle und in welhen Beträgen, zu welWem Dinsfuße, zu_ welhen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Kursen die Schaßanweisungen und die Schuldverschreibungen veraus- gabt werden follen, bestimmt der Finanzminister.

__ Im übrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der Anleibe die Vorschriften des Geseßzes vom 19. Dezember 1869, betreffend die Konsolidation preußisher Staatsanleihen (Geseßsamml. S. 1197), des Geseßes vom 8. März 1897, betreffend die Tilgung von Staats- \{chulden (Gefeßsamml. S. 43), und des Gesetzes vom 3. Mai 1903, betreffend die Bildung eines Ausgleihsfonds für die Eisenbahn- verwaltung (Geseßsamml. S. 155), zur Anwendung.

Mit der Ausführung dieses Geseßes wird der Finanzminister beauftragt.

__ In der diesem Geseßentwurf beigegebenen Begründung wird u. a. folgendes ausgeführt:

Die heute in Kraft stehende Verfassung der Seebandlung beruht vornehmlich auf der Allerhöften Kabinett8order vom 17. Januar 1820 und der ebenfalls Allerhöchst bestätigten Geschäftsinstruktion für den Präsidenten der Seehandlung vom 10. Juli /3. Sep- tember 1850. Dur die Allerhöch\ste Kabinettsorder von 1820, welche die alte, ursprünglih als Aktiengesellshaft errihtete und durch die Verordnung vom 27. Oktober 1810 zum reinen Slaatsinstitut und fisfalisher Station umgewandelte Seehandlungs- loztetat reorganisierte, wurde die Generaldirektion See- handlungssozietät für „ein für fi bestehendes, vön dem Ministerio des Schaßes unabhängiges Geld- und Handlungsinstitut des Staates" er- flärt und zugleich bestimmt, daß „für die von dem Institut über- nommenen Geschäfte und die für dasselbe daraus bervorgebenden Berpflich- tungen der Staat vollständige Garantie leistet“: Bestimmungen, welche einer}eits die cigene Nechtspersönlichkeit der Seehandlung zum Aus- druck brachten, andererseits dem Wirkungskreise des Instituts in Geld- und HandelLangelegenheiten keine andere Grenze seßten als das staat- lihe Interesse.

Nachdem die weitverzweigte gewe elle und Handels8- tâtigkeit, welche die Seehandlung in den darauf fc genden Jahrzehnten neben dem eigentlihen Bankgeschäft entwifelte, mit dem Erstarken der privaten, gewerblihen und industriellen Betriebe bereits durch die Aller- höchste Kabinettsorder vom 14. Februar 1845 eingeshränkt und für die Zukunft ausgeschlossen und ihre sämtlichen dabin gehören Betriebe in den Jahren 1849 bis 1872 i Landtag bis auf die Müblen Landeshut abgestoßen waren, handlung der Betrieb anfge\chÎ j] ( in den Bordergrund, welche i 8s de staatlichen Bankinstitut füc die aar ung der in 8s Sta befindlichen verfügharen Gelder, für den Staatsfre er im staatlichen Interesse liegenden Finanzopc ertretung der

ieser Tätigkeit l C en Svpvekulations- 1Sbesondere, von sehr vereinzelten, durch ein besonderes staatlihes nationales Interesse begründeten Ausnahmefällen abgesehen, vermieden, fh an privaten industriellen Unternehmungen finanziell zu beteiligen. Auch nachdem die Seehandlung durch den Allerböcbsten Erlaß vom 17. April 1848 dem Finanzminister untergeordnet war, ist ihre Stellung entsprehend ihrem Kaufmännishen Charakter eine im wesentlichen selbständige geblieben.

Eine Anlage zur Begründung gibt eine Uebersicht des Grundkapitals, der Ablieferungen an die Staats wesentlihen Geschäftsergebnisse der Seehandlung i gesamt hat die Seehandlung an die Staatskasse bis zum Jahre 1 rund 112 Millionen Mark abgeführt und ihr Kavital mit durch- \{chnittlich 6,7 0 \

der (ooo

hat sie sih grundsäßlih die Fernbc geshäften zur Pflicht gemacht un

o verzinst. Die Erfüllung der Aufgaben, welcke der Scehandlung als dem staatlichen Bankinstitut zufallen, hat zur notwendigen Voraussezung, daß fie selbsi auf dem Geldmarkt und innerhalb der bier tâtigen und si kreuzenden Kräfte eine starke Stellung einnimmt. Nur wenn fie selbst stark ift, kann sie den für den Staat notwendigen und wünschenswerten Einfluß ausüben, die Staatéfinanzverwalt d, 10 weit das im Interesse des Staats erforderli ist, unabhängig er- halten von den si immer stärfer zzntralisierenden und fraftvoll auf- tretenden Mächten der Grof iz und der Großbanfen: nur dann aber kann au ihre Mitwirkung für diese Mächte selbst begehrenswert bleiben und das notwendige Zu'ammenwirken der Großfinanz mit den staatlihen Interessen dauernd sihern. Diese einflußreihe Stellung auf dem Gebiet des Geld- und 2 ns hat die Seehandlung ein halbes Jahrhundert lang erordnung von 1820 in vollem Maße besessen; ihre Bedeutung und ihr Einfluß auf dem Geldmarkt ist aber in den leßten Jahrzehnten in einem fortgeseßten langsamen Zurückgehen begriffen, und dies bat seinen Grund in der unzureihenden

e ihres Grundkapitals.

Wenn im Jahre 1869 von der Staatsreg g und dem Lands tage ein eigenes Kapital der Seehandlung von 33 Millionen Mark als ihren Zwecken entsprehend angesehen und in den damaligen Ver- handlungen des Landtags ohne \pruh ausgeführt wurde, es bilde ein foldes Kapital „ein treflihes Fundament für cin Bantkinstitut“, so konnte das unter den damaligen Verhältnissen der Volkswirtschaft und des Geldmarkis und zu ciner Zeit, wo eigentlite Großbanken nur ganz vereinzelt vorhanden waren die Diskontogesellshaft verfügte über ein Kapital von 30 000 000 4, und die Deuts%e Bank begann im Jahre 1870 ihre Tätigkeit mit einem Kapital von 15 000 000 M4 wohl mit Fug gesehen. Jn den unmittelbar darauf folgenden Jahren aber begann die gewaltige Entwickelung der deutschen wirt- schaftlihen Verhältnisse, die si durch die folgenden Jahrzehnte fort- seßte, und ihr zur Seite ging eine beispiellose Entwickelung des Bank- und Kreditwesens und niht minder ein außerordentlihes Anwachsen der Finanzkraft und der Finanzoperationen des Staats.

j Neben die Seehandlung trat, sie immer weiter überflügelnd, eine große Zahl privater Großbanken, zu deren mahtvoller Entwikelung die in den leßten Jahrzehnten auf der alten Stelle

a)

E na

lle verbliebene Finanzkraft der Seehandlung allmählich in ein immer stärkeres Mißz- verhältnis geriet. Die nachstehende Aufstellung gibt cin Bild dieser Entwickelung :

1872 Kapital

|

| | | | | j

1882 Kapital

1869 |

Name Kapital

1904 Kapital

| MNeserven nah | dem Stand | vom

| 31. Dez. 1902

Bemerkungen

Mill. 47,192 |

Mill. 34,289

Mill. |

Se. 40,398 |

A. Berliner Banken : | Bank für Handel und Industrie 254 j 0 Berliner Handelsgesellschaft ; Le 20

eue Da L: r : 00

Disconto-Gesellshaft . . .. 30 60 T A L, _— a 26

A. Shaaffhausenscher Bankverei 36 Ine a A Kommerz- und Diskonto-Bank . 30 Deutsche Genossenschaftsbank . 9

Mitteldeutsche Kreditbank . 30 Nationalbank für Deutschland f 20

|

l ! j \ | | j

Mill. Mill. 34,4 132 Giündung 1853,

10079 2f Gründung 1856 mit 45 Mill.

I Gründung 1870 mit 15 Mill. | 1902 a. 160 Mill. erhöht.

170 Gründung 1851.

130 Gründung 1872 mit 24 Mill. bei 409%

| Einzahlung.

100 Gründung 1848.

42 | 00 Gründung 1889 mit 5 Mill.

U | 1 Gründung 1870 mit 15 Mill.

30 | Gründung 1864 mit 0,81 Mill.

(30. 6. 03) | 5 E i

S Gründung 1856 mit 24 Mill. :

60 | Gründung 1881 mit 40 Mill. bei 50 °/e | Einzahlung,

Gnde

(Schlu3 auf der folg:nden Seite.)