1904 / 116 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 May 1904 18:00:01 GMT) scan diff

Grofehandelspreise von Getreide an außerdeutschen Börsenplätßzen für die Woche vom 9. bis 14, Mai 1904 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. Zusammengestellt im Kaiserlihen Statistishen Amt. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit niht etwas anderes bemerkt.)

Woge| Da- 9./14. | gegen Mai | Vor- 1904 | woe

119,24| 119,31 155,86| 155,95 102,20 100,56 137,98| 138/06

SOIMes, Pester Boden Weizen, Lheiß- Lafer ungarischer I erste, slovakische Budapest. Roggen, Mittelware Weizen, L

er, » erste, Futters- ,

107,74| 107,80

138,83| 138,06

94,54| 93,91

99,65) 99,71 |

kg E 86,35) 87,77 is 76 kg das hl 115,04) 116,29 Riga. 102,40] 102,03 128,99| 129,02

Sr0ggent, 71 bi Weizen, Ulka,

Noggen, Weizen,

Noggen |

] 121,62 Weizen |

lieferbare Ware des laufenden Monats ( 170/89

Antwerpen. 129,27 133,82 135,84

Donau, mittel Azima

Odessa 139,41

e o l 14047

ee e 1D

| Kurrahee, O

Bombay, Club weiß 136,33|

Amsterdam.

s Afow- Roggen | St. Petersburger

Odessa- Weizen i amerikanischer Winter-

London. Produktenbörse (Mark Lane).

Weizen \ N r

Weizen | englisches Getreide,

Weizen

96,67! 111,97 125,48 139,57

137,26 130,57. 126,94 118,98 111,55)

137,82 131,13 128,11 119,58 116,24

fer Mittelpreis aus 198 Marktorten erste (Gazette averages)

Liverpool. ( A i

Walla Walla . Californier

harter Kansas Nr. 2 Manitoba

La Plata

Kurrachee, weiß . . . engl. weißer

150,46 150,46 157,96 141,55 157,96 140,15 132,18, 131,24| 131,24 122,90| 122,90 89,83| 91,40

154,68 150,46 157,96 142,49 159,61 139,21 134,99

Weizen

Hafer N Gerste, Mahl- ..

140,16} 138,43 S1 ¿0 180/981 13118 September 122,88| 123,63

Neu York.

Weizen, Lieferungsware |

164,66 141,58 138,06) 128,05 127,85

162,99 142,02 138,49 128,76 128,45

Weizen : September Dezember

Buenos Aires, Weizen, Durhschnittsware, ab Bord Nosario . . .

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Pro- duktenbôrse = 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Umsäten an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einbeimisches Getreide (Gazette averages) ift 1 Imperial Duarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angeseßt. 1 Bushel Weizen = 60 Pfund engl.; 1 Pfund engl. = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen = 2400 kg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im „Reichsanzeiger“ ermittelten twvöchentlihen Durchshnittswehselkurie an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, r London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago _und

eu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und Niga die Kurse. auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie.

Lieferungs8ware

115,82| 114,93.

Preußischer Landtag. Herrenhaus. 16. Sigzung vom 16. Mai 1904, 12 Uhr.

_ Ueber den ersten Teil der Verhandlungen in dieser

Sigßung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus seßt die Beratung des Staatshaushalts- etats für das Nechnungsjahr 1904 fort.

Bei der Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrihts- und Medizinalangelegen- Mine. über den Freiherr von Durant berichtet, bemerkt

Graf von Oppersdorff: Vor einiger Zeit ging durch die Presse das Gerücht, Herr Robert Koh wolle dauernd im Auslande verbleiben. Jh will nicht so indiskret sein, den Minister um Mitteilung der Interna zu bitten. Robert Koch ist weltbekannt, wie es Virchow war. Ein folcher ‘Mann darf unserem Vaterlande niht verloren ehen. Es mag sein, daß seine längere Abwesenheit sich mit seinen iesigen Berufsgeshästen niht immer in Einklang bringen läßt. Wenn der Staat in liberalster Weise große Laboratorien baut und erhält und damit den Forschern die Verpflihtung auferlegt, die An- stalten fleißig und regelmäßig zu emen, fo brauht doch nicht jeder Forscher an sein bisheriges Domizil gebunden zu sein, sobald

verfahren würde. Jch bitte den Kultusminister, sich den Wirkungs- kreis Kochs so gestalten und entwickeln zu lassen, daß dieser ver- dienstlihe Forscher unserem Vaterlande erhalten bleibt. Ein zweiter fes betrifft mehr die agrarishe Seite. In den leßten 5 Jahren at die , Negierung 30000 # zur Erforschung der Maul- und Klauenseuche zur Verfügung gestellt. Die Untersuhungen darüber find Professor Löffler in Greifswald übertragen worden. Der Tätig- keit der Tierärzte ist zugeschrieben worden, daß die Seuche überwunden sei, Ih möchte troßdem gerade als Schlesier bitten, diesen Zuschuß nit einzuziehen, weil die Seuche doch immer wieder auftauchen kann. In der Praxis sind wir insofern noch nicht ganz am Ziele, als der Impfstoff noch nicht leiht herzustellen ist. Die Forshungen müssen fortgeseßt werden. Noch ein Wort über die medizinischen Fakultäten. Jn der letzten Zeit find Lehrstühle errihtet worden u. a. für Hydrotherapie, mediko-mechanishe Therapie und für ortho- pâdishe Chirurgie. Die leßtere hat leider noch keine Klinik. Um so mehr bedauere ih, daß ein so wihtiges Spezialfah wie das Gebiet der Kinderheilkunde fast traditionell vernachlässigt wird. Staatlich und kommunal wenden wir dafüc weit weniger auf als jeder ausländishe Staat. Professor Arel Iohannessen in Christiania hat in einer Statistik der Kindersterblihkeit für das ganze Jahr- bundert von 1800 bis 1900 nahgewiesen, daß Preußen hinsichtlih der Sterblichkeit der Kinder bis zu einem Jahre an der Spitze steht; selbst Finnland steht besser da als wir. Italien und Frankreich weisen seit Jahrzehnten ein Sinken der Kindersterblihkeit auf, in Preußen steigt sie leider in beharrliher Weise. Welche Aufwendungen werden niht zur Bekämpfung der Tuberkulose gemaht? Helfen würde {hon die bessere Negelung der Säuglingsfürsorge, wie die Erfahrungen in Frankreich, speziell in Paris, und die Verhandlungen der dortigen Liga gegen die Kindersterblihkeit beweisen. Es fehlt uns fodann noch allzusehr an Kinderkliniken an den Universitäten, auf welchen Mangel auch Professor Heubner {hon hingewiesen hat. Nur zwei Kliniken haben Ammenstattionen. Au in dieser Beziehung ist das Ausland durhweg besser daran. Es handelt sich freilich um Hunderttausende. Da3s Kultusministerium sollte eine Denkschrift aus- arbeiten lassen, um die in Deutschland bestehende Unkenntnis auf diesem Gebiet zu zerstreuen; dann wird au der Finanzminister seine Bedenken fallen lassen. Die großen Städte werden ihrerseits die Mit- wirkung auf diesem Gebiete niht versagen. Verschwinden darf die Angelegenheit niht mehr aus der öffentlichen Diskussion. Es ift nach- gerade lebensgefährlich geworden, in Preußen ein Säugling zu sein.

Minister der geistlihen, Unterrihts- und Medizinal- angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren ! Das anerkennende Urteil, welches der Herr Graf von Oppersdorff in bezug auf die Person und die Bedeutung des Herrn Professors Robert Koch für die medizinische Wissenschaft und unser Vaterland ausgesprochen hat, teile ih durhaus, und ich bin in der Lage, die von dem Herrn Vorredner angedeuteten Zeitungsgerüchte über eine Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit des Herrn Nobert Koch als unbegründet bezeichnen zu können. (Bravo!)

Fern von Bureaukratismus, Engherzigkeit und sonstigen, der Sache nicht dienlihen Gesichtspunkten wird die Medizinalverwaltung bestrebt sein, sih die wertvolle Tätigkeit des Professors Robert Koch fortgesest zu erhalten. Was namentlich die Befürchtung betrifft, als ob der Genannte die Absiht haben könnte, dauernd im Auslande zu verbleiben, so darf ich auf die Tatsache hinweisen, daß er bereits auf der Rückreise in Nom angekommen ist und in kurzer Zeit hier in Berlin, dem gewohnten Schauplatz seiner Tätigkeit, eintreffen wird.

Was den zweiten Punkt der Ausführungen des Herrn Grafen von Dppersdorff anbetrifft, so ist die Befürchtung gegenstandslos, als ob die Mittel zur Erforschung derjenigen Maßnahmen, die zum Zwedcke der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche erforderlich sind, richt au fernerhin gefordert werden sollten. Die Medizinalverwal- tung wird alles tun, um die Fortseßung der sehr wertvollen Versuche, die in Greifswald sich konzentrieren, zu sichern.

Was den dritten Punkt der Ausführungen des Herrn

Vorredners anlangt, meine Herren, so erkenne ich voll- fommen an, daß das von Herrn Grafen von Oppersdorfff angeshnittene Thema der Kindersterblihkeit ein außerordentli wichtiges ist. Ich möchte mih zunächst gegen den Vorwurf wenden, als ob eine traditionelle Vernachlässigung der Kinderheilpflege in Preußen stattgefunden hätte. Das ift nicht der Fall. Jch wende der Sache persönli meine größte Aufmerksamkeit zu, und {hon der Umstand, daß es gelungen ift, hier in Berlin eine allen modernen Anforderungen entsprehende Kinder- flinik einzurichten, dürfte den Herrn Grafen von Oppersdorff davon überzeugt haben, daß der Sache die möglichste Fürsorge gewidmet wird. Im übrigen bitte ih den Herrn Präsidenten, meinem Kommissar zur näheren Ausführung dieses Themas das Wort zu gestatten.

Geheimer Obermedizinalrat Dr. Kir chner geht ausführlih auf die Kindersterblichkeit im Anshluß an die Ausführungen des Grafen von Oppersdorff ein und führt aus: Die Verhältnisse, welhe die hohe Sterblichkeitszahl der Kinder unter cinem Jahre herbeiführen, sind noch nicht ganz aufgeklärt. Eine der Ursahen ift die, daß die Mütter mehr und mehr aufhören, die Kinder selbst zu stillen, eine weitere die, daß die Versorgung mit ein- wandsfreier Milh immer s{chwerer wird. Die Zahlen sind in den einzelnen Städten sehr verschieden, in Breslau ist die Zahl sehr groß, in Charlottenburg ziemlih klein. In den leßten Jahren hat si übrigens eine Besserung bemerkbar gemacht. Die Begründung bon Säuglingsheimen, die Begründung von Vereinen zur Bekämpfung der Kindersterblihkeit wird dazu das ihrige tun. In der neuen Prüfungs- ordnung für Aerzte ist die Kinderheilkunde ein Prüfungsfah geworden ; die neuen Musterkliniken für Kinder in Berlin und Breslau werden eben- falls zu weiterer Besserung beitragen. Die Gesamtsterblihkeit hat in Preußen erheblich abgenommen; die Zunahme der Bevölkerung übersteigt erheblih die Zahl der Sterbefälle.

Herr Dr. Hillebrandt - Breslau: Die Universitäten haben alle Ursache, der Regierung für die \tete Fürsorge dankbar zu sein, die sie ihnen im Etat zu teil werden läßt. Der Etat weist aber zwei Bua auf, die ihn etwas unharmonish gestalten. Der eine ist die Zurükseßung des humanistischen Unterrichts gegenüber dem natur- wissenschaftlichen, der andere die Zurücksezung der Provinzial- universitäten gegenüber Berlin. Auf den Gebicten der humanistischen Wissenschaften im weitesten Sinne, bis in die juristische und theologische Wissenschaft hinein, könnte mehr geschehen. Die Seminare erhalten durchscnitilich zu wenig Mittel, die germanistishen durhschnitt- lich nur 300 A Damit kann eine Seminarbibliothek nur kärg- lih ausgestattet werden. Ebenso verhält es sich bei den geographishen Seminaren und Instituten; auch die juristischen sind nicht viel besser dotiert. Dagegen sind die botanishen Gärten, die zoologischen Institute ungleih besser versorgt. Jch glaube auch bemerkt zu haben, daß es leiter ist, einen naturwissenschaftlichen rofessor zu erlangen als Professoren für andere Gebiete. Die König- ihe Universitätsbibliothek in Breslau, die auch für die Provinz und sogar für Posen sorgen soll, hat niht einmal eine Beleuchtung; es ist außerordentlich \{chwierig, dort zu arbeiten. Das arhäologishe Vuseum hat zwar Beleuchtung, aber keine Heizung. Gewiß ist für Schlesien sehr viel geshehen, aber an diesen Beispielen sicht man, wie viel früher vernachlässigt worden ist. Die Bibliotheken in den Pro- vinzen sind zu kärglich mit Mitteln ausgestattet. Die Breslauer

Leihverk:hr mit Berlin ist eine dankenswerte, aber ganz ungenügende Einrichtung. Während die Seminare in der Provinz nur 300 M4 oder wenig mehr bekommen, erhält das geographishe Institut zu Berlin 6500 #4; in ähnlicher Weise zieht Berlin auf den andern Gebieten den Löwenanteil an sich. Natürlih drängen \sih dann auch die Studierenden nah Berlin; hier werden auch die größten Opfer zur Gewinnung ausgezeihneter Dozenten usw. gebraht. Damit \ckädigt man die Tradition der anderen Universitäten. Jh komme nun zu den Museen. Im vorigen Jahre hieß es, es sollten in Berlin Muünzverkäufe stattfinden. Wäre es nicht rihtiger, die Münzen den Provinzialmuseen zu überweisen ? Gelegentlih kann oder muß man ja Dubletten verkaufen, aber in der Negel sollte doch die Provinz berücksihtigt werden. Uebrigens, wenn Pergamon in Berlin ist, warum soll denn nicht Milet in Bonn sein können? Im Museum für Völkerkunde werden Dubletten nur verkauft oder ausgetauscht. Wie foll da die Provinz mitkommen? Ein höchst wertvolles Bild, ein Votivbild des Bischofs Arnestus von Prag, ist Slesien fort- genommen und der Nationalgalerie einverleibt worden. Das ist doch ein Verfahren, das nit als nahahmenswert bezeihnet werden kann.

Ministerialdirektor Dr. Althoff: Der Vorredner hat einen sehr gefährlihen Boden betreten; denn wenn man die Geisteswissen- schaften und die Naturwissenshaften gegeneinander aufrehnen wollte, fo könnte \sih leidt der Saß bewahrheiten: duobus certantibus tertius gaudet. Wenn ih denno auf die Sache selbst eingehe, so läßt fih zwischen Naturwissenshaften und Geisteswissenschaften eigentlich gar kein Vergleih anstellen. Man könnte höchstens einen Vergleich in bezug auf die Zahl der Professuren anstellen, und da haben ih die Geisteswissenshaften durchaus nicht zu beklagen. Jn den Jahren von 1885 bis 1904 haben fich die Professuren für sie in er- heblih höherem Maße vermehrt als die für die Naturwissenschaften ; 1885 hatten die Geisteswissenshaften 297, 1904 325 Ordinariate, die Naturwissenschaften einshließlich der Medizin 1885 168, 1904 190. Hinsichtlich der angeblihen Bevorzugung Berlins steht die Unterrichts- verwaltung durhaus auf dem Standpunkt des Vorredners, daß man nicht nach französisher Art zentralisieren \oll, sondern daß es sehr wünschenswert und erstrebenswert ist, wenn es eine ganze Reihe von Bildungszentren im Lande gibt. Eine wirkliche Bevorzugung Berlins findet aber au tatsächlih gar nicht statt. Sie müssen bedenken, daß Berlin ein Drittel aller Studenten in Preußen hat, daß alfo auch die Anforderungen für Berlin größer sind. Es fragt sih nur, wie steht es in Berlin mit Ordinarien ? Und da kommen auf Berlin verbältnismäßig nicht so viel wie auf die anderen preußi- hen Universitäten. Eine Bevorzugung besteht, foweit es sich um ein positives Eingreifen der Unterrichtsverwaltung handelt, also durchaus niht. Wir wissen alle sehr gut, daß wir Gelehrte ersten Nanges nicht nur in Berlin, sondern auch an den Provinzialuniversitäten zu suchen haben. Es kam einmal ein französisher Gelehrter zu mir es ift {on lange Jahre her —, um sich zu erkundigen, wo ih unsere größten Physiologen befänden. Als ich ihm einige Provinzial- universitäten nannte, wunderte er si sehr, daß sie niht alle in Berlin wären. Dann hat der Vorredner die Ausstattung der Bibliotheken berührt; auch da slimmen wir mit ihm in der Ueberzeugung von der EGrsprießlichkeit dieser Institute durhaus überein. Sie sind Zentral- institute für die Universitäten, und deshalb bedürfen sie besonderer Förderung. Denn wenn es keine Bibliotheken gäbe, würden auch manche MReden ausfallen und manche kürzer werden. Die Unterrichtsverwaltung hat die Bibliotheken zum Gegenstande ibrer besonderen Fürsorge gemaht. Seit 1880 sind die Fonds für die Bibliotheken von 284 000 4 auf 402000 Æ gestiegen. Das weiß ih sehr wobl, daß dabei die Universität, welche die Ehre hat, den Vorredner zu ihren Lehrern zu zählen, besonders gut weggekommen ist. Ihr Fonds ist von 21 000 A auf 27 000 4 gestiegen. Ich weiß aber auch fehr wohl, daß alle diese Mittel bei der wahsenden Bücherproduktion und den immer höher gehenden Bücherpreisen noch uicht ausreihen. Aber wir würden zu einer finanziellen Belastung geführt werden, die alles Maß überschritte. Deshalb ift es unsere Aufgabe, darüber nachzudenken, wie ohne allzu große Steigerung der Mittel den Bedürfnissen der Bibliotheken genügt werden kann. Wir hoffen, auf diesem s{chwierigen Gebiete zu einem befriedigenden MRe- fultat zu kommen, wenn jede Bibliothek \ich die Pflege eines be- jonderen Zweiges der Literatur zur Aufgabe macht, und sich dann zwishen den einzelnen Universitäten ein lebhafter Austauschverkehr entwickelt. Jch bitte Sie, überzeugt zu sein, daß die Unterrihtsver- waltung den verschiedenen Zweigen der Geistes- und der Naturwissen- schaften und wie der Universität Berlin, so den kleinen Universi- tâten die gleihe Fürsorge zuwendet. Nun hat der Vorredner noch verschiedene andere Gegenstände berührt, so namentlich das Museum für Völkerkunde und die Behandlung der Dubletten. Bei dem jeßigen Stande der Geschäfte möchte ih mir die Beantwortung bis zur nächsten Etatdebatte vorbehalten.

Graf von Mirbach: Jch habe nur noch zwei Minuten Zeit. Im anderen Hause ist der Wunsch ausgesprochen worden, es möchten die Lehrerzulagen auch auf Ostpreußen und Masuren ausgedehnt werden. Ich halte diesen Wunsch an sch niht für unberehtigt, ih werde aber mit dem Minister persönlih unterhandeln. Es liegt nicht im Interesse der Beamten, daß derartige Gehaltszulagen in der Oeffentlichkeit behandelt werden. Die Regierung würde sehr oft eine Gehaltsaufbesserung eintreten lassen, wenn sie niht befürchtete, daß bei jedem Anlaß ein wahrer Ansturm erfolgen würde. Wie kann man aus dieser Schwierigkeit herauskommen? Sollte es nit möglich sein, daß die Regierung mit den maßgebenden Parteien \ich dahin einigte, daß über derartige Wünsche lediglich in der Budget- fommission verhandelt würde? Dann käme man sehr viel weiter. Die Beamten würden einen folhen Zustand dankbar anerkennen, und die Parlamente würden au in eine bessere Lage kommen. Ih wollte diese Frage nur anregen.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt: Die Frage der Gewährung von besonderen Zulagen an Lehrer in gemishtsprahlichen Landesteilen, die von dem Herrn Vorredner erwähnt ist, hat im anderen Hause eine ausgiebige Erörterung er- fahren. Ich habe namens der Königlihen Staatsregierung erklären können, daß die zu diesem Zwecke im laufenden Etat ausgeseßten Fonds voraussichtlich im nächsten Jahre noch eine nicht unerheblihe Erhöhung erfahren werden. Was das andere von dem Herrn Vorredner an- geregte Thema anlangt, so glaube ich, daß nicht ein einzelnes Ressort dabei in Betracht kommt, fondern das gesamte Staatêministerium, besonders das Finanzministerium. Ih möchte nur dem einen Ge- danken in diesem Augenblicke Auédruck geben, daß einer Verwirkliung der Vorschläge des Herrn Grafen von Mirbach das verfassungsmäßige Petitionsrecht wohl entgegenstehen dürfte. Graf von Arnim spriht seine Verwunderung darüber aus, daß im Kirchengebet der in Südwestafrika im Felde stehenden Truppen

nicht Erwähnung geschieht. Er bittet den Minister, dafür zu sorgen, daß dies eingeschaltet wird.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Dieser Anregung ist bereits entsprohen. Der Evangelische Ober- kirhenrat und ih selbft, soweit mein Ressort dabei in Betracht kommt, haben an maßgebender Stelle die erforderlichen Anträge gestellt. Jch hoffe, daß in allernächster Zeit eine allgemeine Anordnung an die Kirchenbehörden ergehen wird.

Herr Dr. Lueg wünscht besondere Professuren für Eisenhütten- funde zur Ausbildung besonderer Ingenieure für diesen Industriezweig. Der Verein deutscher Eisenhüttenleute habe den Kultusminister bereits

um die Errihtung einer besonderen Professur an der Hochschule in Aachen ersucht.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß eine Konferenz zur

ihn sein Genie in das Ausland- führt. Jch würde es bedauern, wenn in diesem Fall bureaukratisch und nah engen Gesichtspunkten

Bibliothek erhält 29 000 Æ Zuschuß, davon bleiben für Anschaffung von wissenschaftlichen Werken niht mehr als 3000 # übrig. Der

Beratung dieser Frage stattgefunden habe, um die Wünsche der ein- _zelnen Hütten, den Weg, der einzuschlagen sei, usw. kennen zu lernen.

Die Finanzverwaltung sei damit im Prinzip einverstanden, daß in erster Linie in Aachen ein solcher Lehrstuhl errihtet werde. Die Sachz werde allerdings erheblich mehr Mittel erfordern, als man angenommen habe; dafür werde aber au) etwas Ordentliches zustande kommen.

Herr Struckmann verbreitet sih über das Verhältnis der zu- ständigen Behörden zu den städtisäjen Schulen. Es entwickle sich mehr und mehr ein Verkehr der Behörden mit den Direktoren unter Umgehung der Magistrate; dadurch werde der Geschäftsgang außer- ordentlih erschwert und die Stadtverwaltung künstliß von der Schule getrennt. Die ganze Frage solle vom Kultuswinister einer generellen Regelung unterworfen und entsprechend vereinfaht werden.

Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Nachdem ih in Erfahrung gebracht habe, daß seitens der städtishen Verwaltung in Hildesheim eine Beschwerde an mein Ministerium eingeganzen ist, die genau dieselbe Angelegenheit behandelt, die Herr StruckEmann zum Gegenstande seiner Ausführungen gemacht hat, verzihte ih meinerseits darauf, materi:l auf die Wünsche des Herrn Vorredners mich einzulassen, {on um der Ent- \cheidung nit vorzugreifen, die ih auf diese Beshwerde zu treffen haben werde,

Ich beschränke mich auf die Bemerkung, daß die Provinzials{ul- follegien unmöglih auf den direkten Verkehr mit den Leitern der ihnen unterstellten Anstalten verzihten können, namentlih in den Fällen, in denen es sich um rein tewnische Unterricht#fragen handelt.

Im übrigen hat woh! Herr Oberbürgermeister StruckEmann keine Veranlassung, \sich über mangelndes Entgegenkommen der Schul- behörde zu beklagen, nahdem den Wünschen, die seitens der {städtischen Verwaltung gerade in diesem Jahre in bezug auf wichtige Organi- sationsfragen geltend gemaht worden sind, durch die Zentralinstanz in auêgtiebigster Weise Nechnung getragen worden ift.

Herr Hammer- Brandenburg bittet die Unterrihtsverwaltuag, die Prüfungen der Zöglinge der Lehrerinnenseminare naWß Möglichkeit an Vrt und Stelle stattfinden zu lassen. : e

Ministerialdirektor D. Shwarßkopff: Es wird großenteils hon nah diesem Wunsce verfahren, roo es möglich ift.

Graf Yorck von Wartenburg vertritt bezüglich der Stern- warte bei der Universität Breslau geäußerte Wünsche. Eine Reihe von wertvollen Instrumenten, die f on 1909 der Sternwarte über- wiesen seien, harre noch immer ihrer Aufstellung, für die es an Plaß mangle, und liege bereits seit vier Jahren in 14 Kisten verpackt herum. Die Lage des Turmes, in dem zur Zeit die Sternwarte untergebraht sei, sei für deren Zwecke so_ ungeeignet wie möglich. Es würde sich empfehlen, in der Nähe der Stadt durch eine Vorort- bahn erreihbares Terrain zu erwerben und dort die nötigen Gebäude zu erriWlen. _ e : :

Ministerialdirektor Dr. Althoff: Die Unterrichtsverwaltung würde \sih sehr freuen, wenn dieser Gedanke ausgeführt werden fönnte. Aber bisher haben noch andere Wünsche erfüllt wecden und diese Sade zurücktreten müssen. Es handelt si in Breslau auch um einen Lebrstuhl für mathematishe Astronomie, für die eine eigentliche Stern- warte nit notwendig ist. Gerade in dem vom Vorredner er- wähnten Kuppelbau hat Valle den von Leverrier vorausbere{chneten Neptun faktisch aufgefunden. : O

Herr Dr. Hillebrandt: Galle hat meines Wissens den Planeten gar nit in Breslau, fondern vorher {hon in Berlin entdedt.

Fürst zu Salm-Horstmar und Herr Dr. Niehues- Münster treten für die Errichtung einer medizinischen Fakultät in Vêèünster ein.

Herr Struckmann bittet, bei der in Aussicht gestellten Scul- unterhaltungsvorlage der Angliederung der gehobenen Klassen an die Volksschulen eine geseßlihe Basis zu geben,

Der Rest des Staatshaushaltseiats wird ohne Debatte genehmigt, ebenso das Etatsgefseß. : L :

Sodann wird auch der Geseßentwurf, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaushaltsetat für 1904, ohne Debatte angenommen. i :

Nachdem hierauf das Haus den Bericht der Matrikel- kommission über weitere Veränderungen im Personalbestand des Herrenhauses genehmigt hat, berichtet Herr Dr. Wahler namens der Kommission für Handels- und Gewerbeangelegen- heiten über den Geseßentwurf, betreffend die Bestellung von Salzabbaugerechtigkeiten in der Provinz Han- nover. S i i

Die Kommission hat die Vorlage im S 7 geändert. : -

Ein Regierungskommissar erhebt hiergegen Widerspruch.

S 8 wird darauf nah der Regierungsvorlage, ebenso der

D ; i gierunç ge Geseßgentwurf im ganzen in» der Fassung der Vorlage an- genommen. / i H

Alsdann wird noch der Entwurf einer Wegeordnung für die Provinz Westpreußen auf Vorschlag des Grafen Botho zu Eulenburg der verstärkten Agrarkommission überwiesen.

Schluß 2/48 Uhr. Die nächste etwa 8 Tagen wird in der Zeit vom ginnen.

bezw. 8 ab-

Sißungsperiode von 22, bis 27. Zuni be-

Haus der Abgeordneten. 76. Sißzung vom 17. Mai 1904, 10 Uhr.

Ueber den Beginn der Sizung ijt in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus set die erste Bératung des entwur} s, betreffend. die Erweiterung uno Ver- vollständigung des Staatseisenbahnneßes und die Beteiligung, des Staales (n zwel Privatl- Unternehmungen jowie an dem Baue von Kletin- Dae n Pein m der SDerauuna ves Antrags des Abg. Herold (Zentr.), betreffend Ver- zinsung und Amortisation der zum Bau von Nebenbahnen der Staatsregierung überwiesenen Grunderwerbszushüsse, der Denkschrift über die Entwickelung der nebenbahnähnlihen Kleinbahnen in Preußen und der Nachweisungen über die Ver- wendung des Fonds zur Förderung des Baues von Kleinbahnen fort. S L

Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) spriht seine Befriedigung darüber aus, daß der Bau der Linie Paderborn—Lippspringe in der Vorlage vorgesehen sei und daß die Bahn nach der Nordseite bon Lippspringe geführt werden solle. Dadurch werde das ganze

interland aufgeshlossen. Der Redner wünscht dann mit

uüdsiht auf die Lippekanalisierung eine Fortseßung der be- reits gebauten Strecke Geseke—Büren über Fürstenberg und Lichtenau nah Sherfede, also die Verhindung der Nuhrtal- bahn mit der Bahn Soest—Altenbeken. Es handle sich hier um ein Gebiet, das ungefähr 500 gkm umfafse und noch von keiner Bahn berührt sei. Wenn der Eisenbahnminister im Herrenhause fo energisch \ih des Oftens angenommen habe, fo müsse er, der Redner, sagen : was dem Osten recht sei, sei dem Westen, Westfalen, billig. Bei den Klein- bahnen könne der Weg betreten werden, den wir in unseren Kolonien betreten haben, der nämli, daß der Bau der Bahnen der Privatindustrie überlafsen bleibe, während der Staat die Zinsgarantie übernehme. SHhlietlid bittet der Redner um einen weiteren Aufs{luß des unter

Gesegz-

preußisher Verwaltung stebenden Fürstentums Waldeck von Paderborn über Lippspringe hinaus. Es sei zu hoffen, daß diese Strecke von der Regierung ebenso werde fortgeseßt werden, wie von den Kanal- freunden die Fortsetzung der Strecke Bevergern über Hannover hinaus verlangt werde.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Budde:

Meine Herren! Der Herr Abg. Arendt hat mit einem gewissen freundlichen Mitleid für mich ausgesprochen, daß es mir wohl nicht angenehm sein könnte, alle die Einzelwünsche hier zu hören. Jch weiß nit, welche Begründung er für diese seine Annahme hat; denn, meine Herren, es ist ja doch für mich sehr wertvoll, Ihre Wünsche zu erfahren; erkenne ich doch aus ihnen, wie wenig die Staatseisenbahn- verwaltung bisher geleistet hat, wie fie in der Entwikelung des Bahn- netzes bisher zurückzeblieben ist. Und, meine Herren, die wertvollsten | Freunde sind do vielfa diejenigen, die nicht loben und danken, sondern die fkritisieren. Ih würde ja, wenn diese Debatten nicht stattfänden, nicht einmal erfahren, was der Abg. Dr. Arendt tun würde, wenn er Eisenbahnminister wäre (Heiterkeit), und das ist doch für mich sehr wertvoll. JIch will aber auf diese glücklihe Perspektive nit näher eingehen mit Rücksiht auf die Geschäftslage des hohen Hauses.

Was mich aber veranlaßt, des Wort zu ergreifen, das sind die all- gemeinen Gesihtêpunkte, die von einzelnen Herren Vorrednern aus- gesprochen sind, und die auÿ aus der Gefamtdebatte hervorgehen.

Wenn ih die Menge der Wünsche und deren Begründung zu- sammenfasse, fo wird ziemlih allgemein der Vorwurf erhoben, daß die Staatseisenbahnverwaltung den Ausbau des Nebens bahnnezes vernachlässigt habe, und zwar wegen zu großer Fisfalität.

Meine Herren, ich möchte Sie bitten, für kurze Zeit die Spezial- wünsche in Ihrem Wakblkreise zurückzustellen und Ihren Blick mit mir auf die ganze Entwickelung des preußischen Staatsbahnnetes zu richten, und dann, meine Herren, bitte ich nachher um ein objektives Urteil, oh wirklih der erwähnte Vorwurf richtig ist und im ganzen zu große Fisfalität geherrscht hat: ob es wirklich ritig ist, daß die Staats- eisenbahnverwaltung die Entwickelung des preußishen Eisenbahnnetzes vernahlässigt hat. Zur Prüfung dieser Fragen muß ih leider, wenn es auch nit angenehm sein mag, mit einigen Zahlen kommen; denn nur Zahlen können bereisen.

Vom Jahre 1880 bis zum 1. März 1904 sind neu eröffnet worden 10257 km Eisenbabnen, und zwar mit einer fast stetigen Steigerung in gewissen Zeitperioden. In dem Zeitabschnitt von 1880 bis 1902 rourden jährlih 434 km Bahnlinien eröffnet { vcn 1880 bis 1891 418 km, von 1892 bis 1902 452, von 1898 bis 1902 488 km und im Jahre 1902 493 km; das ift also eine Steigerung in den Zeitabschnitten, die ich angeführt habe, seit 1880 von 418 auf 402 auf 488 auf 4938 m a. Mann kann also dohH niht behaupten, daß bei den preußishen Staatsbahnen ein Stillstand geherrscht hätte, wenn auch vielleiht das Tempo nicht so flott gewesen ist, wie es von einzelnen Herren Ab- geordneten und auch in den einzelnen Landeêteilen gewünscht worden ist. Ich darf aber vielleiht auch noch einen Vergleih mit dem Aus- lande ziehen. Da hat sih das Bahnneß nach den neuesten Veröffent- lihungen im Archiv für das Eisenbahnwesen in Preußen in der Zeit von 1898 bis 1902 um 9,8 9% vermehrt, in England um 2,7, in Osfterreih-Ungarn um 8,3, in Frankreih um 7,1, in Italien um 1,4, in Belgien um 8,9, in den Niederlanden um 4,6, in Rußland um 23 und in den Vereinigten Staaten um 8,6 %/, im Gesamtdurhschnitt in Deuts@&land 8,3 9/9 gegenüber 9,8 9/9 in Preußen.

Meine Herren, das ist ein Beweis, daß wir gegenüber dem Aus- lande nit zurückgeblieben sind. Ih will aber dabei bemerken, daß die Zahlen eine verschiedene Beurteilung verdienen. Wenn man nämlich in England auf nur 2,7 9/9 Vermehrung zurücksieht, so liegt das daran, daß das Bahnnetz hon ein sehr entwideltes ist. Immerhin aber werden die Herren aus den Gesamtzahlen doch erkennen, daß daß preußische Bahnney nicht zurückgeblieben ift, sondern daß es sich in stetiger Weise entwickelt hat. Ich könnte Ihnen noch eine ganze Anzahl Beweiszahlen anführen, daß die Dichtigkeit des Bahnnetes in Preußen sowohl im Hinblick auf die Einwohnerzahl, wie im Hinblick auf den Flächenraum nit zuxückgeblieben ist gegen andere Staaten, sondern daß diesbezüglih auch ein angemessener Fortschritt zu ver- zeihnen ift. Aber ich möchte Ihre Geduld mit folhen Zahlen nitt weiter in Anspruch nehmen ; wir werden ja Gelegenheit haben, in der Kommission uns näher darüber zu unterhalten. Im Jahre 1904 find 705 km Eisenbahnen mit einem Kapital von 867 Millionen zur Bewilligung angefordert.

Außerdem sind aber eine Anzahl Privatbahnen konzessioniert worden, und zwar seit Mai 1895, wie ich dem Herrn Abg. Macco bemerke, der m. W. gestern dieses Gebiet berührt hat, 52 Bahnen mit 1715 km und 122 Millionen Anlagekapital. Außerdem ift die Erlaubnis zu Vorarbeiten gegeben worden für 18 Privatbahnen; aber dieses Recht ist bei ciner ganzen Anzahl verfallen. Fernerhin hat \ih der Staat seit 1880 an 893 km Privatbahnen beteiligt mit einem Kapital von 14,6 Millionen.

Meine Herren, kann man nah diesen Zablen noch behauvten, daß der Staat seiner Pflicht zum Ausbau des Bahnnetzes niht nach- gekommen sei, namentlich in dem Umfange zurügeblieben sei, wie es den Anschein bat, wenn man die vielen Wünsche bört? Ich bitte, meine Herren, das doch zu berücksichtigen und nit die Behauptung auf- zustellen, daß der Staat seine Pflicht vernachlässigt bätte, wenngleih in dem einzelnen Wahlkreis die erstrebte Bahn noch nit gebaut sein follte. Jh möchte die Gegenfrage stellen: Würdenck wohl diese rund 11 000 km Bahnen bewilligt oder gebaut worden sein, wenn wir noch das System der Privatbahnen hätten? Nein, meine Herren, das würde zweifellos niht der Fall sein, sondern dann würde ein Konkurrenzkampf da seiu, bei dem sfich aus dem großen Eisenbahns kuden die Privatbahnen nah Möglichkeit die Nosinen herauspflüdckten, und dann würde an den Staat die Anforderung gestellt werden: du haft jeßt die Pfliht, die unrentablen Nebenbahnen zu bauen. Dann würde es dem Siaat sehr viel {werer geworden sein, diese unrentablen Nebenbahnen in dem Umfange zu bauen, wie der Staat es jeßt gethan hat. Gerade dadur, daß das Staatsbahn- system geshafen worden ift, daß die rentablen Bahnen in den Händen des Staates liegen, daß die Rente eine ziemlih bedeutende ist, dadurch hat der Staat auch der Pflicht genügen können, die unrentablen Bahnen zu bauen und kann auh weiterhin der Pfliht genügen, worauf ich noch näher eingehen werde.

Meine Herren, die Rentabilität der Nebenbahnen ist

bleiben wird. Auf die Anregung des damaligen Herrn Finanzministers Miquel ift im Jahre 1891, wie Ihnen bekannt ist, eine Unter- suhung über die Rentabilität der Nebenbahnen angestellt worden, und es hat sich dabei ergeben, daß das damalige Nebenbahn- neß sich im Dur@schnitt mit 2,4 9/9 verzinste, daß indessen die Verzinsung der einzelnen Bahnlinien eine außerordentli ver- schiedene war. Da war eine kurze Nebenbahn, die brachte 13,12 9/9, aber viele andere brahten noch nit 29/5, nit 19%, ja eine Anzahl dedckten nicht einmal die Betriebskosten. Im ganzen ist der Voran- \chlag, wie ih bei früherer Gelegenheit erwähnt babe, für die Neben- bahnen derartig, daß über 560% der von Ihnen bewilligten Nebens bahnen noch niht auf eine Rente von 21 0/; rechnen konnten.

Nun ist von mehreren Herren Vorrednern behauptet wordea, die Voranshläge würden aufgestellt unter Anrechnung der NRückwirkung, und diese Nückwirkung sei immer für die geplante Nebenbahn un- günstig. Das ist ein Jrrtum. Es werden zwei Berechnungen auf- gestellt: die eine lediglih auf die geplante Bahnstrecke bezüglich und ihren zu erwartenden Verkehr, die andere, indem die Rückwirküng, die durch Erweiterung des Bahnnetzes sich ergeben wird, gleichfalls in Rechnung gestellt wird. Da ergibt sih vielfah, daß die Nück« wirkung ein Plus bringt und kein Minus, und das hat i auch bei den wirklihen Ergebnissen, die 1891 festgestellt sind, hier und da ergeben. An anderen Stellen bringt sie allerdings ein Minus. Wir haben den Voranschlag gemacht z. B. für se{chs Bahnen im Hunsrück. Ich will die Bahnlinien niht nennen, weil ih sonst zu viel Er- örterungen daran fnüpfen fönnten. Der Voranschlag mit Berehnung der Nückwirkung betrug bei einer Bahn 1,4 und in Wirklichkeit ohne die Rückwirkung 0,2%. Der Voranschlag einer anderen mit Rückwirkung 29% und ohne Rückwirkung 099%. Ferner eine andere Bahnlinie berechnet mit Rückwirkung auf 2,2 sie brachte nur 1,1%. Eine andere Bahn mit 1,4% berechnet, brachte in Wirklich- keit 20 0-

Also ih möchte der generellen Behauptung entgegentreten, daß die Staatseisenbahnverwaltung immer die Rückwirkung einseßte und daraus ein ungünstiges Ergebnis für die Bewilligung der Neken«- babnen folgerte.

Dasselbe ist im Eichéfeld ter Fall bei einer Babn: se brate nah dem Voranshlag 1,2 9/9, in Wirklichkeit nur 0,5

Ich begnüge mi mit diesen Zahlen, um dem entgegenzutreten, daß die Staatseisenbahnverwaltung gewissermaßen ungünstige Voran- schläge aufstellte. Jh habe bei früherer Gelegenheit {hon erwähnt, daß das von der Staatseisenbahnverwaltung sehr unklug wäre, dann

lassen, die Bahn einzustellen, und daß ih als Eisenbahnminister ein reges Interesse an der Entwickelung des Bahnnetzes habe, darüber fann doch fein Zweifel sein. Also die Berehnung, die wir für die Rentabilität der Bahnen aufstellen, ist immer möglichst günstig, weil wir natürlih das Bestreben baben, unser Bahnneyz weiter auszubauen, um dem Verkehrsbedürfnis zu genügen.

Wegen der Beschuldigung, die Staatseisenbahnverwaltung habe ihrer Pflicht, das Nebeneisenbahnnez angemessen au8zubauen, nicht genügt, mache ich nohmals auf die Untersuhungen aufmerksam, die im Jahre 1891 stattgefunden haben. Ueber diese äußert #ch ein Artikel in der „Post“, die gerade in verkehrspolitishen Angelegenheiten seit Jahren ausgezeichnet bedient ist, unter dem 2. März 1893 dahin, daß die Staatseisenbahnverwaltung dieser Pflicht voll genügt hat und die gegenteilige Behaupkung nicht ridtig fel

Es ist dann von einem der Herren Vorredner gesagt worden, wir bâtten bei dem Nhein-Hannover-Kanal andere Grundsäße für die Be- rechnung zur Anwendung gebracht, als bei den Nebenbahnen. Meine Herren, auch das ist irrtümlich: wir baben beim Kanal NRhbein— Hannover, wie hier richtig angeführt worden ist, eine 34 prozentige Rente im großen und ganzen zu Grunde gelegt. Die Berechnungen, die dort angestellt sind, sind im Gegenteil für diese Vorlage viel

denn während wir bei Nebenbahns

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Del un!écrêen günstige Nückwirkung auf die Steigerung des Verkehrs einberechnet haben, haben wir beim Kanal Rhein— Hannover im Gegenteil alles möglihs ungünstig und \{warz demat, vie M0 das in meinee ingSrede aus- drüdcklich hervorgehoben habe. Wir haben jede Verkehrésteigerung außer Ansatz gelassen; wir haken den Eisenbahnausfall berehnet, wir haben aber niht in Rechnung gestellt, welchen Zuwachs die Eisens bahnen dur den Kanal haben werden. Also ich meine, wir sind beim Kanal nur insofern anders verfahren, als wir den Voranschlag für den Kanal ungünstiger aufgestellt haben, um uns nicht den Vor- wurf machen zu lassen, daß wir zu optimistisch wären bei der wirt- \chaftlihen Beurteilung des Kanals Nhein— Hannover.

Ich bin nun in der glücklichen Lage, meine Herren, mit den Grundsätzen, die namentlich von dem Herrn Abg. Freiherrn von Zedliß und dem Herrn Abg. Macco in präziser Form ausgesprochen worden find, voll übereinzustimmen. Jch bin der Ansicht, daß die verkehrspolitishen Nüdcksihten für die Anlage von Bahnen obenan stehen, (hört, hört! links) und daß die Fis- Talttat in dieser QDinsicht zurüaälteben muß, sobald wesentliche verkehrs8politishe Gesihtspunkte vorliegen. (Sehr richtig! rechts.) Ih bin auch ferner in der Lage, Jhnen zu erklären, daß der beabsichtigte Bau von Wasserstraßen den weiteren Ausbau des Nebenbahnneges in keiner Weise ver- langsamen oder verhindern kann. (Sehr gut! und Bravo!) Dazu liegt gar kein Grund vor; im Gegenteil, meine Herren, ih bin der Ansiht, daß die neuen Wasserwege unter Umständen dazu führen werden, neue Stichbahnen an diese heranzubauen (fehr rihtig!), oder auch, daß es notwendig ist, anderen von Kanälen nit berührten Gebietsteilen Verkehrswege zu eröffnen, um gewisse „Ausgleiche“ zu machen (Heiterkeit) das Wort „Kompensation“ ift mir so un- \ympathis{, meine Herren, daß ih es auch hier niht gebrauchen will. (Große Heiterkeit.) Jch glaube au, daß diese Ausgleihe viel rihtiger zu suhen find in der Herstellung neuer Verkehrs- straßen als in allgemeinen Tarifmaßregeln. Mit diesen kommen wir leiht auf eine schiefe Bahn, die für die Staatsfinanzen sehr unglüdcklich werden könnte. Ih wiederhole also, daß der Ausbau von Wasserstraßen absolut gar keinen Anlaß geben kann, den Ausbau des Nebenbahnnetzes irgend wie ungünstig zu beeinflussen; dazu liegt gar kein Grund vor.

Mit den Grundsätzen, die ausgesprohen worden find, bin ih also vollständig einverstanden. Aber, meine Herren, wenn wir nun

ungünstiger : berechnungen die

allerdings eine Frage, die ofen ist und auch wohl immer ofen

zur Anwendung der Grundsäße kommen, muß ich Ihnen allerdings