1883 / 169 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 Jul 1883 18:00:01 GMT) scan diff

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E E E N P NE

Resformationsfest, einè kirhlihe Feier mit entsprehendem g stattfindet. Das kirhlihe Fest ist am vorher- gehenden Tage, Mittags 12 Uhr, mit allen Gloden einzuläuten.

Oesterreich - Ungarn. Wien, 29. Juli. Das „Prager Abendblatt“ \{hreibt unterm 19. Juli: Der Kaiser weilt wieder in der reizenden Sommer- frishe Js{l, um neben der fast rastloïen Besorgung der Staatsgeschäfte auch eine karg zugemessene Zeit dem Familienleben und der Erholung von den Beschwerlichkeiten einer zur Zeit der größten Sommerhitze unternommenen Reise widmen zu können.

Das XXXV111, Stü des Reichs: Geseßblattes enthält unter Nr. 130 die Verordnung des Handels: Ministers vom 16. Juli 1883, betreffend die Ausführungsbestimmungen zu den Grundzügen für die Organisation des K. K. Post- sparkassen-Amtes.

Die „Wiener Presse“ schreibt über die Staats- finanzen: Nachdem die Präliminarien der einzelnen Länder- stellen für das Jahr 1884 bereits zum großen Theile ein- getauien sind, ist man jeßt in den Ressort-Ministerien mit der

ufstellung der Budgetvoranschläge für das nächste Jahr be- schästigt. Der Entwurf des Gesammtbudgets dürfte bis Ende Auguÿt vollendet sein und wird voraussihtlich im September dem Ministerrathe zur Prüfung vorgelegt werden. Der Steuerausweis sür das zweite Quartal 1883 is} gleichfalls in der Zusammenstellung begriffen und soll gegen Ende der nächsten Woche publizirt werden. Schon aus den bisher von den einzelnen Landesdirektionen eingelaufenen Nachwei- sungen is ein günstiges Resultat der Steuereingänge im zweiten Quartal ersichtlich.

Prag, 19, Juli. (Prag. Ztg) Jn der heutigen Sizung des Landtages wurden die Gesezentwürfe in Be- treff der Bewilligung zur Einhebung von Gebühren für die Aufnahme in den Gemeindeverband sowie bezüglich der Unterstüßung des Baues der böhmisb-mährischen Transversalbahn aus Landesmitteln in dritter Lesung angenommen.

Zara, 19. Juli. (Wien. Ztg.) Der Landtag genehmigte heute unter Anderem die Präliminarien pro 1883.

Großbritannien und Jrland. London, 18. Juli (Allg. Corr.) Der Wechsel in der Person des französischen Botschafters am Hofe von St. James beschäftigt die ge- sammte englishe Presse. Dem aus Gesundheitsrüsichten zurückgetretenen Botschafter Hrn. Tissot wird von der „Times“ die Anerkennung gezollt, daß er seine s{chwierigen Pflichten in einer anerkennenswerthen, ges{chäftsmäßigen und von diploinatishen Winkelzügen freien Weise erfüllt habe, und daß man ihn mit Bedauern scheiden sehe. Jn der Wahl Hrn. Waddingtons zu seinem Nachfolger erblicken der „Stan- docd“, der „Daily News“ und andere keitende Blätter ein willfommenes Zeichen des aufrichtigen Bestrebens der franzö- sischen Regierung, Alles zu thun, um jeden Schatten einer übelwollenden Gesinnung zu entfernen und die Beziehungen wischen Frankreich und England auf ven alten Fuß dev Sreundschaft zu seten.

—— 19. Juli, (Allg. Corr.) Die Arbeitseinstellung im Sheffielder Eisendistrikte ist so gut wie beendet. Die Arbeit wurde gestern in den n:eisten Gußwerken wieder aufgenommen und man rechnet, daß ein Dritiel aller Nr- beiter wieder in Thätigkeit ist; dieselben bedauern, daß sie si irreleiten ließen. Die Polizei hat alle erforderlichen Vor- kehrungen getroffen, um die Ausübung jedes weiteren Zwanges Seitens der noch feiernden Arbeiter und alle Gewaltthaten zu verhindern.

Die indische Post wird nunmehr ir. Folge der in Brindisi in Kraft getretenen Quarantänebestimmungen nicht mehr dort ausgeladen, sondern direkt nach Plymouth geschaft werden.

Die Wahl Mr. Redmonds zum Abgeordneten für Wexrford (JZrland) und der eklatante Sieg, welchen er über den liberalen Kandidaten, O’Conor Don, errang, wird von der Presse allgemein als ein neues Zeichen der unumschränkten Gewalt betrachtet, welhe Mr. Parnell in Jrland übt.

Der Bericht des gemeinsamen Auss{hu}es der beiden Häuser des Parlaments über das Kanaltunnelprojekt wurde heute veröffentliht. Es heißt darin: „Der Ausschuß prüfte die ihm vorgelegten Berichte; es zeigte ih jedoch, daß sih der Ausschuß in Bezug auf keinen derselben vollständig zu einigen vermochte. Die Majorität des Aus\{hu}sses ist jedoch der Anschauung, daß es nicht gerathen erscheint, dem Projekte einer unterseeishen Verbindung zwischen Frankreich und England die parlamentarische Zustimmung zu ertheilen“.

20. Juli. (W. T. B.) Unterhaus. Der Unter- Staatssekretär Lord Fißmaurice erwiderte auf eine Anfrage bezüglih der Cholera, Dr. Hunter sei nah Egypten ab- gegangen und werde dort vom Dr. Macckie und dem englischen Mitgliede des egyptishen Gesundheitsrathes unterstüßt wetden. Der Vertreter Englands sei angewiesen, einen Druck auf die egyptishe Regierung auszuüben, um derselben begreiflih u machen, daß gesundheitlihe Reglements zur Unterdrückung er Cholera weit wichtiger seien, als Kordons, Lazarethe und Quarantänen.

Der Antrag der Regierung, daß der Sergeant at ärms der auf die gerichtlihe Klage Bradlaughs an ihn ergangenen Vorladung Folge leisten solle, wurde vom Hause ange- nommen.

Der erste Botschasts-Sekretär bei der englishen Botschaft in Berlin, Sir John Walshoam, ist zum Botschafts- Sekretär in Paris ernannt worden.

Simla (Indien), 18. Juli. (Alig. Corr.) Jn heutiger Sißung des vizeköniglihen Rathes wurde eine Bill ein- gebracht, welche die Einjührung einer lokalen Selbstver- waltung in British-Birma verfügt.

Melbourne, 18, Juli. (Allg. Corr.) Dem zur Vor- lage gelangten Budget der Kolonie Victoria zufolge werden für das Finanzjahr 1883/84 die Einnahmen auf 6 000 000 Pfd. Sterl., die Ausgaben auf 6 060 000 Pfd. Sterl. veranschlagt. Jm abgelaufenen Jahre betrugen die Ein- nahmen 5 770000 Pfd. Sterl., die Ausgaben 5 690000 Pfd. Sterl. Die für öffentliche Zwee aufgenommene Summe wurde auf 1 000 000 Pfd. Sterl. eingeschränkt und zu Eisen- bahnbauten verwendet. Zur Zahlung der fällig werdenden Staatsschuldbeträge beantragt der Finanz-Minister die Auf- nahme einer neuen Anleihe von 3 000 000 Pfd. Sterl. Die Gesammtschuld Victoria's beträgt 26 000000 Pfd. Sterl.

Frankreich. Paris, 19. Juli. (Köln. Ztg.) Lord Lyons, der auf seine beabsichtigte Reise nah L verziede

tet hat, dgie sih snorgen na London. Jm heutigen Ministerrath wurde beschlossen, die Wähler für die General- räthe zum 12. August zu berufen; es ist demnach kein beson- deres Geseß nöthig.

Nach Berichten aus Bordeaux sind von der Kolonne des Obersten Borgnis-Desbordes, der bekanntlih den Feldzug am oberen Senegal ausführte, 130 Mann umge- kommen. Ungefähr 50 fielen vor dem Feinde, die übrigen starben am Typhus. Jm Ganzen bestand die Kolonne aus 250 Mann. Borgnis-Desbordes blieb am Senegal, da er der Gouverneur dieser Kolonie werden soll.

Eine größere Anzahl von Prozessen sind in der Provinz gegen jene Royalisten angestrengt worden, welche das Nationalfest our feindlihe Kundgebungen gestört hatten. Jn Paris sah man vorgestern auch einmal das weiße Lilien- E. Es war auf einem Pappelbaum am Pont Neuf auf- gehißt.

20. Juli. (W. T. B.) Senat. Der Herzog von Broglie zeigte dem Minister des Auswärtigen, Challemel- Lacour, an, daß er über den Kriegszustand, in dem man \ich mit Tonkin und Madagaskar befinde, sowie darüber eine Anfrage an ihn zu richten beabsihtige, O er, ohne die Kammern zu Rathe zu ziehen, den Krieg herbeigeführt und ob er die auswärtigen Regierungen von dem Kriegszustande Frank- reihs mit Tonkin und Madagaskar benachrihtigt habe. Der Minister acceptirte die Verhandlung über die Anfrage des Herzogs von Broglie für morgen. Hierauf wurde die Be- rathung über die Gerichtsreformvorlage fortgeseßt, der Justiz-Minister trat für die Vorlage ein. Nah dem Schlusse der Generaldisfkfussion wurde die vom Justiz-Minister für die Vorlage beantragte Dringlichkeit mit 139 gegen 127 Stimmen angenommen und mit 169 gegen 114 Stimmen beschlossen, zur Berathung der einzelnen Artikel der Vorlage überzugehen.

Lesseps hat den Ingenieur für die Kanalarbeiten in Suez telegraphisch aufgefordert, sich mit den Plänen für den projektirten zweiten Kanal sofort hierher zu begeben, damit baldigst mit der Ausgrabung des zweiten Kanals vorgegangen werden könne, der Suezkanalgesellschaft seien jeßt die finanziellen Mittel zur Ausführung des Kanals gesichert, sei es durch das von der englischen Regierung gemachte Anerbieten, sei es durch andere ihr zur Verfügung gestellte Mittel. Gutem Vernehmen nach hat die englishe Regierung die Zulaffung von 5 englishen Administratoren in den Verwaltungsrath der Suezkanalgesellshaft verlangi, anstatt 3, wie ursprünglich bestimmt war.

21. Juli. (W. T. B.) Gestern Abend kam es in Roubaix in Folge Anschlagens von Plakoaten, in welchen das Volk zum Kampf gegen die besißenden Klassen aufgereizt wurde, zu einem neuen Auflauf. Die Gensd'armerie schritt ein und zerstreute die Zusammenrottungen,

Spanien. Madrid, 21. Juli, (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat den Geseßentwurf wegen Neduktion des zehnprozentigen Zuschlages auf Eisenbahnpassagier- Billette angenommen.

Außland und Polen. St. Petersburg, 21. Zuli. (W. T. B.) Wie die deutsche „St. Petersburger Zeitung“ erfährt, wäre ein ins Ausland gereistes Mitglied der Juden - kommission vom Grafen Pahlen, dem Präsidenten der Kommission, beauftragt worden, sich genau über die Frage der bürgerlichen Rechtsstelung der Juden in Deutshland, Frank- reich und England zu informiren und hierüber eine Denk- schrift auszuarbeiten, die auch die historische Seite der Frage berüdsichtigen soll.

In der neuesten Geseßsammlung wird der Wortlaut dec ministeriellen Deklaration über die gegenseitige Anerkennung von Gehaltscertifikaten russisher und französisher Handels- [chiffe veröffenilicht. :

Jm Kaukasus herrschte, wie der „Pol. Corr.“ ge- schrieben wird, schon seit mehreren Monaten unter der Be- völkerung eine nicht unbedeutende Aufregung, hervorgerufen dur den Beschluß der russishen Regierung, das im euro- pöischen Rußland bestehende System der Pferdeconscription sür Militärzwecke auch im Kaukasus einzuführen. Die Kaukasier, welche bekanntlih auf ihre Pferde einen überaus hohen Werth legen, seßen der Durchführung dieser Maßregel hef- tigen Widerstand entgegen. Jn der leßten Zeit hat nun, wie aus zuverlässiger Quelle verlautet, die Aufregung Dimensionen angenommen, welche in Petersburg einige Besorgnisse her vor- rufen, Es sollen bereits verschiedene Ruhestörungen stattge- funden haben, welche ein energises Einschreiten dex Behörden nothwendig gemacht hätten. Wie es heißt, hat die Regierung be- lossen, eine Spezialkommission nach dem Kaukasus zu ent- senden, welche die Angelegenheit in einer den Tendenzen der Regierung entsprechenden, gleichzeitig aber auch den Wünschen der Os des Kaukasus Rechnung trageaden Weise regeln soll.

Amerika. New-York, 120. Juli. (W. T. B.) Einer Depesche aus Lima zufolge erhielt der General, Lyn einen Brief des Obersten Grostjago, datirt aus der Nähe von Huanuco vom 10. d. M., in welchem gemeldet wird, daß die vereinigten Streitkräfte des Caceres und: anderer peruanischer Führer in einem zweitägigen Kampfe unter- legen seien. Caceres soll nahe an 1000 Manr: verloren haben, von den Anführern aber Niemand verwundet sein.

Asien. Die „North China Daily News“ bringen einen Vericht über eine Christenmegelei, we!he in Yunnan (China) stattgefunden hat, und in der Uebersetzung, wie folgt,

lautet: „Bunnon-Fu, 14. April.

Ich bir in Yunnan-Fu angekommen, nachdem ih die Reise von der Hauptftadt von Shanfsi in fünfthalb Monaten zurückgelegt hatte. Hier empfingen mich traurige Nachrihten. Ein großes Christen- gemeßel hat im Gebiet von Lung-Kang-Hsien, einige aae lne westlih von Ta-Li-Fu, stattgefunden. Gin junger, französischer Priester und einige Familien von neubekehrten Eingeborenen sind als Opfer der Volkswuth gefallen und alle den Christen gehörigen Häuser zwischen Lang-Kang und Ta-Li sind durch Feuer zerstört worden. Es scheint, daß si schon seit langer Zeit eine große Gehässigkeit gegen die Kirchen der Eingeborenen gezeiat hat und Drohungen E, worden sind, alle Christen zu ers{lagen und ihr Besißthum zu zerstören. Die Krisis ift vor ungefähr 13 Tagen ausgebrochen. Cine Bande von 200 Individuen griff den Patcr Terrasse und sieben bei ihm befindliche Christen an und massakrirte sie. Die Meuterer seßten hierauf ihr Zerstörungswerk fort und ihre Zahl nahm immerfort zu. Sie ermor- deten alle Bekehrten, cuf die sie sticßen, und verbrannten alles Cigenthum der Christen während 5—6 Marschtagen bis Ta-Li Fu, wo der Bewegung glückliherweise Einhalt gethan wurde. Diejenigen, welche mir dieses erzäblten, sagten, L, sih die Christen an gewissen Punkten mit solcher Energie vertheidigten, daz ihnen ihre Angreifer nichts anhaben konnten. F e befindet sich in cinem Zustande shrecklicher Aufregur.g, und man befürchtete für den gestrigen Tag ein

ziveites Gemeßel, aber die Uebelthäter wurden zum Glück von den Behörden daran gehindert, die ohne Zweifel Maßregeln ergreifen werden, um die, wie man sagt, wohlbekannten Rädelsführer dieser. Missethaten zu verhaften.“

Zeitungsstimmen.

Die „Wiesbadener Zeitung“ äußert in einem „Wir- kungen der Wirthschaftspolitik“ überschriebenen Artikel :

._. . Wenn es hier und da in den leßten Monaten, vielleicht

auch sogar bei den leßten Reichstagswahlen, s{ien, als ob die neue Wirthschaftêpolitik wieder etwas in Mißkredit gerathen sei, so waren daran keineswegs die Wirkungen dieser Politik, sondern allein die mit viel Geschick in die Massen geworfenen und unablässig wieder- holten und \ch{ließlich hier und da geglaubten Sclagworte von der Vertheuerung der Lebensmittel durch die Zölle, von dem Nuten der Wirthschaftspolitik nur für die Unternehmer und Arbeitgeber, nicht für die Arbeiter, und ähnlihe Phrasen Schuld. _ Gegenüber diesen allgemeinen Redensarten und Slagworten ist es ein großes Verdienst, welches sih der Verein zur Förderung des Wohles der Arbeiter mit einer von aller Tendenz freien, genauen, ftatiflishen Untersuhung über die thatsächlihe Lage der Arbeiter und aller für die Arbeiter ins Gewicht fallenden Verhältnisse erwirbt. Was diese mühsamen Untersuchungen über Leben8mittelpreise an den einzelnen Orten, über die Löhne und Arbeitszeiten zu Tage gefördert haben, ist das gerade Gegentheil von den kühnen, mit glänzenden Farben und großer Beredtsamkeit vorgetragenen Behauptungen der Freihändler, die überall freilich ohne thatsäcliches Beweismaterial beizubringen einen un- geheuren Rückgang in den Verhältnissen der Arbeiter und eine enorme Erhöhung der Lebensmittelpreise schen wollen. Schon die vorjährigen Veröffentlihungen in der Zeitschrist des gedachten Vereins, in der „Concordia“, zeigten, daß die Behauptungen der Freihandelspartet bezügli der Verihecuerung der Lebensmittel völlig haltlos sind und in der Luft s{weben. Die neuesten Untersuchungen, welche sich vor- nehmlih auf die Arbeitelöhne und Arbeitszeiten erstreckt haben, und die jeßt gleibfalls in der „Concordia“ veröffentliht werden, beweisen, daß cs in diesem Punkte mit den freihändlerishen Phrasen nicht besser steht.

Der Verein hat am 1. Oftober vorigen Jahres über die lett- gedachten Fragen in 514 Orten Deutschlands (wovon 319 auf Preußen fallen) Erkundigungen eingezogen und stellt das Resultat derselben den Ergebnissen gegenüber, welhe am 1. Juli 1882 ermittelt worden sind. Fs wurden hierbei besonders das Baugewerbe, die vier Kleingewerbe der Schlosser, Schreiner, Schneider und Schuster, von der Fabrik- industrie die Maschinenschlosser, Maschinenweber, Wollspinner, fonstige gelernte Fabrikarbeiter und Fabriktagelöhner, sowie die Tagelöhner in der Landwirthscafr berücksichtigt. Es ergiebt si nun aus der Zu- fammenstellung, daß der durchschnittlihe Wochenlohn am 1. Oktober zwar derselbe (also kein niedrigerer) war wi2 am 1. Juli nämli 13,1 M, daß aber die eigentli) maßgebende Ziffer, nä:nlih diejenige des Lohnes per Arbeitstunde am 1, Oktober höher war, als am 1. Juli, auf die Arbeits\stunde kamen am 1. Juli 19,6 „, am 1. Ok- tober 20 8, auf den Arbeitêtag, zu 10 Stunden gerechnet, wür- den hiernach 4 F mehr Lohn entfallen. Die Differenz ist zwar keine große, p beweist doch aber, daß eber eine Tendenz der Steigerung der Arbeitslöhne als das Gegentheil vorhanden ist. Bemerkenswertb ist, daß bei allen vorhin aufgeführten Kategorien jene kleine Steigerung gleihmäßig zu Tage tritt.

Was die Lebensmittelpreise anbetrifft, worüber auch eine ver- leihende Zusammenstellung zwischen dem 1. Juli und dem 1. Okto-

er vorigen Jahres in der „Concordia“ vorliegt, so hat ein Rückgang der Preise für 1 kg Roggenbrod, Roggenmehl und Weizenmehl von 24 bew. 31 und 39 Pfennigen (cm 1. Juli) auf 23, bezw. 28 und 38 Pfennige (am 1. Oktober) stattgefunden und zwar in durcchschnittliß 500 Orten. Die Kartoffel- und die Sleishpreise haben si etwas erhöht, aber nur um ein sehr geringes, z. B. bci Schweinefleisch per Kilo um 3 4, bei Speck um 1 „5, Daß der Zoll hierbei nicht in die Wageschale fällt, versteht sich von selbst. Dafür aber sind die Preise für Petroleum von 24 „§ für 1 1 1m 1, Juli auf 22 &4 am 1. Oktober (in durchs{nittlich 500 Drten) zurückgegangen, obwohl der Zoll, der beim Petroleum doch eine wesentliche Rolle spielt, derselbe geblieben ist.

Aus diesen sorgfältigen Ermittelungen ergiebt sich zum Min- desten das Eine, daß die neue Wirthschaftspolitik für die Arbeiter aller Ka-egorien weit entfernt ist, nachtheilig zu wirken; im Gegen- theil läft sih der belebende und segenßreihe Einfluß derselben auch an den ¡nitgetheilten kleinen Zahlen nicht verkennen. Jene Ermitte- lungen aber darüber dürfte cin Zweifel niht möglich \cin haben weit mehr Werth als die blendenden Phrasen der falschen Propkteten des Freihandelsthums, die zur höheren Ehre ihrer Theorie eben nur mit haltlosen Behauptungen, aber nicht mit beweiskräftigen Zah!en operiren.

An die von uns in Nr. 163 mitgetheilte Aeußerung des Rektors der Cornell-University, Hrn. White, knüpft das „Posener Tageblatt“ folgende Bemerkungen :

Hierin ist gleih gesagt, weshalb die Opposition den Vorwurf des „Despotismus“ erhebt: sie will die Negierungsgewalt unter die Herrschaft des Parlaments bringen, sie will den englischen Konstitu- tionalismus, und da fie ihn nicht hat und nit haben kann, wird Ach! und Weh! über unsere politischen Zustände geschrieen. Doch in einem Punkte giebi aub Hr. White sihch einem Irrthum hin, Fürst Biekmarck leitet die Regierung nicht „im Gegensaß zur Majorität.“ Alle Geseße, die zu. Stande gekommen find, sind es durÞh Majoritäten, wenn auc durch vershiedenartige und wecselnde; wo eine Majorität im Parlament nicht vorhanden war, ist nichts geschehen, was auf ein Regieren gegen den Willen „der Majorität“ hindeuten könnte. Was die fortschrittlibe Opposition als Streben nab „despotisher Negtes rungsfor:n“ bezeichnet, ist weiter nichts als ein Widerstand. gegen das demagogische Treiben der radikalen Opposition und gegen ihr Streben, urisere Verfassungszustände nah ihrem Parteiideal umzumodeln. Aber gerade hierin steht dem Fürsten Bismarck sowohl die Majorität in den parlamentarischen Körperschaften, wie im ganzen Bolke zur Seite, und hierin wird sich das Volk auch durch daë unsinnigste aller Schlagworte „despotishe Regierungsform“ gewiß auch in Zukunft. nicht beirren lassen.

Die „Deutsche Neihspost“ schreibt:

Es ist nit so lange her, seit in der manchesterlihen Oppositions- presse mehrere Wochen hindurch die „verheerenden Wirkungen der neuen Schußzoll] politik“ an dem „unvermeidlichen Ruin“ der deutschen Scechandelspläße, namentlich auch an der Ostsee „haarscharf“ be- wiesen wurden. Insbesondere der Handelsplay Königsberg wurde damals als \{chwer betroffen hingestellt, \chaudernd vernehmen die Leser des Stuttgarter „Beobachters“ und scammverwandter Organe, wie die neue Schußzzollära den Handels- plaß Königsberg vollständig lahmlege, wie die Russen einen Kon- kurrenzhafen gegen Königsberg errihten, wie dadur viele Tausende von Menschen niht nur in Königsberg selbst, sondern im ganzen, mit Königsberg in geschäfilihen Beziehungen stehenden Hinterlande unfehlbar und rettungslos der Verarmung und dem völligen Ruin entgegengehen u. s. w...._

Wie sind nun jene düsteren Prophezeiungen und „Berechnungen“ in Erfüllung "Ll A Dem Jahresbericht des Vorsteheramts der Kaufmannschaft zu Königsberg i. Pr. pro 1882, welche: erklärt, es stelle sich in jeder Beziehung heraus, „daß: Handel un» Schiffahrt im Allgemeinen wieder bei uns im Wachsen sind“, und welcher zugleih konstatirt, pat der Vortheil davon für die Einwohnerschaft im Allgemeinen und für die arbeitenden Klassen im Speziellen außer Zweifel stehe, entnehmen wir folgende Ausführungen: Bei der Königsberger städtischen Sparkasse ist die Zahl der Sparkassenbücher wieder um mehr als 8000, nämlich von 34 850 auf 43 186, und der Gesfammibetrag der Spareinlagen um mehr als 900000 #4, von

11394 567 auf 12315 200 M gestiegen. Besonders interessant ist,

daß sih das Vorsteheramt der Kaufmannschast dahin ausspricht, daß der gute Ausfall der Ernte immer noch stärkere Wir- kungen auf die materielle Lage der Bevölkerung aus- übe, bis alle Wandlungen der Politik, mit anderen Wor- ten, daß der vielges{mähte Zolltarif, von dessen Einführung freihändlerischerseits der Untergang des Königsberger Handels pro- phezeit wurde, in Wahrheit den Handel nit beeinträbtigt hat, und daß im Jahre 1880, wo ein erhebliher Rückgang im Getreidegeshäft zu bemerken war, allein die {lechte Ernte daran Schuld war. Die guten Ernten der Jahre 1881 und 1882, namentlih des leßteren, haben das Königsberger Getreidegeshäft dem Umfange na ansehnlich gesteigert. Die Getreideverschiffungen über See betrugen 1882 502 094 t, 1881 282071, 1880 191299, 1879 386 662, 1878 567 077, 1877 593451 t, also im Jahre 1882 fast so viel, wie zur Zeit des russis{ch-türkiscen Krieges, wo wegen der Sperre des Schwarzen Meeres fast alles russisde Getreide über die Osftsce- hâfen exportirt werden mußte. Ebenso ist das Holzgescbäft erbeblih an Umfang aeftiegen; die Zufuhr stieg von 180000 Festmetern im Vorjahre auf 249 000 im Jahre 1882; die Ausfuhr von 87 000 auf 159 000 Festmeter. Die Zufuhr war alfo eine ungleih größere, der Zoll erwies sih demnach als ungenügend. Die Konsumtionsfähigkeit der Provinz hat ebenfalls bedeutend zugenommen. Allein an Kaffee wurden 3000 Ctr. mehr verbraucbt, als 1881, Der Eisenbahnverkehr stcigerte sich von 716 448 t und 88327 Stück Vieh im Jahre 1881 auf 911066 t und 166824 Stück Vieh. Der Schifffs- verkehr in Königsberg belief #s|chG im Jahre 1881 auf 1578 cingehende und 1549 ausgehende Schiffe, im Jahre 1882 cuf 2118, beziehung8weise 2078, Im Vorhafen Pillau liefen 1881 ein 1884 und aus 1860 Schiffe, im Jahre 1882 2498, bezw. 2429, „Die seit dem Jahre 1871 stetig behauptete Frequenz unseres Vorhafens von mehr ols 2000 Schiffen, unter welcher nur die beiden Jahre 1880 und 1881 zurüdblieben, ift also wieder erreiht.*“ Einen Rück- gang konstatirt der Bericht nur im Theehandel und im Petroleum- geschäft mit Rußland; die Ursache hiervon ist eine sehr einfache: die direkten Theezufuhren nah Rußland von China über Odessa haben ih vermehrt, und das kaukasische Petroleum macht dem amerikanischer jeßt mächtige Konkurrenz.

Statistische Nachrichten.

Summarische Uebersicht über die Zahl der Stu- direnden auf der Königlihen Rheinischen Friedrich-

Wilhelms-Universität zu Bonn im Sommersemester 1883.

Im Wintersemester 1882/83 sind immatrikulirt gewesen laut Nach- weisung vom 23. November 1882 973, nach Aufstellung dieser Nach- weisung wurden noch immatrikulirt 8, zusammen 981; davon sind ab- gegangen 339, cs sind demnach geblieben 642; dazu sind in diesem Semester gekommen 523, die Gesammtzahl der immatriku!irten Stu- direnden beträgt daher 1165. Die evangelish-theologis%e Fakultät zählt Preußen 101, Nichtpreußen 8, zusammen 109. Die katholish- theologische Fakultät zählt Preußen 75, Nichtpreußen —, zusammen 75. Die juristische Fakultät zählt Preußen 277, Nichtpreußen 18, zu- sammen 295, Die medizinische Fakultät zählt Preußen 214, Nicht- preußen 20, zusammen 234, Die phitosovhishe Fakultät zählt a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 315, b. Preußen ohne Zeug- niß der Reife, nah §. 3 der Vorschriften vom 1. Oktober 1879, 74, mithin Preußen 389, dazu c. Nichtpreußen 63, zusammen 452, im Ganzen 1165. Unter den Immatrikulirten der philosophischen Fa- fultät befinden sih 68 Preußen und 19 Nichtpreußen, zusammen 78, welche der landwirthschaftlihen Akademie zu Poppelsdorf angehören. Außer dicsen immatrikulirten Studirenden besuchen die hiesige Uni- versität als nur zum Hören der Vorlesungen berechtigt, mit spezieller Genehmigung des z. Rektors 63, Es nehmen mithin an den Vor- lesungea überhaupt Theil 1228.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Stettin, 20. Juli. (Ofts. Ztg.) Gestèrn Abend starb der hiesige Archidiakonus an St, Jacobi, Gustav Adolf Schiffmann in Groß-Tabarz in Thüringen. Derselbe ist geboren in Stettin am 31, Iuli 1814, hat in Halle und Berlin studirt und wurde 1843 als Diakonus und 1854 als Archidiakonus an St. Jacobi installirt.

In dem Verlage von Franz Vahlen, Berlin, ist kürzlich der dritte Band tes von dem Geheimen Ober-Justiz-Nath Reinl old Fohow und dem Kammergerichts-Rath Oskar Künzel herausgegebenen Jahrbuches für Entscheidungen des Kammergeribts in Sacben der nichtstreitigen Gerichts- barkeit und în Strafsachen erschienen. Preis geheftet 5 H, gebur.den 6 A 50 H. Für die Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, in denen früher jedem Appellationsgericht für seinen Bezirk die endgültige Entscheidung zustand, sind jeßt die Ober-Landesgerichte in der Megel nicht mehr Beschwerdeinstanz, Für die Verhandlung und Entscheidung über die Rechtsmittel in den Angelegenheiten, welche durch das preußische Ausführung8geseß zum deutschen Gerichtéverfassungsgesetz den Amtsgerichten zuaewiesen worden, sind die Landgerichte zu- siändig. Gegen die Entscheidung der Landgerichte findet aber das neu cingeführte Rechtsmittel der weiteren Beschwerde statt und die Verhandlung und Entscheidung über dasselbe ist dem Kammergericht ausscließlich Überwiesen, mit der Einschränkung, daß dasselbe unter den im Geseyz bezeichneten Vorausseßungen die Verhandlung und Entscheidung demjenigen Ober-Landesgeriht zu überweisen hat, zu dessen Bezirk das Landgericht gehört, welches die angefochtene Ent- \ceidung erlassen hat bezw. diesem Ober-Landesgericht überweisen kann (S8. 25 ff,, 40, 51 und 56 des qu. Geseßes vom 24. April 1878). Ferner bildet das Kammergericht die Centralinstanz für die in §. 50 des citirten Gesetzes angeführten Strafsachen, und ist dasselbe nah dem Ausführungsgeseß zum deutschen Gerichtskostengeseß für gewisse Entscheidungen in Kostensachen aus\chließlich zuständig. Das Jahr- buch ist bestimmt, die in Folge der gedachten geseßlihen Vestim- mungen erlassenen wichtigeren Entscheidungen des Kammergerichts zu sammeln. In einem Anhang sollen auch Abhandlungen über Fra- gen aus dem Gebiete der nicht streitigen Gerichtsbarkeit, Anzeigen von literarishen Erscheinungen auf dem Gebiet der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit und ves Landesstrafrebts, sowie Entscheidungen, welche, ohne in den Rahmen der Hauptaufgabe des Jahrbuchs zu fallen, mit derselben in besonders naher Berührung ftehen, veröffent- liht werden. Unter den leßteren sind namentlich die auf das RNechts- mittel der weiteren Bescbbwerde ausnahmsweise von einem anderen Ober-Landesgeriht als dem Kammergericht gefällten Entscheidungen ins Auge gefaßi. Dieser Aufgabe entsprechend umfaßt der vorliegende Band 163 Entscheidungen, welhe folgende Materien betreffen: I, in Sachen der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit : die allgemeinen Grundsätze über die Rechtsmittel der Beschwerde und der weiteren Besbwerde, andelsregister, Erbbescheinigungs- und Nachlaßsachen, Bormundschafts\achen, Grundbuchsachen, Kosten- und Stempelsachen ; 11. in Strafsachen: das Verfahren , gewerbe-polizeilihe Vor-

schriften, Stempel- und Steuergeseße, Verein8geseß, Chaussee-, Straßen- und Kanalpolizei - Geseke und Verordnungen, Kir-

Ros lee Sanitäts- und Veterinärpolizeigeseße, Forst- und Vorfluthgeseße, sonstige landesre{chtliche Vorschriften, Strafgeseßbuch. Der Anhang enthält einen Beschluß des Ober-Landesgerichts zu Breslau vom 5. Oktober 1882, betreffend §. 131 der Grundbuch- ordnung, und eine Abhandlung über die Rechtsmittel gegen Straf- festsezungen im Ordaungéstrafverfahren bei Handelsregistersachen. Ein ausführliwe8s Sachregister sowie ein Verzeichniß der in Bezug genommenen Gesetze, Verordnungen, Instruktionen 2c. sind dem

Bande beigegeben. L __ Gewerbe und Handel.

In Folge eines Gutachtens des Kaiserlich russischen Reichsrathes, welches am 13, Mai d. J. die Sanktion des russischen Kaisers er- halten hat, ist verordnet worden : ;

1) die Einfuhr gereinigten Salpeters aus dem Auslande nach Rußland zu gestatten und demgemäß die Bestimmung der

s ¡u Art. 130 dcs allgemeinen Zolltarifs außer Kraft zu seten; 2) In Abänderung des Art. 130 des allgemeinen Zolltarifs, stick- stoffsaures Kali (Salpeter) in jeder Gestalt mit fünfzig Kopeken Metall pro Pud zu verzollen. i

Das Exportmusteriager Stuttgart versendet seinen Jahresbericht, welem wir Folgendes entnehmen: Der Verein zählt heute 454 Mitglieder, darunter sämmtliche exportfähige württember- gische Industriellen und steht unter dem Protektorat Sr. Hobeit des Prinzen Hermann zu Sachsen - Weimar. Der Jahresbeitrag beträgt 25 M und steht dafür jedem Mitglied das Ret zu, seine Muster auszustellen und seine Firma in den Katalog aufnehmen zu lassen. Die in der Gewerbehalle arrangirte ständige Auéstellung württemkergischer Fa- brikate giebt den fremden Käufern Gelegenkbeit, sich ras über die În- dustrieerzeugnisse des Landes zu orientiren und ihre Aufträge zu ertheilen. Im Juli vorigen Jahres eröffnet, wurde das Lager bis Ende März von 170 Personen besucht. Auer von Leipzig, Hamburg, Berlin, Wien, Paris, London, Barcelona, Madrid, Lissabon, Mailand, Odessa, St. Petersburg, Moskau und anderen größeren europäischen Handelspläten kamen noch Käufer von Costa Rica, Mexiko, Buenos Ayres, Puebla, Pernambuco, Portland, Quitc, Rio de Janeiro, Valparaiso, Valdivia, St. Jago, Caracas, Para, Maracaibo, Bahia, Bolivia, Manila, Adclaide, Lagos, Calcutta, Bombay, Batavia, Alexandrien, Kairo, Jerusalem, Smyrna, New - York und Philadelphia. Diese 170 Besucher erthei\ten ca. 60 Auf- träge für 42 Valeltanten ein befriedigendes Anfangsresultat, wenn man berücsitigt, daß während der Hauptbesuchs8zeit Juli Oktober vorigen Jahres sich blos ca, 120 Musterkollektionen auf dem Lager befanden. Am meisten bestellt wurden Bleh- und Metall- waaren, Mundharmonikas, Konditoreiwaaren, Corsette, baumwollene Decken, Uhren, Holzwerkzeuge, Leder, Hüte 2c. Häufig gefragt wurde nach Taschenuhren, Ziehharmonikas, billigen Messern und Lederwaaren, sowie leichten gefärbten und bedruckten Baumwollzeugen, letzterer Artikel ist besonders für den Erport nach Afrika wichtig. Sämmt- liche Fremde, welche das Musterlager besuchten, siad mit Preis-Cou- ranten und Adreßkarten verschen worden. Diejenigen Besucher, die si für einzelne Artikel speziell interessirten, wurden den betreffenden O aufgegeben, damit sie eventuell direkt mit denselben ver- ehren können. Die Zahl der kezüg!ichen Avise an die Mitglieder ist 950 und ist sicher zu erwarten, daß viele dieser Herren über kurz oder lang Aufträge ertheilen werden, Briefe licfen im ersten Jahre 1800 ein und wurden 1300 abzesandt; in den leßten 2 Monaten gingen 650 Briefe ein, also mehr als cin Drittel der ganzer vorjährigen Correspondenz, ein Beweis, wte {nell sih die Verbin- dungen ausdehnen. Mustersendungen wurden im abgelaufenen Ge- \cäftsjahre ca. 50 gemacht ; jeßt werden beinahe täglich Muster und Preiscourante verlangt. Seit 1. April d. J. sind ca. 50 Bestellungen „ausgenommen worden. Um nicht blos hier auf dem Lager, sondern auch auêwärts durch direkte Offerte für den Verkauf württembergischer Fabrikate zu wirken, wurden Vertreter an verschiedenen größeren Pläßen wie Hamburg, Berlin, Leipzig, Kopenhagen, Mailand, Madrid, Barcelona, Belgrad, Braila, Triest, Athen, Salonich,

Alexandrien und Cairo engagirt. Von ca. 60 weiteren Agenten liegen -

Anträge vor und werden nah und nach in allen großen Städten Ver- treter aufgestellt werden. Der Verwaltungsaus\huß hat im ver- flossenen Jahre 4, die Verwaltung8sektion 25 Sitzungen gehalten, in denen die laufenden Geschäfte erledigt wurden.

Die neueste von dem Londoner Board of Trade herausgegebene statistishe Uebersicht über die Lage der englischen Indnftwie gelangt, wie wir der „B. Börs. Ztg.* entnehmen, zu sehr weig befriedigenden Resultaten. Das Eisecngeshäft liegt dar- nieder; das Kohlengeshäft leidet an Ucberproduktion und in Folge dessen an gedrückten Preisen; das Baumwollengeschäft bewegte sich in Liverpool inierhalb sehr enger Grenzen, in Manchester war der Marft im Allgemeinen leblos, und ähnlive Be- rihte fommen aus den anderen Baumwollpläßen. In der Tuch- und Wollenbranhe melden die Bradforder Markt- berichte „schwache und unregelmäßige Preise“. „Die Mebrheit der Fabrikanten findet es s{wierig, ihre Maschinen ständig zu beschäftigen, und sie müfsen häufig mit Preisen vorlieb nehmen, welche weit ent- fernt sind, lohnend zu sein.“ Leicester berichtet, daß die dortigen Spinnereien wenig Aufträge und große Lagervorräthe habea, sowie daß die Schuh- und Stiefelfabrikation in Noth sei. Nottingham klagt über Geschäftsstille in der Spitzenindustrie und Strumpfwirkcrei. Viele Maschinen arbeiten nur mit Unterbrechungen, andere feierten ganz. In Virmingham herrsht grözere Geschäftsstille als seit Jahresfrist, weil es fast ganz c.n Bestellungen von den amerikanischen, europäischen und afrikanischen Absatzmärkt?n fehlt.

Nürnberg, 19, Juli. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Seit Beginn dieser Woche war! das Hopfengeschäft keiner Veränderung unterwocfen. Wenn auch die Preise nit einen weiteren Rückschlag erlitten un» diz Umsatziffer sih auf durhschnitt- lich 30 Ballen pro Tag erhöhte, klieb doch die Tendenz eine matte. Es ging hier bereits ein Böllchen Steiermarker neuer Ernte ein und wurde um 400 M. abgesetzt.

Verkehr8-Anftalten.

Bremen, 21. Juli. (W.T. B.) Der Dampfer des Nord- deutshen Lloyd „Werra“ ist gestern Abend 10 Uhr in New-York und der Dampfer „Ohio“ dersclben Gesellschaft ift gestern in Bimore clteingetroffen.

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

London, 19. Juli. (Alig. Corr.) Die städtishe Verwaltung der City von London hat beschlossen, Vorsihtsmaßregeln gegen den Ausbruch der Cholera zu treffen. Die Kanalöffnungen follen in der ganzen Stadt täglich debinfizirt, der Kehricht aus allen Häu- sern soll tägli entfernt, die Kanäle häufiger und stärker ausgespült und den Hausmiethern die fleißige Anwendung von Karbolsäure empfohlen werden. Zugleich wird cine Kommission ernannt, der es obliegt, die Logirhäuser zu inspiziren und die thunli{hste Reinhaltung derselben zu überwachen. i

Paris, 20. Juli. (W, T. B.) Das Zeitung8gerücht von dem Ausbruch der Cholera auf den Balearischen Inseln wird von der „Agence Havas“ für unbegründet erklärt.

Verlíin, 21. Juli 1883.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Aus der 4, Klasse 168. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 90 000 é auf Nr. 6325.

1 Gewinn von 30 000 A auf Nr. 88 253.

1 Gewinn von 15 000 4 auf Nr. 90 955.

2 Gewinne von 6000 6 auf Nr. 23 933. 74 330.

32 Gewinne von 3000 # auf Nr. 2324. 4680. 6971. 12 327, 12901. 13 207. 14987. 16 476. 18338. 19 202. 20825. 22113. 23141. 34834. 38 209. 40431. 41 730. 42 667. 45103. 51192. 53394. 55326. 56252. 61854. 50 s 68 278. 70447, 71516. 77 001. 79740. 89375.

0 540.

55 Gewinne von 1500 A auf Nr. 10. 1378, 2086. 3076. 8438. 8964. 9507, 16512, 16 567. 22 253. 22 427. 24122. 24250. 24415. 24614. 26846. 26940. 28575. 29 292. 32758. 33378. 33552. 34109. 34428. 34539. 36 423. 38941. 39678, 39749, 41224. 43 280. 43394. 43 907. 48539. 50982, 52093. 55876. 57723. 57792. 61795. 62012. 63188. 72990, 75104. 75210. 76 049, 77 417. 80040. 81859, 84770. 85058. 85324. 86394. 90 002, 93 519,

76 Gewinne von 550 # auf Nr. 952. 1822. 4941. 5676. 6034. 8252. 10085. 10512. 10586. 14054. 14 836. 15478. 16938. 18450. 19138. 20353. 21013. 21 366. 21 721. 21956. 22768. 25552. 26116. 27 408. 28836. 30998. 32561. 32734, 32754. 36649. 40413. 41 393. 42569. 44370. 47340, 47663. 47797. 48033. 48466. 50010. 50309. 51146. 53152. 54326. 55 243. 56781. 57 341. 57997. 58386. 58725, 59945. 60463. 60825, 61 152, 62260. 63800. 63920. 68616. 69660. 70 762. 71103. 72194. 72221. 72383. 75255. 76 564. 79124. 79718. 81 279. 84732. 85 974. 87 357. 88 766. 89 358, 90 741.

Ueber Dr. P. Güßfeldts amerikanische Forschungs- reise 1882/3 entnehmen wir A. Woldts wissenshaftlicher Cor- respondenz: |

Mit kühnem Muthe machte sid Dr. Güßfeldt an die Ersteigung des seither für unersteigbar gehaltenen höchsten Berges von Amerika, des Aconcagua, und es gelang ihm in zwei Versuchen, nit nur die Möglichkeit seiner Ersteigung nachzuweisen, sondern au bis auf einige hundert Meter unterhalb der höchsten Spitze vorzudringen, und damit eine Höhe zu erklimmen, die zu den höchsten gehört, bis zu der jemals Menschen zu Fuß emporgedrungen sind. Die von ihm erreichte Höhe beträgt 6400 m oder etwa 20400 rh. Fuß.

Die erste Expedition fand am 20. und 21. Februar 1883 ftatt und wurde mit Zuhülfenahme einer Mondnacht ausgeführt. Güß-

“feld folgte bei diesem Aufftieg niht einem der Thäler, die ihren Ur-

sprung direkt am Aconcagua nehmen, sondern cinem anderen Thal, welches er das „Penitente-Thal“ nennt. Hier erstieg er, an der einzig möglichen Stelle d'e rechte Thalwand und gelangte durch ein in die schroffen Feléwände eingelassenes Schuttcouloir zu dem „Portezuelo del Penitente*, der etwa 4840 m hoch ift. Hierher hatte ihn die Rekognoszirung des 19. Februar geführt, und hier stand er wieder Nachts halh 11 Uhr am 20. Zwei Leute waren mit ihm, von. denen einer sich im Laufe der Expedition beide Füße erfror und liegen blieb, den anderen brachte cr bis zu den oben erwähnten 6400 m. Auf dem Porte- zuelo del Penitente steht man dem Dach des Aconcagua gegenüber, und zwar der Nordwesiscite; cin Firnfeld von 24 Stunden Breite erstreckt sih von hier bis zur ca. 5000 m hoch liegenden Basis des eigentlichen Berges. Alles ist hier anders als in unseren Bergen, Schnee wie Felsen, minder gefährlib, länger, ermüdender, minder \ympathisch. Der Berg selb\t ist ganz merkwürdig geformt; nämlich er besteht auf der Norcdwestseite aus Schutthalden, welhe von dem verschiedenartigsten Gestein durchbrochen sind; erst ganz oben setzt eine solide Felsmauer auf und trägt den Gipfel. Eine der überraschendsten Thatsachen ist die Scbneelosigkeit der Nordseite gegenüber der \cuee- reichen Südseite; es muß das aus den klimatischen Verhältnissen erklärt werden.

„Ich hätte, \chreibt Dr. Güßfeldt am 21. Februar die Spitze erreichen können, nahezu ohne Schnee zu berühren, abgesehen von dem betr. Firnfeld; aber {on während des Nachtmarsches hatte id große Schwierigkeiten, die Leute vorwärts zu bringen, sie warfen h alle Augenblicke nieder und wurden dann durch die fühlbare Kälte von 12 Grad nur um so verzagter. Ich verspürte die Berg- krankheit von 5500 m an, {reibe aber ein gut Theil davon auf die prekâre, morzlishe Lage, in welche die S{laffheit meiner Leute mi versetzte. Immerhin is die Bergkrankheit ein hartes M: (0 tene von 5800 m an sle en wenteren Schritt aufwärts die sechsfade Zeit, die man in Europa für scbwierige Besteigungen rechnet. Dreizehn Stunden nach dem Ver- lassen des 4840 m hohen Portezuelo ich war schon seit mehreren Stunden mit rur einem Mann allein umwölkten sich die Spitzen des Aconcagua und Unrwoetter brach los. Ich befand mich in der Höhe der höchsten Spiße der Ramadakette, d. h. na vorläufiger Berechnung ciuca in 6450 m; mein Chilene drängte nun zur \ch{leu- nigsten Umkehr. Hätte ich einen s{chweizer Führer bei mir gehabt, so wäre ih hier die Nacht geblieben und hätte die fehlenden 350 m am folgenden Tage gemacht. Die Vorspitze der (höchsten) Nordspite des Aconcagua lag gerade über mir, und ih konnte die Steine zählen, aus denen sie, einem Steinmann ähnlich, aufgebaut ist. Wir traten unseren Rückweg um 2 Uhr N. an und erreichten unter ziehenden Nebeln und Schneefall Nachts den Fuß des Portezuelo und mußten dann noch mehrere Stunden reiten, um das Bivouak zu erreichen.“ __In den folgenden Tagen schneite Dr. Güßfeldt mit seiner Karawane vollständig ein, und mußte auf 5 Tage thalwärts ins Velle hermoso flüchten; hier vermaß er die Ramadakette und fand u, A. auf einem feiner Ausflüge in 4009 m Höhe drei {schöne Ammonike, welhe Versteinerungen er seiner Sammlung einverleibte. Ende Februar kehrte er wieder zum Aconcagua-Bivouak zurück, kampirte in der Naht vom 4./5. März in 5300 m Höhe auf dem Aconcagua und machte am anderen Morgen den zweiten Versuch einer Besteigung des Höchsten Gipfels. Es war dasselbe Spiel: Ein Mann blieb liegen, der andere drängte bei der ersten fallenden Schnee- floÆe zur Umfkehr; so daß dieêma! nur die Höhe von 6200 m erreicht wurde; Dr. Güßfeldt hielt selbst die größten Strapazen aus, Dieser zweite Nicbterfolg machte unseren Landsmann nicht muthlos, er hält im Gegentheil aufs Bestimmtreste an der Ansihht von der Besteigbarkeit des Aconcagua fest und glaubt, daß mit zwei guten Führern an jedem günstigen Tage der Gipfel zu erreichen sei.

Graf Scerurier, einer der Vize-Präsidenten des französischen Rothen Kreuzes. ist zur Besichtigung der Hygiene-Aus stellung von Paris hter eingetroffen.

Troß des ungänstigen Wetters in den leßten Tagen ift der Besuch der Ausstellung ein sehr reger, namentli® von solchen Per- sonen gewesen, welche dieselbe aufsuchen, um in ihr zu studiren.

Die Erercitien der Feuerwehr wurden vor 14 Tagen wegen der großen. Hitze eingestellt ; eine abermalige Unterbrechung der Uebungen an den Donnerstagen sindet nicht statt.

Im Bureau der Ausstellung häufen sich die auf dem weiten Terrain çefur denen Gegenstände, was allein dadurch zu erklären ift, daß die Verlierer es unterlassen, ihr Eigenthum im Bureau zu reklamiren,

Aus Rom \chreibt man dem „Hamb, Corr.“: In Mazzara entdeckte der Arhäologe Marzo mebrere kostbare Marmorstatuen, sowie auch verschiedene Reliefs, welche kirhengescbihtliche Scenen darstellen. Als ihren Autoren vermuthet man den berühmten lom- bardischen Skulpreur Domenico Gaginti, der im _ 15. Jahrhundert in Mazzara gewirkt hat. Dafür spricht der ganze Stil dieser herrlichen Kunstwerke, welche denen der besten ttalienishen Meister an die Seite gestellt werden müssen. Sie werden im National-Museum zur Auf- \tellung gelangen, E

St. Petersburg, 20. Juli. (W. T. B.) In der hiesigen Pulverfabrik fand heute Vormittag eine Explosion statt, durch welche die Anreibekammer gänzlich zerstört und 9 Personen ge- tödtet, 2 andere {wer verwundet rwourden.

GSerdinand Wachtel wiederbolt morgen, Sonntag, in Krolls Theater zum Eo Male den „Postillon von Lonjumeau“, sowie am Dienstag den „Troubadour“, da das in Leipzig geschlossene En- gagement für das hiesige Gastspiel tes jungen Künstlers nur noch wenige Abende übrig läßt. Am Montag findet eine Reprise des „Fidelio“ \tatt. :

Im Belle-Alliance-Theater soll „Steeple chase“, das jeßzize Repertoirstück dieser Bühne, im Laufe dieser Woche durch das Lustspiel „Durchlaucht haben eit von Friß Brentano abgelöst werden. In dem prächtigen Sommergarten hat die neu engagirte Tyroler-Gesellschaft Pißinger iuu. sich die Gunst des Publikyms rasch errungen.