fahren und bei der von ihm anderweitig zu treffenden Ent- scheidung die in dem Aufhebungsbeschlusse des Ober:Verwal- tungsgerihts aufgestelten Grundsäße, jowie in den Fällen des &. 100 die dem Aufhebungsbeschlusse zu Grunde gelegten thatsächlihen Fesistelungen als maßgebend zu betrachten. 4) Von den Kosten des Verwaltungsstreitverfahrens. S. 102. Das Verwaltungsstreitverfahren ist stempelfrei. 8. 103. Dem unterliegenden Theile sind die Kosten und die baaren Auslagen des Verfahrens, sowie die erforderlichen baaren Auslagen des obsicgenden Theiles zur Last zu legen. Die Gebühren eines Rechtsanwalts des obsiegenden Theils hat der unterliegende Theil nur insoweit zu erstatten, als die- selben für Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung vor dem Bezirksausschusse oder deni Ober-Verwaltungsgerichte zu zahlen find. An baaren Auslagen für die persönlihe Wahr- neh!'aung der mündlihen Verhandlung vor dem Bezirks- autshufe und dem Ober-Verwaltungsgerichte kann die obsie- gende Parte: niht mehr in Anspruch nehmen, als die geseßz- lichen Gebühren: eines sie vertretenden Rechtsanwaltes betragen haben würten, es sei denn, daß ihr persönliches Erscheinen von dem Gerichte angeordnet war. — : Im Endurtheile is der Werth des Streitobjektes fest-
useßen. y E Gebühren der Rechtsanwalte bestimmen sich nach den für dieselben bei den ordentlihen Gerichten geltenden Vor- schriften. E (4 104. Die Kosten und baaren Auslagen bleiben dem obsieaenden Theile zur Last, soweit sie dur sein eigenes Ver- schulden entstanden sind. z |
8 105. Die Entscheidung über den Kostenpunkt (88. 103, 104) fann nur gleichzeitig mit der Entscheidung in der Hauptsache durch Berufung oder Nevision angefochten werden.
S. 106. Hebung, weles bei dem Bezirksausschusse sc{chszig Mark,
An Kosten kommt ein Pauschquantum zur im Höchstbetrage bei dem Kreisausschusse und bei dem Ober-Ver-
waltungsgerihte einhundertfünfzig Mark nicht übersteigen darf. Für die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen
gelten die in Civilprozessen zur Anwendung fommenden Vor- \chriftz2n, für die Berehnung des Pauschquantums kann von den Ministern der Finanzen und des Jnnern ein Tarif auf- gestellt werden.
8. 107. Die Erhebung des nicht statt :
1) wenn der unterliegende Theil eine öffentliche Behörde ist, insoweit die angefohtene Verfügung oder Entscheidung derselben nit lediglih die Wahrung der Haushaltsinteressen eines von der Behörde vertretenen Kommunalverbandes zum Gegenstande hatte; die baaren Auslagen des Verfahrens und des obsiegend:n Theiles fallen demj-:nigen zur Last, der nah geseßliher Bestimmung die Amtsunkosten der Behörde zu tragen hat;
2) wenn die Entscheidung ohne vorgängige mündliche Ver- handlung erfolgt ift ;
3) bei dem Kreisausschusse in den Fällen der §8. 60 bis 62 des Gescßes vom 8. März 1871, betreffend die Ausfüh- rung des Bundesgeseßes über den Unterstüßungêwohnsiß (Ge- sez-Sammlung Seite 130);
4) bei dem Bezirksauëshusse und bei dem Ober: Verwal- tungsgericte, soweit die Berufung oder die Revision von dem Vorsitzenden des Kreisausschusses beziehungëweise des Bezirks- auéshusses eingelegt worden war;
5) von denjenigen Personen, mit Auênahme jedoch der Gemeinden in den die Verwaltung der Armenpflege betreffen- den Angelegenheiten, denen nah den Reichs- oder Landes- A4 Gebührenfreiheit in bürgerlihen Rechtsstreitigkeiten zusteht.
8. 108. Die Kosten und baaren Auslagen tes Ver- fahrens werden für jede Fnstanz von dem Gerichte festgeseßt, bei dem die Sache selbst anhängig gewesen ist.
Die von der obsiegenden Partei zur Erstattung Seitens des unterliegenden Theiles liquidirten Auzëlagen werden für alle Jnstanzen von demjenigen Gerichte festäeseßt, bei dem die Sache in erster Jnstanz anhängig gewesen ist.
Gegen den Festsezungsbeshluß des Kreisausschujses findet innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an den Bezirksaus- \{uß, gegen den in erster Jnstanz ergangenen Festseßungs- beshluß des Bezirksausshusses findet innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an das Ober-Verwaltung2gericht statt.
8 109, Dem unterliegenden Theile kann im Falle des bescheinigten Unvermögens nah Maßgabe der Bestimmungen des 8. 30 des Auéführungsgeseßcs zum Deutschen GeridlLts- fost:ngeseße vom 10. März 1879 (Gesez-Sammlung Seite 145), oder wenn sonst ein besonderer Anlaß dazu vorliegt, gänzliche oder theilweise Kostenfreiheit beziehungsweise Stundung bve- willigt werden. Gegen den das Gesuh ablehnenden Beschluß des Kreisaus\chusses findet innerhalb zwei Wochen die Be- schwerde an den Bezirksaus\{chuß, gegen den in erster Jnstanz ergangenen ablehnenden Beschluß des Bezirkêsausschusses inner- halb zwei Wochen die Beschwerde an das Ober-Verwaltungs- gericht statt.
5) Schlußbestimmungen für das Verwaltungsstreitverfahren.
8. 110. Auf Beschwerden, weiche die Leitung des Ver- fahrens bei den Kreis- und Bezirksausschüssen zum Gegen- stande haben, entscheidet das im Fnstanzenzuge zunächst höhere Gericht endgültig.
8, 111. Alle Beschwerden sind innerh.lb der für dieselben vorzeshriebenen Frist bei dem Gerichte, gegen dessen Ent- scheidung sie gerichtet sind, einzulegen.
Das Gericht verfährt bei Versäumung der vorgeschriebenen Fcist nah B stimmung des Schlußabsazes des §. 86.
Für das angerufene Gericht fommt §8. 64 zur. Anwendung ; an die Stelle des Antrages auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung beziehunaëweise der Einlegung des Rechtsmittels tritt der Antrag auf Entscheidung durch das Gericht.
Wird die Beschwerde der Vorschrift des ersten Absatzes zuwider inncrhalb der geseßliten Frist bei demjenigen Gericht angebracht, w:1ches zur Enticheidung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewah1t. Die Beschwerde ist in folchen Fällen von dem angerufenen Gerichte zur weiteren Veran- lassung an datjenige Geritt abzugeben, gegen dessen Beschluß sie gerichtet ist.
8. 112, Die Wiedereinseßzung in den vorigen Stand fann beantragen, wer durch Naturereignisse oder andere un- abweisbare Zufälle verhindert worden ist, die in dem gegen- wärtigen Geseße oder die in den Geseßen für Anstellung der Klage beziehungêweise sür den Antrag auf mündliche Ver- handlung im Verwaltungsstreitverfahren vorgeschriebenen Fristen einzuhalten. Als unabwendbarer Zufall ist es anzu-
Pauschquantums findet
sehen, wenn der Antragsteller von einer Zustellung ohne sein
Verschulden keine Kenntniß erlangt hat. Ueber den Antrag entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über die ver-
säumte Streithandlung zusteht. Die versäumte Streithandlung ist, unter Anführung der Thatsachen, mittelst deren der An- trag auf Wiedereinsezung begründet werden soll, sowie der Beweismittel, innerhalb zwei Wochen nachzuholen ; der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Ablauf des Tages, mit welchem das Hinderniß gehoben ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerehnet, findet die Nach- holung der versäumten Streithandlung beziehungsweise der Antrag auf Wiedereinsezung niht mehr statt. Die durch Er- örterung des Antrages auf Wiedereinscßung entstehenden baaren Auslagen trägt in allen Fällen der Antragsteller.
8. 113. Die Central- und die Provinzialverwaltungs- behörden sind au für die im Verwaltungsstreitverfahren zu verhandelnden Angelegenheiten zur Erhebung des Kompetenz- konflikts befugt.
Die Erhebung des Kompetenzkonflikts auf Grund der Behauptung, daß in einer im Verwaltungs streitverfahren an- hängig gemachten Sache eine andere Verwaltungsbehörde zu- ständig sei, findet nicht statt. i
Die zur Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren be- rufenen Behörden haben ihre Zuständigkeit von Amtswegen wahrzunehmen.
Wird von einer Partei in erster Jnstanz die Einrede der Unzuständigkeit erhoben, so kann über diejelbe vorab ent- schieden werden. i i
Haben si in derselben Sache die zur Entscheidung im Verwaltungéstreitverfahren berufene Behörde und eine andere Verwaltungsbehörde für zuständig erklärt, so entscheidet auf Grund der sriftlihen Erklärungen der über ihre Kompetenz sireitend2zn Behörden und nach Anhörung der Parteien in mündlicher Verhandlung das Ober-Verwaltungsgeriht. Das Gleiche gilt in dem Falle, wenn beide Theile fih in der Sache für unzuständig erklärt haven. Fn beiden Fällen wer- den weder ein Kostenpaushquantum noch baare Auelagen er- hoben. Ebensowenig findet eine Erstattung der den Parteien erwachsenden Kosten statt.
S, 114. Die gemäß §. 11 des Einführungsgesezes zum Gerichtsverfasungsgeseßze vom 27. Januar 1877 (Reichs-Ge- sebblatt Seite 77) dem Ober-Verwaltungsgerichte zustehenden Vorentscheidungen erfolgen in dem dur den leßten Absaß des & 113 dieses Gesetzes vorgeschriebenen Verfahren, für welches im Uebrigen die Vorschristen über das Verwaltungsstreitver- fahren entsprehende Anwendung finden.
IIT, Abschnitt. Beshlußverfahren.
8. 115. Betrifft der Gegenstand der Verhandlung einzelne Mitglieder der Behörde oder deren Verwandte und Ver- shwägerte in auf: und absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seitenlinie, fo dürfen dieselben an der Bcrathung und Abstimmung nicht theiinehmen. Ebensowenig darf ein Mitglied bei der Berathung und Beschlußfassung über solche Angelegenheiten mitwirken, in welchen es in anderer als öffentlicher Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat, oder als Geschäftsführer, Beauftragter oder in anderer als öffentlicher Stellung thätig gewesen ist.
8. 116. Wird in Fol2e des gleichzeitigen Ausscheidens mehrerer Mitglieder gemäß S. 115 die Behörde beshlußunfähig, und kann die Beschlußfähigkeit auch niht durch Einberufung unbetheil'gter Stellvertreter hergestellt werden, so wird von dem RNegierungé-Präsidenten beziehungsweise Ober-Präsidenten oder Minister des Jnnern, je nachdem es sich um einen Kreis- (Stadt-) Ausschuß, Bezirksaus\chuß oder Provinzialrath handelt, ein anderer Kreis- oder Stadtausshuß, Bezirksausshuß oder Provinzialrath mit der Beschlußfassung beauftragt.
Für den Stadtkreis Berlin steht die Beauftragung an Stelle des Regierungs:Präsidenten dem Ober-Präsidenten zu.
8. 117. Der Vorsitzende des Kreis- (Stadt-) Ausschusses ist befugt, in Fällen, welte keinen Aufschub zulassen, oder in welchen das Sach- und Rechtsverhältriß klar liegt und die Zustimmung des Kollegiums nicht im Gefeß ausdrüdlih als erforderli bezeihnet ist, Namens der Behörde Ver[ügungen zu erlassen und Bescheide zu ertheilen.
Die gleiche Befugniß steht dem Vorsißenden des Bezirks- ausscusscs und des Provinzialrathes mit der Maßgabe zu, daß cine Abänderung der dur Beschwerde angefohtenen Be- {lüsse des Kreis- (Stadt:) Ausschusses beziehungsweise des Bezirksaus\chu}ses nur unter Zuziehung des Kollegiums er- folgen darf.
In den auf Grund der vorstehenden Bestimmungen er- lassenen Verfügungen und Bescheiden ist den Betheiligten, \o- fern deren Anträgen nit stattgegeben wird, zu eröffnen, daß sie befuat seien, innerhalb zwei Wochen auf Beschlußfassung durch das Kollegium anzutragen oder dasjznige Rechtsmittel einzulegen, welches zuläisig wäre, wenn die Verfügung be- ziehungsweise der Bescheid auf Beshluß des Kollegiums er- folgt wäre.
Wird auf Besthlußfassung angetragen, so muß solche zu- nächst erfolgen. Hat einer der Betheiligten auf Beschluß- fassung angetragen, ein anderer das Rechtsmittel eingelegt, so wird nur dem Antrag auf Beschlußfassung stattgegeben. Wird weder auf Bes(lußfassung angetragen, noch das Rechtsmittel eingelegt, so gilt die Verfügung bezichungsweise der Bescheid als endgültiger Beschluß. Für den Antrag auf Beschluß- fassung des Kollegiums finden die nah den §8. 52 und 53 für die Beschwerde geltenden Bestimmungen Anwendung.
Der Vorsiß:nde hat dem Kollegium von allen im Namen desselben erlassenen Verfügungen und ertheilten Bescheiden nachträglich Mittheilung zu machen.
8. 118. An den Verhandlungen der B-hörde können unter Zustimmung des Kollegiums tehnishe Staats- oder Kommunalbeamte mit berathender Stimme theilnehmen.
8. 119. Die Behörden fassen ihre Beschlüsse auf Grund der verhandelten Akten, sofern niht das Geseß ausdrücklih mündliche Verhandlung vorschreibt.
Die Behörden sind befugt, auch in anderen als in den im Geseßze ausdrücklich bezeihneten Angelegenheiten die Be- theiligten beziehungsweise deren mit Vollmacht versehene Ver- treter behufs Aufklärung des Sachverhalts zur mündlichen Verhandlung vorzuladen.
Ja Betreff der mündlihen Verhandlung finden im Uebrigen die Vorschriften der £8. 68, 71, 72, 73 und 75 sinngemäße Anwendung.
8. 120. Für die Erhebung und Würdigung des Beweises kommen die Vorschristen der S3. 76 bis 79 sinngemäß und mit der Maßgabe zur Anwendung, daß gegen den eine Strafe oder die Nichtverpflihtung eines Zeugen oder Sachverständigen aussprehenden Beschluß des Kreis- (Stadt-) Ausschu}ses den Betheiligten die Beschwerde an den Bezirksausshuß, gegen den
in erster oder zweiter Jnstanz erc,angenen Beschluß des leß- teren oder des Provinzialrathes innerhalb gleicher Frist die Beschwerde an das Ober-Verwaltungsgericht zusteht.
8. 121. Gegen die Beshlüsse des Kreis- (Stadt-) Aus- \husses findet innerhalb zwei Wochen die Beshwerde an den Bezirksaus\{uß, gegen die in erster Jnstanz ergehenden Be- \chlü}se des Bezirksausshusses innerhalb gleicher Frist die Be- \chwerde an den Provinzialrath statt, sofern niht nah aus- drücklicher Vorschrift des Gesetzes
1) die Beschlüsse endgültig sind,
2) die Beshlußfassung über die Beschwerde anderen Be- hörden übertragen ist.
Die auf Beschwerden gefaßten Beschlüsse des Bezirksaus- {usses und die Beschlüsse des Provinzialraths sind endgültig, sofern nit das Gese im Einzelnen anders bestimmt.
Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die nah Maßgabe der Geseße von dem Landrath unter Zustimmung des Kreisausschusses, von dem RNegierungs-Präsidenten unter Zustimmung des Bezirksausshusses, von dem Ober-Präsidenten unter Zustimmung des Provinzialraths gefaßten Beschlüsse entsprehende Anwendung.
__§. 122. Die Beschwerde ist in den Fällen des 8. 121 bei derjenigen Behörde, gegen deren Beschluß sie gerichtet ist, anzubringen. Der Vorsißende prüft, ob das Rechtsmittel recht- zeitig angebracht ist.
Jst die Frist versäumt, so weist der Vorsißende das Reht3- mittel ohne Weiteres dur einen mit Gründen versehenen Be- scheid zurückE. Jn demselben if dem Beschwerdeführer zu er- öffnen, daß ihm innerhalb zwei Wochen die Beschwerde an die- jenige Behörde zustehe, welhe zur Beschlußfassung in der Sache berufen ist, widrigenfa1s es bei dem Bescheide verbleibe.
Jst die Frist gewahrt, und ift eine Gegenpartei vorhanden, so wird die Beshwerdeschrift mit ihren Anlagen zunächst dieser zur \chriftlihen Gegenerkflärung innerhalb zwei Wochen zuge- fertigt. Die Gegenpartei kann sich dem Rechtsmittel an- schließen, selb|st wenn die Frist verstrichen ift.
Abschrift ter eingegangenen Gegenerklärung erhält der Beshwerdeführer. Zur näheren Begründung der Beschwerde, sowie zur Gegenerkflärung kann in nicht s{leunigen Sachen eine angemessene, der Regel nah nicht über zwei Wochen zu erstreckende Nachfrist gewährt werden. Hierauf werden die Verhandlungen mittelst Berichtes derjenigen Behörde ein- E welcher die Beschlußfassung über die Beschwerde zusteht.
Wird die Beschwerde der Vorschrift des ersten Absatzes zuwider innerhalb der geseßlichen Frist bei derjenigen Behörde angebraht, welche zur Beschlußfassung darüber zuständig ist, so gilt die Frist als gewahrt. Die Beschwerde ist in solchen Fällen von der angerufenen Behörde zur weiteren Ver- anlassung an diejenige Behörde abzugeben, gegen deren Be- {luß sie gerichtet ist.
S. 123. Die Einlegung der Beschwerde steht in den Fällen des 8. 121 aus Gründen des öffentlihen Fnteresses auch den Vorsißenden der Behörden zu.
Will der Vorsitzende von dieser Befugniß Gebrauh machen, so hat er dies dem Kollegium sofort mitzutheilen.
Die Zustellung des Beschlusses bleibt in diesem Falle einst- weilen, jedoch längstens drei Tage, ausgeseßt. Sie erfolgt mit der Eröffnung, daß im öffentlichen Interesse die Beschwerde eingelegt worden sei. Jst die Zustellung ohne diese Eröffnung erfolgt, so gilt die Beschwerde als zurückgenommen.
Die Gründe der Beschwerde sind den Betheiligten zur \chriftlihen Erklärung innerhalb zwei Wochen mitzutheilen.
Nach Ablauf dieser Frist sind die Verhandlungen der Behörde einzureichen, welcher die Beschlußfassung über die Beschwerde zusteht.
_ Eine vorläufige Vollstreckung des mit der Beschwerde an- gefohtenen Beschlusses (§8. 53) ist in diesen Fällen ausge- \{chlossen.
§. 124. Jn dem Beschlußoerfahren wird ein Kosten- pauschquantum nicht erhoben, ebensowenig haben die Bethei- ligten ein Recht, den Ersaß ihrer baaren Auslagen zu fordern.
Jedoch können die durch Anträge und unbegründete Ein- wendungen erwahsenden Gebühren für Zeugen und Sachver- ständige demjenigen zur Last gelegt werden, welcher den Antrag gestellt beziehungsweise den Einwand erhoben hat.
Die sonstigen Kosten und baaren Auslagen des Ver- fahrens fallen demjenigen zur Last, der nah geseßliher Be- stimmung die Amtsunkosten der Behörde zu tragen hat.
Bei den Vorschriften der Gewerbeordnung behält es sein Bewenden. ___§. 125, Ueber Beschwerden, welche die Leitung des Ver- fahrens und die Koften betreffen, beschließt endgültig die in der Hauptsache zunächst höhere Fnstanz.
8, 126. Der Ober-Präsident kann endgültige Beschlüsse des Provinzialrathes, der Regierungs-Präsident endgültige Be- \{hlüsse des Bezirkêausshusses und der Landrath, bezw. der Vorsigende des Kreis- (Stadt:) Aus\chu}ses endgültige Beschlüsse dieser Behörde mit aufsc;iebender Wirkung anfechten, wenn die Beschlüsse die Befugnisse der Behörde überschreiten oder das bestehende Recht, insbesondere auch die von den Behörden innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen Verordnungen, ver- legen. Die Anfechtung erfolgt mittelst Klage beim ODber-Ver- waltungsgericht.
Die R deren Beschluß angefohten wird, ist befugt, zur Wahrnehmung ihrer Rehte in dem Verfahren vor dem Ober-Verwaltungsgericht einen besonderen Vertreter zu wählen.
(Séluß folgt.)
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Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs-Auzeiger und Königlich Preußischen Slaals-Anzeiger.
M 205. Nichtamtüches.
Preußen. Berlin, 1. September. Immweiteren Ver- laufe der gestrigen (3.) Sißgung des Reichstages wurde die zweite Berathung des Handels- und Schiff- fahrtsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und Spanien in Verbindung mit der Berathung der dazu ein- gegangencn Petitionen fortge}eßt.
Der Abg. Dr. Stephani referiric über eine Anzahl von Petitionen, welche die Herabsezung des Zolles für rohen Kakao, resp. die Rückerstattung des bereits erlegten oder noch zu erlegenden höheren Zollbetrages für Rosinen und Korin-
then erbitten. i Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) beantragte, die
leßtgenannte Kategorie von Petitionen dem Reichskanzler zur Berücsichtigung zu überweisen. e j
Der Abg. von Köller erstattete über die, die Spritklausel betreffenden Petitionen Bericht. Dieselben zerfallen in solche auf Beseitigung und solche auf Beibehaltung der Spritklausel. Die ersteren g: hen hauptsächlih von sechs größeren Firmen der Stadt Hamburg aus; die leßteren, 25 bis 30 an der Zahl, von verschiedenen Grundbesißern und 98 Fabrikherren aus den Städten Berlin, Guben, Stettin, Magdeburg, Chemniß, Braunschweia, Breslau und anderen, sowie von der Handels- kammer in Offenbach. Der Referent bemerkte, daß in keiner dieser Petitionen wesentlich neue Gründe angeführt seien, und hob hervor, daß dem Hamburger cznterefse dasjenige fast aller großen Städte und Firmen Deutschlands gegenüberstehe. /
Ein Antrag des Abg. Dr. Rée, dahin gehend, zugleih mit den Artikeln des Vertrages die auf dieselben bezüglichen Bestimmungen des S@lußprotokolls zu debattiren, wUrDde, obgleih der Präsident von Leveßow und der Abg. Sonne- mann diesen Antrag für geschästlih nit empfehlenswerth hielten, sließlich vom Hause angenommen. _ i
Art. i bestimmt im Allgemeinen, daß zwisden den beiden kontrahirenden Staaten volle Handels- und Sciffahrtsfreiheit bestehen solle. N i
Der Abg. Ebert bedauerte hierbei, daß man in dem Ver- trage feine günstigeren Eingangszölle für deutsche Steinkohlen in Spanien stipulirt, und fomit eine gute Gelegenheit zur Er- weiterung des Marktes sür den Export deutscher Steinkohlen versäumt habe. 1 i i
Der Bundeskommissar Geheime Regierung?-Nath Schraut entgegnete, die Reichsregierung habe versucht, eine solche Erleichte- rung für die deutshen Steinkohien zu schaffen, aber ohne Erfolg. Spanien habe sich darauf berufen, daß es dasselbe Verlangen gegenüber andern Staaten bereits abgeschlagen habe.
Art. 1 wurde genehmigt ; ebenso die folgenden Artikel bis inkl. Art. 8. A L
Der Art. 9 enthält die beiderseitigen Tarifermäßigungen und im Stlußprotokoll folgende Bewerkung:
„Der spanische Bevollmächtigte Ziebt die Ecklärung ab, daß die Königlich spanische Regierung nur denjenigen na Spanien eingehenden Sprit als deutsbe Waare zu behandeln in der Lage fei, welber aus deutschem Robspiritus in Deutscland hergestellt worden ist. Derselbe behält außerdem für die Königlich spaniscen Konsulate auëdrücklich die Berechtigung vor, zum Nachweis dafür, daß der zur Auéfuhr kommende Sprit aus deutschem Robspiritus im Gebiete des Deutscden Reichs hergestellt worden ist, nit nur die Vorlage von speziellen Ursprungsattesten, sondern au die Vor- lage von Duplikaten der ertheilten Bonififationsanerkenntnifse nah Maßgabe der den Konsulaten von ihrer Regierung ertheilten In- struftionen zu fordern, welche leßtere im Einvernehmen der beiden Regierungen festgestellt werden. Die deutschen Bevollmächtigten bemerken hierauf, daß sie gegen die vorstehende Erklärung keine Einwendung erheben. “ l
Zu diésem Artikel lagen folgende Anträge vor: 1) von den Abgg. Dr. Kapp und Dr. Braun:
Der Reich8tag wolle bef{ließen :
den Herrn Reichskanzler unter Bezugnahme auf Seite 30 der dem Reistag vorliegenden Denkschrift zu ersuben, dafür Sorge E zu wollen, daß nachträglich noch protokollaris festgestellt werde:
daß, wenn andere Nationen, welche im Vertragsverhältniß zu Spanien stehen, fremden Robspiritus rektifiziren und zum Kon- ventionaltarif in Spanien einführen dürfen, dasselbe Recht au Deutschland gewährt werde.
2) vom Abg. Dr. Meyer (Halle):
Der Reichstags wolle beschließen :
„Den Herrn Reichskanzler zu ersu®en, in der nächsten Session eine Vorlage betr. die Ermäßigung des Zolles auf Kakao in Bohnen zu machen“. 5
3) von den Abgg. von Kardorff, Dr, Hammacher und Gen. :
Der Reich8tag wolle bescbließen:
Dem nacstebenden Gesetßzentwurfe die verfassungsmäßige Ge- nebmigung zu ertheilen:
„Gesetz, betreffend die Verallgemeinerung der Zollermäßigungen in den Tarifen zu dem deutsch-italienisden Handels- und Schiff- FEILIIOERITUBE und tem deuts-spanischen Handels- und Schiffahrts- vertrage.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reicbs, nach er- folgier Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was olgt:
Dur Kaiserlide Verordnung nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths kann angeordnet werden, daß die Zollermäßigungen, welde in dem Tarif zu dem Handels- und Schiffahrtsvertrage zwishen dem Deutschen Reiche und Italien vom 4, Mai 1883 und in dem Tarif zu dem Handels- und Schiffahrtsvertrage zwischen dem Deutschen Reihe und Spanien vom 12. Juli 1883 enthalten find, au solhen Staaten gegenüber Anwendung finden, welche einen vertragémäßigen Ansvruch auf diese Ecmäßigungen nicht haben, sofern Seitens derselben ‘binsihtlih der Erhebung der Ein- gangs- und Ausgangsabgaben dritte Staaten niht günstiger be- handelt werden, als das Deutsche Reich.“
Der Abg. Sonnemann brat§te die Vorgeschichte der Sprit- flausel zur Sprache, auf welcher die spanischen Unterhändler von Anfang an bestanden haben sollten, während aus den Verhandlungen felbst darüber nicht das Mindeste bekannt sei. Außerdem habe noch am 10. März Spanien mit Schweden und Norwegen einen Vertrag ohne diese Klausel abgeschlossen ; merkwürdig sei doch dieses Faktum in nicht geringem Grade. Die einzelnen Herabseßungen brähten einen Einnahme- ausfall von ppr. 4 Millionen. Einzelne Tarifkonzessionen jeien ja zum Theil {hon durch den Handelsvertrag mit
—
Berlin, Sonnabend, den 1. September
AZtalien indizirt gewesen; das Bedauern über die Schädigung der Jmporteure von Korinthen und Rosinen, welche dur die plößlihe Herabsezung des Zolles auf das Unangenehmste überrascht seien, müsse er theilen. Den Wunsch derselben, entshädigt zu werden, sowie den Antrag auf Ermäßigung des Zolles auf Kakaobohnen werde er unterstüßen. Die bedeu- tende Ermäßigung des Korkzolles zeige recht deutlich, in wie überstürzter und oberflähliher Weise im Jahre 1879 mit der Erhöhung der Korkzölle verfahren worden sei. Was die Spritklausel betreffe, so stege er derselben an sich sehr fühl gegenüber, s{limm aber sei die hier zum ersten Male ge- machte Unterscheidung zwischen einzelnen Theilen des deut- schen Reichshandelsgebietes, die den einen Theil (Ham- burg) ungünstiger stellten als den anderen. Daß meijtens Lurxutartikel von Seiten Deutschlands im Zoll herabgeseßt seien, könne nit mit ungetheilter Freude begrüßt werden ; eher hätte man auf die Herabseßung des Shmalzzolls hin- wirken sollen. Großes Glüdck hätten die deutshen Unterhändler überhaupt nit gehabt; während die spanishen Forderungen alle bewilligt seien, hätten die Deutschen eigentlich nur die unwesentlihe Erniedrigung gewisser Zölle erreichen können. Bezüglich der staatsrehtlihen Frage werde scine (des Redners) Partei für den Antrag stimmen, der das Recht des Reichs- tages am besten wahre.
Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staat s- sekretär des Reichs-:Schaßgamts von Burchard das Wort:
Meine Herren! Die allgemeinen Ausführungen, mit denen der Hr. Abg. Sonnemann seinen Vortrag eingeleitet hat, würden mir feinen Anlaß geben, {on jeßt das Wort zu ergreifen, wenn er nit naher einige Punkte berührt hätte, die id wünschen müßte, son jeßt geflärt zu sehen. Ich werde mir, da ih das Wort habe, er- lauben, auf diese ersten einleitenden Bemerkungen des Herrn Ab- geordneten einzugeben,
Der Herr Abgeordnete sagt, Spanien hätte gar keine Ermäßigung zugestanden. I weiß nicht, ob der Hr. Abg. Sonnemann der An- idt wirkli ist, daß Deutschland in Folge des Abschlusses des spanischen Handel8vertrages nicht Tarifermäßigungen bei der Einfuhr nach Spanien zu Theil werden. Wenn er der Ansicht ist, kann ih
ihn in der That kaum belehren. Der Hauptvortheil, der dur den Abschluß tes HandelEvertrags erreiht ist, it der, daß der deutsden Einfuhr der Konventionaltarif
zu Theil wird, was bis jeßt nit der Fall gewesen; und das ift ein wichtiger Erfolg. Die Unterschiede zwishen den Säßen des General- und des Konventionaltarifs in Spanien sind sehr erheblich. Ich will sie nit in Detail vortragen, man kann sie auf dur{scnitt- lich fast 40°/9 anseßen. Sie betragen z. B. bei Branntwein 13} o, bei Eisenbabnschienen 43 %%, bei Waaren aus reiner Wolle 46 °/9, bei aaren aus Wolle und Baumwolle 67 9/0, bei baumwollenen Garnen zwischen 30 und 439/09. Jch glaube also, daß das eine Darstellung der Sawlage ist, die kaum erklärlich ist.
Meine Herren! Ebenso ist die Kritik, die der Herr Abgeordnete über die Haltung der spanisben und deutshen Bevollmächtigten hier acübt bat, rad unserer Auffassung im Widersprub mit allen Thatsaben. Die Kritik wird ja jedenfalls in Madrid hôöwst angenehm berühren, daran zweifle id feinen Augenblick, ic will mich aud) enthalten, auf diese Details einzugehen, muß jedob sagen, daß es absolut unrichtig ist, daß die spaniscben Forderungen vollständig erreicht find; die Hauptforderung, die Spanien gestellt hat, nämlich Herabseßung des Weinzolls, ift abgelehnt und au bis zuleßt nicht erfüllt worden.
Meine Herren! Dann komme i auf die Frage, die der Herr
bgeordnete berührt hat, und die ih für außerordentli witig Ealte, fie ift auch gestern von dem Hrn. Abg. Bamberger berührt, nämli, wie die Zollermäßigungen zu verallgemeinern sein wer-
den, Sie, sind ja zunächst nur zugestanden Spanien und bezw. Jtalien, und es ist in der Bekanntmabung vom 9, d. M. au?2ge-
daß von Ursprung2attesten abgesehen werden foll, daß die bewilligten Zollermäßigungen allgemein der Einfuhr zu Theil werden sollen, Es ist die Frage angeregt worden, ob dieses Verfahren den gesetzlichen Grundlagen voll entspricht. Meine Herren, die Sach- lage ist eine außerordentli schwierige, und die Frage ist sehr ein- gehend erwogen worden. Die Waaren, die in den beiden Verträgen im Zoll ermäßigt sind, kommen allerdings nicht ausfch{ließlich aus Spanien und Italien her, sondern namentli diejenigen Waaren, welche im spanischen Vertrage berührt werden, kommen auch aus der Türkei und Griecenland her, besonders Rosinen. Die Einfuhr aus andern Ländern ist in diesen Artikeln minim und wird füglich außer Be- trat bleiben können, sie wird keinen Anlaß zur Einführung von Ursprungs- attesten geben können. Also es würde sih wesentlich darum handeln, ob der Bundesratb, ohne geseßlibe Ermächtigung, die Zollermäßi- gungen, die im Vertrage vorge]ehen find und nah dem Inhalt des Vertrages nur den meistbegünstigten Staaten zu Theil werden sollen, auch auf die Türkei und Griechenland auédehnen kann. Die ver- bündeten Regierungen haben sich dazu für ermächtigt gehalten und zwar aus folgenden Erwägungen. E Wir haben mit der Türkei einen Vertrag von 1862; in diefem Vertrage selbst ist ausdrücklid nur der deutschen Einfuhr na der Türkei die meistbegünstigte Behandlung zugesichert worden, eine gegentheilige Verfiherung von Seiten Preußens Namens des Zoll- vereins ist damals nicht im Vertrage ausgesprochen worden. Es war au diese Frage damals für den Zollverein gegenstandslos, denn im Zollverein war damals keine differentielle, sondern nur eine allgemeine Zollbehandlung. Es ift aber, als die Noten zwischen den beiderseitigen Regierungen ausgetauscht sind, bei Vollzug des Ver- trags auch preußischerseits die Zusicherung ertheilt, daß die Türkei bei der Einfuhr so günstig wie jedes andere Land behandelt werden sollte. Dementsprechend ist auch der Verlauf der Sace gewesen, es ist nie bisher daran dedaht worden, die Türkei bei der Einfuhr eer Produkte nah Deutschland anders als meistbegünstigt zu be- andeln. : Was Griecvenland betrifft, so habe ich mir {on bei Be- rathung des italienishen Handelsvertrags hervorzuheben erlaubt, daß das handelspolitishe Verhältniß zwischen _ Deutschland und Griechenland keineswegs genügend fFflar ift, Gs be» stehen ältere Verträge zwischen Griechenland und Sachsen, Bremen, Oldenburg und Preußen; diese Verträge sind nit gekündigt, und in ihnen ist die Meistbegünstigung auch im Wesentliden gegen- seitig zugesichert worden. Nun ist es ja eine sehr diffizile Rechtsfrage, ob und inwicweit auf Grund dieser Verträge Griehenland bean- \pruchen kann, in Deutschland allgemein meiftbegünstigt einzuführen. Das wird man ja kaum in Abkrede stellen, daß die Verträge mit der Bildung des Deutsben Reichs nicht zerrissen sind. Welche Folgen daraus entstehen, will id nicht näher beleuten, aber dieser Zustand hat den Anlaß gegeben, dem Gedanken näßer zu treten, zwischen Deutshland und Griechenland einen Vertrag herzustellen. Griechenland hatte {hon früher wiederholt den Wunsch geäußert, daß dies geschehe. Es ist damals aus verschiedenen Gründen, die ih hier nicht näber zu“ erörtern habe, von deutsher Seite abgelehnt worden. Nun- mehr ift aber die Einleitung getroffen, N die Verhandlungen als- bald in Gang kommen, und ich darf die Hoffnung aussprechen, daß
prochen worden,
1883,
C:
es gelingen wird, in kurzer Zeit auch mit Griechenland zum Abs{luß eines Handelsvertrages zu kommen. Aber wie die Sachen jeßt liegen, so würde es mit großen Bedenken verknüpft sein, die griebis{e Ein- fubr nach Deutschland nit als meistbegünstigte zu behandeln. Müssen die verbündeten Regierungen also die Cinfuhren aus der Türkei uád aus Griechenland meistbegünstizgt behandeln, und kommt aus anderen Ländern fo gut wie keine Einfuhr, so würde daraus allerdings die Berechtigung für die verbündeten Res gierungen berzuleiten sein, daß sie allgemein die Zollermäßigung auf alle Einfuhren Arwendung finden lassen fkfönnen. Jch kann aus- sprecben, daß die verbürdeten Regierungen jedenfalls diese Zoll- ermößigung, wie es in der vorläufigen Bekanntmatbung geschehen ift, so ans späterhin zunächst allgemein auf alle Staaten anwenden wollen,
Fb glaube aber, daß der mir soeben zugegangene Antrag der Herren Abgg. von Kardorff und Dr. Hammacber, welche eine gesehzs lide Grundlage dafür {afen wollen, daß dur Kaiferliche Vers ordnung mit Zustimmung des Bundesraths diese Zollermäßigungen der beiden Verträge verallgemeinert werden können — daß diefer An- trag sih do der näheren Würdigung durchaus empfiehlt. Jch bin nicht in der Lage, Ihnen versichern zu können, daß die verbündeten Regierungen „ihm zustimmen werden; ic glaube aber nidt, daß sie sich ablehnend verbalten werden, da sie ihrerseits nur wünschen können, daß eine Frage, die immerhin nit ganz unstreitig ist, auf diese Weise zu einer zweifellos unstreitigen gemacht wird.
Meine Herren, dann möbte ih noch auf eine Behauptung des Hrn. Abg. Sonnemann eingehen, die auch geftern berührt worden ift, die hon bei Berathung des italienishen Vertrages zur Sprache kam und, wie i glaubte, von bier aus vollständig widerlegt worden ist. Der Herr Abgeordnete hat im Einklang mit einigen Herren, die gestern sprachen, seine Verwuntkerung darüber auëgesprocen, daß Lurusartifel ermäßigt scien und niht zum Beispiel Schmalz. Er sagte: cs ist ein Mißerfolg der Verhandlung, daß keine Herabseßung von S{malz stattgefunden hat (Widerspru links). — Ich habe es so verstanden. — It glaube, dazu brauche ih nichts zu sagen; wir können dech Spanien feine Konzessionen machen in Bezug auf Herab- seßung von Zöllen, die es nit verlangt. Aber wir mußten ihm diese Konzession zugestehen, weil sonst unter keinen Umständen ein Vertrag zu Stande gekommen wäre. Hätte Spanien unter allen Uniständen eine Herabsetzung des Sckmalzzolles verlangt — id weiß nit, was die Regierung für eine Haltung dazu eingenommen hätte. Vielleiht würde sich die Regierung aub dem nicht haben ent- ziehen können. Ich bleite bei diesem Gegenstande stehen, weil im Hause gestern und aub in der Presse dieser Gegenstand in einer Weise au8gebeutet wird, die mir vollständig unverständlich ist.
Meine Herren! Dann kat der Hr. Abg. Sonnemann die in dem Vertrage vorgesehene Herabsetzung ciniger Sbutzzölle kritisirt, des Choko- ladezolls, des Korkzolles ; die Herabseßung des Traubenzolls hat er nicht näher berührt, aber es ist dies der dritte Punkt, der hierbei in Betracht femmt. Ich möchte hiebei auf eine Bemerkung zurückgehen, die Hr. Abg. Dr. Bamberger gestern und auch son bei der Berathung des italienischen Vertrages gemacht hat; sie ging dahin, daß diese Verträge eine Umfkehr der Regierung von den bisher befolgten Prinzipien der Handels- und Zollpolitik bezeihneten. Meine Herren, i babe den Beweis für diese Behauptung nicht gehört; es ist von der Regierung nie behauptet worden, wenigstens ist mir das nit bekannt, daß die in dem Zolltarif vvn 1879 festgeseßten Industriezollsäte ein Noli me tangere sfcien, daß sie unter feinen Umständen eine Aenderung erfahren dürften. Allerdings ist bei ihrer Bemessung davon ausge- gangen, daß sie nur so bech bemessen werden sollten, wie es den Bedürfnissen der Industrie absolut entspräbe; aber es ist damals feineswegs als ausges{lossen angesehen worden, und au, soweit id weiß, daß behauptet wurde, daß nitt unter allen Umständen eine Herabsetzung dieser Zellsäße mögli wäre. Der Unterschied zwisben der jeßigen Politik und derjenigen Politik, wie sie vor 1879 beim Abs&bluß von Handelsverträgen erfolgt ift, ist der, daß damals die Herabscßung von Schutzzöllen nit als cine er- heblihe Konzession, sondern fast als ein Erfolg behandelt wurde, daß man das gern that, und daß man Finanzzölle nur im äußersten Noth- fall herabsetzte, während jeßt die Regierung davon auêëgeht: Die Finanzzölle find das Hauptverhandlungsobjekt bei Handelsverträgen und zur Herabsezung von Schutzöllen {reitet man ungern, nur dann, wenn es geschehen muß, und nur dann, wenn es geshehen Ffann, ohne daß die Industrie empfindlich geschädigt wird. Meine Herren, das ist do, glaube ib, auch der richtige Standpunkt, denn, wenn wir in einem Handelsvertrage allge- meine Vortheile erreihen für das ganze Land, dann ift es geboten, daß die Zee nicht cin einzelner Industriezweig zahlt, sondecn daß die Allgemeinheit den Zollnatlaß trägt, daß sie die Mittel, die da- dur der Reichskasse verloren gehen, anderweitig aufzubringen hat. J will hinzufügen, daß demgemäß aub im italienishen wie im spanischen Vertrage bauptsäcblic Finanzzôlle herabgesetzt sind, daß nur in verhältnißmäßig geringem
Umfange eine Herabseßung von Sa stattgefunden bat. : i .
s find im spanischen Vertrage drei Gegenstände, die im Zoll ermäßigt sind, und ich kann lagen, daß die Regierung mit großem Widerstreben an dieses Opfer herangegangen ift, daß sie dieselben nur gebracht hat, weil es unumgänglich nothwendig war. Fch glaube, auf das Detail zunädbst noch nicht eingeben zu sollen, i will nur darauf binweisen, daß die Herabseßung doch nit so weit gegangen ist, daß die Zölle, wie sie jeßt im Vertrage vorgesehen sind, niedriger oder auch nur so niedrig sind, wie vor 1879. Es ift also auch nach dem Vertrage noch nit der Zustand erreicht, der vor 1879 bestand, denn der Chokoladenzoll bestand vor 1879 in Höhe von 42 M — im Vertrage ist er auf 50 A4 herabgeseßt. Für Kork und Korkwaaren waren bekanntlich vor 1879 gar keine Zölle, sie sind jeßt auf 5 beziehungsweise 10 ermäßigt. Es sind also noch erheb- lie Schußzölle vorhanden ; für Weintraukten bestand bis 1881 gar fein Zoll, es ist also ein Zollsay von 4 X immer noch ein höherer, als er vorher bestand. : i
Meine Herren! Ih möchte dann, anknüpfend an eine Bemerkung des Hrn. Aktg. Sonnemann, noch einmal auf die Spritfrage kurz zurückfommen und einer Behauptung entgegentreten, die gestern und auch beute wiederholt vorgebracht ist, die Behauptung nämli, daß das Abkommen mit Hamburg, was dem Zollans{luß Hamburgs zu Grunde lag, durch diese Spritklausel verleßt wird. Ich muß an- nehmen, daß Maa die diese Behauptung ausgesprochen aben, das Abkommen doc in der That sehr flüchtig gelesen haben. In der Petition steht dasselbe, aber wenn Interessenten das geltend machen, dann kann man schon cher darüber hinweggehen ; ich glauhe jedo, daß derjenige, der es hier ausspricht, zunächst die Verabredung lesen sollte. „Ich gestatte mir deshalb, die Verabredung hier wörtli mitzutheilen. Es ist damals in der Hauptvereinbarung, die dem Reichstage vor- gelegen hat, gesagt: / j | Die für den Export arbeitenden industriellen Grofßbetriebe, welche ausländishe Stoffe zollfrei ‘verarbeiten wollen, sind für die Zu- kunft auf den Frethafenbezirk angewiesen. : Also es ist als Regel hingestellt: wenn in Hamburg eine für den Export arbeitende Spritfabrik gegründet werden. soll, dann hat sie sih für die Zukunft im Freihafengebiet zu placiren, Dann ift eine Ausnahme statuirt für die zur Zeit {on bestehenden und niht in
das Freihafengebiet fallenden Industriezweige. Es heißt: 6 Den zur Zeit vorhandenen, im künstigen Zollgebiet belegenen