1883 / 207 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 04 Sep 1883 18:00:01 GMT) scan diff

Civil- und Militärgewalt in Kroatien dem Landeskomman- direnden, General der Kavallerie, Baron Ramberg, über- tragen werdcn soll. Jm heutigen gemeinsamen Ministerrath En diese Beschlüsse der Sanktion des Kaisers unterbreitet werden.

Bad Gastein, 4. September. (W. T. B.) Der Statt- halter in Elsaß-Lothringen, General-Feldmarshall Freiherr von Manteuffel, ist zu dreiwöchentlihem Kurgebrauch hier angekommen.

Görz, 3. September. (W. T. B.) Die Leiche des Grafen Chambord is heute früh 71/4 Uhr hier ange-

langt. Um 91/4 Uhr traf der Vertreter des Kaisers, S n o u Tas a, Me on Statthalter und dem Militär-Kommandanten empfangen wurde. Der Großherzog von Toskana und der Herzog

von Parma waren schon früher eingetroffen. Nunmehr seßte sich der Leichenzug vom Bahnhofe aus in Bewegung. Voraus gingen Veteranen, Militär, städtishe Musikkapellen, Institute mit ihren Fahnen, die Geistlichkeit , das Domkapitel und der Erzbischof Zorn. Dem sechsspännigen, {warz mit Silber drapirten Leichenwagen, welcher nun folgte, {lossen sih an: der Fürst von Thurn unv Taxis, dann der Groß- herzog von Toskana, der Herzog von Parma, eine französische Deputation, der Statthalter, ‘die Militär- und Civi:- behörden, verschiedene Korporationen und Deputationen aus Frankreich mit Fahnen und prachtvollen Kränzen. Militär und Veteranen bildeten Spalier bis zum Dome, wo der Zug um 10!/, Uhr Vormittags anlangte. Die Bahre wurde hier auf den Katafalk niedergelassen, und Erzbischof Zorn cele- brirte unter grofer Assistenz ein feierlihes Traueramt. Die Kirche und der Plat davor waren überfüllt.

2, September. (W. T. B.) Der Sarg mit der Leiche des Grafen Chambord wurde Nachmittags 5 Uhr vom Katafalk in der Domkirche aufgehoben und auf den Leichen- wagen gebracht. Der Zug seßte sih dann in derselben Ordnung wie Vormittags durch die von der Bevölkerung dicht beseßten Straßen, in denen Militär und Veteranen Spalier bildeten, in Bewegung und traf um 6 Uhr bei der Klosterkirche zu Castagnovizza ein. Dort wurde der Sarg zunächst auf das Plateau gestellt und- dann, nahdem der Fürst:Erzbischof unter Assistenz zahlreicher Geistliher die Absolution ertheilt hatte, zur Gruft gebracht. Die Kirchenfürsten, der Fürft von Thurn O Toxis und die übrigen hohen Herrschaften folgten dem Sarge. y

Pest, 3. September. (W. T. B.) Jn Szigetvar haben gestern Abend Zusammenrottungen stattgefunden, die um 11 Uhr Nacdts zu ernsten Unruhén ausarteten. Die Tumultuanten richteten große Verwüstungen an. Ein Ruhestörer wurde getödtet, vier s{hwer verwundet. Aus Siklos wurde Militär requirirt, welches heute noch verstärkt wird. s

Pest, 4. September. (W. T. B.) Jn der vorgestrigen Nacht haben in Szigetvar antisemitishe Unruhen

stattgefunden. Mehrere Läden wurden erbrowßen und ver- wüstet. Die Ruhestörer waren zumeist Handwerksgesellen, von

denen einer durch die einschreitende Polizei ershossen und zwei {wer verwundet wurden ; ciner derselben ist inzwischen gesiorben. Gestern Nachmittag traf eine Shwadron Husaren in Szigetvar ein; in Folge dessen fanden weitere Unruhen nicht statt.

Schweiz. Bern, 4. September. (W. T. B.) Der Vatikan hat in Betreff eines Bisthums für den Kanton Tessin erklärt, kein Provisorium und fein apostolishes Vikariat annehmen und event. über die Errichtung eines Bisthums nur mit dem Bundesërath verhandeln zu wollen.

Großbritannien und Jrland. London, 3. Septem-

ber. (W. T. V.) Ein Artikel der „Pall Mall Gazette“ antäßlih der Sedanfeier sagt: Der Einfluß Deuts ch- lands sei seit der Schlacht bei Sedan im Ganzen das ge- jündeste Element der europäischen Lage gewesen. Das Vor- handensein dieser großen friedliebenden Kraft habe Europa in jeinen Centralstaaien zum Vortheil gereiht, und Falls es gewiß ist, daß sein Einfluß in Zukunst mit gleiher Weisheit wie bisher gehandhabt werde, dann werde es wenige Männer außerhalb des engen Kreises der französishen Politiker geben, die niht zu sagen geneigt wären: esto perpetua! Deutschland sei die einzige Macht, die durch Verfassung, Tewperament, Lage und Jnteressen geeignet sei, die Führershaft Europas auszuüben. Deutschland sei die große mäßigende Kraft in der internationalen Politik geworden. E Ca (S e) De Simes be schwört in einem Leitartikel Frankreich: einen Krieg mit China zu vermeiden, da ein solher an jedem Punkte europäische Jnteressen Es und sehr delikate Fragen an- regen würde, bei deren Lösung England zu Rathe gezogen werden müßte. Die „Times“ glaubt, China werde \sih zu- bie as geben, wenn Frankceih weitere Schritte in Tongking einstelle.

Dem „Reuter’shen Bureau“ wird aus Hongkong ge- meldet: 15 000 Maun chinesisher Truppen überschritten bei Mongkai die Grenze von Ton gking und marschiren in der Richtung auf Haidzuong, dessen französishe Besatzung ver- stärkt wurde. Die längs der chinesishen Marschroute wirk- jamen Missionäre flüchteten. Die Chinesen wollen \ich bei Whampoa konzentriren und dort Forts errichten.

Der russische Botschafter am hiesigen Hofe, Baron A E, hat sich gestern Abend nah Kopenhagen egeben.

__ Drei englische Kriegsschiffe haben Befehl erhalten, sofort nach der Sunda-Meerenge abzugehen, um die dortige Lage zu prüfen und über die durch das Erdbeben verursahten Veränderungen, soweit dieselben die Schiffahrt berühren, Bericht zu erstatten.

Dublin, 4. September. (W. T. B.) Auf einem Gute, unweit von JÎiew - Roß, wurde der Versuh gemacht, vierzig Erntearbeiter zu vergifsten, weil dieselben sih geweigert hatten, ihren Arbeitgeber bei seinen Erntearbeiten im Stiche zu G Zwei sind bis jetzt gestorben, sechsunddreißig shwer erkrankt.

Frankreich. Paris, 3. September. (W. T. B.) Jn

der Kirche Saint Germain l’Auxerrois fand heute eine Leichenfeier für den Grafen Chambord statt, welcher eine große Menschenmenge beiwohnte. Die Feier ver- lief obne jeden Zwischenfall. __ Nach einem Telegramm aus Saigun, vom 1. d. Mts., ist Champeaux abgereist, um die Gesandtschaft in Hue zu instaliren und wird dort vorausfihtlich am 5. d. Mts. eintreffen.

4. September. (W. T. B.) Prinz Napoleon ift geftern Abend nah Moncalieri abgereist.

Spanien. Coruña, 3. September. (W. T. B.) Der König hielt heute eine Revuc über die Flotte ab und wurde dabei von der Bevölkerung überall enthusiastish begrüßt.

Afrika. Egypten. Alexandrien, 3. September. (W. T. B.) Wie die „Egyptische Zeitung“ meldet, wird die englishe Ofkupation#armee im Laufe des Oktober und November wahrscheinlich bis auf 3000 Mann vermindert werden. Ein Bataillon joll in Kairo, die übrigen in Alexandrien bleiben. Es werden Vorbereitungen getroffen, um nöthigenfalls 2000 Mann na dem Sudan zu senden. Die englishen Truppen werden ihre früheren Quartiere in Kairo im Laufe der Woche wieder beziehen.

Zeitungsfstimmen.

__ Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ äußert sich in einem Artikel über das Eisenbahnunglüdck in Stegliß folgende:maßen:

Unter den ersten Eindrücken der Trauer, des tiefsten Mitleids, der s{merzlibsten Ershütterung findet sid für eine Erörterung über die tieferliegenden Ursachen der Katastrophe kaum die nötbige Ruhe und Unbefangenheit. In erster Reihe derselben wird jedo nur die Unzulänglichkeit der Bahnhofsanlagen in Steglitz genannt werden müssen, und wird es Angesichts des gestrigen Ercignifses zur Ebrenpflicbt, an die Dringlichkeit zu erinnern, mit welcher die Regie- rurg im Frübling d. J., leider vergeblid, beim Atgeordnetenhause die Mittel zum Umbau des Steglizer Bahnhofes beanspruchte.

Das „Deutsche Tageblatt“ giebt zunächst eine Darstellung der Verhandlungen des Abgeordnetenhauses über die Budgetposition für den Steglißzer Bahnhof und sagt dann :

_Wir überlaffen cs unseren Lesern, si selbst das Facit aus dem Gesagten zu ziehen ; das aber können wir hier fonstatiren, daß die Regierung resp. der Herr Minister Mayba in jeder Weise pflicht- mäßig gehandelt hat, und die Verantwortlichen an anderer Stelle zu juchen find. :

Das „Fremdenblatt“ schreibt dazu:

Die Bahnbeamten trifft durchaus keine Schuld, das Unglüdck ift nur dur die Aufregung des Publikums gesehen, welches in Angst war, niht mehr nah Hause zu kommen und durch die vorhandenen Mittel nit zurückzubalten war.

Im letzteren Say liegt aber der Schwerpunkt der ganzen Katastrophe!

Man erinnert ih, daß noch vor Kurzem der Landtag den Umbau des Sfegliter Bahnhofes ablehnte! .

Was das entseßlihe Unglück aber nun unbedingt befördern muß, das ist die Anlage von zwei besonderen Lokalgeleisen ledigli für den Verkehr der Vororte. Das ist eine Forderung, zu welcher das Publikum berechtigt ift, nun mehr denn je, eine Forderung, die seit 10 Jahren fort und fort ausgesprocen, bei der Privatbahn stets ungchört geblieben ist, bei der Staatébahn aber in Vorbereitung war von Anfarg an, bis die Ablehnung des Umbaues des Steglitzer Bahnhofs Seitens des Landtags dieser guten Absidt cin Ziel seßte!

Nun ift das Kind in den Brunnen gefallen, jeßt wird man ihn zudeden, denn darüber herrs{t nur eine Stimme, daß cs Gottes Fügung war, wenn nicht {on längst ein solches Unglück zu beklagen war. Vorausgesehen hat cs Jedermann, der den Lokalverkehr von Steglitz kenxt.

__— In den „Berliner Politishen Nachrichten“ lesen wir Folgendes: __ Der fur({tbare Eisenbahnunfall in Stegliß ruft die Thatsache in Erinnerung, daß von der Staatsregierung die Mittel für den Umbau des Bahnhofs Stecliß im Betrage von über 422 000 46 gefordert, die Position aber abgelehnt wurde. Für einen Theil der ablehnenden Voten war die Höhe des Kosten- bedarss maßgebend, andere, insbesondere aus den Reihen des Centrums, wurden dur die Erwägung geleitet, daß aud anderwärts mangelhafte Bahnanlagen bestehen, die Befrie- digung eines derartigen Bedürfnisses in der Nähe von Berlin anderen aber nit vorgehen dürfe. Der Minister der öfentlihen Arbeiten seiner- seits hat in der Sißurg vom 19, April d. J. nichts unterlassen, um den sicherheitsgefährlihen Zustand der gegenwärtigen Bahnhofêanlage in Stegliß über jeden Zweifel klar zu stellen. Er betonte ausdrücklich, daß die Gisenbahnverwaltung im Interesse der Sicherheit des Publikums die Verantwortung für den Fortbestand der vorhandenen Mißstände nicht übernehmen könne, hob hervor, daß, wenn die Potêdamer Bahn noob Privatbahn wäre, deren Beseitigung von Staatsaufsichtswegen erfol- gen müßte, und erklärte ließli, daß, wenn die Gefahren für Leben und Ge!'undheit der in Stegliß ein- und ausfteigenden Personen bei weiterer Erfahrung eine Aenderung des jeßigen Zustandes unabweis- bar erscheinen ließen, er auf seine Verantwortung nöthigenfalls außer dem Rahmen des Etats Abhülfe zu s{bafffen genöthigt sein würde.

Diese Ausführungen machten indeffen nur auf einen Theil der

Abgeordneten den zu erwartenden Eindruck. Die Gegner nahmen vielmehr aus der leßterwähnten Aeußerung des Ministers Anlaß, vom formal fonstitutionellen Standpunkt sih gegen die Eoentualitär einer Rothmaßreçel mit äußerster Schärfe zu erklären und mit Ver- sagung der naträgliben Genehmigung zu droben. __ Die Nothwendigkeit jenes Vorschlages der Staatsregierung, das saclide Gewicht der Gründe für denselben, haben nur zu ras eine furtbare Bestätigung erfahren ; zuglei ergiebt sich die Zweischneidig- keit der Weisheit, welcbe triftige Sicherheitszwecke aus geringfügigen Ersparnißrücksichten unbefriedigt läßt.

In einer längeren Besprehung der Steglizer Katastrophe in der „Berliner Börsen-Zeitung“ findet sih folgende Stelle:

Tiefgehend ift die Sensation, welhe das Unglück hervorgerufen hat. Was sagen jene Herren Abgeordneten nun, welche dem Drängen des Herrn Maybach das „Lächeln der Ueberlegenheit“, unseren War- nungen Gleicbgültigkeit entgegenseßten ? Erinnern si dieselben noch jener Verhandlungen des Landtages am 19, April dieses Jahres und der Worte des Ministers Maybach? Er {loß mit den Worten : „Ich bitte Sie aber, die Verwaltung nicht in die Lage zu seten, ferner die Verantwortung zu Übernehmen für einen Zustand, der auf die Dauer nicht zu vertreten ist.“ Das find Worte, deren furchtbare Bedeutung erst heute uns Allen klar geworden.

__— In ihrem heutigen Leitartikel äußert sih die „P o st“ über die soeben zu Ende gegangene außerordentlihe Reichs- tagssession :

__ Wie in der Kürze ihrer Dauer unterscheidet sie sih von vielen ihrer Vorgängerinnen durch den verbältnißmäßigen Reichthum positiver Ergebnisse, durÞ einen völlig harmonishen Abshluß. Ihr Ergebniß ist die nahezu einstimmige Annahme des sranish-deutschen Vertrages, die mit großer Mehrheit gegen Fortschritt, Sozial-

demokratie, Volkspartei und einzelne besonders gesinnungs- tüchtige Sezessionisten erfolgte Zustimmung zu dem Geseßz- entwurf Kardorff-Hammacher, durch welchen, unter Ertheilung

der Indemnität der Reichsregierung die Vollmacht beigelegt wird, die Zollermäßigung des Handelsvertrages auch andern Staaten zu Theil werden zu lafsen, sofern sie ibrerseits niht andere Länder günftiger behandeln als Deutschland. Dieser Geseßentwurf war nicht sowobl wegen der Indemnität, deren Ertheilung an die Form des Gesetzes nicht geknüpft ist, sondern au implizite dur Zustimmung zu dem Vertrage bâtte gewährt werden können, sondern deswegen nothwendig, um die Lücke in formell rihtiger Form auszufüllen, welche die Verordnung vom 9. August bezüglih jener anderen

Länder vorbehaltilih der nommen hatte. :

Die Regelung der „Sa elPeichuigaz mit Spanien ift nunmebr auf eine völlig sichere Recbtsgrundlage gestellt; weder von deutscher noch von spanischer Seite ift eine Gefährdung mehr denkbar. Der deutsbe Handel, die deutshe Industrie können in vollem Umfange die Vortheile sich nußbar machen, welbe aus den Bestimmungen des Vertrages ihnen erwachsen. Selbst Hamburg dürfte, namentli unter der Vorausseßung, daß die Spirituéëklausel in gleicher Weise auf andere mit Spanien im Vertragëverhältniß stehende Mäbte An- wendung findet, die von der Handelskammer hervorgehobenen Schwie- rigkeiten bald überwinden und in dem Gesammtantheil, welchen ihm seine Welthandeléftellung aus dem Vertrage zu ziehen gestattet, baldigst reihen Ersaß finden. Die betheiligten Geschäftskreise, welche so lebhaft auf die \chleunige Inkraftseßzung des Vertrages hindrängten, müfsen mit bober Befriedigung erfüllt sein.

Nit minder alle Diejenigen in und außer der Reichsvertretung, welche ents{heidenden Werth auf die unentwegte Erhaltung des Staats in den regelrechten Bahnen der Verfaffung entscheidendes Gewicht legen und Anomalien ftreng vermieden wiffen wollen. Binnen kürzester Frist ist die in der Verordnung vom 9. Auauft lie- gende Abweichung dur die Genehmigung in verfafsungsmäßiger Form beseitigt und durb Nachsubung und Ertheilung der Indem- nität aesühnt. Das Recht des Reichstages bat dur die Vorgänge keine Beeinträchtiguna, sondern eine nacbdrücklihe Bestätigurg er- fabren. Dur das Gese Kardorf-Hammacher endlich ift eine Lücke in dem bestehenden Reicbérecht in einer den verfafsungmäßigen Rechten aller Theile durbaus genügenden Weise ausgefüllt. . ...

Diesen erbebliwen Erfolg, aus einer formal ungünstigen Lage zu einem nabezu einstimmigen Vertrauensvotum unter einem an das Lächerliche streifenden Mißerfolg der prinzipiellen Opposition zu ge- langen, verdankt die Reich8regierung wesentlih der von ihr beobacb- teten Taktik der unumwundensten Anerkennung der Rechte der Reichêvertretung. Ganz im Sinne der Eröffnungêrede, deren Vor- züge in dieser Hinsicht wir bereits hervorgehoben haben, ift auch bei der Verbandlung verfahren ; selbst die beftigsten Apostrophen brachten die Vertreter der Regierung weder aus dieser sahliden Stellung, no aus der maßvollen Ruhe. . .….

formellen Kor-rektur auszufüllen unter-

Amtsblatt zes Reichs-Postamts, Nr. 48. Inhalt: Verfügungen: vom 25. August 1883: Behandlung der Sendungen mit lebenden Thieren; vom 29. August 1883: Eröffnung der Eisecnhahnstrecke Remscheid —Remscbeid-Hasten.

Statistische Nachrichten. Den neuesten Nacbweisen des Statistisben Amts über die Aue wanderung aus Deutschland nach überseeisben Ländern sind folgende

Zablen zu entnehmen. Es gingen über deutsche Häfen und Antwerven deutsbe Auêëwanderer :

im Monat Juli Januar/Iuli 1883 11 469 195 614 1882 12221 130 204.

_— Gemäß den Veröffentliwbungen des Kaiserlichen Gesund- hettsamts sind in der 34. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern auf den Jahreëdurch\cnitt berechbnet als gestorben gemeldet: in Berlin 28,0, in Breslau 35,8, in Königsberg 30,4, in Cöln 21,3, in Frankfurt a. M. 22,1, in Hannover 23,9, in Caffel 19,9, in Magdeburg 21,0, in Stettin 24,4, in Altona 17,9, in Straßburg 22,5, in Mey 17,8, in München 37,5, in Nürnberg 24,7, in Augsburg 22,1, in Dres- den 26,5, in Leipzig 28,9, in Stuttgart 19,9, in Braunschweig 30,6, in Karlsruhe 18,0, in Hamburg 21,4, in Lübeck —, in Wien 22,5, in Budapest 33,6. in Prag 31,2, in Triest 29,8, in Krakau 24,8, in Basel 11,1, in Brüffel 21,9, in Paris 24,4, in Amsterdam 24,1, in London 17,9, in Glasgow 25,0, in Liverpool 23,0, in Dublin 21,2, in Edinburg 15,6, in Kopenhagen 22,4, in Stockholm 21,5, in Chri- ftiania 19,2, in St. Petersburg 26,6, in Warschau 39,1, in Ddefsa 56,9, in Bukarest 23,4, in Rom —, in Turin 18,3, in Madrid 29,6, in Alexandrien (Egypten) 84,6. Ferner in der Zeit vom 30. Juli bis 4. Auzust: in New-York —, in Philadelphia 27,1, in Chica —, in St. Louis —, in Cincinnati —, in San Franzisko 19,7, in Kalkutta —, in Bombay 38,2, in Madras 32,8.

Beim Wockenbeginn herrschten an den ost-nord- und westdeutschen Beobachtungéstationen {wae nördlihe und nordwestlidbe Winde, die aber bald nach Nordost drehten, mährend an den süd- und mitteldeutsben Stationen östlibde und südöstlide Luftströmungen überwogen, die in Karlsruhe {on am 20. naw Nordost gingen und in Cöln, Münden und Karlêruhe bis zu Ende der Woche aus öst- liden Richtungen vorwiegend wehten, An den mittel- und nord- deutsdben Stationen lief der Wind dagegen wieder nah Nordweft und blieb bis zu Ende der Wocbe aus dieser Windrihtung webend. Die Temperatur der Luft war einc höhere und lag, bei meist heiterem Wetter, an den meisten Stationen etwas über, in Berlin und in den süddeutsen Stationen ein wenig unter der normalen. Niederschläge erfolgten selten und spärlich, eleftrishe Entladungen in den öftlihen Stationen. Der beim Wocenbeginn bohe Druck der Luft be- hauptete mit geringen S&wankungen während der Woche seinen SLAnEpun, und zeigte erst zu Ende der Woche etwas sinkende Tendenz.

__In den meisten Großstädten war die Sterblichkeit in der Be- ribtêwohe eine etwas gesteigerte. Für die deutshen Städte stieg die allgemeine Sterblichkeitêverhältnißzahl nur wenig, auf 24,8 von 24,7 (pro Mille und Jahr berechnet). Sowohl das Säuglingsalter wie die böbere Altersklasse (über 60 Jahre) waren etwas mehr wie in der Vorwote an der Sterblichkeit betheiligt. Von. 10090 Lebenden starben aufs Iabr berechnet 195 Säuglinge gegen 103 der Vorwoche, in Berlia 117, in München 167.

Unter den Todesursaben zeigten die Infektionskrankheiten meist mehr oder geringere Nacbläfse, nur typhöse Fieber, Nuhr sowie Darm- fatarrhe der Kinder führten etwas mehr Sterbefälle herbei. Die Zahl der Todesfälle an Masern war in München, Berlin, London etwas geringer als in der Vorwohe. Das Scharlachfieber herrschte in Königsberg, Dresden, London, in Berlin und Hamburg hat die Zahl der Todeëfälle abgenommen. Auch Diphtherie und Croup hat in Königsberg, Dreéden, Hamburg, Hannover, Paris wieder

an Ausdehnung zugenommen und mehr, in Leipzig, München, Berlin, Wien, Prag dagegen weniger Todesfälle hervor» gerufen. Der Keuchhusten forderte in Infterburg, Hamburg,

Barmen mehr Opfer. Typhöse Fieber zeigen fic, wenn auc bis jeßt meist mit gutartigem Verlaufe, in den Regierungsbezirken Schleb- wig und Stralsund zablreich; aud in Königsberg, Berlin, Leipzig, Paris war die Zahl der Sterbefälle daran etwas größer. Todesfälle an Flecktrphus kamen aus deutschen Städten gar nicht zur Anzeige; aus St. Petersburg nur 1, aus Granada, Saragossa, Murcia 2, bezw. 3 und 4. Darmkatarrhe der Kinder führten etwas mebr, Brechbdurbfälle etwas weniger Todesfälle herbei. Noch immer is in Danzig, Stettin, Königsberg, Breslau, München, Dresden, Leipzig, Berlin, Frankfurt a. O., Hamburg, n- nover, Braunshwecig, Düsseldorf, Aachen, Krefeld, Straßburg, Wien, Budapeft, Prag, Paris, London, St. Petersburg, Warschau, Odessa u. a. ihre Zahl eine größere, wenn auch meist eine kleinere als in der Vorwoche. Sterbefälle an Ruhr wurden aus Berlin, Königshütte, Odessa und Granada bäufiger gemeldet. Pocken zeigten ih seltener. Einzelne Todesfälle wurden aus Breslau, Bremen, Wien, Brüffel, London, Alexandrien gemeldet. In beschränkter Zahl zeigten sie sich in Amsterdam, Paris, Liverpool, St. Petersburg, Warschau, Granada, Lissabon. In größerer Ausdehnung zeigten ße fich in Prag, Rotterdam, Birmingham, Malaga, Murcia und New- Orleans. Aus Baltimore wurden 2 Choleratodesfälle gemeldet, aus Moskau 1 Erkrankung an Cholera nostras. In Egypten läßt die Cholera nach, während sie in Indien an Ausdehnung gewonnen hat

Im Monat August 1883 wurden bei der Allgemeinen Unfall-VersiherungE-Bank in Leipzig 12 Todeéfälle,

_pom Dezember 1880 deren erste Hälfte bereits im vorigen Jahr-

négefährlihe Verleßung, 11 Unfälle, die ihrer Natur nach eine 1 lese oder theilweise Invalidität erwarten laffen, und 1125 Unfälle von voraussihtlid nur vorübergehender Erwerbäunfähigkeit der Ver- leßten, zusammen 1149 Unfälle angemeldet.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Das Gesetz, betreffend die allgemeine Landes- verwaltung, vom 30. Juli, und das Gesey, betreffend die Zuständigkeit der Verwaltungs- und Verwaltungs-

eribtsbehörden, vom 1. August 1833, ersheinen, mit einem Sacregister versehen, innerhalb weniger Tage als Heft 3 der Sammlung Deutscher Reihs- und preußischer Landes- geseze, besonderer Abdruck aus dem Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger, im Verlage der Norddeutschen Buch- bruderci und Verlagsanstalt, Berlin 8W., Wilhelmstr. 32. Der Preis für das 63 Bogen starke Heft stellt sid auf 0,80 .

Heft 1 der besonderen Abdrücke enthält das Gese, betref- fend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883, nebst Sachregister (Preis 0,39 H), Heft 2, das Gesetz, be- treffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 1. Juli 1883, nebst Sachregister (Preis 0,20 „). L

* —— Soeben ersien der neunte Jahrgang des „Statistischen œæahrbuhs der Stadt Berlin“, enthaltend die Statistik des Jahres 1881, herausgegeben von Richard Bökh, Direktor des Statistishen Ar-tes der Stadt Berlin. (Berlin, Verlag von Leon- bard Simion, 1883). Dieser Jahrgang weist den früheren gegenüber verscbiedene Erweiterungen auf. Abgesehen von der Aufnahme der Resultate der Erhebung der Bevölkerungs- und Wohnverhältnifse

gegeben wurde“ sind theils die Ergebniffe weiterer Arbeiten des Statistishben Amtes, wie die der Zune is S L der Gu i der einzelnen Stadtbezirke, und ie von em L, indie zuerst aufgeführte metbodishe Berechnung der ck Q 9 e G S Sterblichkeit nah Todesursachen binzugetreten, theils vom Statistischen Amt in Gemeinschaft mit anderen Behörden ausgeführte Arbeiten, wie die Auszäblungen der Erkrankungéfälle, die der Unterftüßten und ibrer Angehörigen mit Rücksiht auf die Ursachen der Verarmung, die der Steuerpflihtigen nah Stadtbezirken und derselben nah Bes ruféflassen, und die erweiterte Tabelle der Arbeitslöhne. Andere aus dem städtishen Ressort hinzugekommene Tabellen sind die Nachweisung der eingeschriebenen Hülfskafsen, die Sterbefälle der Armenkranken nach Todetursahe und Alter, die Tabelle der Steuerrekla- mationen: aus dem Ressort anderer Behörden: die Wiederher- stellung der Nacbweisungen über den „Hvpothekenverkebr_ und die Erweiterung der Kriminalstatistik auf die Fälle der Scböffengerichte urd Strafkammern, ferner die nabträglich binzugefügte Erkbebung der Unfälle in größeren Betriebstätten. Diesen Erweiterungen steben aller- dings au cinzelne Einschränkungen sowohl innerbalb des städtiscen Ressorts wie an anderen Stellen gegenüber, welce an den cinzelnen Stellen des Jahrbuhs bezeichnet sind. Der Herautgeber erkennt dankend an, daß sein Bestreben, in diesem Jahrbuch alle Ergebnisse der Berliner Statistik zu vereinigen, an den verschiedensten Stellen bereitwillinge Unterstüßung findet, daß insbesondere _Die amtlichen Materialien der Königlichen Ministerien, sowie der Königliben und Kaiserlichen Centralstellen und Behörden der versbiedenen Ressorts demselben stets zugänglih geblieben sind, und daß die umfassende Nbnabme und Vertheilung des statistischen Jahrbucbes von Seiten der städtischen Behörden die dauernde Fortführung des Unternehmens fi vert. , . , ns Von den im Verlage von Orell Füßli u. Co. in Zürich er- scheinenden „Europäischen Wanderbildern“ ist soeben das Trivelheft (44—46): „Ajaccio als Winterkurort und die Insel Corsica“, von Rud. Gerber, und das Doppelheft .A ugs -

gange 9 jelbständiger Berechnungen der

burg“, von Adolf Buff ausgegeben worden. Das erstgenannte Heft ift mit 11 Jllustrationen und einer Karte, das andere mit 27 Holzschnitten, einem Vogelshauplan 2c. auêgestattet.

Diese vortrefflichen kleinen Spezialführer haben sich bereits den Bei- fall der Touristen erworben, so daß sie eigentlich feiner Empfehlung mehr bedürfen. Jedoch verdient der Führer durch Augsburg wegen seiner ausgezeineten, kaum zu übertreffenden Holzschnitt-Jllustrationen, deren er außer mehreren Plänen einige 20 bietet, eine ganz besondere Hervorbebung. Für den Preis von 1 F dürfte niht wohl mehr und Besseres verlangt werden können. In der nächsten Zeit sollen von den „Wanderbildern“ zur Veröffentlibung kommen: Chur, Bürgen- sto, Neuchâtel, Bad Battaglia bei Padua, Stadt Bonn, Wallis, Zermatt, Egaisborn, Chamounix, die Brennerbahn, die Dolomitwelt Tirols und Abbazia. / - O :

- Von dem Prachtwerk „Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ihre Umgebung“, gescildert von Mar Ring, (Verlag von Schmidt u. Günther in Leipzig) liegen uns 9 neue Lieferungen, 13 bis 17, vor. Zunächst wird darin no die Scilde- rung der Mus-en und Sammlungen fortgeseßt und die vorzügli in Holz geschniitenen Jllustrationen zeigen uns: die Tafelrunde Friedri®s des Großen in Sanssouci, nach dem berühmten Menzelshen Gemälde, die apokalyptishen Reiter, nach dem grandiosen Carton von Cornelius, eine Ansicht des Kunstgewerbe- Museums nebst einzelnen bemerkenswerthen Objekten daraus, einige der denkwürdigsten historischen Reliquien aus dem Hohenzollern- Museum, und von den Olympiafunden die herrliche Nike des Paionios und den Kopf des Hermes. Dann folgen die Kirchen und gotteSdienst- liben Gebäude, von denen die Zions-, Thomas-, Petri-, Michaels- und Jerusalemer Kirche sowie die Synagoge dem Leser vor Augen geführt werden, und daran reihen si die wohlthätigen Anstalten, mit den Abbildungen des Krankenhauses Bethanien, der Gertraudt- Stiftung, des Asyls für Obdachlose, der Volksküche, ferner die Kir- hôfe mit den Ansidhten der Gräber Neanders, Diesterwegs und Scbarn- borsts. Der folaende Abschnitt handelt von den wissenschaftlichen Instalten und Schulen und bringt die Bildnisse Fichte's, Hegels, Swleiermacers, der Gebrüder von Humboldt, Ranke's und anderer Ge- lehrten, die Ansidht der Kunstschule, das Porträt Menzels, die Abbildungen der Bauakademie und der neuen technischen Hobschule in Charlottenburg. Das nâtste Kapitel trägt die Ueberschrift: Theater und Musik, Swauspieler und Schriftsteller und is mit den Bildnissen Ludwig Devrients, der Henriette Sontag, Wilibald Aleris', Joseph Joachims und einer Portrât-Kollektion aus dem Verein Berliner Presse aus- gestattet. Mit der Beschreibung der militärisWen Gebäude und Er- ziehungéanstalten nebst den Ansichten des GeneralstabS8gebâudes, des Vortragszimmers in demselben, des Kriegs-Ministeriums und der neuen Kriegsakademie {ließt die 17. Lieferung.

Gewerbe und Handel.

Vom Berliner Pfandbrief-Institut sind bis Ende Auguft 1883 291 000 M 34 °/oige, 16 021 800 A 4 °/oige, 44 337 000 Æ 43 9/ige und 9 198 900 M 5 /oige, zusammen 69 848 700 M Pfand- briefe ausgegeben, wovon noch 291 000 3# oige, 15 762 900 M 4°/cige, 36 369 300 M 43 °/cige und 6 771 300 M 5 °/cige, zusammen 59 194 500 M Pfandbriefe verzinslib sind. Es sind zugesichert, aber noch nicht abgehoben 772 200 4, im Laufe des Monats August 1883 angemeldet 3 Grundstücke mit einem Feuer-Versicherungswerthe von 492 025 t : L

London, 3. September. (W. T. B.) Bei der am Sonnabend abgehaltenen Wollauktion waren Preise unverändert.

Glasgow, 3. September. (W. T. B.) Die Verschiffungen von a ci f en betrugen in der very Wothe 15 700 gegen 16 000 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres. : l

Bradford, 3. September. (W. T. B.) Wolle fest, Garne rubig, Stoffe besser.

Verkehrs-Anstalten.

Die neueste Ausgabe des Reihs-Kursbucbes, ausgegeben

am 1, September 1883, ift soeben im Verlage von Julius Springer in Berlin erschienen. Dasselbe enthält eine Uebersicht sämmtlicher Eisenbahn-, Post- und Dampfschiff-Verbindungen in

Verbindungen der übrigen Theile Europas und der Dampfschiff- Verbindungen mit außereuropäischen Ländern, bearbeitet im Kurs- bureau des Reichs-Postamts. Eine Cisenbahn-Ueberfibtskarte von Deutschland und den angrenzenden Ländern liegt dem Reihé-Kursbuche bei. Der Preis dieses jedem Reisenden unentbehrliben Handbuches

beträgt, wie sonst, 2 A Die nächste Ausgabe erscheint am 15 Oftober. Hamburg, 4. September. (W. T. B.) Der Padcket-

\chiffahrtsgesellschaft wird aus New-York mitgetheilt, der Dampfer „Spain“ habe den Hamburger Postdampfer „Lessing“, welher am 27. August Abends einen Bruch an der binteren Kurbelwelle erlitt, gesproben. Man habe ver- sucht, denselben zu repariren, damit er mit verminderter Fabrgeschwin- digkeit die Reise fortsczen könne. Der Postdampfer „Lessing“ war am 23. Auguft von New-York na Hamburg abgegangen. : Triest, 3. September. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Oreste* ist mit der ostindisben Ueberlandspost aus Alexandrien beute früh bier eingetroffen. :

New-York, 3. September. (W. T. B.) Der Dampfer „S pain* von der National -Dampfscchiffs - Compagnie (C. Messingsche Linie) ist bier angekommen.

Berlin, 4. September 1883.

Ueber den Eisenbahn-Unfall in Stegliß vom 2, d. M. erhalten wir von dem Königlichen Eisenbahn- Betriebsamt Berlin - Magdeburg folgende Vit- theilung: i S Der fah: planmäßig um 9 Uhr 51 Min. Abends in Stegliß ankommende und um 9 Uhr 52 Min. abgehende Lokalzug Nr. 221 a. von Zehlendorf nach Berlin hatte in Folce des starken Sonntagzverkehrs eine Verspätung von 5 Min. erhalten, Die Folge hiervon war, daß derselbe, an- statt zwischen Stegliß und Friedenau, in Stegliz mit dem um 9 Uhr 50 Min. Abends aus Berlin abgehenden Courier- zug 142b, kreuzen mußte. .

Der Stationsvorsteher in Stegliß hatte demnach an- geordnet, daß die zur Mitfahrt nah Berlin auf dem Perron am Stationsgebäude Anwesenden erst nach Darchfahrt des Courierzuges das Geleise des leßteren übershreiten und in den Zug 221 a. einsteigen sollten. Zu diesem Zwecke waren die in den das erwähnte Geleis von dem Hauptperron ab- sperrenden starken Holzbarrieren angebrachten Schiebebarrieren geshlossen und sollten dem Publikum erst nah Durchfahrt des Courierzuges geöffnet werden. Der Zug 221a. jollte nit bis an den breiten Perron vorfahren, sondern an der {malen Verlängerung desselben bis nach Ueberschreitung der Geleise Seitens des Publikums halten. - :

Auf dem Perron neben dem Geleise, auf welhem der Courierzug nahte, und unmittelbar vor der das Publikum ab- sperrenden Barriere befand sich der Stationëvorsteher und 2 Arbeiter, welhe das Publikum unausgeseßt dur lauten Zuruf vom Oeffnen resp. Uebersteigen der Barrieren abhielten.

Der Masghinist des Zuges 221a., wel leßterer des Sonntagsverkehrs wegen verstärkt war, fuhr einige Wagen- längen weiter, als beabsichtigt war, und kaum war der Zug zum Halten gekommen, als ein großer Theil des Publikums, ohne auf den dringenden und wiederholten Warnungsruf der Beamten zu achten, mit Gewalt theils die feste Barriere über- stieg, theils die Scbiebebarrieren öffnete und den Zug, wie dies leider sehr häufig geschieht, von der vom Perron abge- wendeten Seite zu besteigen suchte. : E

Ein mit einer roth geblendeten Laterne versehener Sta- tionsarbeiter wurde bei dem Ansturm vom Publikum zu Boden gerissen und die Laterne zertrümmert, so daß dem, in diesem Augenblicke heranbrausenden Courierzug Nr. 142d. das Halte- zeihen Seitens des Stationsvorsiehers nur mit der in feinen Händen befindlihen weiß geblendeten Laterne gegeben werden konnte. Der Führer dieses Zuges war jedo nicht im Stande, denselben so plöglih zum Stehen zu bringen und fuhr mitten dur den im Geleise gebildeten Menschenknäuel hindur.

Dem aufregenden Nothsignale des Lokomotivführers folgte eine Todtenstille, und erst nach längerer Zeit machte sih der Schreck und das Entseßen der Zuschauenden in einem lauten Schmerzensschrei Lust. : j e Z

Als Opfer der Katastrophe blieben die Leichen von 17 Männern, 18 Frauen und 4 Kindern, }owie 5 shwer und einige wenige leiht Verwundete zurück. Die Leichen waren zum großen Theil arg verstümmelt. S E

Von tem Stationsvorsteher wurde sogleich per Telegraph Hülfe und Aerzte aus Berlin, sowie der Amtsvorsteher und die Steglißer Aerzte requirirt. E

In kurzer Zeit ershienen dieselben, fowie die freiwillige Steglißer Feuerwehr, welch leßtere voll aufopfernder Hingabe und musterhafter Haltung sih des shweren Amts der Bergung der Verunglückten so erfolgreih widmete, daß nah Verlauf von ungefähr 15 Minuten die Leichen aus dem Geleise ent- fernt und in den Wartesaal III. Kl. untergebracht, sowie die Schwerverleßten nach Berlin in das Elifabeth-Krankenhaus

eschaft waren. :

y Ps Abend, unmittelbar nah der ersten Nachricht waren der Direktor, sowie der oberste Betriebsbeamte des Königlichen Eisenbahn-Betriebsamts an Ort und Stelle geeilt. Heute stellte eine Gerichtskommission den Thatbestand an Vrt und Stelle fest und ordnete die Ueberführung der Leichen nah Berlin an. Ebenso waren Kommissare des Herrn Ministers der öffentlihen Arbeiten, des Reichseisenbahn-Amts und der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Magdeburg am Orte des Schreckens. j : E

Dieser traurige Vorfall giebt uns BVeran- lassung, dem Berliner Publikum reht dringend ans Herz zu legen, sich bei derRückfahrt von ihren Sonntagsausflügen per Bahn alles Drängens und Anstürmens zu enthalten. S :

Es werden ja sämmtliche Reisende unzweifelhaft rahers befördert, und wenn dies wirkli einmal eiwas später ge cieht, als beabsihtigt war, so ist dabei wohl zu bedenken, daß die sihere Bewältigung des so ungemein starken Sonntagsver- kehrs vor Allem von der ruhigen Haltung des Publikums abhängt und daß bei hastigem Ansturm ein Unglück wie das vorliegende leicht eintreten kann. i E

Im Nachstehenden geben wir eine Liste der bis jeßt Rekognoszirten : E :

A. Sofort getödtet wurden :

Hr. Heinrich nebst Frau, Berlin, Brigzerstr. Nr. 5; Hr. Otto Peters, Michaelkirhplaß Nr. 6; Hr. Grund nebst Frau und den Kindern Karl und Willy, Buckowerstr. Nr. 5; Hr. Patschke nebst Frau, Alexandrinenstr. Nr. 113; Hr. Bölling, Pallisadenstr. Nr. 83; Frl. Anna Tieß, Kalkscheunenstr. Nr. 3;

nebst Frau, Skalizersir. Nr. 57 ; Knabe Max Ruhm, Alexan- drinenstr. Nr. 2; Frl. Jda Horwiß, Sebastianstr. Nr. 79; Unteroffizier Scharfenberg vom Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 10; Unteroffizier Seydel vom Sächsishen Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 12; Frl. Klara Kaiser, Keibelstr. (Feuerwehr-Depot); Frau Lüdke, Belle-Alliancestr. Nr. 70; Schlosser Wildberg nebst Frau und zwei Dienstmädchen, ebendaselbst; Reisender Simon nebst Frau, Brandenburgstr. Nr. 48; Klempner Rathmann, Kürassierstr. Nr. 9. i s B. Auf dem Transport nach dem Elisabeth- Krankenhaus verstorben: Frau Bölling, Pallisadenstr. Nr. 83. L A C. Jm Elisabeth-Krankenhause befinden sich: Unteroffizier Shmidt vom 2. Hannoverischen Feld-Artillerie- Regiment Nr. 20 aus Medcklenburg; Dachdecker Johann Wil- mowsky, Nostizsr. Nr. 5; Frau Töpfermeister Ruhm, Alexan- drinenstr. Nr. 2; Frau Wittwe Raupach, Scharrnstr. Nr. 21.

Müncben, 3. September. (W. T. B.) Der zweite deutsche Kunstaewerbe-Kongreß ift heute im Prachtsaale des biesigen Kunstgewerbe - Vercinshauses dur den Ehrenpräsidenten Miller sen. eröffnet worden. Ministerial-Rath von Ziegler begrüßte die Versammlung im Namen der Regierung, worauf ein Hob auf den König ausgebrabt wurde. Zum Vorsißenden wurde Direktor Lange, bier, zu Beisißern Lange (Hannover) und Luthmer (Franf- furt) gewählt. Vertreten sind 16 Vereine aus großen Städten mit 189 Theilnebmern. Direktor Lange svrach über die Aufgaben des Konarces. Auf Antrag Gurlitt's (Dresden) wurde eine Kommission erwählt, um über die Gründung cines deutsben Gesammtverbandes zu berathen. An den Debatten betheiligt: h auch Geheimrath Reuleaur aus Berlin.

Dreéden, 3. September. (W. T. B.) Der zweite allge- meine deutsbeBergmannstag ist heute früh um 9 Uhr in der Aula des Königlichen Polytenikums dur dea Ober-Bergrath Förster-Zauferoda eröffnet worden. Geh. Finanz-Rath Dr. Freiesleben bearüßte die Versammlung Namens der Staatsregierung, Döder- Bürgermeister Dr. Stübel Namens der Stadt und Geheimer Rath Professor Dr. Zeuner Namens des Polvtecbnikums. Der Ober-Berg- hauvtmann, Wirkliche Geheime Rath von Decben aus Bonn wurde mit Afk.amation zum Vorsitzenden gewählt. Bisher sind 270 Theils nebmex angemcldet.

Im K rollsben Theater hat der „Prophet“ mit Hrn. Anton Scott in der Titelrolle am Sonntag bei seiner ersten Auffükrung vor ausverkauftem Saale einen so glänzenden Erfolg gehabt, daß mit der sofortigen Wiederbolung am heutigen Dienstag vielfaben Wünsten gedient sein dürfte. Speziell Hr. Sott darf die Helden- rolle des Propheten zu seinen vorzüglibsten Partien zählen, sowohl

as Gesangs- als was darstellerishe Kunst betrifft. Die ur)prüng- lid für heute angeseßt gewesene Vorstellung der „Huzenotten“ wird nunmehr am Donnerstag in Scene gehen Neben Hrn. Sott als Raoul tritt an diesem Abend als Prinzessin Frl. Talero vom ungarischen National-Theater in Pest zum ersten Male in Berlin auf. Morgen wird die „Regimentstocter“ (in der laufenden Saî]on neu) mit Frau Norbert-Hagen in der Titelrolle gegeben.

Belle-Alliance-Theater. Das neu einstudirte Lust!piel „Deutsber Krieg® mit Hrn. Wilhelm Fliegner als Gast hat sid der freundlibsten Aufnahme zu erfreuen. Außer dem Gaste find die Damen Wisoßki, Strabl und Hayn sowie die Herren Scvydel, Dorn, Sulz, Würt unv Mietner mit hervorragenden Partien bedadbt, deren treffliche Darstellung ihnen allabendlich reihen Beifall einträgt.

Bäder-Statistik. Personen Baden-Baden bis zum 31. Auguft (Fremde) ¿Se 100 Bocbyv bis zum 26. Auguft . : : 542

Burtscheid bis zum 1. September (Kur- und Badegäste) . 1 230 liter bis zut 24 August 22M)... 4 997 Griesbach bis zum 30. August (nebst 449 Durbre.) (Badegäste) 704 Heiligendamm am 25. August (anwesend) (Badegäste) . . ca. 100 Fonsdorf (Luftkurort) bis Mitte August (149 Part) 266 Karlsbad bis zum 29. August (Kurgäste) . 95 794

Königsbrunn (b, Köniastein a. d. Elbe) bis Mitte Aug. (65 Part.) 203 Königsdorf -Jastrzembt bis zum 21. August (225 Nrn.) . 345 Köien bis zum 24. August C) +6 1735 Kreischa bis Mitte August (130 Part). . . . « 162 Langenbrück (Sacbsen) bis Mitte Auguft (174 V) 436 Liegau-Hermannébad (b. Radeberg) bis Mitte Aug. (211 Part.) 371 Marienborn (bei Pansbwitz) bis Mitte Aug. (134 Part.) . 225

Neuenabr bis zum 29. August (Frme) 3954 Oevnbausen bis zum 31. August (nebst 2898 Durr.) (Nrn.) 4 409 Oppvelsdorf (bei Reichenau in Sachsen) bis Mitte August e

Ca 325 Osterode am Harz bis zum 28. August (Nrn) . . 567 Opbin (Luftkurort) bis Mitte August (154 Parteien) . 414 Reinerz bis zum 28. August (nebst 1752 Familien mit 2193

Pers. als Vergnügungsgästen und Durchreisenden) (Kur-

gâste 2007 Familien mit Pers.) . 3 405

Sandau bis zum 26. August (nebst 17 699 Durcbreisenden L

bis zum 15. August) (1054 Parte)... « » + 2276 Scbweizermühle bis Mitte August (111 Parteien) 283 Soden bis zum 21. August (Badegäste)... ... 2073 Sooden a. d. Werra bis zum 23. August 4 n) . 634 Tharandt bis Mitte August (263 Parteien) 546 Unna-Königsborn bis zum 17. August (nebst 1522 Dur-

reisenden (ständige Kurgäste) . „....« . « 1 097 Weißer Hirs mit Oberloschwitz (fklimat. Kurort) bis Mite Aut O Maa ; (43 Wildungen bis zum 29. August (1685 Nn). „A 162 Wilhelmshöhe am 28. August (Fremde anwesend) . . 321

Wittekind (bei Giebichenstein und Halle) bis zum 31, Aug. . 4 653 Wolkenstein (Warmbad) bis zum 30. August (373 Parteien) 568 Von den weniger frequentirten Bädern wurden besucht bis Mitte August: Georgenthal (bei Neukirch i. d. Lausig) von 25 Parteien mit 61 Pers., Gruben (bei Meißen) von 46 Part. mit 63 Pers, Hamm bis zum 16. August einschließlich von 87 ständigen fremden

Badegästen.

Literarishe Neuigkeiten und periodisheSchriften.

Jahrbücher für die deutsche Armee und Marine. Heft 3. Inhalt: Algerien und Tunesien. Von A. Janke, Haupt- mann (Fortseßung). Die Kriege der Vendée gegen die erste fran- zösische Republik 1793—1796. Eine militärhistorishe Skizze von A. v. Crousaz, Major z. D. (Fortseßung). Die preußischen Husa- ren bei der Armee der Verbündeter Friedrib des Großen in den Fahren 1758—1760. Grundzüge für eine Neuordnung un]eres Ingenieur- und Festungéwesens. Italiens westlicbe Vertheidigun1s- front und heutiges Befestigungssyvstem. Von C. Winterberg. Vie neueste Stiefelfrage. Ein Wort über Anonymität und Pfeudony- mität. Stuarts leßter Raid vom Sattel aus gesehen. Umschau in der Militärliteratur. i

Beiträge zur Geshichte des Bergbaues in der P rovinz Brandenburg, von H. Cramer, Geheimer Bergrath und Ober-Bergrath in Halle a. S. Siebentes Heft: Die Kreise Landóberg a. W., Friedeberg, Arnswalde, Soldin und Königsberg.

Hr. Banksekretär Kleeß, Prinzenstr. Nr. 101; Frau Beudke,

Deutschland, Oesterreih-Ungarn, Schweiz sowie der bedeutenderen

Neue Friedrihstr. Nr. 31; Hr. Betriebssekretär Lamprecht

Halle a. S, Verlag der Bucbhandlung des Waisenhauses , 1883.